ÜBER
DEM
ALLTAG
KOBER' SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASLE 1931
COPYRIGHT BY KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
Über dem Alltag
Wollen wir wandeln!
Doch soll es hier sich um Dinge handeln,
Die auch dem Alltäglichen zugehören.
Wir wollen nicht Sinn und Herz betören,
Zu glauben, der Alltag sei uns fern,
Lebten wir auf einem fernen Stern.
Wir wollen hier nur so manches betrachten,
Was alle Alltäglichen allzeit verlachten.
Wir wollen den Alltag lieben und ehren
Und keinem seiner Rechte wehren.
Doch wollen wir Höhen und Firnen ersteigen
Die auch Alltagsfernes uns nahe zeigen.
Wir wollen den Alltag
Unter uns sehen
Und uns in ewigem Lichte ergehen.
Wir wollen uns aus dem Alltag erheben,
Um kraftvoll in ihm uns erneut zu erleben!
*
Das war am Meer ‒
Das war an nächtlichem Gestade ‒
Als ich zum erstenmale aus geweihtem Mund
Mich selbst in meinem Namen nennen hörte, ‒
Als Wahrheit wurde zugesagte Gnade,
Und kein Ersehnen mehr
Die Stunde störte.
Nun fühlte ich,
Bewußt in meinem Namen,
Zum erstenmal die Schwere meiner Bürde.
Daß Hochgeheiligte aus fernen Zonen kamen,
War Folgeleistung ihrer eigenen Würde.
Das war am Meer ‒
An griechischem Gestade ‒
Als keine Bindung mehr
Der Weihe wehrte, ‒
Und unerfaßlich lichterfüllte Gnade
Ewiger Urkunft mich erinnern lehrte...
*
Da ich zum erstenmal die geistgeeinten
Und mir im Geiste brüderlich vereinten
Menschen,
Die ich, bis auf einen,
Niemals im Irdischen vordem gesehen hatte,
Meinen Namen
In der Weise ihrer Zungen
Sprechen hörte,
Fühlte ich im Innersten mich so erschüttert,
daß ich kaum die Sprechenden: ‒
Die geistgeeinten Meister, ‒
Um mich her noch klar gewahren konnte
Durch den Schleier den das Auge sich er‐
zeugte...
Es war für mich erschreckend und verwirrend,
Daß sie mich
in meinem Namen kannten: ‒
In dem ewigkeitsgezeugten
Namen,
Der ich ‒
bin,
So, wie die Quelle
Wasser ist,
Und eines Wortes Inbegriff:
Sein
Sinn!
Wohl
war ich, was sie lauthaft sprachen,
Wie es sich in Menschenlauten wiedergeben
läßt,
Seit Ewigkeiten, ‒
Doch niemand hatte vordem je
In erdenhaften Zeiten
Den Namen mir
genannt,
In dem ich selbst mich kannte,
So, wie der ewigliche Vater mich im „Wort”
Bei Namen nannte.
Nun „gaben” mir die hohen Meister
Und von da an meine Brüder,
Diesen gleichen Namen
Hier in Lauten dieser Erde, ‒
Auf daß Urewiges allhier aufs neue,
Neu geformt, in ihm verkündet werde.
*
Eh' ich Ihn kennen konnte,
War er lange schon mir geistig nah.
Doch viele Jahre mußten so vergehen,
Ehe ich Ihn leibhaft vor mir sah.
Er, der in sich mich kannte
Und stets um mich war,
Erschien mir vordem gar als ungebannte
Drohende Gefahr.
Erst mußte alle Furcht ich in mir über‐
winden;
Nicht eher durfte ich Ihn leibhaft vor mir
finden.
Als ich Ihn dann erkannte,
Kannte ich mich langhin selbst nicht mehr,
Und was ich irdisch vordem lebte, ‒
Schwand mir,
Ward mir schal,
Vergessenswürdig,
Wertelos
Und leer.
‒ ‒ ‒
Nun sind wir lang schon
Ineinander Eines
Und doch Zwei, ‒
Und solcherart vereint
Zu geistigem Bewußtsein ‒ :
In Zweieinheit ‒ Drei.
Nie wirkt der Eine, nie der Andere allein,
Denn jeder tritt zugleich für Beide
Und sich selber ein.
*
Unzähligemale
Bin ich gefallen!
Gefallen auf meinem Wege zum Licht, ‒
Gefallen, wo ich weiterschreiten sollte, ‒
Gefallen, wo ich unbewegsam stehen wollte!
Sünde häufte ich auf Sünde,
Torheit auf Torheit,
Schuld auf Schuld, ‒ ‒
Unvermeidbar! ‒
Denn die mich formten,
Mußten mich in meinem eignen Staube
schleifen,
Wie man den härtesten der Edelsteine
Nur in seinem Staube schleifen kann.
Niemals ward mir Sünde Genuß!
Niemals Torheit Freude!
Niemals Schuld Befriedigung!
*
Lichtgezeugt in ungezeugtem Lichte,
Nicht beschwert von niederziehendem Gewichte,
Würde jeder Leuchtende zunichte,
Wagte er sich in der Erde Dichte,
Wehrend, sich dem Dichten zu vereinen.
Denn im schwerefreien Lichten, Reinen,
Ist, was ist, gelöst von Schein und Meinen,
Urverschmolzen nur dem ewig Einen.
Um dem Vielen fördernd sich zu geben,
Braucht es dieser Vielheit Schein und Streben,
Braucht es zeitbedingtes Tun und Leben,
Braucht es Schweres, um es zu erheben.
Darum drängt der Leuchtende zur Erde,
Spähend wie der Adler über einer Herde,
Daß der Erdmensch ihm zu eigen werde,
Der im Willen ihm verbunden war,
Unberechenbare Zeiten eher,
Vordem den Verbundenen ein Weib der Erde
Sich zum Menschensohn gebar!
*
Wer weiß die Wege, die der Lenker weist, ‒
Einer der großen Vier im ungezeugten Geist, ‒
Wenn er den Leuchtenden zur Erde leitet,
Allda das Irdische zu finden,
Das er selbst dem Geist bereitet,
Auf daß in ihm das Licht der Ewigkeit
Zur Stätte komme, ‒
Erdenfarben, ‒
Zur gesetzten Zeit?
Hier kann nicht Menschenurteil sich erfüllen,
Denn weise weiß der Lenker zu verhüllen,
Wie er das Widersprechende bezwungen: ‒
Wie er den Erdenleib dem Leuchtenden er‐
rungen,
Dem selbst im Geist nicht kund ward,
Wie der Weg verlief,
Weil, frei von Durst nach Wissen und Er‐
kennen,
Er nur des Lenkers Stimme folgen mußte,
Die zur Erde rief.
*
Zum Tode bereit stets ‒
Dem Leben geweiht ‒
In heiliger Inbrunst
Entbrannt ‒
Benedeit ‒
Dämonen verhaßt ‒
Erzengeln Erwählter ‒
Vorwurf den Nächtigen: ‒
Urlichtvermählter! ‒
Urlichtdurchleuchtet
Im Hohen und Tiefen ‒
Lichtbringer Allen,
Die nach ihm riefen. ‒
Allen gegeben: ‒
Sich selbst nur verwehrt,
Gleichwie das Wachs,
Das zu Licht
Sich verzehrt.
*
Wenn ich nicht wäre, der ich bin: ‒
Ich wäre dennoch nicht der Tor,
Der ich wahrhaftig wäre,
Griffe der Toren Schätzung,
Die mich nur nach
ihrer Elle Aichung
Messen können,
Nicht so in's Leere!
Wenn ich nicht wäre, der ich bin,
Dann wäre ich noch immer nicht
Für
die zu fassen,
Die nur zu fassen wissen,
Was sie nicht mehr hassen,
Weil es ihnen
gleicht
Und nur das
ihnen noch Erreichbare
Erreicht!
*
Was sie bei mir gelesen haben,
Verrät sich durch geheime Zeichen,
Die ich dem Meinen eingegraben,
Das sie als Eigenes weiterreichen.
Nur wurde leider auch daneben
Der Worte Sinn nur halb verstanden,
Und freies, lichtgezeugtes Leben
Schlug Unverstand in enge Banden.
*
Nehmt es wie ihr wollt:
Ich bin lauteres Gold
Und Gold ist, was ich künde, ‒
Ja: Gold ‒ selbst meine Sünde.
Nehmt es, wie ihr es ertragt!
Nehmt es, wie es euch behagt!
Spottet, oder ehret!
Nichts sei euch verwehret!
Goldschmied hat sich sehr gemüht ‒
Mich gehämmert und geglüht ‒
Ausgeschieden fremde Erden, ‒
Streng mußt' ich geläutert werden!
Nehmt es wie ihr wollt:
Ich bin lauteres Gold!
Gold ist, was ich künde!
Gold: ‒ noch meine Sünde!
*
Es brauchte viele, viele Jahre
Bis ich alle Widerstände menschlichen Emp‐
pfindens
Die dem Erdenkörper erbhaft eigen,
Oder aber anerzogen worden waren,
So bezwungen hatte,
Daß ich mich selber, ‒
Mich, den ewigkeitsgezeugten Lichtgeeinten, ‒
Aus dem Menschlichen bekennen konnte,
Das mir Diener meiner Offenbarung ist.
Gar irrig aber wäre hier der Glaube:
Als ob mein Irdisches mich eher nicht emp‐
funden
Und mich ‒ im Allerinnersten verbunden ‒
Nicht bis ins Tiefste im Erleben aufgenom‐
men hätte!
Hier liegt keine „Entwicklung der Erkennt‐
nis” vor
Denn: ‒ offen stand dem Irdischen durch
mich das Tor
Zu meinem ewigkeitsgezeugten Sein
Von jener Stunde an,
In der die Meinen den Bereiteten
Bereit zur Weihe fanden
Und ihn an seine mir gelobten Pflichten
banden.
Besorgsam suchte nur die Seele
Mannigfaltig immer wieder zu verbergen,
Was Ereignis hier geworden war...
Und brachte sie auch mutvoll mir bedin‐
gungslos
Sich selber dar,
So hatte doch sie noch
sich selbst zu über‐
winden, ‒
Nicht eher konnte sie die Kraft,
Mich zu bekennen, wie ich mich in ihr
bekenne,
Endlich ‒ in der längsterlangten Einheit
Mit mir selber ‒ in sich finden!
*
„
Fürchtet euch nicht!”
Ihr in mir Geweihten!
Fürchtet euch nicht:
Ich will euch geleiten!
Ich bin kein Schatten, euch zu erschrecken, ‒
Aus Angst und Traum will ich euch wecken.
„
Fürchtet euch nicht!”
So wird der Gruß
Des Meisters berichtet,
Wenn er, von himmlischer Lohe umlichtet,
Nach seinem Heimgang
Den Seinen sich zeigte,
Irdischer Inbrunst sich niederneigte.
„
Fürchtet euch nicht!”
Ich will bei euch bleiben, ‒
Jedem der Meinen mich einverleiben, ‒
Jedem, der sich in mir erkennt,
Wie ihn der Vater
Bei Namen nennt!
Liebender Leiter im ewigen Licht ‒
Bleibe ich bei euch: ‒
„Fürchtet euch nicht!”
*
„Ich bin der Weg,
Die Wahrheit und das Leben!”
Zum Vater fanden, die ihn fanden,
Nur durch mich!
In mir nur
Kannst du dich zum Ewigen erheben!
In mir nur
Findest du dein wahres „Ich”! ‒ ‒
Ich bin das Wort
Das nur sich selber spricht!
Ich bin die Gnade,
Die Erlösung
Und das Licht!
*
Ihr kennt mich nur in
einer
Meiner irdischen Gestalten,
Und sie allein nur habt ihr zeitlich festge‐
halten...
Ihr wißt nur um den Lehrenden der dann am
Kreuze starb,
Und der als Größter aller Liebenden,
Verwirktes, das nur Liebe lösen konnte,
Aller Erdenmenschheit wieder neu erwarb...
Ihr wißt noch nicht,
Daß ich auch
anderen der Euren eingeboren
war,
Und immer wieder hier den Sohn der Erde
finde,
Den ein irdisch Weib dazu gebar,
Mir irdisches Gefäß zu sein aus körperhaftem
Leben,
Dem ich mich einverleibe um in ihm zum
Vater
Alle Erdenmenschheit zu erheben!
*
„
Ich” ist das Wort
Und ist die Stimme
Die es spricht!
„Ich” ist das Gold
Und ist der Hort: ‒
„Ich” ist der Leuchtende
Und ist das Licht!
„
Ich” bin sie Alle,
Die in mir ich bin!
„Ich” bin die Form,
Ihr Inhalt, ‒
Die Gestaltung
Und ihr Sinn!
„Ich” bin der Krug
Und bin der Töpfer: ‒
Der Mensch der Erde
Und sein Schöpfer!
*
Tierverbunden mußt du sein,
Um den
Menschen zu erleben. ‒
Geh' nur zu dir selber ein
Und bleib' nicht im Denken kleben
Auch nicht „Rückkehr zur Natur”
Bringt dir die ersehnte Klarheit!
Und du bist nicht auf der Spur,
Suchst du „forschend” nach der Wahrheit! ‒
Tiernatur und ihre Kräfte
Blut und alle Lebenssäfte
Dienen
ewigen Gewalten,
Um in dir sich zu gestalten.
In das tiergebannte Leben
Ruft den Geist
dein eigen Streben...
Nicht bedarf es hehrer
Handlung! ‒
Nur der
Wille wirkt die Wandlung!
*
Belächelt nicht das Kind, geliebte Freunde,
Wenn es euch erzählt von Dingen,
Die ihm wirklich sind, ‒
Obwohl
ihr dieser Dinge Wirklichkeit
Nicht mehr zu fassen wißt,
Wie ehemals, da ihr noch selbst
Das gleiche Wirkliche
Auf
eure Art erfahren durftet!
Belächelt nicht,
Was euch der kleine Mund ‒
Kaum mächtig aller Worte
Die er formen möchte ‒
Erzählt von Wundern,
Die sich Nacht und Tag hindurch
In eures Kindes Welt ereignet haben!
Ihr werdet diese Welt des Kindes
Wieder in euch finden müssen,
Wenn ihr
dorthin finden wollt,
Wohin das tiefste Sehnen eurer Seele
Finden will!
Das hohe Meisterwort:
„So ihr nicht werdet wie die Kinder...”
Ist nicht als billiger „Vergleich” gemeint!
Es kündet die Bedingung,
Die erfüllt sein muß
Von jedem Erdenmenschen,
Der erlöst, im ewigkeitsgezeugten Geist
Sich selber wiederfinden will! ‒
*
Den Geist der Ewigkeit
Kannst du nicht unvermittelt finden.
Um faßbar dir zu werden,
Muß er sich an Körperhaftes binden.
Die gröbsten, wie die allerfeinsten,
Der Organe deines Erdenleibes
Mußt du ganz dem Geiste geben,
Damit er sie erwecken und befruchten kann
Mit seinem Leben!
In jeglichem Organ des Körpers
Schafft der Geist dann, ‒
Bleibt dein Wille wach, ‒
Sich eine „Zunge”: ‒ einen „Mund”, ‒ ‒
Doch, erst, wenn ihm dein Körper
Resonanz zu bieten weiß, ‒
Wird dir des Geistes sanfte Sprache
Auch als menschliches Erfühlen
Und Gedanke kund!
„Vergeistigung des Körpers”
Könnte selbst ein Gott niemals erringen, ‒
Nur die Verkörperung des Geistes
Weiß dich in den Geist zu bringen!
*
Seid sicher,
Daß auch nicht die Enkelkinder eurer Enkel
Eine Zeit erleben werden,
Die auf Erden keinen Krieg mehr kennt!
Seid sicher,
Daß auch noch der fernste Nachfahr
Mordbedrohung um der Selbstsucht willen
Unter Menschen dieser Erde:
„Zwangesläufig” und „Naturbedingnis”
nennt!
Der Mensch mag alle Kräfte der Natur
Bezwingen: ‒
Das Raubtier in sich selbst zu zähmen,
Wird auf dieser Erde aber
Nur den Höchstgearteten, ‒
Den
Hörigen des Menschentieres
Nie gelingen!
*
Sei zuerst des Wortes Sprecher!
Seine Form sei dir der Becher,
Sinn und Sage einzutrinken,
Sollen sie zu Herzen sinken. ‒
Doch, vergiß dich nicht! Und später
Werde dann des Wortes Täter!
Wirke ihm in weiser Waltung
Wahrhaft würdige Gestaltung!
Dann erst hast du abgetragen
Deine Schuld, gehörter Lehre,
Strebt dein Tun darnach, zu sagen,
Was der Lehre Ehre mehre!
*
Will dir heute nichts gelingen,
Höre auf, es zu erzwingen!
Kannst du heute nicht begreifen,
Laß' dich ruhig weiter reifen!
Was dir heute noch verborgen,
Wird dir klar ‒ vielleicht schon morgen!
*
Da, unbeschränkt an Zahl,
Die mannigfachsten Kombinationen
Des beschränkten, hirnbedingten
Erdenmenschlichen Erkennens
Möglich sind,
So sind auch jenen Konstruktionen
Seiner Vorstellung,
Die sich der Mensch auf Erden
Als sein „Weltbild”:
Seine „Weltanschauung”, schmiedet,
Keine anderen Hindernisse je im Wege,
Als die Mängel irdischer Erkenntnisfähigkeit,
Und nur durch sie wird jede Unvereinbarkeit
Des in der Vorstellung Geschaffenen
Mit dem, was wirklich
ist, bestimmt.
Doch selbst bei aller Ähnlichkeit
Bleibt jede „Weltanschauung”
Nur ein Schattenbild von dem,
Wonach die menschliche Erkenntnisinbrunst
Tief im tiefsten Innern trachtet!
Das Wirkliche
Läßt sich in kein gedankliches Gebilde
pressen!
Da es das Sein in allem Seienden: ‒
Das Leben allen Lebens ist,
Kannst du es nur im eigenen Sein erleben
Sobald du, suchend in dir selbst,
Des Seins bewußt, das dich belebt,
Dir selbst lebendig wirst!
*
Stets wird später hochgeehrt,
Was der Tag dem Tag verwehrt!
Was die Früheren verlachten,
Wissen Spätere zu achten! ‒
Nichts bleibt wie es ist auf Erden, ‒
„Heute” muß stets „Gestern” werden!
*
Die Väter fuhren auf dem Meer
Und kannten Fährnis, Flut und Riffe,
Als euch, noch säugend, trug einher
Die Mutter, spähend nach dem Schiffe.
Wollt ihr nun selbst das Meer befahren,
So seid nicht töricht und vermessen: ‒
Fragt, wie ihr
meidet die Gefahren,
Denn niemals solltet ihr vergessen,
Daß lang vor euren Erdentagen,
Die Segel schon in Stürmen lagen.
*
Wenn ihr „nicht werdet wie die Kinder”,
Wird eurer keiner je zum Finder!
Doch: ‒ birgt er ihn nicht bei den Alten,
Wird keiner seinen Fund behalten!
Jugend schafft Wertes nur im Warten!
Jugend ist keimbereiter Garten!
Nur bei den Alten reifen die Früchte!
Der Jugend verderben sie lüsterne Süchte!
Jugend kann niemals sich selbst gestalten,
Findet sie Former nicht bei den Alten!
Jegliches Volk wird sich selbst zum Vernichter,
Bleiben die Alten nicht seine Richter!
*
Jede Jugend ist nach Lob begehrlich,
Kann sich nie genug gewürdigt sehen.
Ob der Lober Schalk ist, oder ehrlich, ‒
Das zu scheiden, wird sie nie verstehen!
*
Die Ältesten des Volkes
Müssen erneut zu Ehren kommen!
Törichte Schwätzer haben
Den Alten den Ruf genommen,
Haben zerschwätzt, was alle Zeiten wußten:
Daß alle Reiche untergehen mußten,
Die an den Rat der Alten
Sich nicht mehr kehrten,
Vorlauter Jugend Torheit
Nicht mehr wehrten.
Denn jeder neuen Jugend muß die Zeit
verwahren,
Was sie ihr einst zu geben haben wird
In hohen Jahren!
*
Die ihr eigen Nest beschmutzen,
Bringen sich mitnichten Nutzen.
Die jedoch den Stamm verderben,
Müssen mit dem Baume sterben.
Er, der einst ihr Nest getragen,
Wird sie selbst im Fall erschlagen. ‒
*
So vieles glaubt man heute schon errungen,
Was auch Jahrtausende noch nicht errungen
sehen werden.
So vieles glaubt man heute längst gelungen,
Was nie und nimmer uns gelingt auf Erden.
Nur voll Enttäuschung wird man einst er‐
fahren,
Wie ferne man dem schon gewiß Vermeinten
war, ‒
Und unerfreut wird man zuletzt gewahren:
Daß jede Zeit sich ihre Illusion gebar!
*
Bei Kampf und Minne und Reigentanz
Gehört sich die Jugend in Kraft und Glanz.
Hier haben die Alten sich wegzuheben, ‒
Was sie einst lebten: hier will es jetzt leben. ‒
Hier will sich Leibes Anmut zeigen
Bei Trommel, Klarinett' und Geigen, ‒
Hier will sich Mut und Heldenkraft
Erweisen in hoher Leidenschaft. ‒
Was aber kämpfend zu erringen,
Zeigt meist der Alten Deuten und Singen,
Denn nur in Jahren und wieder Jahren
Sichert sich wissendes Erfahren. ‒
Die klar nun im Buche der Zukunft lesen,
Waren vor Zeiten auch Junge gewesen!
Soll sich das Volk den Enkeln erhalten,
Braucht es die Jungen wie die Alten!
*
Nur bei den Alten sucht mir die Weiser,
Die, als ein Rat der heimlichen Kaiser,
Hoch über Herde und Weide thronen,
Keiner allmenschlichen Gier mehr fronen.
Doch nicht die Jahre nur, die der Denker
Müssend durchlitten, bestimmen den Lenker,
Weiß er nicht alles erfahrene Leben
Ewiger Seele zu eigen zu geben: ‒
Nur der sich selbst an die Seele verloren,
Ist als der Zukunft Former erkoren!
*
Glaubt nicht, das Strahlende sei heute über‐
flüssig!
Der Sonne Wärme ist von ihrem Lichte nicht
zu trennen. ‒
Seid ihr auch heute eigenen Strahlens über‐
drüssig,
So sollt ihr doch im Glanz die Kraft erkennen!
Wißt ihr auch euren Kindern nicht zu geben,
Was eurer Väter Väter einst den ihren gaben,
So ehret doch das Wenige im Leben,
Was wir an altem Glanz noch übrig haben!
*
Wir gehen einer neuen Welt entgegen, ‒
Wenige ahnen, wo wir alle schreiten!
Wahn weiß noch Träume zu erregen,
In denen Tausende sich selbst entgleiten...
Die ungezeugten Lenker aber geben nicht
verloren
Was je ihr Fühlen schon als reif erfühlte, ‒
Auch wenn sich, was aus Geist zum Licht
geboren,
In zähen, toten Erdenschlamm verwühlte.
Wer ihrer Hilfe sich nicht toll entzieht,
Erreicht das Ziel, ‒ auch wenn er es noch
flieht!
*
ENDE
AUFERSTEHUNG
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien
im Richard Hummel Verlag, Leipzig 1926
©
Copyright 1959 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck, Pfäffikon ZH
ES wird kaum besonderer Rechtfertigung be‐
dürfen, wenn ich das Titelwort des ersten
der hier folgenden zwölf Kapitel zum gleichsam
symbolischen Titel des ganzen Buches erhebe.
Was hier gegeben wird, soll die Seele aus Grabes‐
dunkel und Moderluft zur wahren Auferste‐
hung führen.
Es sind aber viele seelisch begraben, die nicht
einmal ahnen, dass sie Verwesung umgibt, dass
Gruftgemäuer sie umschliesst. ‒
Andere wieder geraten unversehens tiefer und
tiefer in die Nacht des Todes, da sie in törichter
Lüsternheit sich anziehen lassen, das phospho‐
reszierende Schimmern der Fäulnis und Zerset‐
zung aus möglichster Nähe zu betrachten, bis
bald kein Ausweg mehr zu finden ist, der sie zu‐
rück zur Helle des Tages führen könnte.
So wird es nötig, dass heller Fackelschein den
Gefährdeten deutlich zu Bewusstsein bringe, wo
sie sich befinden.
Nicht minder vonnöten ist es, Arglosen zu zei‐
gen, dass sie Grabkammern betreten wollten,
in der Meinung, verborgene Tempel entdeckt
zu haben.
Doch damit genug der bildhaften Worte!
Ich glaube, der Sinn dieses Buches wird sich
jedem unbefangenen Leser ohnehin offenbaren
und man wird verstehen, weshalb ich die ein‐
zelnen, in sich selber abgeschlossenen Teile in
der gewählten Folge aneinanderreihte.
Wer das Buch in sich aufnimmt, wie es aufge‐
nommen werden will, der wird sicherlich nicht
beklagen, es gelesen zu haben, ‒ ja, ich glaube:
er wird es alsdann noch
oftmals lesen, bis er zu
jener «
Auferstehung» erwacht, die weder un‐
begreifliches Wunder, noch willkürliche Gnade
ist, sondern
eines jeden Erdenmenschen
geistgesetzte Berufung!
ES gibt wahrlich Wahrheiten, die aller Zeit
entrückt, wie ewige Sterne in das dunkle
Dasein des Menschen der Erde strahlen, um ihm,
dem Gottentfernten, von jenem Lichte zu kün‐
den, dem er selbst, nach seiner Geistigkeit, ent‐
stammt.
Wohl denen, die da, gebunden an Mühsal und
Erdenfron, noch ihren Blick zu erheben wissen
zu jenen überweltlichen Höhen, aus denen sol‐
ches wundersame Licht sie erreichen kann, um
ihre Herzen mit seinem ewigen Glanze zu er‐
füllen!
Alle Düsternis der Erde wird vor dem, der von
solchem Lichte erfüllt sie durchwandelt, wei‐
chen, und wo vordem graue Gespenster schreck‐
ten, werden die Engel des Himmels ihm lichten
Weg bereiten! ‒ ‒
Gar vielen aber hat die harte Not den
Mut be‐
nommen, von der Erde
aufzublicken, und sie
fürchten allzusehr, den
sicheren Boden unter
den Füssen zu verlieren, wenn je die Sehnsucht
sich in ihnen regt, das Haupt emporzurichten.
Es tönen Stimmen zu ihren Ohren, die da rufen:
«
Erdgebannte seid ihr und gefesselt in der
Erde Hörigkeit!
Entsaget dem Wahn, dass euch aus lichter
Höhe Hilfe werden könne.
Glaubt eitlen Sagen nicht, die euch von
einem
Reich des Geistes künden wollen, das
nur Erdichtung törichter Schwächlinge ist, die
so wie ihr durch dornichte Wüste schreiten
mussten und ihrer blutenden Füsse schwärende
Wunden dadurch zu vergessen suchten, dass sie
sich selber solche Mär ersannen!»
Wie mancher liess sich schon durch dieser Stim‐
men überlautes Gekrächze beirren, und wagte es
fortan nicht mehr, auf hohe Hilfe zu hoffen, so
dass ihm seines Erdenlebens Tage nur lichtes‐
leere Qual und sinnloses Opfer wurden...
Und dennoch hätte auch ihm des Geistes Licht
Erlösung bringen können; dennoch hätte auch
er die Finsternis, die ihn umgab, alsbald
erhellt
gefunden, wenn er nur selbst den Strahlen
sich
eröffnet haben würde, die aus des
Geistes
Reich ihn zu erreichen suchten. ‒ ‒
*
Da war einst einer, der «Auftrag» von seinem
«
Vater» hatte, von dem er sagte, dass er
«
grösser» sei als er, und der da sprach:
«
Ich bin die Auferstehung und das Le‐
ben:
wer an mich glaubt,
wird leben,
wenn er auch gestorben ist:
und jeder,
der da an mich glaubt,
wird nicht ster‐
ben in der Ewigkeit!»
Er hatte wahrlich nicht von einem starren
Be‐
kenntnis gesprochen, sondern von
sich selbst
und von dem, was
er selber war, und deutlich
genug war sein Wort: dass er «die Seinen»
kenne, wie die Seinen ihn!
Noch aber wissen die meisten nicht,
wer dieser
war, der also sprechen durfte, ‒ wer da die
«
Seinen» sind, zu denen er sich zählte, und
wer der «
Vater», der ihm Auftrag gab...
Noch hat die Welt nicht erkannt, wie tief die
Gründe seiner Rede gingen, wenn er sprach:
«Wer
mich nicht
liebt, der
tut nicht nach
meinem Wort: und das Wort, das ihr hörtet,
ist
nicht mein, sondern des
Vaters, der mich
sandte!» ‒ ‒
Sein
Dasein aber war seine «Lehre», und sein
Leben war Lösung aller Rätsel, die des Men‐
schen Erdendasein birgt! ‒ ‒
Doch nur, wer zu
lieben weiss, was hier in irdi‐
sche Erscheinung trat, wird diese Lösung in sich
selbst erfahren können! ‒ ‒ ‒
Er, der als der
Grösste aller Liebenden
über die Erde schritt und in seiner Geistgestalt
auch
heute noch in der Erde geistigem Schutz‐
kreise lebt; ‒ er, den die
Liebe hier hält «bis
ans Ende der Welt», ‒
kann keinem je sich
selber offenbaren, der nicht durch
Liebe ihm
sein Herz zu öffnen weiss. ‒ ‒
Der aber, dem er also sich im Herzen offenbart,
wird wahrlich nicht mehr zweifeln, dass auch
ihm die
Auferstehung wird, ‒ die
gleiche
Auferstehung, die dem hohen Meister wurde,
als sein Erdenwerk der
Liebe einst vollendet
war! ‒ ‒ ‒
Lasst alle überklugen Zweifel fahren, die euch
der alten heiligen Kunde strahlend lichte
Wahr‐
heit dunkeln wollen!
Wohl kam diese Kunde erst auf uns, nachdem
gar manche, die sie nachgeschrieben hatten,
ihrer Meinung Wahn in ihr bestätigt sehen
wollten und so die Worte also stellten, wie sie
glaubten, dass sie stehen müssten, weil ihr enges
Denken nicht erfassen konnte, was einst
wahr‐
haft Wissende in solchen Worten kundzutun
sich mühten. ‒
Verzeiht den Törichten, was sie getan, und su‐
chet
selbst den roten Faden aufzufinden, der
euch zurück zur uranfänglich hier bezeugten
Wahrheit leitet!
So mag euch manches Wort wohl als der Späte‐
ren Ersinnung sich bekennen, allein die sternen‐
helle
Wahrheit, die sich
dennoch in der alten
Kunde birgt, wird dann
erst recht zu euren
Herzen dringen.
Ihr werdet sicherlich erkennen, dass dem
Auf‐
erstandenen sein
Leib nichts nützen konnte,
doch wird euch seine
wahre Auferstehung also
nur
gewisser werden, bis
ihr selbst das Zeug‐
nis dessen, der da aus der Erdenbindung sich
erhob, in
euch erfahren werdet! ‒ ‒ ‒
Ich
selbst darf
ihn bezeugen und seine wahr‐
hafte
Auferstehung, so wie ich vom Dasein
der Erdensonne Zeugnis zu geben vermöchte;
und wahrlich weiss, wer mich kennt, dass ich
nicht zu denen zu zählen bin, die irrer Träume
Sklaven und ihres phantastischen Wahns Ge‐
fesselte sind! ‒ ‒ ‒
Jedoch, ich will nicht, dass man solchem Worte
glaube,
bevor man
selbst die Wahrheit mei‐
ner Worte
in sich selbst erlebte!
Ich will nur allen, die in diesen dunklen Tagen
sehnsuchtsvoll nach
Licht verlangen, die
Wege
zeigen, die ihnen jenes hohe Licht der Wahrheit
wieder
selbst erreichbar werden lassen, das
einst den Alten, die in frommer Einfalt suchten
und nicht des Glaubens
Hemmungen erfuhren,
die den Menschen dieser Zeit beirren, ihres Er‐
dendaseins Pfade hellte! ‒
Tausenden durfte ich hier Helfer sein; aber noch
liegen Tausende in tiefem Schlafe und harren in
angstvollen Träumen der Erweckung!
Noch wissen viele nicht, dass sie
sich selbst
Gewissheit schaffen können und dann auf Erden
schon ein Wunder in
sich selbst erleben, das
alles übersteigt, was jemals Wundersehnsucht
Menschen glauben liess. ‒ ‒
Sie zu
erwecken sollen meine Worte dienen,
auf dass allen einst die Wahrheit sich selbst be‐
kunde, ‒
die Wahrheit von des «
Men‐
schensohnes»
Auferstehung! ‒ ‒ ‒
Wer sie nicht
in sich selbst erlebt, dem wird
sie zeitlebens nur fromme Mär, oder «Glaubens‐
artikel» sein.
Er wird kaum fassen können, dass die Wunder‐
sucht der Alten höchstes
Geistgeschehen um‐
zudeuten wagte in eine
irdisch-greifbare Be‐
gebenheit...
Erst wenn er
in sich selber «auferstanden»
ist, wird er die
Wahrheit schauen, die erster
Anlass solcher Bildgestaltung wurde.
* *
*
GAR wenig nur weiss zumeist der Weise
von dem, was man auf Erden «Wissen»
nennt.
Ihm ist eine andere Weise des Wissens kund,
die wohl recht vielen, die auf dieser Erde hier
zu «wissen» meinen, unbekannt und uner‐
klärbar bleibt.
Nach solcher Weise aber weiss er mit Gewiss‐
heit, dass da so manches, was der irdische Ver‐
stand ein «Wissen» nennen mag, an einem gar
dünnen Spinnwebfaden hängt und nicht mehr
«wahr» und «richtig» ist, sobald dieser Faden
reisst. ‒
Und dieser Faden wird einst reissen für jeden
einzelnen!
Jene aber, die dann um dieses einzelnen Leich‐
nam stehen, werden nicht verstehen können,
dass für den, der noch vor kurzem ganz nach
ihrer Weise lebte, der Faden gerissen ist,
an dem all ihr erdenhaftes Wissen nach wie vor
noch so scheinbar sicher hängt...
Sie ahnen nicht, dass für ihn, dessen starre
Erdenhülle hier zurückblieb, nun alles, was an
ihrem Spinnwebfaden für sie noch hängen
blieb, hinunterstürzte in einen finsteren Ab‐
grund, allwo es der Strom des Vergessens hin‐
wegspült, wie alles Verbrauchte, das zu Moder
und Fäule wird, nachdem es seine Dienste ge‐
leistet hat. ‒ ‒
...Der da die Erde hinter sich liess, will zwar
nach wie vor
wissen, aber da ihm nun das vor‐
her Gewusste für immerdar versank, so sucht er
alsbald nach einem
anderen Wissen, das
nicht
an einem dünnen Faden hängt und nur Geltung
hat, solange der Faden nicht reisst. ‒
Es wird ihm aber wenig helfen, also wissen zu
wollen, solange er noch geblendet ist vom Schein
des nun
verlorenen Wissens, dessen er einst‐
mals so sicher war...
Es wird ihm gar wenig helfen, dass er nach dem
neuen Wissen
auf alte Weise sucht...
Er wird so nur ein Wissen erlangen, das
wieder
nur an einem dünnen Faden hängt, wie einst
sein
erdenhaftes Wissen, und ‒ mag auch die‐
ses Wissen, das er so erreicht, für ihn
weit
länger nun gesichert scheinen: ‒ es wird auch
dieser Faden einstmals reissen. ‒
Darum ist es dem Menschen gut, dass er auf
Erden schon erkenne, wie alles Wissen, das
er‐
grübelt und
erdacht wird, nur wie ein Trop‐
fen Tau an jenem Spinnwebfaden hängt, den
die Spinne Vorstellung zwischen «
Nicht‐
mehr» und «
Nochnicht» zu spinnen weiss.
Hat er solches erkannt, dann wird er nicht all‐
zusehr mehr
dieser Art Wissen sich vertrauen,
auch wenn er klug die Macht und Herrschaft
nützen mag, die ihm
dieses Wissen
hier auf
Erden über
Irdisches gibt. ‒
Es wird die Ahnung eines
anderen Wissens
ihm erkeimen: ‒ eines Wissens, das nicht mehr
ab-
hängt von dem Spinnengewebe zwischen
Nicht-
mehr und
Noch-
nicht. ‒
So wird er, ‒ reisst für ihn dereinst der Faden
ab, an dem sein Erdenwissen hing, ‒ bereit ge‐
funden werden, jenes
andere Wissen zu er‐
langen, dessen Fundamente tief im Urgrund
allen Seins verankert sind...
Wahrlich,
solcher Art ist das Wissen
des Weisen schon während seines Er‐
denlebens,
und keiner dünke sich wei‐
se,
der es nicht kennt! ‒
Solche Weise zu wissen, ist
die Weise der
Ewigkeit, wie sie dereinst
allen vertraut wer‐
den wird, auch wenn sie erst nach Äonen fähig
werden sollten, sich über die Weise
vergäng‐
lichen Wissens zu erheben! ‒ ‒ ‒
Alles Wissen der Erde bleibt
ausserhalb seines
Gegenstandes, ‒
im
Wissen der Ewigkeit
aber ist der
Wissende, der
Gegenstand
seines Wissens, und das
Gewusste, in
völliger
Durchdringung.
So nur wird wahrhaft «erkannt»! ‒
* *
*
IST es ein «
Zufall», mein Freund, dass diese
Worte heute vor dein Auge treten, oder
glaubst du, dass sich «
Gesetz» erfüllt haben
müsse, damit dies nun möglich geworden sei? ‒
Ich fürchte, dass deine Antwort gar sehr bedingt
sein wird durch den Verlauf der Wege, die du
deinem
Denken bahntest, auf dass es durch die
Dschungel irdischen Erlebens finde...
So wirst du mir etwa sagen können, für dich sei
«
Zufall» nur
verhüllte Gesetzmässig‐
keit, aber vielleicht mag auch deine Antwort
lauten,
dass es dir ferneliege, hier ein
Ge‐
setz zu vermuten.
Diese wie
jene Antwort lässt sich begründen,
und doch wirst du weit entfernt von letzter
Ge‐
wissheit sein. ‒
Gewissheit aber ist hier wahrlich
erstrebens‐
wert, wenn jemals du dahingelangen willst,
dein irdisches Erleben sicher zu
deuten. ‒
Möge aus meinen Worten dir nun Gewissheit
werden!
Es sind recht bekannte Dinge, die hier erst be‐
rührt werden müssen, denn zuvörderst braucht
es Klarheit darüber, was wir unter den Worten
«Gesetz» und «Zufall» verstanden wissen wol‐
len.
...«
Gesetz» glaubst du
verborgen, oder
meinst du offenbarlich zu
erkennen in jedem
Ablauf irdischen Geschehens, der dir mit Sicher‐
heit erlaubt, aus einer
Wirkung ihre
Ursache
zu erschliessen, oder von einer
Ursache her
bestimmte
Wirkung zu erwarten.
Wo du jedoch vor einer
Wirkung stehst, die
du dir ebenso auch
anders möglich denken
kannst, weil ihre Ursache
verborgen bleibt,
dann redest du von einem «
Zufall».
Nun kannst du gar wohl zwar eine Ursache
dafür entdecken, dass diese Worte heute dich
erreichen, ja:
eine ganze Kette ursächlicher
Verknüpfung zeigt sich dir, deren letztes, dir
nächstes Glied eben die Wirkung schafft,
dass
diese Worte von dir jetzt gelesen werden.
Doch all dieses Zurückverfolgen einer Ursachen‐
reihe zeigt dir nur, dass alles, was hier auf Erden
geschieht, nicht aus dem Zusammenhang von
Ursache und Wirkung zu lösen ist.
Vergeblich suchst du eine Lücke, in der du dem
«
Zufall» auf die Spur geraten könntest.
Auf Ursache folgt Wirkung, die selbst wieder
neuer Wirkung Ursache bildet, aber an keiner
Stelle entdeckst du den Hebel, der dieses Ge‐
triebe ‒ wie die Erfahrung hinreichend zeigt ‒
gar oft so scheinbar willkürlich
ablenkt, dass
du dir dann selbst mit dem Worte «
Zufall» zu
verbergen suchst, wie unzureichend hier deine
Erkenntnismöglichkeiten sind. ‒
*
Du suchst umsonst, denn
was du suchst ist dei‐
ner
Art zu suchen
verborgen!
Du suchst umsonst, denn was du finden möch‐
test,
lässt sich
dort nicht finden, wo du es ent‐
deckbar glaubst!
Alles was du «
Zufall» nennst, ist
wirklich
ein
Dazugekommenes, ein dem kausalen Ab‐
lauf des Geschehens
Zugefallenes, aus dem
dir unzugänglichen Bereich der
unsichtbaren
Welt, es sei denn, du gebrauchtest das Wort
«
Zufall» nur aus
Aberglaube, oder um stets
eine billige,
scheinbare Erklärung des dir Un‐
erklärlichen zur Hand zu haben. ‒
Wohl ist das «
Gesetz» nicht
aufgehoben,
wo der «
Zufall» in Erscheinung tritt, allein
eine
zweite und
andersartige Reihe von Ur‐
sache und Wirkung ist zu dem dir erforschbaren
Ablauf des äusseren Geschehens
hinzugekom‐
men und übt ihren Einfluss aus, durch den die
einzelnen Ablaufsreihen äusseren Geschehens
sich oft
in sehr wesentlich anderer Weise
kreuzen als dies
ohne solchen Einfluss je er‐
forderlich gewesen wäre...
Was du «
Zufall» nennst, ist nichts anderes als
die Auswirkung dir unbekannter Impulse aus
der unsichtbaren Welt.
Von sehr
verschiedenen Ausgangspunkten
können diese Impulse herrühren.
Sie können geschaffen sein durch dir
unwahr‐
nehmbare Intelligenzen der
unsichtba‐
ren physischen Welt, durch
Menschen, die
gleich dir auf dieser Erde leben, und durch den
Willen hoher
Geisteswesenheiten.
Immer aber ist hinter jedem echten «
Zufall»
ein solcher
Impuls als «Ursache» aus einem
Wirkungsbereich zu suchen, der deinem äusse‐
ren erdenmenschlichen Erkennen verschlossen
bleibt! ‒
Auch im «Zufall» tritt
gesetzmässiges Wir‐
ken zutage, aber es handelt sich hier nicht mehr
nur um die Gesetze, die menschlichem Ver‐
standeserkennen
erforschbar sind.
«
Zufall» ist das Resultat des
Ineinander‐
greifens der Gesetze des
äusseren und des
sinnlich unfassbaren Bereiches der physi‐
schen Welt, wobei jedoch stets ein
Willens‐
impuls die verborgene Auslösung schafft! ‒
Ob solcher Impuls in einer
dir günstigen oder
dir Schaden bringenden Weise wirkt, wird
von seinen
Urhebern abhängen, die vor dir
verborgen bleiben...
Hinter jedem echten «
Zufall» aber wirst du
einen
Willen entdecken können, der bei
ande‐
rem Geschehen
fehlt, und kein Geschehnis soll
dir als «
Zufall» gelten, bei dem sich nicht mit
aller Deutlichkeit ein
Wille hinter dem Ge‐
schehen erweisen lässt!
*
Vielleicht, mein Freund, wirst du nun die Frage,
die ich zu Anfang stellte, doch anders beantwor‐
ten können, sei es, dass du nur den automati‐
schen Ablauf äusseren Geschehens am Werke
siehst, oder sei es, dass du mit Recht von einem
«Zufall» reden kannst!? ‒
Du wirst zum mindesten nicht mehr
im Zwei‐
fel sein können, was du antworten sollst!
Doch war die Frage von mir nur um des
Bei‐
spiels willen aufgeworfen worden und es
kommt deiner Antwort, wie du selbst leicht er‐
sehen wirst, hier keine weitere Bedeutung zu.
Nicht unwichtig aber wird es für dich sein,
wenn du hinfort in besonderer Weise auf die
«
Zufälle» deines Lebens
achten lernst.
Es sind die einzigen Anzeichen für dich, aus
denen du auf die Art der Einflüsse aus dem Un‐
sichtbaren schliessen darfst, die dir in diesem
Erdenleben zuströmen mögen.
Strebst du, deiner eigenen Willensrichtung nach,
bedenklichen Dingen zu, dann wird dir der
«
Zufall», gelenkt durch die niederen Intelli‐
genzen der
unsichtbaren physischen Welt,
alsbald die Wege ebnen, die dich zu
Schuld
und
Frevel führen, und jeder Tag wird dir
neue, ungesuchte
Versuchung bringen. ‒
Bist du jedoch bereits auf dem
Wege zum
Geiste angelangt, so wirst du auch da auf
Schritt und Tritt dem «
Zufall» begegnen, doch
hier gelenkt von den hohen, liebenden Führern
aus der
Geisteswelt, die dir auf solche Weise
gar manches nahezubringen wissen, dessen du
auf deinem Wege, hier in der Aussenwelt, für
dein
geistiges Entfaltetwerden,
bedarfst. ‒
Ein jeder «
Zufall» stellt dich unerwartet auf
die
Probe und es wird sich zeigen,
wohin du
dich selber stellst, je nachdem du
ablehnst
oder
aufgreifst, was er dir nahebringt. ‒
Auch dort, wo dir der «Zufall» als
Schützer
naht, und wo du erst
später erkennst, was du
ihm zu verdanken hast, wirst du deinen Wert
erweisen können, indem du nicht achtlos an sol‐
chem Begebnis dir genügen lässt, sondern aus
ihm dich zu
belehren weisst. ‒ ‒
Je mehr du den «
Zufall» in deinem Leben
be‐
achtest, desto
bedeutsamer wird er für dich
werden! ‒
Je mehr du zu
nützen weisst, was er dir bringt,
desto mehr wirst du vom «
Zufall» zu
erwar‐
ten haben! ‒ ‒
Was niemals der automatische Ablauf des «
Ge‐
setzes» für dich vorbestimmt zeigen würde,
kann durch einen «
Zufall» in dein Leben
treten...
Möge dir reichlich «zufallen», was dir
Segen
bringt!
* *
*
ES
gibt in diesen Tagen schier unzählige
Menschen, denen zu Bewusstsein kam, dass
aller Inhalt, den sie ihrem Leben zu geben such‐
ten, nur
zeitweilige Erfüllung war.
So suchen sie nun nach einem anderen,
blei‐
benden Inhalt, und ahnend erfühlen sie, dass
solcher
unverlierbarer Inhalt auch irgendwie
zu erlangen sein müsse, ja, dass andere ihn zu
allen Zeiten und selbst in jeder, noch so schwie‐
rigen Lebenslage zu erlangen
wussten.
Es ist nur allzu verzeihlich, wenn man nun
glaubt, der ersehnte
bleibende Lebensinhalt
könne doch wohl nur auf gleiche Weise wie alles
andere erlangt werden, das man allhier auf Er‐
den zu erlangen wusste.
Man wähnt, es handle sich nur darum, ein ver‐
borgenes
Wissen wieder auszuschürfen und ist
des irren Glaubens, dass man alsbald den er‐
sehnten Inhalt des Lebens besitze, sofern man
nur um die verborgenen Dinge
wisse, die an‐
scheinend jenen nicht unbekannt waren, deren
Leben eben diesen Inhalt umschloss.
Ursache und
Wirkung werden törichterweise
hier
verwechselt! Wohl würde der gesuchte
Lebensinhalt auch zu einem neuen
Wissen
führen, aber niemals kann er durch Gewusstes
vermittelt werden. ‒
Daher ist es wahrlich
vergebliche Mühe,
wenn sich der Suchende anschickt, alle Bücher‐
kammern durchzustöbern, verstaubte Nieder‐
schläge früherer Zeiten zu erforschen, und sich
von jedem Mystagogen dieser neueren Tage, ‒
durch krause Wahngebilde irdisch-allzuirdischen
Denkens berückt, ‒ willig am Narrenseil führen
lässt, in der Meinung, jenes «Wissen», das nur
Willenswandlung geben kann, sei zu erlan‐
gen, wie das Wissen um die Dinge dieser Erde! ‒
*
Unzählige
Konventikel sind entstanden aus
der Sehnsucht der Suchenden, den erahnten In‐
halt ihres Lebens zu finden.
Gutgläubige Schwärmer, wilde Phantasten, aber
auch sehr bewusste Menschenfänger sind in sol‐
chen Kreisen zu der Stellung gelangt, die sie
anderswo in der Welt vergeblich zu erlangen
suchten.
Immer wieder führt die vage Hoffnung, am Ende
doch das Gesuchte zu erreichen, diesen Zirkeln
neue Anhänger zu, und die Versprechungen der
sogenannten «Führer» sorgen dafür, dass so
mancher Suchende
auch dann noch ausharrt,
wenn ihm schon längst sein Inneres sagt, dass
er wahrhaftig Besseres mit seiner Kraft, seiner
Zeit und seinem Gelde beginnen könnte. ‒
Vergebliche Mühe, jemals den gesuchten
bleibenden Lebensinhalt in solcherlei Konven‐
tikeln finden zu wollen!
Zeitweilig wird freilich so mancher Suchende
betört, und es fehlt auch nicht an solchen,
denen in dem Schwall der grossen Worte alle
Selbstkritik abhanden kommt, so dass sie
nicht mehr fähig sind, zu merken,
wie sie
sich betrügen.
Die Geste unnahbarer Überheblichkeit der
«Führer» ward ihnen sicherste Gewähr der
Wahrheit. ‒
Aber vergeblich wird man unter «Führern» und
Verführten auch nur
einen suchen, der
wirk‐
lich jene eine
letzte Gewissheit in sich er‐
langte, die alles Sehnen nach dem erahnten,
bleibenden Lebensinhalt stillt! ‒
Ich darf wohl sagen, dass es
keinen dieser hier
gemeinten Konventikel gibt, wie immer sie sich
auch benennen mögen, aus dem nicht schwer
und bitterlich
Enttäuschte einstmals zu mir
kamen, mir ihr Leid zu klagen.
Viele Bände würden nicht genügen, alles aufzu‐
zählen, was diese arg Geschädigten mir zu be‐
richten hatten.
Oftmals sträubte ich mich, das Erzählte zu
glauben, bis ich
Dokumente erhielt, die selbst
das Berichtete
noch weit überboten...
Wie konnten, so fragte ich mich,
gebildete
Menschen, oft solche mit
wissenschaftli‐
chen Graden, derartiger Narrheit, derartig
verantwortungsloser Seelenfängerei zum Opfer
fallen?!
Und mit Beschämung wurde mir bekannt, dass
man schon jahrelang den Irrtum oder den Trug
durchschaute, aber nicht die Kraft gefunden
hatte, denen, die ihn längst von
aussenher er‐
kannten, nun zu
gestehen, dass man all die
Jahre her sich durch den Irrtum seiner Wegge‐
nossen, oder gar die Unverfrorenheit angeblich
«wissender Führer» habe betören lassen. ‒ ‒
Entsetzliche Bilder des Zusammenbruches ha‐
ben sich so vor meinen Augen entrollt, und
schaudernd musste ich sehen, wie furchtbar die
Folgen sind, die eine unfassbare
Leichtgläu‐
bigkeit auf der
einen, und eine nur durch
Selbstbetrug noch erklärbare
Unverant‐
wortlichkeit auf der
anderen Seite verur‐
sachen können...
*
Aber nicht nur aus
Konventikeln kommen
die Enttäuschten, die nach jahrelangem Suchen
endlich resigniert erkennen, dass sie sich betro‐
gen hatten.
Es gibt noch mancherlei
andere Weise, sich
vergebliche Mühe zu bereiten und sich vom
Ziele seiner Sehnsucht täglich mehr zu
entfer‐
nen, während man ihm gar mit Riesenschritten
zu
nahen glaubt.
Von alledem habe ich an anderem Orte genug‐
sam gesprochen; vor alledem wurde genugsam
gewarnt! ‒
Allzu unscheinbar,
allzuwenig vom
Hauche des Mysteriösen umweht, ist für
viele der schlichte Pfad, der
allein das Ge‐
suchte
finden lässt...
Hier aber sei jetzt noch die Rede von einer be‐
sonders törichten Art, in der nur allzu viele
Suchende Kraft, Zeit und Geld verschwenden,
von einer enttäuschten Hoffnung in die andere
gejagt, bis endlich denn doch die grosse Ernüch‐
terung kommt.
Ich meine das wilde und meist auch wahllose
Verschlingen aller erdenklichen Bücher und
Schriften, die irgendwie das okkulte Gebiet be‐
rühren, oder auch nur durch den Titel Auf‐
schluss über okkulte Dinge versprechen.
Doch will ich keineswegs das Missverständnis
aufkommen lassen, als hielte ich
jegliche Lek‐
türe dieser Art für bedenklich.
Keiner aber, der die Verhältnisse einigermassen
kennt, wird mir Unrecht geben, wenn ich sage,
dass es wohl auf wenigen Gebieten der Literatur
so viel und
so ausgeprägten Schund gibt,
als unter den Büchern und Schriften, die sich
mit der Darstellung okkulter Dinge befassen.
Die in Rede stehende Materie selbst bringt das
mit sich.
Es handelt sich um Dinge, über die noch zu jeder
Zeit
nur einige wenige auf Erden
sicheren
Aufschluss geben konnten, über die aber auch
zu jeder Zeit
unzählige, aus eigener krauser
Phantasie, weitschweifig zu
fabeln wussten.
Gefährlich wird die Sache dadurch, dass nur
der Kundige feststellen kann, wo von Dingen
gehandelt wird, die eine, wenn auch oft schwer
noch kenntliche, reale Grundlage haben, und wo
die abstruseste Fabelei beginnt.
Eine weitere Gefahr besteht in der Tatsache,
dass es unzählige Bücher auf diesem Gebiete
gibt, die nichts anderes darstellen, als Lese‐
früchte aus vier oder fünf anderen, so dass eine
scheinbare Bestätigung entsteht, der sehr oft
Neulinge zum Opfer fallen.
Die dritte Gefahr sehe ich darin, dass mancher
an sich sehr beachtliche Autor zwar mit gutem
Recht nur das Resultat seiner eigenen, spekula‐
tiv erworbenen Erkenntnis darbietet, aber,
durchdrungen von der vermeintlichen «Richtig‐
keit» seiner Darlegung, in eine Tonart verfällt,
die den Leser leicht zu dem Glauben kommen
lässt, als sei von unumstösslich gesicherten, nur
überaus wenigen jederzeit zugänglichen Ein‐
blicken in das Innerste des Seins die Rede.
Jeder, der die Literatur des Okkulten kennt,
wird zu allem, was ich hier als gefahrvoll be‐
zeichne, Beispiele in Menge finden.
Aber der Suchende kauft und kauft, und trägt
womöglich in jeder Rocktasche ein Traktätchen
bei sich, das ihm als unantastbares «Evange‐
lium» gilt.
Unbeschreibliche «Bibliotheken» werden auf
diese Weise gesammelt, und jede aufkommende
Unbefriedigung wird schleunigst durch den Er‐
werb eines
neuen Schmökers erstickt.
Nehmen wir aber nun auch ruhig einmal an,
ein jedes dieser oft so entsetzlich nach «Ge‐
schäft» im
übelsten Sinne riechenden Bücher
enthielte die lauterste Wahrheit.
Dann wäre der Inhalt möglicherweise mehr oder
weniger wertvolles Studienmaterial und könnte
dazu dienen, das Wissen des Lesers zu erweitern.
Vielleicht auch könnte er einen Wink empfan‐
gen, wie er sein Suchen nach dem ersehnten
bleibenden Lebensinhalt einzurichten ha‐
be, um einmal zu
erlangen, wonach er be‐
gehrt. Was immer aber der Leser auch erfahren
möge von okkulten Tatsachen und Zusammen‐
hängen, gesetzt es
wäre die letzte Wahrheit, das
kann ihm zwar
Wissensbereicherung, aber
niemals den
ersehnten Lebensinhalt sel‐
ber bringen.
Diesen Lebensinhalt bringt nur die Lehre der
wenigen, die zu allen Zeiten um ihn und die
Weise seiner Erlangung
wussten, und darum
lehren
können, wie er zu erlangen
ist. ‒ ‒ ‒
Es ist dieser Lebensinhalt aber erlangbar für
einen
jeden, einerlei, ob er auf allen Gebieten
des Okkulten Bescheid zu wissen glaubt oder
ehrfürchtig vor dem noch Ungewussten wartet,
bis es die Natur selbst enthüllen will. ‒
Zum mindesten sollte man wissen, dass alles
Eindringen in geheimnisumschleierte Vorgänge
nur dann erspriesslich ist, wenn es zu vermehr‐
ter
Ehrfurcht vor dem auch
weiterhin noch
Verborgenen führt. ‒
Wesentlich wichtig ist aber für den Men‐
schen
nur, dass er von
jenen Zusammenhän‐
gen erfahre, die ihn bewegen können,
sein ei‐
genes Leben umzugestalten, so dass er für
die Hilfe aus dem Reiche des Geistes endlich
erreichbar wird, die ihn hier auf Erden schon
zu seinem
ewigen Bewusstsein erhebt. ‒ ‒
Dieses
ewige Bewusstsein ist nicht nur ein
neuer Bewusstseins-
Inhalt, sondern zugleich
eine neue
Art, bewusst zu
sein...
Hier kann nichts mehr
von aussen her kom‐
men und jede Bestätigung findet der Mensch,
nachdem er solches
Bewusst-
Sein erlangte,
fortan
in sich selbst. ‒ ‒
Auch die
Lehre wird gegenstandslos, sobald
man das Ziel
erreichte, denn nun ist alles, was
sie erst in
Worten nahebringen musste,
ewige
Gegenwart und
jederzeit bewusst. Der
erahnte und so sehr ersehnte Lebens-
Inhalt ist
für immer
gefunden! ‒
Vergebliche Mühe war es, ihn
erdenken
zu wollen!
Vergebliche Mühe war es, ihn zu suchen in
alten Folianten!
Vergebliche Mühe war es, sich «
blinden
Blindenleitern» zu vertrauen!
Vergebliche Mühe endlich war es, den blei‐
benden Inhalt des Lebens, der ein neues
Sein
ist, erlangen zu wollen durch vermehrtes
Wis‐
sen von den geheimnisvollen Dingen, die Natur
uns dicht verschleiert hält, und die für uns
zu‐
nichte werden mit
gleichem Tage, an dem
die Sinne unseres Erdenkörpers einstens
ihren Dienst versagen müssen! ‒ ‒
* *
*
DIE seltsame Lust, sich hinter einer Maske
zu verbergen und in vermummter Gestalt
allerhand Unfug zu verüben, darf sich bekannt‐
lich zu einer gewissen Zeit des Jahres unge‐
hemmt austoben, und wo dies mit Witz und
gutem Humor geschieht, dort lässt man solches
tolle Spiel gerne an sich vorüberziehen, auch
wenn man selbst nicht die mindeste Neigung
verspürt, etwa daran teilzunehmen.
Es ist ja nur eine kurze Spanne Zeit, in der die‐
sem Treiben Freiheit gewährt bleibt, und ernste
Tage gibt es immer noch genug.
Bedenklich wird der Trieb zu Maske und Mum‐
menschanz erst dann, wenn er sich auch in Le‐
bensbereichen austobt, in denen er wahrlich
nichts zu suchen hat.
Ein solcher Lebensbereich, in dem der Karneval
offenbar
Permanenzrecht geniesst, scheint
der heutige
Okkultismus zu sein,
trotz aller
ernsthaft und ehrlich Suchenden die hier laute‐
ren Sinnes den Rätseln des Daseins eine befrie‐
digende Lösung zu finden bemüht sind.
Man braucht nur die neuere und neueste okkul‐
tistische Literatur einmal durchzusehen ‒ so‐
weit das bei der Überfülle unberufener Produk‐
tionen auf diesem Gebiete zur Zeit noch möglich
ist ‒ um das tollste Fastnachtstreiben zu ge‐
wahren.
Aber dieser wilde Mummenschanz tritt mit der
Ambition auf,
ernst genommen zu werden, und
deshalb wird er für viele zur Gefahr.
Mit ganz unglaublicher Dreistigkeit wird lächer‐
lichstes Gaukelspiel betrieben und denen, die
nicht alle werden, dargeboten als die wahre
«Magie», ‒ mit einer Unverfrorenheit sonder‐
gleichen drapieren sich die Akteure dieses Kar‐
nevalstreibens und verlangen, dass man ihren
Flitterputz als Goldbrokat und echtes Edel‐
steingeschmeide werte.
Wie abgeschmackt und durchsichtig auch der
Trug sich gebärden mag: ‒ stets findet jede neue
Geste wieder ihre Gläubigen.
Wären es nur die
geistig Unmündigen, die
hinter jedem Harlekin herlaufen, der mit seiner
Narrenpritsche auf den Zaubersack klopft und
behauptet, da drinnen trage er den «Stein der
Weisen», dann liesse sich das noch allenfalls be‐
greifen, aber fast unbegreiflich bleibt es, dass
sich nur allzuoft auch Leute einfangen lassen,
die sich sonst bei jeder Gelegenheit mit ihrer
kritischen Skepsis brüsten. ‒
Wo ist die
Ehrfurcht vor dem
Weistum der
grössten Menschengeister, die je über
diese Erde schritten, wenn man sich betören
lassen kann, zu glauben, dass irgendein obsku‐
rer Abenteurer um die
Geheimnisse wisse, die
zu ergründen jene Grossen sich mühten ihr gan‐
zes Leben lang, und die sie nur denen offen‐
barten, die sie
verstehen konnten!?
Glaubt man denn
wirklich, die Weisheit sei in
diesen Tagen so
billig geworden, dass man sie
nun im Ausverkaufsstil der Warenhäuser «ver‐
ramschen» müsse, um sie noch an den Mann zu
bringen?! ‒
Gibt es wirklich heute Gehirne, die den Gedan‐
ken ertragen, dass der
Seele Einigung in
Gott erlangbar sei durch
okkultistische
«
Übungen» irgendwelcher Art, und denkt man
wirklich so gar gering von denen, die einst
solche Einigung
erlangten, dass man ver‐
meint, ihr heimlichstes Tun sei nun enthüllt,
weil irgendein geldbedürftiger Traktätchen‐
schreiber behauptet, er habe es als Auserwähl‐
ter, unter mehr oder weniger mysteriösen Um‐
ständen ganz genau erfahren?!?
Fast möchte man glauben, dass jede Spur ge‐
sunder Urteilsfähigkeit den meisten Menschen
abhanden kommt, sobald sie sich auf das «ok‐
kulte» Gebiet begeben...
Hier wird alles für
bare Münze genommen,
was auf den ersten Blick als
wertlose Spiel‐
marke kenntlich würde, vertraute man nicht
allzusehr den bramarbasierenden, wichtigtuen‐
den Redensarten dessen, der einem solchen nich‐
tigen Tand als vollwertig echtes
Gold aufzu‐
schwatzen sucht.
Es scheint keine Grenze der Glaubenswilligkeit
zu geben, besonders dann nicht, wenn der an‐
geblich «Eingeweihte» es gar noch versteht,
durch etwelche schöne, von anderen erborgte
Worte, jede Frage nach seiner eigenen ethischen
Qualität zurückzudrängen.
Wird auch noch ein möglichst breites
Wissen
vorgetäuscht, das Ahnungslose glauben machen
soll, es rede einer zu ihnen, der alle Wissen‐
schaft beherrscht, dann kann sich verantwor‐
tungslose Charlatanerie schon so ziemlich
alles
erlauben, ohne in ihrer Maske
erkannt zu
werden.
Ein guter Zettelkasten und eine umfangreiche
Bücherkiste mit okkultistischen Schmökern aus
alter und neuer Zeit bilden meist das ganze Um‐
und-Auf des vermeintlichen Wissens eines sol‐
chen Schaumschlägers, und nur die Unbelesen‐
heit seiner Anhänger, soweit es sich um der‐
art fragwürdige Literaturerzeugnisse handelt,
schützt ihn vor der Entlarvung. ‒ ‒
Es ist nicht nötig, hier auf besondere okkulti‐
stische Maskenscherze ausdrücklich hinzuwei‐
sen.
Jeder, der dieses Karnevalstreiben offenen Au‐
ges betrachtet, ohne sich durch verwegene Ka‐
priolen imponieren zu lassen, wird recht bald
um Beispiele nicht mehr verlegen sein, und
wenn es ihn gelüstet, kann er auch
ganze Ka‐
tegorien stets
wiederkehrender Verlarvun‐
gen unterscheiden lernen...
Recht seltsamen Gestalten kann er so im Mum‐
menschanz begegnen, und fehlt es ihm nicht an
Humor, dann wird ihm oft genug ein befreien‐
des
Lachen aus seiner begreiflichen Entrüstung
helfen.
Mitleid und Scham um des Menschen
willen wird den also Betrachtenden aber dann
erfassen, wenn er in dem grotesken Treiben
jenen begegnet, die
selbst an ihre Verlarvung
glauben und nicht mehr wissen, dass sie nur
in einer
Maskenhülle stecken. ‒ ‒
Je mehr man dann diesen ganzen Flitterputz
durchschauen lernt, den manche seiner Träger
gravitätisch ernsthaft tragen, andere in tollen
Gauklersprüngen glitzern lassen, desto mehr
wird man davor bewahrt, nach solcherlei Ge‐
sellschaft Sehnsucht zu verspüren...
Hier ist so recht der Tummelplatz aller Ent‐
gleisten, und mancher, der nun hier in einem
possenhaft zurechtgeputzten Magiermantel seine
klägliche abgeschmackte Rolle spielt, kam nur
zu solchem Tun, weil er im
Alltagsleben ver‐
sagte und kurz vor dem Zusammenbruch noch
Rettung im Bereiche des Okkultismus zu er‐
spähen glaubte.
Not kennt für solche Leute dann tatsächlich
«
kein Gebot», und seien sie anfangs auch
noch so weit entfernt davon, an das, was ihrer
Maske Darstellung von ihnen fordert,
selbst
zu glauben, so bringt doch der Zwang ihrer
Lage es allmählich mit sich, dass sie geradezu
virtuosenhaft den
Eindruck zu erwecken ver‐
stehen, als
seien sie von tiefster Gläubigkeit
durchdrungen.
Auch
das gehört ja zum rechten
Karneval,
allwo bekanntlich die Maske nur dann Erfolg
hat, wenn ihr Träger es versteht, sich selbst
hinter ihr recht sorglich verborgen zu halten.
Würden nicht immer wieder
ehrlich Suchen‐
de durch dieses Treiben irregeführt, dann könn‐
te man ohne Beachtung daran vorübergehen.
Es sind hier aber
Seelen in Gefahr, und wenn
auch wohl für die meisten derer, die oft jahre‐
lang nicht merkten, dass sie in einem steten Fa‐
sching lebten, schliesslich der «Aschermitt‐
woch» mit seiner Ernüchterung kommt, so
bleibt ihnen doch das bittere Wissen, kostbare
Zeit ihres Lebens vertan zu haben, eine stete
Hemmung, auch wenn sie später den einzigen
Weg beschreiten, der sie zur Erfüllung ihres ur‐
anfänglichen Sehnens bringen kann.
Immer wieder sind sie dann genötigt, sich selbst
zu gestehen, dass sie nur durch
eigene Schuld
sich betören liessen, denn hier ist
keiner ohne
Schuld, der sein Urteilsvermögen derart unter‐
drücken liess, dass er den Mummenschanz mit
dem
Weg zur Wahrheit verwechseln konn‐
te. ‒
Wer im Alltagsleben jeglicher Anpreisung Glau‐
ben schenkt, ohne erst zu
prüfen, ob sie auch
Glauben
verdiene, der darf sich nicht bekla‐
gen, wenn er nicht nur den
Schaden, sondern
auch den
Spott ertragen muss.
Um wieviel mehr jedoch ist es Gebot der
Pflicht, erst zu
prüfen, bevor man Folge
leistet, wenn von solcher Folge das Wohl oder
Wehe der Licht und Klarheit verlangenden
Seele abhängig ist! ‒
Es dürfte doch wahrlich nicht allzuviel Scharf‐
sinn nötig sein, um dessen innezuwerden, dass
der
Geist Gottes, der sich dem Menschen‐
geiste
einen soll, nicht durch erlernbare «Me‐
thoden» okkultistischer Geheimniskrämer zu
überlisten ist!?
Auf solche Überlistung durch irgendwelche,
meist
körperliche «Übungen» läuft aber
alles hinaus, was die Karnevals-Kophtas, die
den seligen Cagliostro schäbig genug kopieren,
ihren Nachläufern anzupreisen haben.
Es ist somit nur der Trieb, auf
unrechtmäs‐
sige Weise etwas zu erreichen, das man
auf
geradem Wege zu schwer erreichbar glaubt,
der immer wieder neue Opfer in die Garne eitler
Charlatane lockt.
Und ebenso ist es die Sucht,
Absonderliches
zu erleben, wobei man völlig vergisst, dass
auch der geheimnisvollste Vorgang, der sich mit
Hilfe der
Erdensinne erleben lässt, jeden
Wert
verliert, sobald diese
irdischen Sinne
einst ihren Dienst
versagen...
Wer nicht alles von sich wirft, was ihn ‒ so wie
er ewig im
Geiste Gottes, im steten
Sein
verharren kann ‒ ‒ vor seinem Erdenbewusst‐
sein
verbirgt, der
kann nicht seinem
leben‐
digen Gott sich einen!
Wie dürfte daher ein Mensch jemals erhoffen,
diese
Einigung für alle Ewigkeit herbei‐
zuführen, wenn er sich gar noch mit allerlei
Maskenplunder umhängt!?!
Auf solche Weise kann er nur Kräfte erwecken,
die ihm den
Weg zu Gott derart
verlegen,
dass er für ihn
ungangbar wird, denn nur
der
wirklich Gottgeeinte weiss durch
Geistes‐
kraft die dunklen Mächte
zu bezwingen, die
der Tor aus ihrem Schlafe weckt, weil er ver‐
meint, mit ihrer Hilfe sich zu göttlich hoher
Einsicht zu erheben. ‒ ‒
Nur ahnungslose Unwissenheit mag das Dasein
dieser dunklen Mächte leichthin leugnen wollen.
Wer aber klaren Auges in die Welt blickt, wird
ihren unheilvollen Spuren nur zu oft begegnen.
Selbst kundig jeder Verlarvung, sind sie auch
die wahren unsichtbaren Fadenzieher der Ma‐
rionetten des okkultistischen Karnevalstrei‐
bens! ‒ ‒ ‒
* *
*
SCHON die ältesten Berichte der Mensch‐
heitsgeschichte auf diesem Planeten wissen
von einzelnen Menschen zu erzählen, die zu ge‐
wissen Stunden, bei gewissen Anlässen und an
gewissen Orten «Stimmen» sprechen hörten,
die nur ihnen allein vernehmbar wurden, und
je nach der Tiefe innerer Erkenntnis der Hö‐
renden, je nach der Vorstellungsweise ihres reli‐
giösen Glaubens, wurde solche Einsprache ge‐
deutet.
Für den Hörenden besteht kein Zweifel an der
Tatsache, dass die zu ihm sprechende Stimme
einer anderen und von seiner eigenen sehr deut‐
lich unterscheidbaren Wesenheit angehört.
Mit sicherster Gewissheit würde er die Vermu‐
tung zurückweisen, als ob er etwa nur Zwie‐
sprache mit sich selber führe und so sein eigenes
Denken gleichsam «dramatisiere», obwohl es
auch wahrlich Menschen gibt, die auf solche
Art sich selber inneren Zuspruch schaffen
und dabei des festen Glaubens sind, von irgend‐
einer geistigen Wesenheit belehrt zu werden.
Sicherheit der Unterscheidung wird hier nur
durch eigenes Erleben erlangt, ähnlich so,
wie ja auch wahre Kennerschaft in den Berei‐
chen der
Kunst niemals durch Belehrung allein,
sondern vor allem durch reiche
Erfahrung er‐
worben wird.
Wer des öfteren
wirkliche innere Stimmen in
sich vernahm, der kann sich gewiss nicht mehr
durch
selbsterzeugte innere Einrede täu‐
schen lassen.
Weit schwieriger aber ist es, hinlängliche Sicher‐
heit zu erlangen in bezug auf die
Urheber der
gehörten Stimmen.
Hier ist Leichtgläubigkeit nur allzugerne bereit,
an höchste geistige Urheberschaft zu glauben,
besonders wenn und solange noch die Erkennt‐
nis fehlt, dass es die
verschiedenwertigsten
unsichtbaren Wesenheiten gibt, die sich durch
innere Einsprache bemerkbar machen können.
Menschen, so völlig frei von Eitelkeit und Über‐
heblichkeit, dass sie vielmehr von unbegründe‐
ten Minderwertigkeitsgefühlen fast zu Boden
gedrückt werden, schlagen dann plötzlich ins
Gegenteil um: ‒ fühlen sich als «Werkzeuge
Gottes» und heischen nun gebieterisch von aller
Welt höchste Ehrfurcht auf Grund ihrer ver‐
meintlichen Begnadung, nicht ahnend, dass sie
gerade durch ihr Verhalten auf das deutlichste
den Beweis erbringen, wie trügerisch die inneren
Stimmen sind, denen sie Gehör schenken.
Es ist immer wieder zu beobachten, dass auch
sehr skeptisch angelegte Naturen alle Vorsicht
verlieren, sobald sich jene inneren Erfahrungen,
deren Möglichkeit sie vorher so tapfer in Abrede
zu stellen wussten, bei ihnen selbst ein‐
stellen.
Was auch die im Inneren vernommene Stimme
nun sagen mag, wird blindlings geglaubt, und
am liebsten glaubt man ihr, wenn sie von sich
selbst zu sagen weiss, dass sie einer möglichst
erhabenen geistigen Wesenheit angehöre, ja wo‐
möglich die Stimme der Gottheit selber sei.
Erfolgt dann noch gar die Mitteilung, der Hö‐
rende habe eine hohe «Mission» zu erfüllen und
müsse sich als Auserlesener fühlen, um durch
ein besonders aufgetragenes Werk die Mensch‐
heit zu beglücken, dann ist jede Neigung end‐
gültig behoben, fortan an der inneren Stimme
noch Kritik zu üben, obwohl doch vorerst noch
keine andere Gewissheit erlangt wurde, als dass
tatsächlich eine Stimme sprach, und keinerlei
Gewähr dafür besteht, dass sie auch die Stimme
dessen ist, von dem sie auszugehen behauptet. ‒
Der die innere Stimme Hörende ist aber fast in
der gleichen Lage wie ein Mensch, der einen An‐
ruf durch den ‒
Fernsprecher erhält.
Der Anrufer kann ein ausgemachter Gauner sein
und sich dennoch die höchsten Titel und Wür‐
den beilegen, da er recht wohl weiss, dass er nur
dann Aussicht hat, sein verbrecherisches Ziel zu
erreichen, wenn er sich als eine Persönlichkeit
vorstellt, die das Vertrauen des Angerufenen
besitzt.
Wer aber, ausser einem ganz Betörten, würde
wohl einen folgenschweren Auftrag
nur auf
telephonischen Anruf hin zur Ausführung
bringen?!
Würde nicht jeder halbwegs Vorsichtige sich
erst
Sicherheit zu verschaffen suchen, bevor
er dem Ansinnen sich bequemen könnte, das nur
durch telephonische Anrede eines Unbekannten
an ihn ergangen ist!?!
Auch der in seinem eigenen
Innern Angerufene
sieht den Anrufer nicht und hat keinerlei Mög‐
lichkeit, das ihm solcherart Mitgeteilte auf sei‐
nen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, es sei
denn, dass er bereits
unterrichtet worden
wäre über gewisse
Kennzeichen, durch die
jeder Täuschungsversuch sich sofort verrät.
Von den wichtigsten dieser Kennzeichen sei hier
nun in kurzem die Rede!
Erstens:
Wer in seinem Innern eine «Stimme» zu hören
glaubt, die er als Äusserung einer ihm unsicht‐
baren und von ihm selbst deutlich unterschie‐
denen Wesenheit empfindet, der werde sich dar‐
über klar, dass es
unzählbare unsichtbare
Wesenheiten der
verschiedensten Gattungen
gibt, die sich in ihm, bei gegebenen bestimmten
Voraussetzungen, durch ein inneres Sprechen
vernehmbar machen können, und dass die aller‐
meisten
jener Unsichtbaren, die sich am
leich‐
testen zu äussern vermögen, höchst bedenkli‐
cher Natur sind, so dass er alles aufbieten muss,
um nicht unter ihren Einfluss zu geraten. ‒ ‒
Überaus selten wird es sich ereignen, dass eine
wirklich
geistige Wesenheit, die ihrer Art nach
über der erdenmenschlichen Geistigkeit steht,
im Innern des Menschen «spricht», ‒ und
wo
es tatsächlich
geschieht, dort muss die bereits
erreichte
sehr hohe geistige Stufe des Hö‐
renden dazu die
Möglichkeit bieten. ‒
Weiss man sich selbst noch
nicht auf solcher
geistigen Höhe, so lehne man
jede innere
Stimme mit aller Entschiedenheit ab, mag sie
sich auch in der verführerischsten Weise Kredit
zu verschaffen suchen!
Zweitens:
Eine jede «Stimme», die als von einer unsicht‐
baren Wesenheit ausgehend empfunden wird,
ist
sofort zu ignorieren, sobald die mitge‐
teilten Worte nicht nur dem inneren
geistigen,
sondern auch dem äusseren
physischen Gehör
lautbar werden!
Im besten Falle handelt es sich hier nur um
Nervenstörungen nicht ganz leichter Art,
und es ist angebracht, alsbald
ärztliche Hilfe
aufzusuchen. ‒
Ein weit üblerer Zustand aber liegt vor, wenn
es den unsichtbaren Wesenheiten der physischen
Welt bereits gelungen ist, derart ihr armes
menschliches Opfer in Besitz zu nehmen, dass
auch ohne klinisch nachweisbare Nervenstö‐
rungen solche Stimmen als äussere Schall‐
wirkungen vernommen werden. ‒
Hier hilft jedoch kein Kampf, sondern nur
konsequentes und lange Zeit durchgeführtes
völliges Ignorieren!
Jeder Ort und jede Gelegenheit ist zu meiden,
die vordem das Hören solcher Stimmen zu be‐
günstigen schienen!
Die endgültige Befreiung ist gewiss möglich,
aber sie setzt voraus, dass der «Besessene» fort‐
an unter keinen Umständen mehr diesen
Stimmen irgendwelche Beachtung schenkt,
sondern sie ganz wie ein anderes nebensächli‐
ches Geräusch betrachtet.
Besonders hat er sich vor jeglicher Furcht‐
empfindung zu hüten, aber ebenso muss er es
vermeiden, etwa eine feindliche Kämpfer‐
position den Stimmen gegenüber einzunehmen.
Was immer sie ihm sagen oder gar «befehlen»
wollen, muss er unbeachtet lassen, ja: er darf
niemals auch nur über den Sinn ihrer Mittei‐
lungen nachdenken!
Intensive irdische Arbeit, eine
vernünf‐
tige Betätigung in freier Luft,
gute
Geselligkeit, wie überhaupt
möglichstes
Vermeiden des Alleinseins sind recht we‐
sentliche Förderungsmittel zur Befreiung von
der unerwünschten unsichtbaren Parasitenherr‐
schaft.
Jeder, der davon befallen wurde, darf sich glück‐
lich preisen, wenn es ihm durch
ausdauerndes
Ignorieren der Manifestationen endlich ge‐
lingt, wieder
frei und
Herr seiner selbst zu
werden.
Drittens:
Schärfstes Misstrauen ist augenblicklich
geboten, wenn eine innere Stimme etwa einen
Befehl erteilt, oder dem sie innerlich Hörenden
von einer «
Aufgabe», einer «
Mission» spricht,
die er in seinem Leben zu erfüllen habe! ‒
Menschen, die
wirklich eine Aufgabe, eine
Mission oder dergleichen auf Erden erfüllen sol‐
len, erhalten ihren geistigen Auftrag auf eine
sehr wesentlich andere,
recht nüchtern ir‐
dische Art und würden
niemals bereit gefun‐
den werden, auf Geheiss einer «inneren Stimme»
das zu tun, was von ihnen verlangt wird von
denen, die
allein hier des Geistes Bevollmäch‐
tigte auf dieser Erde sind...
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
jede
innere Stimme
abgelehnt werden muss, die
anderes auszusagen hat, als was zur höheren
geistigen Entfaltung, zur
Klärung der
inneren Einsicht und zum
Besserwerden
des
Hörenden dient!
Niemals wird eine Stimme aus dem ewigen
Reiche des reinen Geistes einen Menschen dahin
beeinflussen wollen, auf seine Mitmenschen in
irgendeinem Sinne einzuwirken!
Nur die geistige
Liebe zu den Mitmenschen
wird sie zur Entfaltung bringen, aber in jedem
Einzelfalle wird sie es
dem innerlich Be‐
lehrten überlassen, nach
seinem Willen
und nach Maßgabe
seiner Kraft aus dieser
Liebe heraus zu
handeln!
Wahrlich kann aber auch
geistige hohe Füh‐
rung sich zur
inneren Stimme verdichten,
die alsdann, in der Sprache des also Geleiteten,
in klarer Rede vernehmbar wird!
Doch stets wird solche Rede nur im
Inner‐
sten: ‒ im
geistigen Organismus des Men‐
schen, ‒ vernommen werden, so, als ob das Un‐
bekannte, das in ihm spricht, nur
sein eigen‐
stes Allerinnerstes wäre, denn nur
durch
dieses eigene Allerinnerste des Menschen ver‐
mögen wirkliche
geistige Wesenheiten sich ihm
auf geistige Weise vernehmbar zu machen! ‒
Durch die grotesken okkultistischen Wahnvor‐
stellungen, die in dieser Zeit allenthalben am
Werke sind, die Gemüter zu verwirren, wird
eine wahre
Sucht genährt, «innere Stimmen»
in sich vernehmen zu wollen, und das Phäno‐
men ist so begehrt, dass man es erleben möchte
um jeden Preis.
Es ist nicht zum wenigsten diese «
Sucht» der
Menschen, die es den Lemurenwesen der un‐
sichtbaren physischen Welt ermöglicht, sich
Geltung zu verschaffen und Veranlasser des so
heiss Gewünschten zu werden.
Nicht anders wie die Parasiten der
sichtbaren
physischen Welt, nisten sich auch jene aus den
unsichtbaren Bereichen am liebsten
dort
ein, wo sie Schmutz und Unrat, oder doch dunk‐
le Moderecken finden. ‒
Wer also
frei bleiben will von dieser unsicht‐
baren Brut, der sorge in sich selbst für
äusser‐
ste Sauberkeit seines
Denkens, seines
Trieb- und
Vorstellungslebens!
Ist er darauf bedacht, dann wird er schwerlich
jener Sucht nach inneren Sensationen verfallen,
die so viele schon zu völliger Zerrüttung führte.
Jene Menschen, die wahrhaft bereitet waren,
wirklich
geistige innere Stimmen in sich zu
vernehmen und somit unter hoher Führung leb‐
ten, hatten
niemals das Hören innerer Stim‐
men in sich
angestrebt, ‒ wohl aber waren sie
in jahrelanger Arbeit an sich selbst bemüht ge‐
wesen,
den Irrtum in sich auszujäten und
ihre Mängel abzutun.
So hatten sie endlich die Stufe erreicht, die es
hoher geistiger Liebe möglich machte, in ihrem
Innersten sich ihnen kundzutun.
Nur diese geistigen Stimmen der
Liebe aber
sind für den Erdenmenschen wahrhaft beglük‐
kend!
Nur
diese inneren Stimmen
können ihn leiten
zu seinem
höchsten Ziel!
Sie kommen
ungerufen und
unverlangt,
sobald der geistig Strebende für sie
erreichbar
ist.
Den Stimmen der
unsichtbaren Lemuren‐
wesen dieser physischen Welt hingegen
ist
jeder Mensch erreichbar, mag er auch auf
niederster geistiger Stufe stehen...
Nur
Abkehr und
völliges Ignorieren kann
vor ihnen
schützen, und hier muss wahrlich
jeder sorgen, dass er diesen Schutz sich
schaffe! ‒
Jeder muss wissen, dass er nur
selber sich
schützen kann, und dass auch die höchste gei‐
stige Gewalt eines
anderen nichts für ihn zu
tun vermag, solange er noch lüstern
spielt mit
der Gefahr. ‒ ‒
Nur
Mut und
Entschlossenheit zur völ‐
ligen Abkehr rufen hier geistige Hilfe herbei,
so sie nötig ist!
* *
*
ZAHLREICHER als alle Religionsgemein‐
schaften auf dieser Erde ist die über die
ganze Welt verbreitete Gemeinde unbewusster
Magier der Furcht.
Sie wissen zwar nicht, dass sie Magie betreiben,
und viele ahnen nicht einmal, dass sie die
Furcht zu ihrer Göttin machten, allein ihr
ganzes Denken, Reden, Handeln macht
es völlig überflüssig, dass sie darum wissen,
was sie tun, dass sie erahnen, wie ihr Glaube
durch die Furcht gebunden ist...
Man hört zwar allerorten grosse Worte hohen
Mutes, und wollte man der stolzen Geste
glauben, die nur allzu viele sicher zu bemeistern
lernten, dann könnte man gar leicht vermuten,
alle Furcht sei aus der Welt verschwunden.
Hier aber wollen hohle Worte, leere Gesten
wahrlich nichts besagen, und wer nur den Mut
der Verzweiflung findet, beweist damit kei‐
neswegs, dass er die Furcht nicht anerkennt!
Wohl mögen auch viele in mancher Hinsicht
wirklich furchtlos sein, und doch sind sie
Sklaven der Furcht, sobald sie das Gebiet
verlassen, auf dem sie sich dazu erzogen haben,
der Furcht zu trotzen. ‒
Selten nur findet man Menschen, die keinen einzi‐
gen Bereich ihres Lebens der Furcht überlassen.
Irgendwo hat fast jeder
irgend etwas zu
befürchten!
In
irgendeiner Weise hätschelt selbst der
Mutigste die Furcht!
Das ist Menschenart von Urzeiten her und erbt
sich weiter von Geschlecht zu Geschlecht!
Keiner braucht sich dessen zu schämen, dass ihn
die Furcht zuweilen überfällt; ‒ dass sie ihn
zwingen will, ihr Höriger zu werden!
Lernen aber kann und
soll der Mensch, sich
solchen Überfalles zu
erwehren!
Erkennen lernen soll der Überfallene, dass ihm
die Furcht nur
Schaden bringt durch
seine
eigene Macht, indem sie ihn zu zwingen weiss,
die magische Gewalt, die unbewusst
ihm eigen
ist, in
solcher Weise zu gebrauchen, dass er
das Unheil
selbst heranzieht, das er fürch‐
tet! ‒
Nie ist die Furcht so leichter Beute sicher, als
in den Zeiten schwerer Prüfung, da keiner weiss,
was ihm der nächste Tag an neuem Übel brin‐
gen mag.
Gewisse Folgen früheren Geschehens las‐
sen sich durch keine Macht der Erde und
des Himmels bannen, und wo einst irriges
Verhalten Unheil vorbereitet hat, dort muss
es ausgekostet werden, ob man sich auch
noch so sehr dagegen wehren möge: ‒ ob man
die tieferen Zusammenhänge zu begreifen
fähig sein mag, oder nicht. ‒
Verführt durch falsche Schlüsse seines Den‐
kens, setzt der Mensch nun selbst die Furcht
in alle Rechte ein und ahnt nicht, dass er so
durch eigene Kraft dem Übel, das er nicht
vermeiden kann, noch hundertfältig Zu‐
wachs schafft...
Willig gibt jeder seine magische Gewalt in den
Dienst der Furcht, und wird er der Wirkung
dann gewahr, so meint er Bestätigung zu er‐
halten für den düsteren Glauben, den die Furcht
in ihm zu wecken wusste.
So ist dann kein Ende des Übels abzusehen,
denn immerfort wird neues Übel magisch
herbeibeschworen! ‒
Urkräftiger Wille, der alles längst zum
Besseren wenden könnte, wird
missbraucht
um die Herrschaftszeit des Übels zu verlän‐
gern. ‒ ‒
Im Banne der Furcht geblendet, glaubt keiner
der vielen, die in solcher Art dem Übel unnötig
Vermehrung schaffen, an
seine eigene ma‐
gische Macht, durch die er in gleicher Weise
dem Übel
Einhalt gebieten könnte, wäre er
nur bereit, die
Furcht zuerst zu verjagen. ‒ ‒
Hier ist nur zu helfen, wenn jeder einzelne nach
aller Möglichkeit in sich zur Einsicht kommt,
dass er der
Furcht nicht länger
Einfluss auf
seine Glaubenskraft gewähren darf.
So aber, wie die Kraft der vielen einzelnen, die
in der
Furcht befangen sind,
Ursache un‐
erhörter Wirkung wird, so wird auch die
Kraft der vielen
übermächtig wirksam,
wenn jeder die Furcht aus sich
verjagt!
Dann wird das Übel eingeengt in seine, durch
früheres Irren bestimmten Grenzen, und neuer
Zuwachs bleibt ihm versagt.
Die Glaubenskraft der vielen, die sich aller
Furcht
entwunden haben, zieht nunmehr in
gleicher Weise nur das
Gute an, wie ehedem
die selbe Kraft ‒ in
Furcht gebannt ‒ nur
Übel angezogen hatte. ‒ ‒
Gar vieles liegt verborgen
im Bereich der
Möglichkeit, das dennoch nie
ins Dasein
tritt, wenn es die
Glaubenskraft des Men‐
schen nicht ins Dasein zieht!
Übel und
Heil lassen so sich erlangen!
Wahrhaftig! Es ist kein leeres Spiel mit Wor‐
ten, wenn ich hier warne vor der
Magie der
Furcht!
Obwohl das Wort «Magie» in dieser Zeit zu
einem blossen Modewort entwertet wurde, lässt
es sich kaum entbehren, wenn man von solchen
Dingen reden will, von denen hier die Rede ist.
Die Alten, die noch die magische Kraft des Glau‐
bens im Menschen
aus Erfahrung kannten,
sprachen von «
weisser» und «
schwarzer»
Magie, je nach der
segensreichen oder
üblen
Wirkung, die durch den Gebrauch der gleichen
Kraft ins Dasein trat.
Heute glaubt man sich gar sehr berechtigt, jener
Alten «Aberglaube» ‒ wie man jetzt ihre Er‐
kenntnis nennt ‒ zu belächeln, und doch trägt
auch heute die Erde
keinen Menschen, der
nicht
mit all seinem Denken,
Reden
oder Tun, tagtäglich und Stunde für Stunde
magische Wirkungen in seinem eigenen Leben
und dem seiner Umwelt zur Auslösung bringen
würde! ‒
Nur
weiss man heute nichts mehr von seiner
Macht und hält für «wirkungslos», was allezeit
und allerorten folgenschwerste Wirkung schafft.
‒ ‒ ‒
Man sucht die
Ursache des Übels in der
Aussenwelt und lässt allein
mechanisches
Geschehen gelten, indessen man das Übel selbst
mit eigener Kraft ins Dasein zerrt durch
die
Magie der Furcht, die mit der gleichen
Sicherheit gerade
das Gefürchtete herbei‐
zieht, wie frohe
Zuversicht ‒ trotz aller Not ‒
Ersehntes wirklich werden lässt. ‒ ‒
Die allerwenigsten nur wissen heute noch aus
eigener Erfahrung, dass dem so ist, und die es
wissen, werden nicht an meinen Worten zwei‐
feln.
Sie kennen die
Magie der Zuversicht und
haben sie längst an Stelle der Magie der Furcht
geübt, nachdem oft bittere Erfahrung sie zur
Einsicht brachte.
Diese
Magie der Zuversicht ist heute be‐
deutsamer denn je, und sie allein kann die Ma‐
gie der Furcht
besiegen!
Es ist nicht zu leugnen, dass der Ablauf dieses
Erdenlebens vieles bringen kann, was recht
un‐
erwünscht ist und was man am liebsten
gänzlich von sich fernehalten möchte.
Ebensowenig wird zu leugnen sein, dass
Furcht
auch zuweilen
vor irrigem Tun bewahrt,
indem sie Vorstellung der üblen
Wirkung sol‐
chen Tuns erzeugt.
Furcht kann das Übel
vermeiden lehren und
wirkt so als
lebensfördernde Behüterin.
Erst dann, wenn sie die
Phantasie erregt und
allerlei Geschehen ausmalt, das vielleicht
nie‐
mals den Weg ins Dasein findet, oder
aber
unvermeidbar ist, wird sie mit Hilfe
menschlicher Glaubenskraft zu einer
Unheil
heranziehenden Macht.
Niemals kann Furcht
vermeiden lehren, was
unvermeidbar ist und nur durch
Ertragen
aufgelöst werden will!
Niemals wird unvermeidliches Übel
geringer,
dadurch, dass man seine
Drohung schon be‐
fürchtet!
Hier kann Furcht nur
die Kraft unter‐
graben, die nötig ist, um das Unvermeidbare
so zu ertragen, dass es nicht völlig
erdrückt. ‒
Was aber sich vermeiden
lässt, und dennoch
gefürchtet wird,
verwandelt sich durch die
Magie der Furcht nur allzuleicht in
wirklich
Unvermeidliches!
Nun wird gewiss auch alle
Magie der Zu‐
versicht kein
unvermeidbares Übel ver‐
hüten können.
Ihr Wert liegt darin, dass sie
vermeidbares
Übel nicht den Weg aus dem Bereich
der
Möglichkeit ins Dasein finden lässt: ‒
dass sie gar vieles
ablenkt, was schon zu dro‐
hen schien, ‒ dafür jedoch magnetisch
anzieht,
was sie
erhofft. ‒ ‒
Nie ist sie
mehr vonnöten als in Zeiten grosser
Sorge und
Bekümmernis!
Gerade in
solchen Zeiten bringt sie auch am
ehesten
die Bestätigung ihrer Wirksam‐
keit!
Nur darf man nicht glauben, dass es in des Men‐
schen Macht gegeben sei, ihr
die Wege ihres
Wirkens
vorzuschreiben!
Stets wirkt sie
ohne Kraftvergeudung, und
immer setzt sie
dort den Hebel an, wo die Last
am
leichtesten beweglich ist. ‒
Auch wenn der Mensch
nicht weiss und nicht
wissen
kann, wie ihm noch zu helfen ist, wird
Magie der Zuversicht für ihn
die Hilfe
schaffen! ‒ ‒
Tausende haben das schon
erfahren, aber
noch sind
Hunderttausende, die
nichts von
solcher Kraft im Menschen wissen...
Jeder jedoch, der hier
selbst erprobt, was sich
erproben lässt, schafft Hoffnung, dass
andere
die Probe wagen, und hilft den
unsichtbaren
Helfenden, seine Brüder aus der
Magie der
Furcht zu erlösen. ‒ ‒
So wie Furcht einst die kosmische Freiheit des
Geistesmenschen zerstörte: ‒ so wie Furcht
ihn «
fallen» liess aus
göttlichem Leuchten,
so ist auch des
Erdenmenschen Dasein
schwer durch die Furcht bedroht. ‒
Wer auch nur ein weniges mithilft, die stete
Furcht aus den Menschenherzen zu vertreiben,
der wirkt mit am grossen Erlösungswerke.
Aber
Furchtbefreitheit ist keineswegs
Blindheit gegenüber der
Gefahr!
Nur wer die ihm drohende Gefahr in ihrem gan‐
zen Umfang
kennt, kann ihr
furchtlos ent‐
gegentreten, denn
er nur
weiss, wie ihr zu
begegnen ist! ‒ ‒ ‒
* *
*
ZU den unumstrittensten Glaubensartikeln
aller Gottgläubigen, ‒ möge sich auch ihre
Gläubigkeit sehr weit von traditioneller religiö‐
ser Bindung entfernen, ‒ gehört der Satz, dass
Gott, in bezug auf alles von Ihm gewollte Tun,
«allmächtig» sei.
Ein «Gott» ohne solche, sehr irdisch gedachte
«Allmacht» erscheint der Vorstellung als des
wesentlichsten Attributes der Göttlichkeit ver‐
lustig, und weit eher noch gesteht der Mensch
seinem geglaubten Gotte alle Grausamkeits‐
instinkte eigener tiermenschlicher Ar‐
tung zu, als dass er die durch nichts behinderte
Allmächtigkeit dieses Gottes in Zweifel zöge.
Nach anthropomorpher Denkweise hat man
sich seinen «Gott» erdacht, sieht in ihm, statt
des überwesenhaften Seins, in mehr oder
minder gesteigerter Form nur «das höchste
Wesen» und empfindet nun als logische Forde‐
rung, dass dieses «höchste» Wesen notwendiger‐
weise auch unbegrenzte Macht besitzen müsse,
ansonsten man es nicht als «höchstes» Wesen
anerkennen könne.
Mit den windigsten Sophismen sucht man sich
darüber hinwegzutäuschen, dass ein «allmäch‐
tiger» Gott, ‒ in des Wortes wörtlichstem Sinne:
zu
allem mächtig, ‒ ein wahres Scheusal sein
müsste, würde er alle Not und Bedrängnis, alle
Greuel und Schandtat auf dieser Erde
ruhig
dulden, so er doch
Macht besässe, dies alles
zu beseitigen, dies alles zu
verhüten...
Erst dann, wenn furchtbares Schicksal ihn be‐
troffen hat und er sich schuldlos bedrängt fühlt,
wird der Mensch zuweilen des Widerspruchs
inne, den seine Gottesvorstellung enthält.
Aber weit entfernt von der Erkenntnis, dass
er
selbst nur solchen Widerspruch setzte, dem
nichts Wirkliches entspricht, murrt er nun
gegen seinen teuflisch grausamen, von ihm selbst
erdachten Götzen, wenn er nicht gar die radi‐
kale Lösung vorzieht, fortan allen Glauben an
einen
Gott, allen Glauben an
über dem
Menschlichen waltende
Geistigkeit, als Tor‐
heit und Selbsttäuschung zu verwerfen.
Kein Tag vergeht auf dieser Erde, der nicht an
unzähligen Orten Menschen sieht, die mit ihrem
vermeintlichen Gotte hadern, weil er, wie sie
glauben, Arges und schwer Erträgliches über sie
verhängte.
Nur widerwillig, oder mit bitterer, angstum‐
düsterter Gläubigkeit nimmt der Mensch den
so schalen Trost in sich auf, den ihm gewisse
Glaubenslehren immer noch zu bieten wagen
indem sie sein hartes Geschick als «
nach un‐
erforschlichem Ratschluss Gottes» ver‐
hängt, in eine Äusserung der
Liebe Gottes um‐
zudeuten suchen: ‒
«Wen
Gott lieb hat, den
züchtigt er!»
Nur Wenigen wird die
grobe Lästerung be‐
wusst, die solches Trostwort enthält...
Ein
entsetzlicher «Gott» fürwahr, der seiner
Liebe keinen
anderen Ausdruck zu geben
weiss; aber auch nur
ein «
Gott»
von des
menschlichen Erdenkens Gnade, der
we‐
der im Weltenraume noch im
Reiche des
Geistes zu finden ist, ausser
in menschli‐
chen Gehirnen!
Man kann es nur zu gut verstehen, wenn so
mancher hart bedrängte Mensch lieber
alle
Kunde von übererdenhaftem Göttlichen als
Wahn und Trug und eitlen Traum erklärt, als
dass er sich dazu verstehen könnte, weiterhin
an einen «Gott» zu glauben, der ihn «aus
Liebe»
quält...
Wie anders aber als solche anthropomorphe
Gottes-
Vorstellung sieht hier
die ewige
Wirklichkeit aus!
Dem Vorstellungs-
Inhalt entspricht in der
Wirklichkeit nur das Eine: dass Gott «
die
Liebe» ist, und dass jeder, der «in der Liebe»
bleibt,
in Gott bleibt, wie Gott
in ihm. ‒
Wirkliches Gotteslicht löst jenes Trugbild,
das der Gottheit grob materielle «
Allmacht»
zufügt, in sich auf, wie das Licht der Erden‐
sonne die Nebelschwaden über einem Sumpfe
zum Vergehen bringt!
Das ewige reine
Sein, dem allein in
Wirk‐
lichkeit der Name «
Gott» gebührt, ist
in
sich selber eins und
unteilbar, auch
wenn
es sich selber darstellt in Unendlich‐
fältigkeit.
Wie könnte es jemals
sich selbst in
irgend‐
einer seiner Darstellungsformen
negieren!? ‒
Nichts ist im Kosmos, das nicht
letzten En‐
des eine der
Darstellungsformen wäre des
ewigen
Seins, das in sich selber liebend ver‐
harrt, indessen die Darstellungskräfte es, ewig
bewegt, gleichsam umkreisen.
Sich selbst ist dieses ewige
Sein «Gesetz»
und «Norm», und alle die wahrlich
unendlich‐
fältigen Kräfte, die seiner Darstellung
die‐
nen, sind
trotz aller Ausstossung als
Gegen‐
Gesetztes dennoch ewig nur in
seinem Sein
gegeben, könnten niemals ein
Dagegen-Sein:
das «
Dasein» wirken,
ohne dieses ewige
Sein...
So ist denn
jegliche Kraft nur
gesetzt im
innewohnenden «Gesetz» des ewigen
Seins und
trägt die
Möglichkeiten ihres Wirkens
un‐
veränderbar in sich, auch wenn in mensch‐
lich unermessbar langen Zeiten jene
Kombi‐
nationen dieser Kräftewirkungen, die wir er‐
kannt zu haben glauben als «
Naturgesetze»
manchem
Wechsel unterworfen sind, den nur
der Mensch
nicht wahrnimmt, da die
menschliche Beobachtung auf dieser Erde sol‐
che Zeiträume nicht umfasst.
Solange aber eine Kombination von Kräfte‐
wirkungen, ‒ von uns «Naturgesetz» genannt,
‒ nicht
wieder aufgelöst ist, kann das ewige
Sein sie niemals
negieren, da ja auch sie
in
ihm allein gesetzt ist, und es
sich selber nicht
negieren kann. ‒
Hier sind die
Grenzen der
vermeinten
göttlichen «
Allmacht»: ‒ ewig
unüber‐
schreitbar auch dem ewigen
Sein!
Das heisst: ‒ in der Weise schlichtesten Gottes‐
glaubens gesprochen ‒ Gott würde
gegen sich
selber wüten, wollte oder könnte göttlicher
Wille sich der Wirkungsart irdischer Kräfte
entgegenstemmen, da Norm und Gesetz
dieser Kräfte ja aus dem
gleichen göttlichen
Willen ihre Bestimmung haben. ‒
Vollkommenheit ist an
dieser Stelle
nicht
durch göttlichen Willen
gewollt: ‒
kann
nicht gewollt werden, denn Vollkommenheit ist
nur
möglich im reinen, absoluten
Sein, nicht
aber in dem
Dagegen-Gesetzten, das wir «
Da‐
sein» nennen.
Die
Einzigartigkeit des absoluten
Seins
schliesst notwendig aus, dass Vollkommenheit
im
Dasein gestaltbar wäre.
Alles «Dasein» ist ja nur «
Reflex» eines be‐
stimmten Aspektes im reinen, absoluten
Sein,
und so wie die Erdensonne gleichsam «voll‐
kommen» genannt werden könnte gegenüber
ihrem Spiegelbilde auf ruhiger Wasserfläche, so
ist nur das ewige
Urbild jeglicher Darstellungs‐
kraft, die am «Dasein» wirkt, im ewigen
Sein
vollkommen, ‒
nicht aber der dargestellte
Ge‐
gensatz, der in der
Erscheinung fassbar
wird. ‒
Vom Göttlichen, Geistigen her kann die Er‐
scheinungswelt
nur insofern beeinflusst wer‐
den, als göttlich-geistiger Wille auf sie einwir‐
ken kann,
ohne sich selbst zum
Widerspruch
zu werden.
Es wäre
nicht die leiseste göttliche Ein‐
wirkung
möglich auf diese Erscheinungswelt,
wären die Ketten kausalen Geschehens wirklich
so straff gespannt, wie menschliches Den‐
ken es wahrhaben möchte...
Gleichwie aber die Wirkung jener Kräfte-Kom‐
binationen, die der Mensch als «Naturgesetz»
fasst,
keineswegs etwas Unveränderbares
darstellt, so ist auch die
Richtung, in der sich
die einzelnen Kettenglieder des kausalen Ge‐
schehens aneinanderreihen, immer noch durch
den
geistigen Willen
relativ bestimmbar,
aber
alle Macht des geistig-göttlichen Wil‐
lens ist auch
nur in dieser durchaus
rela‐
tiven Bestimmbarkeit kausalen Geschehens be‐
schlossen und
kann die Grenzen nicht über‐
schreiten, die der gleiche Wille
in sich sel‐
ber findet: ‒
durch sich selbst gesetzt von
Ewigkeit zu Ewigkeit...
In aller gläubigen Einfalt gesprochen, könnte
man sagen: ‒ Gott vermag es zwar,
bis zu
einem gewissen Grade auf die irdischen
Begebnisse einzuwirken, doch bleibt sein Wille
hier stets
durch innewohnendes,
eigenes
Gesetz bestimmt, so dass
alle Einwirkung
nur durch die
Benützung der aus gleichem
Willen bestimmten
Wirkungsart irdischer
Erscheinungs-
Funktionen erfolgen kann. ‒
Der Mensch darf jederzeit
sicher sein, dass
Gott jedes Unheil auf dieser Erde verhüten
wird, das Er hier verhüten
kann, so dass
also alles Hadern mit Gott, weil Unheil
nicht
durch Ihn verhütet wurde, nur aus der törichten
Annahme
materieller göttlicher «All-Macht»
‒ im Sinne
steter Abänderungsmöglich‐
keit des Geschehensverlaufes ‒ seine schein‐
bare «Berechtigung» herzuleiten vermag und
darum
Lästerung aus «
Nichtwissen» dar‐
stellt. ‒
Was aber weiter zu wissen nottut, ist die
un‐
umstössliche Tatsache, dass alle
Möglich‐
keit der
Richtungsablenkung irdischen kau‐
salen Geschehens
von Gott aus durch den
Menschengeist allein gegeben ist: ‒ dass
also
jegliche Einwirkung
Gottes auf irdisches
Dasein des
Menschen bedarf, und des Men‐
schen
Bereitschaft, solcher Möglichkeit die
Bahn frei zu machen, geschehe das nun in
bewusster menschlicher
Willenseinstellung
oder durch passive Hingabe im
Gebet. ‒ ‒
Alle Kreatur wartet auf die Erlösung
durch die Kinder Gottes!
Aber auch solches
wissend, soll der Mensch
nicht
Unmögliches erwarten und stets dessen
eingedenk bleiben, dass die
wirkliche «All‐
macht» Gottes von Ewigkeit her durch den
Willen zur Selbstdarstellung
bestimmt ist,
nicht aber
gegen diese Selbstbestimmtheit wir‐
ken
kann, da dies, wenn es
möglich wäre,
Selbstvernichtung bedeuten würde. ‒ ‒
So ist denn
wahrlich «Allmacht» im göttlichen
ewigen
Sein, insofern, als
alles «Dasein»
die
Macht dieses absoluten
Seins bezeugt,
aber
nicht in jenem abstrusen Sinne, als könnte
das Göttliche jemals das
durch eigenes Sein
bestimmte «
Dasein» des aus ihm
heraus und
sich
entgegen-Gesetzten
anders bestimmen,
als es von Ewigkeit her aus ihm bestimmt ist,
infolge innewohnender
Notwendigkeit. ‒ ‒
Bis in graueste Vorzeit erstreckt sich mensch‐
liches Mühen, die Gemüter in irrtumsbeladener
Vorstellung einer
unmöglichen «Göttlichen
Allmacht» hypnotisch gebannt zu erhalten...
Wahrlich: es ist an der Zeit, dass dieser Bann
gebrochen werde, damit der Mensch nicht
allen Glauben an Gott verliere! ‒
Die Grenzen der Allmacht erkennen, heisst erst
wirklich das All
verstehen, als Offenbarung
aller ewigen Macht! ‒ ‒ ‒
* *
*
GROSS ist in diesen Tagen die Schar der
Suchenden, die nach dem
Lichte
streben.
Weit zahlreicher aber bleibt stets das Heer
der
Erdversklavten, die
nichts von jenem
Drang zum Lichte in sich fühlen, der die
Suchenden bewegt. ‒
Seiner eigenen Enge kaum bewusst, glaubt so
der Hörige seines erdgefesselten Erlebens, dass
alle Lebensmöglichkeit des Menschen sich in
dem erschöpfe, was er und seinesgleichen zu
erleben
fähig ist.
Wenn andere den Weg zum
Geiste suchen
so gelten sie dem Tiergebundenen als arge
Toren.
Sein
Denken ist ihm: sein «Geist», und er
versteht nicht mehr die Sprache seiner Brüder,
die eine
Wirklichkeit erahnen, von der sein
Denken nichts weiss.
Wohl hatte er Himmel und Hölle sich der‐
maleinst
erdacht; doch wusste er auch das Er‐
dachte durch sein Denken wieder
aufzulösen,
so dass er nun sich wohlberechtigt glaubt, aus
seiner eigenen Erfahrung zu erschliessen, dass
jenes hohe Ziel der Suchenden nur als
er‐
dachte «Wirklichkeit» sein schattenhaftes Da‐
sein habe und ebenso
zerstörbar sei durch
Denken, wie die erdachten Reiche seiner eige‐
nen Gedankenwelt. ‒
So bleiben Höhe und Erlebnisweite mensch‐
licher Erfahrungsmöglichkeit nur allzuvielen un‐
bekannt, weil sie im engen Umkreis ihres Den‐
kens schon den «Geist»
gefunden glauben, in
ihrem Denken sich
gesichert wähnen, und
keinen Antrieb in sich fühlen, nach dem wesen‐
haften Geiste
dort zu suchen, wo er allein sich
finden
lässt: ‒ im unerdenkbaren
Erleben! ‒ ‒
Dass dieses «Erleben» aber nur im eigenen
Innern ihm erfahrbar werden kann, wird auch
von manchem
Suchenden vergessen, der längst
erkannte, dass der wesenhafte
Geist im Den‐
ken
nicht zu erreichen ist.
Gar viele der Suchenden drängen solcherart
nur nach unerhörtem Erleben in der
Aussen‐
welt, und werden sich nicht darüber klar, dass
auch das wundersamste äussere Erlebnis nie‐
mals jene innere
Erleuchtung geben kann,
die alles Dunkel des Erkennens lichtet, weil
der Erkennende dem Licht des Geistes selbst
vereinigt wird. ‒
Selbst
inneres Erleben hat ja nur insoweit
bleibenden Wert, als es Vorzeichen solcher
Geistvereinigung ist. ‒
Höchstes Ziel aber ist ein inneres Erleben,
das keinem Einzelerlebnis mehr gilt!
Was hier erlebt wird, ist: ‒
EIN NEUES
SEIN!
Erst aus diesem neuen
Sein heraus wird dann
alles Erleben
gewandelt, ‒ sei es im
In‐
nern gegeben oder in der
Aussenwelt.
Ein
neues Leben ist sodann dem Suchenden
geworden!
Ein Leben, so voller
Inhalt, dass alle Sucht
nach dem
Wunder, die vordem vielleicht den
Wunsch berückt haben mag, für immer schwin‐
det. ‒
Was sollte auch für
den, der selbst
in sich
das unerfasslich höchste Wunder fortan nun
erlebt, das «Wunder» in der
Aussenwelt,
wie es die blinde Menge aller Zeiten suchte,
noch bedeuten?! ‒
Er weiss, dass alles, was die wildeste Phan‐
tastik sich an «Wundern» im Geschehen dieser
Aussenwelt ersinnen könnte, ‒ würde es je‐
mals Ereignis werden können, ‒ doch nur im
physischen Geschehen dieser Welt beschlossen
bliebe: ‒ wertlos und ohne Wirkung, sobald
dieser Erde Tierleib verlassen wird...
Wohl wird
Magie ihm kund, die auch im
Erdenleben Dinge zu bewirken weiss durch
Nutzung hoher Kräfte, wie sie durch keine
Künste dieser Erde jemals sich bewirken lassen,
‒ doch wird er auch durch solches, irdischer
Erkenntnis nur
verhülltes Wirken nicht be‐
tört, da er im Geisteslicht erkennt, dass alles,
was sich solcherart ereignen mag, nur
irdi‐
sches Geschehen weitet, aber keineswegs
den wesenhaften
Geist bezeugt, der, alldem
hoch entrückt, sich nur im
Menschengeiste
für den Geist des Menschen selbst bekundet,
als seiner ewig eingeborenen Zeugung. ‒ ‒
So wird er, ein Helfer derer, die der Geist
im Menschengeiste sich bereitet hat als seine
Darstellung in menschlicher Erscheinung, allen
Licht zu spenden suchen, die allhier nach Licht
verlangen.
Fern aller Wundersucht, wird er die
wahren
Wunder alles täglichen Geschehens hellen Auges
zu erkennen wissen, und aus dem Lichte, das
ihn selbst erleuchtet, wird er alles Dunkel um
sich her erhellen. ‒
Er kennt
das neue Leben, das die Erdver‐
sklavten um ihn her wohl
schmähen, aber
nicht erreichen können, solange sie in Erden‐
tieresnacht verhaftet bleiben...
*
Wem die nur durch matte Leuchten schwach
erhellte Grabesnacht
genügt, in der er sich,
gefangen in der Tierheit dieser Erde, findet,
den können auch die «Leuchtenden des Ur‐
lichts» nicht erlösen. ‒
Nur: wer
sich selbst erlösen will, kann hier
Erlösung finden! ‒
Er sei sich aber dessen wohlbewusst: dass keine
«Wunder» hier im irdischen Geschehen nötig,
oder auch nur «nützlich» sind, will ernstlich er
zum
Lichte finden! ‒ ‒
Stets wird der Geist die
allereinfachste
Weise wählen, will er einem Menschengeiste
sich in Vereinung offenbaren.
Ich hege gewichtigste Bedenken, so einer mir
sagt, er fühle sich vom Geiste berufen, aber
gleichzeitig mir von gar «wunderbaren» Be‐
gebnissen zu berichten weiss, die solcher Be‐
rufung Anrecht erweisen sollen. ‒
Es ist immer ein gerüttelt Maß Eitelkeit und
geistigen Hochmuts auch in der vermessent‐
lichen Forderung enthalten, dass der Geist sich
durch besonderes Bekunden im Äusseren be‐
merkbar machen möge: ‒ durch Erlebnis‐
möglichkeiten, wie sie nicht jedem geboten
werden. ‒
Wer wirklich solche Erlebnisse haben
soll,
den überfallen sie
unvermutet und er sieht
sich solchem Erleben plötzlich gegenüber, ohne
es jemals gesucht oder gar erwartet zu haben.
Dann aber ist auch dieses Erleben
geistig
bedeutungsvoll und weiterweisend. ‒ ‒
Wer aber das «Wunder»
sucht, dem wird
sicher nur die «Hölle» ihre Künste zeigen,
und jeder, der da auszieht, um einen
Magier
zu finden, kann sicher sein, dass ihn ein Char‐
latan düpiert! ‒
Willst du in das
neue Leben gelangen, ‒
das Leben im
Geiste, das den
Tod nicht
kennt, ‒ dann bändige deine Lust am Wun‐
dersamen, und wisse, dass dir das
wahre
Gotteswunder nur im eigenen
Innern be‐
gegnen wird! ‒
Mit
solchem Erleben lässt sich freilich nicht
vor anderen prahlen; aber ich hoffe auch, dass
du dich nicht zu dem Frevel hergeben willst,
das, was der Geist dir gibt, nur danach zu
bewerten, inwieweit es dir dienen könne, dich
vor anderen als besonders «begnadet» zu er‐
weisen. ‒ ‒
Es ist fast unglaubhaft, aber ich spreche leider
hier aus Erfahrung, wenn ich bekunde, dass
mir so mancher begegnet ist, der allen Ernstes
vermeinte, sein Streben nach Einheit mit dem
urewigen Geist sei sicher geistigem Gesetz ent‐
sprechend, und der dennoch keine Gelegenheit
vorübergehen liess, die ihm die Möglichkeit
bot, sich vor Urteilslosen mit seinem «geheim‐
nisvollen» Erleben zu brüsten...
Ein solcher Mensch zeigt damit nur, wie un‐
sagbar weit er von dem Wege zum Geiste ab‐
geirrt ist.
Durchschaue seine maßlose Sucht, sich selbst,
als das arme kleine Erdentier, vor dir in ausser‐
gewöhnlicher Beleuchtung zu zeigen, und lasse
dich nicht von ihm in Angst und Sorge jagen,
weil dir, der du ernstlich nur nach
Einheit
mit dem ewigen Geiste verlangst, die glei‐
chen seltsamen Begebnisse nicht widerfahren
sind!
Bist du auf dem Wege, der zur Vereinigung
mit dem ewigen, wesenhaften Geiste führt, so
wirst du in wahrlich
anderer Weise deine
Bestätigung erhalten.
In deinem äusseren Leben muss sich nicht das
geringste ändern.
Sei fröhlich mit Fröhlichen, und traure, wo du
Trauer empfindest!
Geniesse den Tag auf solche Weise, dass du
vor keinem deiner Nebenmenschen die Ver‐
antwortung zu scheuen hast!
Stehe mit beiden Füssen fest auf dieser gelieb‐
ten Erde Boden, aber läute auch nicht erst alle
Glocken, wenn du dich anschickst, deine Hände
zu den Sternen zu erheben! ‒ ‒
Es ist nicht
nötig und nicht einmal
gut, dass
man allerorten von dir weiss, als einem, der
den Weg zum Geiste beschritten hat! ‒
Siehe: ‒ ich selbst habe diesen Weg bis zum
Ziele durchschreiten müssen,
bevor ich den
anderen,
neuen Weg betreten durfte, der
mich zu meinen Brüdern führte!
Seit Jahren bin ich dort angelangt, wo nur
gar selten einer in diesem Erdenleben landen
kann.
Seit Jahren künde ich den Menschen, die meine
Sprache verstehen, die Botschaft des Lichtes.
Und dennoch gibt es Unzählige, die mich im
äusseren Leben gut zu kennen glauben, aber
von mir nichts anderes wissen, als was man
auch sonst von einem ehrbaren Menschen weiss,
der da irgendeinem Beruf obliegt, und den
man gelten lässt, weil man ihn nach rechter
Art das Leben des Alltags beherrschen sieht. ‒
So gehe auch du in aller Stille deinen dir
vorgezeichneten Pfad in der Aussenwelt, und
wähne nicht, es sei vonnöten, dass du dich ab‐
sondern müsstest von aller Welt, um
in dir
in den
Geist zu gelangen! ‒
Was du im Innern in dir erlebst, ist nur für
dich selbst dir gegeben.
Was du den anderen aber geben kannst, das
trägt seinen Wert
in sich, auch wenn es mit
keiner Silbe durch die Bekundung eigenen Er‐
lebens bestätigt wird.
Rede
nur dort von diesem Erleben, wo du
gewiss sein kannst, dass es unbedingt
nötig
ist, davon zu sprechen!
Allen
anderen Menschen gegenüber aber wird
dein ganzes Tun und Lassen schon eine
wortlose Lehre sein, die oftmals
Besseres
bewirkt, als wenn du allerorten das, was
dich bewegt, in lauten Worten kundtun woll‐
test. ‒ ‒
Du hast viel zuviel noch mit dir selbst zu
tun, als dass du dich schon berufen fühlen
dürftest, andere, die es nicht von dir fordern,
zu belehren. ‒
Mit dir allein musst du den Weg zum
Geiste durchwandern, wenn du dein Ziel er‐
reichen willst!
Mit
dir allein nur kannst du dein
neues
Leben finden!
Mit
dir allein in deinem neuen Leben stehend,
wirst du dereinst auch allen denen Hilfe brin‐
gen können, die so wie du das
neue Leben
heiss
ersehnen! ‒ ‒ ‒
* *
*
NICHT von den rauschend gefeierten
äusser‐
ren Festen soll hier die Rede sein, und
nicht von der Freude derer, die keine anderen
Feste
kennen!
Ich will von einer Festesfreude reden, die nur
in der
Einsamkeit gedeiht und ausser dem
Erlebenden keine Zeugen duldet...
Allzusehr sehe ich dich nach den
äusseren
Festen Ausschau halten, und ich fürchte, du
hast bereits verlernt, mit dir selbst, deiner
Seele Feste zu bereiten?! ‒
Gleichwie jedoch die klugen Regenten zu aller
Zeit darum wussten, dass der Mensch sich am
besten leiten lässt, wenn man die saure Fron
des Alltags ihm durch frohe Feste an den Feier‐
tagen zu versüssen sucht, so sollst auch du von
dir selber wissen, dass du am ehesten
Herr
wirst alles dessen in dir, was dir untertan
sein soll, wenn du es verstehst, nicht nur das
Widerstrebende zu
zwingen, sondern auch
dem
Willigen, sooft es sich ermüdet zeigt,
ein hehres
Fest zu feiern. ‒
Solche Festesfreude der
Seele ist wahrlich
mehr vonnöten, als mancher der Besten erahnt!
«Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, son‐
dern von jedem Worte, das aus dem Munde
Gottes kommt!»
Das nährende Gotteswort aber geht nur in dich
ein, wenn du deine Seele festlich zu seinem
Empfang bereitet hast! ‒
Solange du eine Werkstatt des Alltags bist,
‒ und das
sollst du im Alltag
sein, ‒ wirst
du auch mit der Seelenspeise, die dir der
All‐
tag bringt, vorlieb nehmen müssen, und für
die Zeit deiner Arbeit in der äusseren Welt
wird dir solche Nahrung auch genügen.
Zuweilen aber wird sich deine Seele
ermü‐
det zeigen, was du daran bemerkst, dass sie
die Speise, die ihr der Alltag bietet,
nicht
mehr aufzunehmen fähig ist.
Sie hungert alsdann nach einer
anderen Er‐
nährung, die ihr der Alltag ‒ und sei er an
seelischer Speise noch so reich ‒ nie und nimmer
gewähren kann.
In solchen Stunden musst du wissen, dass es nun
an der Zeit ist, der Seele ein
Fest zu bereiten!
Du wirst aber keine Feste feiern können, so‐
lange du «Werkstatt des Alltags» bleibst, aus
der sich niemals aller Staub und Schmutz der
Alltagsarbeit völlig entfernen lässt.
Wisse daher um deine magische Kraft,
dich selbst zu wandeln!
Wohl ist es dir
Pflicht, dem Alltag als Werk‐
statt zu dienen, doch sind dir auch
Feier‐
stunden gesetzt, in denen du
frei bist,
die
Form zu wählen, die deiner Seele tiefstes
Sehnen verlangt.
In solchen Feierstunden kannst du
dich selbst
zum
hohen Dome wölben und in
dir sel‐
ber kannst du die
Mysterien begehen...
Du selbst kannst dich mit Glockenklang und
Orgelton erfüllen!
Du selbst wirst hier der Sänger heilig-hehrer
Psalmen sein!
Wenn du zu deuten weisst, was bildhaft hier
zur Sprache werden will, dann weisst du längst
schon um die
Art der «Festesfreude», die deine
Seele braucht, soll sie im Alltagsdasein nicht
verkümmern.
Du kennst die Stunden nur zu gut, in denen
deine Seele müde wird und alles, was ihr sonst
als Nahrung diente, von sich weist.
Ich rate dir:
quäle dich nicht in solchen Stun‐
den, sondern suche alsbald deiner Seele ein
Fest zu bereiten!
Schliesse dich ein in dein Zimmer oder gehe hin‐
aus in die Natur, um dort eine Stätte zu suchen,
in der dich niemand stören kann.
Dort oder hier, wo immer du
mit dir allein
sein kannst, ist der rechte Ort, und sei es selbst
mitten unter anderen Menschen, so du nur sicher
sein darfst, dass sie dich nicht nötigen zur Rede.
Bist du mit dir alsdann allein, so ignoriere
alles in dir, was dich an den Alltag und an des
Alltags Kämpfe und Plagen noch erinnern will.
Du wirst später wieder Zeit genug finden, alles
zu schlichten und winkelrecht zu richten, was
dich jetzt etwa beirren möchte.
Mache dich
leer von allem, was dir nicht
fest‐
lich, nicht
festesfreudig erscheint!
Dann aber forme in deinem Denken das reinste,
grösste und schönste Bild eines Menschen, das
noch in der Gewalt deiner Vorstellungskraft
beschlossen liegt.
Lasse dieses Bild in dir lebendig werden, und
wenn es greifbar vor deiner Seele steht, dann
‒ identifiziere dich mit ihm und schlage
dir jeden Gedanken aus dem Sinn, der dir zu
zeigen suchen will, wie sehr du dich, ‒ und
nicht zu deinen Gunsten, ‒ von diesem idealen
Bilde unterscheidest! ‒
Gewiss bist du in deinem Alltagsdasein diesem
von dir selbst geformten und darum in dir als
Möglichkeit bezeugten Bilde noch nicht gleich,
und niemand weiss, ob du dir selber treu ge‐
nug zu sein vermagst, dich ihm einst völlig
anzugleichen.
Allein: ‒ für diese deine Feierstunde sollst
du zu vergessen trachten, was an dir noch
Mangel ist!
Für diese deine Feierstunde sollst du dich nur
in dem von dir geformten hohen Menschen‐
bilde sehen, und alles, was ihm nicht ent‐
spricht, sollst du von dir weisen.
In solcher Haltung erzeuge nun in dir eine
heilige Weihestimmung voll innerer Festes‐
freude und Dankbarkeit, ohne jegliche Rück‐
sicht auf deine Gewohnheit, dir durch dein
Denken erst die
Berechtigung zu deinem
Tun zu
beweisen.
Sei ohne Sorge und glaube mir, dass nach dei‐
ner Rückkehr in das Alltagsdasein sich gar
manche Stunde anbieten wird, in der du alles
nachholen kannst, was du in deiner Feierstunde
etwa an Selbstkritik zu versäumen meinst! ‒
Es ist so unendlich wichtig für deine Seele,
dass sie alle deine menschlichen Schwächen und
Fehler
kennt, aber es ist noch wichtiger, dass
du ihr dann auch des öfteren die Möglichkeit
schaffst, dich
so zu sehen, wie du
werden
kannst, nachdem du einst
Herr geworden bist
in dir selbst! ‒ ‒
In Stunden der Selbstkritik kannst du nicht
scharf genug sehen und nicht schonungslos ge‐
nug mit dir verfahren.
Aber
sei kein Tor und wähne nicht, du könn‐
test jemals «besser» werden durch stetes Ver‐
senken in das
Bild des Mangels, das deine
Selbstkritik dir zeigte!
«Besser» wird nur der
Schaffende, der, nach
der
Erkenntnis seiner Fehler, aus sich selbst
sein
Idealbild schafft und
diesem dann stets
mehr und mehr sich
anzugleichen strebt. ‒
Die Feierstunden deiner Seele aber sollen dein
Fühlen und Denken
lockern, so dass sich alles
in dir bereitet, dem von dir geformten idealen
Bilde zu
entsprechen.
Darum leite ich dich an, dir solche Festesfreude
zu schaffen, sooft deine Seele sich im Alltag
ermüdet fühlt.
Aus jeder solchen Feierstunde wirst du hervor‐
gehen mit einem Zuwachs an seelischer Kraft,
der dich erstaunen lassen mag...
Mehr und mehr wirst du den Alltag zwingen
lernen und deine Festesfreude wird dir noch
die dunkelsten Stunden hellen!
Zuletzt aber wirst du
so einst schon auf Er‐
den
jene Festesfreude erleben, die
nicht mehr
unterbrochen werden kann, da sie ein Zeugnis
ist: der
Ewigkeit! ‒ ‒
Du wirst diese
bleibende Festesfreude um
so
eher erlangen, je
öfter du deiner Seele
die Feststunden schaffst, von denen ich hier
rede. ‒
Jeder Tag soll dir als
unvollkommen gel‐
ten, an dem es dir nicht gelang, eine solche
festliche Feierstunde einzufügen!
Glaube nicht, die Last deiner Alltagsarbeit lasse
das nicht zu!
Auch wenn du mit Arbeit beladen bist wie ein
Galeerensklave, kannst du dir täglich deine
Feststunde noch erringen, wenn du wahrhaft
willst; und es braucht keine «Stunde»
nach
der Uhr zu sein...
Mit unerahnter
Kraft erfüllt kannst du als‐
dann
erneut an deine
Arbeit in den
Alltag
gehen! ‒ ‒ ‒
* *
*
WENN du noch niemals dich aus dumpfen
und verquälten Stunden durch dein
La‐
chen zu befreien wusstest, dann weisst du wahr‐
lich noch nicht, was das Lachen wert sein kann.
Du bist vielleicht gar ein Verächter aller derer,
die sich über jeden Graben schwingen mit ihrem
herzbeflügelnden
Lachenkönnen.
Du kannst nicht verstehen, dass es Menschen
gibt, die selbst den zehrendsten
Schmerz noch
durch ihr Lachen zu bändigen wissen.
Oberflächlich und gefühlsarm erscheinen dir alle,
die noch zu lachen wissen, wenn graue Trübsal
sie umgibt.
Gib acht, mein Freund, dass du dir selber nicht
das Urteil sprichst, indem du dich über das
Lachenkönnen der anderen ereiferst!
Wohl sagt das Sprichwort, dass man an sei‐
nem Lachen den
Narren erkenne, aber nicht
minder wird auch das Lachen dir den
Wei‐
sen zeigen.
Nicht nur dich selbst vermagst du durch dein
Lachen aus enger Beklemmung zu lösen: ‒ auch
alle, die um dich sind, kannst du befreien.
Wie oftmals schon hat ein zwingendes, herz‐
liches Lachen grosses Unheil verhütet! ‒ ‒
Zorn und Erregung werden sich alsbald zum
Spott, wenn solches Lachen zu rechter Zeit
die Herrschaft an sich reisst.
Und doch gibt es Menschen, die sich vor dem
Lachen fast zu
fürchten scheinen, ‒ die es sich
Mühe kosten lassen, sauertöpfisch und wunder‐
lich ernst zu bleiben, wenn sie andere lachen
sehen.
Die
einen glauben, ihrer
Würde etwas zu
vergeben, sähe man sie lachen mit den Fröh‐
lichen, ‒ die
anderen aber halten sich in harter
Zucht, weil sie der Erde Torheit überwinden
wollen und alle
Heiterkeit für
Torheit ach‐
ten.
So werden
sie selbst zu Toren, wo sie sich
weise dünken. ‒ ‒
Siehe,
o Suchender, der du nach
Harmonie
in deiner Seele strebst und dich dem
Geiste
in dir selbst vereinen willst: ‒ ich werde dich
nicht eher «
ernst nehmen» können, bevor
ich weiss, dass du
lachen kannst!
Gewiss sollst du nicht durch dein Gelächter
zum Narren werden, aber du sollst auch dem
Anlass zum Lachen nicht aus dem Wege gehen.
Ja mehr noch!
Dein Streben zum Geiste ist mir verdächtig,
solange du noch glaubst, du müsstest nach Mög‐
lichkeit dich des Lachens entwöhnen. ‒ ‒
Ich will dich sehen, als einen, dem sein Lachen‐
können niemals verloren gehen darf.
Du sollst noch lachen können, wo andere längst
allen Mut von sich fliehen sehen würden.
Aus deinem Lachen will ich deine
Sicherheit
erhören, dass du das Ziel, dem du zustrebst,
auch mit Gewissheit
erreichen wirst.
Dein Lachen soll mir bekunden, dass du dich
geborgen fühlst und alle Furcht überwunden
hast. ‒
Unseliger Wahn lässt heute noch allzu viele in
dem Glauben, sie könnten Gott und Göttlichem
nicht nahen, wenn sie nicht in Weheklagen ihre
«Sündenschuld» beweinen würden.
Du aber sollst deine Sünde
verlachen lernen,
denn nur wenn du erkennst, dass deine Sünde
eine Ausgeburt der
Torheit war, wirst du sie
fürder
meiden! ‒
Zum Anlass der
Selbstverspottung sollst
du dir werden, gedenkst du der dunklen Tage,
da du noch sündigen
konntest, und in der
Sünde «Glück» zu finden glaubtest! ‒ ‒
Wahrlich,
keine Reue wird dich so aus der
Sünde reissen, wie dein freies Lachen über
dein törichtes Tun! ‒
Und wärest du in Sünde versunken gewesen
bis über den Scheitel, so sollst du erst recht
deiner einstigen Narrheit spotten und über dich
selber lachen lernen! ‒ ‒
Du wirst mit allem Weheklagen nichts unge‐
schehen machen können, was dereinst gesche‐
hen ist.
Vielleicht wird deine Reue wie ein Stachelzaun
das Reich der Sünde dir umgrenzen, ‒ allein es
bleibt dir nur «verbotenes Land», und bist du
ehrlich vor dir selbst, so wirst du, tiefversteckt,
doch ein
Bedauern in dir finden, dass dieses
nun umzäunte Land dir fortan als die Grenze
deiner Freiheit gelten soll...
Nur wenn du lernst, dein Gieren nach der
Sünde zu
verlachen, wirst du in Wahrheit
ihm
entrinnen!
So nur wirst du von dem Hang zur Sünde wirk‐
lich
frei!
Was immer auch hinter dir liegen mag auf
deines Lebens Bahn; ‒ es darf keinen Grund
für dich bilden, der Fröhlichkeit nun aus dem
Wege zu gehen.
War Fröhlichsein früher dir gleichbedeutend
mit
Sünde, so lerne nun erkennen, dass un‐
getrübte Heiterkeit mit jener Torheit, die man
«Sünde» nennt, auf ewig
unvereinbar ist.
Du warst nur eitlem Schein erlegen, wenn du
für kurze Zeit dem Wahn dich überlassen konn‐
test, als sei in der Sünde bleibende Freude zu
finden. ‒
Dein
Lachen über deine eigene Verblendung
wird dich am ehesten bewahren, je wieder sol‐
chem Scheine zu vertrauen!
Je mehr du
lachen lernst, desto
freier wirst
du werden!
Je
freier du lachen kannst, desto ernster wirst
du jenen Dingen gegenübertreten, die sich nur
ernsthaftem Streben enthüllen. ‒
So wird dein Lachenkönnen dir eine grosse
Hilfe werden auf deinem Wege, der zu dir selber
führt!
So wirst du lachend aller Gefahr die Stirne
zeigen können!
So wird dein Lachen dich
befreien von aller
Erdenschwere, die dich niederziehen will! ‒ ‒
* *
*
DAS freie «Ausleben» seiner Persönlichkeit
ist ein Postulat des modernen Menschen
geworden.
Jeder glaubt sich zu solchem «Ausleben»
be‐
rechtigt, ‒ ja, ich lernte manchen Menschen
kennen, der sich dazu
verpflichtet fühlte.
In schroffem Gegensatz zu diesen Auffassungen
steht die Forderung, die schon zu allen Zeiten
von jenen erhoben wurde, die ihre Mitmen‐
schen lösen wollten aus irdischer Gebunden‐
heit, um sie zum Glück der eigenen Erfahrung
in der Geisteswelt zu führen.
Es wird da gefordert, dass der Strebende
vor
allem lernen müsse, sich selbst zu
überwinden,
und die paradox klingende Mahnung lautet: ‒
«
Nur der kann zu sich selber kommen,
der sich selbst überwunden hat.» ‒
Scheinbar gibt es keine Brücke, die über die
Kluft zwischen diesen Gegensätzen trägt, und
doch ist hier
Bedürfnis und
Erkennen nur
dann für immer
geschieden, wenn der Worte
Deutung beides scheidet...
Solange das Bedürfnis, sich «
auszuleben»,
eng begrenzt bleibt auf irdisch physisches
Erleben, ist es wahrlich nicht zu vereinen mit
der geistig geforderten Pflicht zur «Selbst‐
überwindung».
Ebenso aber bleibt auch «Selbstüberwindung»
unerfüllbare Forderung, solange die irrige
Deutung besteht, als handle es sich hier um
eine «Abtötung» seiner selbst: ‒ um eine
Verneinung seines Selbsterlebens.
Letzten Endes ist die Forderung der Selbst‐
Überwindung nichts anderes als eine Erkennt‐
nisfrucht, die noch von allen gepflückt wurde,
denen es nicht genügte, sich nur im irdisch‐
physischen Bereiche zu erleben: ‒ die sich
vielmehr auch dort «ausleben» wollten, wo
sie die innerste Seinsbegründung ihrer
selbst erahnten. ‒ ‒
Das Bedürfnis, sich «auszuleben», wird kei‐
neswegs negiert!
Es wird ihm vielmehr in erweitertem Maße
entsprochen und so die Erkenntnis erlangt,
dass vollkommenstes «Sichausleben» nur er‐
reichbar ist, nachdem überwunden wurde,
was solches höchste Ausleben hindert. ‒
Wer freilich alle Möglichkeit des Selbsterlebens
nur im
physischen Dasein gegeben wähnt, der
handelt aus seinem Irrtum heraus konsequent,
wenn er sich darauf beschränkt, sich allein im
Physischen «ausleben» zu wollen, denn er
weiss nicht, dass sein
Bedürfnis nach reichem
Selbsterleben weit
über die Bereiche irdischen
Erlebens
hinausweist. ‒ ‒
Um dieses Bedürfnis zu verstehen und in seine
höchste Bahn lenken zu können, muss man
sich darüber klar geworden sein, was die
ge‐
samte Wirklichkeit des Menschen ausmacht.
Man darf sich nicht damit bescheiden, nur das
physisch Wahrnehmbare zu betrachten.
Nur als Erzeugnis der
Erde angenommen,
ist wahrlich der Mensch nichts anderes als ein
absonderliches
Tier, mit allen Eigenschaften
eines Tieres.
Fast scheue ich mich, ihn auch nur ein «höheres»
Tier zu nennen...
Es handelt sich hier durchaus nicht nur um den
Leib, sondern auch um die
Psyche des Tieres.
Dieses Tier aber wurde, ‒ im Gegensatz zu
anderen Tieren, ‒ zum
Manifestationsob‐
jekt einer
geistigen Potenz, so dass im Laufe
der Jahrtausende auch die
Psyche dieses Tie‐
res durch Influenzwirkung
erweitert und
er‐
höht wurde.
Trotzdem aber blieb die
tierische Art er‐
halten und könnte, auch wenn sie in ihrer
Einzelform ewig währen würde, in aller Ewig‐
keit niemals «
vergeistigt», ‒ das heisst also:
in Geistiges umgewandelt werden.
Ebenso kann auch die
geistige Potenz, die
sich in dieser Tierform manifestieren will, in
Ewigkeit nicht zur
Vertierung gelangen.
Hingegen ist diese
geistige Potenz an einen
Organismus gebunden, ‒ einen Organismus
subtilster,
unsichtbarer Art, ‒ der, wenn
auch nicht «ausser»- oder «über»-
kosmisch,
so doch wahrhaftig «über-
irdisch» zu nennen
ist, da er aus einer Substanz besteht, die wohl
die Erde
durchdringt, keineswegs aber zu
den integrierenden Substanzen des Planeten
«Erde» gehört.
Es handelt sich hier um den
kosmisch-
gei‐
stigen «Menschen» in seiner
erdnächsten
Form,
durch dessen Einwirkung erst aus
dem Erdentier, in dem er sich manifestiert, der
Erden-
Mensch wird.
Nun ist zwar der kosmische Geistesmensch
erdnächster Form aufs engste mit seinem Mani‐
festationsobjekt: dem Erdenmenschtiere,
ver‐
bunden, solange dieses Tieres Erscheinung
auf Erden währt, ‒ allein, diese Verbindung
kann für den Geistmenschen ebenso Ursache
der
Freude wie furchtbarster
Höllenqual
sein, denn sein Drang, sich zu manifestieren,
kann ebenso durch das Erdentier
gefördert,
wie
behindert, ja
völlig eliminiert werden.
Der gegebenen Norm nach ist der Erdenmensch
nur im Bewusstsein der durch Influenz des
Geistmenschen mehr oder weniger gehobenen
Tierheit.
Das gilt für Gelehrte und Ungelehrte
für Junge und Alte,
für Mächtige wie
für Bettler!
Es ist jedoch möglich, die Norm zu
durch‐
brechen, so dass der Erdenmensch alsdann
nicht mehr nur im Bewusstsein der
Tierheit,
‒ sei diese auch noch so hoch differenziert,
‒ sondern
zugleich im lichtdurchfluteten Be‐
wusstsein des
Geistesmenschen steht.
Das aber lässt sich nur erreichen nach Erfül‐
lung jener Vorbedingung, die von den Er‐
leuchteten aller Zeiten «
Selbstüberwindung»
genannt wird!
Aber dieses Wort darf nicht
irrige Ausdeu‐
tung erfahren, und der aus dem Tierbewusst‐
sein verlangende Erdenmensch darf nicht etwa
glauben, es werde von ihm gefordert, dass er
aller Tierheit, ‒ die ja dem Geistesmenschen
nötig ist, will er sich auf Erden manifestieren,
fortan
entsagen solle. ‒ ‒
«
Abtötung»
des Tierischen ist ein
Verbre‐
chen, ‒ einerlei, ob solche «Abtötung» nur
bis zur
Lähmung der Tierheit erfolgt, oder
zur
Selbstvernichtung des Tieres führt! ‒
Der
Asket, der sein Tierisches
peinigt, weil
es ihm nicht zu willen ist, darf sich in keiner
Weise erhaben dünken über den
Selbst‐
mörder, der mit einem Schlage sein Tieri‐
sches
vernichtet, ‒ denn er handelt nur
weniger konsequent, aber
keineswegs
weniger verwerflich! ‒
Gefordert wird nur
Überwindung aller
Strebungen des Tieres,
die erfühlter‐
maßen der Manifestation des Geistes‐
menschen im Wege stehen.
Gefordert wird, dass
das Tierbewusstsein
sich selbst als solches erkennt und über
sich selbst hinausverlangt.
Das allein ist rechte «
Selbstüberwin‐
dung»! ‒ ‒ ‒
Was daraus resultieren kann, ist die
Ver‐
einigung des tierischen Bewusstseins
mit dem Bewusstsein des Geistesmen‐
schen zu einer homogenen Einheit für
Zeit und Ewigkeit. ‒ ‒
Dann hat wahrhaftig der Tod «seinen Stachel
verloren», denn
im Bewusstsein seiner
Identität geht der so geeinte neue Mensch aus
diesem Erdenleben in die Welt des
substan‐
tiellen reinen Geistes ein!
Sich selbst schuf der Tiermensch Erlösungs‐
möglichkeit, ‒ zugleich aber wurde der
Gei‐
stesmensch von ihm er-löst: ‒ befreit aus der
Pein der Behinderung durch das Tier, das ihm
nun auf Erden willig dient und durch sein Seeli‐
sches vereint bleibt in unlöslicher Vereinung. ‒
Wenn aber diese Vereinung hier auf Erden
nicht erfolgt, dann können Äonen vergehen,
bevor die «Seele», die das Menschtier über‐
lebt, einst fähig wird, in dem ihr ewiges Eigen‐
leben verleihenden Geistesmenschen zu Bewusst‐
seinseinung aufzugehen...
Zu allen Zeiten gab es Menschen dieser Erde,
die schon während ihres Erdenlebens das
«
Tier» dem «
Gotte»: ‒ das Menschtier‐
bewusstsein dem Bewusstsein des Geistesmen‐
schen, in sich vereinigt hatten, und alles gei‐
stige Wissen, das noch ‒ wie immer auch ver‐
mengt mit mancher Zutat Unberufener ‒ heute
auf Erden zu finden ist, ging einst von solchen
Menschen aus, denn
niemals sprach die
Gottheit anders zu der Erdenmensch‐
heit,
als durch den Menschen. ‒
Alles aber, was jene zu sagen hatten, die aus
dem
Geistesmenschentum lehren durften, da
sie
in ihm bewusst geworden waren, half
immer nur denen, die sich bewegen liessen,
ge‐
sammelten Willens danach zu streben,
«
Selbstüberwindung»
im hier bezeich‐
neten Sinne zu üben.
Kein Mensch kann den anderen
erlösen, ‒
aber wer den Weg zur Erlösung
weiss, der
kann ihn anderen
zeigen.
Sie zu
bestimmen, dass sie ihn auch
gehen
wollen, hat er weder Macht noch Recht!
Und wahrlich: ‒
schwer wird es dem Erden‐
menschen, sich einzugestehen, dass er vorerst
noch allein im
Tierbewusstsein lebt!
Schwer wird es vor allem den Selbstgerechten,
die längst ihr Heil in irgendeinem Religions‐
system gefunden glauben, ‒
schwer wird es
denen, die sich «reich» wähnen im Geiste, weil
ihr Scharfsinn alles zu
zerdenken weiss!
Ich könnte sehr wohl verstehen, wenn diese
Selbstbehinderten meine Worte schmähten, statt
die Probe auf ihre Wahrheit zu wagen...
Festgefroren, wie Radspuren auf schlechten
Wegen im Winter, sind die Denkgeleise in
vielen Gehirnen!
Aber nach ewigem Gesetz wird keiner sein
Schicksal mehr ändern können, sobald er die
Erde dereinst verlassen muss...
Jetzt, in dem Augenblick, in dem du diese
Worte liest, ist die Zeit der Selbstbesinnung
für dich gekommen!
Jetzt
kannst du dich noch entscheiden und
bist deiner Entschlüsse Herr!
Wertlos für dich aber bleibt dein Wägen meiner
Worte, solange du nicht mit aller Kraft danach
handeln magst!
Klug wirst du tun, dein
Vor-Urteil nicht zu
beachten, denn erst dann bist du urteils-
fähig,
wenn deine
Selbst-
Überwindung auch
dich
einst von der Herrschsucht deiner Tierheit be‐
freite und du eingegangen sein wirst in das
Bewusstsein deines
Geistesmenschen! ‒ ‒
Du sollst nicht mich und meine Worte, sondern
deinen Irrtum überwinden, der
in dir selbst
seine Ursache hat!
* *
*
Alle höchste Weisheit ruht im
Sein
und
nicht im «Denken». ‒ ‒
Tiefste
Wirklichkeit im wahren
Sein
kann dir erst leuchtend wahres
Denken
schenken!
Denken, das
nur «Denken» ist
führt irre Pfade ‒
Wahres Sein allein gebärt Gedanken
voll der Gnade!
Alle höchste Weisheit quillt
aus vollem
Leben ‒ ‒
Nie kann dir dein blosses
Denken
höchste
Weisheit geben!
*
Das geistige Lehrwerk von Bô Yin Râ besteht aus folgenden
32 Büchern:
DAS BUCH DER KÖNIGLICHEN
KUNST
DAS BUCH
VOM LEBENDIGEN GOTT
DAS BUCH
VOM JENSEITS
DAS BUCH
VOM MENSCHEN
DAS BUCH
VOM GLÜCK
DER WEG ZU GOTT
DAS BUCH DER LIEBE
DAS BUCH DES TROSTES
DAS BUCH DER GESPRÄCHE
DAS GEHEIMNIS
DIE WEISHEIT DES JOHANNES
WEGWEISER
DAS GESPENST DER FREIHEIT
DER WEG MEINER SCHÜLER
DAS MYSTERIUM VON GOLGATHA
KULTMAGIE UND MYTHOS
DER SINN DES DASEINS
MEHR LICHT
DAS HOHE ZIEL
AUFERSTEHUNG
WELTEN
PSALMEN
DIE EHE
DAS GEBET /
S O SOLLT IHR BETEN
GEIST UND FORM
FUNKEN / MANTRA PRAXIS
WORTE DES LEBENS
ÜBER DEM ALLTAG
EWIGE WIRKLICHKEIT
LEBEN IM LICHT
BRIEFE AN EINEN UND VIELE
HORTUS CONCLUSUS
Nicht zu dem geistigen Lehrwerk gehörig, wenn auch
aufs engste daran anschliessend:
IN EIGENER SACHE
DAS REICH DER KUNST
OKKULTE RÄTSEL
AUS MEINER MALERWERKSTATT
KODIZILL ZU MEINEM GEISTIGEN LEHRWERK
MARGINALIEN
ÜBER DIE GOTTLOSIGKEIT
GEISTIGE RELATIONEN
MANCHERLEI
sowie die beiden Flugschriften:
ÜBER MEINE SCHRIFTEN
WARUM ICH MEINEN NAMEN FÜHRE
Postum herausgegeben:
NACHLESE
Gesammelte Prosa und Gedichte aus Zeitschriften
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH 48
Französische Übersetzungen im Verlag
Ed. «La Balance», Paris
Holländische Übersetzungen im Verlag
Servire, Den Haag
Schwedische Übersetzungen im Verlag
Widiugs Förlags A. B., Stockholm
In der Kober'schen Verlagsbuchhandlung AG. Zürich
erschien 1954
BÔ YIN RÂ
LEBEN UND WERK
von Prof. Rudolf Schott
In Vorbereitung:
DER MALER BÔ YIN RÂ
von Prof. Rudolf Schott
Zweite, mit Text und Bildern erweiterte Auflage
DIE KOBER'SCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH
ist Verlegerin und Besitzerin sämtlicher Schriften und
Verlagsrechte des Autors Bô Yin Râ. Seine Bücher sind durch
jede gute Buchhandlung zu beziehen. Wo die Bücher nicht auf
Lager sind, werden durch den Verlag bereitwilligst Buch‐
handlungen nachgewiesen, die in ihrem Sortiment diese Bücher
führen.
ENDE
BRIEFE
AN EINEN
UND VIELE
gegründet 1816
KOBER`SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
2.Auflage
unveränderter Nachdruck
der 1935 erschienenen Ausgabe
©
1971 Kober`sche Verlagsbuchhandlung AG. Bern
alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG. Biel
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
Die Vorbemerkung und das Schlußwort gehören OO
organisch zu diesem Buche und wollen nicht als OO
Nebensache betrachtet werden!
Daß, und warum ich gegen Veröffentli‐
chungen der nur auf bestimmte Anlässe
gerichteten und daher als nur einmalig gül‐
tig gemeinten, nur nach genauester Kennt‐
nis ihrer Entstehungsumstände bewert‐
baren Briefe Verstorbener bin, habe ich in
einem Buche, das den Titel „Wegweiser”
führt, deutlich genug gesagt.
.Da mir aber jede Macht fehlt, nach mei‐
nem „Tode” eine Veröffentlichung von
Briefen zu verhüten, die auch ich nur im
Hinblick auf ehedem augenblickhaft ge‐
gebene datumsbeschränkte besondere Ver‐
anlassungen, und als nur in ihrem Geltungs‐
bereich einmalig gültig geschrieben ange‐
sehen wissen wollte, so wäre es recht tö‐
richt, wenn ich mich schon bei Lebzeiten
über solchen möglichen Mißbrauch des
Meinen grämen würde.
.Hingegen finde ich mich veranlaßt, das
immer nur Ephemere, Eintagsgültige zeit‐
und sachbestimmter Gelegenheitsbriefe
unmißverstehbar erkennen zu lehren, in‐
dem ich hier ‒ als Gegenbeispiel ‒ Briefe
darbiete, die jederzeit wieder aufs neue
Einzelnen Hilfe bringen können, weil sie
wirklich nur meine auf alle Zeiten bezo‐
gene Lehre erkennen lehren.
.Ich habe solche Briefe voreinst vielmals
an Viele geschrieben, wenn auch jeweils
in gewissen Abwandlungen, so daß es viele
Leser geben wird, die in der Gestalt des
Adressaten sich selber wiedererkennen wer‐
den. Ich hoffe aber, daß keiner der hier Ge‐
meinten das voreinst ihm privatim Dar‐
gebotene nun etwa als durch die mir ja nur
allein zustehende Veröffentlichung des
Meinen für ihn „profaniert” empfinden
wird, denn auch jetzt wird das Gesagte doch
nur Seelen dienen können, die dafür in
sich selber vorbereitet sind.
.Das, was ich ehedem vielen verschie‐
denen Menschen auf ihre Briefe und Fra‐
gen hin im Einzelfall zu antworten hatte,
ist nun hier zusammengefaßt, weil ich es
ja in jedem mit der ins Irdische gefesselten
Seele und ihren hier möglichen Erfahrun‐
gen, wie ihren immer gleichen „Fragen”
zu tun hatte. Jeder einzelne der hier dar‐
gebotenen Briefe bezieht sich jeweils ge‐
treulich auf bestimmte, vormals an mich
gelangte Anfragen, Mitteilungen und Be‐
richte. Der Anlaß, den meine hier im Buch
gegebene jeweilige Briefantwort erwähnt,
wurde also in keinem Falle etwa erst für
die Beantwortung von mir erfunden! Lange
schon sind jedoch die Zeiten vorbei, in
denen ich, außer aller nur mir bekannten
rigorosen Pflichterfüllung im ewigen Gei‐
stigen, vom Morgen bis zur Dunkelheit ‒
praktisch durch keine Pause unterbrochen
‒ produktiv arbeiten konnte, dann eine
eilig genossene kleine Mahlzeit zu mir
nahm, und nachher bis zum neuen Morgen‐
grauen am Schreibtisch saß, um Briefe zu
beantworten, worauf ich nach einem kur‐
zen tiefen Schlaf wieder vor einer Maltafel
war oder Manuskripten die Form schuf, in
der sie den auf Licht Harrenden zugänglich
werden sollten. Ich will heute nicht fragen,
ob meine Hingabe zu unbeschränkt war,
soweit sie der Beantwortung von Briefen
galt, aber mein erdenkörperlicher Organis‐
mus hat schließlich diese ihm viele Jahre
hindurch ununterbrochen widerfahrene
Behandlung recht übel beantwortet, so daß
ich definitiv ihr zu entsagen gezwungen
wurde.
Mögen nun die hier gegebenen Briefe
dafür allen der Lehre Würdigen dargebo‐
ten sein, die allein sich durch sie ange‐
sprochen wissen sollen!
.Daß ich den Inhalt, verglichen mit den
ehedem so oft geschriebenen privaten Er‐
klärungs- und Beratungsbriefen, sehr we‐
sentlich zu bereichern vermochte, ergab
sich aus der Natur der mir von mir selbst
gestellten Aufgabe, hier ein Buch in Brie‐
fen zu geben: ‒ ein Buch, das, langher schon
vorbereitet, zuletzt nur in dieser Form zu
seiner Gestaltung kommen konnte.
.Die Briefe sind nicht etwa diktiert, son‐
dern trotz allen mein Schreiben zur Zeit stö‐
renden physischen Behinderungen mit der
Hand geschrieben, so, wie ich ehedem
ohne plagende Hemmung ihre Vorbilder zu
schreiben vermochte. Doch liegt hier keine
„Ausnahme” vor, denn ich habe bis auf den
heutigen Tag noch nichts veröffentlicht,
das anders als durch Handschrift mit der
Feder entstanden wäre. Das Manuskript für
den Setzer hat immer ein handgeschrie‐
benes erstes Manuskript zur Vorlage, das
freilich die physische Mühsal seines Zu‐
standekommens meistens nicht zu verber‐
gen vermag und so wenig meinen Ansprü‐
chen an meine Handschrift entspricht, daß
ich die seltenen, unumgänglichen Briefe,
die ich mitunter noch zu schreiben ver‐
suche, notgedrungen nur zu nachfolgender
Abschrift ins Stenogramm diktieren kann.
Die Handschrift hingegen muß heute, so‐
weit sie mir möglich wird, allein der sie
unumgänglich verlangenden Gestaltung
meiner Lehrtexte vorbehalten bleiben, die
sich nun hier in diesem Buche in Brief‐
form darbieten, wobei jeder von mir ge‐
meinte, wirklich angesprochene Leser je‐
den Brief als an sich selbst gerichtet be‐
trachten darf, auch wenn ich niemals eine
Zuschrift von ihm empfing und auch gewiß
keine privatim beantworten könnte.
Zurück! ‒
Zurück mit euch! ‒
Die ihr alles geflissentlich
Und beflissen umdrängt,
Was eurer leibesentstandenen
Unsauber riechenden
Tierseelen
Lüstern leckender Gierde
Nicht zugemeint ist!
Ich bin nicht gekommen
Um euch: ‒ den einzigen,
Die ich
nicht rufe ‒
Der „Eure” zu heißen!
Das, was ich bringe,
Ist nur den Lauteren,
Ewiger Seele Gewärtigen,
Sauberen, Herben, Verhaltenen,
Lange Zögernden dargeboten,
Die mit
gereinigten Händen
Zu fassen wissen,
Was ihr nur ‒
befleckt!
*
„
Sag' uns: ‒
Wer bist du?
Wir müssen dich
kennen! ‒
Wie sollen wir wahr
Deine Art benennen?!”
Ich bin ein Strahl
Und sein ewiges Licht!
Ich bin ein Wort
Das sich selber spricht!
Ich bin ein Schwert
Und ein schützender Schild!
Ich bin ein Former
Und auch sein Bild!
Ich bin ein Ring
Und bin sein Stein!
Ich bin der Winzer
Und bin der Wein!
Ich bin ein Stamm
Und des Stammes Reis!
Ich bin ein Mensch,
Der die Weise weiß:
Funken zu schlagen
Aus ewigem Eis!
*
Was ich bringen komme,
bringt man erst
dem
eigenen Blute,
Bevor man weitergibt
aus eigenem Gute
Auch
fremden Stämmen,
Was sie gültig fassen. ‒
Wollt ihr nicht haben,
was ich euch
als
Ersten bot,
Dann werdet ihr, ‒ glaubt mir:
ich
kenne das Gebot! ‒
Das, was
euch heute finden
sollte,
später,
fernher holen: ‒ ‒
Der
Nacht Genossen ‒
scheu, auf leisen Sohlen...
*
Sie sagen mir, daß Sie im „Buch vom le‐
bendigen Gott” vieles finden, das Ihnen
lange schon als eigenes Besitztum der
Seele gelte, obwohl Sie nicht dazu gelangt
seien, dem von Ihnen seelisch Empfunde‐
nen auch selbst „in Worten Ausdruck”
schaffen zu können.
.Da Sie sich nicht näher über die einzel‐
nen Stellen des Buches aussprechen, auf
die sich Ihr Gefühl des Wiedererkennens
eigener Empfindung bezieht, nehme ich
an, daß Sie in den einzelnen Kapiteln, die
Ihnen ja doch fraglos dem Gesamtinhalt wie
der Formung nach neu waren, dennoch zu‐
weilen an Sätze gelangten, die Sie wie wort‐
gemäße Darstellungen des bereits ohne
mein Buch in Ihnen Erfühlten anmuteten.
.Verstehe ich Sie damit recht, so liegt
dann wirklich ein „Wiedererkennen” des
auch Ihnen Eigenen vor, da Ihre Seele ja
aus dem gleichen Urgrund stammt wie die
meine, und ich in meinen Büchern nach
nichts anderem trachte, als nach Darstel‐
lung der ewigen, von allem zeitlichen
Meinen und Glauben ganz unberührten
Wirklichkeit, die aller Seele Urbesitz ist,
auch wenn in diesem, von physisch Kör‐
perlichem laut übertönten Erdenleben das
Bewußtsein um solchen Besitz bis zu nur
traumhafter Fernschau einer verblaßten
Erinnerung abgedrängt wird. So betrach‐
tet, überrascht mich Ihre Behauptung nicht
im mindesten. Sie zeigt mir nur, daß ein‐
zelne meiner Worte das normalerweise wäh‐
rend dieses Erdenlebens kaum noch faß‐
bare Erinnerungsbild der Seele soweit in
Ihnen zu verstärken imstande waren, daß
es Ihnen in den berührten Punkten wort‐
geformt faßbar wurde. Was Sie über das
Glück sagen, nun gewisse, Ihnen wohlbe‐
kannte seelische Empfindungen anhand
meiner Worte „nach Wunsch und Willen”
jederzeit aufs neue nacherleben zu können,
ist nur eine Bestätigung des hier Erklärten,
so daß Sie ganz unbesorgt sein dürfen hin‐
sichtlich des Ihnen „merkwürdigen, aber
eigentlich wohltätigen” Gefühls der erlang‐
ten Gewißheit über einen inneren Bezirk,
der Ihnen vordem als ganz unerkundbar
erschienen war.
.Sie sind aber auch durchaus in guter
Selbstberatung, wenn Sie mir gestehen,
selbst zu fühlen, wie sehr Sie noch meiner
Worte bedürfen, ja, wie Sie vorerst in
diesen Worten die einzigen brauchbaren
„Schlüssel” zu den Schatzkammern Ihres
seelischen Besitzes erkennen.
.Gern höre ich weiterhin von Ihnen, wie
Sie sich dieser Schlüssel zu bedienen wissen.
.Sie werden zwar gewiß keinen regel‐
mäßigen Briefaustausch mit mir erwarten
dürfen. Ich müßte mich selber vervielfachen
können, sollte ich auch nur den kleinsten
Teil der Wünsche erfüllen, die eine Be‐
antwortung an mich gerichteter Briefe er‐
hoffen. Nicht meine „kostbare Zeit”, die
ich leider bis zum Überdruß in vielen Zu‐
schriften erwähnt finde, versagt es mir, alle
die Antworten niederzuschreiben, die ich
von Herzen gerne geben möchte, sondern
die mir verfügbare irdische Kraft, die längst
über alles zulässige Maß hinaus überlastet ist.
.Sobald ich Sie jedoch in Ihren, hier aus‐
drücklich von mir erbetenen Berichten bei
einem störenden Irrtum gewahren sollte,
will ich dennoch tun, was mir möglich ist,
um Sie gut beraten zu wissen.
.Der Himmel segne Sie!
Unsere Fähigkeit, Seelisches zu erleben,
ist durch gewisse Aufnahmehemmungen be‐
hindert, die man in Analogie zu dem Ver‐
halten unserer physischen Fähigkeiten:
„Ermüdungserscheinung” nennen darf.
Was Sie mir nun zu berichten haben, ist
deutlich als Schilderung einer solchen Er‐
müdungserscheinung zu erkennen.
.In Ihrer ersten Freude darüber, manches
Ihnen bekannte seelische Empfinden zum
erstenmal in Worten dargestellt zu sehen,
hatten Sie alles andere, was in meinem
Buche gesagt ist, offenbar vorläufig außer
acht gelassen und sich mit dem Ihnen nicht
Bekannten auch weiter nicht beschäftigt.
Ihre Erregung durch jene meiner Worte,
die Sie als „genaue Beschreibung” des
Ihnen bekannten seelischen Erlebens emp‐
fanden, war, wie Sie ja selbst sagen, „über‐
aus stark und nachhaltig”. Kein Mensch
aber kann ein solches seelisches Erregtsein
dauernd in gleicher Stärke festhalten. Es
folgt naturnotwendig ‒ und zum Glück
für unseren physischen Organismus ‒ das
Abklingen auch der stärksten seelischen
Erregung. Sie aber wollten sich dem wider‐
setzen und glaubten, das immer erneute
Lesen der Sätze, die in Ihnen so lebendige
Wirkung hervorgebracht hatten, müsse zu
immer neuer Beglückung durch Bestäti‐
gung eigenen seelischen Erlebens führen.
Daß Sie sich aber dadurch nur immer mehr
übermüden mußten, kam Ihnen nicht in
den Sinn, und in diesem übermüdeten Zu‐
stande stiegen nun jene Worte plötzlich vor
Ihnen auf, die von Dingen handeln, die
Ihnen noch ganz unbekannt sind. Das ist
jedoch durchaus nicht „unheimlich” oder
„beängstigend”, wie Sie in Ihrem Briefe
an mich sagen!
.Sie wurden nur gewahr, was Ihnen beim
ersten Versenken in Schilderungen des
Ihnen Bekannten, an noch nicht Bekann‐
tem entgangen war, weil Sie unwillkürlich
darüber hinweg gelesen hatten.
.Es wird Ihnen jedoch bei jedem erneu‐
ten Lesen eines meiner Bücher ähnlich
gehen, auch wenn Sie glauben sollten, den
Inhalt des Buches, das Sie gerade wieder
zur Hand nehmen, beinahe auswendig zu
wissen. Sie werden mit Erstaunen wahr‐
nehmen, daß Sie zwar des Inhalts kundig
zu sein glaubten, aber im Wiederlesen
immer wieder neuem Inhalt begegnen!
.Diese Bücher lassen sich nicht „auslesen”,
weil ihr Inhalt allen überhaupt möglichen
Konstellationen seelischen Bewußtwerdens
Darstellung gibt, und weil jedes erneute
Lesen den Leser in einer anderen seelischen
Aufnahmefähigkeit findet.
.Es ist daher für Sie gar kein Grund ge‐
geben, an der Erweiterungs- und Vertie‐
fungsmöglichkeit Ihres seelischen Erleben‐
könnens zu zweifeln. Nur müssen Sie Ge‐
duld haben, wie man Geduld haben muß,
wenn man ein Musikinstrument spielen,
oder eine fremde Sprache frei gebrauchen
lernen will.
.Sie hatten vielleicht Ihre Vertrautheit
mit dem, was es für uns Menschen in der
Seele zu erleben gibt, überschätzt, und
müssen sich nun zu der Erkenntnis durch‐
arbeiten, daß es unvergleichlich mehr See‐
lisches zu erleben gibt, als Sie bis jetzt zu
erahnen vermochten.
.Wenn die gegenwärtigen Zweifel an Ihrer
Erlebensfähigkeit dem Seelischen gegen‐
über, Sie vor solchem, so verhängnisvollen
Überschätzen dessen, was Sie seelisch er‐
lebt zu haben glauben, in Zukunft bewah‐
ren werden, dann ist Ihre augenblickliche
Enttäuschung das beste Vorzeichen dafür,
daß Sie sich dereinst ‒ wenn es auch länger
hingehen mag, als Ihnen erwünscht wäre ‒
im Reiche der Seele erwacht finden wer‐
den. Fassen Sie neuen Mut und bedenken
Sie, daß Ihr Ziel zu seiner Erreichung große
Hingabe erfordert!
Weil du
dir selber
.dich zu weit
entrücktest
Und träumend dich
.an Traumgebild entzücktest,
Ist dir das Band, das dich
.mit
Gott verband, ‒
entglitten:
In Trug und Tand hast du
.dich,
selbst erlitten.
In dich
gezwängt,
.hast du dann Gott
gerufen, ‒
Von dir
bedrängt,
.liegst du nun vor den Stufen,
Die ‒ in dir selber ‒
.dich zu Gott erheben:
Aus Dunst und Dunkel,
.zu dir neuem Leben!
*
An allem dürfen Sie zweifeln ‒ auch an
mir ‒ nur nicht an der Möglichkeit, im
Lichte der Seele zum Erwachen kommen
zu können! Ihr letzter Brief enthält aber
keinen einzigen Satz, der nicht aus solchem,
alles Erleben der Seele hindernden Zwei‐
fel hervorgegangen wäre.
.Sie könnten ja recht haben, wenn Sie mir
nun schreiben, Sie sähen sich ‒ im Gegen‐
teil zu meiner letzten Äußerung ‒ von mir
„überschätzt”. Aber was ich Ihnen als ein
Ihnen Erreichbares in der Ferne zeige,
würde durch irgendwelche Überschätzung
Ihrer Person keineswegs für Sie weniger
sicher erreichbar!
.Wenn Sie einmal soweit sind, wie Sie
sein müssen, um das von mir aufgezeigte
Ziel erreicht zu haben, werde ich Sie ganz
gewiß nicht mehr „überschätzen”, gesetzt,
daß heute wirklich Überschätzung bestün‐
de. Aber Ihr nun so lebhaft sich bekun‐
dendes Bestreben, sich selbst zu verklei‐
nern, ist ja nur die Reaktion auf Ihre vor‐
herige Überbetonung im Seelischen, Ihrem
eigenen Bewußtsein gegenüber. Pendel‐
ausschlag nach der anderen Seite!
.Sie müssen vor allem jetzt erst einmal zur
Ruhe kommen und Ihre eigene Mitte finden!
.Vielleicht beseitigt es Ihre Befürchtun‐
gen, daß ich Ihnen Hoffnung auf Erreichung
des erstrebten Zieles nur deshalb machen
könne, weil ich Sie wohl doch „über‐
schätze”, wenn ich Ihnen darauf antworte,
daß ich Sie nur in der allen seelisch Suchen‐
den zu Anfang eigentümlichen Verfassung
sehe, sich selbst zu wichtig zu nehmen. ‒
Sich selbst und das Urteil Anderer!
.Aber das ist, gleichnisweise gesagt, eine
Art psychophysischer Kinderkrankheit, die
nur dann zu Besorgnis Anlaß bieten könnte,
wenn sie nicht in absehbarer Zeit zum Ver‐
schwinden gebracht würde.
.Sie stehen heute am allerersten Beginn
eines Weges, dessen Ziel Ihnen zwar ge‐
dankenmäßig vorstellbar, aber in seiner
Wirklichkeit nur ahnungsweise bekannt ist.
Ihr Weg ist in Ihnen selbst, und nur in
Ihnen selbst finden Sie dereinst sich auch
an dieses Weges seelischem Ziel. In Ihnen
selbst aber sind auch alle die Waldteiche,
Sümpfe und Pfützen, in denen Sie bisher
sich so gerne zu betrachten liebten.
.Sie werden wissen, was ich meine, auch
wenn ich die Art dieser Spiegelungsgelegen‐
heiten hier absichtlich nicht mit Fachaus‐
drücken der Psychologie benenne. Dieses
Selbstbetrachten und Sich-im-Bilde-sehen‐
Wollen werden Sie allmählich ganz auf‐
geben lernen müssen, wenn Sie auf Ihrem
Wege zu sich selbst das Ziel nicht aus den
Augen verlieren wollen.
.Sie sind ganz der Gleiche, einerlei, ob
Sie sich bei Ihren Selbstbespiegelungen im
Bilde gefallen oder nicht! Jedes von Ihnen
im Innern aufgenommene Spiegelbild Ihres
jeweiligen Bewußtseinszustandes bewirkt
aber ein Festhaften an der Stelle, die Sie
durch Weiterschreiten ja gerade verlassen
lernen sollen. ‒
.Als was Sie sich selbst und Anderen hier
im Erdenleben gelten: ‒ welche Stellung
Sie einnehmen, welche Bedeutung dieser
Stellung zukommt, ‒ ob Sie zu befehlen
oder zu gehorchen haben, und tausend an‐
dere irdische Wichtigkeiten, an die Sie sich
hier gefesselt fühlen oder von denen Sie
gar nicht befreit sein möchten, ‒ das alles
sind Dinge zwischen Geburt und Grab. ‒
Was aber in Ihrer Seele von Ihnen erst ge‐
sucht und gefunden werden will, ist Ewi‐
ges, das von alledem unberührt bleibt, was
Ihnen hier auf Erden irdisch so wichtig ist.
.Trachten Sie immerhin nach dem, was
Sie in Ihrem irdischen Dasein irdisch hoch
bewerten, aber versäumen Sie darüber Ihr
Ewiges nicht!
.Ihr Erdenkörper ist nur die Werkstatt,
in der Sie Ihrem Ewigen Gestaltung schaf‐
fen können. ‒ Er bietet Ihnen das Werk‐
zeug, das Sie zur Selbstformung brauchen,
aber Sie selbst nur schaffen sich damit ‒
die Form!
.Ohne sich selbst diese, Ihre geistige
„Form” aus Ihrem Ewigen gestaltet zu
haben, können Sie unmöglich in Bewußt‐
seinsidentität mit Ihrem persönlichen ir‐
dischen Bewußtsein, in Ihrem Ewigen be‐
wußt werden! ‒ Aus der Perspektive des
in seine tierorganbestimmten Sinne gefes‐
selten Erdenmenschen her gesehen, wäre
Ihr Ewiges auch ewig Ihr Fremdestes, denn
er weiß nichts von ihm und kann höch‐
stens, durch Überredung, in sehr fragwür‐
diger Weise, daran zu „glauben” bewogen
werden. Ihr Ewiges wird Ihnen jedoch be‐
wußt werden als unverlierbarer Bewußt‐
seinsbesitz, sobald Sie ihm die Ihnen ge‐
mäße geistige Form gestaltet haben, die nur
Sie allein ihm gestalten können durch die
Ihnen entsprechende, kontinuierlich bei‐
behaltene Willenshaltung.
Es würde mir wie ein Unrecht erscheinen,
wollte ich Sie nach diesem, Ihrem letzten
Brief, der eine so mannhaft klare Entschei‐
dung bringt, länger als unvermeidlich nö‐
tig, ohne Antwort lassen. So stelle ich vie‐
les, was von mir getan werden will, einst‐
weilen zurück, damit Sie gleich von mir
hören.
.Ich verstehe aber auch Ihre Sorge und
will gerne Ihrer, wie Sie sagen: „trockenen
und durch den Beruf schon vorwiegend
verstandesmäßig eingestellten” Natur alle
Brücken bauen, die sie etwa braucht.
.Zeigen Sie mir unbesorgt Ihre Schwie‐
rigkeiten auf!
.Es würde mich selbst belehren, sollte ich
entdecken, daß ich das in meinen Büchern
bereits auf die mir gemäße Art Gegebene
auch in Ihnen geläufigere Form umgießen
könnte. Nicht minder lernbereit bin ich,
aus den Worten eines seriösen und nüch‐
tern urteilenden Mannes zu ersehen, wo
ich möglicherweise berechtigte Fragen
offengelassen oder aber dem Leser Auf‐
gaben dargeboten haben könnte, deren er
nicht mit der Zeit Herr zu werden ver‐
möchte.
.Was jedoch die von Ihnen erwähnte „un‐
gewohnte Schreibweise” betrifft, in der ich
jeweils in den Büchern das Darzustellende
behandelt habe, so darf ich in aller Sachlich‐
keit sagen, daß ich noch keine einzige Ab‐
handlung geschrieben habe, bei der es mei‐
ner Willkür freigestellt geblieben wäre, das
zu Sagende zur damals gegebenen Zeit auch
anders zu sagen, als es sich ausgedrückt
findet.
.Ich habe nie und nirgends nach einem
Rede- oder Schreibstil gesucht, sondern
immer alles so niedergeschrieben, wie es
sich mir nach geistig bestehenden Lautwert‐
gesetzen formen mußte.
.Mit einer Spur literarischen Ehrgeizes
hätte ich mich im Ganzen gewiß ohne
Schwierigkeit einer der Zeit geläufigen
Schreibweise bedienen können. Aber es lag
und liegt mir nicht nur alles literarische
Streben fern, sondern ich bin auch viel zu
sehr mit meiner ganzen Liebe bei jedem
Wort, das ich gebrauche, ‒ bei jedem
Buchstaben, den ich niederschreibe, ‒ als
daß ich daneben noch Sorge tragen könnte
darum, wie sich das, was ich sagen muß,
dem allgemeinen Schrifttum meiner Erden‐
zeit einfügen lasse. Wo ich Worte vorfinde,
wie ich sie brauche, dort trage ich kein
Verlangen nach anderen, und wo ich mit
denen, die ich vorfinde, nicht auskomme,
schaffe ich mir selbst jeweils die Wortform,
die nötig ist.
.Ich kann überdies nichts schreiben, was
ich nicht in betontester Weise als gespro‐
chen empfinde. Dieser Umstand erklärt
alles, was auf den ersten Blick vielleicht
an meiner Art, die Sätze zu sondern und
die Interpunktion anzuordnen, als gesuchte
Wunderlichkeit erscheinen könnte. Da Sie
ja jetzt im Besitz des im Laufe zweier Jahr‐
zehnte von mir Geschriebenen sind, wird
Ihnen auch in manchem der zuerst erschie‐
nenen Bücher eine freigebige Verwendung
der Gedankenstriche auffallen, die aus dem
Bedürfnis zu erklären ist, irgendwelche
Zeichen zu haben für die kürzeren oder
längeren Pausen zwischen den als gespro‐
chen empfundenen Wortfolgen. Das fatale
Mißverstehen der Absicht hat mich dann
später aber veranlaßt, den Gebrauch dieser
Zeichen aufs Allernötigste einzuschränken.
.Dessenungeachtet besteht für den Leser
die Notwendigkeit weiter, sich das Ge‐
schriebene lauthaft gesprochen vorzustel‐
len, wenn er sich nicht selbst um recht
Wesentliches bringen will, was ihm die ge‐
lesenen Sätze an Innerstem zu geben haben.
.Damit wären wohl die ersten erbetenen
Erklärungen erschöpft, die ich Ihnen schul‐
dig zu sein glaube, nachdem ich jetzt Ihre
Entschließung kenne, Tag für Tag eine
ruhige Stunde dem eindringlichen, wenn
auch vorläufig erst mehr verstandesmäßigen
Studium meiner Lehrtexte zu widmen.
.In bezug auf die Reihenfolge dieses Stu‐
diums möchte ich Ihnen lieber alle Frei‐
heit lassen, obwohl ich manches gerne zu‐
erst gelesen wünschen würde, bevor man
an anderes geht, das gewisse Vorstellungen
schon in leidlicher Klarheit voraussetzt.
Ich rate Ihnen aber, immer wenn Sie eines
der Bücher beendet haben und nach einem
anderen greifen, nur eines zu wählen, was
Sie beim ersten Blättern sogleich stark an‐
spricht. Haben Sie aber Mühe, weiterzu‐
kommen, dann legen Sie lieber ein solches
Buch für spätere Zeit zurück, und wählen
derweil ein anderes, mit dem Sie eher ver‐
traut zu werden glauben.
.Meine Segenswünsche sind mit Ihnen!
Daß Sie erst jetzt, nach vier Monaten,
wieder zum Schreiben an mich gelangen
konnten, erfordert wahrhaftig keine Ent‐
schuldigung.
.Abgesehen davon, daß ich ja um Ihre
stete intensive Berufstätigkeit weiß, durfte
ich doch wohl auch annehmen, daß Sie mir
nur dann Fragen vorzulegen haben wür‐
den, wenn alle Prüfung des Textes Ihnen
die Selbstbeantwortung unmöglich erschei‐
nen ließe, und zu solcher Prüfung gehört
Zeit! Wenn man ununterbrochen und
durch keine Maximalstundenzahl einge‐
schränkt, weit über seine verfügbaren
Kräftereserven hinausgreifen muß, um sei‐
ner Arbeitsverpflichtung auch nur im Drin‐
gendsten Herr zu bleiben ‒ wie das bei mir
der Fall ist, ‒ dann kann ein Zeitraum
von vier Monaten zuweilen so zusammen‐
schrumpfen, daß er kaum wie die Zeit‐
spanne von vier Tagen empfunden wird.
.Ich verstehe, daß Sie sich erst einen „Ge‐
samtüberblick” über die Bücher und ihre
Einzelkapitel verschafft haben mußten, be‐
vor Sie an die Durcharbeitung der gegebe‐
nen Texte gehen konnten, aber ich muß
meiner Verwunderung darüber Ausdruck
geben, daß Ihnen eine solche Gesamtüber‐
schau immerhin in der doch relativ kurzen
Zeit von vier Monaten, in denen Sie auch
genug anderes zu tun hatten, gelungen ist.
Ihre bisherigen Beobachtungen bestätigen
dieses Gelingen!
.Es war ein recht glücklicher Gedanke,
die Bücher und Bändchen in der Reihen‐
folge ihrer Erscheinungszeit durchzusehen,
und es war mir sehr erwünscht, hören zu
dürfen, daß Ihnen durch die späteren Er‐
öffnungen sich so vieles ungezwungen er‐
schlossen hat, was Ihnen bereits im „Buch
vom lebendigen Gott” nur auf solche Art
erschließbar erschienen war. Auch verrät
es mir ein sicheres und feines Empfinden,
daß Sie in diesem ersten und manchem
folgenden Buch, zwischen den Zeilen wie
im Text selbst, den Kampf gewahr gewor‐
den sind, den es mich immer wieder ge‐
kostet hat, mich vor aller Welt zu mir be‐
kennen zu müssen, und wie ich daher, nur
widerwillig, erst ganz allgemein gehaltene
Berichte gab, die immer noch mehr zu ver‐
bergen wußten als sie, gezwungen, enthüll‐
ten. Ich verberge aber auch heute noch
mehr, als mir ‒ solange es andere nicht
von sich aus eindeutig sicher gewahren ‒
zu bekennen möglich und erträglich wird.
.Sie werden übrigens, beraten durch Ihre
Feinfühligkeit, im Laufe der Zeit auch noch
auf manches eindeutige Bekenntnis zu mir
selbst innerhalb meiner Lehrtexte stoßen,
das ich zwar zu geben genötigt war, aber
vor allen, die doch nichts damit anzufangen
wüßten, mit dichter Hülle bedeckte. Ich
gestehe, daß es mir zuweilen eine diebische
Freude bereitet hat, wenn es mir gelungen
war, meiner Bekenntnisverpflichtung so zu
genügen, daß nur recht wenige, wirklich
Berechtigte zu entdecken vermochten, was
unter der Verhüllung sich vor Unberechtig‐
ten verborgen hielt und verbirgt, obwohl
die Form der Hülle keineswegs wertlos ist,
oder gar seelischem Irren Veranlassung
werden könnte. Es ist das alles andere
eher, nur nicht etwa Geheimniskrämerei!
Es ist vielmehr ein Schutz, den ich mir
schaffen mußte: ein Schutz vor törichten
Unterstellungen und groteskem Mißver‐
stehen.
.Meine Motive werden Ihnen gewichtig
genug erscheinen, wenn Sie sich vor Augen
halten, daß mir mein ewiges, allem irdischen
Einfluß entrücktes Sein zwar in distinkte‐
stem Erleben als über-zeitlich bekannt ist,
für mich aber gewiß nichts Über-natürliches
bedeutet, da ich ja seiner Geistesnatur aus
dem Ewigen her, als der meinen, immer
bewußt war. Ein zeitlich umgrenztes Pro‐
blem ergab sich erst ‒ nachdem mir ein
irdischer Menschenkörper geboren worden
war ‒ durch die in gewissem Sinne alles
menschliche Erlebenwollen überfordernde
Notwendigkeit, im irdischen Menschbe‐
wußtsein, meiner, als des Ewigen, innezu‐
werden. Daß diese Forderung lange Jahr‐
zehnte brauchte um sich im Irdischen end‐
lich ganz durchzusetzen, und daß sich immer
wieder der Widerstand menschlichen Er‐
lebenswillens dem unumschränkten Inne‐
werdenkönnen in den Weg stellte, ist ‒
nun im irdischen Sinne gemeint ‒ nur
natur-gemäß. Mit einer Art heftigen Trot‐
zes, der zuweilen in geradezu burleske Situa‐
tionen führen kann, wehrt sich menschlich‐
irdischer Erlebenswille immer wieder ge‐
gen die Okkupation des ihn nährenden
Menschen durch ein Über-irdisches, von
dem er ja vorher nicht weiß, ob es ihm
nicht endgültig alle Erfüllung verweigern
wird.
.Ich dachte nicht, daß diese Dinge zwi‐
schen uns schon so bald zur Sprache kom‐
men würden, aber es ist wohl von Ihrer
Art, sich selber möglichst ohne besondere
Fragen weiterzuhelfen, gefordert, gleich
von Anfang an auch Tatsachen ins Auge zu
sehen, an deren Erscheinung sich andere
Suchende im Gang ihres seelischen Voran‐
schreitens zuweilen erst heftig stoßen.
.Ich habe das Gefühl, daß Sie weniger
„Hilfe” auf Ihrem Wege brauchen werden,
als Bestätigung, und daß Sie auch dieser
fast entraten könnten.
.Die innere, rein geistige Hilfe ist Ihnen
sichtbarlich nahe.
Die noch des Eigendünkels
Träume binden,
Die sind es wahrlich nicht,
die das Gesuchte finden!
Nur, die sich selber
in sich selbst begraben,
Erlangen in sich selbst
die heiß ersehnten Gaben....
*
Wenn Sie sich nun selbst darüber wundern,
daß Sie vormals glaubten, so viele, den
Text an sich betreffende „Fragen” stellen
zu müssen, während Ihnen jetzt die Worte
meiner Schriften „von Tag zu Tag eingän‐
giger” werden, so kann ich solches Ein‐
leben nur begrüßen. Nicht aber etwa des‐
wegen, weil Sie mich dadurch mancher be‐
mühender Erörterung entheben, sondern
in erster Linie um Ihretwillen. ‒
.Nur, was Sie sich selbst zu beantworten
vermögen, ist wirklich für Sie beantwortet!
Empfangen Sie aber eine Antwort von
außen her, so kann damit ‒ bestenfalls ‒
die Richtung gewiesen sein, in der die von
Ihnen gewünschte Lösung einer Frage liegt,
aber auch dann wird es Ihnen allein ob‐
liegen, sich die Beantwortung selbst zu
eigen zu machen. Jede Antwort von außen
her, die Sie nicht bezwingen, schafft Be‐
drückung und preßt immer neue verwir‐
rende Nebenfragen hervor, die zu nichts
nütze sind.
.Sie werden immer deutlicher sehen, daß
in meinen Schriften wirklich alle, die ewige
Geistigkeit des Menschen angehenden Fra‐
gen soweit beantwortet sind, wie es das ge‐
hirnliche Begriffsvermögen zuläßt. Damit
aber ist auch nur die Richtung jeweils deut‐
lich gewiesen, nach der sich die Seele wen‐
den muß, wenn sie sich selber ihre jewei‐
ligen Fragen beantworten will. Wer ehrlich
vor sich selber ist, der wird sehr bald wis‐
sen, ob diese oder jene Stelle in meinen
Lehrtexten sich auf ihn und seine indivi‐
duelle Situation bezieht oder nicht, auch
wenn er gewiß nicht erwarten darf, jede
mögliche Schattierung des Erlebens, deren
Elemente ich erörtere, in meinen Worten
aufgezählt zu finden.
.Mit aller Absicht aber enthalte ich mich
der üblichen, aus philosophischen und theo‐
logischen Meinungen abgeleiteten Defini‐
tionen, da es sich in meinem Lehrwerk um
das Erleben der Wirklichkeit handelt, die
ebendort anfängt, wo die Philosophien und
Theologien, die sich der suchende Men‐
schengeist auf Erden als gedankliche Wege
zum ewigen Geiste geschaffen hat, am Ende
sind. Wenn philosophisch oder theologisch
gebundene Menschen aus meinem Lehr‐
werk Nutzen ziehen wollen, so kann das
erst dann geschehen, wenn sie über sich
selbst und damit über ihren Glauben hinaus‐
gewachsen sind, daß sie in ihren Banden
im Besitz der „Wahrheit” über die Wirk‐
lichkeit seien.
.Das ist nicht etwa nur eine bloße Behaup‐
tung, die dann freilich erst der Beweise be‐
dürfte, sondern ich gebe Ihnen hier not‐
wendigerweise im voraus Kenntnis von
einem gegebenen Tatbestand, auf den jeder
Suchende stoßen muß, der sich mit meinen
Schriften ernstlich beschäftigt.
Man muß
mit seinen philosophischen und theologi‐
schen Findungen
zu Ende gekommen sein,
bevor man den
Weg in das ewige Wirkliche
findet, auf dem einer desto eher zum Ziel
gelangt, je weniger er mit Erdachtem be‐
packt ist.
.Sie werden wohl schon bei der ersten
Durchsicht meiner Schriften gewahr ge‐
worden sein, mit welcher Toleranz ich
jeglicher religiösen oder gedanklich gefun‐
denen menschlichen Meinung begegne,
wenn sie sich auch nur in einem
übertra‐
genen Sinne als der ewigen Geisteswirk‐
lichkeit wahrhaft entsprechend erweist.
.Aber diese Toleranz soll wahrhaftig nicht
zu der falschen Annahme verleiten, daß ich
damit sagen wolle, auch philosophische und
theologische Gedankenarbeit könne jemals
in die ewige Wirklichkeit führen! Ich bringe
solchem menschlichen Tun vielmehr nur
um seiner an sich lauteren Motive willen
verstehende Achtung entgegen, und ehre
die wenigen, auf seine Art zu findenden
oder schon gefundenen
Teilwahrheiten
über das ewige Wirkliche.
.Der
einzige Weg aber, der in die
zu jeder
Zeit „ewige”
Wirklichkeit führt, ist ein
Weg des
Werdens, ‒ nicht bloß des Er‐
kennens, ‒ und um diesen Weg deutlichst
abzustecken, ist alles geschrieben worden,
was ich geschrieben habe.
.Seien Sie gesegnet auf Ihrer nun be‐
gonnenen Wanderung auf diesem Wege!
Ihre Frage: ob ich auch schon von ande‐
ren Lesern meiner Bücher Ähnliches ge‐
hört habe, wie das, was den Hauptinhalt
Ihres letzten, so bedeutsamen Briefes aus‐
macht, finden Sie bereits in dem gleichen
Kapitel beantwortet, das Sie zitieren. Aller‐
dings steht diese Antwort schon gleich auf
der zweiten Seite der von Ihnen erst in
ihrem weiteren Text herangezogenen Be‐
trachtung „Die Hütte Gottes bei den Men‐
schen”, im „Buch vom lebendigen Gott”.
.Wenn Sie jedoch Wert darauf legen, daß
Sie vom frühesten Jünglingsalter an „die
feste Gewißheit” vom Bestehen eines „der
Welt ganz unbekannten, tief verborgenen
Kreises segenverbreitender Männer” in
sich trugen, und sich mit ihnen „irgendwie
in Verbindung” fühlten, so muß ich frei‐
lich sagen, daß mir von solcher „Gewiß‐
heit”, in verschiedenen Abstufungen, erst
berichtet wurde, als das „Buch vom leben‐
digen Gott” bereits erschienen war. Dann
aber überaus häufig, und von Leuten, die
recht ungenügende Anlagen zu phantasti‐
schen Wachträumen zeigten. Sie sind mit
dem Erleben solcher „Gewißheit” in er‐
freulicher und sehr ansehnlicher Gesell‐
schaft.
.Was aber nun den Ort auf der Erde an‐
langt, an dem Sie den Ihnen irgendwie ver‐
bundenen, segenverbreitenden Kreis ver‐
muteten, so haben Sie sich gewiß nicht so
weit von dem wirklich Gegebenen entfernt
wie andere, die mir gestanden, daß sie die‐
sem mit Gewißheit erfühlten Kreis den
Wohnsitz in einem „armenischen Kloster
im Kaukasus”, auf irgendeiner Insel im Stil‐
len Ozean, oder gar mitten in einer gewal‐
tigen Weltstadt zugewiesen glaubten. Ihre
„Burg” auf einem sehr hohen Berg und
„inmitten von Schnee und Eis” ist eine
Vorstellung, die schon fast auf gedanklicher
Übertragung gewisser örtlicher Bilder be‐
ruhen könnte, die allen denen wohlbekannt
sind, die dem gemeinten Kreise angehö‐
ren, der an hochbedeutsamer Stätte auf
Erden ein Heiligtum verborgen weiß, das
nur den Seinen allein zugänglich ist...
Das Sanktuarium dieser Stätte kann aller‐
dings nur von Menschen wahrgenommen
werden, deren geistige Sinne klar und
wach Gebilde aus geistiger Substanz zu
erfassen vermögen. Soweit nur die irdi‐
schen Körpersinne in Betracht kommen,
ist an gleicher Stätte nur irdisch Materielles
und Täuschendes zu sehen ‒ ja, selbst der
besten Optik photographischer Apparate
würde es unmöglich sein, Anderes als ein
bloßes irdisches Täuschungsbild auf der
höchstempfindlich präparierten Platte fest‐
zuhalten. Was an dieser Stätte der Erde,
örtlich fixiert, aus kristallklarer ewiger
geistiger Substanz errichtet ist, kann auch
selbst von den ihm
örtlich zunächst Le‐
benden des kleinen Kreises, den Sie so
gewiß erfühlen, niemals mit dem
irdisch‐
tierischen Körper aufgesucht werden. Je‐
der, der hier Zutritt hat, kommt in
geist‐
räumlicher Selbstgestaltung, die ihm weit
mehr entspricht als sein irdischer Leib, und
keiner der Behinderungen unterordnet ist,
die äußere Materie hemmen. In diesem
wirklichen
Tempel der Ewigkeit auf der
Erde wird auch keineswegs ein Kult zele‐
briert, und ebensowenig werden hier etwa
belehrende Homilien abgehalten. Die hier
sich vereinen als wahrhaftige, vom ewigen
Geiste gesetzte Priester, erheben sich viel‐
mehr an dieser Stätte in die
vollkommene
‒ infolge geistig substantieller Verhältnisse
sonst an
keiner Stätte der Erde jemals
mög‐
liche ‒ Transsubstantiation zur
absoluten
Vereinung mit dem Vater: ‒ in eine ab‐
solute ‒ keinem „Mystiker” auch nur vor‐
stellbare ‒ „Unio mystica” ‒ und leiten
in diesem von ewiger Liebe durchlichteten
Zustand Ströme des Segens zu dafür emp‐
fangsfähigen Menschen über die ganze Erde
hin, die nur aus dieser Stätte her so er‐
reicht werden können, daß sie auch auf‐
zunehmen vermögen, wozu sie sich emp‐
fangsbereit machten.
.Da diese Stätte des wirklichen Tempels
der Ewigkeit auf Erden einer „Burg auf
hohem Berge, inmitten von Schnee und
Eis” nicht allzu unähnlich ist, so hat Sie
Ihr Vorstellungsvermögen recht nahe an
die Wirklichkeit hingeführt.
.Zu unterscheiden von der Stätte des gei‐
stigen Tempels ist eine irdischen Sinnen
wahrnehmbare Stätte gemeinsamen Le‐
bens einiger Weniger, die ihm in besonderer
Weise zugehören, aber sie liegt weder „auf
hohem Berge” noch „inmitten von Schnee
und Eis”, hat aber auch für die dort irdisch
wie andere Menschen auf ihre Art Leben‐
den im Wesentlichen nur die Bedeutung
einer selbstgewählten Wohnstatt.
.Daß die hier Wohnenden sich gegen alle
Außenwelt sorgfältig abschließen und stets
abgeschlossen halten müssen, liegt in der
Natur ihrer geistigen Sonderberufung be‐
gründet. Es ist überdies auch von außen
her gut dafür gesorgt, daß sie niemals ihre
Verborgenheit aufzugeben genötigt sein
werden, auch wenn ihnen die flache „Zivili‐
sation” europäischen Ursprungs noch näher
rücken sollte, als das bis heute geschehen
konnte.
.Was Sie mir schreiben über eine gefühlte
Verbindung zwischen Ihnen und dem von
Ihnen so gewiß erfühlten geistigen Kreise,
ist keineswegs Selbsttäuschung. Nur müs‐
sen Sie sich klar darüber werden, wie diese
„Verbindung” zustandekommt. Ich darf
wohl zwei Erfindungen aus dem Gebiet elek‐
trotechnischer Schallübertragungen hier
zum Vergleich heranziehen, denn es liegt
mir daran, daß Sie sich nicht an falsche Vor‐
stellungen hängen. Was Sie als „Verbin‐
dung” fühlen, ist nicht etwa einer Telephon‐
verbindung zu vergleichen, bei der ein
Sprechender mit einem Hörenden verbun‐
den ist, sondern eher einer durch bestimmte
Wellenschwingungen über die ganze Erde
geleiteten Radio-Botschaft.
.Es wird auf vielen Wellenlängen ganz
verschiedene Sendungen geben, Sie aber
empfangen nur, was Ihrer Einstellung ent‐
spricht.
.Jede Einflußnahme der Leuchtenden des
Urlichtes ist ‒ der Methode nach ‒ als ein
dem hier gegebenen Vergleich ähnlicher
Vorgang aufzufassen, ‒ auch dort, wo zu‐
weilen schon ganze Völker unter solchem
Einfluß waren, der jedoch immer und unter
allen Umständen sich nur auf Dinge
ewigen
Geistes beziehen konnte, ‒ niemals auf
Bestrebungen zur Erlangung materieller
Wohlfahrt, oder gar auf die Anerkennungs‐
kämpfe irgend einer Politik!
.Vom ewigen Geiste her kann kein ande‐
res menschliches Wollen und Handeln För‐
derung erfahren, als das wiederum in die
ewige geistige Wirklichkeit führende. Nur
die
ins ewige Geistige weisende Schöpfer‐
kraft des Einzelnen, wie die durch rein
geistige Kraftäußerung bewirkte höchste
Machtentfaltung ganzer Völker und Natio‐
nen, können den geistigen Einfluß der vom
Tempel der Ewigkeit auf dieser Erde aus‐
geht, empfangen! Dies zu Ihrer Anspielung
auf meine Worte der
zweiten Betrachtung
im „Buch vom lebendigen Gott”.
.Wollen Sie einstweilen alles heute von
mir Erörterte gut überdenken, bis ich dem‐
nächst vielleicht den Faden wieder auf‐
nehmen kann. Möge der lichte Segen aus
dem Tempel der Ewigkeit Sie allzeit emp‐
fangsbereit finden!
Was ich zu Ihrem neuerdings erhaltenen
Bericht zu sagen habe, ist mir Veranlassung
zu den nachstehenden rhythmischen Ge‐
fügen geworden, die Ihnen in gedrängter
Form zeigen mögen, daß Sie die gegebenen
Zusammenhänge durch Ihr eigenes Er‐
fühlen richtig deuten. Ich spreche nun
aber hier unter der Bekundung „Wir”
nicht etwa im „Pluralis majestatis”, son‐
dern aus meinem ewigen geistigen Sein,
in dem ich immerdar in der vollkommen‐
sten Vereinung mit meinen geistgebore‐
nen Brüdern im ewigen Lichte bin. Na‐
türlich spreche ich in diesen Versen nur
aus der Gemeinsamkeit mit denen meiner
geistgeeinten Brüder, die ebenso wie ich,
irdisch-physischem Menschentum zur Voll‐
bringung ihrer Aufgabe verbunden sind,
wenn auch eines jeden Aufgabe, geistes‐
bestimmt, von allen anderen verschie‐
den ist.
.Den Anlaß nützend, weise ich Sie zu‐
gleich aufs eindringlichste an, immer sehr
darauf zu achten,
welcher Standort sich
aus dem
Inhalt meiner Bekundungen je‐
weils ergibt, denn ich bin, wie ja der letzte
Vers der ersten Eröffnung besagt, als Er‐
denmensch meinem geistigen Sein ohne
Lösungsmöglichkeit verschmolzen.
Wir
Wir sind die berufenen Zeugen,
Denn wir
leben im ewigen Licht!
Unser Zeugnis ist niemals zu beugen,
Denn es wägt mit
erprüftem Gewicht.
Wir sind, was wir ewig gewesen,
Im „Vater”: ‒ im ewigen Sein! ‒
Doch wir fanden, uns
geistig erlesen,
Auch
zeitlichen, irdischen „
Schrein”...
Wir hatten ihn geistig gefunden
Lang
ehe die Erde erstand,
Doch, was sich dann
zeitlich gebunden,
Das verband schon
urewiges Band.
Wir bleiben für immer vereinigt
Dem Irdischen, der uns hier „spricht”:
Im „
Feuer” geglüht und gereinigt,
Ist er uns
verschmolzen im
Licht!
*
.Fand hier die meinen geistigen Brüdern
mit mir
gemeinsame Ankerung im ewigen
Geiste eine Darstellung, so bringe ich nun
die Antwort auf Ihre, mich
individuell
meinenden Fragen:
Ich bin nicht „ich”,
Wie einer, der Begrenzendes
Mit „Ich” benennt,
Da er nur erdenhaft Vergängliches
In sich erkennt.
Ich bin mir „ich”
Im lichtgelösten Sein.
In irdischer Umgrenzung
West mein Bild und Schein,
Sich selbst zur Plage
Und zu zeitgeborener Pein!
II
Da, wo ich bin, ist
Ewigkeit,
Weil
ewigkeitsgezeugter „Raum”
Den Erdenraum erfüllt,
Den meine Tage in der
Zeit erfüllen.
Mich selber gab ich
Diesem Leib der Erde ‒
Dem ich nun Leidesanlaß
Und Verzehrer werde ‒
Damit der „Raum” der Ewigkeit
Ihn ganz erfülle,
Und
Ewiges dem Irdischen
In sich enthülle.
III
Wenn ich aus hocherhaben hehrem Horte
Höchsten Gutes Gabe euch gewähre,
Beschenke ich nicht nur
Mit weisem
Worte,
Wie wenn ich nur des Wortes
Wahrer wäre.
Was ich euch gebe,
Ist und bleibt
mein Eigen,
Auch wenn ich es an Ungezählte gebe,
Und kann nur darum
Weg und Ziel euch zeigen,
Weil
ich in jedem meiner Worte
lebe!
*
.Ich nehme an, daß diese Aussagen Ihnen
keine neuen Fragen wecken werden, viel‐
mehr einiges auch mitbeantworten, was
ich zwischen Ihren lieben Zeilen als mög‐
licherweise
kommende Frage auftauchen
sehe.
.Aber auch hier sollen Sie nichts ohne
eigene Prüfung annehmen. Nur dann, wenn
Ihr urewiges eigenes Geistiges Ihnen willig
seine Zustimmung gewährt, sind Ihre ‒
vielleicht nur versteckten ‒ Zweifel wirk‐
lich aus dem Felde geschlagen und können
nun erst Ihren Weg nicht mehr gefährden!
.Ich hoffe, daß ich demnächst noch eini‐
ges zur Sprache bringen kann, was Sie in
Ihrem vorletzten Briefe berührt haben.
Wenn es aber bis dahin vielleicht noch ge‐
raume Zeit brauchen sollte, so bitte ich
Sie im voraus, nicht ungeduldig auf die
Post zu warten. Was ich Ihnen noch in be‐
zug auf die von den Leuchtenden des Ur‐
lichtes dargebotene geistige Leitung und
Hilfe zu sagen habe, käme auch nach vie‐
len Monaten immer noch zurecht.
.Ich segne Sie und sende Ihnen alle Hilfe
zu, deren Sie auf dem Wege zu Ihrem ewi‐
gen Geistigen bedürfen.
Was ich Ihnen zuletzt schrieb und durch
Fügungen in rhythmischer Ordnung am
besten ausgedrückt sah, hat gewiß nach kei‐
ner Antwort verlangt, und dennoch freuen
mich Ihre so aus tiefster Seele kommenden
lieben Zeilen, weil sie mir zeigen, daß auch
diesmal wieder alles ganz in dem Sinne
aufgenommen wurde, in dem ich es ge‐
geben hatte.
.Kaum hätte ich freilich bei der Absen‐
dung vermutet, von Ihnen zu vernehmen,
was Sie mir jetzt zu schreiben haben.
.Ich bitte Sie, sich mit der Antwort be‐
gnügen zu wollen, daß Ihnen solche Ein‐
sicht und Erkenntnis „wahrlich nicht
Fleisch und Blut gegeben” hat, sondern
Ihr eigenes Ewiges, aus dem allein die
Wahrheit über die Wirklichkeit, in der es
selbst lebendig ist, erlangt werden kann.
Die Erkenntnisse des Blutes ‒ was besagen
will: des an tierhaft enge Bedingtheiten
gebundenen, erdmenschlichen Fühlens und
gehirnlichen Erdenkens ‒ verhalten sich
zu dem, was nur das eigene Ewige zu ge‐
ben vermag, wie sich etwa das „Leben”
eines hartstarren Steines im nächstbesten
Bachbett zu den höchsten uns bekannten
Lebensäußerungen verhält. Nur aus dem
Ewigen kann Erkenntnis des Ewigen dem
Menschen zukommen! ‒
.Aber nun will ich diese Gelegenheit des
Schreibens an Sie zugleich dazu benutzen,
Ihnen endlich noch die Aufschlüsse zu ge‐
ben, die meine Antwort auf Ihre Bemer‐
kungen zu dem Buchkapitel „Die Hütte
Gottes bei den Menschen” schon hätte mit‐
umfassen sollen, wenn mich damals nicht
äußere Umstände gezwungen hätten, mei‐
nen Brief abzuschließen.
.Zwei allgemein bekannte und vielge‐
brauchte Erfindungen hatten sich mir zum
Vergleich geboten, als ich Ihnen Aufschluß
gab über die Art und Weise, in der die „Ver‐
bindung” der Seelen auf Erden mit den
Leuchtenden des Urlichtes zustande kommt.
.Was hier noch zu sagen ist, habe ich zwar
in einem der letzten Kapitel des Buches
„vom lebendigen Gott” ‒ ich meine hier
den Lehrtext: „Im Osten wohnt das Licht”
‒ so deutlich dargestellt, daß mir ein Falsch‐
deuten der dort gegebenen Aufschlüsse nur
durch überaus unaufmerksames Lesen halb‐
wegs erklärbar erscheint. Da ich aber immer
wieder Berichte erhielt, in denen mir im
Tone aufgeregtesten Wichtignehmens von
inneren Stimmen erzählt, und dabei an‐
genommen wurde, es müsse sich um die
„Stimme” eines leitenden „Meisters”, also
eines Leuchtenden des Urlichtes handeln,
so will ich Sie doch, der Vorsicht halber,
um Ihnen zwecklose Beunruhigungen zu
ersparen, recht eindringlich auf das auf‐
merksam machen, was ich in dem obenge‐
nannten Abschnitt, sowie in dem Haupt‐
kapitel: „Der Weg” tatsächlich sage.
.Es bedarf wirklich schon eines sehr gro‐
ben Umdeutens meiner an diesen Stellen
wie auch besonders noch in dem Buche
„Auferstehung” gebrauchten Worte, um
zu der allem Gesagten widersprechenden
Auffassung zu kommen, als meinte ich etwa
„innere Stimmen” wie sie nervenerregte
Ekstatiker, oder auch nur durch eigene, vor‐
stellungsmäßige Selbstübersteigerung auf‐
gepeitschte Geltungsbedürftige, ahnungs‐
los durch entweder zeitweilige, an be‐
stimmte äußere Einflüsse geknüpfte, oder
aber dauernde Spaltung ihrer Persönlich‐
keit sich erzeugen.
.Gerade vor solchen „Stimmen” wird ja
von mir mit jedem Worte gewarnt!
.Ich darf doch wahrhaftig erwarten, daß
man die als Bilder gebrauchten Worte:
„Stimme” und „sprechen” nur in der Weise
aufnimmt, wie sie gegeben sind und stets
wieder und wieder erklärt werden! Deut‐
lich genug sage ich doch, daß dieses „Spre‐
chen” keinesfalls dem Gebrauch einer
menschlichen Sprache verglichen werden
darf, sondern ein inneres Klarwerden des
vordem der Vorstellung Unklaren ist, her‐
vorgerufen durch Influenzwirkung einer
Entelechie, die selbst in reinster Klarheit
ihres Erkennens lebt. Ich sage das auch mit
anderen, sich aus der gehobenen Sprach‐
form ergebenden Worten, aber schon der
Umstand, daß ich die Worte, die man hier
geflissentlich in einem geradezu entgegen‐
gesetzten Sinn für sich in Anspruch nehmen
zu dürfen glaubt, meistens hinweisend in An‐
führungszeichen setze, dürfte doch jedem
Vernünftigen klar genug zeigen, daß ich sie
in distanzierender Weise betont wissen will.
Wörtlich aber sage ich ausdrücklich in dem
Kapitel „Im Osten wohnt das Licht”, daß
„durch unmittelbares Erzeugen innerer
Klarheit” im Innern des Suchenden „ge‐
sprochen” wird, ‒ „ohne Worte der Sprache
des Mundes.”... „Nicht in irgend einer
Landessprache.” Das ist denn doch wohl
eindeutig genug gesagt.
.Wenn ich in dem Hauptkapitel „Der
Weg” nebenher auch die Möglichkeit
streife, die für den geistigen Lehrer unter
gewissen, im zu Belehrenden verankerten
Umständen besteht: ‒ sich dem Klärung
Empfangenden in „magischem Bilde” zu
zeigen, so geschieht das der Vollständig‐
keit halber, und ich lasse keinen Gedanken
daran aufkommen, daß dieses „Bild” etwa
der Meister selbst sein könne. Gleichzeitig
sage ich deutlich, daß es durchaus keine
Bevorzugung darstellt, wenn einer zu sol‐
cher Bildprojektion aus sich selbst hinaus
veranlagt ist. Ich konnte nur die mir be‐
kannte Möglichkeit in einem Lehrbuch, das
von geistigen Dingen handelt, nicht einfach
unbesprochen lassen, auch wenn sie äußerst
selten eintritt, und durch Nebenumstände
bedingt ist, die kaum bei einem Europäer
gegeben sind.
.Das alles wird Sie selbst ja schwerlich als
eigene Frage angehen, da Sie sehr genau
auf jedes meiner Worte zu achten pflegen,
wie ich längst weiß.
.Es ist aber keineswegs unmöglich, daß
Ihnen andere Leser meiner Bücher begeg‐
nen, die Ihnen geheimnisvoll von ihren
„inneren Stimmen” erzählen, und diese, für
alle, nicht systematisch zu geistiger Unter‐
scheidungsfähigkeit Geschulten, ‒ immer
und unter allen Umständen ‒ bedroh‐
liche Erscheinung fälschlich in meinen
Worten gutgeheißen glauben. Solchen Leu‐
ten gegenüber, die zumeist fanatische Skla‐
ven ihrer eitlen Seele sind, und wie be‐
sessen von ihrem Glaubenstraum an ihre
vermeintliche „hohe Führung”, müssen
Sie unbedingt Ihrer Sache sicher sein. An‐
derenfalls werden Sie solchen Berichten
Gewicht geben und gar womöglich sich ein‐
reden lassen, Sie seien noch nicht „soweit
vorangeschritten”, wie Jene, ‒ oder aber
Ihre, wie Sie meinen, so „trockene und
nüchterne Natur” sei wohl ein unüber‐
windliches Hindernis, ‒ und was derglei‐
chen Bedenklichkeiten selbstkritisch ver‐
anlagter und gegen sich selbst nicht allzu
nachsichtiger Naturen mehr sind.
.Damit Sie ganz klar sehen, sei hier nun
aber auch noch auf ein Fehlverstehen hin‐
gewiesen, dem ich wirklich nicht zu be‐
gegnen fürchtete, bevor ich zu meinem Er‐
staunen gewahr werden mußte, wie weit
es verbreitet ist. Man könnte versucht sein,
anzunehmen, daß Rede in Bildern und
Gleichnissen, wie sie die Natur geistiger
Dinge nahelegt und oft genug geradezu
verlangt, von heutigen Menschen, die an
Zeitungsberichten sich sattzulesen gewohnt
sind, überhaupt nicht mehr verstanden
wird. Sonst wäre es doch nicht möglich,
daß Begriffe, wie „geistige Nähe”, „hohe
Hilfe” durch die dazu Verordneten, oder
„geistige Leitung”, „geistiger Schutz”
durch die dazu mächtigen hohen Helfer,
so oft die doch etwas gar zu plumpe Deu‐
tung fänden, als sei damit gemeint, daß
die Leuchtenden des Urlichts in einer un‐
sichtbaren Gestalt sich in die irdisch ört‐
liche Nähe eines Hilfs- oder Leitungsbe‐
dürftigen begeben müßten, um ihn ihre
segenspendende geistige Nähe erfahren zu
lassen.
.Was mit den obigen und ähnlichen Wor‐
ten meiner Schriften gemeint ist, spielt
sich selbstverständlich in einer wesentlich
anderen Weise ab. Das Verstehen hierfür
sollte man aber bei denkfähigen Menschen
wirklich als erfüllte Forderung der Logik
voraussetzen dürfen, denn wie kann man
sich denn in die Annahme verlieren, die
so wenigen, zu geistiger Hilfeleistung im
weitesten Sinne fähigen Männer auf dieser
Erde, samt allen ihren rein geistigen, nicht
im Erdentiereskörper lebenden Brüdern,
seien im Verhältnis zu der Menschenzahl
der Erde ausreichend, um sich jedem in
unsichtbarer Körperlichkeit persönlich zu
nähern, den sie ihrer Hilfe dargeboten sehen
und der ihre Hilfe wirklich braucht?! Wäre
es denn nicht auch ein geradezu entsetz‐
licher Zustand, allenthalben von einem Un‐
sichtbaren beobachtet zu sein, gerade wenn
und weil man in ihm den gütigsten Helfer
auch unerbeten um sich wüßte? ‒ Glück‐
licherweise aber gibt es nichts Wirkliches,
das dem handfesten Glauben so mancher
Leute ähnlich sähe, die sich derart wichtig
nehmen, daß es ihnen als ausgemachte Tat‐
sache erscheint, ihre kleinen und meistens
so trivialen Alltags-Sorgen müßten im Gei‐
stigen allgemein bis ins Intimste bekannt
und Gegenstand der Hilfeleistung sein.
.Gegenstand der Hilfeleistung ist für die
zur Hilfe Verordneten unter den Leuchten‐
den des Urlichts jederzeit nur auf das Gei‐
stige im Menschen bezogene Not, Schutzbe‐
dürftigkeit, oder Leitungsnotwendigkeit.
Den Menschen, der in einer solchen geisti‐
gen Situation ist, daß er für ihre Hilfelei‐
stung in Betracht kommt, finden sie mit
Sicherheit, ohne auch nur das Mindeste von
seinen irdischen Verhältnissen zu wissen,
oder auch nur eine vage Vorstellung von
seiner äußeren Gestalt und seinen Zügen
zu haben. Es ist ein rein geistiger Vorgang,
der ohne Unterlaß dieses absolut sichere
Finden bewirkt.
.Wenn ich schon in meinem damaligen
Briefe vergleichsweise die Begriffe „Tele‐
phon” und „Radio” zu Hilfe nahm, so muß
ich Sie heute ‒ so sehr der Vergleich auch
auf beiden Seiten hinkt ‒ doch nun darum
bitten, sich jetzt ein Schaltbrett von im‐
menser Größe vorzustellen, auf dem uner‐
meßlicher Raum in fast mikroskopischer
Verkleinerung in die Fläche projiziert ist.
Stellen Sie sich weiter vor, jede auf Erden er‐
scheinende Seele sei, während ihres Erden‐
lebens, auf dieser Fläche durch zwei in
einem winzigen Punkt zutagetretende Pla‐
tinelektroden repräsentiert und sobald die
Seele geistige Leitung oder Hilfe nötig habe,
sprühe ununterbrochen bis zur Abstellung
ein heller Funke zwischen beiden Elektro‐
den. Und nun gelte Ihnen der zur Hilfe oder
zur Leitung verordnete Leuchtende des Ur‐
lichts in diesem Bilde wie ein Elektrotech‐
niker, der zugleich eine Schalttafel mit
einer Unzahl von Hebeln vor sich hat, und
sofort weiß, welchen Strom er einschalten
muß, weil ihm durch die Farbe der Funken
und die Gehörseindrücke ihrer entweder
relativ langsameren oder aber gesteigert
schnellen Aufeinanderfolge genau kund
wird, welcher Strom oder welche Strom‐
kombination jeweils zur Hilfe, zum Schutz
oder aber zur geistigen Leitung vonnöten
ist. Alles Übrige aber geschähe ‒ um hier
im Bilde zu bleiben ‒ „automatisch”.
.Dieser Vergleich kann Ihnen dazu ver‐
helfen, eine richtige Vorstellung zu gewin‐
nen von der Art und Weise rein geistiger
Hilfeleistung, geistiger Leitung, und geisti‐
ger „Nähe”!
.Ich werde Ihnen nicht erst zu sagen brau‐
chen, daß gewiß keine geistsubstantielle
Apparatur dieser Art irgendwie und irgend‐
wo besteht, sondern daß dieses hier skiz‐
zierte Bild vielmehr den gegebenen Zu‐
sammenhängen in der Struktur ewigen gei‐
stigen Lebens auf eine symbolische Weise
Darstellung zu geben sucht.
.Bleiben wir beim Bilde, so ist jedoch zu
sagen, daß niemals der hier geschilderte
Funke zwischen den Elektroden aufblitzen
wird, wenn der durch das Elektrodenpaar
repräsentierte Mensch nicht aus der In‐
brunst seines Herzens Leitung, Schutz oder
Hilfe aus der Region des wesenhaften sub‐
stantiellen Geistes erwartet oder verlangt,
‒ und ebenso niemals, wenn er sich nicht
selbst dazu bereitet hat, solcher Einwirkung
ein brauchbarer Empfänger zu sein. ‒
.Die Hilfe, wie die geistige Führung
durch einen Leuchtenden im Urlicht, und
somit durch unsere ewige Gemeinsamkeit,
bezieht sich niemals auf Dinge, die zwischen
Geburt und Grab ihre Erfüllung finden
müssen, wenn sie sich gestaltet sehen sollen,
sondern immer nur auf das Erwachen der
Seele im geistigen ewigen Bereich, und
die dadurch ‒ möglichst schon während
des Erdendaseins ‒ zu erlangende Über‐
tragung des individuellen irdisch-seeli‐
schen Bewußtseins in das eigene Ewige
des Menschen. ‒
.Damit sei heute dieser recht umfänglich
geratene Brief aber denn doch nun abge‐
schlossen und Ihrem seelischen Aufnehmen
besonders empfohlen!
.Mein Segen, der Sie auf eben die Weise
erreicht, die Ihnen in diesem Briefe gleich‐
nishaft geschildert wurde, werde Ihnen zu
wirksamster Erhellung Ihrer Einsicht in
alles, was im Ewigen gründet!
Bei allem hocherfreulichen Verstehen der
letzthin von mir so ausführlich erläuterten
Form der Fernsendung geistiger Hilfe und
Führung durch die einzigen, die in solcher
Weise helfen und führen dürfen, weil sie
dazu vom ewigen Geiste verordnet sind
und helfen können, gewahre ich doch in
Ihrem neuen Briefe noch eine gewisse Un‐
sicherheit, die sich scheinbar immer wie‐
der durch mein Wort erzeugt, daß schon
„ganze Völker” zuweilen unter unserem:
‒ der Leuchtenden des Urlichtes ‒ gei‐
stigen Einfluß standen.
.Hier muß ich Sie wohl doch noch ein‐
mal darauf hinweisen, daß alle geistige
Hilfe, zu deren Spendung der ewige Vater
im Urlicht sich der durch ihn im Urlicht
Leuchtenden bedient ‒ und es gibt keine
andere ins Menschlich-Irdische wirkende
geistige Hilfe oder Führung! ‒ stets nur
die Einzelseele zu erreichen vermag, so
daß ein geistiger Einfluß auf „ganze Völ‐
ker” naturnotwendig nur dort sich ereig‐
nen kann, wo unter den Einzelseelen, die
erst Völker zu bilden vermögen, viele Bild‐
ner sind, die sich selbst so zu formen wuß‐
ten, daß geistige Führung von ihnen auf‐
genommen und verstanden werden kann:
‒ daß geistige Hilfe „empfangsbereite Her‐
zen” findet.
.Wie geistig gesandter Ein-fluß sich immer
nur auf die Erreichung des Wiederbewußt‐
werdens der Menschenseele in ihrem in‐
dividuellen Ewigen bezieht, und die Dinge
zwischen Geburt und Grab dem Erdmen‐
schen selbst frei überläßt, habe ich bereits
in meinem letzten Briefe an Sie zum Aus‐
druck gebracht. Es scheint aber, als ob ver‐
steckte, vielleicht ererbte, vielleicht aner‐
zogene Wünsche in Ihnen Unruhe zu schaf‐
fen suchten, so daß Sie gar zu gerne doch
auch einen geistigen Einfluß auf das Welt‐
geschehen gerettet sehen möchten.
.Es ist aber ein ebenso großer Irrtum,
den ewigen, göttlichen Vater irgendwo oder
in irgendwem ‒ sei es direkt oder durch
gesandte geistige Führung ‒ im Bereiche
innen- oder außenpolitischer Vorgänge ir‐
gendeines in der Weltgeschichte bekannt
gewordenen Volkes am Werke zu glauben,
wie es törichter Irrtum ist und die er‐
schreckende Geistesfremdheit der tier‐
menschlichen Seele verrät, wenn man in
den schweren Krisen der Politik, die man
„Kriege” und „Revolutionen” nennt, ewi‐
gen Willen des Geistes in der Auswirkung
zu erblicken meint.
.In allediesem Geschehen wirkt nur der
tiergebundene Mensch der Erde, und was
immer ihn zum Wirken drängt, ist ‒ ein‐
schließlich aller lemurischen Antreiber‐
peitschenschläge aus dem unsichtbaren Teil
der
physischen Welt ‒ bloß
irdisch verur‐
sacht,
ohne die geringste Mitwirkung
gei‐
stiger Einflüsse und Kräfte!
Ihr sagt:
„Die Weltgeschichte
Ist das Weltgericht!”
Gewiß!
Doch ein Gericht,
In dem der
Mensch allein
Sich
selbst das Urteil spricht!
Hier hat sich „Allmacht”
Aller Macht
begeben...
Hier spricht nur geist-
getrenntes,
Tierversklavtes Leben!
.Was wirklich der Erdenmenschheit schon
in den Tagen zwischen Geburt und Grab ein
besseres Los zu schaffen vermag, ist nur
das
Erwachen vieler Einzelseelen in ihrem
Ewigen. Es werden aber immer nur
Teil‐
gruppen der Menschheit sein, in denen
genügend Einzelseelen,
ihres Ewigen be‐
wußt, des ewigen Menschen wahrhaft
wür‐
dige Lebensgestaltungen zu schaffen ver‐
mögen, und nur durch ihr Beispiel werden
sie auch andere Teilgruppen allmählich der
Tieresübermacht entreißen können. Ein
Teil der Erdenmenschheit wird dereinst
dem ewigen Geiste bereits im Mutterleib
erschlossene Kinder gebären, während ein
anderer Teil, ‒ immer rettungslos tierver‐
haftet, ‒ zwar nicht, wie die Visionen des
Zarathustradichters meinten: den „Über‐
menschen”, wohl aber ‒ das
Übertier zeu‐
gen wird, das aller Tiere Dumpfheit, Grau‐
samkeit und Krallenlust zuletzt bis zur
Selbstzerfleischung übersteigert...
.Das ist alles, was ich Ihnen heute sagen
will, und ich hoffe, Sie werden sich in Zu‐
kunft nicht mehr durch Ihre gefühlsbeton‐
ten wachen Wunschträume betören lassen,
im äußeren Weltgeschehen „den Finger
Gottes” als Beweger am Werk zu glauben!
.Aller Segen des Lichtes sei immer mit
Ihnen!
Gerne glaube ich Ihnen, daß es Ihnen
nicht ganz leicht wurde, im Laufe der letz‐
ten Monate Ihr Weltbild im Sinne meines
zuletzt geschriebenen Briefes an Sie zu
korrigieren. Ich kann das gut nachfühlen,
denn auch mir ist es vor einigen Jahrzehn‐
ten durchaus nicht leicht gewesen, alles,
was ich von Jugend auf gehört und so gerne
geglaubt hatte, dahingeben zu müssen, als
ich der Wirklichkeit zum ersten Male an‐
sichtig geworden war.
.Um so mehr freue ich mich, von Ihnen
zu hören, daß Sie jetzt, nach der Verar‐
beitung meiner letzten Darlegungen, sich
„von einem schweren und lähmenden
Druck befreit” fühlen, der Sie vordem
„auch in den heitersten Stunden” niemals
verließ. Es ist ja wahrhaftig eine kaum er‐
trägliche Vorstellung, daß ewige Güte und
Liebe in unbegrenzter Machtfülle diese
Erdenwelt regiere, und dennoch alles ruhig
geschehen lassen könne, was hier Tag
um Tag und Nacht um Nacht an Furchtba‐
rem, Schauerlichem und Entsetzlichem ge‐
schieht, obwohl es durch den bescheiden‐
sten Aufwand überweltlicher Macht so leicht
zu verhüten wäre. Eine solche Vorstellung
kann wohl als schwerster Seelendruck emp‐
funden werden, und es ist begreiflich, daß
man wie erlöst aufatmet, wenn man ein‐
sehen gelernt hat, daß hinter ihr nichts
Wirkliches steht, und sie nur die Folge
falscher Gottesbegriffe ist, die der gott‐
ferne Erdenmensch in seiner Not sich selbst
geschaffen hat.
.Fehlgehen aber würden Sie, wenn Sie
aus meinen Worten eine allgemeine Ge‐
ringschätzung aller Dinge zwischen Geburt
und Grab herauslesen wollten. Mir sind
diese Dinge schon darum bedeutsam, weil
sie ja über ihre Zeit hinaus weiterwirkende
‒ wenn auch nicht gerade „ewige” ‒
Folgen auszulösen vermögen. Aber auch
in dem ihnen zubemessenen Bereich selbst
ist es von größter Bedeutsamkeit, wie wir
ihnen gegenüberstehen, sie zu nehmen
wissen, und ihnen schließlich gerecht wer‐
den.
.Ebenso würden Sie gewaltig irren, wenn
Sie aus meinen Worten die Lehre heraus‐
lesen wollten, daß es überhaupt keine
göttlich-geistige Einwirkung auf die Dinge,
die von unserer Lebensdauer irdisch um‐
schlossen werden, gäbe. Wohl sind solche
Einwirkungen nicht nur „möglich”, son‐
dern geradezu alltäglich und überaus häu‐
fig. Sie sind jedoch nur das Zeugnis des rein
gesetzmäßigen Reagierens ewiger, vom
Geiste ausgestrahlter Mächte und Kräfte,
deren Einflüsse der Erdenmensch ohne jede
Beihilfe auslöst, ‒ nur durch sein, den gei‐
stigen Gesetzen entsprechendes Verhalten.
Eine große Anzahl religiöser Vorschriften,
‒ ja selbst manche Gebote des Aberglau‐
bens, ‒ gehen auf das erfahrungsmäßige
Beobachten des rechten oder falschen Ver‐
haltens gegenüber solcher geistigen Gesetz‐
mäßigkeit zurück, die auch in manchen reli‐
giösen Lehren der Vorzeit, ‒ auch sehr
deutlich in den „Psalmen Davids”, ‒ per‐
sonifiziert und dramatisiert, an Beispielen
zur Darstellung gelangen. Der, dem der
Gott solcher Darstellungen alle Huld ge‐
währt, ist stets einer, der den ewigen Ge‐
setzen entsprechend handelt und dadurch
manches Gute und Erfreuliche in seinem
Erdenleben sich auswirken sieht. Der aber,
der als den Gott verachtend: als „Lästerer”
und „Tor” dargestellt wird, ist einer, der
blind, seiner eigenen Unkenntnis wichti‐
ger, durch Erfahrung eruierbarer geistiger
Gesetze zum Opfer fällt. Wenn man ein‐
mal diesen Zeugnissen menschlicher Ver‐
gangenheit auf die Spur gekommen ist,
staunt man über die Erfahrungsweisheit,
die sich Menschen einer uns noch halbbar‐
barisch erscheinenden Zeit zu verschaffen
wußten, und fragt sich mit gutem Recht,
ob nicht wir heutigen Europäer ärgere Bar‐
baren seien, als jemals ein früheres Ge‐
schlecht...
.Wohl kennen wir unzählige Dinge, die
diesen Alten fremd waren, aber ich be‐
zweifle mit lebendiger Einfühlung, daß die
zu jenen fernen Zeiten ihrer Volksweisheit
Kundigen das was sie kannten und aus Er‐
fahrung wußten, für unser zeitgebundenes
Allgemeinwissen eingetauscht haben wür‐
den. Man braucht nur die alttestament‐
lichen Psalmen zu lesen, frei von der
üblichen Benutzungspraxis die aus ihnen
Eideshelfer religionsbedingter Dogmatik
macht, um sehr eindringlich zu erfahren,
wie tief ihre, den Namen des alten Königs
vorschützenden Verfasser in die Geheim‐
nisse geistiger, automatisch ihrer Auslösung
folgender Kräfte und Mächte eingedrungen
waren. Natürlich muß man bei solcher Er‐
fragung alles kultische Beiwerk, als dem
wesentlichen Inhalt gegenüber belanglos,
beiseite tun, und darf sich auch nicht da‐
durch beirren lassen, daß die geschilderte
Wirkungsweise geistiger Gesetze als Aus‐
wirkung göttlicher Affekte und Bevorzu‐
gungsakte ausgelegt wird. Möglicherweise
glaubten die Verfasser selbst noch an solche
Auslegung, aber wahrscheinlicher ist, daß
sie dergleichen für geboten hielten, um der
Gefahr zu begegnen, daß die unbemäntelte
Kenntnis der aufgezeigten Gesetzmäßig‐
keiten am Ende das Volk in einen wirren
Atheismus stürzen könne, da der Mensch
jener Tage nur durch seine Selbstprojek‐
tion in einen Traum von machtgesättigter
Willkür zu seiner Gottesvorstellung zu ge‐
langen vermochte.
.Es gibt Vieles, was heute, durch jahr‐
hundertelange Benützung zugunsten einer
vorgefaßten Glaubensmeinung, ganz um
sein eigenes, wahres Gesicht gebracht ist,
und nur die schärfsten Augen sind imstande,
die ursprünglichen Züge zu erkennen, aus
denen sich noch zur Not herauslesen läßt,
was voreinst klar und eindeutig, mit schar‐
fen Konturen gegeben war.
.Wenn ich Sie durch meine Worte veran‐
lassen sollte, Ihre Augen zu üben, um sol‐
ches Verschliffene und Verwischte in den
Kunden aus der Vorzeit erkennen und rich‐
tig deuten zu lernen, dann stehen Ihnen
manche Entdeckerfreuden bevor.
.Segen aus dem ewigen Urlicht sei Ihnen
jederzeit zugesandt!
Daß auch Sie gegenüber dem, was ich
im Kapitel „Vom Tode” und an anderen
Stellen von den „Seelenkräften” sage,
das Empfinden haben, es müsse „ganz
unsagbar schwer” sein, diese Kräfte in sich
„zu einen”, ist mir nicht unerwartet ge‐
kommen. Keine andere Stelle in meinen
Büchern brachte mir im Laufe der Zeit eine
derartige Menge von Fragen und Bitten
um Erläuterung ins Haus.
.Aber die ganze Angst vor der ‒ zweifellos
auch wirklich vorhandenen ‒ Schwierig‐
keit der gegenüber den Seelenkräften be‐
stehenden Aufgabe, stellt sich immer wie‐
der als Folge einer falschen Vorstellung
von der Natur dieser Kräfte heraus. Anders
ist es auch bei Ihnen nicht.
.Bestimmt durch die vielen Anfragen,
habe ich alles, was ich über die geforderte
Einung der Seelenkräfte an verschiedenen
Stellen darlegen mußte, seinerzeit noch‐
mals mit aller erdenklichen Selbstkritik
gegenüber der jeweils von mir gebrauch‐
ten Ausdrucksweise durchgesehen, konnte
aber, auch mit dem besten Willen, mir die
Schuld an der erzeugten irrigen Vorstellung
zuzuschreiben, kein Wort entdecken, das
ich hätte anders haben wollen.
.Ich war zwar genötigt, in meinen Erör‐
terungen darauf hinzuweisen, daß ein er‐
heblicher Grad von Selbstzucht dazu not‐
wendig ist, die Einung der Seelenkräfte
im eigenen Ich vorzunehmen, aber wenn
ich auch an der Ihnen ja bekannten Stelle
sagte, daß es leichter sei: „einen wütenden
Elefanten an einem dünnen Hanfseil durch
das Gedränge des Marktes zu führen, als
die vielen Willen der Seelen-Kräfte, die
eines Menschen Seele bilden, unter den
einen Willen dieses Menschen zu einen”,
‒ wobei ich mich eines von meinem vor‐
maligen seelischen Erzieher, mir gegen‐
über oft gebrauchten, ihm anschaulich nahe‐
liegenden Bildes gern bediente, ‒ so zeigte
ich doch gerade an dieser Stelle, daß den‐
noch dieses „Wunder” geschehen kann, ja
geschehen muß, wenn eine Seele sich dazu
vorbereitet wissen will, ihren lebendigen
Gott in sich empfangen zu können.
.Es ist schwer, allein es ist nicht un‐
möglich!
.Es ist jedem normal empfindenden, wenn
auch nur recht primitiv gebildeten Men‐
schen möglich, die Schwierigkeiten dieser
Einung der Seelenkräfte in seinem Willen
zu überwinden, ‒ allein es ist so manchem
zweifellos hochgelehrten und allseitiger
Bildung frohen Menschen leider nicht mög‐
lich, in sich die zu solcher Einung unbe‐
dingt erforderliche Energie und Ausdauer
aufzubringen...
.Vergessen Sie nicht, daß ich ja doch wahr‐
haftig nicht eine „Methode” lehre, ‒ son‐
dern daß es sich in meinem ganzen Schrift‐
werk um nüchterne Lehrbücher handelt,
die seelisch suchenden Menschen die Struk‐
tur des ewigen geistigen Lebens aufzeigen
und faßbar machen. Dazu mußte ich alles
zur Sprache bringen, was Erdenmenschen
innerhalb dieses geistig-substantiellen Le‐
bens jemals möglich wurde und so jeder‐
zeit möglich sein wird. Aber nicht jedes ist
jedem möglich! Jeder kann sich jedoch an‐
hand meiner Lehrtexte prüfen, was ihm
möglich ist. Gewiß sprechen dabei auch
psychophysische, angeborene Eignungen
mit, aber in erster Linie bestimmen Ener‐
gie und Ausdauer jedem, sein Ewiges Su‐
chenden, die ihm hier, während seines
Erdenlebens vorbehaltenen Möglichkeiten.
Wie man ein sehr erfolgreicher Kaufmann
werden kann, obwohl man von Natur aus
keine besondere Begabung zum Rechnen
besaß, so kann man auch zu einem schon
sehr umfassenden Erleben seines Ewigen
in der Seele kommen, wenn man energisch
und ausdauernd auf dem zielbestimmten
Wege bleibt, auch wenn keinerlei angebo‐
rene Eignung das Voranschreiten auf diesem
Wege erleichtert. Allerdings wird man sein
ganzes ‒ inneres und äußeres ‒ Leben
dementsprechend einrichten müssen, wo‐
bei die Art, wie und wo ein Mensch seine
Freuden sucht, von größter Bedeutung ist,
weil nichts derart stark auf seine Seele zu‐
rückwirkt, wie der Charakter der Dinge,
Beschäftigungen und Geschehnisse, die ihm
Freude bereiten. ‒
.Nun aber endlich auch Einiges in bezug
auf die zu Anfang dieses Briefes erwähnte
falsche Vorstellung von der eigentlichen
Natur der Seelenkräfte.
.Ich gewahrte da im Laufe der Zeit eine
seltsame Gleichförmigkeit in der Ausdeu‐
tung dieses Wortes. Immer wieder begeg‐
nete ich der Auffassung, als seien Seelen‐
kräfte etwas Ähnliches wie unsere erden‐
körperhaft gegebenen „Sinne” und etwa
so leicht und unmißverständlich zu unter‐
scheiden, wie der Gesichts-Sinn sich vom
Gehör- oder Geruchsinn unterscheidet. Das
ist aber dem tatsächlich Gegebenen keines‐
wegs entsprechend. Man kann zwar sagen,
daß unsere Eigenschaften durch unsere
Seelenkräfte hervorgerufen werden, ‒ also
die Arten unseres Empfindens mit Hilfe der
Sinne, und dieser selben Sinne Reaktions‐
bereitschaft, ‒ aber man kann die Seelen‐
kräfte leider nicht derart deutlich vonein‐
ander sondern, wie die Sinne. Eher dürfte
man schon die Seelenkräfte mit den Nerven‐
kräften des irdischen Körpers, ja mit dem
ganzen Nervensystem in Vergleich setzen,
denn so, wie jeder Nerv seine bestimmte
Funktion hat und doch einer Unzahl anderer
Nerven nebengeordnet ist, so daß mannig‐
fache Wechselwirkungen entstehen, so hat
auch jede der Seelenkräfte ‒ auch wenn
wir sie nicht mit bestimmtem Einzelnamen
zu benennen wissen ‒ doch ihre geistig be‐
stimmte Funktion zu erfüllen und steht mit
allen anderen Seelenkräften, die zusammen
eine Seele ausmachen, in steter Wechsel‐
wirkung, ja wirkt unter gegebenen Sonder‐
umständen sogar weit über den Bereich der
sie umfassenden Seele hinaus.
.Die Einung der Seelenkräfte in einem,
sie alle bestimmenden Willen, wäre freilich
ein Ding der Unmöglichkeit, wenn als not‐
wendige Voraussetzung dazu die genaue
begriffliche Bestimmung jeder einzelnen
Seelenkraft gefordert werden müßte. Glück‐
licherweise aber stellt unser Ewiges nie‐
mals unerfüllbare Forderungen, und ge‐
rade hier würde ja auch die allergenaueste
Kenntnis von der Besonderheit jeder ein‐
zelnen Seelenkraft nicht das mindeste im
Sinne des Notwendigen zuwege bringen,
denn die Einung der Seelenkräfte ist aus‐
schließlich eine Sache des Willens, der
ihnen allen, ohne Ausnahme, die Wirkungs‐
richtung gibt durch seine eigene klare Be‐
stimmtheit.
.Das Schwere dabei ist: ‒ den Willen selbst
unausgesetzt in der gleichen Richtung zu
erhalten, von der er auch nicht eine Se‐
kunde bewußterweise abweichen darf, was
immer in der Außenwelt ihm dazu Ver‐
suchung bieten möge.
.Es ist das Schwerste, was auf dem Wege
zu Gott bewältigt werden muß, aber man
kann dieses Schwere bewältigen, und Un‐
zähligen ist es im Verlaufe der irdischen
Menschheitsgeschichte gelungen. Mit die‐
ser Aufgabe identisch ist die Formung des
eigenen Ewigen, von der ich in einem
früheren Briefe schrieb, daß ihr der ir‐
dische Körper Werkstatt sei... Man muß
solche Dinge aus verschiedenen Aspekten
heraus sehen lehren, wenn das Wirkliche,
das da in Worten Darstellung sucht, erkannt
werden soll.
.Hoffentlich wird Ihnen dieser Brief nun
Beruhigung bringen, und Ihre Besorgnisse
entkräften, daß mehr von Ihnen verlangt
werde, als Ihnen aus Ihren eigenen Kräf‐
ten möglich werden könne. Noch sind Sie
ja „in Ihrer Werkstatt” und mit Hilfe der
in ihr dargebotenen Werkzeuge imstande,
Ihre ewige Form selbst zu bestimmen! Nach‐
dem Sie diesen Erdenleib verlassen haben,
hört freilich jeder weitere von Ihnen selbst
bestimmte Einfluß auf Ihre Eigenform im
Ewigen auf. Aber wir wollen hoffen, daß
Sie sich bis dahin bereits gestaltet haben,
wie Sie gestaltet sein wollen!
.Seien Sie gesegnet aus ewigem Licht!
Als Goethe, nach dem Erscheinen der
Bühnenbearbeitung seines „Götz”, von be‐
freundeter Seite die wohlgemeinte Anre‐
gung erhielt, doch diese Umarbeitung sei‐
nes Werkes einem ihm bekannten älteren
adeligen Herrn zukommen zu lassen, der
schon am „Ur-Götz” seine helle Freude
bekundet, ja sich selbst gerne „in die Per‐
son des alten biedern Helden” ‒ wie Goe‐
the sagt ‒ „gewissermaßen... versetzt”
hatte, lehnte der Dichter diesen Wunsch
entschieden ab, mit der Begründung, daß
es dem Bewunderer der ersten Fassung
„gewiß nicht angenehm sein würde, nun‐
mehr manches ausgelassen, umgestellt, ver‐
ändert, ja in einem ganz andern Sinne be‐
handelt zu sehen.”
.An diese, in richtiger psychologisch be‐
stimmter Voraussicht erfolgte weise Wei‐
gerung wurde ich unwillkürlich erinnert,
als ich jetzt Ihren mir so lieben Brief ge‐
lesen hatte. Ich wußte nicht, daß Ihnen
zuerst noch die frühere Ausgabe der ver‐
schiedenen von mir dann erweiterten und
dabei nochmals besonders überprüften Bü‐
cher in die Hand gekommen war, so daß
Sie erst neuerdings von den zuletzt ent‐
standenen endgültigen Ausgaben dieser
Lehrtexte hörten. Es läßt sich aber gut
nachfühlen, wie Sie sich „an Einzelnes in
den alten Fassungen derart gewöhnt”
hatten, daß Sie ihm „bei allem Einver‐
ständnis mit der nun um so vieles deut‐
licheren neuen Fassung”, doch sozusagen
nachtrauern. Auch mir war ja die erste Fas‐
sung lieb, sonst hätte ich sie doch niemals
in die Öffentlichkeit gegeben, obwohl der
ebenso liebenswürdige wie regsame Leiter
des großen Verlags, in dem diese ersten
Fassungen ehedem herauskamen, mir da‐
mals die Manuskripte ‒ fast buchstäblich
zu verstehen: ‒ aus den Händen riß, so
daß mir meistens recht wenig Möglichkeit
zu letzter Kontrolle blieb. (Es war bei
einem der Bücher sogar das Kuriosum vor‐
gekommen, daß mir die Post das fertige
Buch ins Haus brachte, während ich kaum
den ersten Korrekturabzug erwartete!)
.Der Verzicht auf die vormalige Fassung
ist mir in jedem Einzelfall schon deshalb
schwer geworden, weil sie ja doch ebenso
wie das Verbleibende, der getreuen Befol‐
gung geistiger Lautwertgesetze zu danken
war. Wo ich trotzdem die alte Fassung zu‐
gunsten der nunmehr bestehenden einge‐
schmolzen habe, dort waren sehr triftige
Gründe bestimmend. Von vielen groben
Druckfehlern ganz abgesehen, ‒ die ja
durch die berichtete eilebestimmte Praxis
meinen Manuskripten gegenüber unver‐
meidlich waren, und an den bedeutsamsten
Stellen den Text mitunter ins Gegenteil
verkehrten, ‒ war auch manche Sprach‐
form noch auszumerzen, die sich aus mei‐
ner stark durch mainfränkische Mundart be‐
stimmten Sprechweise zwar erklären ließ,
aber doch in einem Lehrbuch über geistige
Dinge störend wirken konnte, und weiter
war mir im Verlaufe brieflicher Mitteilun‐
gen, wie mündlicher Unterredungen auch
manche Textstelle bekannt geworden, die
im Interesse des gesicherten Verstehens
eine andere Fassung wünschbar erscheinen
ließ oder geradezu nach ihr verlangte.
.Daß derartiges Umarbeiten eines bereits
der Öffentlichkeit zugänglichen Buches
eine recht undankbare Sache ist, war mir
wahrhaftig bewußt, durfte mich aber von
dem was nötig war, nicht abhalten.
.Ich erlebte aber überraschenderweise die
Freude, eine große Menge dankerfüllter
Zuschriften zu erhalten, aus denen immer
wieder aufs neue zu ersehen war, wie leb‐
haft und geradezu begeistert der Leserkreis
um diese Bücher die Neuformung begrüßte.
Da ich vorher die Schwierigkeit für den
Leser, sich an eine für ihn zuerst befrem‐
dend erscheinende Lesart zu gewöhnen,
wohl erwogen hatte, war mir solche Zu‐
stimmung sehr unverhofft gekommen. Sie
stehen mit Ihrer etwas elegischen Trauer
um gewisse, von mir nun formell anders
bearbeitete Textstellen, ziemlich allein,
denn ein einziger ähnlicher Hinweis den
ich erhielt, kam von einem Freunde, dessen
Muttersprache nicht das Deutsche ist, und
dem ich mit den Neubearbeitungen gewiß
keinen Dienst geleistet habe, da er nun not‐
wendigerweise an Worte gelangte, die das
von ihm ehedem in anderen Worten Erfaßte
offenbar zunächst eher störten.
.Ich hoffe aber, Sie werden sich dennoch
fortan nur an die Neubearbeitungen der hier
in Betracht kommenden meiner Bücher hal‐
ten und dann immer deutlicher gewahren,
daß diese Bearbeitungen vorgenommen
werden mußten, und ganz gewiß nicht
Folge ästhetischer Laune oder aber nur der
Notwendigkeit des Neudrucks waren. Lehr‐
bücher wie ich sie schreibe, ändert man
wahrhaftig nicht, wenn die eigene Verant‐
wortung gegenüber den diese Bücher Ge‐
brauchenden eine neue Bearbeitung nicht
unerbittlich verlangt! Das Bessere ist frei‐
lich immer des Guten Feind. Sicher aber
darf uns das nicht verleiten, um des Guten
willen, das Bessere ungeschehen zu lassen.
.Der Himmel segne Sie!
Wenn Sie auf den Gedanken gekommen
sind, daß vielleicht manche Vorstellungen,
die in den alten polytheistischen Religionen
lebendig waren, ebenso aber auch die in
asiatischen Religionsformen und schließ‐
lich im byzantinischen und römischen
Christentum anzutreffenden Heiligenkulte
durch die Existenz der Leuchtenden des
Urlichtes „eine undiskutable Rechtferti‐
gung erfahren”, so sind Sie gewiß auf den
Spuren der Wahrheit.
.Um aber diese meine Zustimmung vor
möglicher Fehldeutung geschützt zu wis‐
sen, muß ich hier gleich sagen, daß Sie
freilich in argem Irrtum wären, wenn Sie
etwa annehmen wollten, alle die aus den
antiken Religionen wie aus den verschie‐
denen Heiligenkulten bekannten Gestalten
der Verehrung müßten in der Art, wie sie
Legende und Andacht geformt haben und
fromme Vorstellung sie glaubt, auf be‐
stimmte Glieder der geistig gegebenen Ge‐
meinsamkeit der Leuchtenden des Urlich‐
tes zurückzuführen sein, ‒ oder die Hei‐
ligsprechungen der römischen Kirche seien
vielleicht in früherer Zeit aus geheimer
Kenntnis solcher Zusammenhänge er‐
folgt.
.Daß unter diesen Gestalten auch weib‐
lich gedachte sind, während sich der Leuch‐
tende des Urlichtes nur in einem männ‐
lichen Erdenkörper manifestieren kann,
bildet hingegen keinen Gegengrund zu
Ihrer Annahme, da ja jeder Leuchtende,
trotz ausgeprägter Männlichkeit seines ir‐
dischen, ihm nur für die kurze Lebens‐
epoche auf dieser Erde dienenden, verwes‐
lichen Körpers, im Geistigen doch auch
dem „Ewig Weiblichen” unlösbar vereint
ist, und daher seine Gestalt sowohl dem
geistig Männlichen, wie dem geistig Weib‐
lichen Ausdruck geben könnte.
.Es gibt nun wohl im Vorstellungsschatz
alter polytheistischer Religionen ebenso
wie im Geltungsbereich der verschiedenen
Heiligenkulte gewiß Gestalten, die man
tatsächlich, und wenn sie auch die hiera‐
tische Auszeichnung einer Heiligsprechung
tragen mögen, auf Leuchtende des Urlich‐
tes zurückverfolgen dürfte, ohne dabei fehl‐
zugehen. Aber, wenn man eine solche „Ab‐
stammung” auch mit den besten Beweisen
sicher aufzeigen könnte, so wäre man doch
noch ziemlich weit von der Erkenntnis ent‐
fernt, zu der Ihre Vermutung hinweist: ‒ daß
nämlich jedem Anruf einer jeglichen, aus
Legende und Verehrungsbedürfnis hervor‐
gegangenen Gestalt, mag sie als rein himm‐
lisch oder als vormaliger Erdenmensch
gedacht sein, die helfende geistige Kraft
und Segensbereitschaft der Leuchtenden
des Urlichtes, als einzige hier in Betracht
kommende Wirklichkeit, antwortet.
.Wie die von dem Gläubigen um Hilfe an‐
gerufene Gestalt von ihm genannt wird,
und wie der Hilfesuchende die Befähigung
zur Hilfeleistung dabei sich erklären mag,
bleibt für den Vorgang der sich wirklich
abspielt, ganz belanglos. Dieser Vorgang
aber ist von dem das Ewige der seelisch
Suchenden erweckenden und ihre Seelen
leitenden Akt der Hilfe, den ich Ihnen vor
einiger Zeit unter gleichnismäßiger Erinne‐
rung an ein mit Elektroden übersätes Schalt‐
brett darstellte, nur sehr wenig verschieden,
und diese Verschiedenheit ist nur durch die
Aufnahmefähigkeit und Vorstellungswelt
der Anrufenden bestimmt.
.Man darf aber nicht außeracht lassen, daß
es in der seelischen Situation und bei dem
gegebenen Grade der Aufnahmefähigkeit
dieser Anrufenden, für viele, wenn nicht
für alle, eine intensive
Vertiefungsmög‐
lichkeit für ihren Anruf bedeutet, wenn sie
die Gestalt ihrer Verehrung mit möglichst
konkreten Zügen in ihrer Vorstellung aus‐
statten können. Wenn zum Beispiel von dem
großen Heiligen Paduas, den das Volk längst
„heiliggesprochen” hatte, bevor ihm diese
posthume Ehrung auch durch den Papst
zuteil wurde, gesagt wird:
„Um was ihr fleht, gewähret euch
Antonius, an Wundern reich.
Not, Aussatz, und des Irrtums Nacht,
Die Hölle selbst, weicht seiner Macht!
Er stillt des Meers empörte Flut,
Er schafft herbei verlornes Gut!
Die harte Fessel bricht entzwei;
Das kranke Glied wird schmerzenfrei!
Wer zu ihm rufet, alt und jung,
Fühlt Trost durch ihn und Linderung.”
‒ so liegt hier ein typisches Beispiel dafür
vor, wie kräftigend und sein Vertrauen för‐
dernd die Vorstellung einer konkreten,
ihrem Verehrungskreis allgemein bekann‐
ten irdischen Persönlichkeit auf den An‐
rufenden zurückwirkt. (Sie werden viel‐
leicht wissen, daß der Paduaner Heilige
ein gewaltiger, hinreißender Prediger war,
‒ ein portugiesischer Mönch, der nach
vielen Predigtfahrten schließlich in Padua
starb, aber nichts zu tun hat mit dem viel
früheren Antonius dem Eremiten, mit dem
Wilhelm Busch, dem das Heiligenwesen
nicht gar zu vertraut gewesen war, in seiner
Satire ihn verwechselt hat.)
.Für den Anrufenden kommt es darauf an,
daß er auf seinen Anruf hin „Trost und
Linderung” empfindet, und wenn sein An‐
ruf ohne eine handfeste historisch geglaubte
Vorlage für die Vorstellung, die verlangte
Kraft nicht aufbringen würde, die ihn den
wirklich Helfenden „vernehmbar” machen
kann, dann muß man ihm wohl oder Übel
den Gebrauch einer solchen Vorstellungs‐
krücke zugutehalten.
.Um sehr Ähnliches handelt es sich bei
den
örtlich und
zeitlich entstandenen
Abwandlungen einer Verehrungsgestalt.
Apollo, Aphrodite, Artemis, und so man‐
che andere, sehr plastisch gestaltet vorge‐
stellte „Gottheiten” der antiken Welt wur‐
den an verschiedenen Orten in nicht min‐
der verschiedener Auffassung verehrt, wie
heute noch die „Muttergottes”, an ihren
zahllosen Gnadenorten aus einem
jeweils
anderen Aspekt gesehen, der Gläubigen
mannigfaches Vertrauen entzündet. Es ist
durchaus nicht so lächerlich, wie eine sich
hoch überlegen dünkende, aber nur das
Äußere und die Oberfläche beurteilende
Betrachtungsweise feststellen zu können
meint, wenn sie gewahrt, daß die Anrufen‐
den in verschiedenen
Anliegen auch
zu
verschiedenen Gnadenorten der Madonna
wallfahren. Es handelt sich da nicht um
ein „götzendienerisches” plumpes Verviel‐
fältigen der geliebten und mit einer Über‐
fülle des Vertrauens bedachten Verehrungs‐
gestalt, ‒ die einst aus dem sublimen Kult
der „Hagia sophia”: der „Göttlichen Weis‐
heit”, als Inbegriff des „Ewig Weiblichen”
hervorgewachsen war und späterhin mit
Jesu Mutter identifiziert wurde, ‒ sondern
um ein psychologisch sehr differenziertes
Empfinden örtlicher, bildmäßiger und
legendärer Einflüsse auf die jeweils erreich‐
bare größte Intensität des Anrufs! ‒
.Auf diese Intensität aber kommt es
wesentlich an, wenn die Anrufung im ewi‐
gen substantiellen Geiste durch die „ver‐
nommen” werden soll, die hier zur Lenkung
der Kräfte geistiger Hilfe gesetzt sind, und
mit genügender Resonanz zu ihnen gelan‐
gende Anrufungen eines frommen Bud‐
dhisten des „großen Fahrzeuges” an eine
seiner Verehrungsgestalten ebenso durch
Hilfe in dem jeweils geistesgesetzlich mög‐
lichen Grade beantworten, wie jeden aus
anderen religiösen Vorstellungsbereichen
an sie gelangenden Ruf.
.Ich bitte Sie inständig, diese hier heute
gegebenen Aufschlüsse sich ganz zu eigen
machen zu wollen. Aus eigenem Vermögen
werden Sie sich dann noch weit mehr er‐
schließen...
.Seien Sie gesegnet aus ewigem Licht!
Nicht zum erstenmal wird mir geschrie‐
ben, daß durch die von mir verkündeten
Lehren an sich schon so vieles, was früher
schwere Fragen hervorgerufen habe, plötz‐
lich klar und verständlich werde, oder, um
mit Ihren Worten zu reden, daß „alles ein
neues Gesicht” bekomme.
.Das ist jedoch kein Wunder, denn ich
erzähle ja nicht etwas, das ich mir lustig
ausgedacht habe oder in schwerem Nach‐
denken fand, sondern berichte von der ge‐
gebenen Struktur des Lebens im ewigen
Geiste, weil sie mir bekannt ist aus eigenem
lichten Erleben, und bekannter als alles,
was ich außer ihr jemals kennen lernte.
Da aber alles Leben aus dem ewigen, sub‐
stantiellen Geiste hervorgeht und das erden‐
menschliche Gehirnbewußtsein, bei aller
darüber verhängten Dunkelheit der Tier‐
natur, dennoch Einflüsse aus dem ewigen
substantiellen Geiste fortwährend emp‐
fängt, ob es sie nun auffassen mag oder zu
dumpf ist dazu, so kann schon das bloße
Aufzeigen der Struktur ewigen Geistes‐
lebens zu einem ersten Erwachen führen,
wonach man die Welt freilich etwas anders
betrachten wird als früher.
.Ob einer damit schon alles hat, was er
sich vordem für seine Seele wünschte, oder
ob er sich nun erst recht veranlaßt sieht, in
die ihm von mir gezeigten weiteren Grade
des Erwachtseins vorzudringen, das wird
zwar von ihm allein abhängen, ‒ aber
nicht überall von ihm abhängig sind die
irdischen Voraussetzungen zu solcher Ent‐
scheidung.
.Es mag bei manchen viel guter Wille vor‐
handen sein, seelisch wacher und wacher zu
werden, aber nicht die Kraft, alle irdischen
Hindernisse, die ein helleres Erwachen un‐
möglich machen, aus dem Wege zu räumen.
Bei anderen mag diese Kraft schon da sein,
aber zugleich auch die Einsicht, daß an die
Beseitigung vorhandener Hindernisse nicht
gedacht werden darf, weil übernommene
Pflicht dadurch verletzt werden würde. Da
es aber nicht die Aufgabe des Menschen auf
der Erde ist, alles was er hier zu guter Er‐
füllung und zu einer wenigstens relativen
Vollendung zu bringen vermöchte, stehen
und liegen zu lassen um nur seiner Erkennt‐
nis zu leben, ‒ ja, da er, wenn er so han‐
deln wollte, sich ganz sicher um die Frucht
seines Mühens bringen würde, so fördert
sich der Suchende nur durch sein Genü‐
gen an dem, was ihm seine irdischen Um‐
stände gewähren. Alles Weiterverlangen,
über das hinaus, was die äußeren Um‐
stände zulassen, ist hingegen ein Daneben‐
langen und kann selbst das in äußerste
Gefahr bringen, was ganz gewiß erreichbar
wäre, und Zuwachs geistigen Besitzes wer‐
den könnte.
.Es ist nicht viel anders, als mit den all‐
täglichen irdischen Dingen: ‒ Wer zuviel
verlangt, kommt zu nichts! Man soll nicht
zu algebraischen Aufgaben und zum Inte‐
gralrechnen aufsteigen wollen, wenn einem
das Einmaleins noch nicht gehört.
.Aber die Suchenden machen sich auch
viel zu phantastische Vorstellungen von
dem, was sie sich im Geistigen erreichbar
glauben, und keine Belehrung vermag sie
davon abzuhalten, statt dem Erleben gei‐
stigen Lebens, die wunderlichsten Sensa‐
tionen und Ausweitungen im erdenkörper‐
lich bedingten, mit all seinem Inhalt der‐
einst sein sicheres Ende findenden Erleben
zu suchen. Ein exaltiertes Übersteigern an
sich wertvoller, den Gehalt der Seele ge‐
wichtig bereichernder und auch im körper‐
lichen Sinne urgesunder Empfindungen zu
bedenklichster
Nervenerregung, bedeutet
den meisten schon „geistiges Erlebnis”.
Vielen gilt es noch immer als notwendiges
und darum höchst erstrebenswürdiges Ziel,
den Körper immer mehr zu „vergeistigen”,
was sie natürlich von einer Selbsttäuschung
zur anderen führen muß. Zur geistgesetz‐
lich geforderten
Verkörperung des Geistes
gelangen die Allerwenigsten: ‒ jene allein,
die nur
das Wirkliche wollen, aber keine
Sensationen.
Es kann der Wissensmensch
Im Irdischen nicht leicht begreifen:
Daß alles ewige Erleben
Selbst sich Inhalt ist, ‒
Daß der Erlebende im Ewigen
Kein „Anderes” erlebt,
Das ihm ‒ dem irdischen Erleben gleich ‒
Durch sein Erlebnis nahe käme.
Im Ewigen
Bleibt irdische Erlebensweise
Schein und Schaum...
Erst ein sich selbst erschließendes Erleben
Öffnet ewigkeitsgezeugten „Raum”!
*
.Wenn Paulus, der Zeltmacher aus Tarsus,
‒ dieser von den Heutigen nur mit einer,
die größte Distanz schaffenden, scheuen
Ehrfurcht zu verstehende größte
Gewalt‐
mensch unter jenen ersten Kleinasiaten,
die Jesu Lehre zu sich selber und zu eige‐
nem Erleben brachte, ‒ den Ausspruch
wagt: „Kein
Auge hat es gesehen, kein
Ohr gehört, was Gott denen bereitet hat,
die ihn lieben!” ‒ so hat er damit aufs
deutlichste alles
wirkliche geistige Erleben
umschrieben. Doch, man hat dieses Wort
eines Wissenden in der Ausdeutung ge‐
radezu
umgekehrt, und ihm den törichten
Sinn unterlegt, als ob das den Gottliebenden
Vorbehaltene ein wahrer
Sinnenschmaus
wäre, von einer Art, die über alles der‐
gleichen im Irdischen Erlebbare weit hinauf
gesteigert sei. ‒ Aber: ‒
Im Lichte ist Erkenntnis und Erkanntes
Dem Erkennenden
vereint,
Und was im Irdischen getrennt erscheint,
Ist nun nicht mehr entfernt
In Raum und Zeit,
Denn alles ist
zugleich
Und
gleichen Ortes,
In der Ewigkeit...
Wie diese Dinge sich geheim begeben,
Weiß keine Sprache faßbar darzustellen,
Denn niemals läßt in
Worten sich erhellen,
Was nur erfahrbar wird als lichtes
Leben!
*
.Ich brauche Ihnen wohl kaum zu sagen,
daß es mein, erdenmenschlich betrachtet,
sehnlichster Wunsch wäre, Sie noch in Ihrem
Erdenleben zugleich in diesem lichten Le‐
ben des ewigen Geistes finden zu dürfen.
Meine immerdar segnende Hilfe wird Ihrem
Streben stets nahe sein!
Daß Ihnen die in meinem letzten Briefe
geschehene Erwähnung des Apostels Pau‐
lus ‒ der, wie Sie ja aus meinem Buche
„Das Geheimnis” wissen, als angenomme‐
ner, geistig dazu vorbestimmter Schüler
der Leuchtenden des Urlichtes, schließlich
zu Jesu wahrer Lehre gefunden hatte ‒
nun Anlaß zum Nachdenken über seine
vermeintlich ohne Vorbereitung erfolgte
„Bekehrung” werden könnte, hatte ich
nicht vermutet, da ich doch in dem ge‐
nannten Buche deutlich genug gezeigt zu
haben glaubte, wie die ganze Damaskus‐
erzählung nur als Symbol für ein weit we‐
niger effektvolles Geschehen aufgefaßt wer‐
den muß, wenn man den darin enthaltenen
Wahrheitskern herausschälen will.
.Ich muß Sie auf das dort Gesagte ver‐
weisen, wenn ich es nicht hier abschreiben
soll. Um aber jedes Mißverstehen meiner
dort gegebenen Worte auszuschließen, sei
eindeutig gesagt, daß es sich bei jener an‐
scheinend so unvermittelt erfolgten Umge‐
staltung des fanatischen Feindes der Lehre
Jesu in ihren gewaltigsten Exegeten, um
eine, aus tiefstem Drang nach Wahrheit,
mit fast übermenschlicher Kraft seit langem
umkämpfte, und schließlich auch kontinu‐
ierlich, nach und nach erreichte Erwek‐
kung handelte, die freilich dann zu reso‐
lutem Erstreben einer Wiedergutmachung
des vordem ‒ wenn auch guten Glaubens ‒
Verschuldeten führen mußte.
.Wenn Ihnen jemand von urplötzlich er‐
folgten Erweckungen zu berichten hat, oder
wenn Sie in alten Erzählungen dergleichen
begegnen, tun Sie immer gut, vorsichtig zu
werden und sich zu fragen, ob es sich denn
da tatsächlich um ein Erleben geistiger
Wirklichkeit, oder nicht vielmehr um sehr
Irdisches handle, wie etwa bei dem so viel‐
seitig gelehrten armen Swedenborg, der
gerne gut und viel aß, und dem, nach sei‐
nem eigenen Bericht, plötzlich beim Essen
ein an der Erde sitzender Mann erschien,
der ihm zurief: „Iß nicht so viel!” und
sich sodann in Nebel und Nichts auflöste,
aber leider Swedenborgs latente „mediale”
Veranlagung „erweckt” hatte, die ihm
dann dazu dienen mußte, die seltsamsten,
mit krausen Wissenschaftstrümmern unter‐
mischten „himmlischen” Einsichten zu pro‐
duzieren und einen recht umfassenden ver‐
meintlichen „Geisterverkehr” zu pflegen.
.Die wirklichen Erweckungen zum Be‐
wußtwerden im ewigen substantiellen Gei‐
ste erfolgen niemals erschreckend, sondern
immer in sukzessiver Aufeinanderfolge
der Grade des Wachwerdens. Jeder Grad
muß sich aus dem vorhergehenden von
selbst ergeben. Sollte Ihnen jemals ‒ viel‐
leicht infolge arger Überarbeitung oder
sonstiger Überlastungen Ihres Nervenhaus‐
haltes ‒ ein Geschehnis zustoßen, das Sie
bewegen könnte, es als „plötzliche Er‐
weckung” zu deuten, so gehen Sie baldigst
‒ zum Arzt und möglichst zu einem, der
von gehirnlichen Dingen etwas versteht,
aber kein wissenschaftliches Steckenpferd
reitet!
.Die beste Sicherung gegen solchen Ge‐
hirnaufruhr, der durchaus nicht ungefähr‐
lich ist und zur schönsten Bewußtseinsspal‐
tung führen kann, ist das gelassene Abwei‐
sen jeglicher Ungeduld in bezug auf das
Erreichen der Erlebensfähigkeit für Gei‐
stiges. Wenn Sie dem nachleben, was in
meinen Lehrbüchern als generelle Anwei‐
sungen gegeben ist, und sich daneben auch
an das halten, was Ihnen als „besonders”
für Sie geschrieben erscheint, dann wird
Ihr allmähliches Erwachen von zentraler
Stelle aus geleitet werden, und ganz so er‐
folgen, wie es für Sie am besten ist.
.Gehen Sie nur in aller Ruhe den Weg
weiter, den Sie in so erfreulicher Weise be‐
gonnen haben! Sie sind auf gut abgesteck‐
tem, sicher zum Ziele führenden Pfade und
kennen wahrhaftig durch meine Schriften
die Wegmarken auf die Sie von sich aus
zu achten haben. Überlassen Sie aber ganz
Ihrer inneren geistigen Führung, über
deren Wirkungsweise Sie ja nun gut unter‐
richtet sind, was Ihnen bei Ihrem zielge‐
wissen Voranschreiten bereits gezeigt wer‐
den kann, und was Sie erst späterhin er‐
warten dürfen! Und vergessen Sie nicht,
daß es sich ja auf Ihrem Pfade nicht etwa
um ein Erwerben irgendwelcher neuen
Wissensgüter handelt, sondern ‒ um ein
Werden, das in vielen Dingen des alltäg‐
lichen Lebens gewiß zu einem allmählich
immer deutlicher fühlbaren Anders-werden
führt, aber gerade dadurch Sie nach und
nach so umwandelt, daß Sie schließlich
fähig werden, Ihr Ewiges bewußtseinsge‐
wiß in sich zu erleben.
.Alle hohe Hilfe sei mit Ihnen!
Jakob Böhme war wahrhaftig nicht nur
„der Görlitzer Schuster”, wie ihn Leute
eines mehr als nur fragwürdigen Ge‐
schmacks zu bezeichnen lieben. Er war
auch nicht bloß „ein Schuhmacher, und
Poet dazu”. Alle diese platten Anspielun‐
gen auf sein, gewiß keine höhere Wissens‐
bildung voraussetzendes, brotbringendes
Gewerbe sind unzulässig. Was ich in der
kleinen Sammlung einzelner für sich be‐
stehender Abhandlungen, die ich unter
dem Titel „Wegweiser” herausgab, über
Jakob Böhme gesagt habe, will, wie Sie
richtig verstehen, darauf hinweisen, daß
Böhme angenommener, geistig berufener
Schüler der Leuchtenden des Urlichtes war.
Ihm selbst war dieser Umstand etwas so
Heiliges, daß er eine Wolke von Geheimnis
darüber zu legen wußte. So viel auch über
Böhme geschrieben wurde, so war doch
niemand in der Lage, dieser geistigen Be‐
ziehung gerecht zu werden. Allerdings gibt
Jakob Böhme die Schilderungen seiner gei‐
stigen Erlebnisse und Einsichten auch in
so barocker und eigenwilliger Form, die
durch den falschen Gebrauch der ihm durch
seine gelehrten Freunde bekannt gewor‐
denen lateinischen und latinisierten Worte
nur noch krauser wird, daß man schon selbst
sehr genau um solches Erleben wissen muß,
um zu erkennen, was er jeweils darstellen
wollte.
.Anders aber steht es um die deutschen
Mystiker, wie den Frankfurter Deutsch‐
ordensherrn unbekannten Namens, der die
„Theologia deutsch” geschrieben hat, um
Tauler, Seuse, Meister Eckhart.
.Das waren grundgelehrte Männer, die
auf harten philosophischen Wegen zu ihren
Erkenntnissen kamen, die sie dann nur
schwer vor der kirchlichen Verdammung
bewahren konnten.
.In der entgegengesetzten Situation war
der gelehrte Dichter Johann Scheffler (An‐
gelus Silesius), der sich als Protestant zu‐
letzt in den Katholizismus rettete, indem
er sich jegliche katholische Lehre in ein
poetisch gesehenes Symbol umdeutete.
.Eine für mein Gefühl ganz für sich zu
betrachtende Erscheinung ist der im tief‐
sten Sinne „fromme” Kanonikus Thomas
a Kempis, der die von so viel ruhegeben‐
der Gütigkeit erfüllten, freilich ganz ka‐
tholisch gemeinten vier Bücher von der
Nachfolge Christi geschrieben hat.
.Aber alle diese Männer standen keines‐
wegs in einem bewußten Verhältnis zu den
Leuchtenden des Urlichtes, wenn sich auch
bei ihnen allen einzelne Aussprüche finden
lassen, durch die man versucht werden
könnte, doch anzunehmen, daß wenigstens
die verborgene Existenz der Leuchtenden
des Urlichtes in den Kreisen mittelalter‐
licher deutscher Mystiker geahnt wurde.
.Daß aber diese, ohne es zu wissen, so
manche geistige Hilfe und Leitung von der
vielleicht geahnten Quelle her empfingen,
ergibt sich schon aus dem, was ich Ihnen
seinerzeit über die Natur dieser Geisthilfe
mitteilte, ist aber auch aus den Predigten
und Schriften Taulers, Seuses und Meister
Eckharts deutlich zu ersehen, sobald man
gewissen Bekenntnissen und Lehrworten
das ihnen oft recht schlecht passende kirch‐
liche Gewand behutsam von den Schultern
nimmt, auf die es gelegt worden war, um die
also Lehrenden vor dem Scheiterhaufen zu
schützen. Auch bei Thomas a Kempis und
dem in erster Linie als mystisch empfinden‐
den Dichter zu betrachtenden Angelus Sile‐
sius zeigt sich der geistige Einfluß der Leuch‐
tenden des Urlichtes an vielen Stellen.
.Bei aller Verehrung aber, die ich für diese
alten deutschen mystischen Theologen und
Philosophen hege, ‒ bei aller Liebe die ich
dem wundersam stillen und feinen Thomas
a Kempis entgegenbringe, und bei aller
Freude an dem prachtvoll knappen, auch
manchmal gar streitbaren Angelus Silesius,
muß ich Ihnen aber einstweilen doch raten,
vorläufig noch mit dem Studium irgend‐
welcher mystischen Schriften solange zuzu‐
warten, bis Sie fühlen, Ihres eigenen Weges
so sicher zu sein, daß auch gelegentliches
Begehen von Seitenwegen Sie nicht mehr
in der Richtung auf Ihr Ziel irremachen
kann.
.Dieser Rat soll Sie aber nur vor allzulan‐
gen Aufenthalten auf Ihrem Wege bewah‐
ren, denn während der Zeit, die Sie benö‐
tigen würden, sich ein Urteil zu bilden, das
Ihnen später ohnedies ganz von selbst zu‐
fällt, können Sie schon wieder ein gutes
Stück näher zu Ihrem Ziele gelangt sein.
Vergessen Sie auch nicht, daß es sich bei den
Schriften aller der genannten Männer ‒
mit alleiniger Ausnahme Jakob Böhmes ‒
um in hartem Ringen mit sich selbst er‐
dachte und erglaubte, wenn auch zuweilen
bis zum inbrünstigen Gefühls-Erlebnis ver‐
dichtete Ansichten über die Welten des
ewigen Geistes handelt, während Sie das
fast unbegreifliche Glück genießen, von An‐
fang an auf den Weg in die ewige Wirklich‐
keit geführt worden zu sein...
.Seien Sie mit allem Segen gesegnet, der
mir anvertraut ist als durch meinen Willen
lenksame, geistige reale Kraft!
Menschen, die in ihrem besonderen Le‐
bensgebiet derart „daheim” sind, daß ihnen
alles Große und Kleine, was von diesem
Gebiet ihrer Verankerung umfaßt wird,
bis ins Letzte vertraut ist, werden zuweilen
plötzlich gewahr, daß sie unwillkürlich
gleiche Vertrautheit mit allem ihnen so
Verständlichen auch bei anderen Menschen
voraussetzen, denen dieses Lebensgebiet
entweder gänzlich fremd oder doch neu
ist. Recht ähnlich geht es auch mir, wenn
ich von den Dingen der Ewigkeit: ‒ den
Dingen des ewigen substantiellen Geistes,
‒ in Worten Darstellung formen soll. Es
bedarf da gar oft erst eines immer wie‐
derholten Wägens und Wertens der ge‐
brauchten Worte nach allen Seiten hin, bis
ich dann doch zuletzt bemerke, daß eine
Redewendung der Gefahr nahe ist, miß‐
verständlich ausgelegt werden zu können,
oder daß Bezeichnungen, die ich synony‐
misch verwende, der Meinung Nahrung
geben, ich wolle sie in verschiedenem Sinne
aufgefaßt wissen. Da ich der Struktur des
Lebens im ewigen Geiste durch mein eige‐
nes ewiges Leben in ganz selbstverständ‐
licher Weise bewußt bin, kann mir meine
Darstellungsweise unmißdeutbar erschie‐
nen sein, bis ich dann eines Tages durch
eine an mich gerichtete Frage mit einigem
Entsetzen entdecken muß, daß man mich
dennoch mißzuverstehen verstand.
.Aber Ihre, den Begriff „Gott” betreffende
Frage in Ihrem kürzlich an mich gelangten
Briefe ist anders zu nehmen. Während mir
sonst, wie ich eben darlegte, die Neigung
begegnete, von mir synonym gebrauchte
Worte als Bezeichnungen für voneinander
verschiedene Begriffe aufzufassen, gewahre
ich Sie vielmehr bei der Meinung, von mir
für zu unterscheidende Begriffe gebrauchte
Worte seien wohl als Synonyme anzuspre‐
chen. Das ist aber hier nicht richtig, wenn
ich auch gut begreife, was Sie zu Ihrer
Meinung bewogen hat.
.Es handelt sich hier um Gegebenheiten
innerhalb der Struktur geistigen Lebens,
die dem irdischen Verstande kaum faßbar
und in Worten fast nicht unmißverständlich
darzustellen sind, wobei nach dem Irrtum
geradezu gerufen wird durch das, was als
herkömmliche Gottesvorstellung in den
Gehirnen aufbewahrt, und sogleich als das
Gemeinte betrachtet wird, auch wenn in
einem davon recht verschiedenen Sinne von
„Gott” zu sprechen ist, ‒ nicht als einem
Postulat des Glaubens, sondern als dem
innersten Selbstbewußtsein aller ewigen
geistigen Wirklichkeit. ‒ Nur so will ich
das Wort „Gott” erfaßt wissen, wo immer
es von mir gebraucht wird. Aber es ist
hier nicht etwa an ein
verstandesmäßiges
Eigenbewußtsein zu denken, sondern die‐
ses innerste Bewußtsein, das sich immer‐
fort aus dem ewigen Geiste aufs neue er‐
zeugt, ‒ diese, dem unermeßlichen All des
einzigen
Seienden entströmende sublimste
Selbstüberlichtung und innerste Essenz des
ewigen substantiellen Geistes, ‒ ist zu‐
gleich ewig wirkender
Wille und uner‐
schöpfbare
Kraft, in
Maß und
Milde allein
sich offenbarend, bewogen, einzig durch
eigenes innewohnendes Gesetz.
Suchet nicht Gottheit im Grauen der
Gründe
Drohender Tiefe und schauriger Schründe!
Suchet nicht Gott im brüllenden Brausen
Brandender Meere, wenn Sturmwinde
hausen!
Suchet nicht Gott in den Donnergewittern,
Denen die Felsen der Erde erzittern!
Suchet ihn nicht über Welten und Sonnen, ‒
Nicht im Genießen von maßlosen Wonnen!
Wollt ihr einst Gott
in euch selber finden,
Müßt ihr die
Furcht wie die
Gier über‐
winden!
Träumt nicht von euch unerreichbaren
Fernen: ‒
Gott ist euch näher als jeglichen Sternen!
*
Alles ist
in Gott, und Gott
ist in Allem!
Primär in seinen ihm eigenen Wurzelbe‐
zirken: „Ursein”, „Urlicht” und „Urwort”,
wie in seiner Selbstgestaltung, dem „Va‐
ter” ‒,
sekundär in allem unsichtbaren,
wie in allem sichtbaren Leben.
.Das darf aber nicht etwa so verstanden
werden, als predigte ich da eine Art „Pan‐
theismus”, und ebensowenig ist es mein
Wille, das was Gott ist, als „Person” er‐
scheinen zu lassen. Auch „Ursein”, „Ur‐
licht” und „Urwort” sind wahrhaftig nicht
„Personen”, wie etwa im christlichen Tri‐
nitätsdogma: Vater, Sohn und Geist! Und
was den Leuchtenden des Urlichtes „der
Vater” ist, darf hinwiederum
nicht im
Sinne dieses Dogmas aufgefaßt werden.
.Wir kennen und lehren
die Wirklichkeit,
nicht irgendeine Glaubenslehre!
.Im Wirklichen aber: ‒ in der Struktur
des geistigen Lebens, besteht ein Mono‐
theismus, der auch polytheistische Ausle‐
gungen verträgt, ohne dadurch zu sich selbst
in ein Mißverhältnis gebracht werden zu
können.
.Der Gott der Wirklichkeit ist nicht, wie
gesagt wird: „das höchste Wesen”! ‒ Das
ist vielmehr ‒ der
Vater, der
sich selbst
in die Formen der zwölf
Väter ausstrahlt,
die
seine Wirkungsaspekte sind. Gott aber
ist nicht „Wesen”, sondern: ‒ hier in be‐
sonderem,
einmaligen Sinne gemeint, ‒
die Wesenheit in allem, was wesenhaft
wirklich ist. So im „Ursein”, „Urlicht”
und „Urwort”! So im „Vater” in allen
seinen Aspekten!
.Der Vater aber ist ‒ „Mensch” im Ur‐
sein, im Urlicht, im Urwort: ‒ der sich
selber ewig zeugende Ur-Geistesmensch
und das Maß aller Dinge die aus ihm Ge‐
staltung erlangen, daher auch des Ewigen
im Erdenmenschen! ‒
.Gott ist ebenso absoluterweise Gott in
den „Vätern”: ‒ der Offenbarungsform
des Vaters, ‒ wie im Ursein, Urlicht und
Urwort. Für sich selber aber ist das, was
Gott ist, auch nur in sich selber „Gott”: ‒
die Wesenheit an sich selbst, ‒ aber von
allem anderen in ihm Seienden im ewigen,
substantiellen geistigen Leben aus „ge‐
sehen”, ist Gott Wesenheit allen Wesens!
‒ Und „Wesen” ist Wirklichkeit aus „We‐
senheit”!
.Ich stelle aber hier kein „Nebeneinan‐
der” oder „Übereinander”, sondern das
„Ineinander” der Struktur ewigen, geistig‐
substantiellen Lebens dar, soweit ich es
durch Worte irdischer Sprache vermag.
.Man sage nicht, daß die Darbildung des
ewigen Wirklichen für den Menschen auf die‐
ser Erde praktisch zwecklos sei, da dieser
hier für ganz andere und ihn leiblich näher
angehende Fragen nach Lösung zu suchen
habe! Kein Mensch auf Erden kann vielmehr
die von jedem bewußt oder unbewußt er‐
sehnte innere Ruhe und Erlösung seiner
Seele finden, solange sein Vorstellungs‐
haushalt noch nicht gänzlich konform mit
der Struktur ewigen geistigen Lebens ge‐
ordnet ist.
.Sie sehen, daß Ihre Frage bei mir gewiß
nicht in die Gefahr geraten konnte, für
„unangebracht und überflüssig” gehalten
zu werden, wie Sie meinten, denn die ge‐
ringste von der Wirklichkeit abweichende
Vorstellung von der Struktur des ewigen
geistigen Lebens läßt Sie nicht zu der Auf‐
nahmefähigkeit für Geistiges kommen, die
Sie doch zu erlangen suchen.
.Bleiben Sie im Segen des Lichtes!
Sie irren, wenn Sie glauben, ich könnte
am Ende doch „ungeduldig” werden, weil
Sie nun „schon wieder zu einer Frage ge‐
zwungen” sind. Ich kann es vielmehr recht
gut nachfühlen, daß Sie den Gebrauch des
Wortes „Wesen” bisher von sich aus an‐
ders gewohnt waren, und darum beun‐
ruhigt sind, wenn Sie die bei mir an an‐
deren Orten auch synonymisch gemeinten
Worte „Wesen” und „Wesenheit” auch
als zwei verschiedener Begriffe Zeichen ge‐
braucht sehen.
.Nun will ich gewiß die Dinge, die ich
darstelle, möglichst konturklar zur Dar‐
stellung bringen, aber gerade hier sehe ich
mir sprachlich keine andere Möglichkeit
gegeben, das, was ich sagen will, zu sagen,
als indem ich verlange, daß man den Be‐
griff „Wesenheit” für das Wesen-Gebende
gelten läßt. Das höchste „Wesen” aber ist
dadurch „Wesen”, daß es in der „Wesen‐
heit” ist wie sie in ihm, und wenn ich
darstellen will, was ich darzustellen habe,
müssen mir beide Worte als Bestimmungen
zur Verfügung stehen. Nicht anders, als
wenn ich einem Menschen, der nach hun‐
dert Jahren wieder irdisch auferstanden
wäre, nun klarmachen sollte, daß ein Elek‐
tromotor sich nur dann bewegt, wenn er
unter Elektrizität steht. Auch da müßten
mir die Worte für Bewegtes und für das
Bewegende, zu Gebote stehen. Dieser Ver‐
gleich hinkt jedoch beträchtlich, denn mir
ist „Wesenheit” nicht bloß das Bewegende
des Wesens, sondern vielmehr in erster
Hinsicht des Wesens Allerinnerstes, ‒ ver‐
gleichend gesagt: sein lebendiger „Kern”!
.Aber ich bin weit davon entfernt, hier
ein Spiel mit Worten treiben, oder darum
streiten zu wollen, welche konventionelle
begriffliche Bedeutung den hier in Rede
stehenden Worten zugemessen werden darf.
Ich gestehe Ihnen ohne weiteres das Recht
zu, für das, was ich die „Wesenheit” nenne,
durch die allein „Wesen” möglich ist, ein
anderes, zu Ihnen eindringlicher sprechen‐
des Wort zu setzen.
.Einzig „wesentlich” ist ja nur, daß Sie
nachfühlend erfassen, was ich meine, denn
das Gemeinte ist so ganz und gar allen Ge‐
dankenbereichen entrückt, daß es nie und
nimmer zu erdenken wäre, auch wenn die
scharflinigsten Gedankenbilder es zu ge‐
danklicher Gestalt zu bringen suchen woll‐
ten.
.Aber die Mühe, das von mir hier Ge‐
meinte im Nachfühlen fassen zu lernen,
kann ich Ihnen allerdings nicht ersparen,
wenn ich Sie geschützt sehen will vor Irr‐
tum gegenüber dem, was ich von der „Ge‐
burt” Ihres „lebendigen Gottes” in Ihrer
ewigen Menschenseele sage, denn eben hier
handelt es sich um nichts anderes, als um
die von mir gemeinte „Wesenheit”, die
auch dem individuellen Erdenmenschen in
der, seiner Individualität auf das genaueste
entsprechenden Form bewußt werden kann
und durch die allein er
wesenhaft zu wer‐
den vermag in Ewigkeit wie Zeit. ‒
.Der „
Vater”
ist nur
den Leuchtenden
des Urlichtes, die seine eigene Zeugung
durch seine Offenbarungsform: ‒ die
zwölf „Väter” ‒ darstellen,
bewußtseins‐
zugänglich, und zwar jedem einzelnen
Leuchtenden in der Form
dessen unter
den zwölf mit dem Vater alle
identischen
Vätern, der diesen individuellen Leuchten‐
den individuell im Urwort „zeugte”. Der
„
lebendige Gott” aber, von dem ich als
von der einzigen, allen Erdenmenschen
praktisch erreichbaren Selbstoffenbarung
Gottes spreche, kann
jedem Menschen auf
Erden, ‒ soweit dieser selbst sich dazu
vorzubereiten weiß, ‒ seelisch erlebbar
werden, was ich mit einer „Geburt” Gottes
in der Seele vergleiche.
.Meine Bücher sind ja nur deshalb ge‐
schrieben, damit durch sie die hier er‐
wähnte unumgänglich notwendige Vor‐
bereitung in die rechte Bahn gelenkt
werde. Da aber fast alle Menschen ‒ mit
verschwindenden Ausnahmen ‒ so tief
in ihrem Verstandesbewußten versunken
sind, daß auch der Dumpfeste, der nur mit
ein paar kläglichen Gedanken sich beschei‐
det, dennoch sein Leben, statt in seiner
Wirklichkeit, nur „in Gedanken” lebt, und
dieses In-Gedanken-leben ebenso für sein
wirkliches Leben hält, wie der an Gedanken
Reichste, so war es nötig, aufzuzeigen, wo
die für das Erleben ihres lebendigen Gottes
der Seele gesetzte Vorbereitung innerhalb
der Struktur des ewigen substantiellen gei‐
stigen Lebens ihren Platz hat. Das konnte
aber nicht anders geschehen, als nur durch
eine Darstellung alles dessen, was vom ewi‐
gen Leben des substantiellen Geistes um‐
faßt wird, und ich durfte nichts, was irgend‐
wie Klärung zu bringen geeignet war, nur
deshalb unerwähnt lassen, weil es nicht für
jeden erlebbar wird. Ich mußte sehr vieles
bringen, wenn ich bewirken wollte, daß
sich doch mancher zu dem Wenigen ent‐
schließen würde, was meine Bücher von
jedem, den sie erreichen, als Mindestes
erwarten.
.Empfangen Sie meinen Segen und ler‐
nen Sie immer mehr erkennen, daß jede
Bezeichnung geistiger Dinge mit der Un‐
möglichkeit rechnen muß, wirkliches gei‐
stiges Leben durch ein Wort der Sprache
zu umschließen!
So fraglos bereit Sie mich immer finden
werden, wo ich Ihnen oder Anderen helfen
kann auf dem Wege zum Bewußtwerden
im ewigen Geiste, ‒ so freudig ich alles
aufbiete, um Ihnen und Anderen die Vor‐
bereitungen treffen zu helfen, die unum‐
gänglich von Ihnen getroffen werden müs‐
sen, wenn Ihr lebendiger Gott sich leibhaf‐
tig und Ihnen bewußt in Ihrer Seele „ge‐
bären” können soll, so sehr muß ich doch
darum bitten, daß man niemals versuche,
mich in Gebiete nötigen zu wollen, deren
‒ ach so sehr ‒ zeitbedingte Probleme ich
mir kategorisch fernzuhalten gezwungen
bin, wenn ich dem
mir allein Möglichen
geistig gerecht werden soll.
Ich muß mir meine Zelle gut verwahren,
Vor all dem Lärm um nichtiges Geschehen,
Vor allem großgebärdigen Gebaren
Um Dinge, die sich wandeln,
Wie der Winde Wehen.
Ich kann unmöglich allen Rede stehen,
Und allzugleich, in
geistigem Geschehen,
Die Bande lösen, die doch alle binden,
Und die gelöst sein
müssen,
Soll sich Irdisches
Im Lichte finden.
*
.Es ist wahrhaftig keine Gleichgültigkeit
gegenüber den alltäglichen Erdensorgen
meiner Mitmenschen, die zu diesem, streng
von mir geforderten, Abweisen
aller dem
ewigen Geistigen
fernen Fragen führt! Es
gibt Menschen genug, die sich der Lösung
solcher Fragen widmen, aber es gibt in der
Gegenwart und bis auf
sehr ferne Erden‐
zukunft hin
keinen einzigen Menschen
außer mir, der das Werk rein geistiger Se‐
gens-Hilfe an Allen, die sie zu empfangen
vermögen, zugleich mit der mir obliegenden
wortgeformten Kündung aus einem irdi‐
schen Sprachbereich her, geistig gültig
durchzuführen vermöchte. So erfordert
schon eine bloße Ökonomie der Nutzung
erdmenschlicher Möglichkeiten, daß ich
mich nur da ausgebe, wo singuläre Leistung
für meine Mitmenschen hier auf Erden mir
allein ermöglicht ist, wo aber jeder andere
heutige Mensch seine Kräfte nutzlos ein‐
setzen würde, wollte er, etwa vom Irdischen
her, den törichten Versuch unternehmen,
den Dingen vorzustehen, die ich nur darum
zu leiten vermag, weil ich sie aus meinem
ewigen Sein beherrsche.
.Ich will nicht Worte gebrauchen, die im
Laufe zweier Jahrtausende den sie ver‐
ehrenden Menschen auf eine einmalige
Weise heilig wurden, aber ich muß hier
dennoch auf meine ewige geistige Her‐
kunft hinweisen, in der ich unlösbar im
„Vater” und mit ihm Eines bin in dem
individuell bestimmten, der zwölf „Väter”,
durch den mich der Vater geistig im Ur‐
licht „zeugte”. So sind es auch nur die
Dinge des Vaters, denen ich heute, ‒ hier
nun dem Irdischen in dem verbunden,
der sich mir, vordem die Erde ward, im
Geiste dargeboten hatte, ‒ Ausdruck zu
schaffen trachte. Mein irdisches Dasein be‐
sitzt seinen Sinn nur in dem vor Ewig‐
keiten zugeschworenen Dienste, den es
mir, dem Geistgezeugten, heute darzu‐
bieten hat in seiner ihm bestimmten Er‐
denzeit.
.Verwunderlich wäre wahrhaftig, wenn
es auch Anderem dienen könnte!
.Wie die Dinge zwischen Geburt und Grab
so gestaltet und gelebt werden können, daß
die durch sie entstehenden Wirkungen ins
Unsichtbare und bis in die Welten des ewi‐
gen Geistes hinein, der Seele zu kraftvoller
Förderung werden, habe ich an jeder Stelle
meiner Schriften gezeigt, an der ich diese
Dinge erörtere.
.Wer sich Rat holen will, muß ihn darum
in diesen Schriften suchen, wo er ihn leicht
finden kann, wenn er das dort Gesagte auf
den besonderen Fall anwendet, der ihn be‐
ratungsbedürftig findet, auch wenn sein
Einzelfall dabei erst aus der Verstrickung
der zeitlichen Umstände gelöst werden
muß, sollen die auf ihn beziehbaren Worte
erkennbar werden.
.So kann ich auch Sie nur darum bitten,
das, was ich geschrieben habe, zu befragen,
denn es würde der Struktur des ewigen
geistigen Lebens, ‒ in die ich eingeordnet
bin und aus der ich zu wirken habe, was
meines Werkes ist, ‒ diametral entgegen
handeln heißen, wenn ich mich in die ir‐
disch gegebenen, wechselreichen Probleme
und Fragen einmischen wollte, die eines
jeden Einzelnen selbst zu verantwortende
und nur von ihm allein zu entscheidende
Angelegenheiten sind.
.Sie werden verstehen, daß es mir, wenn
ich ohne entgegenstehende Verpflichtung
zu urteilen berechtigt wäre, wahrhaftig
leicht fallen würde, Ihnen eine Antwort zu
formulieren, der Sie auch dann genötigt
wären, zuzustimmen, wenn sie Ihrer eige‐
nen Meinung recht fern stünde. Aber ge‐
rade solche Nötigung, die unwillkürlich
entstünde und unvermeidbar wäre, ver‐
bietet mir verpflichtendes geistiges Ge‐
setz. ‒
.Mögen Sie im Segen des Lichtes das für
Sie Richtige in sich selber finden!
Wenn Sie den „Vater”, ‒ der Ihnen ja
nicht bewußtseins-zugänglich ist, obwohl
auch Sie aus ihm leben, ‒ als „sich in zwölf
Selbstreflexionen erlebende Einheit” auf‐
fassen wollen, so entfernen Sie sich durch‐
aus nicht von der Wirklichkeit. Nur müssen
Sie dann die alle zwölf „Selbstreflexionen”
umfassende zwölfeigene Einheit als ein
Dreizehntes hinzufügen, wie es wohlweis‐
licher Gebrauch „Wissender” der Vorzeit
war. Es ist mit Sicherheit zu sagen, daß
die in den Evangelien berichtete Zwölfzahl
der Jünger, mit Jesus als dem sie alle gei‐
stig umfassenden Dreizehnten, hierher‐
gehört, während ich gerne der Archäologie
das Urteil darüber anheimstelle, ob nicht
auch die „Zwölf Götter” der Ägypter, der
Griechen und der frühesten Einwohner
Italiens, wie der späteren Römer, in glei‐
chem Sinne aufzufassen sind, wobei es
durchaus belanglos ist ‒ wie ich ja schon
in einem früheren Briefe bei anderem An‐
laß erklärte ‒ daß unter diesen „Zwölf
Göttern” auch weiblich gedachte zu finden
sind. Wenn ich auch für manche, meinem
geistigen Erfahren bedeutsame äußere Be‐
richte der archäologischen Wissenschaft
dankvoll verpflichtet bin, so weiß ich doch
leider nicht, ob Anhaltspunkte gegeben
sind, eine alle „Zwölf Götter” umfassende
oder ihnen allen innewohnende Gottgestalt
in geglaubter Beziehung zu ihnen zu ver‐
muten. Auf diese dreizehnte Gestalt aber
käme es an, wenn man ebenso mit aller
Sicherheit den „Zwölf Götter”-Kultus auf
den ewigen „Vater” bezogen sehen sollte.
Was aber den Kreis der „Zwölf” um Jesus
angeht, von denen jeder Zugehörende in
den Berichten namentlich aufgeführt ist,
so taste ich nicht etwa die Geschichtlichkeit
dieser Männer an. Man hätte nur auch we‐
niger oder ebenso mehr der Schüler Jesu
in so besonders betonter Weise nennen
können, wenn hier nicht eine Parallele zu
dem Vater-Mysterium hätte sichtbar wer‐
den sollen, das ja zu Jesu Zeit nicht nur
einzelnen „Wissenden”, sondern ganzen
Mysterienvereinen bekannt war, aus denen
später viele Anhänger der Lehre Jesu
kamen.
.Ihre Frage zeigt Sie mir aber in einer
gewissen Bereitschaft, sich unnützen Grü‐
beleien zu überlassen, was keinesfalls för‐
dernd für Sie wäre. ‒
.So bedeutungsvoll es auch für Sie ist,
zu klarer richtiger Gottesvorstellung zu ge‐
langen, so wenig kommt es darauf an, die
auf Ihrem Wege Ihnen erscheinenden neuen
Einsichten, und die sich aus ihnen ergeben‐
den Begriffe auf alle möglichen Auffassungs‐
arten hin zu untersuchen. Wenn die Turm‐
uhr „Sieben” schlägt, so genügt es durch‐
aus, daß Ihnen
diese Stundenzahl bewußt
wird, und dabei bleibt es sich gleich, ob
Sie nun dahinter gekommen sind, daß man
den in genau gleichen Intervallen ertönen‐
den Schlägen unwillkürlich einen von aller‐
lei Körperlichem bestimmten Rhythmus
unterlegt, der ebensogut:
1 ⋅ 2 ‒ 3 ⋅ 4 ‒ 5 ⋅ 6 ‒ 7 lauten kann,
wie auch: 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ⋅ 4 ‒ 5 ⋅ 6 ⋅ 7,lauten kann,
oder: 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ‒ 4 ⋅ 5 ⋅ 6 ‒ 7.lauten kann,
.Meldet sich in Ihrem Gehirn plötzlich
der Gedanke, daß man einer geistigen Tat‐
sache, von der Sie durch mich gehört ha‐
ben, auch auf irgendeine andere Art ge‐
dankliche Darstellung zu geben versuchen
könne, so folgen Sie ihm ruhig, aber neh‐
men Sie das Resultat als etwas ganz Selbst‐
verständliches hin, ohne sich in eine Art
Entdecker-Erregung bringen zu lassen, die
Ihnen nur die Perspektive verdirbt, aus
der Sie das, was Ihnen bereits klar wurde,
sehen und fassen lernten. So viel Blick‐
punkte, so viel Auffassungen sind möglich,
und alle können richtig sein, wenn sie nur
alle das klare, unverzeichnete Bild dessen
ergeben, was aufgefaßt werden soll!
.Und das Resultat Ihres Mühens allein
gibt diesem Mühen die Rechtfertigung,
einerlei, ob Sie die Schranktüre öffnen,
indem Sie den Schlüssel krampfhaft in sei‐
ner Lage im Schloß erhalten und durch
zwei Männer den Schrank um die Schlüssel‐
achse drehen lassen, oder ob Sie die etwas
einfachere Methode wählen, den Schlüssel
ins Schloß zu stecken und umzudrehen,
während Sie den Schrank ruhig stehen
lassen, wo er steht. ‒
.So ist auch die gehirnliche Konzentration
auf ein bestimmtes, seelisch zu Erfassen‐
des, keine über die Kräfte des Einzelnen
gehende Aufgabe. Man darf allerdings nicht
damit anfangen, allen anderen Gedanken
Krieg zu erklären, in der holden Illusion,
dann auf dem leeren Schlachtfeld sich so
recht ungestört mit dem gewünschten Ge‐
danken unterreden zu können! Eine richtig
eingeleitete gedankliche Konzentration ‒
die man ja auch im Alltagsleben oft recht
nötig haben kann ‒ läßt sich vergleichen
mit dem Suchen eines bestimmten Ortes
am Horizont, von einem Aussichtspunkte
her. Unzählige Formen überfliegt der Blick
auf der Suche nach dem Gesuchten. Diese
Formen verschwinden nicht etwa, noch
werden sie von dem sein bestimmtes Ob‐
jekt Suchenden als Belästigung empfunden.
Er trägt viel zu intensiv das Nahbild des
Gesuchten in sich. Aber es ist gerade dieses
Nah-Bild des Gesuchten, das zuerst am
Auffinden hindert, ‒ bis dann dem Sucher
zu Bewußtsein kommt, daß er ja jetzt das
Fern-Bild allein zu erwarten hat, wonach
er dann bald das Gesuchte am Horizont ge‐
wahren wird. War das Nahbild vielleicht
ein mächtiger Turm, so ist allerdings viel‐
leicht jetzt nur eine aus den vielen an‐
deren Formen herausragende Silhouette
von der Größe einer Nadelspitze als Fern‐
bild gegeben, aber nun weiß der Sucher
dieses gesicherte Fernbild leicht festzu‐
halten oder sogleich wieder aufzufinden,
ohne sich im mindesten durch die vielen
anderen Formen am Horizont irgendwie
gestört zu fühlen.
.Die Nutzanwendung dieses Vergleiches
ist leicht zu finden.
.Will man zur wirklichen Konzentration
kommen, dann muß man sich vor allem
darüber klar werden, wie sich das Objekt,
auf das man sich zu konzentrieren beab‐
sichtigt, von dem eingenommenen eigenen
Standpunkt her erkennen lassen kann.
Auch in der Gedankenwelt gelten Gesetze
einer Art „Perspektive”!
.Hat man sich dann vorgestellt, in welcher
Form das Objekt der Konzentration ver‐
nünftigerweise fixiert zu werden vermag,
dann ist es in dieser Form aufzusuchen und
gedanklich zu „betrachten”, wobei alle
anderen gegenwärtigen Gedanken nur zu
ignorieren sind, aber niemals bekämpft
werden dürfen, weil sie ja gerade dadurch ‒
zur Aktion aufgerufen ‒ das Ignorieren
unmöglich werden lassen müßten. Auch
der Wanderer, der von seinem Aussichts‐
punkt aus die von ihm gesuchte Kirchturm‐
spitze gefunden hat, sieht optisch zugleich
alles, was sich in seinem Gesichtsfeld be‐
findet, ‒ mag es sich um unbewegliche Ge‐
staltungen handeln, oder um das, was
kommt und geht. Alles das aber wird ihm
kaum bewußt, solange ihm das gefundene
Fernbild Anlaß bietet, sich mit der Wirk‐
lichkeit, die ihm entspricht, innerlich zu
beschäftigen.
.Möchte Ihnen mein heutiger Brief wie‐
der über einige Schwierigkeiten hinüber‐
helfen!
.Empfangen Sie allen Segen!
Was Ihnen da jetzt klar geworden ist, kann
ich freudig begrüßen, und ich begreife, daß
Ihnen bei dieser „Entdeckung” zumute
war, als seien Ihnen endlich die Augen „ge‐
öffnet” worden. Ich weiß ja sehr wohl auch
heute noch die Gründe zu achten, die mich
damals, als ich „Das Buch vom lebendigen
Gott” schweren Herzens der Öffentlichkeit
übergab, bewogen hatten, mich zuweilen
schützender Verhüllung zu bedienen, aber
es ist mir auch möglich, nachzufühlen, wie
befreiend das Bewußtsein empfunden wer‐
den mag, nun mit aller Gewißheit zu wissen,
was unter der Hülle sich vor wenig erfreu‐
lichen Blicken verbirgt.
.Mit Willen hatte ich aber zugleich durch
solche Verhüllung dem Leser die Möglich‐
keit gelassen, sich die geistige Gemeinsam‐
keit der Leuchtenden des Urlichtes nach
seiner eigenen Weise vorzustellen, damit
er nicht zurückscheue vor einem vermeint‐
lichen Glaubenspostulat. Daß der Wahrheit
aber nirgends Gewalt angetan wurde, wis‐
sen Sie jetzt ja am besten selbst zu beur‐
teilen, nachdem Sie nun erkannt haben,
daß das „Oberhaupt”, von dem ich sage,
es werde „nicht gewählt” und „nicht er‐
nannt”, aber dennoch sei niemals einer
aus der Vereinung der Leuchtenden im
Zweifel, wer es sei, ‒: der „Vater” ist, als
dessen geistgezeugte Söhne wir Leuchten‐
den des Urlichtes uns innerhalb der Struk‐
tur des geistigen Lebens an der uns ge‐
gebenen Stätte wissen. Daß ich die ge‐
brauchten Bilder und Gleichnisse mißver‐
standen sehen würde, bezweifelte ich nicht,
aber niemals hätte ich geglaubt, daß einer
von denen, für die meine Bücher wirk‐
lich geschrieben wurden, mich falsch ver‐
stehen könne, wenn ich es nicht bisher
oft genug hätte erleben müssen. Sie selbst
sagen ja, daß es Ihnen erst jetzt endlich
„wie Schuppen von den Augen gefallen”
sei...
.Solche „Schuppen” scheinen aber noch
viele Augen zu bedecken, die ich wahrlich
von ihnen frei geglaubt hatte und nicht
erst befreiungsbedürftig.
.Ist denn so schwer, richtig seinem tie‐
feren Sinne nach, zu deuten, was ich nur
deshalb so behutsam umkleidet habe, da‐
mit es den unsauberen Blicken derer ent‐
gehen möge, für die es nicht erkennbar
sein soll?! Was mich betrifft, so bin ich ja
oft versucht, mich manchen Danebenver‐
stehens, das mir begegnet, erleichtert zu
freuen, weil es mir wirklich wenig ange‐
nehm wäre, von jedem verstanden zu wer‐
den. Allein um der zum Erwachen im
Geiste Fähigen willen muß ich mich offen‐
baren! Aber was hier zu offenbaren ist,
macht diese Pflicht zu einer wahrlich nicht
begehrten Last. ‒
.Zahlreich sind daher auch die Stellen, be‐
sonders in den zuerst erschienenen meiner
Bücher, an denen ich ‒ kaum daß ich mich
im Irdischen überwunden und zu mir selbst
im ewigen Geiste bekannt hatte ‒ mich
sogleich wieder hinter meinem Nur-erden‐
haften zu verbergen suchte. ‒ Möglichkeit
zu solchem Mich-verschwindenlassen hin‐
ter meinem Zeitlichen bot diesem ja immer
der glückhafte Zustand, daß in meiner
Selbstbezeichnung „Ich” ebenso mein ir‐
disch Vergängliches wie mein urewiges
substantielles geistiges Sein sich ausspre‐
chen kann, da sie ja allem mich ewig Dar‐
bildenden wie allem mir nur auf Zeit‐
dauer Eigenen dient.
.Ich verrate Ihnen freilich hier kein Ge‐
heimnis, nachdem ich mich aus Gründen,
die mir wahrhaftig beträchtlich genug er‐
schienen, entschloß, die drei nun neuer‐
dings veröffentlichten kleinen Bände dar‐
zubieten, die in rhythmisch geordneter
Form eine Folge von Bekenntnissen ent‐
halten, wie sie der irdische Mensch sich
nur schwer, und nur im Angesichte der
letzten Dinge allenfalls abringen läßt.
.Aber selbst hier betrachtet der Verkün‐
der immer wieder gerne sein Ewiges eben‐
so, wie mein mir von Ewigkeit her Be‐
wußtes auch aus der erdgemäßen Perspek‐
tive seiner zeitbedingten Vergänglichkeit,
und es wird also auch hier, wie schon an
anderen Orten, Ihnen überlassen bleiben
müssen, zu erfühlen, was jeweils spricht,
da ich durchaus nicht gesonnen war, die
Empfindungen des Zeitlichen, das die
Möglichkeit meiner Offenbarung schafft,
um meines ewigen Seins willen ohne Not‐
wendigkeit zu unterdrücken.
.Die Empfindungen des Ewigen sind aber
in der Seele wesentlich verschieden, je
nachdem, ob ein Irdischer sich von seinem
Standort her in Meditation und seelischem
Ringen Einsicht in Geistiges erwarb, oder
ob er teilhat an seinem Ewigen durch ein
ihm geistig wie leiblich vereinigtes ewiges
Sein, dessen Werkwirker er ist für die
Erdenwelt.
.Ich wußte von Anfang an sehr wohl, wie
viel ich bei meinen Mitmenschen voraus‐
setzen müsse, wofür die Vorstellungsfähig‐
keit nur selten gefunden wird.
.Ein Träger ewigen Bewußtseins ‒ wie
man ihn auch benennen möge ‒ der sich
einem irdischen Menschen: dessen ewiger
Seele wie dessen zeitlich vergänglichem
Leibe, vereinigt, ja geradezu amalgamiert,
und das auf Grund freiwillig übernom‐
mener, um unvorstellbare Zeiträume zu‐
rückliegender Verpflichtung der ewigen
geistigen Individualität dieses Erdenmen‐
schen, ‒ das ist für den modernen Euro‐
päer nichts als eine Reihe absurder Träume‐
reien, die er lediglich als Resultat einer
Gehirnerkrankung noch entschuldbar fin‐
det. Und man darf ihm bei seiner absoluten
Ahnungslosigkeit überzeitlichen Dingen
gegenüber, seine seelische Ignoranz nicht
einmal übelnehmen. Er kann nicht anders!
.Es ist nicht verwunderlich, daß es mich
desto mehr freut, wenn ich so viele unver‐
hoffte Ausnahmen gewahre, so daß mir auch
Ihr eingehender lieber Brief, der Sie mir
ja wahrhaftig wieder als erfreulichste Aus‐
nahme in dem hier gemeinten Sinne zeigt,
für mich eine ganz große Freude war und
bleiben wird.
.Wenn Sie sich entschließen können, alle
meine Bücher, die Sie bisher verstandes‐
mäßig durchzuarbeiten und seelisch sich
zu eigen zu machen suchten, nun an Hand
Ihrer neuen Erkenntnis sogleich nochmals
im Ganzen vorzunehmen, werden Sie glau‐
hen, Sie hätten die Texte überhaupt noch
nicht gelesen. So anders wird sich Ihnen
der Sinn erschließen in vielem, was vorher
unerfaßt blieb.
.Aller Segen aus dem ewigen geistigen
Lichte, in dem ich lebe, sei mit Ihnen!
Die Grenzen zwischen dem, was der Seele
eines jeden Erdenmenschen im ewigen Gei‐
ste zu erleben möglich ist, und dem, was
nur der Leuchtende des Urlichtes zu er‐
fahren vermag, sind allerdings in meinen
Schriften nicht immer scharf gezogen. In‐
sofern sind Sie durchaus im Recht. Was Sie
aber unmöglich wissen konnten, ist, daß
diese scheinbar einen Mangel darstellende
unscharfe Scheidung durch das in der Wirk‐
lichkeit Gegebene gefordert und bestimmt
ist, so daß mir keineswegs die schärfere
Scheidung möglich gewesen wäre.
.Überlegen Sie, daß in jedem Erden‐
menschen, bei aller Tiergleichheit in bezug
auf den Leib und die wieder auflösbare
„Tierseele”, die Funktionsergebnis dieses
Leibes ist, auch ein Ewiges sich darlebt,
mag es auch bei vielen zeitlebens latent
bleiben. Dieser ewige „Geistesfunke”, dem
die aus ewigen Seelenkräften sich gestal‐
tende und daher ewige Seele Darstellungs‐
bereich ist, erfüllt innerhalb der Struktur
ewigen geistigen Lebens ebenso seine ihm
allein vorbehaltene Stätte, wie der ewige
Leuchtende des Urlichtes die seine ein‐
nimmt. Dem Leuchtenden, der erdenkör‐
perlich wirkt, ist ein solcher Geistesfunke
seit unermeßlicher Zeit geistig vereinigt,
und mit ihm dessen ewige Seelenkräfte,
so daß zuletzt auch Tierseele und Leib die
Influenzwirkungen des ewigen Leuchten‐
den erfahren, dessen zeitliche Werkzeuge
sie sind, solange sie auf Erden im Physi‐
schen lebensbeständig bleiben können.
Während aber dem Leuchtenden des Ur‐
lichtes alle Erlebensmöglichkeit, die das
Leben des ewigen Geistes umschließt, bis
ins Innerste dieses Lebens gegeben sind,
da er ja von ihm aus bewußt ist, kann er
doch nur dem ewigen Einzelmenschen‐
geiste, dem er sich im Ewigen vereinigte,
um durch ihn einst dann auf Erden die
Möglichkeit zu geistiger Hilfeleistung zu
haben, Anteil an seiner, alles geistige Le‐
ben in sich durchdringenden Erlebensweise
geben, indem er ihn, Jahrtausende vor der
ihn später tragenden „Tierwerdung” auf
Erden, in sich realiter „hineinnimmt” und
so ihn an allem teilnehmen läßt, was in
ihm selber Leben ist. Dieses „Hineinneh‐
men” ist geistesgesetzliche Folge der un‐
darstellbare Zeit vordem dargebotenen frei‐
willigen Verpflichtung, die der von nun an
geheimnisvollste Vorbereitung Genießende
eingegangen war. Allen anderen im Irdi‐
schen inkarnierten ewigen Geistesfunken
vermögen jedoch die Leuchtenden des Ur‐
lichtes nur dazu zu verhelfen, ihrer ewigen
Seelenkräfte habhaft und Herr zu werden,
um im Bewußtsein der Seele sich selbst
zu finden und die ihnen gemäße Form der
Seele sich bilden und vereinigen zu können.
Da nun zwischen den ewigen Seelenkräften
und dem gehirnbedingten Erkennen, Emp‐
finden und Erlebenkönnen stete Influenz‐
wirkungen bestehen, so kann dieses see‐
lische Erwachen in entscheidender Weise
von den Vorstellungsbereichen des Erden‐
menschen her gefördert werden, wie an‐
dererseits auch die Einflüsse aus dem ewigen
Geiste über die Individualgestaltung des
Geistes, die in dem ewigen Geistesfunken
des Menschen gegeben ist, allmählich den
ganzen tiernahen Leib derart zu durch‐
dringen vermögen, daß er zur Verkörpe‐
rung des Geistes auf Erden zu werden ver‐
mag.
.Dem Geistigen eines jeden Erdenmen‐
schen entsprechen nun aber ganz be‐
stimmte, nur ihm allein zugängliche gei‐
stige Erlebensformen und die hier mög‐
lichen Kombinationen sind der Zahl nach
unendlich, so daß es ganz unmöglich wäre,
sie alle jemals darzustellen, ja nur gruppen‐
weise zu charakterisieren. Da nun aber der
Erziehung des Vorstellungslebens so uner‐
meßliche Bedeutung zufällt, und der vom
Irdischen her nach dem Geistigen Suchende
möglichst von dem schon irdisch erfahren
haben sollte, was ihm geistiges Erleben
werden kann, so ist es besser, er weiß von
allem, was an diesen Dingen Menschen er‐
fahrbar zu werden vermag, als wenn ich
nur das Allgemeinste erörtern, alles Be‐
sondere aber verschweigen wollte. Ich sagte
Ihnen schon einmal, daß jeder, sich selbst
gegenüber ehrliche Suchende alsbald wissen
wird, was ihm in meinen Lehrtexten im
Besonderen gilt, wobei es ihm nur zu grö‐
ßerer und tieferer Einsicht in die Natur
alles Geistigen dienen kann, wenn er auch
von anderen Möglichkeiten erfährt, denen
gegenüber er spontan fühlt, daß sie der
Art nach nicht für ihn in Frage kommen,
auch wenn Andere so zum gleichen Ziele
gelangen.
.Es sind dunkle triebdumpfe Atavismen
die durch unsere tierleibliche Herkunft
aus der Substanz des Planeten nur zu sehr
erklärlich werden, wenn immer wieder der
widergeistige Gedanke in den Köpfen auf‐
lebt, alle Menschen seien „gleich” vor
Gott. Tröstlich bleibt dabei nur, daß dieser
„Gott” der Langweile das Erzeugnis gleich‐
wertiger Ursache ist. ‒ Die Wirklichkeit
aber kennt in den Beziehungen zu Gott
innerhalb der Struktur des Lebens im ewi‐
gen Geiste nur unendlichfältige Verschie‐
denheit. Eine Gleichheit vor Gott darf le‐
diglich insofern zu Recht behauptet wer‐
den, als sie sich auf die allen Erdenmen‐
schen gemeinsame leibliche Tiernatur be‐
zieht, die von dem Planeten genommen
ist und ihm wieder anheimfällt. Soweit aber
das Doppelwesen, das sich auf Erden be‐
scheidenerweise für den Inbegriff des „Men‐
schen” hält, geistiger Natur zugehört, sind
seine einzelnen Geistesfunken verschie‐
dener voneinander als alles Verschiedene,
was es auf Erden an irdischen Formen zu
unterscheiden gibt! Und zwar nicht nur
im Nebeneinander gesehen, sondern eben‐
so in bezug auf die hierarchisch unfaßbar
scharf bestimmte Stufe der Eigenkapazität
innerhalb des geistigen Lebens!
.Hier läßt sich nichts abhandeln durch
philosophische Begriffsbildungen, die in
der Sphäre der Wirklichkeit so wenig Hei‐
matrecht haben, daß man sie nicht einmal
als Schatten und Schemengebilde wahr‐
nimmt.
.Hier läßt sich aber auch nichts erkaufen,
denn alles was der Andere hat, ist in glei‐
cher Weise wie das Eigene, in der Struktur
des geistigen Lebens gründender, ewig un‐
veräußerlicher Besitz.
.Sie sehen, daß sogar sehr scharfe Gren‐
zen zwischen den Erlebensmöglichkeiten
der einzelnen geistigen Individualitäten
bestehen, aber Sie werden auch bereits
entdeckt haben, daß die Oberfläche der
Erde nicht ausreichen dürfte, diese Gren‐
zen alle aufzuzeichnen, und daß die von
Ihnen vermißte „schärfere Scheidung”
dessen, was nur dem Leuchtenden des Ur‐
lichtes zu erleben möglich ist, und dessen,
was jeder Menschengeist nach dem Er‐
wachen seiner Seele aufzunehmen vermag,
schon dadurch ganz unmöglich würde, daß
es sich in dem einen Falle um eine, Un‐
endliches in sich fassende, im anderen um
die denkbar differenteste Erlebensfähig‐
keit des Selbstbegrenzten handelt! ‒
.Leben Sie im Segen des Lichtes!
Daß ich diese Frage eines Tages von Ihnen
hören würde, konnte ich als gewiß erwarten.
Ich wundere mich nur, daß ich sie nicht
längst vorgelegt erhielt. Ich staune auch
darüber, daß sie mir so selten von Suchen‐
den vorgelegt wurde. Es ist, als fürchte
man, ich könne sie so beantworten, wie
man sie eben doch nicht beantwortet sehen
möchte...
.Von Jesus wird erzählt, wie allen Christ‐
gläubigen bekannt ist, daß er einmal ge‐
sagt haben solle: „Wer mich vor den Men‐
schen verleugnet, den werde ich auch vor
meinem Vater verleugnen, der im Himmel
ist.” In dieser Fassung: ‒ als Drohung, ‒
ging dieses Wort gewiß nicht über Jesu
Lippen, aber diese Drohung war einer
heranwachsenden, eifersüchtig um ihren
zahlenmäßigen Vorrang vor anderen Kult‐
vereinen damaliger Zeit ringenden My‐
steriengemeinschaft, die eben im Begriffe
war, sich aus dem Volksverband des antiken
Judentums zu lösen, der sie durch einen
der Seinen, wenn auch ungewollt, hervor‐
gebracht hatte, recht aus dem Herzen ge‐
kommen. So „mußte” der Gesalbte, dem
man nun, frei nach den umgebenden Vor‐
bildern, im „Mysterium” nahte, gespro‐
chen haben und darum „hatte” er so ge‐
sprochen! Die Berichte über sein Leben
und seine Lehre waren ja vorläufig nur kul‐
tisch verwendete Rezitationstexte, ‒ noch
nicht wie später: ‒ „Heilige Schrift”.
Aber ein belegbildender Anlaß, diese Dro‐
hung zu formulieren war für die Gestalter
der Texte dennoch gegeben, denn Jesus
hatte einst wirklich darauf hingewiesen,
daß der Mensch unmöglich „zwei Herren
dienen”, ‒ also im äußeren irdischen Leben
sich anders verhalten könne, als ihm seine
seelische Einsicht vorschreibe, wenn er
nicht zum Verräter an sich selbst werden
wolle. Das hieß freilich nur, daß irdisches
Verhalten ewigem Gesetz entsprechen
müsse, und daß der Mensch nicht etwa nach
einem System sein irdisches Leben führen
könne und dabei nach einem anderen in
sein ewiges Heil zu kommen vermöge. Aber
daraus ließ sich mit Leichtigkeit die Dro‐
hung drechseln, die man brauchte, um die
allein der Tierseele entstammende Seelen‐
angst in den Dienst der Propaganda für
den neuen Mysterienkult zu zwingen. Man
ließ nicht Raum für Zweifel. Das war da‐
maliger Art nicht gemäß. Der Meister, der
Kyrios, der Gesalbte, hatte von nun an
„gesagt”, daß er jene vor seinem himm‐
lischen Vater nicht anerkennen werde, die
ihn ‒ was hier heißen will: den ihn in einem
neuen Mysterium kultisch erlebenden Ver‐
ein ‒ nicht als Erfüller ihres seelischen
Vorahnens vor allen Andersdenkenden zu
propagieren bereit gewesen seien, während
ihres Erdenlebens. Daß die psychologische
Beurteilung ihrer Nebenmenschen von sei‐
ten der ersten Leiter des damaligen neuen
Mysterienkultes richtig war, wird man nicht
bezweifeln. Aber man wird auch nicht be‐
zweifeln dürfen, daß die nur gelegentliche
Befolgung geistiges Leben betreffender An‐
weisungen ‒ und um solche handelt es sich
wesentlich in Jesu Lehren ‒ nur frivole
Spielerei ist und vor dem ewigen Geiste
gegenstandslos, wenn sie nicht gar Abwehr‐
kräfte im Geistigen auslöst, deren unheim‐
liche Gerechtigkeit jedem, der sie schon
in ihrer Auswirkung an Anderen auf Erden
gewahrte, erschütternde Schauder der Seele
erregen mußte. In gewissem Sinne ist also
doch aus der nach Jesu Zeit formulierten
Drohung die harte Wahrheit herauslesbar,
daß alle Beschäftigung mit geistgegebenen
Anweisungen nicht zum erstrebten Ziele
führt, wenn nicht der, diese Anweisungen
Kennende, die aus ihnen hervorgehenden
Konsequenzen zieht, aller Außenwelt
gegenüber. Auch Sie gewahren sich nun
vor der Notwendigkeit, im Außenleben,
Ihrer Mitwelt gegenüber, die Konsequen‐
zen aus den durch mich erhaltenen Lehren
zu ziehen und erklären sich bereit dazu,
kommen aber noch nicht recht mit sich
darüber ins reine, wie das geschehen müsse.
Ich habe allerdings in meinem Buche „Der
Weg meiner Schüler” schon gezeigt, wie
fehlwegig das „Bekehrenwollen” zu den in
meinen Büchern dargebotenen Lehren ist,
so daß ich Sie davor wohl kaum noch zu
warnen brauche. Aber man verkennt auch
von Grund aus den Sinn der Existenz dieser
Bücher und ihre in Wahrheit „einzig-artige”
Verankerung im Ewigen, wenn man voll
gutgemeintem Betätigungsdrang im Sinne
ihrer Verbreitung glaubt, es müsse ihnen
eine „offizielle” Wirkungsbasis geschaffen
werden.
.Ihre Frage, wie Sie auf richtige Art die
Konsequenzen Ihres geistigen Voranschrei‐
tens nun auch in der Außenwelt ziehen
sollen, muß von den in diesem Zusammen‐
hang von Ihnen erwähnten Möglichkeiten
in bezug auf meine geistigen Lehrbücher
scharf getrennt werden.
.Gewiß will ich es durch meine Erörte‐
rungen in dem Buche „Der Weg meiner
Schüler” nicht etwa als unerwünscht an‐
gesehen wissen, wenn man eines meiner
Bücher ebenso weiter empfiehlt, wie einen
Romanband durch den man selbst künst‐
lerisch beeindruckt wurde. Ich warne in
meinem Buche lediglich vor einem sich
mehr oder weniger aufdrängenden „Missio‐
nieren”, ‒ vor der Selbstberufung zu
einem vermeintlich nötigen Apostolat.
.Es ist auch eine Selbstverständlichkeit
und nur Erfüllung literarischer Anstands‐
pflicht, daß man die Quelle deutlich nennt,
wenn man Zitate aus meinen Büchern
bringt, oder durch ihre Wortbildungen sich
„anregen” läßt. Schließlich sind die Ver‐
kündungen meiner Bücher von mir in Form
gefaßt, und diese Form ist mein geistiges
Eigentum, das ich nicht unter dem köst‐
lichen Vorwand: es handle sich doch um
geistig gegebene Lehren, zur Freibeute
gemacht wissen will. Und nicht nur die
künstlerische Form ist mein ausschließ‐
liches geistiges Eigentum, sondern auch
die rein gedankliche Darlegung!
.Aber das alles geht Sie hier wohl kaum
an, denn es handelt sich bei den aus der
Aufnahme meiner Lehrtexte erwachsenden
„Konsequenzen” überhaupt nicht um die
Bücher, sondern um Ihr praktisches Ver‐
halten im äußeren Leben, und hier dürfte
es doch wahrlich nicht gar zu fernliegend
sein, zu erkennen, daß alles allmählich aus
diesem Leben schwinden muß, was sich
mit einem Befolgen der Ratschläge und
Lehren in meinen Büchern nicht einwand‐
frei vereinigen läßt. Ebenso ist doch auch
leicht zu verstehen, daß es mit dem bloßen
Vermeiden des Unvereinbaren nicht ge‐
tan ist, sondern daß Sie nun auch die mo‐
ralische Pflicht haben, Ihr Leben mehr und
mehr durch bewußtes und gewolltes Ge‐
stalten des meinen Räten entsprechenden
Positiven, in Ihrem ganzen Tun, Reden
und Verhalten, zu bereichern! Mit dem
„Reden” meine ich aber beileibe nicht
etwa ein stetes Im-Munde-Tragen meiner
Worte! ‒ Ihr Reden soll sich vielmehr in
Ihnen selbst ‒ vor meinen Worten stets
verantwortbar erweisen! ‒
.Andererseits steht es Ihnen jederzeit frei,
sich, wo Sie es für angebracht halten, auch
namentlich zu mir zu bekennen, ‒ nur
sollte das, wo es geschieht, in einer Art
geschehen, die einigermaßen der Würde
solchen Bekennens entspricht, ‒ also etwa
auf ähnliche Weise, wie sich wissenschaftlich
tätige Menschen mit Selbstverständlichkeit
zu den Begründern ihrer „Schulen”, ‒
ihrer auf Grund gewisser Erkenntnisse ge‐
einigt strebenden Gruppe, bekennen.
.Damit werde ich wohl heute meinen
Brief beenden dürfen, wobei ich hoffe, Ihre
Frage von allen Aspekten her beantwortet
zu haben.
.Je mehr Sie Sorge tragen, daß sich Ihre,
durch meine geistigen Lehrbücher in Ihnen
erweckten Erkenntnisse in Ihrem Leben
praktisch auswirken, desto mehr werden
Sie auch Ihrem Außenleben dienen.
.Seien Sie gesegnet in allem, was Sie,
geistigem Gesetz entsprechend, an Gutem
in die Außenwelt tragen!
Ihre Auffassung jener Stellen meiner Bü‐
cher, an denen davon die Rede ist, daß
auch ein Mensch, der zum Meister geistigen
Wirkens auf dieser Erde vollendet war,
durch eigene furchtbare Schuld aus dem
hohen Leuchten fallen könne, und daß es
von alter Zeit her solche durch eigenen
Frevel Gestürzte gibt, entspricht durchaus
dem, was von mir bei der Erwähnung die‐
ser Unseligen gemeint war. Da Sie aber
ausdrücklich um Antwort bitten, ob Ihre
Auffassung durch mich bestätigt werden
dürfe, so sei ihr hier die Bestätigung ebenso
ausdrücklich gegeben. Wohl wäre es ja prak‐
tisch für Sie kaum von Bedeutung gewesen,
wenn Sie möglicherweise zu Vorstellungen
geneigt hätten, die abweichend von dem
Gemeinten gewesen wären. Um Ihren eige‐
nen Weg zum Erlebenkönnen ewigen Gei‐
stes zu finden, brauchen Sie wirklich den
hier herangezogenen Stellen meiner Bü‐
cher die ausführliche Deutung nicht geben
zu können, die Sie ihnen aus Ihrem pri‐
vaten Interesse heraus schließlich fanden.
Es ist aber gewiß besser, man duldet in
seiner Vorstellung auch nicht die kleinsten
vermeidbaren Unklarheiten, und darum
begrüße ich es doch, daß Sie sich nicht
eher Ruhe ließen, als bis Sie auch dieses
Schrecklichste, was sich auf der Erde zu‐
tragen kann, unbeirrbaren Blickes durch‐
drungen hatten.
.Als ich die betreffenden Stellen nieder‐
schrieb, dachte ich allerdings nicht, daß sich
irgendein Leser darüber Kopfzerbrechen
machen würde, sonst hätte ich dem, was
ich da nur um der Lückenlosigkeit meiner
Darstellungen willen zur Sprache brachte,
wahrhaftig noch weitere Erläuterungen bei‐
gegeben. Aber weshalb hätte ich sie für
nötig erachten sollen? Ich konnte doch un‐
möglich annehmen, daß ein denkender
Mensch etwa zu der Meinung käme, ein
aus dem „Vater” in diese Erdenwelt ent‐
sandter geistgezeugter Leuchtender des
Urlichtes, als ewiges Wesen, könne unter
wie immer gearteten Umständen in grauen‐
voller, Äonen lang währender Umnach‐
tung seine geistige Auflösung erfahren, und
ebensowenig durfte ich nach allem, was
ich über den „ewigen Geistesfunken” im
Erdenmenschen an anderen Orten gesagt
hatte, vermuten, daß man am Ende diesen
ewigen geistigen Pol des Erdenmenschen
für auflösbar halten würde. Deutlich hatte
ich ja auch von der Seele gesprochen, die
zu einem „Reiche” der Ewigkeit geworden
sei, dessen „Krone und Zepter” dem „Auf‐
genommenen” in die Gemeinschaft der
Leuchtenden durch nichts verlierbar wer‐
den könne, außer durch ihn selbst. Ich habe
allerdings auch, abgesehen von Ihrem letz‐
ten Briefe, niemals eine Zuschrift erhalten,
aus der zu entnehmen gewesen wäre, daß
meine Worte einem Leser Schwierigkeiten
bereitet hätten. Wie man sieht, ist es ja
auch Ihnen gelungen, sich auf alle Fragen,
die Sie sich selbst an den bewußten Stellen
vorlegten, die richtige Antwort zu geben.
.Da der Leuchtende des Urlichtes, der in
erdenmenschliches Wirken eintritt, sich
mit dem ihm seit unvorstellbaren Zeiten
aus freien Stücken verpflichteten Men‐
schengeiste und dessen dann gegebener
erdenmenschlicher Darstellung so ganz ver‐
bindet, daß während des Erdenlebens ge‐
radezu von einer Verschmelzung gespro‐
chen werden muß, so ergibt sich infolge
solcher Verbindung auch eine Form der
Seele, die alles hier Verbundene in sich
zu empfinden vermag und an allem hier
gegebenen Bewußtsein teilnimmt. Wo diese
Seelenform nicht durch Willenswahn des
Irdischen zur Auflösung verurteilt wird,
dort geht sie nach der Beendung des erden‐
körperlichen Lebens nicht nur dem ewigen
Menschengeiste nicht verloren, sondern
bleibt mit ihm zugleich auch dem ewigen
Leuchtenden erhalten und sich selbst in
ihm. Aber auch dort, wo ihre Auflösung,
die allein durch die Willensüberheblich‐
keit des in dem geschilderten Verbande zu
findenden irdisch vergänglichen Teiles
möglich werden kann, unvermeidbar wird,
gehen natürlich keineswegs die ewigen
Urseinskräfte, die in ihrer hohen Form
als „Seelenkräfte” einst eine dem Leuch‐
tenden wie dem ihm verbundenen ewigen
Geistesmenschen gemeinsame Seelenform
gestaltet hatten, „verloren”, sondern wan‐
deln sich nur zurück in ihre eigene Aus‐
gangsform, nachdem sie sich, wie geschil‐
dert, aus dem voreinst so vollkommenen
Seelengebilde lösten. Es ist eine Bewußt‐
seinsauflösung durch Verlust des ewigen
Ich, das selber jedoch ebenso unverletzlich
im Geiste bestehen bleibt wie der Leuch‐
tende, dem es sich voreinst verpflichtet
hatte.
.Für irdisches Vorstellungsvermögen ist
freilich das, was da von mir angedeutet
wurde, nur dann leidlich erfaßbar, wenn
man sich, wie Sie, bei dem Schluß be‐
scheidet: „Ewiges kann nicht zerstörbar
sein, folglich muß es sich da um eine Be‐
wußtseinsform handeln, die zwar dazu ge‐
staltet war, auch Ewigem zu dienen, sich
selbst aber zu groß geworden fand, um sich
ihres nur im Ewigen und für das Ewige
gegebenen Seins gegenwärtig zu bleiben”.
Im Kleinen ereignet sich solcher Seelen‐
verlust tagtäglich tausendfach unter Men‐
schen auf Erden, die gewiß nicht einem
Leuchtenden des Urlichtes vereinigt sind.
Auch darüber habe ich ja genug geschrieben.
Ganz ähnlich erfährt auch hier der seelen‐
los Gewordene nach seinem leiblichen Tode
die qualvolle Bewußtseinsauflösung in ir‐
disch unvorstellbarer grauenvoller Nacht,
äonenlang noch dazu verdammt, um das
Unvermeidbare zu
wissen, ohne ihm
weh‐
ren zu können. ‒ Und auch alle
diese vielen
Seelenzerstörungen berühren in keiner
Weise die
ewige Natur der
Seelenkräfte,
die bei der Formung der nun in Auflösung
endenden „verlorenen” Seelen beteiligt
waren. Verursacht aber wird all dieser Mord
an der eigenen Seele immer wieder durch
das überhebliche Verlassen der
Bewußt‐
seinsgegenwart vor dem Ewigen.
Sich nur im Ewigen achten
Und nur in ihm sich zu leben,
Wahrlich, ist schwerer
Als jegliches irdische Streben! ‒
Hart wird es Zeitlichem,
Hierfür sich selbst zu entsagen: ‒
Kaum vermag irdisches Trachten
Solchen Verzicht zu ertragen.
*
.Es ist die seit der Urzeit immer wieder‐
kehrende Tragik des Erdenmenschen, daß
er sich selbst gerade damit
zerstört, womit
er sich zu
erhalten und
über das ihn Er‐
haltende emporzuschwingen meint...
.Möge Ihnen meine Antwort auf Ihren,
mich recht erfreuenden Brief in mancher
Hinsicht auch noch Ungefragtes beant‐
worten!
.Seien Sie stets im Segen des Lichtes!
Tragen Sie nur ganz unbesorgt den mir
geschilderten kunstreich gestalteten Ring,
der Ihnen als kostbares Familienerbstück
zugefallen ist, auch wenn Ihr, auf astro‐
logische Ansichten eingeschworener Be‐
kannter Sie mit seiner törichten Warnung
ängstet: Aquamarin sei nicht „Ihr Stein”!
Die „überaus sympathischen Empfindun‐
gen”, die Sie dem Stein gegenüber er‐
füllen, sind weit sicherere Beweise dafür,
daß der Stein zu Ihrer Natur verwandte
Schwingungsbeziehungen hat, als alle heu‐
tigen astrologischen Berechnungen wären,
die ‒ notgedrungen ‒ unvollkommene
Resultate liefern müssen, wenn sie auch in
einzelnen Punkten gewiß zutreffend sein
mögen. Es ist zu viel von dem ‒ wirklichen
und auch nur vermuteten ‒ alten Erfah‐
rungswissen verlorengegangen, vielleicht
nie vorhanden gewesen, oder aber heute
allem Fehldeuten ausgesetzt, und bis sich
hier ein neues Erfahrungswissen einwand‐
frei sichern läßt, wird man sich nur auf die
charakterologischen Vermutungen der Ho‐
roskope einigermaßen stützen dürfen, und
auch auf diese nur dann, wenn es möglich
war, ganz genaue und sichere Angaben über
die Geburtszeit des astrologisch zu Analy‐
sierenden zu erhalten. Daß im Massen‐
betrieb hergestellte sogenannte „Horo‐
skope”, wie sie im Annoncenteil der Tages‐
zeitungen permanent angeboten werden,
hier ganz außer Betracht bleiben müssen,
brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu be‐
kräftigen.
.Was aber die Zuteilung gewisser Steine
zu verschiedenen Menschen betrifft, so sind
dafür sehr viele Aussagen des astrologischen
Befundes in Wirklichkeit als bestimmend
zu werten, während die meisten ‒ wenn
nicht alle ‒ heutigen Liebhaber und Kun‐
digen der Astrologie sich zu sehr durch
den jeweiligen Hauptbefund leiten lassen.
So kann es vorkommen, daß astrologische
Errechnung und traditionelle Horoskop‐
deutung Steine bestimmen für Leute, die
gerade diese Steine nur mit Widerwillen
ansehen können, was der beste Beweis da‐
für ist, daß die „verordneten” Kristalli‐
sationserscheinungen zu der betreffenden
menschlichen Natur und ihrem Lebens‐
rhythmus keinerlei, oder gar entgegen‐
wirkende Strahlungsbeziehungen haben.
Mir sind viele Fälle solcher Art bekannt
geworden. Ich habe immer geraten, sich
nur durch das eigene Gefühl leiten zu
lassen, das gerade Edelsteinen gegenüber
weit sicherer anspricht und entscheidet, als
das beste Horoskop, aus dessen Deutung man
„befreundete” Steine zu bestimmen sucht.
.Vergessen Sie aber auch nicht, daß es
sich bei der Einwirkung der Edelsteine auf
ihre menschlichen Träger einzig und allein
nur um die Region der tierhaft gestalteten,
vergänglichen irdischen Erscheinung des
Menschen handelt, so daß naturnotwendig
nicht etwa ein günstiger oder ungünstiger
Einfluß auf die geistige Entwicklung er‐
wartet oder befürchtet werden darf! Allen‐
falls dürfte man von einem indirekten för‐
dernden oder hemmenden Einfluß insofern
sprechen, als der durch die Steine, die er
trägt, zu einer gewissen Harmonie in seinem
Tiermenschlichen angeregte Mensch bei
seinem Ringen um geistiges Bewußtwerden
weniger Störung aus seinem Nur-irdischen
heraus erfährt, während einer, der ihm
gleichgültige oder gar unsympathische
Steine ‒ vielleicht nur um ihrer Kostbar‐
keit willen ‒ in irgendeinem Schmuck‐
stück an sich duldet, bewußt oder unbe‐
wußt unter dem Einfluß solcher Dishar‐
monie steht, also einer Unruhe, die der für
alles Streben zum Geiste so nötigen ‒ in‐
neren ‒ Ruhe entgegenwirkt.
.Ganz im allgemeinen ist festzuhalten,
daß die Steine ‒ mag es sich um Edelsteine
oder Bachkiesel handeln ‒ zahlbestimmte,
kosmisch begründete Beziehungen zu ih‐
rem Träger haben, durch die in erster Linie
ihre günstige oder ungünstige irdische
Strahlungswirkung bestimmt wird. Diese
Wirkung kann fast unwahrnehmbar, aber
auch ganz unglaublich stark sein, wobei die
Stärke der Wirkung immer der Stärke der
Sympathie für den Stein parallel geht.
Allerdings meine ich hier nicht jene „Sym‐
pathie”, die man eher doch wohl nur Be‐
sitzgier nennen muß.
.Es handelt sich um wesentlich Anderes,
als um das wirkende Agens in Amuletten
und Talismanen, vorausgesetzt, daß diese
nicht auch zugleich Steine sind, wobei dann
eine kombinierte Wirkung vorhanden sein
kann. Wo aber die Steinstrahlung ausschei‐
det, dort wirkt in einem Amulett oder
einem Talisman lediglich die Willens‐
ladung, mit der das Stück durchtränkt ist,
was immer auch für Zeichen darauf zu sehen
sein mögen, und was immer dieser Zeichen
oder bildhaften Darstellungen offener oder
geheimer Sinn sein mag. Alle Zeichen oder
Darstellungen besitzen nur Wert als „Ver‐
ankerungen” der Willensladung. Hier aber
kommt es lediglich auf die Kraft der „La‐
dung” an, und der unscheinbarste Gegen‐
stand, den eine Mutter glühenden Herzens
ihrem, Gefahren ausgesetzten Sohn mit‐
gibt, kann ein, durch nichts anderes zu er‐
setzender Talisman werden. Aber das alles
finden Sie ja hinreichend erörtert in dem
Kapitel „Glaube, Talisman und Götter‐
bild”, womit wir wieder beim „Buch vom
lebendigen Gott” angelangt sind.
.Sie sehen, daß bei allen diesen Dingen
nichts Unheimliches im Spiele ist, und daß
man sich nicht erst, wie die ganz unglaub‐
lich wenigen echten Adepten auf diesen
Gebieten, geheimen Studien hinzugeben
braucht, wenn man sich die „planetarischen
Hilfskräfte”, die aus Steinen und Metallen,
Farben und Naturformen strahlen, nutz‐
bar machen, oder aber den Schutz wirk‐
licher Amulette und Talismane, soweit sie
solchen darzubieten haben, genießen will.
Auf keinen Fall jedoch dürfen Sie sich in‐
stinktunsicher machen lassen durch über‐
aus anfechtbare Errechnungen! Je deut‐
licher Sie Ihr Gefühl „sprechen” lassen,
ohne es durch gedankliche Einwände zu
verwirren, desto gewisser werden Sie bei
allem, was hier in Betracht kommen kann,
die rechte Wahl treffen und richtig ver‐
fahren.
.Empfangen Sie aber dazu noch außer‐
dem
den Segen des ewigen Lichtes, der
Ihnen
dort die Kraft mehren möge, wo
Ihnen mit „planetarischen” Hilfskräften
nicht geholfen wäre!
Was planetarische Kraft
.dir hier zu geben vermag,
Kann nur dir Hilfe sein,
.hier im Planetentag!
Hast du einst dieses „Tages”
.trügendes „Licht” überwunden,
Hast du auch ewigen Tages
.Licht in dir selber gefunden!
*
Sie sind gewiß schon auf der Spur, allein
Ihre „bärenstarke” Konstitution, die Sie
„niemals so recht erfahren” ließ, „was
körperliches Leiden ist”, braucht kein
Hindernis zu sein, wenn Sie ganz erfassen
wollen, was unter meinen Worten von der
„Entwertung des Leides” verstanden wer‐
den soll. Aber vor allem bitte ich, daran
erinnern zu dürfen, daß durchaus nicht
nur das körperlich empfindbare Leid allein
gemeint ist, wenn ich von der Notwendig‐
keit spreche, das Leid zu „entwerten”.
Seelisches Leid kann aber auch Menschen
zustoßen, die praktisch vor allen Plagen
die den Körper zu peinigen vermögen, frei
sind, und das quälendste seelische Leid ist
Leid um Andere. ‒
.Mag man aber mehr an seelisches, oder
mehr an körperliches Leid denken bei
meinen Worten, so bleibt doch die Forde‐
rung der „Entwertung” die gleiche. Diese
„Entwertung” besteht in erster Linie da‐
rin, daß man dem Leide
das große Pathos
entzieht, das ihm durch viele Jahrhunderte
hindurch immer erneut zugestanden wur‐
de, so daß geradezu Ehrfurcht vor dem Leid,
an Stelle der Leid-
Verachtung und Leid‐
Bekämpfung trat.
Es ist unumgänglich gei‐
stig notwendig, daß man die ebenso törich‐
ten wie: satanisch-frivolen Vorstellungen
in sich und anderen tilge, die das Leid als
ein von Gott verordnetes Erziehungs- oder
Strafmittel angesehen wissen wollen und
dabei nicht einmal soviel Raum zu höherer
Einsicht lassen, daß der Mensch gewahr
werden könnte, welche furchtbare Gottes‐
auffassung sie verraten. Es ist für den Gott‐
bewußten kaum zu ertragendes Leid um
Andere, sehen zu müssen, was man da
einem geglaubten „Gotte” an Scheußlich‐
keit zuzutrauen wagt, und was gar noch
armen gequälten Menschen dabei als
„Trost” herhalten muß! Und noch schau‐
derhafter ist die so vielfach vor Augen lie‐
gende Tatsache, daß von den Leidenden
solcher Trostgrund angenommen wird,
denn hier zeigt sich erst der unglaubliche
Grad der Widerstandslosigkeit, mit dem
solche Glaubenszumutung rechnen darf...
.Demgegenüber ist es Bedingung für je‐
den Erdenmenschen, der im ewigen Geiste
bewußt werden und seinen lebendigen Gott
in sich selbst empfangen will, ‒ daß er
lerne, das Leid nach Möglichkeit zu igno‐
rieren, jedenfalls aber ihm alle und jede
moralische Bedeutsamkeit abzuerkennen!
Aber Sie dürfen diese Worte beileibe nicht
so verstehen, als werde bei der geforderten
Entwertung des Leides übersehen, daß see‐
lisches Leid ein dumpf und stur dahin‐
lebendes Gemüt zu neuer Willensbildung
aufzurütteln vermag, und daß körperliche
Schmerzen Faktoren der Gesundung, ‒
Bedingungen der Heilung sein können.
Doch, das sind
Folgen, für die das Leid die
Ursache gewesen sein kann, während es
nach wie vor „Lüge” bleibt, da es dem
Geistigen im Menschen eine
Bindung vor‐
täuscht, die sich ihm nur hier im tiernatur‐
bedingten Irdischen vortäuschen läßt, bis
es ihre Ohnmacht erkennt.
.Alles Leid ist nur
in der Tiernatur ge‐
geben, die uns hier auf Erden zeitweilige
Darstellungsform ist, und selbst das er‐
greifendste
seelische Leid, das hier emp‐
funden wird, gründet lediglich in der
Tier‐
seele, die Funktionsergebnis des vergäng‐
lichen irdischen Leibes ist. Gewiß dürfen
Sie sich die Tierseele des Erdenmenschen
nicht derart beengt vorstellen, wie die
Tierseelen
anderer Erdentiere! Durch die
Verbundenheit mit den ewigen Seelen‐
kräften der geistig nur dem Menschen ge‐
gebenen, vom Tode des Körpers nicht zu er‐
fassenden Seele und mit dem individuellen
ewigen Geistesmenschentum, empfängt die
menschliche Tierseele derart hohe In‐
fluenzwirkungen, daß fast alles, was der um
sich selbst am wenigsten wissende Erden‐
mensch „seelisches” Empfinden nennt, ‒
und dabei an ewig Seelisches oder an ein
dem Tierhaften doch weit übergeordnetes
Vergängliches denkt, ‒ nur innerhalb der
hochgezüchteten erdmenschlichen Tier‐
seele erlebt wird, die ebenso Funktions‐
ergebnis des vergänglichen Menschtierlei‐
bes ist, wie das gehirnbedingte Denken, das
gleichfalls im Erdenmenschen das Denken
der Tiere um Gewaltiges überstiegen hat.
.So aber, wie ich das gehirngebundene
Denken, dort wo es in seinem Bereich
bleibt, wahrhaftig zu schätzen weiß, aber
nachdrücklich auch von einer anderen Art
des Gedankens spreche: ‒ von dem Ge‐
danken, der sich selber denkt und, gänzlich
unabhängig von den Funktionen des Ge‐
hirns, diese nur dort benützt, wo er sich er‐
denmenschlich mitteilbar gemacht wissen
will, ‒ so spreche ich, bei aller Bewunde‐
rung für das, was die Tierseele im Menschen‐
leib aus sich zu gestalten vermochte, doch an
den Stellen meiner Schriften, die von der
Seele handeln, fast ausschließlich nur von
der aus ewigen Seelenkräften gebildeten,
unter allen Tieren allein dem Menschen,
aus seinem Geistigen heraus gegebenen
Seele, während mir die Tierseele des Men‐
schen, als dem Vergänglichen an ihm zu‐
gehörend, keinen Anlaß zu besonderen
Ratschlägen für ihre weitere Entwicklung
bietet. Sie ist ja im Verlaufe der Jahrtau‐
sende allmählich zu solcher Entwicklung
gelangt, daß sie in den meisten Menschen
die Seele der Ewigkeit fast gänzlich über‐
deckt, und es tut wahrlich not, erkennen
zu lernen, daß unsagbar vieles, was der
Erdenmensch zu seinem höchsten Vermö‐
gen rechnet, nur das Werk seiner Tierseele
ist, ‒ auch dort, wo sie sich mit dem ihr
unzugänglich bleibenden Ewigen auf ihre
Art zu befassen trachtet. ‒ Und noch inner‐
halb dieser Tierseele wird auch das emp‐
funden, was wir auf Erden „seelisches”
Leid zu nennen pflegen.
.Wenn ich sage: „Alles Leid ist Lüge”
‒ so verneine ich, als guter Kenner viel‐
fachen tierseelisch empfindbaren und erd‐
körperlich erlebbaren Leides, wahrhaftig
nicht die intensive und bis zu vermeint‐
licher Un-Ertragbarkeit reichende Pein‐
gewalt des Leides, ‒ wohl aber seine ihm
vom Erdenmenschen zuerkannte, pathe‐
tisch betonte Bedeutsamkeit, ‒ im Sinne
einer vom Ewigen her dirigierten Erzie‐
hungs-Maßnahme, ‒ durch deren perma‐
nente
Anerkennung er nur für sich und
andere dem Leide
Zuwachs auf dieser Erde
schafft, statt alle irdischen Möglichkeiten
zu seiner
Vermeidung aufzurufen...
.Die von einem Leuchtenden des Urlichtes
in seiner erdmenschlichen Darstellung dar‐
gebotene irdische Leidens-
Bereitschaft ge‐
hört
nicht hierher, denn sie gleicht ja
frei‐
willig dargebotenem „Tribut” an den
„Fürsten der Finsternis”, in dessen Ge‐
biet der Leuchtende ‒ die Gesetze der
Finsternis verletzend ‒ vorgedrungen ist.
Jedes Leid aber muß entlarvt werden als
ein in der Tiernatur gründendes
Übel,
dessen Erduldenmüssen einen
rein gesetz‐
mäßig zu erklärenden
Zwang darstellt,
unendlich fern aller „erzieherisch” ge‐
dachten, göttlichen „Fügung”, wohl aber
Aufruf aller Kräfte des Menschen, die Leid
zu
lindern, Leid zu
tilgen vermögen. ‒
.Der Glaubens-„Trost”, unter göttlicher
Zuchtrute zu stehen, hat unter den Men‐
schen auf dieser Erde mehr verhütbares
Leid entstehen lassen als alle tiermensch‐
liche Bosheit! ‒ Und das lediglich durch
folgerichtigen Ablauf des durch solchen
Glauben zur Auswirkung angeregten Ge‐
schehens im unsichtbaren Teil der physi‐
schen Welt!
.Hier sind jene „Peiniger” am Werk, von
denen ich im „Buch der Königlichen
Kunst”, Neuausgabe, Seite 101, gespro‐
chen habe!
.Das sind organisch gestaltete Intelligen‐
zen der unsichtbaren physischen Welt, in
denen alles Leid, das in einem sichtbaren,
greifbaren physischen Körper und der als
seinem Funktionsergebnis während seiner
Lebenszeit bestehenden Tierseele erlebt
werden kann, unbändige Wollustempfin‐
dungen auslöst, so daß diese vampirhaften
Lemuren ihre ganze, keineswegs unbe‐
trächtliche Kraft anwenden, um von ihrem
Bereiche her das Leid der Tiere und Men‐
schen, ‒ ja auch selbst das, was im Leben
der Pflanzen dem Leide entspricht, ‒ zu
veranlassen, zu erhalten, und auf den
höchsten Grad zu steigern.
.Durch die stete Anerkennung des Leides
als vermeintlicher „göttlicher” Schickung
wird aller Widerstand jener Abwehrkräfte
illusorisch, die, aus dem unsichtbaren Phy‐
sischen des Erdenmenschen her, den Über‐
wältigungsanstürmen dieser unsichtbaren
Peiniger begegnen könnten, ‒ ja der arme
ahnungslose Mensch öffnet ihnen selbst alle
Wege zur Vermehrung des Leides in sei‐
nem Lebensbereich, während das Tier doch
wenigstens noch durch instinktive Abwehr
dessen, was ihm Unlustgefühle bereitet,
dem drohenden Schmerz auszuweichen
sucht...
.Es ist wahrlich nötig, das Leid zu ent‐
werten, und jeder soll dabei mithelfen, so‐
bald er in sich selbst zur Einsicht kam,
was die hier von ihm geforderte Wandlung
seiner Vorstellungen für ihn und seine Mit‐
menschen zu bedeuten hat.
.Auch Sie sind zu solcher Mithilfe auf‐
gerufen!
.Das Licht der Ewigkeit erleuchte Sie!
Wenn ich auch ‒ obgleich um das zum
Ausdruck kommende Wirkliche wissend ‒
bis heute das Wort „Segenswunsch” oft
genug gebrauche, so muß ich Ihnen doch
bestätigen, daß Ihr Fühlen Sie richtig zu
leiten wußte, wenn es Sie zu der Erkennt‐
nis drängte, daß wirklicher Segen etwas
„viel Konkreteres” sein müsse, als ein
wohlmeinender Wunsch. Das konventio‐
nell gegebene Wort „Segenswunsch” wurde
und wird denn auch von mir immer nur
als Bezeichnungsform für das wirkliche Ge‐
schehen gebraucht, das vorliegen muß,
wenn von einem echten und berechtigten
Segnen die Rede sein soll, und keineswegs
nur in seinem allgemeinen Sinn, der be‐
sagt, man wünsche, daß dem Angesproche‐
nen Segen zufließe. Wer wirklich zu segnen
vermag, ‒ wie es mir aus meinem inner‐
sten Sein heraus irdisch möglich ist, ‒
der muß sich dieses Vermögens auch dann
aktiv erinnern, wenn ihm ein konventio‐
nelles Wunschwort gerade gelegen kommt,
um die innere hohe Feierlichkeit unter der
allein wahrhafter Segen erteilt werden
kann, nach außen hin lieber zu verbergen.
Grund dazu bietet in der westlichen Welt
zumeist schon das Nichtwissen des Geseg‐
neten um die Möglichkeit des geistig sub‐
stantiellen Segnenkönnens. ‒ Daneben
aber kamen für mich auch noch andere
Gründe in Betracht, die mich die längste
Zeit bewogen, nur in besonderen Fällen
ausdrücklich zu sagen, daß der Vorgang des
Segnens aus ewigem substantiellen geisti‐
gen Licht vollzogen sei. Mir könnte natür‐
lich niemals ein Satz der irgendwie vom
Segnen handelt, zu einer Redefloskel wer‐
den. Dazu weiß ich zu bewußt um die
„Natur” der mir anvertrauten ewigen Sub‐
stanz des Segens und ihre Auswirkungen.
Wenn Sie also am Ende meiner Briefe je‐
weils ein Wort vom Segnen finden, so dür‐
fen Sie wahrhaftig überzeugt sein, daß da
jedesmal der Vorgang des Segnens in ewi‐
gem Geiste für den berechtigten Empfänger
des Briefes vollzogen wurde, und daß ihm
dieser Segen bei jedem neuen Lesen aufs
neue zufließen wird, auch wenn solches
Wiederlesen ‒ das allerdings ein leben‐
diges Aufnehmen meiner Worte ins eigene
Innerste sein muß ‒ erst nach Jahrzehnten
erfolgen würde. Da ich Sie zudem nicht
aus bestimmter, in Ihrer Persönlichkeit
begründeter Veranlassung gesegnet habe
und segne, sondern immer im Zusammen‐
hang mit meinen Worten, als den Ange‐
sprochenen, der diese Worte in sich auf‐
nimmt, so ist dieser vollzogene Segen zu‐
gleich jedem Anderen erteilt, den Sie etwa
an meinen Briefen teilhaben lassen werden,
insofern er sich selbst derart entfaltet zeigt,
daß er Segen
empfangen kann... Ich spre‐
che hier nur von nüchtern zu betrachten‐
den trockenen Tatsachen, damit Sie über
die Natur dieses wiederkehrenden Segens
soweit unterrichtet sind wie das immerhin
möglich ist.
.Wirklicher Segen ist, wie ich schon eben
sagte,
eine geistige Substanz, von der eine
Kraft ausgeht, deren Wirkungsgrad auf das
Genaueste der inneren Haltung des Ge‐
segneten entspricht.
.Segen ist also weder Gebet, noch Wunsch,
noch an irgendeine
Geste des Segnenden
geknüpft und von keinem ausgesproche‐
nen oder auch nur gedachten
Worte ab‐
hängig, sondern willensbestimmte ewige
Geistsubstanz in zeitliche Auswirkung ge‐
leitet durch einen Geistigen, der in irdi‐
scher Verkörperung lebt. Solche Vereinung
mit einem erdentierhaften Körper ist
un‐
umgängliche Notwendigkeit, wenn Segen
sich auch
im äußeren Irdischen des zu
Segnenden auswirken können soll.
.Ich sehe mit geistigem „Auge” den Se‐
gen, den ich erteile, wie eine helle, strah‐
lende Lohe, weißleuchtend, im Irdischen
nur vergleichbar dem unter einem Mikro‐
skop wahrnehmbaren Leuchten des
Radi‐
ums in verdunkeltem Raum. Allerdings ist
das Leuchten ganz unvergleichlich
stärker
und nur
sein Charakter erinnert mich an
das Leuchten des irdischen Elements. Die
strahlende Helligkeit der geistigen Segens‐
Substanz ist derart intensiv, daß ich aus der
irdischen Gewohnheit heraus, das Auge vor
zu starken Lichteindrücken zu schützen,
oft unwillkürlich im Reizreflex momentan
die Augenlider schließe, obwohl doch nur
das
geistige „Auge” hier wahrnimmt, das
allen geistigen Lichtgraden angepaßt ist. ‒
.Segnen
als Tätigkeit ist für den, dem
es möglich ist, eine Reihe von Willensak‐
ten, durch die sich die Segen-Substanz, die
geistig-sinnlich als leuchtende, vorerst noch
„ungeformte”, unregelmäßige „Lohe” er‐
scheint, in die, für den zu spendenden
Segen notwendigen geistigen Formen um‐
gestaltet, um sodann, gemäß der ihr ge‐
gebenen Bestimmtheit, in nächster Nähe,
oder über Länder und Meere hinweg sich
auszuwirken. Auch wiederholte Auswir‐
kung kann durch willentlich gegebene Be‐
stimmtheit veranlaßt werden.
.Sie haben mehrfach in Ihren Briefen an
mich besonders betont, daß Sie den Emp‐
fang meines Segens in einer alle Selbst‐
täuschung ausschließenden Weise „körper‐
lich” empfänden. Ich bin auf diese Berichte
absichtlich nicht eingegangen, weil ich ‒
ohne alle Prophetie ‒ voraussah, daß hier
eines Tages ja doch eine umfassendere Be‐
sprechung nötig werden würde. Aber Ihr
Empfinden hat Sie keineswegs getäuscht.
Sie haben „Körperliches”, ‒ allerdings
geistsubstantiell Körperhaftes, ‒ das aber
erdenkörperlich empfindbar ist, erdenkör‐
perliche Erkraftung und Bereicherung be‐
wirkt, in meinem, von Ihnen angenomme‐
nen Segen tatsächlich empfangen. Hierbei
sei gleich vermerkt, daß Sie wirklichen Se‐
gen auch ablehnen können. Bewußten Wil‐
lens, oder ungewollt, nur durch Ihre inne‐
re Haltung! Er kehrt dann zurück, als wenn
er an einer Granitwand abgeprallt wäre,
zu dem, der ihn ausgesandt hatte.
.Für mich ist im Geistigen die lohende
Substanz des Segens, ihrer Konsistenz nach,
zugleich so greifbar „körperlich”, wie etwa
im irdischen Außenleben der Formsand
der Erzgießer, und ebenso formbar. Noch
niemals, seitdem ich zu segnen vermag,
habe ich gesegnet, ohne an den Gesegneten
des Segens Wirkung in gleicher Weise geistig
„körperlich” zu gewahren, wenn der Se‐
gen
angenommen worden war.
.Sie sehen, daß es sich wahrlich hier um
ein Anderes handelt, als um das, was man
so gemeinhin „Segen”
nennt, wo auf Grund
geglaubter Amtsbefugnis unter Anwendung
feststehender Wortformeln und Ausfüh‐
rung erlernter Gesten eine Zeremonie dar‐
gestellt wird, die bestenfalls nur dann eini‐
gen wirklichen Wert erhalten kann, wenn
der sie Darstellende wenigstens entspre‐
chende
Gedankenkräfte durch inbrünsti‐
gen Willen zugunsten des vermeintlich von
ihm „Gesegneten” anzuregen vermag, wie
das ja einem jeden Menschen bis zu ge‐
wissem Grade möglich ist. Der „Segen der
Eltern” ist hierzu das bekannteste Beispiel.
.Um jedoch
wirklichen, aus dem leben‐
digen geistigen Lichte stammenden Segen
spenden zu können, muß man
selbst in
diesem ewigen Lichte
sein, und ‒ Segen
besitzen. Nur sich selber darf einer, der
wirklichen, ewigem Lichte entstammenden
Segen in sich verwahrt, nicht segnen. Doch
leidet er dadurch auch keinen Mangel, da
er ununterbrochen im Segen anderer steht,
die zu segnen vermögen.
.Seien Sie mir heute als ein nunmehr um
das, was geschieht, einigermaßen durch
meine Worte Wissender, in feierlichster
Weise aus meinem Segen gesegnet!
Waren mir schon Ihre letzten lieben Briefe
deutliche Anzeichen Ihrer ganz allmählich
wachsenden, aber unverkennbar immer
größeren Aufgeschlossenheit für geistige
Wahrnehmungen, ‒ selbst dort, wo Sie
noch mit Ihrem Irdischen zu ringen hatten
oder sich noch nicht mit Sicherheit ver‐
trauen zu können meinten, ‒ so brachte
mir nun Ihr neuester Bericht eine Gewiß‐
heit, die ich dennoch kaum jetzt schon zu
erwarten gewagt hätte. Aber nun ist ja nicht
mehr daran zu zweifeln, daß Ihr geistiges
Auge sehend wurde, und daß Sie im ersten
klar bewußten Erleben Ihres Ewigen stehen.
Es ist aber auch durchaus nicht verwun‐
derlich, daß Sie, bei aller seelischen Be‐
glückung, sich des Unvermögens bewußt
werden, dem Erlebten Ausdruck in der
Sprache zu schaffen, so daß Ihnen alles,
was Sie mir berichten, nur „wie ein ganz
unzulängliches Stammeln” vorkommt. Das
ist noch jedem so gegangen, der zum ersten‐
mal Gleiches wie Sie in sich erlebte, und
meistens muß es auch bei diesem Unver‐
mögen, Ewiges in Worten darzustellen,
bleiben.
.Wir können uns im Bereiche irdischer
Dinge nur verständlich machen, indem wir
das, was wir sprachlich erkennbar darstellen
wollen, mit bereits Dargestelltem verglei‐
chen. Eine solche Vergleichsmöglichkeit
auf der selben Ebene fehlt uns, sowie wir
Ewiges schildern wollen, und doch drängt
unser Erleben auch hier zum Wort, auch
wenn wir das Erlebte nur für uns selber
im Worte aufzeichnen wollen, und nur in
unserem Gedächtnis. Aus solcher Not her‐
aus greifen wir dann doch nach Irdischem,
das uns bei aller Unzulänglichkeit dienen
muß, so gut es geht. Und es geht nur, wenn
eben diese Unzulänglichkeit bewußt und
gewollt
ignoriert wird: ‒ wenn man das
Inkommensurable der zum Vergleich her‐
angezogenen Erlebensmöglichkeiten ab‐
sichtlich
übersieht.
.Alles Erleben des Ewigen ist eine dau‐
ernde Lotung der Tiefe des ewigen
Augen‐
blicks, der kein Hintereinander, kein Vor‐
her und Nachher, sondern
geistig-„räum‐
lich” gegebenes, irdisch ganz undarstell‐
bares
In-
einander ist, das nicht erst infolge
eines unermeßlichen Nacheinanderbeste‐
hens „ewig” wird, sondern
in sich, anfang‐
los ‒ endlos, Unendlichkeit „bleibt”. Wer
den ewigen Augenblick: ‒ die ganze, in
ihrer Selbstbegrenzung dem Kreis ähn‐
liche, unendliche Ewigkeit nicht in sich zu
jeder Sekunde zu erleben vermag, dem
kann man sie nicht schildern, denn alle
Schilderung geschieht in der irdischen
Zeit
und wird nur als Zeitliches erfaßt. So ist
denen, die nie in der Ewigkeit waren,
„Ewigkeit” zur Vorstellung einer unend‐
lich langen Zeit geworden, und schließlich
kommt auch jeder, der von überzeitlichen
Dingen wirklich reden darf, in die Zwangs‐
lage, diese Zeitvorstellung durch das glei‐
che Wort zu bezeichnen, ja, das Unend‐
liche für die Vorstellung zuweilen gleich‐
sam „einzuteilen”, so daß aus der einen,
in Wirklichkeit selbstverständlich unteil‐
baren Ewigkeit gar „Ewigkeiten” werden
können, ‒ Aeonen, ‒ als Verbildlichungen
unermeßlich langen Zeit-Raumes. Und je‐
dem, der Ewiges noch nicht in sich selbst
erlebt, wird es unsagbar schwer, die irrige
Vorstellung in sich aufzugeben, als ob Ewig‐
keit stete Gegenwart aller Zeit sei und ihr
Inbegriff einfach „die Fülle aller Zeiten”
ausmache.
.Sie sehen jetzt selbst, wie Ewiges allen
in der Zeit gegebenen Vergleichen aus‐
weicht, weil es ein wesentlich Anderes ist
und nur ewiger Anschauungsart zugänglich,
zu der Sie meine Bücher unvermerkt ge‐
leitet haben. Aber wie viel „Skizze” von
allen Seiten her war nötig, um nach und
nach das Gefühl für geistig Räumliches in
Ihnen zu erwecken! ‒ Fern von jedem Wert‐
vergleich, erinnern mich meine Abhand‐
lungen über geistige Dinge immer an ge‐
wisse Zeichnungen Rembrandts, auf denen
sich die gemeinte Darstellung erst aus un‐
zähligen Strichen, die der Vorstellung im‐
mer deutlicher zu folgen suchen, herausge‐
staltet. Es ist aber nicht nur mir anders un‐
möglich, Dinge der Ewigkeit für Andere in
den Bereich ahnenden Vorfühlens zu brin‐
gen, sondern jedem, der die ewige Wirk‐
lichkeit kennt! Denen, die sie kennen aber,
genügen die geringfügigsten Andeutungen
schon, um sich untereinander zu verstehen
und jeweils zu wissen, was gemeint ist. Sie
haben mir aber weit mehr als nur „Andeu‐
tungen” hingezeichnet, und ich muß Sie
eher warnen, nicht allzu deutlich werden
zu wollen, als daß ich in Ihrer Darstellung
etwas vermissen könnte...
.Bleiben Sie im Licht und seien Sie alle‐
zeit gesegnet!
Ich „fordere” nicht! ‒
Ich
bringe! Und
jeder kann aus dem, was ich gebracht habe,
das für ihn Willensbestimmende
wählen.
Was Sie meine „Forderungen” nennen,
deren Erfüllung Sie jetzt so freudig Ihr
geistiges Erlebenkönnen danken, sind le‐
diglich von mir aufgezeigte Notwendig‐
keiten, die sich aus der Struktur des Lebens
im ewigen Geiste ergeben. So ist es uner‐
läßliche
Notwendigkeit, und hoch jeder
auch nur scheinbaren Willkür einer „For‐
derung” entrückt, daß Sie erst dann zu
Gottes Wiege werden können: ‒ daß erst
dann Ihr lebendiger Gott sich in Ihnen
„gebären” kann, wenn Sie dahin gelangt
sein werden,
nichts mehr
aus sich selbst
bedeuten zu wollen. Jede Zubilligung, die
Sie
sich selber noch machen zu dürfen glau‐
ben, verrammelt das Tor der Seele mit
Palisaden! Nicht das Geringste dürfen Sie
vor Ihrem Selbstbewußtsein festhalten wol‐
len als ein Ihnen Gehörendes! Gott wohnt
nicht irgendwo zur Miete. ‒ Er geht nur
in Eigenes ein! ‒ So müssen Sie Ihrem le‐
bendigen Gott alles zu eigen lassen, was
Sie bisher noch sich selbst reservieren zu
können meinten. Selbst Ihr Bewußtsein
müssen Sie Gott geben, wenn Gott Ihnen
bewußt werden soll! ‒
.Hier wird nirgends und von keiner Stelle
her etwas „gefordert”, sondern nur gezeigt,
wie die Dinge liegen, damit nicht Unmög‐
liches erhofft und dann Enttäuschung ge‐
erntet werde. Auch im Irdischen halten Sie
sich, wenn Sie erfolgreich in Ihrem Tun
sein wollen, genau an die gegebenen Be‐
dingungen, unter denen ein Vorgang mög‐
lich ist. Hier wissen Sie um diese Be‐
dingungen durch Ihre und vieler anderen
stets bestätigte Erfahrung. Im Ewigen aber
können Sie solche Erfahrung erst machen,
wenn Sie erreicht haben, was Sie erreichen
wollen, und deshalb muß man Ihnen vom
Ewigen her zeigen, was nötig ist, damit Sie
zu der von Ihnen ersehnten Erfahrung ge‐
langen. Sie sind ja jetzt auf dem besten
Wege dazu.
.Sehr schön sind Ihre Ausführungen über
die nun erlangte Erlebensgewißheit im
Ewigen, die Ihnen erst letzte Bestätigung
dafür gab, daß es schlechterdings keine
Möglichkeit geben kann, die Seele eines
der Erde Verstorbenen irdisch wahrzuneh‐
men, da, wie Sie bereits erkennen, alle
Lebens-Äußerungen der irdisch Entkör‐
perten außerhalb der Erfahrungsbereiche
erdkörperlicher Sinne liegen. Aber auch
Ihr nunmehr seine ersten Erfahrungen be‐
ginnendes Bewußtwerden im Ewigen liegt
weitab von allem, was die tiergemeinsame
Seele und was Körpersinne erfahren kön‐
nen. Eben darum muß ich auf die leise
Warnung am Schluß meines letzten Briefes
doch noch einmal zurückkommen, und Sie
bitten, Ihren Drang, das geistig Erlebte um
der Deutlichkeit der Mitteilung willen in
irdische Erfahrungsreihen einzubeziehen,
nach Möglichkeit zu dämpfen. Ich weiß
auch dann, was Sie meinen, wenn Sie nur
die allernötigsten Andeutungen geben. Er‐
leben im Ewigen kann nicht in die nur für
das zeitliche Erleben ausreichende Sprache
„übersetzt” werden, auch wenn man eine
erdenmenschliche Sprache um Tausende
und Abertausende von Worten und Be‐
griffen vermehren wollte. Unsere irdischen
Sprachen sind in der Zeit entstanden um
Zeitliches zu bezeichnen, und können un‐
möglich der ihnen ganz inkommensurablen
Art sich gefügig erweisen, in der Ewiges zu
Bewußtsein kommt. Der wiederholte ei‐
genwillige Versuch, das Unmögliche „viel‐
leicht doch” möglich zu machen, kann
aber zu einer Lähmung Ihrer geistigen
Aufnahmeorgane führen, noch bevor sie
hinreichend entwickelt sind, um Sie das
Gefährliche Ihres Drängens nach irdischer
Verdeutlichung erkennen zu lassen. So be‐
greiflich Ihr Wunsch ist, das innerlich nun
so stark zu Bewußtsein Gelangende in Wor‐
ten der gehirnbedingten Sprache auszu‐
drücken, so verhängnisvoll kann er für Sie
werden. Ich will Sie aber gewiß vor dem
was hier droht, bewahrt sehen.
.Führen Sie auch keine Selbstgespräche
in sich, in der Meinung, mit Gott zu reden!
Gott „spricht” erst dann in Ihnen, wenn
Sie in sich vollkommen still zu bleiben ver‐
mögen. Gott „hört” nur, was ihm Ihr
Stillesein sagt. ‒ Und niemals „spricht”
Gott in Ihnen in Worten einer irdischen
Sprache!
.Empfangen Sie allen Segen, den Sie
brauchen, und gehen Sie freudig und
sicher, aber dennoch behutsam, den Ihnen
erst seit so kurzer Zeit nun geöffneten
Weg!
Gott kann nur soviel „geben”
.wie er „nimmt”,
Denn aller Gabe Maß
.ist ihm bestimmt
Durch das, was der Begabte
.freudvoll gibt,
Der seines Gottes Gabe
.mehr als alle Habe
.liebt!
Strenge versage ich mir
.hier über Dinge zu richten,
Die meinem Rechtspruchrechte
.erdenhaft nicht unterstehen.
Allen Gewichtigen aber,
.wie allen windigen Wichten,
Weiß ich die Wägung sicher,
.der sie gewiß
.nicht entgehen...
Jeder muß
selber dereinst sich
.auf
unerbittlicher Waage,
Klar offenbaren vor Allen
.an
seinem Selbstrichte-Tage!
*
Es wäre gewiß möglich, diese Briefe um
viele andere zu vermehren, und es mag
nicht ausgeschlossen sein, daß ich eines
Tages dem vorliegenden Zyklus einen zwei‐
ten folgen lasse. Fürs erste aber ist genug
gegeben! Wenn das, was vorliegt, in dem
dafür ausersehenen Leser den Wunsch er‐
wecken kann, mehr in dieser Form Ge‐
staltetes zu eigener Förderung dargeboten
zu erhalten, so ist damit der Aufgabe die‐
ses Buches besser entsprochen, als wenn
ich den Inhalt so umfangreich hätte werden
lassen, daß notwendigerweise die leben‐
dige Übersicht über das Ganze erschwert
worden wäre. Das ganz kleine Schriftchen:
„In eigener Sache” hat in zahlreichen
Beweisen wieder aufs deutlichste gezeigt,
wie die Klärung, die von Worten aus‐
gehen kann, nicht vom seitenmäßigen
Umfang einer Bekundung abhängig ist,
wohl aber von der Möglichkeit, das Ge‐
gebene in einem Blick innerlich umfassen
zu können.
.Absichtlich unerwähnt ließ ich in den
Briefkapiteln des vorliegenden Buches die
durch mein ewiges Sein allein bedingte
sprachliche Selbstdarstellung in den drei
Silben „Bô Yin Râ”, die vielen an mei‐
nen Lehrschriften Vorübergehenden immer
noch „Pseudonym” heißt, und Gegenstand
beharrlichster Fehldeutung bleibt... Ich
hatte für die Reihenfolge der Briefe einen
Entwicklungsgang zur Richtschnur genom‐
men, der mir mit allen seinen Zwischen‐
spielen aus vielen Einzelfällen her bekannt
ist, wobei aber der Suchende jeweils schon
lange bevor er das erste Wort an mich rich‐
tete, sich den konventionellen Fesseln ent‐
wunden wußte, die andere an gewissen gar
zu niedrigen Blickpunkten festhalten, von
denen aus nur die grotesken Zerrgebilde
der „Froschperspektive” zu erlangen sind.
Unmöglich konnte ich daher in dem von
mir gewählten Zusammenhang einen der
wenigen Briefe reproduzieren, die ich vor
vielen Jahren gelegentlich auch über die
mir äquivalenten drei Silben und ihre „tra‐
genden” Buchstaben zu schreiben genötigt
war. Hier aber das im Buchverlauf absicht‐
lich Unterlassene nicht zum Schluß doch
noch nachholen zu wollen, wäre kaum ver‐
antwortbare Versäumnis. Andererseits aber
liegt kein Grund vor, für das, was diesbe‐
züglich zu sagen ist, die
Briefform beizu‐
behalten, obwohl nichts anderes zur Er‐
örterung gelangen kann, als was in den
oben erwähnten seltenen Briefen dargelegt
wurde.
Immer wieder muß ich gewahren, daß man
in bezug auf die Silbenformel, die meinem
ewigen Sein entspricht, das
Ungewohnte
eines Buchstabenbildes und seines laut‐
lichen Ausdrucks mit dem Begriff des
„Fremdländischen” verwechselt.
.Der angeblich „indische” Name, dem
man hier zu begegnen glaubt, würde aber,
‒ wenn die drei Silben so gemeint wären, ‒
in keiner Weise einem sprachlichen Kanon
indischer Namensgestaltung entsprechen.
Ebensowenig ist etwa hier Chinesisches
gemeint. Ich bitte Indologen und Orienta‐
listen, mir verzeihen zu wollen, daß ich
solche Selbstverständlichkeit überhaupt er‐
wähne. Ich bin leider genötigt dazu!
.Wenn ich mir ein „Pseudonym” hätte
schaffen wollen, dann wäre ja nur Wahn‐
sinn imstande gewesen, den Decknamen
aus Sprachbezirken herleiten zu wollen,
die zu meiner amtsnotorischen kurmain‐
zisch-fränkischen Abstammung von bäuer‐
lichen Winzern, Forstleuten und ländlichen
Handwerksmeistern, und meinen zu keiner
Zeit verdunkelten äußeren Lebenswegen,
auch nicht die leiseste Beziehung haben!
Könnte aber auch eher ein abenteuerlicher,
kauziger Sonderling, der Jahr und Tag in
asiatischen Ländern den ihm von Hause aus
Nahen verschollen war, vielleicht auf die
romantische Idee kommen, sich hinter ein
exotisches Pseudonym zu verstecken, so
müßte er doch schon recht weltfremd ge‐
worden sein, wenn er etwa zu glauben ver‐
möchte, seine Maskerade werde heute in
Europa von einsichtigen Menschen noch
ernst genommen. Alles was ich je geschrie‐
ben habe, wendet sich einzig und allein an
Menschen, denen ein Europäer, der sich
hinter einem asiatischen Decknamen ver‐
birgt, nur an Stätten der Kurzweil: ‒ bei
Künstekundigen seltsamen Könnens oder
körperlicher Kraft und Kühnheit, ‒ noch
allenfalls erträglich ist. So geht es mir na‐
türlich auch selbst, und ich weiß von mir
auf Andere zu schließen. Zudem habe ich
nicht eine einzige Zeile im Namen der
meinem Ewigen äquivalenten Silbenfor‐
mel ‒ oder auch nur ihrer „tragenden”
Buchstaben ‒ veröffentlicht, ohne eine
recht ansehnliche Zahl mir Nahestehender
genau über das geistig Gegebene orientiert
zu wissen, das mir die Pflicht auferlegte,
meinem bürgerlichen Familiennamen nicht
zuzuschreiben, was ihm nicht zukommt.
Es war jedoch nicht der mindeste Grund
vorhanden, der mich hätte veranlassen kön‐
nen, ein „Pseudonym” zu verwenden, und
überdies waren mir durch verschiedene
Fügungen meines Lebens, lange bevor ich
selbst Bücher zu veröffentlichen hatte, mehr
als hinreichende Einblicke in die Praxis
verlegerischer und redaktioneller Urteils‐
bildung zuteil geworden, als daß ich mich
‒ selbst wenn mir ein „Pseudonym” nötig
erschienen wäre ‒ auch nur der leisesten
Täuschung darüber hätte hingeben dürfen,
daß nichts verkehrter sein könne, als es
von asiatischen Sprachen herzuholen.
.Mit Recht weigern sich in aller Welt alle
Urteilsfähigen, auf irgendeine törichte Mas‐
kierung einzugehen, die nur ein kläglich
Urteilsloser als Förderung der Aufmerksam‐
keit auf ihn und seine Sache werten könnte.
Über die drei Silben „Bô Yin Râ” äußerte
ich mich schon vor geraumer Zeit in einer
Verlags-Flugschrift dem Sinne nach dahin:
‒ daß es sich hier nicht etwa um drei
„Worte” handelt, aus deren „Bedeutung”
man irgend etwas herausgeheimnissen
könnte, trotzdem sie als Silben auch
Sprachwurzeln alter Sprachen entsprechen,
sondern, daß diese sieben Buchstaben den,
meinem substantiellen urgeistigen Sein
äquivalenten „Namen” bilden,
weil ihre
Laut- und Zeichenwerte
meiner ewigen gei‐
stigen Wesensart entsprechen, so, wie eine
bestimmte, in Buchstaben bezeichenbare
Notengruppe einem bestimmten Akkord
entspricht. (Das „Y” in „Yin” ist als „Ü”‐
Laut zu sprechen, verwandt dem althoch‐
deutschen „Win”, und kann nicht durch
„J” ersetzt werden. Die Dachstriche über
„o” und „a” sind Dehnungsanweisungen.)
.War ich auch in meinem Ewigen immer
in dem bewußt, was die Formel der drei
Silben Bô Yin Râ meint, so mußte ich
dessen doch erst im Laufe der Zeit auch in
meinem Gehirnbewußtsein bewußt ge‐
macht werden. Hiervon handelten an der
genannten Stelle einige Worte, in denen
ich darlegte, wie mir meine geistige Schu‐
lung sehr entscheidend andere Begriffe
vom Wesen eines wahren „Namens” nahe‐
brachte, als sie landläufig hier auf Erden
zu finden sind. Ich berichtete kurz davon,
daß ich durch meine seelische Erziehung
zum Bewußtsein der geheimnisvollen Wege
gelangt war, die von einem „Namen” zu
einem neuen „Namen” führen, wobei ge‐
wisse Buchstaben dieser „Namen” wie
geistige „Antennen” wirken, über die dem
auf solche Weise unsichtbar Geführten stets
neue geistige Hilfe zukommt. Und im wei‐
teren bekannte ich, daß ich während meiner
geistgeleiteten Schulung selbst manche
solche „Namen” getragen hatte, die ich
erst in stets erneuter Selbstüberwindung
wieder überwinden lernen mußte, bevor ich
meines urewigen Namens auch in meinem
vergänglichen Irdischen geistig wahrhaft
würdig werden konnte, soweit das äußere
natürliche Entwicklung sukzessive zuließ.
.Lange genug war ich bereits den mir vor‐
bezeichneten Weg der „Namen” entlang
geschritten und wußte wahrhaftig aus eige‐
ner Erfahrung um der geistgeformten Na‐
men kräfteweckende Natur, aber es schien
mir unmöglich, meinem mir damals seit
Jahren schon auch irdisch in seiner Sub‐
stanz bewußten urewigen Namen ein
Äquivalent in Lauten und Buchstaben
zu schaffen, bis mir mein geistiger Erzieher
inmitten anderer, mir gleich ihm im Geiste
Vereinten, in einer gesegneten Nacht an
hellenischem Meer, Augen und Ohren da‐
für öffnete, wie dies dennoch möglich, ‒
ja notwendig sei... Von da an hatte ich
nun auch die irdische Lautformel und ihre
Zeichen für das, was im Ewigen substan‐
tiell mein „Name” ist: ‒ geistig in ewiger
Zeugung durch den Vater bestimmte Kraft‐
form und diese Form ewig nach einmalig
gesetztem Impuls aus dem Vater bewegen‐
der Wille.
.Das ist das wirkliche Geheimnis um den
angeblich „indischen” Namen, in dem man
aus gewohnter eigener Perspektive her ein
„fremdländisches” Pseudonym zu erken‐
nen glaubt!
Da aber nichts im ewigen Sein, und daher
auch nichts im irdischen Dasein isoliert in
sich selbst ruht, so ist auch das, was ich in
meinem ewigen Namen bin, dem die For‐
mel: Bô Yin Râ ja nur irdischen Ausdruck
schafft, mit unendlich vielem in enger und
ferner Verbindung, wodurch denn auch in
mancher Deutung, die man dieser erden‐
sinnlich faßbaren Formel gibt, ‒ sei es auf
Grund von sprachlichen, laut- und tonmäßi‐
gen, oder aus den Buchstabenzeichen her‐
stammenden Assoziationen, ‒ mehr Wirk‐
lichkeitsentsprechung steckt, als die je‐
weiligen „Entdecker” und zu den merk‐
würdigsten Vergleichen greifenden „Deu‐
ter” ahnen können.
.Daß es mir wider den guten Geschmack
geht, die auf Grund gegebener Assozia‐
tionen möglichen Analysen der drei Silben
auch noch gar durch Hinweise selbst zu
fördern, ‒ wie es oft genug von mir ver‐
langt wurde, ‒ wird man wohl verstehen
lernen müssen. Keinem einzigen, der meine
Lehrschriften Befragenden könnte sein Weg
leichter gangbar werden, wenn er auch ge‐
nauestens wüßte, welche Lande uralter re‐
ligiöser Kultur mir zur Zeit der Vorberei‐
tung auf mein irdisches Wirken seelisch‐
geistig schon heimliche Heimat waren, und
ebensowenig würde es einem Suchenden
auch nur das geringste nützen, wenn er
alle ‒ mir selbst sehr gleichgültigen ‒ ge‐
heimen Bedeutungen der Buchstaben in
den drei Silben, sowie ihre im Orient tra‐
ditionellen Zahlwerte entdeckt hätte. Man
darf nicht von mir Erörterungen über
Dinge erwarten, denen ich selbst in mei‐
ner eigenen Lebenssphäre bewußten Wil‐
lens alle besondere Beachtung versage, weil
sie in der mir dargebotenen Zeit, inner‐
halb der Welt, die mir Wirkungsbereich
ist, ohne Gegenwartsbedeutung sind.
.Wer es nicht lassen kann, jeglichen Fähr‐
ten nachzuspüren, die seinen Pfad zum
Lichte auf
allen Höhenlagen von irgend‐
einer Richtung her kreuzen, der wird
schwerlich in diesem Erdenleben dahin ge‐
langen, wohin besonnenes Weiterschreiten
ihn gelangen lassen könnte. Auch die edel‐
ste Wißbegier wird
Verführung, wenn sie
vom eigenen Wege abziehen will, und ich
kann unmöglich dem Vorschub leisten, was
ich als den Suchenden
hindernd erkenne.
Es gibt auch wirklich noch genug Aufgaben,
die mir näherliegen, als die Befriedigung
grübelnder Neugier!
.So schließe ich heute dieses Buch, wie
ich es geschrieben habe: ‒
seine,
ihm von
mir geistig erlesenen,
zubestimmten Le‐
ser segnend aus dem ewigen Licht, ‒ in
meinem ewigen Namen
ENDE
DIE EHE
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
Bô Yin Râ ist der geistliche Name von
Joseph Anton Schneiderfranken
6.Auflage
Erste Auflage: Richard Hummel Verlag Leipzig 1925
Ungekürzte wohlfeile Auflage daselbst 1929
© 1950, 1978, 1986 und 1988
Kobersche Verlagsbuchhandlung AG
3001 Bern
ALLEN,
DIE DAS GLÜCK DER EHE
SUCHEN!
HEILIG, dreimal heilig,
die Ver‐
einigung von Weib und Mann
zu engverschmolzener Gemein‐
samkeit des Erdenlebens! ‒
Heilig der Geschlechter
Inbrunst, sich
zu
einen! ‒
Heilig das Mysterium des
Zeugens
und
Gebärens! ‒
Heilig das
unsichtbare Band, das
längst
Gewordenes vereint, auf
daß es
neuem Werden eine Stätte
schaffe! ‒ ‒ ‒
Glückselig Mann und Weib, die solches
fassen, und sich in liebender Vereinung
zu
erkennen wissen, so wie
der Ur‐
sprung alles Seins als „
Mann”
und
„
Weib”
sich selbst erkennt, in
ewig‐
licher Liebeseinung! ‒ ‒ ‒
Glückselig ist das Haus, das
Gottes
hehrster Tempel hier auf Erden wird,
da eine wahre
Ehe sich in ihm vollzieht,
geschlossen
vor dem Angesicht der
Ewigkeit, von Menschen, die
um
ihres Menschtums hohe Würde wis‐
sen! ‒ ‒ ‒
Was hier
Erfüllung findet, ist
geheim‐
nisreiches Wunder, Wenigen auf die‐
ser Welt nur kund, und
denen selbst
verborgen, die es
wirken! ‒ ‒ ‒
Wie so unsagbar
töricht klingt es
meinen Ohren, ‒ wie aller Weisheit
wüstenweit entfernt, ‒ so man mir
von „
Vollendung” reden möchte, dort,
wo sich Mann und Weib auf ihren Le‐
benswegen
meiden, um der vermeint‐
lich höheren Entfaltung ihrer Seelen
willen! ‒ ‒
Teilgestaltung wähnt
Vollendung
sich zu schaffen, ‒ jeder
Ahnung bar,
daß sie ihr nur
erreichbar wäre in
Ver‐
schmelzung mit dem
anderen, einst im
Geiste ihr
vereinten, nur hier im
Er‐
dendasein körperlich von ihr
getrenn‐
ten Teil! ‒ ‒
Beklagenswert vielmehr der
Mann,
beklagenswert das
Weib auf dieser Erde,
wenn es dem
einen Teile hier in seinem
Dasein
nicht gelingt, den ihm gemäßen
anderen Teil zu finden, mit dem
ver‐
eint er erst ein
Ganzes bilden würde,
er-
gänzt in
dem, was seines Einzel‐
poles
Eigenschwingung ihm nicht ge‐
ben
kann! ‒ ‒
Beklagenswert, wie manches
Andere
in dieser Erdenwelt, das gleicherweise
sich
behindert findet, die
Entfaltung
wirklich zu
erreichen, zu der
latent
die
Möglichkeit sehr wohl
gegeben
wäre...
Oft bietet
Sehenden in solchen Fällen
sich der
Anschein dar, als wolle selbst
Natur sich dieser armen, auf ihr uner‐
löstes,
halbes Menschtum nur Ver‐
wiesenen
erbarmen, indem sie ihre
schöpferische Phantasie erregt, sich
irgend ein
Idol des anderen Geschlechts
im
Außerweltlichen zu schaffen, das den
auf Erden hier vermißten
Ausgleich
durch den körperlichen Gegenpol, auf
kümmerliche Weise dann
ersetzt. ‒ ‒
Wer die Geschichte der
Ekstase und der
Mystik kennt, wird unschwer
Beispiel
hier auf
Beispiel häufen können...
Gewiß wird dann das so Erlebte
umge‐
deutet und als sublimste
geistige Er‐
fahrung aufgewertet, allein, was solcher‐
art erfahren werden
kann, ist
immer
nur aus
körperlicher Regung und Er‐
regung zu erklären! ‒ ‒ ‒
Kein Mensch der Erde ‒ mag er
Mann
sein oder
Weib ‒ der
körperlich zur
Ehe
tauglich, und nicht durch unerbitt‐
lich hartes
Schicksal oder
unbehebbar
schweren Grund von ihr sich
ausge‐
schlossen sieht, wird hier auf Erden
schon sein
Geistiges in
letzter Klar‐
heit zu
erleben fähig, solange er
aus
freien Stücken den realen, hier
natur‐
gegebenen Ausgleich der Geschlech‐
ter flieht! ‒ ‒ ‒
Hier ist nichts „
abzuhandeln”,
nichts
zu drehen und zu deuteln!!
Keiner derer, die sich selbst auf Erden
zu „
vollenden” wähnen, und die
Ehe
als
Behinderung im Vorwärtsschreiten,
oder gar als etwas
zu Vermeidendes
betrachten, kann sein Ziel
erreichen, ‒
sei es, daß nur verkappte
Eigensucht
ihn zu verblenden weiß, ‒ sei es, daß
„
religiöser”
Wahn ihn zu dem irren
Glauben führt, ‒ hier, wo
die Gottheit
sich zutiefst zu ihm herabneigt,
müsse er sich vor des „
Teufels”
Schlin‐
gen hüten, um einer „
Heiligkeit” teil‐
haft zu werden, die nur als
tolle Aus‐
geburt phantastischer Asketenhirne
Scheindasein genießt, und leider hier in
dieser Scheinwelt
wahrlich unheil‐
bringende Verehrung fand, ja stets
noch findet! ‒
Dem
Wüstling wird
das heiligste
Mysterium des
Menschen nur zum An‐
laß,
Nervenreiz zu schaffen, und in
Be‐
friedigung des Reizes:
Lust zu suchen.
Er ist ein
Verirrter, der
die Würde
seines Menschtums nicht erfühlt, und
Heiligstes mit
Schmutz besudelt! ‒
Verirrte aber sind nicht minder
alle
jene, die auf dem Wege zur Vollkom‐
menheit
vorangelangen wollen, ohne
zu
erkennen, daß sie des
Gegenpols
bedürfen, sollen sie ein
Ganzes wer‐
den! ‒ ‒ ‒
Verirrte sind die
töricht Überhebli‐
chen, die gar in ihrer Ehelosigkeit
Ge‐
währ zu haben glauben, daß sie auf dem
rechten Wege seien, und die sich
hoch
erhaben wähnen, weil sie, ‒
vermeint‐
lich um des „
Himmelreiches” willen, ‒
auf der Ehe Einung mit dem ande‐
ren Geschlecht verzichten! ‒ ‒ ‒
Wohl kann zwar auch der
Ehelose
seinen
Weg zur Vollendung wahrlich
allein durchmessen und sein höchstes
Ziel auf
seine Art dereinst erreichen,
auch wenn ihm
während seiner Er‐
dentage niemals
die Erfüllung werden
kann, die nur die
Ehe ihm
erreichbar
machen würde. ‒ ‒
Stets kann er nur
als Teil sich
Teilvoll‐
endung zu erringen suchen, und wird im
Erdenleben nie zu jener
Klarheit kom‐
men, die nur erreicht wird, wo der Mensch
die neue Einheit eines Ganzen, ‒
aus
Männlichem und
Weiblichem ver‐
eint, ‒ in einer wahren
Ehe schuf. ‒ ‒
Doch wird
der Ehelose
dann nur sich auf
seine Weise
Teilvollendung schaffen
können, wenn wirklich
Gründe, die nicht
Menschenwahnwitz erst ergrub,
vor
Gott die
Ehelosigkeit als
nicht ge‐
wollt bezeugen! ‒ ‒
Weit seltener jedoch als
Wahn es will,
sind
solche Gründe vor dem
Urteil Got‐
tes aufzufinden...
Keiner möge sich
auf sie berufen, der
nicht
in tiefster Einkehr mit sich
selbst zu Rate ging, und nicht
gewiß
ward, daß er
Gottes Stimme, in der
Stille ruhevoller Selbstversenkung,
hör‐
te! ‒ ‒ ‒
Keiner aber möge andererseits
Verei‐
nigung mit einem Gegenpole ande‐
ren Geschlechts nur aus
Begier erstre‐
ben, und
bevor er
in sich selber sich
belehrt fand, daß solche Einigung
nur
dann ihm
Heil verheißt, wenn er sich
willig weiß,
allein für sie
die ewige
Verantwortung zu tragen, ‒
ganz
einerlei, ob auch der
andere Eheteil sie
für sich selber tragen will, oder von
solcher Pflicht
nichts ahnen mag! ‒ ‒
Der
Irrwahn ist
alt, daß: „
heiraten
gut” sei, „
nichtheiraten” aber „bes‐
ser”, ‒ und der ‒ vor solcher Torheit
nicht geschützt ‒
ihn erstmals aus‐
sprach, hatte wahrlich hohe Einsicht in
gar manche geistige Verborgenheiten, so
daß hier
geistiges Gewicht von unge‐
heuerlicher
Schwere seitdem
auf den
Gewissen aller Nachgeborenen
lastet...
Es ist an der Zeit, daß
endlich hier
der
Wahn des Weisen seine
Macht ver‐
liere!
Es ist an der Zeit, daß endlich nun die
Ehe, die man als „
Sakrament”, zu
deutsch ‒ als Mittel, seine
Heiligung
sich zu erwirken, ‒ betrachtet sehen will,
obwohl man
Ehelosigkeit als unver‐
gleichbar „
heiligmäßiger” erklärt, der
Schändung enthoben werde, die
darin
ausgesprochen ist, daß man: ‒ das reife
Weib, dem höchstes, heiligstes
Erfüllen
seines Weibtums
fremd bleibt,
höher
stellt, als jede Frau die ihre
Mutter‐
würde zu erlangen wußte, ‒ den ste‐
rilen
Selbstling aber, der seine
Man‐
neskraft in sich
verzehrt und seines
Blutes Wert der Erde
raubt, im Wahn
befangen,
über jeden Mann zu stellen
sucht, der hier auf Erden
Vater neuen
Lebens wurde! ‒ ‒ ‒
Es ist wahrhaftig
an der Zeit, daß sich
die
Ehe ihres
Heiligsten zu
wehren
wisse, wenn man den Zeugungsakt: „
Be‐
fleckung” nennt, so daß man sich nicht
scheut, der alten „
Heiden” Wundermär
zu übernehmen, um die Geburt des
Gott‐
erhabensten der Menschen, nach alter
Mythen Weise, einer „
Jungfrau” zu‐
zuschreiben, ‒ nicht ahnend, daß die
alten Mythen von der Gottgeburt
im
Menschenherzen tiefverhüllte Kunde
geben, ‒ der Geburt des „Gottessohnes”
in der
Seele, die nur der
Gottesgeist
befruchten kann...
Hoch aller Ehrung würdig ist wahr‐
haftig
jene Frau, die
Mutter eines
Sohnes werden konnte, dessen
lichte
Lehre aller Welt das
Heil bereiten wür‐
de, wollte man nach ihr zu
handeln sich
bequemen, soweit man sie noch wahrhaft
kennt! ‒
Allein, nicht minder sollte man den
Vater
eines solchen Sohnes ehren, denn: wer
den
Sohn hier sieht, der sieht auch
den,
der ihn
erzeugte, da Bluteserbe sich be‐
reits
im Dasein finden muß, bevor es
Erbe werden kann! ‒ ‒ ‒
Hier ist die
Ableugnung der Zeugung
aus des Vaters Blut nur Ausdruck je‐
ner
Mißachtung, die anderenortes auch
die
Ehelosigkeit für „
heiligmäßiger”
erklärt, als
Ehe! ‒ ‒ ‒
„
Ehe” heißt mir freilich
nicht: ein
dumpfes, triebversklavtes
Beieinander‐
leben, um gegenseitig
seiner Sinne
trübe Glut zu löschen! ‒ ‒
„
Ehe” heißt mir nicht die Mischung der
Geschlechter, die im
Kinde nur das
Übel
sieht, das ihre
Lust bedroht! ‒ ‒
„
Ehe” aber ist auch nicht:
die unver‐
antwortliche Zeugung neuen Le‐
bens,
dem die Bedingungen zu se‐
gensreicher Selbstentfaltung nicht
gegeben werden können! ‒ ‒ ‒
Wahrhaftig: es gibt auf dieser Erde
keinen Lebenszustand, der
mehr Be‐
herrschung seiner selbst,
mehr Mit‐
empfinden mit dem Anderen,
mehr
Verantwortungsbewußtsein for‐
dern würde, als die rechte
Ehe! ‒ ‒ ‒
Nur, wer hier
alle hohe Forderung
er‐
füllt, darf hoffen, daß er auch das
Glück
der Ehe finde, das doch so viele
suchen,
und so wenige
erfahren, da es die
allermeisten
heischend ‒ als ihr „
gutes
Recht” ‒ erlangbar glauben, statt ein‐
zusehen, daß es der Mensch ‒ wie
alles
Glück ‒ sich selber
auferbauen, sich
selber
schaffen muß! ‒ ‒ ‒
In diesem Buche wird nunmehr von
dem
die Rede sein,
was wahre Ehe ist, und
was sie
fordert.
Ich werde zeigen, daß es zwar
unbeirr‐
bare Bereitschaft,
geschulten Willen
und
erzogene Kraft verlangt, die
Ehe,
wie sie sein muß, aufzurichten, ‒ daß
es jedoch
viel leichter ist,
die wahr‐
haft gute Ehe und ihr Glück zu schaf‐
fen, als die vielen
unglücklichen Ehen
glauben machen möchten...
Für alle, die noch
vor der Ehe stehen,
möge das Folgende zur
Vorbereitung
dienen.
Die längst
in einer Ehe leben, ‒
sei sie nun
glücklich, oder
getrübt, ‒
mögen aus meinen Worten wählen, was
ihnen noch nützen kann!
Wer aber vor der furchtbar ernsten Frage
keinen Ausweg sieht, ob er die
Ehe, die
er einst in froher Glückserhoffung
schloß,
nun
lösen soll, da alle Glückes-
Mög‐
lichkeit ihr längst erstorben scheint, der
frage sich nach der Lektüre dieses Buches,
ob er zu solcher Lösung wirklich sich
berechtigt weiß, und ob er die
Ver‐
antwortung dafür auch
vor dem An‐
gesicht der Ewigkeit noch
tragen
will?! ‒ ‒ ‒
Gewiß soll unrettbar
Zerrüttetes nicht
jedem
neuen Glück im Lichte stehen
bleiben!
Gewiß soll man in einem Lebensbunde,
der
Enttäuschung an
Enttäuschung
reihte, und nun Tag für Tag nur
Gram
und
Unheil schafft, nicht bis zum
letz‐
ten Fluch verharren!
Allein: ‒ gar manche Ehe wurde unter
Menschen schon
gelöst, obwohl sie
keineswegs
vor Gott die
Schäden
zeigte, die zur Lösung die
Berechtigung
gegeben hätten...
Gar oftmals hätte ernster
Neubeginn
der Ehe, auch zu
neuem und nun
dau‐
erbaren Glück den Grund gelegt, wären
nicht
vorschnell alle Brücken zuein‐
ander abgebrochen worden, da man
bereits nach neuem Glück an eines
an‐
deren Menschen Seite schielte. ‒ ‒ ‒
Wer da hören will,
und fühlt,
daß
es ihn angeht, ‒
möge hören!
Der aber der Ehe
fernbleiben muß, ‒
sei es nun
Schicksal, daß sie ihm
ver‐
sagt bleibt, oder werde er durch
Pflicht
gezwungen,
ehelos zu bleiben, weil er
Verantwortung für eine
Ehe niemals
tragen könnte, ‒ ‒
der lege dieses
Buch zur Seite, denn nicht für
ihn ist
es geschrieben worden! ‒
Ich schreibe hier für Menschen, die durch
keinen unabänderlichen und
vor Gott
gegebenen Grund
behindert werden,
die Vollendung
in der Einheit einer
Ehe zu erstreben. ‒
Nur diesen gilt, was hier zu
Worte
wird!
Wohl sind mir auch
die Truggespen‐
ster irren Fühlens sehr bekannt, die
an dem Heiligtum der Ehe
rütteln wie
an altersgrauen Mauern, die man
stür‐
zen müsse, wolle man den
Weg zur
Freiheit finden.
Hier aber ist nicht eindringlich ge‐
nug zu warnen,
vor verhängnis‐
voller Täuschung!
Aus wilder
Herdengemeinschaft, in
der sich ‒ kurz und derb gesprochen ‒
jedes Weib noch
jedem Mann
ergeben
mußte, der es zu
bezwingen fähig war,
führte
unsagbar weiter Weg den
Erdenmenschen endlich zu dem
hohen
Tempel in der Geisteswelt, der
einen
Mann dem
einen Weibe eint. ‒ ‒ ‒
Die
Tierheit ward dem
Geiste unter‐
tan, auch wenn sie sich noch immer
sträu‐
ben mag, ihm
willig zu
gehorchen. ‒ ‒
Und wenn es auch noch heute
Millionen
gibt, die
nicht auf solcher Stufe stehen,
‒ wenn auch noch
ganze Völker in
dem Weibe einzig die
Gebärerin und
das Gefäß der Lust erblicken, oder gar
das
Arbeitstier, das man
erhandelt
wie das liebe Vieh, so daß
die Anzahl
Frauen, die der Mann „besitzt”, zum
Zeugnis seines
Reichtums wird, wie
seine Herden auf der Weide, ‒ so ward
auf
höherer Stufe doch auch längst er‐
kannt, daß nur die
Ehe, die das
eine
Weib dem
einen Mann
verbindet,
geistig-
göttlichem Gesetz ent‐
spricht. ‒ ‒ ‒
Wehe denen,
die in unbezähmter
Gier die eigene Ehe unterwühlen, ‒
nicht fähig,
einen Menschen anderen
Geschlechts zu sehen, ohne seiner zu
begehren! ‒ ‒
Man nenne es nicht „
Zufall”, sondern
fühle einen
Willen hier am Werke, wenn
die von jeder
anderen Geschlechtsver‐
mischung
sorglichst reingehaltene
Ehe,
aus dem Geschlechtsverkehr
her,
unerreichbar bleibt für jene fürch‐
terliche
Seuche, die aus kurzer Augen‐
blicke unbezähmter
Lustgier:
Fluch
und Unheil über Generationen
bringt! ‒ ‒ ‒
Hier zeigt
Natur mit aller
Deutlichkeit,
was sie, auch schon
von sich aus, von
dem Erdenmenschen dieser Tage
for‐
dert!
Wer es auch sei, und welche
Gründe
ihn bestimmen mögen, ‒:
der Mensch,
der an der
Ehe, die das
eine Weib dem
einen Mann verbindet, freventlich zu
rütteln wagt, indem er solcher Ehe
Bin‐
dung und
Verpflichtung nicht beachtet,
ladet
schwerste Schuld auf sich: ver‐
sündigt sich
an aller Erdenmensch‐
heit, und schafft
kosmische Verwirrung,
‒ ‒ ganz abgesehen von der
unge‐
heuerlichen Schändung eines Tem‐
pels, der dort, wo eine
Ehe sich voll‐
zieht,
im reinen,
wesenhaften Geiste
aufgerichtet wurde! ‒ ‒ ‒
Nur hohe Gnade kann den so mit
Frevelschuld beladenen Verbrecher
an der Ehe noch entsühnen, und nur:
wenn
selber er
die Sühne sucht! ‒ ‒
Doch,
nicht viel kleiner ist auch
jene
Schuld, die jeder auf sich bürdet, der
sich vermißt, hier eine
Form zu
spren‐
gen, die ihm „
überlebt” erscheint, da
er sie nicht mit wahrem Leben zu
er‐
füllen weiß! ‒ ‒
Vergeblich bleibt auf dieser Erde alles
Streben, etwa eine
neue,
bessere Form
der Einung der Geschlechter zu gestalten,
denn: ‒
was die Menschheit in der
Ehe eines Mannes mit dem einen
Weibe zu erringen wußte,
gründet
in der Gottheit innerster Gestal‐
tung! ‒ ‒ ‒
Wer hier
zerstören will, was hohe Ein‐
sicht
auferbaute, der ist sich nicht der
Folge seines Tuns bewußt!
Ein Sanktuarium des Geistes würde
so vernichtet, an dem
Jahrtausende die
Weisesten der Erde
bauen sahen!
‒ ‒ ‒
Es müßten
kommende Jahrtausende
vergehen, sollte es dereinst
erneut
errichtet werden, so dies
möglich wäre,
läge es in seinen Trümmern! ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
SO, wie der
Ehe heilighoher Bund,
wie ich ihn sehen lehren will, vor
allem in der
Liebe sich vollendet, und
ohne Liebe nicht bestehen
kann, ‒ so
sei auch hier, vor allem Anderen, nun
der
Liebe ein Betrachtungswort geweiht.
Es wird die Rede sein zuerst von einer
Form der
Liebe, die zwar im
Irdischen
zur
Wirkung kommt, doch tief im
Geiste gründet. ‒
Auch
im Tiere ist diese
Liebe zu finden,
wie
in allem,
was lebt!
Jedoch, das Tier
vermag es nicht, die
Geistbegründung dieser Art der
Liebe
zu
erfühlen, und so bleibt es beschränkt
auf
Trieb und
Brunst, ‒ auf dumpfes
Suchen seiner
Mutterschaft und
Sorge
für den „
Wurf”. ‒
Nur allzuoft ist aber leider auch der
Mensch der Erde ganz in
gleicher Weise
seiner Tierverhaftung Sklave: ohne
jede Sehnsucht, sich als
Herr und Mei‐
ster seiner Tierheit zu bewähren...
Erbarmen faßt den
Sehenden, erblickt
er
solche Schmach an
Wesen seiner
Art, ‒ sieht er die jämmerliche
Selbst‐
erniedrigung, die sich genügen läßt an
geiler Lust und
viehischem Behagen,
wo
Macht gegeben ist,
die göttlich
reinsten Freuden zu erleben! ‒ ‒
So mancher aber, der zwar
nicht die
tiefsten Gründe allen Daseins offen sah,
jedoch in sich die Ahnung von der
Würde
seines Menschtums trug, ward seines
Ekels nicht mehr Herr, sah er den Men‐
schennamen solcherart
entweiht. ‒
Er wähnte nun, daß alle
Liebe, die der
Tierheit Kräfte auslöst um sich zu er‐
leben, auf
gleicher abgrundtiefer
Stufe stehen müsse, und konnte nicht
mehr fassen, daß auch der
Tierheit
Trieb
dem Geiste Anlaß eigenen Er‐
lebens werden kann...
Fluchend grollte er dem Schicksal, das
ihn zwang, in seinen Adern „
Tierisches”
zu fühlen, dem er sich niemals ganz ent‐
winden konnte. ‒ ‒
In solcher Wirrnis qualbefangen, über‐
gab er sich alsdann dem Wahn, daß alle
Liebe, die sich in ihm irdisch-tierhaft
äußern wolle, eine
Ausgeburt der Hölle
sei, und seine
Seele zu
vernichten
drohe. ‒
Wo hätte er auch die
Belehrung suchen
sollen, die seiner Selbstqual
Auflösung
geschaffen hätte durch
Erkenntnis?!?
Die
Einen suchten nur sein Wähnen
zu
bestärken, da sie selbst im
gleichen
Wahn befangen waren, ‒ die
Anderen
‒ ‒
verlachten ihn...
Die aber selbst das Glück des seligsten
Gewährens
kannten, ‒
das Glück der
Liebe,
die das „
Tier”
der Gottheit
eint: die alle „Ächtung” von ihm nimmt,
indem sie seine Triebe
läutert und
zum
Dienste seelischen Erlebens schult,
‒ wußten nur selten über das zu
reden,
was ihnen
heiligste Erfahrung war.
‒ ‒ ‒
Wo aber wird Belehrung
mehr ent‐
behrt, als auf den Wegen durch
der
Liebe irdische Gefilde, da allenthalben
giftgeschwängerte Gewächse in den
gleichen gluterfüllten
Farben sprießen,
wie jene reinsten Blütenkelche, die in
ihrer Tiefe
Tau des Himmels bergen!?
‒ ‒
Man wird nicht lange suchen, will man
Menschen finden, die nur
ironisch‐
bitter lächeln können, hören sie die
Liebe preisen...
Man wird die
Ehen leichthin
zählen
können, in denen Mann und Weib in
solcher Art die
Liebe kennen, wie sie
jede Menschenehe
kennen sollte! ‒ ‒
Die Einen glauben, wahre
Liebe müsse
sich allein im
Seelischen erschöpfen
lassen, und ihre
Leiber werden ihnen
gegenseitig fast zum
Greuel, da sie eben
doch noch
Anderes heischen...
Die
Anderen aber glauben ihre
Liebe
nur in der
Befriedigung der Triebe
zu genießen, bis sie zuletzt in
Über‐
sättigung sich voneinander wen‐
den. ‒ ‒
Beides ist freilich
nicht die rechte Art,
um jene Form der
Liebe zu erleben, die
eine wahre Ehe
braucht!
Die Liebe, die allhier allein
Erfüllung
geistigen Gesetzes schafft, will
weder
Geistiges,
noch Tierhaftes in ihrer
Auswirkung
entbehren.
Das durch die Tiernatur des Erdenmen‐
schen aber einmal nun Gegebene, soll
keineswegs nur
tierisch, „
viehisch”,
ausgekostet werden, sondern, vom Gei‐
stigen
durchdrungen und dadurch
ver‐
wandelt: ‒
selbst ins Geistige er‐
hoben, ‒ zu Bewußtsein kommen.
So sollen
Mann und Weib,
in geistig‐
körperlicher Einung, sich
ineinander
nun
erkennen, wie
Mann und Weib
im Göttlichen vereinigt waren, einst
vor dem „Fall” in diese physisch-sinn‐
liche Erscheinungswelt, ‒ und wie das
Männliche dem Weiblichen
erneut ver‐
einigt wird, sobald erst beide Mensch‐
tumsteile die
Erlösung sich erwirkten
in der
Geisteswelt...
Für diese Worte wird dem geilen
Wüst‐
ling ganz in
gleicher Weise das
Ver‐
ständnis fehlen, wie dem
Asketen, der
in jeder Regung seiner ‒ durch
ihn
selbst allein beschmutzten ‒ Tiernatur,
nur „
teuflische”
Versuchung wit‐
tert. ‒ ‒
Die aber Ähnliches, wie das, was meine
Worte
darzustellen suchen, auch nur
einmal in sich selbst
erfahren haben,
werden wahrlich
wissen, was die Worte
meinen! ‒ ‒ ‒
Wer aber auch
nicht aus
Erfahrung
weiß, von welchem
heiligen Myste‐
rium, ‒ erlebbar in der körperlichen
Leibvereinung, ‒ ich hier rede, der wird,
so er nur
reinen Herzens ist,
erahnen
können, was er
dann erst wissen kann,
wenn er es selbst
erlebt! ‒
Jegliches Weib, und
jeder Mann, wird
nur in diesem, hier auf Erden
höchsten,
körpersinnlich-
geistigen Erleben
neuer Einheit die
Erfüllung finden,
die ‒
ohne jeden schalen Rest an
unbefriedigter Empfindung ‒ erst
völlig jenes heiße
seelisch-
körper‐
liche Sehnen stillt, das die Geschlech‐
ter, ‒ wo nicht
Tierbrunst nur Befrie‐
digung erheischt, ‒
in Liebe bis zum
Selbstvergessen,
zueinander zieht!
‒ ‒ ‒
Doch nur in einer wahren
Ehe, die Mann
und Weib in neuer
Einheit faßt, und ‒
mindestens dem
ernsten,
festen Wil‐
len nach ‒ für beider
Lebenszeit ge‐
schlossen wurde, kann sich Geschlechts‐
vereinigung
zu solcher Höhe heben,
da
hier nur jene
Einheitsform im we‐
senhaften Geiste sich
gestaltet fin‐
det, die so
erlebbar wird. ‒
Immer aber wird nur höchste Zucht
der Sinne,
höchste Zucht der Phan‐
tasie,
das Unbegreifliche:
Ereignis
werden lassen im Erleben! ‒ ‒ ‒
Gewiß ist
das Kind jeder wahren Ehe
Ziel und
Wunsch!
Und dennoch ist,
nach geistigem Ge‐
setz, das durch die
Ehe zur
Erfüllung
kommen will, ‒
die Zeugung und Ge‐
bärung neuen Lebens erst der
zweite
Zweck der ehelichen Einung! ‒ ‒ ‒
Ihr
erster ist die Bildung einer neuen
Geisteseinheit, in der sich Teil und an‐
derer Teil zu jenem
Ganzen ineinander‐
schmelzen, das nur auf
geistig-
kör‐
perliche Weise für den Menschen dieser
Erde
noch empfindbar ist, ‒
dann
aber auch, in
Auswirkung des so Er‐
lebten, ‒ dem ganzen Dasein einen
Kräftezuwachs schafft, den nur das
geistige
Ganze spenden
kann, und den
kein Teil, wie immer er sich strebend
recken mag,
für sich allein erreicht!
‒ ‒ ‒
So ist die
Ehe, schon um der
in ihr
allein nur möglichen Erfüllung allen
Sehnens reiner geistig-
körperlicher
Liebe willen,
eine hohe Hilfe auf dem
Wege zur Vollendung, ‒
eine tief
geheimnisvolle Vorbereitung auf
die Rückkehr in das Reich des we‐
senhaften Geistes, ‒
eine Pforte,
die zu seligstem Erahnen überer‐
denhaften Lebens alle jene führt,
die willens sind,
den Schlüssel zu
gebrauchen, der ihnen hier in diesem
Buche
dargeboten wird! ‒ ‒ ‒
Wäre der Erdenmensch
nur wesenhafte
Geistgestaltung, so würde wahrlich
alles, was die
Ehe ihm
erlebnisnahe
bringt, auch nur in seiner
Geistgestalt
erlebbar sein.
So aber ist der Mensch, der einst aus sei‐
nem hohen, göttergleichen „
Leuchten”
fiel, um sich in
physisch-
sinnlicher Er‐
scheinungswelt nun zu erleben, ‒ ‒
wie er vermeinte:
als sein eigener,
seinem Ursprung nicht mehr einge‐
borener „
Gott”, ‒ ‒ allhier dem
Tie‐
rischen verhaftet worden, so daß ihm
alles, was er noch im
Geistigen emp‐
finden will, nur
faßbar wird in
leib‐
hafter Empfindung durch der
Tierheit
ihm vertraute Kräfte. ‒ ‒
Und fühlt er sich, ‒ obwohl ihn nur des
Erdentieres Körper
trägt, solange er auf
Erden lebt, ‒ in eitlem Wahn dem Tier‐
haften
enthoben, so
trügt er nur sich
selbst und hindert seine eigene Ent‐
faltung, vermeintlich „
geistiges” Er‐
leben kennend, das ‒ ‒:
nur des
„
Tieres”
irrgeleitetes Empfinden
ist! ‒ ‒ ‒
Nichts aber
schützt vor solcher
Irre‐
leitung tierhaften Empfindens
wir‐
kungsvoller, als die rechte
Ehe, in der
die
geistig-
körperliche Liebe ihre
reinste,
höchste Form gefunden hat!
Doch ist die
Liebe, die in einer wahren
Ehe
alles lenkt und leitet, keineswegs
allein darauf verwiesen, sich ausschließ‐
lich nur in
geistig-
körperlicher Art
zu zeigen: ‒ gebunden an die Sehnsucht
der Geschlechter, sich zu einen.
Bleibt diese
geistig-
körperliche Liebe
auch stets
Vorbedingung einer ehe‐
lichen Einung, ansonst ein „Ehebund”
zum eklen
Spottbild seiner selbst her‐
abgeschändet wird, so überstrahlt doch
auch zu gleicher Zeit die
Liebe noch in
anderer Form das Leben zweier Men‐
schen, die sich in der
Ehe fanden und um
ihre
Zweieinheit im
Geiste wissen...
Ich rede hier jetzt von der Liebe
ohne
Gegenstand der Liebe: ‒ von einer
Form der Liebe, die des
Gegenstandes
nicht bedarf! ‒
Auch sie wird
Irdischem nur dann
empfindbar sein, wenn sie durch Ir‐
disches
vermittelt wird...
Wenn aber
geistig-
körperliche Liebe,
wie sie zur
Einung der Geschlechter
in der Ehe führt, stets ihren Liebes‐
Gegenstand benötigt, um sich in Ver‐
einungsglut zu fühlen, ‒ ja, wenn selbst
jene Liebe, die das
Kind umhegt, und
rückstrahlt auf das
Elternpaar, nicht
ohne
Gegenstand der Liebe ist, so han‐
delt es sich
hier nun um die
völlig los‐
gelöste Liebe, die
nichts im Äußeren
begehrt, und auch nicht
Gegenliebe
fordert, da sie
Erfüllung findet in sich
selbst, wo immer sie im Dasein ist. ‒ ‒
Nicht allzuvielen ist
diese Liebe
bekannt!
Nicht allzuoft wird sie im
Erdenleben
ausgewirkt!
Und doch ist sie
weit häufiger zu fin‐
den, als jene
höchste Form der
ehe‐
lichen Liebe, die es vordem zu um‐
schreiben galt!
Schon
darum, weil sie
durchaus nicht
nur in der Ehe sich allein
Erfüllung
schaffen kann...
Es darf jedoch die
Ehe, soll sie wahr‐
haft
glücklich sein, auch diese Liebe
ohne Gegenstand der Liebe nicht ent‐
behren müssen! ‒
Nicht nur im heilighehren Tempel
ehelicher Lagerstätte, ‒ zu dem die
kleinste, engste, arme Hütte wird, in der
sich Mann und Weib vereint in jener
höchsten Form der
geistig-
körper‐
lichen Liebe finden, ‒ wirkt sich das
Leben zweier Ehegatten aus!
Die wahre
Ehe ist
Gemeinsamkeit des
Lebens in der
weitesten Bedeutung
dieses Wortes!
Es läßt sich aber dieses Erdenleben nicht
gemeinsam führen, ohne beiden Teilen
stets auf Schritt und Tritt zu zeigen, daß
sie
trotz aller geistig-
körperlichen
Einung, doch in der Außenwelt
noch
zwei getrennte Teile eines
Geistes‐
Ganzen bleiben, deren
jeder von Na‐
tur aus
eigenen Gesetzen unterordnet
ist. ‒ ‒
Zwei
Eigenleben stehen sich auf solche
Weise gegenüber, und sollen doch
in
einem neuen Leben der Gemein‐
samkeit vereinigt werden!
Sie müssen
diese Einung
ebenso er‐
reichen, ‒ wollen sie ihr
Glück nicht
von sich jagen, wie sie in ihrer
geistig‐
körperlichen Liebe eine neue Einheit
wurden...
Hier aber ist die
geistig-
körperliche
Liebe
nicht mehr tauglich,
Einung zu
bewirken, ‒ und so liegt hier die Wur‐
zel jenes Wahnes bloß, der da vom an‐
geborenen „
Hasse der Geschlechter”
zu orakeln weiß. ‒
Ach nein,
meine Freunde, ‒
wahr‐
lich,
solcher Haß ist nicht begründet
im Geschlecht an sich, wenn er zu‐
weilen
dort sich zeigt,
wo Menschen
im Zusammenleben sich begegnen,
die
verschiedenen Geschlechtes sind!
‒ ‒
Stets handelt es sich dann nur um
den
Widerstreit erotischen Vereinungs‐
willens gegen jenen
anderen Willen,
der den
Teil allein als
Ganzes aner‐
kannt, und
seines Eigenlebens Norm
allein in Geltung sehen möchte!
Aus solchem Widerstreit kann dann ein
Haß erstehen, den man
sehr zu Unrecht
so zu deuten sucht,
als sei er schon
naturgegeben im Geschlecht!
Ihn aber zu
besiegen ist nur
jene Art
der
Liebe fähig, die
nicht durch einen
Gegenstand der Liebe erst
entzündet
wird, und die sich
auswirkt, ohne einen
Gegenstand zu
suchen, da sie
in sich
selbst Erfüllung ist. ‒ ‒
Nur diese
Liebe um der Liebe willen
lehrt auch stets
die rechte Weise fin‐
den, nach der sich
Teil und anderer
Teil in einer Ehe immerdar zu for‐
men und zu schleifen suchen müssen,
wollen sie
in Lebenseinheit zuein‐
anderpassen! ‒ ‒
Selbst manche
sogenannte „Ehe”, die
von der wahren Ehe nur den
Namen
borgt, wird oftmals noch zu einer leid‐
lichen Gemeinsamkeit geformt, wenn in
dem
einen dieser Ehegatten, oder gar
in
beiden, etwas von der
Liebe um
der Liebe willen wirkt, ‒ auch wenn
die
geistig-
körperliche Liebe nie zu
ihrer höchsten Form gefunden hatte, ja
wenn sie selbst in
niederen Formen
kaum vorhanden war...
Sprichwörtlich ist die „
heiße Liebe”,
die dann später zum „
Erkalten” kam!
Doch: ‒
echte Liebe
kann niemals „
er‐
kalten”, weil sie nur dort
entzündet
wird, wo ihre helle Lichtglut
uner‐
schöpflich reiche Nahrung findet! ‒ ‒
Sie kann zum
wilden Feuer werden,
aber
niemals, ‒
möge man sie auch
mit allen Mitteln zu ersticken su‐
chen, ‒ kann sie
verlöschen: kann sie
zum
Erkalten kommen!
Was
solcher Glut der Liebe aber
nicht
entspricht, mag
sinnlicher Rausch sein,
oder
eine künstlich aufgestachelte
Erotik, ‒ mag
Freundschaft miß‐
verstehen, mag
Bewunderung,
mag
Dankbarkeit vielleicht in „
Liebe”
fälschen, ‒ ‒ mit
echter Liebe aber hat
dann dieses Fühlen nur
das Wort ge‐
mein...
Niemand soll sich viel verwundern,
wenn hier
Pseudo-Liebe früher oder
später zum „
Erkalten” kommt!
Nie aber darf derartig aufgenährtes
Scheingefühl in einem Menschen so zur
Macht gelangen,
daß er sich selbst
betört und überredet,
als sei der Un‐
terbau gegeben,
eine Ehe aufzurich‐
ten! ‒ ‒
Unsägliches Unglück würde auch
ver‐
mieden, wollten Mann und Weib, die
sich im Leben irgendwie begegnen,
nicht
gleich aus jeder leisen Regung der
Erotik einen Fetisch machen, den sie
ihre „
Liebe” nennen!
Es ist
naturbegründet, daß zwischen
jedem Mann und
jedem Weibe
Schwin‐
gung der Erotik stets vibriert, und sei
auch
dieses feine,
stetige Vibrieren
unsichtbarer Kräftewellen, ‒ wie
bei allen Menschen
seelisch reiner Art,
‒
so leise,
daß es im Bewußtsein
völlig unbeachtet bleibt.
Gefahr liegt hier nur
dadurch vor, daß
ungefestigte Naturen,
deren Phan‐
tasie nicht ahnt,
was Zucht und Herr‐
schaft eines reinen Herzens heißt,
an solcher leisen Schwingung schon
die
Freude der Berauschung suchen,
von
sich aus stetig dann
die Schwingung
steigern, und nicht eher ruhen, als bis
aus Übersteigerung: ‒
Begehren wird...
Dieses
Begehren aber nennen sie dann
„
Liebe”, und leiten gar das Recht, ein
eheliches Bündnis zu erstreben, aus
solcher Ausgeburt
haltloser Phanta‐
sie-
Entartung ab, ‒ um Wüstenweite
ferne jeglicher Oase des
Verantwor‐
tungsbewußtseins, ‒ fast monoma‐
nisch nach
Erfüllung des Begehrens
strebend, ‒ um schließlich, nach
Errei‐
chung ihres Zieles, dem einst so heiß
begehrten
anderen Teil der so erstreb‐
ten „Ehe”
jede Neigung zu entziehen,
da ja längst schon wieder
anderes Be‐
gehren lockt...
Ich brauche kaum zu sagen, daß es sich
in solchen Fällen meistens nur um
Män‐
ner handelt, die das
Weib begehren,
denn
selten nur ist auch die Phantasie
des
Weibes so
entartet, daß sie das
Weib die
gleichen Wege gehen heißt.
Wer
anders über Weibesart Bescheid
zu wissen glaubt, der möge sich erinnern,
daß seine Weisheit
solchenfalles
sicherlich von ‒ ‒
Männern stammt,
die allzuunverhohlen
ihre Wesensart
am liebsten auch im
Weibe wiederfinden
möchten, ‒ es sei denn, daß er
selber
nur die
Dirne kenne, und
Dirnenart
in
jedem Weibe wittere! ‒ ‒
Gar vielfach aber läßt sich leider auch
das Weib verleiten eine „Ehe”
ohne
Liebe anzustreben, um später in die
Klage auszubrechen, daß es „
kein Glück”
in seiner „Ehe” finde.
Doch schafft
das Weib sein Unheil meist
aus
anderen Gründen, und vielfach sind
sie
weit verzeihlicher als die des
Mannes. ‒
Ehrgeiz, den Mann, den es
bestaunt
in irgend einer Leistung,
sich vor an‐
deren zu erringen, ‒ der Wunsch,
„
versorgt” zu sein, oder
dem allzu‐
strengen Elternhause zu entfliehen,
‒ das sind
zumeist die Gründe, die
das
Weib bestimmen können, eine „Ehe”
einzugehen, ohne
Liebe zu empfinden,
wenn nur
die Schwingung der Erotik
soweit
steigerbar erscheint, daß sie
ihm einen sinnlich-äußeren
Ersatz für
Liebe bildet. ‒
Auf welcher Seite aber auch die Schuld
am schwersten lasten möge: ‒ stets
wird ein solcher „Lebensbund”, der oft
kaum
Jahre schlecht und recht noch
überdauert, nur arges
Zerrbild einer
wahren Ehe sein! ‒ ‒
Das
geistige Gesetz, das unerbittlich
fordert, daß man
ihm genüge, wo sich
Mann und Weib zur
Ehe einen wollen,
ist
nicht zu „
biegen” und zu „
brechen”,
wie man eine „
Ehe” biegt und bricht,
die da in Wahrheit keine
ist, und nie‐
mals eine
war, wenn solches sich ereig‐
nen kann, ‒ auch
wenn die beiden Ehe‐
gatten einstmals
glaubten, daß sie
die
Ehe eine, und es
solange glauben
mochten, bis dann
Prüfung dieser Ehe
Unterbau erprobte. ‒ ‒ ‒
Wo darum wahre
Ehe werden soll,
dort frage man vor allem nach der wahren
Liebe! ‒ ‒ ‒
Sie ist
gar leicht zu
erkennen, und
unmöglich wird es ihr, sich zu
ver‐
bergen! ‒ ‒ ‒
Man kann sich aber niemals
früh genug
aus Träumen reißen, die eine
Pseudo‐
Liebe hätscheln wollen, und niemals
kann man
streng genug sich selber
jedes Tun verweisen, das einen Ne‐
benmenschen, der,
gefühlsbetört, in
solcher
Pseudoliebe sich gefällt, auch
noch in seinem Wahn
bestärken
könnte...
Doch, wahre
Liebe ist nicht nur „
Ge‐
fühl”, und nicht im
Fühlen läßt sie sich
erschöpfen! ‒
Liebe ist vor allem
Kraft! ‒
Wer sie mißbraucht, kann diese gleiche
Kraft im ‒
Hasse kennenlernen!
Dort wirkt sie dann in ihrer
Selbst‐
verzerrung...
Wer
aber Liebeskraft
in ihrer höchsten
und erhabensten Entfaltung in sich
selbst
empfindet, der
strahlt Liebe
aus und wird sie sicherlich auch dort
erwecken, wo sie noch im
Schlafe ruht,
sobald er fühlt, daß ihm der Mensch be‐
gegnet ist, den ihm sein Schicksal zube‐
stimmte, um in einer wahren
Ehe sich mit
ihm zu
einen. ‒ ‒ ‒ ‒
Wo beide Teile fühlend voneinander
wissen, daß sie echte
Liebe eint, dort
soll wahrhaftig aus der Liebe auch die
Ehe aufgerichtet werden!
Glückselig jede Ehe,
die auf solchem
Fundamente baut!
Sie wird durch keinen Sturm, der sie um‐
tost,
erschüttert werden, und keine
Brandung kann sie jemals
unter‐
wühlen!
* *
*
AUCH das allerengste
Beieinander‐
leben zweier Eheleute schafft noch
lange nicht
Gemeinsamkeit, während
sie
dort gar oft besteht, wo Mann und
Weib ‒
sehr gegen Wunsch und
Willen ‒
gezwungen sind, meist lange
Zeit
in äußerer Entfernung zu ver‐
harren: nur kurz und selten unter glei‐
chem Dach vereint. ‒
Wenn aber auch Gemeinsamkeit nicht
abhängt von der steten Bindung an die
gleichen Räume, so wird doch jede wahre
Ehe
Raumgemeinschaft zu
erstreben
suchen, wo immer dies mit der gebotenen
Sorge für des Lebens Notdurft, mit den
Pflichten, die Beruf und Stand erheischen,
zu vereinen ist.
Aber ein Anderes ist das
Beieinander‐
leben in den gleichen Räumen, nur weil
man
das Alleinsein nicht erträgt: die
Gegenwart des Anderen
nicht missen
möchte, ‒ und wieder ein Anderes ist
Gemeinsamkeit! ‒
Gemeinsamkeit ist Einung zweier
Menschen,
auch in allem Denken,
al‐
lem Fühlen,
allem Handeln!
Sie wird nicht durch das nahe Beiein‐
anderleben etwa erst
erzeugt!
Wo innere und äußere Gemeinsamkeit
nicht schon bestand,
bevor man Raum‐
gemeinschaft suchte, dort kann das enge
Beieinanderwohnen, statt Gemeinsam‐
keit zu
fördern, ihr
die grimmigsten
Gefahren schaffen. ‒ ‒
Es ist darum für Alle, die sich in der
Ehe
einen wollen,
bitter nötig, nach
Ge‐
meinsamkeit, im hier gemeinten Sinn,
zu streben, noch
bevor sie ihre Ehe
schließen! ‒
Wie vieles
Unheil wäre schon
verhü‐
tet worden, hätte man zur rechten Zeit
erkannt, daß diese Forderung sich
nicht
umgehen läßt, statt sorglos sich dem
falschen Glauben hinzugeben, daß
Ge‐
meinsamkeit, wie sie
vonnöten ist in
jeder wahren Ehe,
sich ganz von selbst
im Eheleben finde! ‒ ‒
Das Streben nach
Gemeinsamkeit in
allem Denken, allem Fühlen, allem Han‐
deln, wird aber niemals zu Erfolgen füh‐
ren, dort, wo der
eine Teil den anderen
stets
durch Wort-
Turniere überzeu‐
gen will, daß er nur
seiner Ansicht sich
bequemen müsse, um allsogleich „Ge‐
meinsamkeit” mit ihm zu haben...
So kann der
eine Teil gewiß den anderen
ermüden, und ihn dann endlich
zwin‐
gen, um des lieben Friedens willen, sich
zu fügen, allein, was so zustande‐
kommt, ist
alles andere eher, als
Ge‐
meinsamkeit, und früher oder später
hinkt die böse Folge nach!
Nie kann ein
Zwang, ‒ und sei es selbst
der „
süße Zwang der Liebe”, ‒ in
einer Ehe die
Gemeinsamkeit begrün‐
den, die ihr
nicht minder nötig als die
Liebe ist!
Willst du, o Liebender,
Gemeinsam‐
keit zu schaffen suchen, die dich mit dem
geliebten Menschen, dem du in der
Ehe
dich vereinen willst, hinfort nun auch
in allem
Denken, allem
Fühlen, allem
Handeln einen soll, dann wirst du dich
vor allem
selbst an straffem Zügel
halten müssen!
Du mußt dich selber in die „hohe Schule”
nehmen, damit du zu
Beweglichkeit ge‐
langst und dich auch
anderer Gangart
anzupassen lernst!
Bisher warst du dir selbst das Maß
der Dinge!
Ob du vom
Elternhause her die Art
des
Denkens,
Fühlens, und des durch
Beides dann bestimmten
Handelns,
übernommen haben magst, die dir nun
eignet, oder ob
du selbst dich
Schöpfer
der Maximen deines Lebens weißt, ‒
stets bist du nur zu sehr geneigt,
dein
eigenes Ermessen sehr zu überwer‐
ten, und alles, was dir auch entgegen‐
treten mag,
durch deine selbstgefärb‐
te Brille zu betrachten. ‒ ‒
Hier aber steht, mein Freund, nunmehr
ein
zweiter Mensch vor dir, dem es
kaum
anders gehen mag, und der in
gleicher Weise alles nur durch
seine
Brille sehen möchte!
Ihr werdet
beide euch entschließen
müssen, eure „Brillen”
abzulegen, auch
wenn sie euch bisher die Dinge
in den
denkbar schönsten Farben zeigten,
so daß ihr jetzt kaum glauben wollt,
daß man sie offenen Auges auch noch
anders sehen könne...
Ihr werdet aber nicht erwarten dürfen,
daß ihr
von heute auf den anderen
Tag euch schon
verstehen lernen könn‐
tet, denn: wenn ihr auch die gleichen
Worte braucht, so redet ihr doch stets
von anderen
Dingen, weil jeder noch
die Dinge nur nach
seiner Weise sieht,
und nur nach
seiner Weise sie bezeich‐
nen kann!
Es wird euch ja noch kaum recht glaub‐
haft scheinen, daß wirklich jedes Ding
in
jedem von euch beiden
anders zu
Bewußtsein kommt!
Noch glaubt ihr,
von dem gleichen Ding
zu reden, und redet doch
von völlig
Anderem, da jeder nur
von seinem
Bild des Dinges redet! ‒ ‒
Hier ist
Geduld vonnöten, die sich
nicht
erschüttern läßt, wenn man sich einstens
in der
gleichen Weise des Betrachtens
finden will!
Es wird hier
jeder Teil erst zur
Er‐
kenntnis kommen müssen, daß
seine
Art zu sehen, ‒ mochte sie ihm auch
bisher als
Norm erscheinen, ‒
keines‐
wegs die einzige,
ihm mögliche Be‐
trachtungsweise darstellt...
Auch wird man nicht allein die
Worte
hören dürfen, sondern stets auch zu er‐
fühlen suchen müssen,
was der Andere
mit
seinen Worten
meint, und ob sich
dies auch ganz mit jenen Dingen
decke,
die man
selbst mit
gleichen Worten
meinen würde. ‒
Zu oft nur hört man Menschen bitter
streiten, weil sie
Gegensätze zu er‐
kennen glauben, die als
unvereinbar
gelten, wo nur das falsch gewählte
Wort
den
Anschein schafft, als
seien Gegen‐
sätze aufzufinden.
Und oftmals glauben Menschen sich durch
eine „
tiefe Kluft” getrennt, wo nur
die
Nacht der Nichterkenntnis solchen
Trug ermöglicht, weil sie
zu sehen hin‐
dert, daß die scheinbar „tiefe Kluft” nur
ein willkürlich, und mit sehr bezweifel‐
barem Rechte, ausgehobener
seichter
Graben ist, den man mit Leichtigkeit
zu
überschreiten wüßte...
Mit unbeirrbarer
Gelassenheit und
liebevollem
Geltenlassen aber, wird
man
auch dort zuletzt doch zuein‐
anderfinden, wo
wirklich Gegensatz
besteht: wo wahrhaft eine „
tiefe Kluft”
für immerdar zu
trennen schien, weil
man erst
lernen mußte, sie zu
über‐
brücken. ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit in allem Denken, al‐
lem Fühlen, allem Handeln, schafft jeder
Ehe eine hohe Mauer sicherster
Be‐
schützung!
Ehe
verträgt es nicht, daß sie im Außen‐
leben
ohne sichere Umhegung bleibe!
Die Lebenseinung zweier Menschen in
der
Ehe darf niemals
allen Winden,
jedem Wetterwüten,
jeder Überflu‐
tung offenstehen! ‒
Wie immer auch zwei Menschen, die sich
in der
Ehe fanden,
Geselligkeit und
heiteren Verkehr mit anderen Men‐
schen suchen mögen, ‒ stets muß die
sichere
Umhegung ihnen
fühlbar blei‐
ben, und
niemals darf der heilige Be‐
zirk, der ihnen nur
allein gehört, vor
Anderen
eröffnet werden! ‒ ‒ ‒
Auch hier ist, ‒ wie bei
jeglichem Ver‐
hältnis menschlicher Verbundenheit, ‒
das
Schweigenkönnen eine rechte
„Kunst”, die jeder zu
erlernen hat, der
sie
noch nicht beherrscht! ‒ ‒ ‒
Was nur
die Eheleute selber angeht,
hat
niemals laut zu werden
vor den
Ohren Anderer, und wenn die Ande‐
ren auch
die nächsten Freunde und
Verwandten, ‒ ja selbst
die Eltern
wären! ‒ ‒ ‒
Sehr
zweifelswürdig bleibt die
„
Hilfe”, die man vielleicht auf solche
Weise finden mag, ‒ auch
wenn die
Menschen, denen man sich so
vertraut,
den redlichsten und reinsten Willen
haben,
wahre Hilfe darzubieten!
‒ ‒
Weit öfter, als man wirklich
Hilfe fin‐
det, wird das Unheil, dem man wehren
wollte, nur
genährt, so daß es erst
zum
Wachsen und zum rechten Wuchern
kommt, obwohl es anfangs schnell
im
Keim erstickt gewesen wäre, hätte man
sich selbst bemüht, es zu ersticken, und
nicht
den Anderen vorgeklagt, wie
sehr man schon darunter
leide! ‒ ‒ ‒
Doch auch sein
Glück soll man für sich
verwahren und nicht in eitler Rede
zum
Verströmen bringen! ‒
Auch nicht
in Worten soll man es
mit
Anderen teilen wollen! ‒ ‒
Es geht nur
beide Eheteile an, wenn
sie, als geistgeeintes Ganzes,
sich ihr
Glück zu schaffen wußten...
Vor allem aber sei man auf der Hut, den
Neid zu wecken, der ‒ oft nur
künst‐
lich eingeschläfert ‒ sich
gar leicht
erwecken läßt, wenn eine redefrohe Zunge
allzusehr ein
Eheglück lobpreist! ‒
Man schädigt sonst den Neider, wie
sich selbst, da Neid stets
eine Kraft
zur Wirkung bringt, die das
verneint,
was Neid
erregte, und die sich
gegen
Neider und Beneideten in gleicher
Weise richtet, da sie
den Wert ver‐
nichtet sehen will, den der Beneidete
besitzt, der Neider aber
nur zu gern
besitzen möchte...
Ist aber schon bei Glück wie Unheil‐
drohung:
Schweigen angezeigt, so
schweige man
erst recht, wo platte,
widerliche
Witzelei und ein im „Hän‐
seln” Anderer sich sielendes Behagen,
die
Ehe in den seichten, trüben Tüm‐
pel kläglich-armer Geistverlassenheit
herabzuziehen suchen, um meckernd
ihre Hintertreppenweisheit anzubringen
und in Bierbankblödigkeiten sich genug‐
zutun!
Jeder der dies liest, wird unschwer wis‐
sen, was ich meine...
Nur glaube man nicht,
daß solche öde
Witzelei doch wohl zu dulden wäre,
wenn sie Menschen üben,
die sich
gewiß nicht vorzuwerfen haben,
daß sie je im Ernst die Heiligkeit
der Ehe angetastet hätten!
Das Heilige darf
nie zum Stoff des
schalen
Witzes werden, wenn es der
Meltau der
Zersetzung nicht berühren
soll, und selbst
der gütigste Humor
wird sich hier
Zügelung gefallen lassen
müssen, auf daß er nicht
zerstöre, was
er
nicht zerstören
will! ‒ ‒
Heilig bleibt dem Menschen
nur, was
er als „heilig” noch
empfinden kann:
‒ was stets
bewahrt bleibt
vor er‐
niedrigenden Worten, und
unan‐
tastbar aller Lebensäußerung ent‐
rückt, die nicht mit
Ehrfurcht ihm zu
nahen weiß...
Der heilige Bezirk, den
nie ein ande‐
rer Mensch betreten darf, als
nur
die beiden Ehegatten, ist aber wahr‐
lich
weiter ausgesteckt als ihres
Schlaf‐
gemaches Wände!
Es wird von ihm so manches noch um‐
schlossen,
was durchaus nicht an und
für sich schon Verborgenheit erfor‐
dern würde...
Gemeinsamkeit will manches vor der
Außenwelt
verborgen wissen,
auch
wenn es nicht die Ehe selbst be‐
trifft. ‒
Gemeinsamkeit braucht
unverbrüch‐
liches Vertrauen, und fordert, daß man
jederzeit
vor dem vereinten Men‐
schen stehen könne,
wie vor sich
selbst! ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit kennt keinen
Spott
und kein
Verhöhnen!
Gemeinsamkeit weiß nichts von liebe‐
leerem, überheblichen
Verlachen!
Gemeinsamkeit ist stets darauf be‐
dacht, daß man sich gegenseitig
schone:
‒ seine Schwächen zu
bedecken suche,
und sich
Hilfe biete!
Ein Leben in
Gemeinsamkeit ist nur
zu führen, wenn beide Ehegatten
wis‐
sen, daß
keiner etwas,
das er vor sich
selbst gesteht, dem anderen
verber‐
gen muß. ‒ ‒ ‒
Nur so kann die
Gemeinsamkeit zu
einer
äußeren Schule innerer Voll‐
endung werden!
Liebe und
Nachsicht werden aber
we‐
nig nur vermögen, solange nicht
die
absolute Sicherheit besteht, daß dieser
Schule Pforte stetig
fest verschlossen
bleibt, und sich
nur beiden Menschen
öffnet,
die in ihr sich gegenseitig
durch ihr Leben zu belehren suchen!
Es muß erst völlig alle Furcht verschwin‐
den, daß eines Tages unbehütet leichte
Rede
Andere von Dingen
hören lassen
könne, die man
in Gemeinsamkeit be‐
schlossen glaubte!
Niemals darf die
Gefahr bestehen, daß
Anderen zu Ohren kommen kann,
was
Ehegatten gegenseitig sich ver‐
trauten!
So manche werdende Gemeinsam‐
keit ist schon durch unbedachte Rede
früh vernichtet worden! ‒ ‒ ‒
Gemeinsamkeit erstreckt sich aber end‐
lich auch auf alles
Ungemach und
Leid,
von dem man seinen anderen Eheteil be‐
troffen findet, auch wenn man selbst
nicht
mitbetroffen ist und auch den
Anlaß
der Bedrückung
nicht in gleicher Weise
wertet, ‒ sei es,
daß man den Um‐
fang seiner Auswirkung nicht kenne,
sei es,
daß man anders ihn empfin‐
den möge.
Hier ist das
Tragenhelfen oftmals
gar‐
nicht möglich, aber
immer wird das
Tragenhelfen-
Wollen möglich sein und
dem von Leid Betroffenen
Erleichte‐
rung gewähren. ‒ ‒ ‒
Man sage sich nicht los von solcher
willigen Bereitschaft, auch wenn man
sicher weiß, daß man nicht helfen
kann,
denn schon der
Wille, Hilfe
darzu‐
bieten, wird dem Anderen Hilfe
bringen
helfen! ‒ ‒ ‒
Auch läßt sich nicht
Gemeinsamkeit er‐
halten, solange
einer beider Eheteile
bitterlich empfindet, wie er mit seiner
Last, ‒ sei sie nun
wirklich, oder nur
in seiner Vorstellung so drückend
schwer ‒
allein zu Berge gehen muß,
und daß der andere Eheteil an solcher
Not kaum Anteil nimmt. ‒
Es ist gewiß nicht mehr als
selbstver‐
ständlich, daß man des Leides Last
ge‐
meinsam trägt,
dort, wo das Schicksal
sie auf
beider Ehegatten Schultern bür‐
det, allein,
sehr oft verkennt auch
tiefste Liebe ihre Pflicht zur Anteil‐
nahme, wenn sie sich
außerstande
sieht, das Leid, dem nur der
Andere
verhaftet ist, in gleicher Weise
mitzu‐
tragen oder auch nur zu
verstehen..
Suchst du das
Glück der Ehe, dann
strebe nach Gemeinsamkeit in
allen Din‐
gen dieses Erdenlebens, die
gemein‐
sam sich erleben lassen, und ziehe
diese Grenze
weiter, als
der erste
Anschein dich bestimmen könnte, sie
zu ziehen! ‒
Es ist für
jeden Teil der Ehe
ratsam,
daß er
auch dort wo ihn des
anderen
Eheteiles Angelegenheiten
nicht von
allem Anbeginn her interessieren,
in sich
Interesse dafür wecke...
Es ist jedoch
nicht minder nötig, daß
man den
anderen Eheteil für die ihm
fremden Angelegenheiten
einzuneh‐
men suche und ihm
den Zugang öffne,
so daß er sie
verstehen lerne...
Doch wisse auch, daß jede Seele ihre
eigenen Bereiche hat, die auch der
aller‐
nächsten anderen Seele sich nicht öffnen
können!
Wisse auch, daß oftmals
Pflicht gebietet,
gewisse Dinge in Verborgenheit zu hal‐
ten, und
ehre dann,
vertrauend, was
deinem Miterleben sich entziehen muß! ‒
Du wirst vertrauen
können, wenn
in
allem,
was Gemeinsamkeit verträgt,
das lauterste Vertrauen zwischen
dir und deinem,
in der Ehe dir ge‐
einten Gegenpole herrscht! ‒ ‒
Hüte dich vor der
Neugier, die so gerne
dich verleiten möchte,
dich in Bereiche
des Erlebens einzudrängen, zu deren
Pforte man den
Schlüssel nicht be‐
sitzt, oder
durch Pflicht gehalten ist,
ihn dir nicht darzureichen! ‒
In einer wahren
Ehe wird auch
dort, wo
sich
das eigene,
gesonderte Erleben
der Gemeinsamkeit
nicht öffnen läßt,
der so Erlebende gewiß den anderen
Teil hinlänglich noch zu
unterrichten
wissen,
von welcher Art das jeder
Mitteilung Entrückte ist, so daß auch
hier
kein Riß durch innigstes Gemein‐
samkeits-Erleben geht...
Wo gegenseitiges
Vertrauen herrscht,
dort wird sich niemals
Argwohn zu er‐
heben suchen, auch wenn nur ganz im
Allgemeinen
angedeutet wird, um was
es sich bei jenen Dingen handelt, die
nicht ausgesprochen werden
können,
oder die durch
Schweigepflicht der
Mitteilung entzogen bleiben müssen, ‒
und wahre
Liebe wird gewiß nicht
wei‐
terforschen wollen, wo sie erfühlt,
daß
ernste Gründe die Verhüllung for‐
dern...
Doch treibe man auch nicht mit Dingen,
die sich nicht in Worte fassen
lassen,
oder die
Verpflichtung ein für allemal
dem Wort verwehrt, unnötige und
künstliche
Geheimniskrämerei, um so
die
Neugier stetig wach zu halten, oder
gar sich selbst mit einem Nimbus des Ge‐
heimnisvollen zu umgeben!
So handelt ärgste
Torheit nur, und sol‐
ches Handeln
straft sich selbst durch
Folgen, die gewiß
sehr weit von seiner
eitlen
Absicht liegen...
Wenn wirkliche
Gemeinsamkeit be‐
stehen und
erhalten werden soll, dann
muß man
ehren, und zuweilen auch
ver‐
ehren können, was der Andere ‒ auch
wenn er gerne davon reden würde, so
er könnte ‒
verborgen halten
muß!
‒ ‒ ‒
Dann aber läßt man sich an dem
ge‐
nügen, was man sich gegenseitig offen‐
baren
kann, und wahrlich:
es wird mehr
sein als genug um einer
Ehe auch im
innersten Erleben beider Teile die
Ge‐
meinsamkeit zu sichern, die sie braucht,
da ohnehin noch
keine Seele hier auf
Erden restlos alles
auszusprechen
wußte, was in ihr
Erlebnis war! ‒ ‒ ‒
* *
*
ES gab noch niemals eine
Ehe, die –
allzeit jedem Leid entrückt –
nur
Freuden kannte.
Leid und Freude mischen dieses Er‐
denlebens ‒ nicht jedem bekömmlichen
‒ Trank, und doch ist es
an uns: die
Art der Mischung zu bestimmen, auch
wenn wir leider nicht verhindern können,
daß sich nun einmal
Leid mit Freuden
mischen
muß!
Besonders aber in der
Ehe wird es
tief
bedeutsam sein, wie weit sich
unsere
Kraft bewährt, das
Leid zu
mindern
und die
Freude zu
vermehren...
Gewiß bleibt Leid stets
Leid, auch wenn
so manches Wort uns trösten möchte,
als könne
Leid sich selbst in
Freude
wandeln.
Hier weiß das Wort der Rede nur von
Aufeinanderfolge: ‒ von Leid-
Ver‐
drängung durch
der Freude Wieder‐
kehr!
Allein, wir haben
Macht, der Freude
Wiederkehr zu
fördern, ‒ wir haben
Macht, der Erde Freuden zu
vermeh‐
ren!
Es ist gewiß nicht nötig, daß man einen
Menschen etwa lehre,
Leid zu schaffen,
‒ und auch wenn
nie ein Mensch dem
anderen
Leid bereitet hätte, wäre
wahrlich
Leid genug auf Erden anzu‐
treffen, denn alles,
was in dieser
Außen‐
Welt:
Erscheinung bildet, hat
Da-
Sein
nur durch
Leid: ‒ vermag sich nur im
Da-Sein zu
erhalten, indem es seinet‐
wegen
Anderes leiden läßt...
Nur dort, wo Güte: ‒
träumendes
Verlangen, Mitleid: ‒
Wahnwitz
zeugte, kann sich des Erdenmenschen
Denken so
ver-
messen, daß es die
Weise findbar glaubt, das
Leid aus
dieser
Außen-Welt, ‒ in der es Folge
ihrer Raum
verdrängenden und Eigen‐
Raum
verschließenden Struktur ist, ‒
zu verbannen. ‒ ‒
Wo immer
Außen-Welt den
an sich
homogenen Raum
zerstückelt, dort
ist
Leid, ‒ und Menschenmacht ver‐
möchte
dann nur dieses Leid zu
tilgen,
wenn sie imstande wäre, alle „
Außen”‐
Welt für immer zu
vernichten, womit
jedoch
zugleich auch alle „
Innen”‐
Welt Vernichtung fände...
Ist aber diese
äußerste der „Außen”‐
Welten, die wir, in tierverhafteter Ge‐
staltung, durch den
Tier-Sinn wahrzu‐
nehmen uns gezwungen fühlen, auch
erfüllt von
Leid, und sind auch weite
unsichtbare Reiche dieser „
Außen”‐
Welt noch ganz in gleicher Weise ‒
manche sogar
mehr ‒ dem
Leide aus‐
geliefert, da auch
dort noch alles
Da‐
Sein nur besteht in Raum-
Verdrän‐
gung und in Eigen-Raum-
Verschlie‐
ßung, so stehen doch dem gegenüber
unzählbare „
Innen”-Welten, in denen
alles
Sein, ‒ dem
homogenen Raume
keineswegs etwa
entrückt, ‒ sich
gegenseitig
öffnet und
durchdringt,
so daß hier jede
Möglichkeit des Lei‐
den-
Könnens völlig
fehlt. ‒ ‒ ‒
Nie aber läßt sich eine Welt vom Leid
befreien, die nur
bestehen kann durch
Leid, ‒ und alles Mühen Einzelner,
durch Da-Seins-
Unterdrückung und
Verzichtleistung auf Da-Sein, dieser
Erde
Leid zu
mindern, bleibt
ergeb‐
nislos: ist nur des
Mit-
Leids tröstende
Betäubung...
In diesem Erdenleben ist des Menschen
ganze Macht darauf allein beschränkt,
daß er zwar dieser Erde
Leid ins
Un‐
gemessene und
niemals Nötige zu
steigern fähig ist, ‒ doch
ebenso ver‐
mag, das Leid
zurückzudrängen in die
urgegebenen Bereiche, aus denen es nicht
lösbar werden
kann, wenn diese „
Au‐
ßen”-Welt ‒ und mit ihr jede „
Innen”‐
Welt ‒ bestehen bleiben soll, und wahr‐
lich „
sollen” sie bestehen! ‒ ‒ ‒
Es kann sich
jeder Mensch von vielem
Leid
befreien, das er in törichter Ver‐
blendung
selbst sich schuf, ‒ und
vieles Leid kann er
vermeiden, macht
er nur Gebrauch von seiner Kraft!
In
gleicher Weise aber hat er
Macht,
gar manches
Leid von seinen
Neben‐
menschen abzuwenden!
Wo immer Menschen sich begegnen
mögen, dort wird es ihnen
Pflicht, ihr
eigenes wie des
Nebenmenschen
Leid zu mindern! ‒ ‒
Wenn aber Menschen, die sich nie im
Leben sahen, niemals wiedersehen wer‐
den, hier ein
Pflichtgebot erkennen
müssen, so gilt es
heiliger und
bin‐
dender fürwahr noch für die
innigste
Vereinung zweier Menschen, die in der
Ehe eine neue
Lebenseinheit bilden,
um sich gegenseitig durch
Er-
gänzung
zu vollenden! ‒ ‒ ‒
Und wo ist
leichter Leid von seinem
Nebenmenschen
abzuwenden, als hier,
wo Weib und Mann in einem Leben der
Gemeinsamkeit von allen Leidgefahren
wissen, die ihnen
gegenseitig und
ge‐
meinsam drohen können!? ‒ ‒
Die Ehe kann
ein Born der Freude
sein, ‒ man kann sie aber auch
zu
einem Pfuhl des Leides wandeln!
Wer nicht des
anderen Eheteiles
Glück
in seiner
Ehe als sein höchstes Ziel er‐
strebt, der wird gar leicht sich um sein
eigenes Glück
betrügen, ohne es zu
ahnen! ‒ ‒
Wer aber wirklich
in der Liebe ist, der
wird weit eher
selber leiden wollen,
als daß er
je den anderen Eheteil im
Leide sehen könnte. ‒ ‒ ‒
Es wird ihm nichts beschwerlich fallen,
wenn er weiß, daß er des
anderen Tei‐
les
Leid dadurch
vermindern kann...
Nun aber
ist es keineswegs damit
getan, daß man sich nur darauf be‐
schränke,
allem Leid zu wehren, dem
man
wehren kann! ‒
Erst dort ist höchste, schönste Menschen‐
pflicht
erfüllt, wo man das
Leid des
Anderen durch
Freude, die man in sein
Leben bringt, verdrängt!
Wo aber läßt sich
schöner noch, als in
der
Ehe, solche Liebespflicht erfüllen?! ‒
Es sind im Leben einer Ehe
viele Dinge
aufzufinden, die der
Freude Anlaß wer‐
den können, sich zu äußern und ein
großes
Leid im Keime zu
ersticken...
Doch ist es hier vonnöten, daß man zu
erfühlen suche,
was der Andere
er‐
sehnt: was
er als Freude zu
empfin‐
den weiß, denn allzuleicht kann hier
auch
bester Wille irren, wenn er dazu
verleitet, nur das
eigene Empfinden und
Ersehnen als das allgerechte Maß der
Dinge anzusehen. ‒ ‒
Was
dir gewißlich
höchste Freude
wäre, kann deinem Gegenpole
kaum
beachtsam scheinen, und
seine Freude
mag vielleicht
nur dort erstehen, wo
dein Empfinden völlig
unberührt ge‐
blieben wäre...
Wie aber dem auch sei, und wie gar sehr
du auch „
daneben greifen” magst, so
darfst du doch in
keinem Falle eine
„
Kränkung” darin sehen, daß dein Be‐
streben nicht zum Ziele führte, weil deine
liebevoll erdachte
Freude für den An‐
deren
nicht als solche
aufgenommen
wurde! ‒ ‒
Soll dir
Erfahrung wirklich
Nutzen
bringen, dann wirst du mit dir selbst zu
Rate gehen müssen, um am Ende zu er‐
kennen, daß du verabsäumt hattest, dich
in
anderes Empfinden
einzufühlen,
denn wenn auch
innigste Gemein‐
samkeit euch beide eint, so bleibt doch
jeder von euch beiden noch in seinem,
ihm nur eigenen Empfindungs-Leben,
und dessen Ablaufsrhythmus wird be‐
stimmen, was er, im jeweils sich erge‐
benden Moment,
als Freude werten
kann...
Suche also nicht
dich selbst, in deinem
Willen,
Freude für den Anderen zu
bereiten! ‒
Wer
sich stets
Freude schaffen will, der
suche stetig
seine Freude
darin: Ande‐
ren
auf ihre Weise Freude zu bereiten!
‒ ‒ ‒
Vergeblich aber wirst du
Freude
spenden wollen, solange du noch
Zweifel hegst an deiner
Kraft, die
Freude zu
erzeugen! ‒
Nie darfst du etwa glauben, daß dir
nicht gelingen könne, was dir, aus
irgend einem Grunde, leider
oftmals
nicht gelang!
Du mußt
dich selber aber erst zur Freude
„
stimmen”, bevor du dem mit dir ver‐
einten Menschen Freude
bringen willst!
‒ ‒
Nur, wer im Überflusse „
hat”, kann
Freude
überfließen lassen
in den An‐
deren! ‒
So suche denn vor allem eine Quelle
steter Freude
in dir selber zu erschür‐
fen, so daß du
unabhängig wirst von
allem äußeren Geschehen, und nicht der
Freude
Anlaß erst von außenher
er‐
warten mußt,
auch wenn du solchen
Anlaß, wo er sich auch immer
bieten
mag, stets
nützen sollst! ‒
Du wirst jedoch am besten
jene Freude
übertragen können, für die du
keinen
Grund im Außenleben anzugeben weißt!
Durch
solche Freude wirst du
mehr be‐
glücken können als durch jede
andere
Art der Freude, die
von außenher ver‐
anlaßt wird! ‒ ‒ ‒
Vergesse aber trotzdem auch die
klei‐
nen Freuden nicht, zu denen
jeder Tag
dir ja so manchen
Wink und
Hinweis
bringt!
Achte nichts als
zu gering, wenn es dir
dazu dienen kann, auch nur die
aller‐
kleinste Freude zu bereiten! ‒ ‒
Oftmals gebar die kleinste Freude
schon ein großes,
lang ersehntes
Glück! ‒ ‒ ‒
Im Leben einer
Ehe gibt es täglich „tau‐
send” Möglichkeiten,
kleine Freuden
zu
er-
finden, die gegenseitige
Be‐
glückung bringen, und sei es auch für
kurze Augenblicke nur...
An
keiner solchen Möglichkeit darf man
vorübergehen,
ohne sie zu nützen! ‒ ‒
Wo immer du das
Glück in einer Ehe
dauernd heimisch weißt, dort wirst du
auch bemerken, daß man sehr erfinde‐
risch die
kleinen Freuden zu gestalten
sucht, zu denen jede Stunde neuen An‐
laß bringt...
Der gute Gärtner wird in seinem Blüten‐
garten auch die
allerkleinsten Blüm‐
lein niemals
übersehen, mögen sie auch
recht bescheiden scheinen, neben jenen
hochgestielten Farbenwundern, deren
Beet sie rings umfassen.
So aber ist auch in der
Ehe: selbst der
kleinste Freuden-Anlaß
nicht bedeu‐
tungslos, und darf nicht
übersehen
werden, will man des ehelichen Blüten‐
gartens schönste
Harmonie gestalten!
‒ ‒ ‒
Ist aber
Ehe einer Zweiheit wahre
Ei‐
nung, und muß
Leid ertragen werden
im Verlauf des Lebens, das oft nur in
Vereinung zweier Willen noch ertrag‐
bar ist, ‒ so bleibt auch
Freude zu er‐
streben, wie sie die Zweiheit
dann nur
schaffen kann, wenn sie
Verschmelzung
fand in
neuer Lebenseinheit. ‒ ‒
Hier ist dann
jeder Teil der
Schen‐
kende und der
Beschenkte, und beide
nur
gemeinsam sind imstande,
diese
Freude, die der
Einheit Farbe trägt, zu
mehren!...
Nur wo der
Wille beider Teile völlig
sich
geeinigt findet, ist solcherart dem
Leide zu begegnen, und kann in gleicher
Weise höchste
Freude aus der Einung
sprießen! ‒
Die Ehe, die hier
weiß um ihre Macht,
und sie
gebraucht, wird
nie im Leide
Schaden nehmen können, und
nie an
Freude Mangel leiden! ‒ ‒ ‒
Sie kennt die Kunst, das
Leid in seine
engste Grenze einzubannen!
Sie weiß von einer
Freude, die auch
alles
Leid nicht mehr
verdunkeln kann!
Und solche
Freude, solche
Kraft der
Leidverdrängung wird aus dieser
Ehe
auch auf alle
anderen Menschen über‐
strahlen, die mit den Ehegatten in Be‐
rührung kommen...
So wird dann diese Ehe
segensreiche
Wirkung schaffen,
weit über ihren
eigenen Bereich hinaus, und wahrlich
unvergleichlich
mehr an Gutem för‐
dern als so mancher andere Ehebund,
in dem die beiden Ehegatten längst
ver‐
lernten, sich noch
gegenseitig Freude
zu bereiten, und von der Freude, die
aus
ihrer Einung kommen könnte,
keine
Ahnung haben, ‒ weil sie vor lauter
Sorge,
anderen Menschen
in geschäf‐
tiger Betätigung zu
helfen, nicht mehr
die
erste Pflicht erkennen,
ihre eigene
Ehe erst harmonisch zu gestalten.
‒ ‒ ‒
Im stärksten
Gegensatz zu einer sol‐
chen
irrig überwerteten Geschäftig‐
keit, die ihre Pflicht zur „
Nächsten‐
liebe” bei den
Allerfernsten erst be‐
ginnen fühlt, und
Andere beglücken
will, derweil sie
alles Glück aus ihrem
eigenen Hause scheucht, ‒ wird eine
Ehe, die das Glück der Einheit
in der
Freude aus der Einung kennt, kaum
wissen, daß sie
Anderen hilft, indem
sie, nur
in ihrem eigenen Bereich,
das
Leid der Erde mindert, und das den‐
noch
unvermeidbar bleibende
durch
Freude zu verdrängen sucht. ‒ ‒ ‒
Solche Ehe aber ist ein wahres
Heilig‐
tum der Freude, aus dem noch fernsten,
kommenden Geschlechtern
Segen strö‐
men wird! ‒ ‒ ‒
Ein Heiligtum der
Freude in der Welt
des
Leides aber sollte
jede Ehe hier
auf Erden sein, und eine
jede Ehe
kann
zu solcher Höhe sich erheben, so es nur
nicht am
Willen beider Eheteile fehlt,
die reine, hehre Freude zu gestalten, die
nur in der geeinten Zweisamkeit der
Ehe sich gestalten
läßt! ‒ ‒
Soll diese Erdenmenschheit einst zu der
Vollendung kommen, die ihr auch hier:
in dieser „
Außen”-Welt schon werden
kann, ‒ dann wird allein die wahre
Ehe
dieses Wunder wirken müssen: ‒
die
Ehe,
die sich selbst in Freude zu
vollenden weiß! ‒ ‒ ‒
Damit sie es auch wirken
könne, muß
sie
vertausendfacht erstehen,
wis‐
send um die hohe Macht, der Erde
Leid
zu
bannen und der Erde reinste
Freu‐
den zu
vermehren! ‒ ‒ ‒
* *
*
WO
Liebe eine
Ehe schuf, dort ist
die
Einheit beider Eheteile so
gegründet und
umhegt, daß
selten
nur von außenher noch
Störung gegen‐
seitigen Empfindens kommen kann...
Und doch bleibt
keine Ehe
so geschützt,
daß ihr
Versuchung nicht zu nahen
wüßte!
Stets aber wird es sich beim Nahen der
Versuchung
zeigen, ob eine Ehe
wirk‐
lich in der echten
Liebe wurzelt, oder
ob nur
Neigung Mann und Weib zu‐
sammenführte, ‒
Neigung, die auf bei‐
den Seiten auch sehr leicht durch
andere
Neigung wieder zu
verdrängen ist...
Wo eine Ehe wurzelfest in echter
Liebe
gründet, dort wird auch
heftigste Ver‐
suchung ihr nicht
Schaden bringen
können!
Selbst wenn Versuchung nur durch
schweren
Kampf sich noch besiegen
läßt, wird doch zuletzt die
Liebe Sieg
erringen, denn alle Kräfte der Versu‐
chung sind nicht fähig, weiter
Wider‐
stand zu leisten, sobald sich echte
Liebe
ihrer
Kraft bewußt wird, und aus dieser
Kraft heraus
bekämpft, was sie be‐
drohen will! ‒ ‒
Trotz allem aber sollst du
wachsam
sein, und nicht erst warten, bis Versu‐
chung so
erstarkt, daß sie
nur noch
durch schweren Kampf besiegbar ist!
Du kannst dich selbst zu solcher Wach‐
samkeit
erziehen, so wie du dich auch
leichten Sinnes der Versuchung
über‐
lassen kannst, bis sie dich
hart be‐
drängt und
starke Gegenwehr er‐
fordert. ‒ ‒
Versuchung kann dir
allerorten nahen,
auch wenn du sie gewiß
nicht suchst,
ja
dann auch, wenn du sorglichst deine
Wege wählst, um ihr nur ja nicht zu be‐
gegnen, da sie deine
Furcht erregt. ‒
Versuchung aber ist
noch keine
„
Schuld”!
Erst, wenn du anfängst,
ihr Gehör zu
schenken, ‒ sie dir
zu nahe kommen
läßt, ‒ sie
hegst und
mit ihr spielst,
‒ wirst du dich wahrlich
nicht mehr
schuldfrei wähnen dürfen! ‒ ‒
Auch wenn du noch zu gutem Ende
Sieger bleibst, hast du dich doch mit
schwerer Schuld beladen, und wirst
nunmehr nicht ruhen dürfen, bis alle
Folge dieser Schuld aus deinem Leben
schwindet! ‒ ‒ ‒
Vielleicht wirst du dir selbst gestehen
müssen, daß du gar oft
nicht wachsam
warst, wo
Wachsamkeit von dir
ge‐
fordert werden konnte? ‒
Vergeblich wäre es, wenn du dich nun
in
Selbstqual winden wolltest!
Du wirst nun jetzt mit allen
Selbstvor‐
würfen nichts mehr
ungeschehen ma‐
chen können, und deines Fehlers
Spu‐
ren kannst du nur aus deinem Leben
tilgen, wenn du dafür sorgst, daß alles
Übel, das aus ihm entstand und noch
entstehen könnte,
an seiner Auswir‐
kung verhindert wird. ‒ ‒
Aus jeglicher
Erfahrung sollst du
Lehre
ziehen, und so wird dich dein
Strau‐
cheln lehren können, wie du durch
Wachsamkeit dich künftig
frei von
Schuld erhalten kannst, auch wenn du
nicht imstande sein wirst, der
Versu‐
chung immer auszuweichen...
Die leiseste Empfindung mußt du
kontrollieren lernen, mußt sie
wägen,
und
im selben Augenblicke von dir
weisen, in dem du fühlst, daß sich in
ihr bereits
Versuchung zu verbergen
trachtet!
Erkennst du so das Feindliche
so‐
gleich,
wenn es sich naht, dann wird
es immer
leicht sein, es zu
überwin‐
den, und niemals wirst du wirklich ‒
in des Wortes letztlicher Bedeutung ‒
„in Versuchung
fallen”! ‒ ‒ ‒
Nur, wenn du
Wohlgefallen an der
ersten Regung der Versuchung findest,
wird
Versuchung dir zur
Schuld!
Es kann dir großer
Kraftzuwachs aus
der Versuchung kommen, wenn du stets
wachsam bleibst und sie in jeglicher
Verkleidung zu
erkennen suchst, um ihr
den Zugang in dein Inneres zu wehren.
‒ Ein jeder Mensch hat irgendeine
„
schwache Seite”, und stets wird die
Versuchung
seine Schwäche auszu‐
spüren wissen. ‒
Begegnest du jedoch
dem ersten Na‐
hen schon mit
Abwehr, und mit einem
„
Nein”, das kein
Paktieren kennt, dann
wirst du immer mehr, ‒ gerade dort, wo
Stärkung dir
vonnöten ist, ‒
erstar‐
ken! ‒ ‒
Du wirst durch deine
Wachsamkeit dich
gänzlich
wandeln, so daß dir jegliche
Versuchung
ungefährlich wird, weil
Abwehr dir
Gewohnheit wurde, und
die Versuchung dann
vergeblich eine
unbewachte Pforte sucht, durch die sie
Einlaß zu dir finden könnte!...
Dann aber erst bist du
geborgen, und
dann erst darf man dir
Vertrauen
schenken!
Dann erst wird deine
Ehe so
behütet
sein, daß sie dir alles geben
kann, was
sie,
in unerschöpflich reicher Fülle,
Mann und Weib, die
wert sind, ihr My‐
sterium zu
erleben, stetig neu zu geben
hat! ‒ ‒ ‒
Du trägst nicht nur
für dich allein die
heiligste
Verantwortung, sobald du
dich dem Anderen verpflichtet hast, mit
ihm die Geisteseinheit einer
Ehe aufzu‐
richten!
Die
Ehe ist auch nicht nur: ‒ „
mensch‐
licher Vertrag”, obwohl der
andere
Eheteil ein
un-
bedingtes Recht an dich
erlangte, und du ihm
dann selbst noch
die „
Treue” schuldest,
wenn er be‐
trügerisch sie bricht. ‒ ‒ ‒
Ein jegliches Gelöbnis zwischen Mann
und Weib, in dem sich beide Teile
ehe‐
liche Einung dargeloben, stellt vielmehr
ein kosmisches Geschehen dar, und
bindet nicht nur
beide Ehegatten, ‒
bindet nicht nur
aller Menschheit ge‐
genüber, sondern reicht mit seinem
„
Jawort” auch hinein
in höchste Gei‐
steswelt! ‒ ‒ ‒
Es
wird nur
lösbar, wenn der „
Tod”
die beiden Eheteile scheidet, oder, wenn
‒
durch triftigste und schwerste
Gründe ‒ beide Teile sich gezwungen
sehen, sich gegenseitig voneinander zu
befreien, indem sie, ‒
ebenso gemein‐
sam,
wie es einst geschlossen wur‐
de, ‒ ihr
Gelöbnis vor einander,
vor aller Menschheit, wie auch
vor
dem wesenhaften Geiste wider‐
rufen, ‒ es sei denn, daß der
eine Teil,
auch
ohne solchen Widerruf,
den an‐
deren verlasse, oder
sonstwie ihm
unmöglich mache, das Gelöbnis
auf‐
rechtzuerhalten...
Solange also dein Gelöbnis noch
zu
Recht besteht, bist du
in dreifacher
Verpflichtung, aus der
kein „
Gott”
dich zu befreien wüßte! ‒ ‒
Es wird
Verantwortung von dir ge‐
fordert werden, auch wenn du während
dieser kurzen Spanne Zeit, ‒ die auch
das
längste Erdenleben darstellt vor
der
Ewigkeit, ‒ dich jeglicher Verant‐
wortung
entzogen wähnst! ‒ ‒ ‒
Daß
Andere Versuchung
suchen und
ihr keinen Widerstand entgegensetzen,
kann niemals
dich von
deiner Schuld
entlasten!
In deiner Ehe bleibst du
für dich selbst
verantwortlich, und
Niemand kann dir
helfen die Verantwortung
zu tragen,
‒
Niemand kann sie von dir neh‐
men, ‒ wenn man dich hier auf Erden
auch
entschuldbar finden mag!
Auch
vor dem Angesicht der Ewig‐
keit magst du vielleicht „
entschuld‐
bar” sein,
und doch bleibst du verhaftet
der
Verantwortung, so daß du
alle
Folge deiner selbstgeschaffenen Im‐
pulse tragen mußt, bis auch der letzte
seine
Auswirkung erreichte in der
Kette des Geschehens! ‒ ‒ ‒
Einst lehrte Einer, der dies wahrlich
aus dem Geiste lehren durfte, daß da
ein Jeglicher schon
Ehebruch begehe,
der durch den Anblick eines Weibes sich
verführen lasse, es auch leiblich zu
be‐
gehren.
Man hat an diesem Wort vielfach sehr
wenig Wohlgefallen, und suchte es zu
drehen und zu deuteln, da es so manchen
nicht behagen will. ‒
Ich aber muß
dir sagen, daß auch schon
jedes Hegen und
geflissentliche
Steigern der naturbedingten
Schwingung der Erotik zwischen
Mann und Weib, ‒ sobald es einem
anderen Menschen, als dem
eigenen
Ehegatten gilt, ‒ die Ehe
schändet,
auch wenn sich solche Steigerung noch
keineswegs dem leiblichen
Begehren
nähert, und somit noch
nicht zum
Ehe‐
bruch im Unsichtbaren führt! ‒ ‒ ‒
Selbst wenn du durch ein
Abbild dich
verleiten läßt,
geschlechtsbewußte
Regung zu empfinden und dich ihr
zu überlassen, ‒
schändest du die
Ehe! ‒ ‒ ‒
Du mußt dich selbst dazu erziehen,
Schönheit auch am anderen Ge‐
schlecht bewundernd zu betrachten,
ohne auch die leiseste Erregung der
Erotik ins Bewußtsein einzulassen!
Jeder wahre
Künstler, dem die mensch‐
liche Gestalt zum Vorbild seiner Schöp‐
fung wird, muß
solcherart sein Vor‐
bild sehen lernen und kann dir sagen,
daß in seinem,
von Erotik völlig los‐
gelösten Schauen,
wundersame see‐
lische Beglückung möglich ist, die
jedem sich versagt,
der hier ge‐
schlechtsbewußte Regung hegt,
und
niemals dem Begehrenden erreich‐
bar wird...
Daß du auch Künstler finden kannst, die
selbst ihr Können noch zum Makler
der Begehrlichkeit erniedrigen, kann
dir nur zeigen, daß auch
Künstlertum
nicht
schützt vor
niedriger Verskla‐
vung an die Tiernatur, wenn sich der
Mensch nicht selbst aus solcher Skla‐
verei befreien
will. ‒ ‒ ‒ ‒
Du kannst
nicht streng genug dich
selber
kontrollieren, willst du dich
lösen aus der
Hörigkeit, und dein
Geschlechtliches
beherrschen lernen!
‒ ‒ ‒
Jede dich umschleichende Empfindung,
die vor
allerstrengster Prüfung
nicht
bestehen kann, mußt du entweder
von
dir weisen, oder aber sie in Bahnen
zwingen, die sie völlig der Geschlecht‐
lichkeit
entziehen!
Laß' dich nicht irreführen durch die laxe
Art, in der man meistens diesen Dingen
gegenübersteht und sie als leichthin läß‐
lich „
Menschliches” betrachtet, ohne
sich der
Schmach bewußt zu werden,
die man
schon durch das Wort allein
auf seinen
Menschennamen wirft! ‒ ‒
Wo immer du es
nicht vermagst, die
Anderen aus ihrer Tiergebundenheit in‐
soweit loszulösen, daß
sie selbst zu
Willen kommen um sich
völlig ihr
dann
zu entwinden, dort sollst du
Nach‐
sicht üben, bis auch einst noch
ihre
Stunde schlagen wird!
Wo sie jedoch
dich selbst behindern
wollen, deine
Freiheit zu erringen,
dort ist
Abkehr heilig-hohe
Pflicht!
‒ ‒ ‒
Ich lehre nicht, daß man Versuchung
immer
meiden könne, sondern zeige,
wie man ihrer sich
erwehren kann!
Auch wenn du aus der Welt
entfliehen
wolltest, würde dich Versuchung
noch
in deiner fernsten Einsamkeit zu
finden wissen...
Du mußt dich so erziehen, daß du ihr
allerorten und zu jeder Zeit begeg‐
nen kannst, ‒ des
Sieges schon im
voraus
sicher, ‒ nicht mehr
erregbar,
mag sie auch mit allen Künsten locken:
‒
gelassen in der Abwehr,
und be‐
stimmten Willens!
Dann wirst du nicht nur deine
Ehe heilig
halten und vor jeglicher
Beschmutzung
wahren, sondern dir und dem mit dir
vereinten Menschen auch
gar vieles
Leid ersparen, selbst wenn es nur das
Leid
vorübergehender Betrübung
wäre, was der nächste Tag schon wieder
wenden könnte. ‒ ‒ ‒
Noch
andere Gefahr jedoch, ‒ kaum
minder groß als die
Versuchung, die
von außenher zu kommen
scheint, da
du im Äußeren den
Anlaß ihrer Aus‐
lösung gewahrst, ‒ kann aus Empfin‐
dungstiefen her der Ehe
Glück bedrohen.
Auch hier ist
Warnung nötig, und auch
hier ist vieles Unheil leicht noch
abzu‐
wehren, wird
sogleich erkannt, daß
Pflicht besteht,
Gefahr zu bannen...
Es gibt in jedem Menschen dieser Erde
einen inneren Bereich, den er
kaum sel‐
ber kennt, und den er noch viel weniger
vor irgend einem Nebenmenschen
völlig
offenbaren kann, ‒ nicht, weil hier
Heimliches verschwiegen werden
müßte, oder
zu Erhabenes sich nicht
in Worte fassen ließe, ‒ sondern:
weil der Mensch hier selbst zu we‐
nig von sich selber weiß...
Nun kann es kommen, daß die Einung
zweier Menschen in der
Ehe sie
ver‐
leitet, auch noch dort nach gegenseitiger
Entschleierung zu streben, wo unab‐
weisliches Gebot:
Verhüllung heischt,
‒ und daß sie dann urplötzlich in Ent‐
setzen sich vor einer gegenseitigen
Ent‐
täuschung sehen, die sie selbst herauf‐
beschworen haben, und der nur
selbst‐
geschaffene Phantome, die das Eigen‐
bild in wahrheitswidriger
Verzerrung
zeigen,
mehr als fragliche Gewähr
verleihen. ‒ ‒
Man glaubt, man müsse sich einander
bis ins Innerste enthüllen, und
schreckt alsdann zurück, wenn man sich
endlich
seelisch nackt zu sehen meint,
‒ nicht ahnend, daß man vor einander
gegenseitig nur
Popanze schuf und
ihnen nun
mehr glaubt als aller Wirk‐
lichkeit. ‒
Zwei Menschen, die sich stets im Aller‐
tiefsten nur als
Eines fühlten, werden
sich nun
fremd, weil sie in
Worten wahr
sein wollten, dort, wo Worte nie die
Wahrheit
wissen können...
Ein äußeres Geschehen, ein Begegnen,
oder sonst ein Anlaß, der von außen
kam, läßt unversehens
Zweifel keimen:
ob man sich noch ganz „
gehöre”, und
allsobald
mißtraut man aller Sicher‐
heit des Fühlens, um in sich zu wühlen
und zu bohren, bis man sich endlich nun
in Herz und Nieren
aufgefunden wähnt.
Lebendigen Leibes hat man sich
seziert,
und da man sich auf diese Weise nie‐
mals finden
konnte, formte man aus
eigenen Eingeweiden
das Phantom, in
dem man so recht eigentlich
sich selbst
zu
haben meint. ‒
So
zeigt man nun einander diese Aus‐
geburt des Wahns, und, schreckerfüllt,
fühlt man sich von dem Anblick
abge‐
stoßen. ‒ ‒
Gar arges
Unheil ist auf solche Art aus
reiner
Torheit nur geschaffen worden,
und manche
Ehe, die vor Gott
bestehen
bleiben sollte, wurde so
zerstört durch
einen
Wahrheitswillen, der zum
Irr‐
tum führen
mußte, da er
den Worten
mehr vertraute, als der inneren
Ge‐
wißheit fühlenden Erlebens, in der
allein die
Wahrheit für ihn
auffind‐
bar gewesen wäre...
Es ist jedoch nicht nur
nicht nötig, daß
man alles voreinander auszukramen
suche, was dort, wo man sich selbst kaum
kennt,
als dunkle Regung das Ge‐
fühl beirren will: ‒ es ist vielmehr in
jedem Fall
verderblich, diese Dinge,
die im Lichte eigenen Bewußtseins noch
molluskenhafte Formen zeigen, und
bald hell, bald dunkel,
in der wider‐
streitendsten Verfärbung schillern,
geflissentlich
hervorzuzerren, um sie
in die Form bestimmter
Worte einzu‐
pressen! ‒ ‒
Schnell ist ein Wort
gesprochen, dessen
Folgen selbst in einem langen Menschen‐
leben
nicht mehr auszumerzen sind!
Bei solchen
dunklen Regungen jedoch,
die keine klarbestimmten Formen zeigen
können, wird außerdem das
Wort stets
fälschen, wird
vergröbern und
ver‐
stärken müssen, soll es das noch
Un‐
sagbare,
Ungeformte formen und zu
sagen suchen...
Es werden Worte dann gesprochen, vor
denen man
erschrickt, noch während
sie die Zunge schrill hervorzustoßen sich
gezwungen fühlt, als hetzten sie Dä‐
monen...
Im nächsten Augenblicke möchte man
das so Gesagte auch schon
widerrufen,
hätte man nicht,
ungewollt, schon wie‐
der
weit verletzenderes Wort auf
seinen Lippen...
Worte, die man gar nicht sagen
wollte, tauchen aus Tiefen auf,
um die
man niemals wußte, und diese Worte
haben
überzeugende Gewalt, für
uns, wie für
den Andern, obwohl sie
alles Andere eher, nur nicht der
Wahr‐
heit Zeugnis sind...
Wurden sie jedoch nun einmal
ausge‐
sprochen, so holt sie keine Macht der
Erde wieder
in das Unerkennbare zu‐
rück, und selbst dem späteren, ernsten
Widerruf wird man nur
zögernd
schwachen Glauben schenken können.
‒ ‒
Und doch hat man sich gegenseitig nur
aus einem tollen Wahn heraus
belo‐
gen, ‒ derweil man sich nun endlich,
‒ so als ob es
nie geschehen wäre, ‒
„
die Wahrheit” sagen wollte! ‒ ‒
Besonders dann, wenn gar noch
Zorn
und
Heftigkeit den Worten
Wirkungs‐
kraft zu sichern suchten! ‒ ‒ ‒
Bei ruhigem Betrachten wird man
bald bemerken, wie der
Schein der
Wahrheit solchen Worten
schwindet,
‒ ja, oft wird man entdecken, daß nur
das Gegenteil von dem,
was man in
seinem Wahn als „
wahr”
empfun‐
den hatte, der Wahrheit
unverfälschte
Darstellung geschaffen hätte...
Nun aber kommt Erkenntnis leider
viel
zu spät, und
Reue wird jetzt
wenig
ändern können. ‒ ‒
Will man das
Unheil, das sich aus zu
früh geborenen Worten immer neue
Nahrung saugt, dann
wieder aus der
Welt zu schaffen suchen, so hat man
wahrlich seine bittere Not, ‒ und
schafft
man es auch endlich fort, so wird es
doch
noch immer
Spuren hinterlassen, die
niemals gänzlich zu verwischen
sind. ‒ ‒
Unendlich leichter aber wäre es ge‐
wesen,
sich die Rede vorher zu ver‐
wehren, und Dinge, die
kein Recht be‐
saßen,
Wort zu werden,
niemals aus‐
zusprechen! ‒ ‒ ‒
Was sich in jenem inneren Bereich, in
dem der Mensch sich selber
fremd
bleibt,
zu verbergen trachtet, das hat
guten Grund, Verborgenheit zu for‐
dern, und niemals soll man es gewalt‐
sam
in das grelle Licht des Tages
zwingen wollen!
Was
Ruhe braucht, wird man am besten
stets in seiner Ruhe lassen, damit es
nicht in wilder Wut
zerstöre, was es
auferbauen soll! ‒ ‒
Auch in dem Streben,
seine eigene
Tiefe zu ergründen muß man sich
be‐
meistern lernen, damit man nicht ver‐
sucht wird, Tiefen auszuloten, die
grund‐
los sind, ‒ und
dort das Leben störe,
wo es erst nach Formung drängt,
die nur
in steter Ruhe sich gestalten
kann...
Dann aber wird sich
jede dunkle Re‐
gung innerer Beirrung als ein
Durch‐
gangsstadium völlig andersartiger
Empfindungsbildung zeigen, ‒ denn
stets, wenn sich Empfindung
feste Form
erschaffen will, bedarf sie eines
Gegen‐
satzes, den sie
sich selber setzen
muß, um ihn zu
überwinden! ‒ ‒ ‒
Zwei Menschen, die in ihrer Ehe
ihrer
Liebe sicher sind, und
doch sich täglich
neu
erproben wollen, um sich auch
in
Worten ihre Liebe zu „
beweisen”,
begeben sich nur in
Gefahr, das
Glück,
das sie sich schaffen sollen, zu
zerstö‐
ren, noch bevor es sich aus seinen Fun‐
damenten frei erheben kann! ‒
Was dir dein innerstes
Gefühl beweist,
dem sollst du nicht noch
Wortbeweis
zur Seite stellen wollen!
Auch dann nicht, wenn dich eine dunkle
Regung unklar wogenden Empfindungs‐
webens
in dir selbst beirrt, so daß,
was vorher im Gefühl
gesichert war,
dir nun zur
Frage wird! ‒ ‒
Warte gelassen in dir selber Ant‐
wort ab, und übe
Schweigen, bis du
sie
erhalten hast!
Im
Schweigen wirst du alle Störung
deines Fühlens
sicher meistern!
Im
Schweigen wird dir
deine Ruhe
wiederkehren, und bald wirst du erneut
auch wieder
deines Fühlens sicher
sein!
Dann aber wirst du dich
vor jedem
Wort entsetzen, das da
vordem schon
auf deiner Zunge schwebte!
Dankbar wirst du deinem Schwei‐
gen sein!...
Vor vielem Unheil hat es deine Ehe
dir
behütet. ‒ ‒ ‒
Jetzt aber wirst du wahrlich
reden
dürfen!
Glück und
Freude hast du
neu errun‐
gen, und
von Glück und Freude wird
nun jedes deiner Worte zeugen!
Nur schaudernd denkst du noch zurück
an jenen dunklen Tag, der dich schon in
Versuchung und Gefahr sah, zu
verflu‐
chen, was du nunmehr aus ganzer Seele
segnen mußt! ‒
Wahrhaftig: ‒ daß du
schweigen konn‐
test, wo die Rede
Fluch gewesen wäre,
‒ das wird nun
deiner Ehe Segen!
‒ ‒ ‒
* *
*
UNZÄHLIG sind die „
unglückli‐
chen Ehen”, in denen sich einst
beide Teile als
zu allem Glück berech‐
tigt glaubten, bis dieser Traum in
Reue
und
Verzicht sein armes Ende fand. ‒ ‒
Es gibt ja leider
nur zu viele Gründe,
die zu so bitterer
Enttäuschung führen
können! ‒
Doch geht man sicherlich nicht fehl, wenn
man
sehr vieler Ehen vornehmlich‐
stes Unglück darin grundverankert
sucht, daß beide Teile
in der Ehe die
Erfüllung eines Lebenswunsches zu
erreichen glaubten, der, ‒
durch Ver‐
stiegenheiten töricht-
lebensferner
Vorstellung genährt, ‒ im Glück der
Ehe sich
ein Glück des steten fest‐
lichen Erlebens vorbehalten sah. ‒ ‒
Die
Ehe aber ist gewiß
kein ewiger
Feiertag und läßt sich niemals aus dem
Zwang des Alltags lösen!
Man kann in ihr nicht immer
Feste
feiern und,
beglückt im Liebesrausch,
die Welt vergessen! ‒
Gedeihliches Leben braucht seinen
Rhythmus: braucht
Steigerung und
Senkung seines Ablaufs,
ohne Unter‐
laß! ‒
So aber muß auch in der
Ehe steter
Lebensrhythmus herrschen!
Auch dort, wo aller
Reichtum dieser
Erde zur Verfügung steht, kann eine
Ehe nur
gedeihen, wenn sie,
außer
ihren
Festen, einen
Alltag kennt! ‒
So aber ist auch da,
wo sich die Not
des Daseins solchen Alltag zu er‐
zwingen weiß, durchaus kein Grund
gegeben, einer Ehe Glück
gefährdet zu
erachten, wenn nur die beiden Ehegatten
diesen
Zwang des Alltags so zu
nützen suchen, daß er dem inneren Le‐
bensrhythmus ihrer Ehe
Kräfte bringt,
aus denen ihm auch
Feste einst erstehen
werden. ‒ ‒
Wohl ist es freilich
leichter, sich im
Festgewande zu gefallen, als im
All‐
tagskleide! ‒
Und
leichter ist es, sich gemeinsam
heiterem Genießen hinzugeben, als
des Alltags schwere Forderungen
zu erfüllen! ‒
Die
Ehe aber kann kein stetes „
Arm‐
in-
Arm”, ‒ kein stetes
Liebeskosen
sein und wenn auch jeder Eheteil dem
anderen
nur zu gerne stete Zärtlich‐
keit bezeigen möchte, so wird gar oft
die Sorge um des Lebens Notdurft, oder
sonstige Verpflichtung,
Anderes erhei‐
schen, und Liebesstunden werden
Feier‐
stunden bleiben! ‒ ‒
Hierfür fehlt aber allzuoft das rich‐
tige Verstehen!
Man möchte auch den
Alltag in der Ehe
nur als
Fest erleben, und fühlt sich „
um
sein Glück betrogen”, wenn er sich
als Alltag zeigt. ‒ ‒ ‒
Zu allem Überfluß läßt es sich meistens
nicht verhüten, daß
jeder Eheteil in sei‐
nem Alltag einem
anderen Bereich des
Lebens dienen muß.
Nun kann es sich ereignen, daß der
eine
nach getanem Werke
sich auf einer
Wellen-
Höhe des Empfindens fühlt,
indessen sich der
andere in einer Nie‐
derung weiß, die er erst
überwinden
muß, um
seine Höhe wieder zu
er‐
reichen.
Wenn man sich nun begegnet, und nicht
liebendes Verstehen alsbald aus‐
zuspähen sucht,
wie es dem ande‐
ren Teil zumute ist, dann
müssen
beide Teile
aneinander leiden, ob‐
wohl sich dieses Leid so leicht
vermei‐
den ließe, würde man nicht gar zu sehr
von seinem
eigenen Erleben einge‐
nommen sein. ‒ ‒
So mancher
Zwist wird nur hervorge‐
rufen, weil der
eine Eheteil nur
seinen
Alltag kennen will, und
für den Alltag
seines Gegenpoles kein Verstehen
zeigt!
Man spricht da
aus verschiedenen Er‐
lebnishöhen zueinander, und ist „
ge‐
kränkt”, wenn man sich
nicht ver‐
standen sieht, statt erst einmal
des
Anderen Erlebnislage zu
erfassen...
Dies alles aber ist nur Folge einer Sucht,
den Alltag um sein Recht zu brin‐
gen: ‒ sich
seinen Forderungen
möglichst zu entziehen! ‒ ‒ ‒
Die Sitte, seine Ehe, nach erfolgter äuße‐
rer Bestätigung, sogleich mit einer
Reise
zu beginnen, mag manches
für sich
haben, und doch trägt sie recht oft die
Schuld daran, wenn
glückliches Be‐
ginnen in
Enttäuschung endet. ‒ ‒
Frei von Alltagspflicht, und nur allein
dem heiteren Genießen hingegeben, be‐
ginnt ein Ehepaar auf solcher Reise sein
Gemeinsamkeitserleben unter Vorbedin‐
gungen, die selten oder nie im Leben
wiederkehren.
Zu leicht wird man verführt, in diesem
ungestörten Beieinandersein nunmehr
des Ehelebens Inbegriff zu sehen.
‒ ‒
Die Tage dieser Reise schaffen eine holde
Täuschung, der man gerne sich ergibt,
und die man nie beendet sehen möchte. ‒
Doch, ist das Ehepaar, das nun schon
glaubt,
die Ehe recht zu kennen, end‐
lich
heimgekehrt, so meldet sich zu‐
meist auch schon der
Alltag an und
heischt die Pflicht
gesonderten Er‐
lebens.
Die eigenen vier Wände sind der jungen
Gattin fremd wie eine Gasthofstätte, ‒
nur ist
der eigene Haushalt jetzt da‐
zugekommen und macht das Leben nicht
mehr ganz so leicht, wie es erschienen
war, solange auf der Reise
Andere für
alles sorgten, was man zum Behagen
brauchte. ‒
Zum erstenmal ist in der jungen Ehe
viele Stunden währende, ja oftmals
tagelange Trennung beider Ehegatten
nötig, und jeder Teil sieht sich vor Auf‐
gaben gestellt, die dem bisherigen Er‐
leben seiner Ehe völlig fremd geblieben
waren. ‒ ‒
Schon hier beginnt zuweilen
die Er‐
nüchterung des ersten Liebesrau‐
sches, und wahre
Liebe sieht sich schon
vor ihrer ersten Probe stehen...
Es ist nicht gar so leicht, sich aus der
Übersteigerung der Freuden seiner
Reisetage nun zu
lösen und den „
All‐
tag” zu bezwingen! ‒ ‒
In vielen Fällen hätte sicherlich sich
Besseres ergeben, wenn die Ehe erst
im Alltag aufgerichtet worden wäre,
bevor man sie in stetem
Feiertage,
und
losgelöst von jeder Alltagspflicht,
erlebte. ‒ ‒ ‒
Wie aber dem auch immer sei, so läßt
sich doch hier sagen, daß recht Erheb‐
liches gelungen ist, wenn sich das junge
Paar allmählich auch vertraut mit seinem
Alltag zeigt, denn
Ehe findet stets
erst
dann sich in
Bewährung, wenn sie den
Alltag zu bemeistern weiß. ‒
Ihr, die der
Ehe heilig-hehre Bindung
nun
vereint, wart euch vielleicht vor
gar nicht langer Zeit noch völlig
fremd!
Jeder von euch Beiden lebte noch sein
eigenes Leben, und der Kreis von Men‐
schen, der ihn dort umgab, war ihm ver‐
traut, wie er dem Kreise...
War es bisher das
Elternhaus, das euch
umhegte, dann mag auch innigstes Ver‐
bundensein euch täglich neu umfangen
haben, und treue Eltern- und Geschwi‐
sterliebe war um euer Wohl besorgt.
Vielleicht jedoch wart ihr schon längst
dem Elternhaus
entwachsen und eure
Freunde waren in der
Fremde euch er‐
standen?
Jetzt aber habt
ihr Beide euch gefun‐
den, und damit trat ein
neues Fühlen
nun in seine Rechte, das
anderer Ar‐
tung ist als
Eltern-
und Geschwister‐
liebe, ‒
anderer Artung als die tiefste
Freundschaft, und das
allein euch
Beiden gegenseitig gilt:
niemals mit
Anderen zu teilen ist...
Glaubt nicht, daß dieses neue Fühlen nur
bedingt sei durch das erdenhafte Glück
des
körperlichen Angehörens!
Wenn echte
Liebe euch vereint, dann
ist hier wahrlich
Anderes in euch er‐
blüht, das euch zwar nun auch
körper‐
lich vereint, zugleich jedoch die körper‐
liche Einung
überstrahlt mit über‐
erdenhaftem Lichte! ‒ ‒ ‒
Nun seid ihr
für das Erdenleben, ‒
zumindest eurem
Willen nach, ‒
ver‐
einigt, ‒ doch noch sind hier
zwei
Leben, die sich keineswegs von einem
Tage auf den anderen so
verschmel‐
zen lassen, daß sie schon wirklich jenes
eine neue Leben auch im äußeren Da‐
sein bilden könnten, das höchstes
Ziel
und hehrste
Hoffnung eurer jungen Ehe
ist! ‒ ‒
Vorerst müßt ihr euch noch
gedulden,
und alles Streben muß darauf gerichtet
sein, in gegenseitigem Gewähren zu
er‐
fühlen, wo sich: ‒ die
Trennungs‐
punkte eurer beider Lebensläufe zeigen,
und: ‒ wo etwa der eine schon dem
anderen
Einungspunkte darzubieten
habe...
Der Zwang des Alltags wird euch
hier ein guter Lehrer sein! ‒
Ihr werdet sicher
sehr viel mehr an
Trennendem gewahren,
als euch lieb
und wünschenswert erscheint, ‒
doch, wenn die
Liebe eure Augen schärft,
dann werdet ihr auch bald bemerken, wo
das eine Leben sich dem anderen am
ehesten
vereinen kann...
Was aber eure Leben bisher
trennte,
‒ in der ganzen
Auffassung des Le‐
bens, ‒ das sollt ihr klug, und völlig
eures Tuns
bewußt, stets mehr und
mehr zu
übersehen suchen, ‒ doch,
was zur
Einung eurer Beider, bis vor
kurzem noch getrennten Leben führen
kann, muß ebenso bewußt
gesucht und
gegenseitig dargeboten werden.
‒ ‒ ‒
Der Alltag wird euch manche harte
Probe
bringen, die ihr nur dann
bestehen
werdet, wenn ihr euch
Beide in dem ste‐
ten Streben findet: ‒ das
Einigende
eurer Beider Art, dem Leben zu begeg‐
nen, in und an euch
aufzusuchen, das
bisher
Trennende jedoch zu
ignorie‐
ren!
Die neue
häusliche Gemeinsamkeit
schon bringt so manche, oftmals nicht
ganz leichte Probe, die
bestanden
werden will...
‒ Solange ihr im
Einzel-Leben wart,
bewohnte jeder von euch Beiden seinen
eigenen Raum, den er nach
seiner Weise
schmückte, und in dem er alles, was ihm
lieb und wertvoll war, nach
seiner Weise
unterbrachte.
Jetzt aber lebt ihr in den
gleichen Räu‐
men, und wenn auch äußere Bedingungen
es euch erlauben sollten, daß dennoch
jeder außerdem sich einen
eigenen Be‐
reich für sich allein gestalten kann, so
wird
auch das gewiß
nicht ganz das
Gleiche sein, wie
eure frühere Allein‐
herrschaft in dem euch zugemessenen
Raum...
In allem seid ihr Beide
aufeinander
angewiesen, und eure
Liebe schon
wird euch bewegen, euer Heim doch
wohl zu
gegen-seitigem Gefallen aus‐
zubauen. ‒
Manche liebgewordene Gestaltung wird,
‒ aus welchen Gründen immer es ge‐
schehen möge, ‒ letzten Endes doch
dem
Anderen zuliebe aufgegeben werden
müssen, und manche alte Neigung wird
zu
wandeln sein, wenn eure Räume
wirklich eurer
Beider Heimstatt werden
sollen, in der sich
jeder Eheteil „
zu‐
hause” fühlt! ‒ ‒ ‒
Nicht minder wichtig als die Woh‐
nung ist die Speise!
Ich rede
nicht hier von der Frage, ob
man
Tierisches genießen solle, oder
alles, was vom Tiere stammt,
zu meiden
habe, ‒ und auch nicht von
anderen
„Reformen” der Ernährung!
Wer sich
der Sünde fürchtet, ‒ ein
Tier zu schlachten, oder zu erjagen, der
unterlasse solches, aber er glaube nicht
etwa, ein
besserer Mensch zu sein,
und öde Andere nicht an mit Lehren,
die allzubillig sich erhandeln lassen
auf dem bunten Jahrmarkt mensch‐
licher Verstiegenheiten! ‒ ‒ ‒
Ich aber rede hier nunmehr nur von der
Zubereitung dessen, was dem Erden‐
körper neue Aufbaustoffe bieten soll.
Ihr stammt aus zwei verschiedenen El‐
ternhäusern, vielleicht sogar aus von ein‐
ander weit entfernten Heimatsgauen, ‒
und in jedem dieser,
schon durch Lan‐
desart vielleicht bestimmten Eltern‐
häuser herrschte eine
andere Art der
Nahrungszubereitung.
Was jeder aber stets
gewohnt war,
schätzt er über alle Maßen, ‒ und wie
die Speise
zubereitet wurde, die man
ihm von Kindheit auf zu reichen wußte,
so will er sie
auch weiter zubereitet
sehen...
Auch hier gibt euch der Alltag reich‐
liche Gelegenheit euch anzuglei‐
chen!
Mag man auch lächeln, finde ich hier diese
Dinge der Erwähnung wert, so wird
doch manche Ehe leider
aus Erfahrung
wissen, daß schon oft ein sorglichst
wohlbereitetes Gericht
die Zwietracht
an den Tisch des Hauses brachte. ‒ ‒
Ihr seid nunmehr
zu Zweien, und ver‐
pflichtet,
euch einander anzupassen,
obwohl da jeder nur auf
seines Eltern‐
hauses Küche schwört, und jeder
seine
eigenen Vorlieben und Abneigungen
gegenüber manchen Speisen hegt.
Sehr oft jedoch ist
eines Ehegatten
„Lieblingsspeise”
darum nur
dem an‐
deren ein Greuel, weil sie im Aufbau
seines Körpers
nicht die gleiche Wir‐
kung zeitigt, ‒ und manche
Ableh‐
nung der Zubereitung resultiert aus
instinktivem Fühlen,
daß sie dem
physiologischen Bedürfnis eigener
Natur
zuwiderläuft...
Da man jedoch
gemeinsam speisen will,
so ist es oft recht schwer, weit ausein‐
anderstrebendes Bedürfnis zu befriedi‐
gen, zumal, da vielfach der
Geruchsinn
schon durch diese oder jene, nicht der
eigenen Natur gemäße Speise
bis zur
Unerträglichkeit gefoltert wird. ‒
Hier wird nun jeder Eheteil erst zu
er‐
fühlen suchen müssen, was dem ande‐
ren
Gewohnheit lieb zu machen wußte,
oder was er
aus Instinkt begehrt, und
aus dem gleichen, gut begründeten In‐
stinkt,
zu meiden strebt. ‒
Auch hier wird jeder von euch Beiden
auszuspüren haben, wo die „
Tren‐
nungspunkte” liegen, und wo ihr euch
von selbst
beim gleichen Wählen und
Verwerfen findet!
Glaubt nicht, daß
solches gegensei‐
tige Verstehen etwa
überflüssig wäre,
oder, daß ich gar
von jenen wunder‐
lichen Ehen rede, in denen nur des
Mannes Gaumenlust bestimmt, was auf
den Tisch des Hauses aufgetragen wer‐
den darf! ‒ ‒
Der
Zwang des Alltags: stetig wieder
neue
Nahrung darzubieten, gibt für
beide Teile einer Ehe reichliche Gele‐
genheit,
sich gegenseitig Freude zu
bereiten und die eheliche Harmonie
zu fördern, ‒ denn
körperliches
Wohlbehagen löst auch
seelisches Be‐
hagen aus! ‒ ‒ ‒
So mag man, wo es
möglich ist, auch
zu gewissen Tagen dafür Sorge tragen,
daß
nicht nur Allernötigstes den
Tisch des Hauses decke, obwohl ich
weit
davon entfernt bin, hier etwa der
Es‐
sens-
Schwelgerei das Wort zu re‐
den...
Es läßt sich aber oft mit
kleinen Dingen
recht viel Freude schaffen, ‒ beson‐
ders wenn aus ihrer Darbietung ersicht‐
lich wird, daß man sich gegenseitig
Freude
bringen wollte, durch
Erfül‐
lung irgend eines kleinen Lieb‐
lingswunsches, der sich mit Leichtig‐
keit erfüllen ließ. ‒ ‒
Wie hier die
Frau des Hauses
ihres
Gatten Neigung liebevoll erspähen
wird, so möge aber auch
der Mann ver‐
suchen, ihr
die kleinen Überraschun‐
gen zu bieten,
die Frauen meist so
sehr zu schätzen wissen! ‒ ‒
Ein wenig „
Überfluß” ‒ und halte er
sich auch
in sehr bescheidenen Gren‐
zen ‒ wird in der
Ehe, wie auch sonst
in diesem Erdendasein, stets das Mit‐
einanderleben
freudiger und
leichter
machen, so daß man dort, wo er sich ir‐
gend noch
bereiten läßt, gewiß nicht
von „
Verschwendung” reden darf!
‒ ‒ ‒
Hier aber führt ein Schritt nur uns zu
einer gegensätzlich
anderen Art, den
Zwang des Alltags in der Ehe zu
empfinden, ‒ und wahrlich: ‒ hier ist
bitterer Zwang!
Ich denke an den oft so
schweren
Kampf, um auch nur
unentbehrlichste
Ernährung aufzutreiben, ‒ an den
Zwang zu
unerbittlichster Erschöp‐
fung aller Kraft, um soviel zu verdie‐
nen, daß man die
dringendsten Er‐
fordernisse seines Lebens
gerade noch
bestreiten kann. ‒ ‒
Wahrlich: ‒ die
Ehe, die mit
solchem
harten
Zwang des Alltags rechnen
muß, sieht beider Eheteile
Liebe täglich
neu vor
ernster Prüfung stehen! ‒ ‒ ‒
Zugleich ist aber beiden Teilen hier ‒
wie nirgends sonst ‒ Gelegenheit ge‐
schaffen, sich ihre
Liebe zueinander
täglich neu zu offenbaren durch die
Tat: ‒ sich gegenseitig
Hilfe darzu‐
bieten, und sich das Allzuschwere ge‐
genseitig zu
erleichtern, wie nur
Liebe
hier erleichtern
kann. ‒ ‒ ‒
‒
Mehr noch, als in
erfreulicheren
Lebenslagen, werdet ihr euch
seelisch
ineinanderschmiegen müssen, wenn
sich der
Zwang des Alltags eurer
Ehe
in so
harter Weise fühlbar macht!
Gebt
nicht dem leisesten Empfinden
in euch Raum, das euch gerade
hier die
innere Gemeinsamkeit
verlieren lehren
könnte, wo sie
am allernötigsten ge‐
fordert wird, wollt ihr als
Sieger einst
aus solchem Kampfe schreiten!
Auf Schritt und Tritt könnt ihr euch
hel‐
fen, ‒ selbst, wenn es nicht
von
außen her geschehen kann, wenn nur
der
eine Eheteil auf
seine Weise stets
des
anderen verbrauchte
Kraft in Liebe
zu
erneuern: ‒ des anderen Teiles
schon gesunkenen
Mut aufs neue
auf‐
zurichten sucht! ‒ ‒ ‒
Vergeßt
jedoch auch nicht, daß ihr euch
zum
Verhängnis werden könnt, wenn
beide Teile, ‒ statt sich aneinander im‐
mer wieder zu
erheben, ‒ einander
niederziehen, weil euch die
Not ver‐
führt, zu glauben, daß sie
leichter trag‐
bar sei, wenn man sie stetig sich
vor
Augen halte, und auch Sorge trage,
daß
der Andere sich
ja nicht etwa da‐
zu aufzuschwingen wisse,
seiner Last
zu spotten! ‒ ‒ ‒
Ihr könnt euch
dann nur wirklich hel‐
fen, wenn
Einer stets im Anderen
lebt, und ihr die Zwangslast, die der
Alltag auf euch bürdet,
gemeinsam zu
ertragen sucht, ‒
verbergend,
daß
sie euch in gleicher Weise wie den
Anderen drückt! ‒ ‒
Nichts ist törichter, als
einen Zustand
zu bejammern und durch stete Kla‐
gen unerträglich zu gestalten, den
man
durch eigenes Tun nicht ändern
kann!
Ist man jedoch
imstande, ihn zu
än‐
dern, dann wird
erst recht die stete
Klage
nichts verbessern, sondern nur
den Antrieb hemmen, der
in ganzer
Kraft vonnöten ist, will man aus sei‐
ner üblen Lage sich
befreien. ‒ ‒ ‒
In welcher Weise aber auch der
Zwang des Alltags sich in eurer Ehe
äußern mag: ‒ er kann in
jeder Form
euch
Segen bringen, wenn ihr ihm
richtig zu genügen wißt!
Und ist auch
anderes Leben in ihn ein‐
bezogen, so wird auch
dieses Leben
Segen oder
Fluch erfahren, je nach
eurer Art, dem Alltag
zu begegnen...
Man kann nicht
segnen und
zugleich
auch an der gleichen Stelle
fluchen, ‒
und so auch kann man
anvertrautes
Leben nicht mit
Segen und mit
Glück
erfüllen, wenn man zugleich sein
eige‐
nes Leben ‒ durch das eigene Verhal‐
ten ‒ nur mit
Fluch belädt, und ihm
auf solche Weise
jede Glückesmög‐
lichkeit entzieht! ‒ ‒ ‒
Erfüllung aller eurer Wünsche aber
wird euch werden, wenn ihr dem
Zwang des Alltags so Genüge leistet,
daß ihr zuletzt ihn ganz
beherrschen
lernt!
Dann werdet ihr auch
Feste feiern kön‐
nen, so, wie sie zu feiern
sind, soll
euch aus ihnen wieder neue Kraft er‐
stehen, um den Alltag zu
ertragen,
‒ ‒ den gleichen
Alltag, der doch
letzten Endes immer wieder eurer
Feste frohen
Anlaß schafft! ‒ ‒ ‒
* *
*
ES
könnte so unendlich viel mehr
Glück in mancher Ehe sich entfalten,
würde man sich mehr
bemühen, stets
nach
Einigkeit zu streben! ‒ ‒
Man
unterschätzt gar sehr
den Wert
der Eintracht,
als Erhalterin des
Glückes, sonst würde man sie nicht so
oft um eitler Dinge willen
stören: ‒
um „
Meinungen” und „
Ansichten”
zum Sieg zu bringen voreinander, die
wahrlich
wenig wiegen, wägt man in
der anderen Hand sein
Glück! ‒ ‒ ‒
Durch jegliche
Lappalie bringt man
seiner Ehe
Eintracht in Gefahr, ‒ und
wenn sich alle Eheleute, die ihr Glück in
Scherben gehen sahen,
fragen wollten,
was der dann folgenden Zertrümmerung
einst
ersten Anlaß dargeboten habe,
dann würde sich, weit öfter als man
glauben möchte, zeigen, daß meist
ganz
lächerliche Störungen der Einigkeit
Vernichtung ehelichen Glückes
wirkten, ‒ auch wenn man
später dann
noch
andere Gründe schuf,
die nie
geschaffen worden wären, hätte man
sich vorher nicht entzweit. ‒ ‒ ‒
Ich rede nicht nur von „
Rechthaberei”
und „
Eigensinn”, die beide nur als
Wehr der Dummheit, oder als das
kläglich armselige Schild
verknöcher‐
ter Erstarrung anzusehen sind, als
welche sie bekanntlich ja in
allen
Lebensbindungen zum „Schrecken” aller
Denkbeweglichen und
seelisch
Freien werden: ‒ zu einem „Schrecken”
den nur
Mitleid bannt und
Ironie ver‐
scheucht! ‒ ‒
Ich rede hier vielmehr von
jener Art
der
Eintrachtstörung bei der die
Gegensätze tatsächlich
bedeutsam sind,
und dennoch
Ausgleich möglich wäre,
würden
Klugheit und
Vertrauen
liebevoll versuchen,
die Basis der
Vereinungsmöglichkeit zu finden, ‒
und schließlich rede ich von einer
Tor‐
heit, der ihr Weltbild schon vernichtet
scheint, wenn um der
Eintracht willen,
Weiß als „
Schwarz” und
Schwarz
als „
Weiß” bezeichnet werden soll!
‒ ‒
Selbst wenn ganz unbestreitbar alles
„
Recht” auf
deiner Seite ist, wirst
dennoch du versuchen müssen, einen
Ausgleich herzustellen, ‒ auch wenn
der Augenblick erfordert, daß du
um
der Eintracht willen auf dein „Recht”
verzichtest, bis es der Andere
aus
freien Stücken dir dann später viel‐
leicht
zugesteht!
Betrachte,
was dein eheliches
Glück dir
gilt, und wäge dann
den Wert der
Dinge,
die es in Gefahr zu bringen
suchen! ‒
Dann wähle, was dir
mehr am Herzen
liegt! ‒ ‒
Sehr selten wird es sich um Dinge
handeln,
die so bedeutsam sind, daß
sie dich in Bereitschaft finden
müssen,
selbst dein
Eheglück zu opfern,
wenn
sie nicht
in solcher Weise zwischen
euch Entscheidung finden, daß ihre
strenge Forderung
auch im Bestehen
deines Glücks erfüllbar bleibt. ‒
Zu allermeist wird eheliche Eintracht
nur gestört durch Streiten über Fragen,
die sehr wohl
Antwort der ver‐
schiedensten Gestaltung finden
können...
Es kommt nur darauf an, daß du den
Anderen alsdann
gewähren läßt, wie
er nun einmal
will, und ruhig
wartest,
bis er seinen Irrtum einsieht, oder
‒ ‒
bis du selbst erkennst,
daß du
im Irrtum warst. ‒ ‒ ‒
So wird dann
Harmonie erhalten und
euer
Eheglück wird durch ein wenig
Selbstbeherrschung der Gefahr ent‐
zogen.
Wille zur Einigkeit muß euch
zur
unbedingten Forderung des
Glückes werden, und
keiner beider
Teile darf sich dieser Forderung
ent‐
ziehen wollen!
Es hängt zu viel von ihrer stetigen
Erfüllung ab! ‒ ‒
Bei jeder
Möglichkeit, die zur
Ent‐
zweiung führen
könnte, ‒ und sei es
auch Entzweiung nur für eine kurze
Stunde, ‒ müßt ihr euch klar zu machen
suchen, daß doch
der Mensch vor
allen Dingen steht, so daß die Auf‐
fassung der
Dinge, die in Frage
kommt, doch wahrlich erst in
zweiter
Linie der Beachtung würdig bleibt, wenn
sie nicht
ganz und gar belanglos
wird, wo
Menschenglück Beachtung
heischt!...
Ihr dürft auch
nie vergessen, daß diese
Auffassung der
Dinge, die euch heute
„
wichtig” scheinen will, zu einer
anderen Zeit ganz
in Bedeutungs‐
losigkeit versinken kann! ‒ ‒
Vor allem aber lernt erkennen, daß
Gegensatz nicht
aus der Welt zu
schaffen ist durch
Streit! ‒ ‒ ‒
Auch dort, wo ihr empfindlich
leiden
möget, weil euch plötzlich
Gegensätze
zu Bewußtsein kamen, die als
völlig
unvereinbar gelten, werdet ihr mit
allem
Streiten, allem
Überzeugen‐
wollen nichts gewinnen! ‒ ‒
Ihr werdet euch nur selbst auf solche
Weise schließlich um die Möglichkeit zu
bringen wissen, eine
Brücke aufzu‐
richten,
auf der ihr euch begegnen
und erneut vereinen könntet...
So manche Ehe wäre heute
nicht zer‐
stört, wenn man den Gegensatz, der zur
Zerstörung führte, einst
in sich be‐
ruhen hätte lassen, ‒
der Zeit und
ihrer Ausgleichswirkung sich ver‐
trauend, ‒ statt sich in Kämpferstellung
aufzurecken und sein
vermeintlich
oder
wahres „gutes Recht” in Wort
und Tat zu suchen, ‒ Verletzung
durch
Verletzung fordernd, ‒ bis das
letzte Fünklein
Liebe sich in
Haß ge‐
wandelt hatte. ‒ ‒ ‒
Ihr aber, die ihr eure
Ehe erst
be‐
ginnen wollt, ‒
ihr habt die Macht
noch in den Händen, die so mancher
anderen Ehe längst
verloren ging: ‒
‒ die Macht, euch bitterste Enttäuschung
zu
ersparen! ‒ ‒ ‒
So hütet euch denn vor dem ersten
Streit! ‒ ‒ ‒
Sobald ihr
einmal nur im
Streite
euch begegnet seid,
habt ihr schon
viel von eurer Macht verloren!
Zwar mag der Streit durch eure
Liebe
bald
geschlichtet werden, aber in den
dunklen Schächten
unbewußten Füh‐
lens bleibt
Erinnerung zurück, auch
wenn
im Denken alles längst ver‐
gessen wurde...
Bei jedem
neuen Anlaß, der zum
Streite führen
könnte, fühlt ihr euch
aus dem Unbewußten nun zur
Wieder‐
holung aufgefordert, und ihr
erliegt
dem dunklen Raunen, ohne recht zu
wissen, wie euch das geschieht...
Wo
einmal Streit war,
will er immer
wiederkehren, wie sehr der Mensch
sich auch
dagegen sträuben mag, ‒
und stetig wird er
neue Gründe auszu‐
heben wissen, aus denen er gespenstig
sich beleben kann, wenn man ihn nicht
begräbt,
noch während er versucht,
aufs neue zu erstehen! ‒ ‒ ‒
Darum: ‒ solange ihr den
ersten Streit
vermeiden könnt,
strengt alle eure
Kräfte an und sucht ihn zu ver‐
meiden! ‒ ‒ ‒
Es wird euch
weitaus schwerer,
seine
Wiederkehr ihm zu versagen,
als es euch schwer sein mag, ihm
seinen ersten Eintritt in das Leben
eurer Ehe zu verwehren!
Habt ihr ihm
einmal Rechte
zuge‐
standen, so wird er sie zu
wahren
wissen, ‒ und schließlich wird es euch
unmöglich scheinen, in eurer Ehe
ohne
Streit zu leben...
Es gibt genugsam Menschen, die es
niemals fassen können, daß auch der
kleine Streit, der ihnen längst
alltäg‐
liche Gewohnheit wurde, aus einer
Ehe zu
verbannen ist, wenn
beide
Teile ernstlich ihn verbannen
wollen!
So, wie dem Fuchs der Fabel jene
Trauben „sauer” heißen, die er sich nicht
holen kann, so suchen sie nun sich
und anderen Eheleuten einzureden, daß
eine
Ehe, die nur
Eintracht kennt, für
sie
ganz unerträglich wäre, und wohl
nur bei Menschen möglich werden könne,
die
zu keiner resoluten Lebens‐
äußerung befähigt seien...
So töricht solche Rede ist,
so frevel‐
haft ist es, den
Streit gleichsam
als
integrierenden Bestandteil ehe‐
lichen Lebens aufzufassen!
Wie
oft ward leider schon der
kleinste,
halb aus
Scherz geführte
Streit, zum
ersten Anlaß ehelicher Auseinander‐
setzungen, die endlich alles Glück
zer‐
rütten mußten! ‒ ‒
Wo solches aber
möglich ist, da ist
fürwahr die
Pflicht gegeben,
alle
Kräfte aufzubieten, um die
Eintracht
stetig in der Ehe zu
erhalten! ‒ ‒ ‒
Doch, auch das beste Wollen mag zu‐
weilen
unterliegen, wenn
Affekt es
plötzlich rücklings überfällt...
Ist so der Streit
hereingebrochen,
gleich einer Wasserflut, die ihre Dämme
brach und nun das blühende Gefilde
plötzlich in ein Schlammfeld wandelt,
dann muß es eure erste Sorge sein,
so bald als irgend möglich solchen
Zustand wieder aufzuheben, ‒ und
nie ist es zu früh, will man die alte
Ordnung
wiederkehren sehen...
Jetzt ist es
mehr als sonst noch nötig,
daß ihr Beide
guten Willens seid und
gegenseitig euch zu helfen sucht,
damit euch
Harmonie in eurer Ehe
wiederkehre!
Nie darf es dazu kommen, daß der
eine
Eheteil dem anderen
weiter grollt,
auch wenn er dessen Absicht sieht,
Ver‐
söhnung anzubahnen!
Doch sollt ihr euch auch jetzt nicht
vor‐
einander reinzuwaschen suchen,
ängstlich bestrebt, nur ja die liebe eigene
Eitelkeit vor Schaden zu bewahren!
Und noch viel weniger sollt ihr nun‐
mehr beginnen, festzustellen, wen die
Schuld an dem Zerwürfnis trifft: ‒ wer
etwa
mehr, wer
nicht so sehr im Un‐
recht war!
Es ist töricht, und kann nur zu leicht zu
neuem Streite führen, wenn ihr nunmehr
mit vielen Worten euch beweisen wollt:
‒ „
warum” ‒ „
weshalb” ‒ „
wie‐
so” ‒
ihr euch vergessen konntet!
Stets sucht dann nur die
Eitelkeit des
Einzelnen, ‒ und sei es auch nur völlig
unbewußt ‒ zu Wort zu kommen, und
will
um jeden Preis verhüten,
daß
sie bei dem Friedensschluß etwa
„
Terrain verliere”...
Oft ist der
eine Eheteil schon längst
bereit,
den Frieden anzubieten, und
nur die Furcht,
durch Abweisung in
seiner Eitelkeit gekränkt zu wer‐
den, hält ihn zurück, und läßt ihn nicht
zum
ersten guten Worte kommen. ‒ ‒
So steht ihr Beide euch dann gegenüber,
und keiner wagt,
sich selbst zu über‐
winden, ‒ keiner will „
der Erste”
sein, der sich
versöhnlich zeige...
In kindlich lächerlicher „
Pädagogik”,
wollt
ihr, die ihr euch eben noch so
unerzogen zeigtet, nun euch gegen‐
seitig
zu erziehen suchen, wobei ihr
ganz im Stillen hofft,
erneuten Streit
am besten
dadurch abzuhalten, daß
ihr euch jetzt, ‒ im Herzen längst ver‐
zeihend, ‒
nach außenhin recht un‐
versöhnlich zeigt, da so der Andere
sehen könne, wie es
schwer sei,
nach
dem Streite wieder
Frieden zu er‐
langen...
Ihr solltet euch fürwahr ein wenig vor‐
einander
schämen, ‒ vielleicht, daß
dann die
Scham euch schneller zu‐
einander führen könnte! ‒ ‒
In
eurer Art,
Versöhnung zu ver‐
suchen, werdet ihr euch gegenseitig nur
stets
weiter quälen und wenn kein
äußeres Geschehen euch zuhilfe
kommt,
das euch zu zwingen weiß,
euch wieder zu vereinen, dann könnt
ihr
tagelang so weiterschmollen, ohne
euch zu finden! ‒ ‒
Ihr
kompliziert das ohnehin euch nicht
ganz einfach Scheinende
in eurer Vor‐
stellung nur immer mehr, und
immer
schwerer wird es euch,
Nächst‐
liegendes zu tun, indem ihr gegen‐
seitig eines jeden Mund, ‒
der doch
nicht weiß wie er die erste Rede
formen soll, ‒ mit einem resoluten,
heißen
Kuß verschließen würdet...
Damit es aber
niemals euch begegnen
kann, daß ihr wie trotzig-ungezogene
Kinder aufeinander wartet: ‒ „
Wer
wird nun der Erste sein,
der nach‐
gibt?” ‒ so will ich euch raten, daß ihr
gegenseitig euch in
guten Tagen
streng
gelobt,
euch niemals abzuweisen,
wenn, nach einer Trübung eures Einver‐
nehmens, der
eine Eheteil
den anderen
versöhnen will! ‒ ‒
Ihr sollt euch dabei
feierlich ver‐
pflichten, daß eure Aussöhnung auch
niemals durch die liebe Eitelkeit
behindert werden darf, und daß
der
Erste, der Versöhnungswillen zeigt,
nicht etwa fürchten muß, sich durch sein
Wiedernahenwollen
als am meisten
schuldhaft zu bekennen! ‒ ‒
Ihr sollt euch weiter
streng geloben,
daß nach erfolgter
Aussöhnung, der
„
Grund” des beigelegten Streites
nicht
mehr Gegenstand erklärender Erör‐
terungen werden darf, und daß es
nie
für einen von euch Beiden etwa „
Unter‐
werfung” heißen soll, wenn er,
als‐
bald nach einem Zwist,
dem anderen
Teile in Versöhnlichkeit zu nahen
sucht! ‒ ‒
Wenn es euch schon unmöglich wurde,
stete Eintracht zu erhalten, so wird
euch wenigstens nun
das bestehende
Gelöbnis helfen,
Trotz und Eitel‐
keit zu überwinden, wenn sie euch
hindern wollen, euch
erneut in Eintracht
zu begegnen. ‒ ‒ ‒
Besser freilich ist es, ihr erzieht euch
gegenseitig durch das
Beispiel und die
Tat, und gegenseitig
wissend, daß ihr
euch dazu erziehen
wollt: ‒ zum
Wil‐
len zur Einigkeit!
Auch da muß aber
alle Eitelkeit von
vornherein beseitigt werden!
Es muß
unmöglich sein, daß einer von
euch Beiden etwa „
triumphiert”, weil
er den anderen
in Schwäche sah, und
nur durch
eigenes kluges Handeln
einen Streit vermied! ‒ ‒
Ihr sollt vielmehr, ‒ des Glückes einge‐
denk, daß ihr euch helfen
könnt, ‒ in
jedem Augenblicke eures Lebens euch
auch helfen
wollen, ohne aber jemals
euch zu
überheben, wenn ihr helfen
durftet! ‒
Der einen Streit
vermeiden half, weil
er in kluger Weise „
einzulenken”, ‒
„
nachzugeben” wußte und nicht noch
Öl ins Feuer goß, darf sich wahrhaftig
seiner Kraft der Mäßigung er‐
freuen, ‒ allein, in gleicher Weise
wird der
andere Teil, der sich
zur
Ruhe wenden ließ, auch wenn ihn
schon
Erregung fassen wollte,
sich
in Freude fühlen dürfen, weil es ihm
gelang,
sich selbst erneut in eigene
Gewalt zu bringen. ‒ ‒
Nur dann seid ihr in rechter Auffassung
der Dinge, wenn ihr euch
gegenseitig
immerdar zu danken wißt,
daß es
durch eurer Beider guten Willen
wieder möglich war,
die Glücksge‐
fahr zu bannen!
Es ist jedoch
auch hier nicht gut, etwa
nachher davon zu sprechen,
wie man
der Gefahr entronnen sei, ‒
wo
sich der Fehler finde, der sie immer‐
hin
heraufbeschwor, und wer wohl
richtiger gehandelt habe...
Auch
ohne jegliche Erwähnung
weiß
der Teil, der sich vorher „
vergessen”
hatte,
daß er fehlte.
Er wird dir
sehr zu
danken wissen,
wenn du es
ihm allein nun überlassen
willst, in sich die rechte Art und Weise
aufzufinden,
wie solches Fehlen künf‐
tig meidbar werden könne! ‒ ‒
Nichts aber rächt sich bitterer in
einer Ehe,
als ein Zwang,
sich ge‐
genseitig voreinander zu ernied‐
rigen!
Demütigungen voreinander sind
das
fürchterlichste Gift für eine jede Ehe,
und
nach Jahrzehnten noch kann die‐
ses Gift zur
Wirkung kommen! ‒ ‒ ‒
Ihr sollt euch gegenseitig nur
in Ehr‐
furcht sehen wollen, und
müßt ihr
euch zuweilen auch in euren Schwä‐
chen sehen, so dürft ihr doch die
Ehr‐
furcht voreinander
nicht verlieren!
Überseht,
bewußt, die Schwächen, ‒
redet
nie davon, ‒ und
zeigt einander
nicht, daß einer um des anderen Schwäche
weiß! ‒ ‒ ‒
Stärkt ständig gegenseitig euer
Selbstvertrauen, und lehrt euch, durch
die Art, wie ihr euch zu begegnen wißt,
die Achtung vor euch selbst! ‒ ‒ ‒
Verpflichtet euch, daß ihr allein das
Gute,
Starke und
Erfreuliche an euch
beachten, ‒ was
fehlerhaft und
schwach ist, aber
ignorieren wollt!
‒ ‒ ‒
In
keinem menschlichen Verhältnis ist
es so
verhängnisvoll, dem Neben‐
menschen
seine Fehler vorzuhalten,
als in einer
Ehe...
Was man sich in der Ehe gegenseitig
lehren kann, das muß für jeden beider
Teile
aus dem eigenen Erleben re‐
sultieren!
Nie darf man etwa gegenseitig sich „
be‐
lehren” wollen, so wie der
Lehrer
seinen
Schüler lehrt! ‒ ‒ ‒
Es ist zu tief schon im
Geschlechtlichen
begründet, daß jeder Teil vom anderen
nur in der denkbar schönsten Form
gesehen werden will, als daß ein stetes
Lehrenwollen, oder gar ein täppisch‐
tölpelhaftes stetes
Fehlerkorrigieren,
nicht die
unheilvollsten Folgen haben
müßte, selbst wenn sich diese Folgen
nicht im Augenblicke zeigen! ‒ ‒ ‒
Wie sollen in der
körperlichen Einung
sich
die Seelen einen können, wenn
stetig der Gedanke Störung schafft, daß
hier nur
körperlicher Trieb befriedigt
werden will, derweil dem anderen Teil
nichts recht an einem ist, ‒ es sei
denn eben dieser
Leib, der sich
miß‐
braucht fühlt, wird er nur
zum Spiel‐
ball der Begierde von dem Anderen
herabgewürdigt!? ‒ ‒ ‒
Kein Mensch ist ganz von allen Fehlern
frei, doch ist es nur
naturbedingt, daß
er sie dort, wo er
Geschlechtsverei‐
nung sucht, von seinem Gegenpole
übersehen wissen will! ‒
So mancher
Ehebruch ist nur begangen
worden, weil ein Mensch in seiner eige‐
nen
Ehe sich
um seiner Mängel wil‐
len so gering geachtet wußte, daß es
ihm wie „
Erlösung” schien, als er den
anderen Menschen
außer seiner Ehe
fand, der ihn ‒
trotz seiner Mängel ‒
schätzte, und ihn
in jener Art zu
sehen suchte,
wie er selbst gesehen
werden wollte...
Gewiß ist hier zu sagen, daß das Leben
einer
Ehe einen Menschen
anders zeigt,
als er sich
dort gibt, wo
kein rechter
Anlaß ist, der seine Fehler offenbaren
könnte!
Allein: ‒ gerade
so, wie er sich
ohne
seine Fehler gibt, will
jeder Mensch
von Anderen „
genommen” werden...
Da es nun in der
Ehe aber
unvermeid‐
bar bleibt, daß man sich auch
in seinen
Fehlern kennenlernt, so ist da nur zu
helfen, wenn man
gegenseitig sich
verpflichtet, daß man
mit aller Ab‐
sicht seine Fehler übersehen will.
‒ ‒ ‒
So nur wird man sich
vieles Leid er‐
sparen und sich gegenseitig wirklich
Glück ins Leben bringen!
Versteht ihr,
was es heißen will, ein
Glück der
Einheit als ein
Glück zu
Zweien in der innigsten Vereinung
aufzurichten, dann wird es euch gewiß
gelingen,
eure Ehe rein zu halten von
Verärgerung und Zwist!
Ihr werdet jeglicher Gefahr
begegnen
können, wenn ihr nur euch vereinigt
wißt im
Willen zur Einigkeit! ‒
Auch hier wird bloßer „
Wunsch” nur
wenig helfen können!
Es wird nur selten Menschen geben, die
nicht „
wünschen” würden, Einigkeit in
ihrer Ehe zu erhalten...
Wenn es nun
trotzdem so viel
Streit
und
Zank in manchen Ehen gibt, und
auch die scheinbar „guten” Ehen sich
noch
Überfluß an Leid durch manche
Trübung ehelichen Einvernehmens schaf‐
fen, so ist das
daran nur gelegen, daß
der
Wille mangelt! ‒ ‒ ‒
Meist ist man solchen Mangels
nicht
bewußt, da man den „Wunsch” schon
für den
Willen hält...
Wille zur Einigkeit lebt aber nicht, wie
jeder bloße „
Wunsch”, nur aus der
Hoffnung, daß
vielleicht gelingen
möge, was man wünscht!
Wille zur Einigkeit ist unverbrüchliche
Gewißheit, daß man Einigkeit erhal‐
ten
kann und Einigkeit erhalten
wird!
‒ ‒ ‒
Wille zur Einigkeit
kennt keine
Grenze des Vertrauens zu sich
selbst, und weiß sich
unbesiegbar
auch wenn ständig ihn
Gefahr um‐
droht! ‒ ‒ ‒
Von solchem
Willen aber, ‒ nicht von
„Wünschen” hängt es ab, ob eurer Ehe
stete
Einigkeit erhalten bleibt! ‒
So werdet ihr euch nun entschließen
müssen, diesen
Willen aus dem „Wun‐
sche” zu
erwecken und ihn stetig in
euch
wach zu halten! ‒ ‒ ‒
Seid ihr im wahren
Willen zur Einig‐
keit, dann wird
Zwietracht eure Ehe
nicht erreichen können!
Nichts wird euch
gleichen Wertes dün‐
ken, wie euer
Glück, das nur errichtet
werden kann, wenn Eintracht in der Ehe
unverletzlich bleibt! ‒ ‒ ‒
Dann aber wird die
Liebe erst in eurer
Ehe die
Erfüllung finden, die sie in
jeder Ehe finden sollte!
Dann ist die
Liebe eurer Ehe wahrlich
„
stärker als der Tod”, und
bleibt
bestehen,
wenn auch dieses Erd‐
balls Trümmer längst im Raum zu
Weltenstaub zermahlen wurden! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
* *
*
WO jemals hier auf Erden Glück
erstand, da mehrte es die Glückes‐
Möglichkeiten dieser Erde noch für
fernste Generationen!
Glück aber läßt sich in
gewissem Sinne
auch „
vererben”, und wie sich
erden‐
hafter Reichtum fortvererben läßt auf
Kind und Kindeskinder, so kann ein
Elternhaus sein
Glück: ‒
das Glück
der wahren Ehe, allem was aus ihm
hervorgeht,
hinterlassen...
‒ Von seinen frühesten Tagen an wird
es dem Kinde einer Ehe
fühlbar
werden, ob seiner Eltern Lebensbund
mit Glück gesegnet ist, wie es auch
fühlen muß, ob
Hader und
Zerwürf‐
nis beide Menschen trennt, die ihm sein
erdenhaftes Leben gaben. ‒ ‒
Wohl kommt es dem Kinde noch nicht
zu Bewußtsein, was es fühlt, und doch
ist es, ‒ noch
nicht imstande, sein
Empfinden sich
zu deuten, ‒
ge‐
zwungen,
jede Schwingung auf‐
zunehmen, die aus dem Blute
derer
kommt, die sich in ihm
auf Erden
irdisch weiterzeugten...
Man weiß sehr wohl, daß sich im Blute
Kraft wie
Krankheit fortvererben: ‒
Begabung und
Talent, wie stumpfes
Unvermögen, allein man ahnt zur Zeit
noch nicht,
daß Blut Aussender und
Empfänger feinster Strahlen ist, für
die das Instrument, das sie
bezeugen
könnte, noch nicht erfunden wurde, ‒
vielleicht auch nie erfunden werden
kann. ‒ ‒
So weiß man denn auch nicht,
daß
dieser Strahlen Schwingungsart
bestimmt wird durch das Eltern‐
paar, ‒ durch
Zeit und
Ort der väter‐
lichen
Zeugung, wie der mütterlichen
Schwangerschaft, ‒ und daß natur‐
gegebene
Verbindung zwischen Kind
und Eltern
bleibt, solange dieser Eltern
Erdenleben währt. ‒ ‒ ‒
Man weiß nicht, daß hier
steter
Schwingungsaustausch wirkt, durch
den der
Vater unbewußt des Kindes
Seele formt, die
Mutter aber
noch
weit stärker dieser Seele Formung
mitbestimmt vom ersten Tage an. ‒ ‒
Auch wenn das Kind
erwachsen ist,
bleibt dieser Schwingungsaustausch stets
bestehen, mag ihm dann auch des
Kindes
Eigenleben stärkere
Verdrän‐
gung schaffen, oder mag er nach wie
vor in
gleicher Weise
aufgenommen
werden. ‒
Nur dann ist eine Art der
Trennung
hier bewirkbar, wenn das Kind
bewußt,
durch eine neue intensive Einstellung
des Fühlens, sich einem
anderen Men‐
schen durch die Strahlungen des Blutes
zu verbinden sucht.
Dann wird der Austausch zwischen Kind
und Eltern zwar nicht völlig
auf‐
gehoben, jedoch
in seiner Wirkung
ausgelöscht.
Doch kann er jederzeit
erneut in Wir‐
kung treten, durch bloße
Willens-Ein‐
stellung. ‒
Von diesen Dingen wußten immer nur
sehr Wenige auf Erden, obwohl auch
Andere sie
erahnten, so daß man von
dem „
Band des Blutes” sprach, und
„
Blutsfreundschaft” besiegelt wähnte,
wenn zwei Menschen sich zusammen‐
fanden und symbolisch Tropfen ihres
Blutes mischten...
Soll ich hier aber geben, was zu geben
ist, so muß ich das Bestehen dieser
Strahlungen des Blutes vorerst zur
Erwähnung bringen, da auf ihnen jene
Möglichkeit beruht, das Kind vom ersten
Tage seines Daseins an
zur Glücks‐
gestaltung anzuregen, wie auch, der
Kindesseele Kräfte
umzukehren, so
daß sie dann in seinem ganzen Leben
triebhaft alles aufzusuchen streben, was
dem Kinde
Unheil bringen muß. ‒ ‒ ‒
Sobald das
Kind ins Dasein tritt, wird
einer Ehe
neue unerhörte
Pflicht er‐
wachsen,
durch Verantwortung für
neues Leben, dem man
Glück nur dann
„
vererben” kann, wenn man
sich
selber Glück zu schaffen wußte...
Während
irdischer Besitz dem über‐
lebenden Geschlechte aber
dann erst
„
Erbe” werden mag, wenn die Voran‐
gegangenen von dieser Erde
scheiden,
wird
Glück und
Unglück schon
vom
Mutterleibe her „
vererbt”. ‒ ‒
Und stets wird
dieses Erbe dann
ver‐
mehrt, und auch
vermindert werden
können, bis an der Eltern Lebensende
auf der Erde...
Ausschlaggebend aber bleibt, was
in
der Kinderzeit dem neuen Leben dar‐
geboten wurde!
Zwar kann das Kind auch später
gegen
dieses Erbe kämpfen, ‒ mag es
sein Glückeserbe
nicht zu schätzen
wissen, oder sich aus seinem Unheils‐
erbe
lösen wollen, ‒ allein, was ihm
die Eltern
in der Kinderzeit „vererb‐
ten”, wird
niemals gänzlich zu ver‐
nichten sein, ‒ ‒ wie mancher dank‐
bar anerkennen wird,
der sich sein
Glück zu schaffen wußte auf dem
Unterbau,
den ihm das Elternhaus
bereitet hatte, und was auch leider
mancher täglich neu bestätigt findet,
der
schwer zu kämpfen hat,
um sich
von seinem Unheilserbe zu be‐
freien. ‒ ‒ ‒
Ich muß jedoch ausdrücklich hier beto‐
nen, daß ich noch immer von dem „
Erbe”
rede, das
durch des Blutes Strahlung
jedem Kinde mitgegeben wird, und daß
es sich dabei
um weitaus Wichtigeres
und Bedeutenderes handelt,
als
alles darstellt,
was durch äußere Er‐
ziehung dargeboten werden kann!
‒ ‒ ‒
Wo eine
Ehe sich ihr
eigenes Glück
noch nicht zu schaffen wußte, dort ist
das Kind sehr in Gefahr, durch Strahlun‐
gen geformt zu werden in der Seele, die
aus dem Blute noch sehr
schwanken‐
der und
disharmonischer Erzeuger
kommen, so daß es dann ein „
Erbe”
mit durchs Leben schleppen muß,
das
ihm wahrhaftig nicht viel Segen
bringen kann...
Nicht unbekannt ist vielen Ehepaaren,
die arm an äußeren Gütern sind, die
Sorge, ob sie auch ein Kind
ernähren
könnten, ‒ und manches neue Leben
muß durch solche Sorge seiner Zeuger
schon im Mutterleib erfahren, daß es
unerwünscht ins Dasein treten wird.
Viel wichtiger jedoch als
diese Eltern‐
sorge, die ja doch dann meistens irgend‐
wie noch
zu beheben ist, muß stets
die Sorge bleiben um das
Glückeserbe,
das man seinem Kinde darzubieten hat.
‒ ‒ ‒
Doch ist auch
diese Sorge weitaus
leichter aus der Welt zu schaffen,
wenn man nur selbst sich zur Erkenntnis
durchzuringen weiß, daß man
ver‐
pflichtet ist, sein
Eheglück sich zu ge‐
stalten, wodurch man dann auch seinem
Kinde Glück „
vererben” kann. ‒ ‒
Wie aber Eheglück
zu schaffen ist, das
wurde hier in mannigfacher Weise
wahrlich schon genugsam dargelegt.
‒ ‒
Zwar weiß ich nur zu gut, daß dieses
Buch
nicht all'
die tausendfältigen
Gegebenheiten in Betrachtung zie‐
hen kann, die da
im Einzelfall von
denen, die es angeht, weise zu beachten
sind, ‒ doch sind hier
alle Einzelfälle
durchaus einbezogen, so daß sich jede
Ehe das, was ihren Sonderfall betrifft,
leicht aus des Buches Worten abzuleiten
wissen wird...
Ich aber weiß auch, daß es mir
unmög‐
lich bleibt, durch Worte der Belehrung
nun auf einmal
allen Ehen,
die bisher
ihr Glück versäumten,
ohne Zutun
der zunächst Beteiligten,
das große
Glück zu bringen. ‒
Bei
keiner menschlichen Beziehung hier
auf Erden
läßt sich von außenher so
wenig helfen,
Glück zu schaffen, als
bei der Ehe!
Hier finden
die nur Hilfe, die sich lehren
lassen wollen,
wie sie selbst sich hel‐
fen können! ‒ ‒ ‒
Ihnen nur ist dieses Buch gewidmet!
Wo wahres Eheglück
besteht, dort
wird das
Kind der Ehe aber nicht nur
jenes Glückeserbe mitbekommen, das
aus dem
Blut der Eltern auf das neue
Leben überstrahlt und
seinem Blute
Rat und Richtung gibt, sondern solches
Erbe wird auch
Zuwachs finden in dem
Außenleben eines Elternhauses. ‒
So wie das
Wort nur dann „
erzieht”,
wenn es durch
Beispiel die
Bestäti‐
gung empfängt, so wird, was
Gutes
aus dem
Blute überstrahlt,
verdoppelt
wirken, wenn das Elternhaus in dem ein
Kind heranwächst und in dem es selbst
als mitbeteiligt sich erlebt,
von Glück
und Frieden zeugt und ihm den Ein‐
druck in die Seele prägt,
daß eine an‐
dere Art zu leben,
als sie hier sich
auswirkt,
gar nicht möglich sei.
‒ ‒
Mag auch dann später arges Ungemach
in eines solchen Kindes Leben treten, so
wird es dennoch
über dem Geschehen
stehen, denn, was das Elternhaus ihm
mitgegeben hat,
bleibt starker Halt,
auch dann,
wenn alles Andere wankt!
Wer da aus eigener Erfahrung aus dem
Elternhause her noch weiß, wie reich die
Glückes-
Möglichkeiten dieses Erden‐
lebens sind,
der wird dem Leben nie‐
mals fluchen können, auch wenn, ‒
verschuldet, oder unverschuldet, ‒
bit‐
teres Leid durch Andere ihm wider‐
fahren mag! ‒
Er findet in sich selbst die Kraft zum
Neubeginn, und wird sich, ‒ selbst
aus Trümmern noch, ‒ sein
neues
Glück zu schaffen wissen! ‒ ‒ ‒
Alles Glückeserbe trägt ja dadurch in
sich selbst den hohen Wert, daß es den
„Erben”
lehrt,
sein eigenes Glück zu
schaffen! ‒ ‒
Es ist ein „
Erbe”,
das man nur ge‐
nießt,
indem man es benützt zu eige‐
nem Wirken! ‒ ‒ ‒
Vergeblich suchen
die nach
Glück, die
immerfort nach neuen Wegen Ausschau
halten, auf denen sie ihm wohl
begeg‐
nen könnten! ‒
Vergeblich wird man auch das Glück
erwarten, so als ob es eines Tages
kommen
müsse, weil man
ein Recht zu
haben glaubt auf Glück! ‒ ‒
Man hat kein „
Recht” auf Glück, ‒ wohl
aber hat ein jeder Mensch die
Pflicht,
sein Glück
zu schaffen, was schon das
Volkswort ahnt, wenn es von einem,
den es „glücklich” nennt, zu sagen weiß:
Er hat sein Glück „
gemacht”! ‒ ‒ ‒
Nirgends wird man wahres Glück
auf Erden finden, ‒
es sei denn,
daß es einer sich geschaffen hätte!
‒ ‒ ‒
Auch jenes Glückeserbe,
das dem Kinde
durch die Eltern werden kann, muß
erst
geschaffen werden
von den El‐
tern! ‒ ‒
Es wird erst dann dem Kinde
wirken‐
der Besitz, wenn sich das Kind, bereits
herangewachsen, nicht mehr nur an sei‐
nem Glückeserbe
freut, sondern er‐
kennt, daß ihm nun
Pflicht erwächst,
sein Erbe zu
gebrauchen, und auf ihm
sein eigenes Glück sich zu erbauen.
‒ ‒
Die aber werden es am besten bauen
lernen,
die schon im Elternhause mit‐
erlebten,
wie ein Glück sich aufer‐
bauen läßt...
Die werden nie die Kraft verlieren,
neues Glück zu schaffen, auf die in ihrer
Jugend einst die Kraft von Eltern über‐
strömte,
die da selbst das Glück zu
schaffen wußten! ‒ ‒ ‒
So wird das Glück der guten
Ehe noch
auf Kindeskinder überströmen, und
immer wieder
neue Glückesmöglichkeit
erzeugen!
Selig die Ehe, die auf solche Art zu
einem Schatzhaus wird, das seinen
Glückesreichtum
nie vermindert sieht,
wie überreich er sich auch in die Welt
ergießen mag!
‒ Und alles, was man sonst auf dieser
Erde finden kann, bleibt nur
ein klei‐
nes neben jenem
Glück, das in der
Ehe
aufgerichtet werden soll! ‒
Was hier auf Erden sonst noch als be‐
gehrenswert erscheint, ist selten in des
Menschen freie Macht gegeben.
Stets zeigt es sich bedingt durch
Außendinge: ‒
kann durch Andere
behindert und vernichtet werden!
Das wahre Glück der
Ehe aber ist im
inneren Leben nur zu gründen, und
ward es da auf festen Fundamenten
auf‐
erbaut, dann
kann nichts Äußeres
es jemals mehr zerstören, ‒ ja selbst
den
Erden-
Tod wird es zu
über‐
dauern wissen, wollen die es
sich er‐
halten sehen, die es sich einst schufen!
‒ ‒ ‒
So aber wird auch
eines Kindes
Glückeserbe aus der guten Ehe sei‐
ner Eltern tief verankert sein im
in‐
neren Leben, und keine Macht der Erde
wird dem Kinde je sein „Erbe”
rauben
können, das ihm
erhalten bleibt, selbst
in der
Ewigkeit! ‒ ‒ ‒
* *
*
ALLES Glücksverlangen, das hin‐
aufreicht über niederes irdisches
Begehren, ist nur
Sehnsucht nach Ver‐
einigung der Geister in dem Geistes‐
Urgrund, der sie ewig
zeugt, und ewig
sie
aus sich entläßt, um ewig wieder
sie in sich zurückzunehmen...
Noch aber ist der Menschengeist der
Erde
Irdischem verhaftet, das dort, wo
seine Sehnsucht
Einung will, nur
Tren‐
nung schafft. ‒ ‒
Freundschaft entsteht, und sucht die
Trennung
aufzuheben, ‒ aber siehe:
‒ Freund und Freund verbleiben den‐
noch
Einer nur und
Einer, die sich beide
nie im Innersten zu
Einheit ineinander‐
schmelzen können! ‒ ‒
Nur die
Ehe, die
das Männliche dem
Weiblichen vereint, schafft
wirklich
eine neue Einheit! ‒ ‒ ‒
Hier ist nun Mensch und Mensch zu
übererdenhaftem
Ganzen neu ver‐
schmolzen, so wie einst beide
vor dem
„Fall” in irdische Erscheinungswelt ver‐
einigt waren! ‒ ‒ ‒
Mag das auch den Vereinten
nur in sel‐
tenen hohen Fällen zu Bewußtsein
kommen, so ändert dies nicht, daß die
Einung nun erneut
im gleichen Ur‐
grund allen Seins Ereignis wurde,
in dem sie einstmals
urgegebenes Er‐
eignis war. ‒ ‒ ‒
Das
Allerwenigste von dem, was
wirklich ist, wird Menschen je „
be‐
wußt”, und was im
Un-
Bewußten,
Un-
Gewußten bleibt, ist dennoch
für
den Menschen mehr bestimmend,
als alles was ihm
zu Bewußtsein
kommt. ‒ ‒ ‒
Sobald auf dieser Erde
Mann und
Weib sich gegenseitig angeloben, ‒
im festen Willen,
ihr Gelöbnis immer‐
dar bis an das Ende ihres Erden‐
daseins aufrecht zu erhalten, ‒ er‐
steht im wesenhaften Geiste eine neue
Einheit: der
Form nach völlig
jener
Einheit gleich, in der einst
jeder dieser
beiden, auf der Erde nun geeinten Men‐
schengeister,
im Geistigen mit seinem
urgegebenen Gegenpol vereinigt
war.
Für diese Erdenzeit ist stets
der leib‐
lich sichtbare, dem anderen Teile
ehe‐
lich verbundene Gegenpol,
allein in
Wirksamkeit,
ganz einerlei,
ob es
sich, ‒ wie in äußerst seltenen Fällen,
‒
wirklich um zwei Pole handelt,
die dermaleinst vereint gewesen
waren und in der Zeiten Fülle wie‐
der sich für alle Ewigkeit vereinen
werden, oder um zwei
urgegeben
„
fremde” Pole! ‒ ‒ ‒
Jeder Eheteil hat darum
nur in dem ihm
hier auf Erden angelobten anderen
Eheteile seinen ihm vereinten Ge‐
genpol zu sehen,
da während die‐
ser Erdenzeit kein anderer sich ihm
einen kann...
Nur mit ihm hat er die
Geistes-
Ein‐
heit aufgerichtet, von der allhier die
Rede ist, und
niemals weiß hier auch
der Weiseste mit aller Sicherheit,
ob dieser,
für die Erdenlebenszeit
vereinte Gegenpol ihm nicht auch
ewig als sein urgegebener Er-
gän‐
zungsteil verbunden bleiben wird.
‒ ‒ ‒
Nur ganz bestimmte geistige Erfah‐
rungsfähigkeit kann da zuweilen, ‒
wenn auch nicht ganz leicht, ‒
den
Schleier lüften...
Um aber keiner Frage Raum zu lassen,
muß ich hier erwähnen, daß
auch dort,
wo sicherste Gewähr besteht,
daß
zwei im Urzustand einst in Verei‐
nung geistgezeugte Gegenpole sich
als
Erden-Menschen hier begegnet sind,
‒ die
neue Einheitsform von der ich
rede,
nur dann zu schaffen ist,
wenn
diese beiden Erdenmenschen sich in
einer wahren Ehe hier für dieses
Erdenleben einen. ‒ ‒ ‒
Es ist diese „
Einheitsform” eine gei‐
stige Gestaltung, die gleichsam
latent,
im Geiste stets
als Möglichkeit gege‐
ben ist, doch aber nur, wenn
Ehe‐
wille sie erneut „
erregt”, zur
Seins‐
wirkung gelangt, wonach sie dann
bestehen bleibt, solange dieser Ehe‐
Wille sich erhält. ‒ ‒
Erlischt er durch den
Tod des Erden‐
körpers eines beider Eheteile, oder
durch die
Lösung einer Ehe, so tritt
auch diese Einheitsform nun
in Latenz
zurück, um stetig wieder
neu zur
Seinswirkung zu kommen, wo
immer neuer,
anderer Ehe-
Wille sie
„erregt”. ‒ ‒ ‒
Man wähne nicht,
im Ewigen sei
solches Werden und Vergehen,
Ver‐
sinken und dann wieder
Auferstehen
bestimmter Formen doch „
unmöglich”,
da
Ewiges doch keinen „
Anfang” und
kein „
Ende” dulde! ‒
Hier tat der menschliche
Verstand dem
Menschen wahrlich
schlechten Dienst,
wenn er ihn zu verleiten wußte, sich nach
seinen,
nur im Irdischen begründeten
Gesetzen, ein
Bild des Ewigen zu
konstruieren!...
Da
hier auf dieser Erde, wie im gan‐
zen sichtbarlichen Kosmos, alles, was da
„
Anfang” nimmt, auch „
Ende” finden
wird, ‒ da
hier, was sich aus „Ele‐
menten” einst
zusammenfügte, auch
unerbittlich wieder
auseinanderfallen
muß, ‒ so glaubt der
irdische Verstand
sich sehr berechtigt zu dem billigen
Schluß: ‒ daß
Ewiges dann nur
im
Gegensatz zum Irdischen bestehen
könne, ‒ ‒
falls es überhaupt bestehe.
Und die in solcher Weise klügelnd kal‐
kulieren, ‒ ihrer „Weisheit” froh, die
sie in unerschütterbaren „
Denkge‐
setzen” felsenfest gegründet wähnen,
‒ ahnen nicht,
daß sie mit einem
Maße messen, das im Ewigen
nicht
existiert, da nur
der wesenlose
Schein gewisser Denkvorgänge ihm
den Schein des Daseins schenkt.
‒ ‒ ‒
Mag es für irdisch-menschliche Gehirne
aber auch als völlig „
unbegreifbar”
gelten, so bleibt doch
Ewigkeit, ‒ und
„Ewigkeit” ist nur
das Sein des we‐
senhaften Geistes ‒ anfang- und
endlos immerdar nur Sein
als stets
bewegtes Leben, von dem das
„Leben” dieser Erdenwelt, wie alles
physisch-kosmische Geschehen, nur
fer‐
ner,
letzter Abglanz ist,
getrübt
durch der „
Materie” rauhen, dunklen
Spiegel. ‒ ‒ ‒
In wesenhafter
Ewigkeit, ‒ im reinen
Geiste, ‒ ist die
Ehe zweier Erden‐
menschen nur allein
begründet! ‒ ‒ ‒
Wäre diese letztliche Begründung
nicht
gegeben, dann wäre füglich nicht von
„
Ehe” mehr zu reden, sondern nur von
der Verbindung der Geschlechter:
aus
eigenem Wohlgefallen aneinander,
und, um dieser Erdenmenschheit
Nach‐
wuchs zu erzeugen...
Dann bliebe freilich alles Miteinander‐
leben der Geschlechter auch am besten
freier Willkür überlassen, ‒ nur dort
etwa noch eingedämmt, wo Dämme auf‐
zuwerfen wären um der
Gesamtheit
Wohl nicht zu gefährden. ‒
Nun aber
ist es Erdenmenschen
mög‐
lich, in männlich weiblicher Verschmel‐
zung einen
Tempel aufzurichten, der
bis ins Innerste der Gottheit ragt!
‒ ‒ ‒
„
Mann und Weib und Weib und
Mann,
reichen an die Gottheit an”
‒ singt Weisheit wie aus Kindermund
in einem Texte, den ein naiver „Wissen‐
der” dem größten Künstlergenius seiner
Zeit zur Tongestaltung bot. ‒ ‒ ‒
Im
reinen Geiste wird die
Ehe zweier
Erdenmenschen
geistiges Geschehen!
Auf
solche Art, und
nicht etwa durch
Priesterwort, noch weniger gar durch die
Anerkennung staatlicher Behörden, die
allein der Ordnung
irdischen Geschehens
dient, empfängt die
Ehe ihre hohe
Weihe in der
Ewigkeit! ‒ ‒ ‒
Dunkles Ahnen dieses
wirklichen Ver‐
bundenwerdens in der Ewigkeit, spricht
Volksweisheit im Sprichwort aus, wenn
sie zu sagen weiß, daß „Ehen
im Him‐
mel geschlossen” würden...
Und selbst die machtbewußte
Kirche
Roms hat längst entschieden, daß
das
Versprechen zwischen Mann und
Weib,
einander bis zum Tode in der
Ehe zu gehören,
an sich bereits die
Ehe schließt, und daß der Weiheakt
des Priesters nur die so
geschlossene
Ehe
segnen könne, ‒ ‒ auch wenn
man es geflissentlich vermeidet, diese,
nach dem Dogma
durch den „
heiligen
Geist”
gegebene, Konzilsentscheidung
allem Volk bekanntzugeben. ‒ ‒
Noch wirkt die alte Weisheit Wissender
auch dort sich aus, wo man
den
Schlüssel längst
verloren hat, der
heutigen und kommenden Geschlechtern
uralt hehre Tabernakel öffnen
könnte...
Doch auch im innersten
Gefühl des
Menschen,
der die Ehe kennt,
wie
sie Gestaltung hier auf Erden finden
soll, wird leise zu ertasten sein, daß
ein
Mysterium in der wahren
Ehe sich
erfüllt, ‒ ‒ auch wenn man nicht die
letzte
Wirklichkeit erschaut, die strah‐
lend über jeder wahren Ehe auf zum
Himmel ragt. ‒ ‒ ‒
Diese
Wirklichkeit jedoch wird jedes
Ehepaar allmählich mehr und mehr
er‐
fühlen lernen müssen, wenn es er‐
kennen will, daß es
im Ewigen ver‐
bunden ist. ‒ ‒ ‒
Im
Irdischen herrscht Auswirkung des
kosmischen, unbeugsamen
Gesetzes,
und
Liebe kann hier nur
begrenzt ins
Dasein wirken. ‒
Was man auf Erden „
Liebe” nennt, ist
nur ein schwacher Wiederschein
der
Liebe, die
des Geistes Ewigkeit im
Sein durchflutet: ‒ der
Liebe, die
in
Gott und
Gottes Leben ist, ‒ die alles
was das kosmische
Gesetz erstrebt und
nie erreichen kann, erst zur
Erfüllung
bringt! ‒ ‒ ‒
Ihr
wirkungsvollster Wiederschein
auf Erden wird
Erlebnis in der wahren
Ehe!
Ihn zu
erleben und erlebend zu
emp‐
finden, ist der Ehe höchstes,
ihr allein
nur vorbehaltenes
Glück! ‒ ‒ ‒
Wo immer dieser reinste Wiederschein
der
Liebe, die da
Gottes Leben ist, in
Einheit geistigkörperlicher Ineinander‐
schmelzung zum
Erlebnis wird, dort
hat
das Reich des wesenhaften Gei‐
stes sich dem Irdischen verbunden,
‒ und ‒ wie einst
alle Menschen‐
geister sich in
Liebe einen werden in
der
Ewigkeit, so wurden
Mann und
Weib,
die solches heiligste Erleben
kennen,
hier auf Erden schon ge‐
eint. ‒ ‒ ‒
Wo aber diese
Geistereinigung ein‐
mal
besteht, dort wird sie auch
nicht
aufgehoben, wenn in der
Ewigkeit
dereinst sich
jene urgegebenen Pole
wiederfinden, die
hier getrennt und
meist
nicht umeinander wissend, im
Menschentieresleibe über diese Erde
schreiten. ‒ ‒ ‒
Im Geistigen
durchdringt das Ein‐
zelne sich gegenseitig, und so auch
lebt der Geistesmensch, der in Vereini‐
gung mit seinem Gegenpol den urgege‐
benen Zustand seines
Seins zurück‐
errungen hat,
in gegenseitiger Durch‐
dringung aller anderen erneut Ge‐
einten. ‒ ‒ ‒
Es ist nicht etwa so, daß eine
Ehe, die
sich hier auf Erden in der höchsten
Glücksvollendung fand, obwohl die
beiden Eheteile
keineswegs etwa
auch urgegebene Einheitspole wa‐
ren, nun in der
Geisteswelt durch un‐
gewollte
Trennung leiden könnte!
Nur, was getrennt sein
will, ist dort ge‐
trennt, und schon der Wille
eines Teils
genügt, um solche Trennung zu bewir‐
ken, bis einst
beide Teile auf der glei‐
chen
höchsten Stufe stehen, auf der es
keinen Trennungs-
Willen gibt...
Auf jenen
niederen Stufen geistig‐
wachen Seins jedoch, die nach dem „Tode”
dieses Erdenkörpers erst durchschritten
werden müssen, herrscht in gleicher
Weise
Trennungs-, wie
Vereinungs‐
wille. ‒
Wenn aber
Trennungswille wirksam
ist,
durchdringt das Einzelne einander
ohne gegenseitig seiner Gegenwart
bewußt zu sein, wogegen der
Ver‐
einungswille gegenseitiges
Erleben
im
Durchdringen schafft, das
über jede
erdenhafte Vorstellung erhaben ist,
und sich in Worten niemals schildern
lassen würde. ‒ ‒ ‒
Schwacher Abglanz solchen geistigen
Erlebens mag sich noch
erahnen lassen
in der Vorstellung, als könne man hier
auf der Erde seinen Erdenleib verlassen,
um in dem geliebten Menschen, ‒
mehr
noch als ihm selbst je zu Bewußt‐
sein käme, ‒
jegliche körperliche,
jede Seelenregung intensiv und
klarbewußt mitzuempfinden...
Höchstes Sehnen aller wahrhaft
Liebenden auf dieser Erde
findet so
im Geistes-
Sein Erfüllung! ‒ ‒ ‒
Es ist die wahre
Ehe wahrlich
niemals
lösbar, und auch
in aller Ewigkeit
wird sie
bestehen bleiben!
Jedoch ist sie auch keineswegs in einem
Menschenleben auf der Erde
einmal
nur erlebbar!
Wo „Tod” die irdische Verbindung schei‐
det, dort kann der Überlebende sehr
wohl auch eine
neue Ehe schließen, und
somit
eine neue Einigung im Geiste
schaffen, die der ersten keinen Abbruch
anzutun vermag. ‒ ‒
Die geistige Durchdringung derer, die
in
Liebe ewiglich verbunden bleiben,
kennt keine „
Eifersucht”, da
nichts im
Geiste ist, das sie
begründen könnte,
‒ wie denn alle Eifersucht der Lieben‐
den auf Erden
letzten Endes aus der
Seele banger Sorge kommt, erstrebte
Einung könne in
Gefahr geraten,
nicht
bewirkt zu werden...
Im Geiste aber
ist die Einigung
bewirkt
und
nichts kann sie gefährden!
In gegenseitiger Durchdringung ist
im Geiste
alles in
Ver-
Einung, was
sich nur jemals auf der Erde hier in wah‐
rer
Liebe fand! ‒ ‒ ‒
Was aber einmal in der
Ehe hier auf
Erden schon zur
Einung kam, das kann
durch Erdentod zwar
körperlich ge‐
schieden werden, doch ist es
niemals
mehr
im Geistesreich zu trennen!
‒ ‒ ‒
Dort
mehrt es nur den
Einungswillen,
der einst
aller Erdenmenschheit
Geist‐
vereinung schaffen soll, und
der in
jeder neuen wahren Ehe Mann und
Weib bereits zu solcher Einung
führt. ‒ ‒ ‒
So schafft die wahre
Ehe wahrlich
ewige Verbundenheit, ‒ und nicht
nur
zwischen beiden Menschenpo‐
len,
die sie geistig eint, sondern, in
anderer Weise, dann auch
zwischen
ihnen und den schon im wesenhaf‐
ten Geist Geeinten in der Ewigkeit!
‒ ‒ ‒
Wohl denen,
die hier fassen,
was
da zu erfassen ist!
Wohl denen, die es
in der Ehe zu er‐
leben wissen!
An allen Orten dieser Erde sollten „
Tem‐
pel der Ehe” sich erheben, ‒ Weihe‐
stätten, deren Priesteramt nur Menschen
führen dürften,
die um die Möglich‐
keit der Geisteseinung in der Ehe
wissen, und
gewillt sind,
sie mit
allen Kräften zu erstreben!
Hier sollten alle Dinge
würdige Bera‐
tung dann erfahren, die irgendwie ge‐
eignet scheinen, um in dieser Welt:
der
Ehe hehrer Heiligkeit zu dienen!
Von hier aus sollte man versuchen, allen
Ehen auch die
äußeren Bedingungen
zu schaffen, unter denen sie
gedeihen
könnten!
Von solchen hohen Weihestätten sollte
alle Sorge um die Jugend ihren Aus‐
gang nehmen!
Hier sollten
alle Liebenden die sich
zur Ehe einen wollen,
gütigen Er‐
fahrungsrat empfangen!
Hier sollte
allen denen Hilfe darge‐
boten werden,
die ihrer Ehe Glück
nicht schaffen konnten und sich vor
der
Lösung ihrer Ehe sehen!
Wahrhaftig, ‒ hier wäre
Großes
noch zu tun, und
aller Menschheit
würde
Segen über Segen kommen
aus dem Wirken derer, die
als wahre
Sorger um die Seelen, ‒
frei von
jeder Sucht nach Seelenfang für eine
Glaubensmeinung, ‒ hier zu helfen
suchen wollten,
daß die Ehe werde,
was sie hier auf Erden sein kann,
weiß man von ihrer geistigen Be‐
gründung vor dem Angesicht der
Ewigkeit!!
Noch hat die Erdenmenschheit aber
nicht
erkannt,
daß alles Heil ihr aus der
Ehe werden könnte...
Noch sucht man nur „
Verbesserung”
zu schaffen da und dort mit redlichstem
Bemühen, und niemand scheint zu sehen,
daß der Menschheit nur zu helfen
wäre,
würde diese Hilfe aus der
wahren Ehe sich von selbst erge‐
ben! ‒ ‒ ‒
Niemand scheint zu wissen, daß
die
menschliche Vereinung die das Leben
zeugt, natur- und geistgewollter
Aus‐
gangspunkt für seine rechte
Führung,
seine rechte
Lenkung ist! ‒ ‒ ‒
Wenn
Übel in der Menschheit zu be‐
kämpfen sind, ‒ und wer vermöchte
das zu leugnen? ‒ ‒ dann sind
die
Wurzeln dieser Übel dort zu suchen,
wo man nicht um die hehre Heilig‐
keit der Ehe weiß, ‒ oder
wo geile
Gier in Wort und Bild und Tat sie
schänden darf, ‒ oft noch des Beifalls
Solcher sicher, die ihre
eigene Ehe
rein zu halten wissen! ‒ ‒ ‒
Hier muß
Wandlung werden, soll die
Menschheit nicht in
Lüsternheit und
seichtem Wohlbehagen an der steten,
nur zu gern gesuchten
Überreizung im
Geschlechtlichen zugrunde gehen! ‒
Vor allem aber wird das
neue Leben, ‒
wird die
Jugend,
selbst sich schützen
müssen vor Verfall, und das kann
nur geschehen, wenn sie selbst
die Ehr‐
furcht vor der Heiligkeit der Ehe in
den Herzen zu erwecken sucht!
‒ ‒ ‒
Nur einer Generation
die um die Hei‐
ligkeit der Ehe weiß und so
in tief‐
ster Ehrfurcht vor dem hocherha‐
bensten Mysterium des Menschen
steht, kann
jene Menschheitszukunft
werden, die, von den Besten aller Völker
längst herbeigesehnt, gewiß
erreichbar
ist, ‒ jedoch
nur dann, wenn man sie
selber ‒ ‒
schafft! ‒ ‒ ‒
Der Wille nur, ‒
niemals der Wunsch!
‒ ‒ kann hier das hohe Wunder
wir‐
ken!! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Dann wird so manche „Frage”
lösbar
werden, die heute noch
unlösbar
scheint, ‒ und
großes Leid wird
aus der Erdenwelt verschwinden!
‒ ‒ ‒
Noch sind wir leider
allzuweit von
dieser
neuen Zeit die jedem Men‐
schen seines Menschtums heilig‐
hohe Würde zu Bewußtsein brin‐
gen wird! ‒
Und doch wird diese Zeit dereinst
erscheinen, ‒ wenn jeder Mensch der
hier
zur Einsicht kommt, in sich die
Pflicht empfindet, alles was an
seinen
Kräften liegt
daranzugeben, um so
bald als möglich
sie herbeizuführen!
Keiner glaube etwa, daß an
seinen
Kräften
allzuwenig nur gelegen sei!
Hier wird Jeder zum Verstärker
eines
Willens, der schon in der Welt
vorhan‐
den ist, und dieser so geeinte
Wille
wird sich seine Wege
schaffen, um den
Willen
Aller zu erreichen! ‒ ‒ ‒
Heilig wird dann
allen heißen: ‒
der
Geschlechter Inbrunst,
sich zu
einen! ‒ ‒ ‒
Heilig: ‒
das Mysterium des Zeu‐
gens und Gebärens! ‒ ‒ ‒
Heilig, ‒
dreimal heilig: ‒
die Ver‐
einung die das Weib dem Manne
eint,
zu engverschmolzener Ge‐
meinsamkeit für Zeit und Ewigkeit!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
* *
*
ENDE
EWIGE WIRKLICHKEIT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASLE 1934
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
Die mich „
verstehen” wollen,
Werden schwerlich jemals
Meine Worte fassen,
Denn was ich gebe,
Will
Erlebnis werden, ‒
Nicht verlierbares Verstandesgut!
Worte, die in dem, der sie empfängt,
Nicht in die Tiefe sinken
Und im Allertiefsten
Seine Seele
wandeln können,
Mögen dienstbar sein
Dem irdisch hirnbedingten
Denken,
Auch wenn sie dem, der sie empfängt,
Kein geistiges Erleben schenken.
Meine Worte aber werden dem, der sie
Empfängt, erst dann verstandeseigen,
Wenn sie
Wandlung wirkten
In der Seele allertiefsten Tiefen:
Dort, wo geistlebendige Gebete
Nach
Erlösung aus den Fesseln
Hirnbedingten Denkens riefen.
*
Offen liegt vor aller Augen,
Was ich gab und gebe:
Sichtbar, bin ich selber Weg
Zu Dem, in dem ich geistgeboren lebe.
Unsichtbare aber
Spielen manchem in die Hände:
Was ich niederschrieb
Auf daß es Finder fände.
Gewahren des Erprüften Sinne
Solche Zeichen,
So wird er wachend auch dereinst
Den Weg erreichen.
Doch, bleibt er störrisch
Von sich selbst benommen,
So war, was zu ihm kam:
Zu früh gekommen!
*
Den
Weg erreichen, den ich zeige,
Heißt das
Ziel erkennen,
Das alle Erdenziele hochhin überragt,
Die wunschbeschwerte Träume
Schon „erhaben” nennen.
Hat einer erst den Weg gefunden,
Findet er auch dieses Weges hohes Ziel.
Schon nach den ersten Schritten auf dem
.Wege
Fühlt er sich gesunden,
Und nicht mehr eingezwungen hörig
Wesenlosem Spiel.
Doch: nicht im Wettlauf wird der Weg
.durchmessen,
Und keiner kann hier Mitbewerber über‐
.rennen!
Hier muß der Wanderer
Erst allen Geltungsdrang vergessen,
Nicht eher hört er sich im Ziel bei Namen
.nennen.
*
Ich kann nur geben,
Was der Vater gibt.
Ich kann nur lieben,
Was der Vater liebt.
Ich kann nur künden,
Was der Vater kündet,
Dem ich, in allen Sünden,
Sohn bin: ‒ Eingebündet
Seinem ewig einen Leben,
Das er aus Ewigem
Auch Irdischem gegeben:
Um hier Versunkenes
Zu finden
Und erneut emporzuheben.
Ich bin nicht selbstgezeugt
Im Geiste,
Aus dem „Urwort”,
Wie der Vater,
Der als seine Selbstgestaltung
Stets im Geist verbleibt.
Ich bin, ‒
Ein Wort der Ewigkeit, ‒
Im „Wort” gezeugt,
Urewig.
Und zu urbestimmter Zeit
Ward, zeitbedingt,
Dem Erdenmenschen
Ich ‒ der Urgezeugte ‒
Einverleibt.
*
Mein ganzes Erdenleben war
Von früher Kindheit an ein stetes Geben.
Wie die Nager auf den Feldern
Immerfort in ihre Löcher bergen,
Was die Gier erreicht,
Wie die Emsen, gribbelnd,
Alles, was sie schleppen können
In die Nester tragen,
Wie die Bienen triebhaft
Honig sammeln,
Füllend ihre Waben,
So war ich, seit ich weiß um erstes
.Denken
Und aus Irdischem Erinnerung verwahre,
Aus innerlichem Drängen immerfort ge‐
.trieben:
Das, was mein Eigen hieß,
Erst als Geschenk für Andere zu lieben.
Noch niemals habe ich Besitz besessen,
Den ich nicht, leichten Herzens, gern ver‐
.gessen,
Wenn ich, voll Selbstbeglückung, ihn ver‐
.schenken konnte,
Wo es Pflicht mir nicht verbot.
Doch nicht nur
Was man mit Händen greift,
Bot solcher Gebedrang
Allezeit Anderen dar.
Auch was mir
geistig zugehört
Und zugehörte, lang vor meinen Erdenjahren,
Ist mir im Irdischen zum ersten darum wert,
Weil es sich weiterschenken läßt,
An Alle, die es nicht durch eigenes Erfahren,
Im geistgezeugten Licht
Als Eigentum gewahren.
Höchsten Wertes
Ward ich solcherart
Mir selbst im Unsichtbaren,
Wie ich im ewiglichen Geiste
Mir geboren bin,
Weil hier ich selber
Mich verschenken kann
An Tausende und immer wieder Tausende,
Ohne doch jemals mich zu verlieren,
Ohne doch jemals mir zu mangeln,
Wenn ich immer wieder Anderen
Mich selber schenken will.
*
Was ich im Ewigen
Jemals erfahren,
War mir vertraut schon
In kindlichen Jahren.
Und schien ich mir später
Im Trüben verloren,
So ward ich doch immer
Mir neu geboren.
Was mir im Äußeren
Mochte begegnen,
Konnte ich stets
Aus dem Innersten segnen.
Doch sah ich auch frühe schon
Mein Erfahren
Nur in der
Stille
Bewahrt vor Gefahren.
So blieb ich in Gott...
Und in Gott verloren,
Fand ich mich selber
In Gott geboren.
*
Im Geiste
Geistig aus dem Geist gezeugt,
Im Irdischen
Allerdenhafter Last gebeugt
Und dennoch erdenhafter Freude
Dankbar zugeneigt, ‒
Ist mir mein Zeitliches
Kein „Hier”,
Mein Ewiges
Kein „Dort”:
Wo immer ich mich finde,
Bin ich in mir selbst,
Und selbst an gleichem Ort.
Ich könnte niemals trennen,
Was in mir Vereinung fand:
Den Menschen dieser Erde
Von dem Geistgezeugten,
Dem der reine Wille
Des nun irdisch Einverleibten
Sich vor aller Erdenzeit
Im Geist verband.
*
Die mir als Irdische im Geiste Brüder sind,
Verehren aller Kulte heilighohe Götter,
Und
keinem frommen Glauben nahen sie als
.Spötter!
Sie wissen, daß sich Gott
Nur in Verhüllung zeigt
Und denen, die ihn hüllenlos
Erkennen wollen, ewig schweigt.
So sehen sie in Brahma, Vischnu, Schiva,
Und dem Gott vom Sinai, ‒
Mag er den einen: Jahwe, anderen: Allah
.heißen, ‒
In Samtscheh Mitschebat:
Dem „Ewigen Allmächtigen” der Stämme
.Tibets,
Und Bô-Chan, oder Fô:
Dem Himmelsbuddha
Der Mongolen und Chinesen,
Nur den gleichen, ewig einen Gott,
Der aller Götter Gottheit ist
In mannigfaltiger Gestaltungsweise.
Nur dem wird er in jeder Hülle sichtbar,
Den er selbst sich sehen lehrte,
Nur dem erkennbar, der es nicht begehrte,
Ihn anders, als in
jener Hülle zu erkennen,
In deren Namen er einst Mutterwort
Ihn hörte nennen.
Wer reinen Herzens in sich selbst
Den Gott der Kindheit ehrt, ‒
Dem Gott sich weihend in sich selbst, ‒
Und allen trennenden Gedanken wehrt,
Den lehrt sein Gott zuletzt sich selbst er‐
.kennen,
Und ihn im ewig einen Gottes-Namen
.nennen!
Doch, der nur wird das lichte Offenbaren
Des Einen, Ewigen in sich erfahren,
Der sich in
Ehrfurcht allen Göttern beugt,
In denen sich der Eine, Ewige bezeugt.
*
Wenn ich von Dingen
Die ich denen zu bekennen schuldig bin,
Die ich belehre,
Zuweilen auch in altbekannten Worten
.spreche
Die ich hoch verehre:
In Worten, die bei vielen Gläubigen
In alter Geltung stehen,
Und die in fester Prägung
Durch die Christenlande gehen,
So ist mir solcher Wortgebrauch geboten,
Durch ihn die Wahrheitstiefe altgeglaubter
Glaubenswerter Lehren auszuloten,
Die seichter Schätzung flach versandet
.scheinen,
Obwohl sie urtief gründen
In dem ewig Einen,
In dem ich selber gründe
Und aus dem ich lebe,
Wie ich aus ihm allein nur
Lichtgezeugte Lehre gebe.
Wie diese Lehre aber
Jeden religiösen Glauben
In sich selber duldet,
Weil sie ihr eigenhaftes Lehrgut
Keiner denkbedingten Meinung schuldet,
So ließe das, was sagbar werden kann,
Sich wahrlich auch in Worten sagen,
Die nie noch einer Glaubenslehre
Starre Last getragen.
Doch würde das gewiß nicht
Neuem Irrtum wehren
Und müßte nur die endliche Erlangung
Des Erlangbaren erschweren.
Denn: was ich zu erlangen lehre,
Alle, die im Innersten
Schon danach streben,
Ist weder Glaube, noch Verstandesmeinung,
Sondern urgezeugtes Licht
Und aller Todgefahr entrücktes,
Freudeklares ‒ Leben!
*
Der Vater liebt mich,
Wie ich selber mich
Im Vater liebe.
Hier liebt sich Liebe
In sich selber,
Unvergleichbar
Körperhaftem Triebe,
Sind auch urverbunden
Trieb und Liebe.
So liebe ich den Vater,
Wie er selbst
In mir sich liebt,
Dem er seit Ewigkeiten
Leben aus sich selber gibt.
Doch
meine Liebe
Lebt nur durch das Leben,
Aus dem der Vater
Sich den Sohn gegeben.
*
Manches Wort muß ich euch sagen,
Mag es euch auch schwer erfaßbar sein,
Denn in diesen meinen Erdentagen
Ward
nur mir in dieser Welt
allein
Solcher Kunde Kündung aufgetragen,
Und ich würde nicht ihr Künder sein,
Wollte ich erst Erdenhörige befragen,
Was ihr Wähnen willens ist, zu tragen.
Will ich auf Erden meine Pflicht erfüllen,
Dann darf ich erdbedingtes Werden
Nicht vor euch verhüllen.
Nur wenn ich zu mir selbst
Und meiner Art im Geiste
Euch in mir erhebe,
Kann ich der Weg euch sein
Zu
jenem Leben,
Das uns Irdischen nur
Er verwahrt,
Dem ich auf dieser Erde
Geistverschmolzen lebe.
*
Alles „Leben” lebt nur aus der Gnade,
Und nur die Gnade
Führt aus Erdentierheits-Nacht
Zu jenem einen engen, steilen Pfade
Auf dem sie alle
In das Licht geleitet,
Die sie ‒ es in sich zu ertragen ‒
Geistig vorbereitet.
Gnade ist keine Willkürspende,
Wie enger, allzuerdendumpfer Glaube
Hier zu deuten sich vermißt!
Gnade ist: ‒
Gott, ‒
Und Gott ist selbst: „die Gnade”,
So, wie Gott selbst: „
die Liebe” ist.
Nicht etwa nur als irdische
Vergleiche
Wollen solche Worte
Hier verstanden sein,
Denn
keine Seele dieser Sinnenreiche
Geht ohne Gott: ‒ „
Die Gnade” ‒
Hier in Gott: ‒ „
Die Liebe” ‒ ein!
*
Ich finde in mir vielerlei Gestaltung,
Jedoch in jeder bleibe jederzeit ich Dem
.geeint,
Den man allein in würdestrenger Waltung
Und in unnahbar großer Herrschergeste
Zu erkennen meint.
Mir ist die fromme Inbrunst eingeboren,
Wie der lose, heiterfrohe Spott:
Ich liebte jederzeit
Auch noch in seinem Teufel Gott,
War ich auch wahrlich
Niemals Teuflischem verschworen.
Ich wäre nicht, der ich seit Ewigkeiten bin,
Könnte verengen ich mir Blick und Sinn,
Für das, was Gott dem Erdenmenschen zu‐
.gedacht,
Damit er irdisch lachen lerne,
Wie sein Schöpfer, schöpferisch erschüttert,
Noch im tiefsten Ernst der Ewigkeiten,
Über alles ewig Lächerliche
Aus urgründig tiefer Weisheit ‒ lacht!
*
Die armen bang Betörten, die sich „ihren” Gott
Nur als den ewig ernsten Rächer ihrer Sünden
Und den behaglichen Bestrafer ihrer Misse‐
.taten
Vorzustellen pflegen,
Werden sicherlich, ‒ ich rede ohne Spott, ‒
So manche wohlbegründete Bedenken hegen,
Hören sie von einem Gott, der
lachen kann: ‒
Der selber sich das Lachen lehrte,
Und seit Ewigkeiten durch sein Lachen
Allem ewig Lächerlichen wehrte,
Das jederzeit der
Menschen Götter zu ertöten
.pflegt,
Weil allzuwürdereicher Hag
Die erdgeschaffenen umhegt.
Ich kann den unwirsch aufgeregten Dienern
Eines ihnen gleichen Gottes nur verkünden:
Daß der Urewige ‒ weiß Gott! ‒
Zu
lachen weiß,
Doch wahrlich
nicht vermag,
Zum „Zorn” sich zu entzünden,
An seiner armen Erdenmenschen
Armen Alltags-Sünden!
*
Es sprach einst einer, den die Welt
Der Gläubigen, die seinen Namen ehren,
Gut zu kennen glaubt,
Daß er gewiß nicht
In die Erdennacht gekommen sei,
Die Selbstgerechten von sich selber zu er‐
.lösen,
Sondern Befreiung bringen wolle
Für die „Sünder”.
Sein Wort hat heute lang schon
Alle Welt vernommen,
Doch alle Welt blieb fern dem,
Was der mir vereinte Künder
Durch seine Kündung alle fassen lehren
.wollte,
Damit es allen bangen Sündenängsten
In den Seelen wirksam wehren sollte.
Sünde sah er
dort bereits
geschehen,
Wo er die Abkehr sah
Von ewig geistbeschwingtem Leben,
Verkehrung
geistgezeugten Willens
In den
tierbedingten Willen:
Den Willen zeitgesetzter
Unabwendbarer Vergänglichkeit.
Was er die Gläubigen und ihre Priester
„Sünde” nennen hörte,
Sah er in alldurchdringend klarem Lichte
Als das erdgewirkte
Werk der Sünde:
Als erstes Glied der argen Kette
Sündbedingter
Folgen,
Das die Torheit Sündiger
Auf Erden „Sünde”
nennt,
Weil sie es nicht
Als ungewollte
Wirkung
Selbstgesetzter Ursache
Im Geistigen erkennt.
Jedem, den in solche Kette
Er geschmiedet fand,
Verkündete er die Erlösung,
Die durch
Wiederumkehr
Erdverkehrter Willensrichtung
Irrig Wollenden erlangbar ist.
Die vor sich selber Heiligen
Und eitelkeitsbetörter Meinung nach:
„Gerechten”
Fand er freilich
Solchem Umkehrwillen fern.
So kam es, daß er nur dem
Sündbeladenen
Jeweils verkünden konnte,
Daß durch erfolgte Umkehr
Seine Sünden ihm vergeben seien,
Und daß nur
Sünder,
Die zur Umkehr willig waren,
Durch der Sünder „Heiland”
Die Erlösung fanden.
*
Keinem wird so viel vergeben,
Als dem, der um der
Liebe willen
In die Sünde kam, ‒
Als dem, der um der Liebe willen
Litt, und leidend an der Liebe,
Schuld der Sünde auf sich nahm.
Und selbst der Liebe
leibliches
Erleben zählt hier geistig mit! ‒
Noch jedem wurde in der Ewigkeit
Vergeben, der hier im Erdenleben
Schuld auf seine Seele lud,
Weil er an seiner körperhaft
Bedingten Liebe litt.
Nur die aus seelischer
Verhärtung
Und im
Haß gesetzte Sünde
Läßt sich aus der Liebe
nicht vergeben.
Hier führt nur Ausgleich
Durch die härteste
Gerechtigkeit
Den Sündbeladenen in Qual und Ringen
Durch Aeonen ‒ wenn es sein kann ‒
Noch in lichtes Leben.
*
So, wie ein Unerschrockener,
Der seines Lebens Unterhalt
Sich dadurch zu erwerben weiß,
Daß er die wildesten der wilden Tiere
Unter seinen Willen zwingt,
So muß sich jeder Mensch der Erde
Mühen ohne Ungeduld,
Das „Tier” in sich zu bändigen,
Zu zähmen und zu lehren,
Soll es nicht seine wilden Kräfte
Gegen seinen Eigner kehren.
Und so, wie keiner, der ein wildes Tier
Sich willenshörig machen will,
Des Tieres Willen besser, als durch
Güte
.zwingt,
So ist auch keinem noch auf Erden
Bändigung der eigenen Tiernatur gelungen,
War er nicht zur Erkenntnis durchgedrungen,
Daß aller Zwang sein Tierhaftes nicht zwingt,
Wenn nicht der
Liebe zu der eigenen Tiernatur
Des Tieres Bändigung gelingt.
*
Der, dem durch Willensumkehr
Ehedem bewirkte „Sünde”
Fernerhin vergeben wird,
Ist damit aller Schuld
Die seine „Sünde” auf ihn lud
Für alle Ewigkeit enthoben,
Er bleibt erlöst
Aus aller Schuldverstrickung,
Die den Unerlösten
Zeitlich und im Ewigen
An seiner Selbstvollendung hindert.
Doch solche zeitliche
Und ewige Erlösung
Ist gebunden an die Sühne,
Die sich der Erlöste
Selbst aus freien Stücken auferlegt.
Dem Unerlösten
Bleibt sie Qual und Zwang. ‒
Befreiung schafft die Sühne dem,
Dem wahre Willens-Umkehr
Hier im Erdendasein
In sich selbst gelang.
*
Willst du im
zeitbedingten Leben
Dich gestalten und erhalten,
So wirst du wachsam
ringen müssen
Mit vergänglichen Gewalten.
Das
Ewige jedoch
Wird dir
gegeben,
Weißt du dich nur
In dir noch zu erheben,
Um das, was man dir gibt
Auch zu empfangen. ‒
Nicht anders wirst du je
Zu Ewigem gelangen!
Nur, was als „Gabe”
Dich erreicht,
Wird dir im Ewigen
Zu eigen, ‒
Was aber Ungeduld
Ertrotzen möchte,
Wird sich
niemals zeigen!
*
Alles Göttliche ist kinderfaßlich einfach,
Obwohl es in sich selbst unendlichfältig,
Und klarer Form entwöhnten Augen
Kaum in seiner Einfachheit erkennbar ist.
Je weiter fort von Göttlichem
Die Denker samt den Dichtern sich begeben,
Desto verzwickter und verkröpfungsreicher
Deuten sie das Leben.
Solange wir nicht, wie die Kinder,
Auch die komplizierten Dinge
In uns selber wieder
einfach sehen,
Wird alles Denken,
Alles Deuten,
Falsche Wege gehen!
*
Es brauchte bei den Alten
Nicht erst geistige Belehrung
Um zur Erkenntnis hinzuführen,
Daß nicht äußere Bekehrung,
Und weniger noch: Glauben oder Meinen,
Vermöchte, Irdisches dem Ewigen zu einen.
Noch
wußte man,
Daß nur das geistbestimmte
Handeln
Die Kraft erzeugen kann,
Das Irdische zu wandeln.
Die Alten strebten nicht danach,
Zu suchen, was kein Suchen je gewahrt,
Wenn es nicht geistgerechtes
Leben
Ohne alles Suchen offenbart.
Sie wußten, daß ein Irdischer
Nur dann Unsterblichkeit erlangt,
Wenn er nicht mehr genießendes „
Erkennen”,
Sondern sein urgegeben ewigliches
Sein
Im göttlich Ewigen für sich verlangt.
*
„
Wissen” hieß den Weisen alter Völker
Die im Geiste waren,
Wahrhaftig nicht nur:
Hirngedankliches Verwahren
Von Worten, die sich irdisches Erkennen
.schuf.
Das Wissen in der Weise ihrer „Wissenden”
Galt allen Kundigen und Sehern
Als die höchste Göttergabe,
Und bestimmt durch ewigen Beruf,
So daß es
nie in eines jeglichen Belieben stand,
Etwa: ein Wissender zu „
werden”,
Weil nur
der als so Gemeinter galt,
Den ein im ewiglichen Geiste Wissender
In urgegeben geistiger Gestalt
Bereitet, und vorherbestimmt geboren fand.
„
Wissen” war jenen zeitlich fernen Alten:
Höchstes irdisch-geistbedingtes
Seins‐
.gestalten, ‒
Nicht die Gedächtnisakrobatik,
Die man heute Wissen
nennt,
Weil keiner derer, die sich heute wissend
.wähnen,
Aus eigener Erfahrung die urgeistigen
.Domänen
Des nur
im Sein gewissen Wissens
Alter Zeiten kennt.
Nur dort, wo Wissen kein Beherrschen
Hirnbedingter Worte und Begriffe meint,
Ist Wissen ewig
ewiger Erkenntnis
Eingefügt und zugeeint!
*
Von allen sichtbarlich gewirkten Werken
Die euch schöpferisch allhier gelungen,
Von allem, was ihr, es erkämpfend, euch er‐
.rungen,
Bleibt euch nichts anderes im Ewigen er‐
.halten,
Als was, in solchem Tun zugleich bezwungen,
Der
Seele diente, sich im Geiste zu
gestalten.
Die Male, die der Nachruhm euch errichtet,
Bleiben im Land der Seele ungesichtet,
Und wertlos wird, was man euch zugedichtet.
Nur eurer Taten allerfernste
Erdenfolgen
Folgen euch nach noch aus dem Erdentag
Und müssen euch durch Ewigkeiten folgen,
Bis der voreinst von euch geschaffene Impuls
.vermag,
Sich selbst in letzter Folge aufzulösen: ‒
Im ewig Guten, wie im zeitlich Bösen.
*
Das hohe Ziel
Das jeder Irdische dereinst in sich erreichen
.muß,
Will er bewußt im Ewigen sich wiederfinden,
Ist allen Erdverkörperten
gemeinsam.
Doch, dieses übererdenhafte Ziel
Ist in sich selbst
unendlichfältig
Und wird von jedem, der ihm zustrebt,
Dort allein erreicht,
Wo der den Weg Erwandernde
Es in sich selbst
gewahr zu werden weiß.
Von keinem, derer,
Die das Ziel erreichten,
Kam jemals Bericht,
Daß er es an der
gleichen Stätte
Wie ein anderer gewahr geworden wäre.
Es ist für keinen Menschen anders zu erlangen,
Als in der Fassungsform, die es in
ihm emp‐
.fangen
Und die allein nur
Dem Erlangenden entspricht.
Wenn ich als einer aus den Wenigen,
Die sich vor Ewigkeiten schon
Im Ziel, von dem sie ausgegangen, wieder‐
.fanden
Und sich im Geist an heiliges Gelöbnis banden:
Dereinst in urgesetzten Tagen hier auf Erden
In einem Erdgebundenen zum „Weg” zu
.werden,
Mich mühe um in lichter Klarheit
Das Ziel, das
Leben ist aus
Wahrheit
In Menschenworten allen zu entdecken,
So darf der Suchende sich nicht erschrecken,
Sieht er in immer wieder
anderen Bildern
Mich selbst als Weg mich zeigen
Und das Ziel ihm schildern.
Nur
eines dieser Bilder kann ihm gelten, ‒
Die anderen sind
anderen Seelen zugedacht.
In ihm
nicht zubestimmten Seelenwelten
Ist noch kein Irdischer der Ewigkeit erwacht!
*
Es ist nicht so, wie allzugierige
Nach Gott Begehrende in sich vermeinen,
Wenn sie sich selbst „vergottet” wähnen,
Weil sie sich „verneinen”,
Und dann in scheinbar aufgelöstem Ich
Sich selbst vereinigt glauben dem Urewig‐
.Einen!
Es mag den Hochbewunderten in solchem
.Irren
Viel Ehrfurcht um des Menschen willen noch
.gebühren: ‒
Läßt sich der Suchende jedoch dadurch ver‐
.führen,
So wird gar leicht ihn selbsterzeugter Traum
.verwirren.
Erliegt er aber einmal der Betörung,
Dann treibt er fortan trughafte Beschwörung
Und taumelt immer tiefer in sein Dunkel,
Verführt durch seiner Träume
Irrlichtschein-Gefunkel.
*
Nicht dadurch, daß man
denkt,
Man wäre Gott schon nahe ‒
Oder gar vereint ‒
Kommt man dem Ewig-Einen nah.
Er bleibt dem glühendsten Gedanken
Ewig unerreichbar,
Faßt nicht des Gedankens Inhalt
Ein Geschehen, das schon
vor dem Denken
Wirklichkeit geworden war.
Wer jemals Gott in sich erleben will,
Muß erst zu
werden trachten,
Was alle ehedem
geworden waren,
Die zu ihrer Zeit in Gott erwachten.
Doch solches Werden wird nur durch die
Tat,
Und kann erst dann dereinst
daneben
Dem Denken sich zu denkgemäßer Fassung
.übergeben,
Wenn ihm die Folge der Gewährung wurde,
Die sich nirgends anders kann begeben,
Als nur in Gottes
Wirklichkeit:
In
Seinem allumfassend-einen
Leben.
*
Alle lichtbereiten Menschen
Können Gottes Gegenwart
In sich erfahren,
Wollen sie wahrhaft
Gott: ‒
Den Ewigen, Lebendigen,
Der selbst die Liebe ist ‒
In Seiner gütereichen
Ewiglichen
Menschlichkeit
In sich gewahren.
Die allermeisten aber
Die Gehirn und Herz
Nach Gottes Spur durchwühlen,
Wollen in Wahrheit nur
Verborgen
Irdisches
Erschauernd und erschüttert
Als beglückenden
Genuß erfühlen.
Und andere,
Die in Verzweiflung
Nach dem Gotte suchen,
Den sie selbst sich
schufen,
Müssen erfahren lernen,
Daß sie nur
sich selber rufen,
Mögen sie beten und verehren,
Oder ihrem einst geglaubten Gotte
„Gottlos” in sich selber fluchen.
Nur der wird Gottes inne,
Selbstgewiß, wie seines Daseins
Hier auf Erden,
Der in sich selbst
Die
Liebe lieben lernt,
Und um der Liebe willen
Sich von jedem haß- und neiderfüllten
Weidepferch begierdedumpfer Herden
Seelisch firnehoch entfernt.
*
ENDE
FUNKEN
(Deutsche Mantra)
MANTRA-PRAXIS
ZÜRICH
4. Auflage von «Funken»
(die 1. Aufl. erschien 1924)
2. Auflage von «Mantra-Praxis»
(die 1. Aufl. erschien 1928)
© 1967 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG,
8048 Zürich
Alle Rechte sind den Rechtsnachfolgern
des Autors Bô Yin Râ (Joseph Anton Schneiderfranken)
vorbehalten.
Schellenberg-Druck, 8330 Pfäffikon ZH
I.
Um-
mich-
herum
Dring' in mich ein!
Ich:
Bin Dein
Schrein!
Du:
Mein! ‒
II.
Wall von Kristall
Allüberall!
Schließe Dich
Rings um mich
Schließe ein
Mich im Sein! ‒
Überwölbe mich!
Überforme mich!
Laß nichts herein
Als
Licht allein!
III.
Ich warte, ‒
Ich! ‒ ‒
Dunkles Tor!
Ich! ‒ ‒ ‒
Spring' auf!!
‒ ‒ ‒
Ich,
Dahinter...
Ich,
Davor.......
IV.
Zacken-
Berg
Über mir...
Drachen-
Tiefe
Unter mir...
Ich,
Auf dem «Weg»,
Bin
selbst
Der
Steg! ‒ ‒ ‒
V.
Feuer
In
mir...
Feuer im
All...
Feuer
Im Feuer...
Ich selbst, ‒
Ich!!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Feuer!
VI.
Geist-Schweben,
oben ‒
Geist-Weben,
unten ‒
Geist-Leben,
mitten. ‒ ‒ ‒
Allerinnerst,
außen ‒
Allgebreitet,
innen ‒
‒ ‒ ‒
Ich
darinnen! ‒
VII.
O ‒ wo?! ‒
O ‒ wann?! ‒ ‒
: O ‒
hier!!
: O ‒
heute!!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Ich weiß jetzt:
Ich
kann! ‒ ‒
VIII.
Ich
bin!
Ich
lebe!
Ich: drinnen, ‒
Ich: draußen, ‒
Ich: Einer, ‒
Ich: Alle! ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Ich ‒ ‒ bin! ‒
IX.
I. A. O.
: Linie....
: Zirkel....
: Kreis! ‒
Ewige Wanderung des
Punktes!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
I: spaltet!
A: breitet!
O: rundet!
Eines in Allem:(

‒ ‒ )
I. A. O.
X.
Drei-bündig Band
Bindet Beides:
Eines in Allem:
«
Welt», ‒
Alles im Einen:
«
Mensch»! ‒
Ich: «Mensch»
bin
Ich: «Welt». ‒ ‒ ‒
XI.
Un-gründig:
Urgrund, ‒
Ur-gründig:
Eingrund, ‒
Ein-gründig:
Allgrund, ‒
All-gründig:
Ich ‒
bin! ‒ ‒ ‒
XII.
Nicht mehr, ‒
Noch nicht. ‒ ‒
Was dazwischen
Ist,
Bin ‒ ‒
Ich!
XIII.
Ich,
verloren
Im
Gefundenen,
Ich,
gefunden
Im
Verlorenen,
Liebe
Beides
In
Einem, ‒ ‒
Erkenne:
Dieses bin
Ich! ‒ ‒ ‒
XIV.
«
Verstehend» nicht,
nicht «
erkennend», ‒
Will ich,
Und fühle:
Mich selbst. ‒ ‒ ‒
Fühlend
bin ich
Nicht-
wissend,
Allwissender Weisheit
Wissen:
«Tat twam asi»! ‒ ‒ ‒ ‒
XV.
Dieses ist den «Vätern»
entschleiert!
Dieses und nichts anderes!
Dieses will ich erfahren!
Dieses und nichts anderes!
: Welches ist der «
Name»
Des
Menschen,
Der ‒ ich ‒ bin? ‒ ‒ ‒
XVI.
Ewig,
Das
Eine, ‒
Ewig,
Das
Andere! ‒
Ewig,
Das aus
Beiden
Seiende! ‒ ‒ ‒
Keine «Einheit»,
Kein «Leben»,
Ohne diese
Drei!
Fühlend
Erfasse ich
Solches in mir...
Zu
mir
Mich wendend,
Rufe ich
Mich selbst,
Und rufe:
«
Ich»!! ‒
Nach außen
Rufe ich
Mich selbst,
und rufe:
«
AUM»! ‒ ‒ ‒
XVII.
Alles ist
Stufe! ‒ ‒
Über
mich selbst
Schreite ich,
Und werde
mir selber:
Stufe!...
So finde ich:
Meine Unendlichkeit,
Indem ich ewig
Eine neue Stufe steige
Und ewig bin ‒
ich selbst
Die Stufe...........
XVIII.
Loslösend
Mich selbst
Von
mir selber,
Finde ich:
Mich selbst! ‒ ‒ ‒
Im Unsichtbaren
ausatmend:
Mich selbst,
Verliere ich:
Mich selbst
Im Unsichtbaren...
Einatmend:
Mich selbst
Fühle ich mich selbst:
Als Unsichtbares..
Einsaugend:
Dieses Unsichtbare
In mir selbst,
Dem Unsichtbaren,
Gewinne ich
mich selbst
Als Unsichtbares
Im
sichtbaren Leibe...
«Jîvâtmâ»! ‒ Om!
XIX.
Einstmals
Lebte ich viele Leben ‒
Des Todes...
Einstmals
Lebte ich, ‒
War tot...
Nun ich «gestorben»,
Will ich
leben...
Ich bin es, ‒
Der «gestorben» ist! ‒
Ich bin es, ‒
Will
leben! ‒
Ewiges Leben, rinne
Aus urtiefem Quell
In mir
In mich selbst! ‒
Rinne
Durch Mark und Blut!
Laß'
Leben leuchten!
Leuchten am dunklen Ort!
Laß' wieder werden,
Was Ursprungs war:
Mich selbst,
Der ich bin!! ‒ ‒ ‒
«Aham brahma asmi»!
Om!
XX.
Wegweisender Wille!
Wolle in mir!
Wirke
Werden!! ‒
O Über-
Ich!
Über-
zeuge mich!
Über-
lichte mich!
Wirke
Werden!
Werde ‒ ‒
Ich!! ‒ ‒ ‒
XXI.
Brenne ‒ Geist! ‒
Brenne
Durch
Haut und
Gebein! ‒
Lichte ‒
Geist! ‒
Lichte
Den dunklen Schrein! ‒
Glühe ‒ Geist! ‒
Glühe,
Durchglühe, den «Stein»! ‒ ‒
XXII.
Drei ist
Eines
In
sich selber, ‒
Spendet:
Vier der «Lenker»
Zehn der «Gewalten»,
Zwölf der «Väter»...
Daraus sprießend:
Vielfältige Einheit, ‒
Die «
Meister»...
Ich,
Der ich diese Worte lese,
Der ich sie höre,
Der ich sie kenne,
Der ich sie weiß,
Ich, ‒ will «Schüler» sein
All dieser Zahl!
Ich ‒ Einer
Vertraue,
Baue,
Mit Lot, Winkel, Kreis
Was ich nun weiß:
Mich selbst auf dem Grundriß:
Eines der bedeutsamsten Formungsmit‐
tel der Seele ist die Einwirkung bestimm‐
ter Lautfolgen der menschlichen Sprache.
.Uralt ist das
Wissen um solche Einwir‐
kungsmöglichkeit und in den Liturgien
wie den volkstümlicheren Gebetsweisen
aller großen Religionssysteme der Mensch‐
heit ist seine Spur leicht nachweisbar.
.Von erleuchteten,
geborenen Priestern,
die an der Wiege jeder fruchtbaren Re‐
ligionsbildung des Altertums einst stan‐
den, als heiliges
Geheimnis gehütet, wur‐
de dieses Wissen in der westlichen Welt
mehr und mehr vergessen, oder doch nur
in seinen
Folgerungen weitergegeben, wäh‐
rend man seine
Begründung nur noch
in dunkler Ahnung allenfalls ertastet.
.Anders ist es im Orient, wo heutigen‐
tages die Weisheit der Alten zwar auch
größtenteils unter Trümmern vergraben
liegt, allwo man aber noch sehr wohl ge‐
rade um die machtvolle Einwirkung
innerlich gesprochener Worte weiß, und
sie in guter, wie in verderblicher Absicht
Tag für Tag benützt.
.Ich betone hier ausdrücklich das inner‐
lich gesprochene Wort, denn nur auf die‐
ses innere, gleichsam in sich hinein Spre‐
chen kommt es an, wobei man sich nicht
durch die Meinung der Mantrakundigen
des Orients irreführen lassen darf, die mit
einem gewissen Schein von Berechtigung
auch dem durch das Ohr vernehmbaren
Laut großen Wert zuerkennen.
.Es ist hier zwar nicht von einem
„Aberglauben” zu reden, denn der phy‐
sisch vernehmbare Laut ist wahrhaftig
nicht ohne eingreifende Wirkung, aber
man muß genauestens auseinanderhal‐
ten, ob man eine Einwirkung auf die Seele
erzielen will, oder nur auf die fluidalen
Zentren des physischen Organismus...
.Der Orientale erstrebt zumeist Beides
zugleich und ist auch durch eine von
frühester Jugend an geübte Selbsterzie‐
hung, durch vererbte, seit Jahrhunder‐
ten gezüchtete Befähigung und eine Le‐
bensweise die sein Vorhaben nicht stört,
sondern erheblich fördert, sehr wohl im‐
stande, beide Wirkungen nach seinem
Willen zu lenken, ‒ der Mensch der west‐
lichen Welt hingegen ist nicht in der
gleich günstigen Lage und würde bei
dem Versuch, den physisch hörbaren
Laut gleichzeitig mit einwirken zu las‐
sen, nur die Wirkung auf seine Seele in
Frage stellen, unter Umständen aber
auch schwere Schädigungen in dem fein‐
stofflichen Teil seines physischen Kör‐
pers erleben.
.Dem Abendländer ist nur eine verhält‐
nismäßig sehr harmlose Miteinbeziehung
des physisch hörbaren Lautes in seine
Mantra-Praxis ohne Schaden möglich,
wie sie zum Beispiel in der Rezitation
von Litaneien und Chorgebeten, bis zu
gewissem Grade auch in Kirchenliedern,
allenthalben erfolgt.
.Dort aber, wo man gar mit dem phy‐
sisch hörbaren Laut allein experimen‐
tiert um vermeintlich dadurch zu höhe‐
ren inneren Einsichten zu gelangen ‒
mag es nun im Orient oder im Okzident
geschehen ‒ wird man ohne es zu ahnen
nur zum wirksamsten Mithelfer aller
dem Menschen feindlichen (oder quasi
„vergiftend” auf ihn einwirkenden) Kräf‐
te der unsichtbaren physischen Welt und
die erträumten Erkenntnisse, so erhaben
sie auch erscheinen mögen, sind nichts
als selbsterzeugte, der Wirklichkeit ferne
Phantasmagorien...
.Der Abendländer, der die Wirkung des
nach innen gesprochenen Wortes der
Formung und dem Selbsterleben seiner
Seele dienstbar machen will, wird auf alle
Fälle sicher gehen, wenn er es völlig ver‐
meidet, das Sprechen nach innen mit
gleichzeitig physisch hörbarem Laut zu
begleiten, und ich rate ganz entschieden
davon ab, solche nach innen gesproche‐
nen Worte auch nur leise murmelnd zu be‐
tonen, ja auch nur die Lippen bei diesem
Nach-Innen-Sprechen zu bewegen! ‒
.Ein gutes Mantram ist ein nach okkult‐
geistigen Einsichten geformter Spruch, bei
dessen Benützung es sich lediglich um die
rein geistige, dem physischen Ohre völlig
unwahrnehmbare Lautwirkung handelt. ‒
.Das Sprechen nach Innen soll so er‐
folgen, daß es gleichsam zu einer „Kom‐
munion”, zu einem geistigen Aufnehmen,
zu einem Genuß der Worte als geistiger
Speise wird. ‒ ‒
.Niemals soll irgend eine Anspannung,
niemals auch nur der geringste Selbst‐
zwang dabei erfolgen!
.Die kleine Folge deutscher Mantra, die
ich unter dem Gesamttitel „Funken” der
Öffentlichkeit gab, ist nicht etwa so zu
verstehen, als wolle ich anraten, womög‐
lich täglich alle einzelnen Spruchgebilde
aufzunehmen.
.Ebensowenig soll die gegebene Reihen‐
folge dazu bestimmen, eine Reihenfolge
der Aufnahme vorzuschreiben.
.Man wähle sich vielmehr jeweils den
Spruch aus, der gerade am eindring‐
lichsten empfunden wird, und spreche
ihn ohne Deklamation, ohne Emphase,
schlicht, einfach und für das physische
Ohr unhörbar, täglich zu ruhiger Stunde
in sich hinein, ohne besonders den ge‐
danklichen Sinn zu analysieren, ohne
über die „Bedeutung” nachzugrübeln.
.Das soll nicht heißen, daß man die
sich von selbst ergebende Bedeutung ge‐
waltsam verdrängen müsse!
.Man soll nur nicht nach der Bedeu‐
tung suchen, sondern die Worte als gei‐
stige Klangform in sich aufnehmen, wo‐
nach dann auch der gedanklich faßbare
Sinn sich ohne Grübelei von Tag zu Tag
mehr erschließen wird.
.Sobald man jedoch auch nur leise Er‐
müdung fühlt muß das Einsprechen so‐
fort beendet werden.
.Ebenso ist das jeweilige Mantram zu
wechseln, wenn die Empfindung bei der
Einsprache leer ausgeht.
.Nie darf bei dem inneren Einsprechen
das geringste Unbehagen sich einstellen.
.Die ganze Mantra-Praxis ist eine Be‐
tätigung, die nur in glücklicher Freiheit
zu gedeihlichen Resultaten führt.
.Alles Gewaltsame, alles Erzwungene
ist hier vom Übel.
.Völlig entspannt, und so als ob es sich
um eine gewohnte Alltäglichkeit handeln
würde, muß man in sein Inneres sprechen!
.Man soll seine Empfindungen dabei
hinnehmen wie sie kommen, aber man
soll sein Empfindungsleben nicht be‐
lauern: ‒ nicht unerhörte neue Empfin‐
dungen auf das In-sich-hineinsprechen
hin erwarten!
.Je ruhiger, vertrauender und gleich‐
mütiger der ganze Vorgang aufgefaßt
wird, desto gesegneter wird seine Wir‐
kung sein.
.Was in den zweiundzwanzig „Fun‐
ken”- Sprüchen gegeben ist, soll auch
nicht wie ein Aufgabenpensum innerhalb
einer gewissen Zeit „erledigt” werden!
.Die zweiundzwanzig Sprüche reichen
vielmehr für das ganze Erdenleben hin,
und wenn es auch hundertundzwanzig
Jahre währen sollte...
.(Ihre Wirkung reicht sogar über das
Erdenleben weit hinaus!)
.Wer auch sämtliche Sprüche mehr als
ein Dutzend mal in sich eingesprochen
haben mag, der wird dennoch bemerken,
daß er plötzlich zu gegebener Stunde
dem einen oder dem anderen dieser Man‐
tra wieder so gegenübersteht, als hätte
er es noch niemals gehört, und es wird
ihm, wenn er immer wieder die rechte
Stunde erwartet, stets neue Kraft und
neues Licht aus diesen zweiundzwanzig
Brunnenröhren heiliger Weistumsquel‐
len zufließen...
.Es kann geschehen, daß ein Mensch
hier mit sechzig Jahren einst zu seeli‐
schem Erleben kommt von dem er vor‐
dem noch nichts wußte, obwohl er seit
seinem zwanzigsten Jahre diese Mantra
gut zu kennen vermeinte, und gar man‐
ches andere seelische Erlebnis ihnen im
Laufe der Jahre verdankte. ‒ ‒
.Was die Sprüche an erkenntnismäßi‐
gem Inhalt umfassen, ist nicht im Denken
zu erschürfen und wird dem, der sie
geistig in sich einspricht, früher oder
später auf geistige Weise zuteil, selbst
wenn ihm die Wortbeziehungen an sich
„Rätsel” aufgeben sollten...
.Auch durch die wenigen eingefügten
Sanskritworte lasse man sich nicht be‐
unruhigen!
.Den meisten Suchenden dürften sie
bekannt sein. Wer sie aber als fremd
empfindet, der spreche sie dort wo sie
sich finden, geistig in sich ein, und zu
gegebener Zeit werden sie ihre Wirkung
zeigen und damit die Berechtigung ihrer
Einfügung erweisen.
.„
Tat twam asi” wird übersetzt:
Das bist du!
.„
Aum” ist nicht nur gleichbedeutend
mit der hebräischen Bestätigungsformel
„Amen”, sondern enthält, richtig aus‐
gesprochen, wobei das „A” sich der
Aussprache des „O” nähert und das „U”
nur dumpf nachklingt, auch die Laut‐
schwingungen die dem
Sein aus sich selbst
entsprechen und wurde deshalb seit älte‐
sten Zeiten in Indien als heiligstes Wort
verehrt.
.(„Om” ist eine andere Art, das gleiche
Wort ohne Sanskritbuchstaben wieder‐
zugeben. Ich habe sie dort verwendet, wo
es darauf ankam den Charakter des Wor‐
tes als feierlichste
Bestätigung darzutun.)
„Jîvâtmâ” ist:
das individuelle göttliche Leben,
insonderheit auch der göttliche Gei‐
stesfunke in der einzelnen Seele.
.„
Aham brahma asmi” heißt dem Sinne
nach:
Siehe ich selbst bin Ur-Sein!
.Das alles aber braucht man zum Ge‐
brauche der Mantra nicht zu wissen, und
ich gebe diesen Hinweis nur um authen‐
tisch festzustellen, in welchem Sinne ich
selbst diese Entlehnungen aus der indo‐
germanischen Wurzelsprache an gewis‐
sen Stellen einfügte.
.Es sind heute bereits sehr viele Men‐
schen ‒ auch solche, denen die Sprache
der Sprüche
nicht Muttersprache ist ‒ mit
diesen deutschen Mantra vertraut, haben
ihre segensreiche Wirkung an sich selbst
erfahren und erfahren sie täglich aufs neue.
.Gelegentlich aber höre ich auch von
Suchenden, die offenbar nicht recht wis‐
sen, ob sie das, was da unter dem Titel
„
Funken” gegeben ist, als expressioni‐
stische dichterische Ergüsse oder als
Rätsel zur Anregung ihrer Denktätig‐
keit betrachten sollen, und daneben gibt
es andere, die wohl schon von den Wir‐
kungen hörten, die durch gewisse Laut‐
und Wortfolgen auf die Seele ausgeübt
werden können, aber nun befürchten ‒
und vielleicht mit Recht ‒ sie könnten
durch unrichtigen Gebrauch der Man‐
tra, deren wesentlichste Wirkung ab‐
schwächen.
.Sollten sich auch Suchende finden, die
etwa befürchten möchten, es könne je‐
mals durch unrichtigen Gebrauch dieser
Mantra seelische oder auch physische
Schädigung entstehen, so sei ihnen ge‐
sagt, daß es sich hier um Laut- und
Wortfolgen handelt, die mit aller Ab‐
sicht so geformt sind, daß selbst ihre
mißbräuchliche Benutzung zu lediglich
physisch hörbarer Lauteinwirkung kei‐
nerlei Schädigung bringen könnte, wenn
freilich in solchem Falle auch die see‐
lisch segensreichen Wirkungen ausblei‐
ben müßten.
.Ich hätte niemals die Verantwortung
übernehmen können, diese Mantra der
Öffentlichkeit zu übergeben, wäre auch
nur die geringste Gefahr im Falle eines
Mißbrauchs zu befürchten gewesen.
.Mit diesen Darlegungen glaube ich
wohl jede Frage beantwortet zu haben,
die sich dem einen oder anderen Suchen‐
den vielleicht aus der ersten Betrach‐
tung der zweiundzwanzig Sprüche er‐
geben könnte, die er als „Deutsche Man‐
tra” in Händen hält.
.Die Übersetzung dieser Mantra in an‐
dere Sprachen erschien mir lange Zeit
als unmöglich, bis ich mich überzeugen
konnte, daß die Übertragung ins Italie‐
nische gelungen ist. Ich wage somit nicht
mehr zu bezweifeln, daß diese „Funken”
auch in anderen Sprachen zünden kön‐
nen, wenn sie in rechte Wortform über‐
tragen werden.
.Möge auch weiterhin Segen und see‐
lisches Selbsterleben, innere Beglückung
und Umfriedung allen denen in reichstem
Maße zuströmen, die diese Spruchfolge
in rechter Weise zu gebrauchen wissen!
ENDE
DAS GEBET
KOBER'SCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
Bô Yin Râ ist der Autorenname von
Joseph Anton Schneiderfranken
3. Auflage
Unveränderter Nachdruck der
2.Auflage 1955
© 1968 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Schüler AG, Biel (Schweiz)
EUCH,
DIE IHR BETEN LERNEN
WOLLT
Nach altgeheiligter Kunde sollen die
Schüler des weisen Zimmermanns,
des hohen «
Rabbi»
aus Nazareth,
vormaleinst zu ihm gekommen sein mit
der Bitte:
«Herr, lehre uns beten!»
Darauf, ‒ so sagt uns der alte Bericht,
‒ habe der gottgeeinte Lebenslehrer sie
unterwiesen, nun nicht mehr, gleich den
Nichterkennenden, die altgewohnten
langen Litaneien herzuplappern, son‐
dern nur jene wundersam schönen, ein‐
fachen Worte zu gebrauchen, wie sie
jetzt noch auf aller derer Lippen sind,
die sich, nach dieser oder jener Glau‐
bensform, zu des erhaben großen Gottes‐
menschen liebeerfüllter Lehre bekennen
oder zu bekennen meinen.
.Dennoch aber wissen bis auf den heu‐
tigen Tag nur gar wenige Menschen
wirklich zu «
beten», und noch seltener
wird man einen finden, der da
erfaßte,
was es besagen will, auf jene heilig‐
hohe Weise zu «beten», die der große
Liebende befolgt wissen wollte. ‒ ‒
.Man kennt nun zwar die Worte, die
er, der alten Kunde nach, seine Schüler
gebrauchen hieß, ‒ allein, man «plap‐
pert» jetzt auch diese Worte nicht
anders her, wie vordem andere, von
ihm nicht sonderlich gewertete Ge‐
bete. ‒
.Es ändert nichts an der Entweihung,
wenn man auch in salbungsvollstem
Tonfall spricht, ‒ ja selbst das an‐
dachtsvolle Nachempfinden des
im Denken sich erschließenden Sinnes
macht aus dem Nachsprechen jener herr‐
lichen Worte noch keineswegs ein wirk‐
liches «Gebet». ‒ ‒ ‒
.So dürfte es denn wieder nötig ge‐
worden sein, zu lehren was das wirk‐
liche «Beten» in Wahrheit ist, ‒ zu
lehren, wie aus Worten menschlicher
Sprache ein «
Gebet» erstehen kann,
und was sich an tiefem Geheimnis im
Gebete verbirgt!
Die heilige Priesterkunst, «
Gebete»
zu schaffen und wirklich zu «
beten»,
ist heute fast verloren gegangen, und
wo sie etwa noch in Übung steht, dort
wird sie
mechanisch,
lebensent‐
laugt, oder
abergläubisch betrie‐
ben. ‒
.Aber
dort auch, wo man noch zu
beten
meint, sieht man im Gebete nur
die
Bitte an die Gottheit, den Ausdruck
des
Dankes, oder die
Lobpreisung,
und weiß nicht mehr, daß alles dieses
zwar im Gebete zu finden sein
kann,
aber mit nichten
das Wesen des Gebets
ausmacht. ‒ ‒
.Man ahnt nicht mehr, daß auch ein
Gefüge
herrlichster Worte des
Lo‐
bes, des
Dankes oder der
Bitte erst
wirklich «
gebetet» werden muß, be‐
vor es zum «
Gebete» werden kann. ‒
Daß «Gott» nur
in uns selbst für uns
erreichbar ist, ‒ daß nur
in unserem
Allerinnersten das Herz des reinen,
ewigen Seins sich selber «
wiederzuge‐
bären» vermag in unendlichfältiger,
individueller Selbstzeugung ‒ das ist
die erste und unumgänglichste Erkennt‐
nis, zu der sich jeder erst durchgerungen
haben muß, der wahrhaft «beten» ler‐
nen will! ‒
.Zugleich aber muß er wissen, daß der
urewige «
Vater», ‒ wie immer der
Gläubige dieses Wort sich deuten mag,
‒ weder
Dank noch
Lobpreis nach
menschlicher Art
begehrt, ‒ und daß
es
Lästerung wäre, wirklich zu glau‐
ben, das Herz des Seins
erwarte erst
menschliches
Flehen, um sich durch
ein
solches «Bitten» schließlich «
er‐
weichen» zu lassen, ‒ denn «
Bitten»,
im Sinne des wahren
Betens, ist wahr‐
lich etwas
sehr wesentlich Anderes
als das
Erbettelnwollen, mit dem so
mancher vor den «Gott» seiner Vor‐
stellung tritt. ‒ ‒
.Ich betone hier das Wort vom «Gotte»
der Vorstellung, da leider die aller‐
meisten Menschen nicht weiter gelangen
als bis zu solchem Gebilde ihrer Vor‐
stellungskraft, weil sie aus unzureichen‐
der oder irriger Belehrung meinen, der
Weg zu Gott müsse hoch hinauf, aber
immer nach
außen führen. ‒
.So können sie freilich lebendige
Gottheit
niemals erfühlen, da sie ja
dort nicht suchen, wo der lebendige
ewige Gott für sie allein
erreichbar
wäre. ‒ ‒
Es wurde jedoch, nach der alten Kunde,
auch gesagt:
«
Suchet, so
werdet ihr finden!»
«
Bittet, so
werdet ihr empfangen!»
«
Klopfet an, so
wird euch aufgetan!»
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Hier wollen wir verweilen und in
aller Stille harren, bis das Geheimnis,
das in diesen Worten sich verbirgt, vor
unserem inneren Auge sich entschleiern
will...
.Ich aber will derweil versuchen, in
Worten aufzuzeigen, was sich zeigen
läßt!
*
«
Suchen» kann gewiß
nur dann zum
Finden führen, wenn
dort gesucht
wird, wo tatsächlich das Gesuchte auch
verborgen liegt! ‒
.«
Bitten», in dem
hier gemeinten
Sinne, der da jegliches «Erbetteln»
völlig ausschließt, wird
Empfangen nur
erwirken können, wenn der also Bit‐
tende empfangs-
berechtigt ist! ‒
.«
Klopfen» aber, um im Hause Zu‐
tritt zu erhalten, hat dann nur Aussicht
auf Erfolg, wenn jener, der da klopft,
auch völlig sicher ist,
wo er zu klopfen
hat, und dorten dann in
solcher Weise
anzuklopfen weiß, daß man im Hause
ihn vernimmt und alsogleich erkennt
als einen, der da Einlaß
zu erwarten
hat! ‒
.Hier sind jedoch «
Suchen», «
Bit‐
ten» und «
Klopfen» keineswegs zu
trennen, denn nur
in ihrer Verei‐
nung ergeben sie das ‒ «
Gebet»! ‒
Wohl dem, der so zu «
beten» weiß!
.Er wird «
erhört» sein, während er
noch «
anklopft»!
.Er wird alsbald «
empfangen», wäh‐
rend er noch «
bittet»!
.Er wird mit aller Gewißheit «
fin‐
den», was er auf
solche Weise «
sucht»,
daß es zu finden ist!
.In seinem Allerinnersten wird dieser
Betende erfahren, was des großen Le‐
bensbringers Wort besagen will, das er
einst denen sagte, die er weit genug ge‐
fördert glaubte:
.«Um was immer ihr den «Vater» in
meinem «Namen» bitten werdet, das
wird er euch geben!»
.Hell wird sich dem Beter offenbaren,
was das Preiswort enthält:
«Geheiliget werde Dein «Name»!»‐
und endlich wird er erkennen, warum
der Meister einst in seinem «Namen»
bitten lehrte, denn:
«Alles, was der «Vater» hat, ist mein!»
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So wird der also Betende denn auch
im klarsten Geisteslicht erkennen, daß
alles «um was immer» man den «Vater»
in seiner Selbstdarstellung «Namen»
bitten kann, schon von aller Ewigkeit
her gegeben und dargeboten ist,
obwohl es der «
Bitte» bedarf, um
zeitlich auch «
in Erscheinung» zu
treten, ‒ um
zeitlich Wahrnehm‐
bares zu bewirken...
.Es lernt aber keiner solcherart «
be‐
ten», außer denen, die ihren
Eigen‐
Willen völlig mit des «
Vaters» Willen
zu
vereinen wissen. ‒
.Wer dann aber, mit des ewigen «
Va‐
ters» Willen
vereint zu «
beten»
weiß, dem wird all sein Beten, ‒ um
was immer er beten mag, ‒ ein Beten
um «Flügel» sein: ‒ um jene Flügel,
die da wahrlich «
höher tragen als
Adlerschwingen»!
* *
*
Es ist das «Suchen», so wie es ver‐
langt wird, wenn man «beten»
lernen will, wahrlich alles andere
eher, ‒ nur nicht etwa ein Grübeln
im Verstand! ‒
.Schon die Verheißung, daß der Su‐
chende ‒ ganz selbstverständlich ‒
«finden» werde, weist in ihrer lapi‐
daren Einfachheit so zwingend darauf
hin, daß es sich hier um Anderes han‐
delt als um das, was man gemeinhin
«inneres Suchen» nennt, was aber
allermeist nichts anderes ist, als Wühlen
und Erspürenwollen im Gehirn‐
verstande, auf gutes Glück, und kei‐
neswegs etwa des Findens sicher, wie
bestimmt verheißen wird. ‒ ‒
.«Suchen», so wie man gewöhnlich
in sich selbst nach irgend etwas sucht,
ist immer Ausdruck innerer Unruhe,
‒ und was auch immer Gegenstand
des Suchens sein mag: ‒ stets wird er
gesucht um Ruhe durch sein Finden zu
erlangen. ‒
.Da könnte nun mancher meinen, auch
das andere «Suchen», dem da so sicher
«Finden» zugesprochen ist, habe doch
ebenso Ursache in einer Unruhe, die
zur Ruhe werden möchte?
.Das «Suchen» aber, das zum rechten
«Beten» nötig ist, setzt jene große
Ruhe voraus: ‒ jene Ruhe, die in sich
selbst begründet ist und nicht mehr
von außen her beeinflußbar gefunden
wird. ‒ ‒
.Es verlangt dieses «Suchen» stets
den ganzen Menschen, und nicht
nur den wie ein Spürhund immerfort
unruhig scharrenden Verstand!
.Es ist ein ruhiges Versenken in das
Innerste der Seele, ‒ ohne jede Er‐
regung, ‒ ohne alles Begehren, ‒ und
ohne alle bange Ungeduld.
.Arge Torheit wäre es, wollte einer
vermeinen, daß durch heißes, stürmi‐
sches Erzwingenwollen das Gesuchte
etwa eher gefunden werden könne!
.So kann man sich nur selbst betrügen,
um dann zuletzt, ermattet und ent‐
täuscht, einen jeglichen Versuch zu «su‐
chen» gleich im Anfang resignierend
aufzugeben...
.Vielmehr muß der Suchende hier
wissen, daß er bei seinem Suchen nur
sich selbst im Wege steht, solange er
nicht sucht wie einer der des Findens
sicher ist, ‒ wie einer, der einen Ge‐
genstand etwa verwahrt weiß an be‐
stimmtem Ort und ihn dort finden
muß, wenn alles fortgeräumt wurde,
was den gesuchten Gegenstand zuerst
verdeckte.
.Man darf nicht den Grund zu solcher
Sicherheit nur in der Verheißung
sehen, daß der Suchende «finden» wird!
.Hier schließt das Suchen an sich
schon das
Findenmüssen ein, da gar
nicht gesucht werden
kann, ohne daß
alsogleich auch das Finden
folgt. ‒ ‒
Bei
diesem «Suchen» ist der Suchende
sich selbst der Gegenstand des Su‐
chens!
.Je weniger jedoch er nach sich selbst
verlangt, desto eher wird er sich sel‐
ber
finden!
.Er darf sich
kein Bild oder
Gleich‐
nis dessen machen, was er zu finden
hofft!
.Sich selbst muß er in seine
eigene grundlose Tiefe sinken
lassen, ‒
furchtlos und
ohne Wi‐
derstand!
.Aufrecht muß er sich in sich selbst
versenken, und darf nicht aus der Ruhe
kommen, auch wenn seine Füße den ge‐
wohnten Halt verlieren!
.Vertrauend muß er sich in seine
tiefste Tiefe ziehen lassen, voll Sicher‐
heit, daß er hier keineswegs Vernich‐
tung, sondern nur
sich selber finden
kann!
.Kein vorerzeugtes Werk der
Phantasie darf ihm die Blicke trü‐
ben!
.Er darf nicht glauben, nun werde er
«
Bilder» im Innern oder im Äußeren
sehen, wie er sie noch niemals sah: ‒
Visionen von anderen Wesen und
verborgenen Welten!
.Er darf nicht
Erscheinungen er‐
hoffen aus der
Geisterwelt!
In seine Tiefe sich versenkend, wird er
zuerst alles im
Dunkel sehen um sich
her, ‒ aber je tiefer er in sich eintaucht,
desto mehr wird dieses Dunkel neuem
wundersamen
Lichte weichen, bis er
in seiner allertiefsten Tiefe dann
sich
selbst durchleuchtet findet, ‒ bis er im
innersten Abgrund seiner selbst zu
kri‐
stallener Klarheit wird. ‒ ‒
.So wird sein Versenken ein stetes
Finden sein vom ersten Augenblicke
an, bis er zuletzt in sich gefunden hat,
was sich
nicht sagen, sondern nur
emp-
finden läßt, da auch das hellste
Wort noch dunkel bleibt vor solcher un‐
beschreiblich lichten inneren
Klar‐
heit...
Wer da auf
solche Weise «
suchen»
will, auf daß er
finde, der lasse zuerst
seinen ganzen
Erdenkörper völlig zur
Ruhe kommen, so daß ihm kaum mehr
bewußt ist, daß ein tierischer Leib sein
Bewußtsein «trägt».
.Dann aber schließe der Suchende
langsam die Augen und verbinde beide
Hände miteinander, bis er fühlt, wie ein
lebendiger Kraftstrom in hoher
Ruhe ihn durchkreist.
.Wie dieser Zustand intensiv belebter
Ruhe
am besten zu erreichen ist, wird
jeder für sich selbst bald finden...
.Der eine erreicht ihn nur, indem er
sich
niederlegt, ‒ der andere im
Sitzen oder
Niederknien, ‒ und
wieder ein anderer wird ihn nur im auf‐
rechten
Stehen erreichen können.
.Sobald der Zustand
lebenserfüllter
Ruhe aber
erreicht ist, soll man sich
weiter
nicht mehr um seines Körpers
äußere Haltung kümmern!
.Jetzt muß man sich nur noch
im In‐
nern zu fühlen trachten.
Nach einiger Zeit wird man sich
mehr
und mehr im Innern fühlbar werden,
bis allmählich eine Empfindung ins Be‐
wußtsein Eingang findet, so, als sei man
im Innern ganz von sich selbst «
er‐
füllt».
.Es ist, als ob man selbst
ein Flüssi‐
ges wäre, ‒ der Körper aber ein
Ge‐
fäß, ‒ und als ob das Flüssige immer
deutlicher sich selbst als
Inhalt des
Gefäßes fühle...
.Die
Gedanken müssen dabei
ru‐
hen, und es darf ihnen keinesfalls er‐
laubt sein, den erfühlten Zustand nun
geschwätzig zu zerdeuten. ‒
.Solange noch das Schwirren der
Ge‐
danken anhält, lasse man es
ohne
weitere Beachtung, bis es sich all‐
mählich
von selber beruhigt. ‒
.Ist aber sodann die Empfindung seiner
selbst im Innern
ein geschlossenes
Ganzes geworden, dann hört ohnehin
jedes weitere
Denken auf, weil
das
neue Bewußtsein seiner selbst alle
Aufmerksamkeit
absorbiert.
Anfänglich wird es gut sein, sich vor‐
erst mit dem erreichten
Empfinden‐
können seiner selbst im Innern ‒
als mit einem wahrlich schon sehr be‐
deutsamen Resultate ‒ zu begnü‐
gen. ‒
.Man kehre alsbald freudig zu seinen
Alltagspflichten zurück, sowie die
Empfindung sich abzuschwächen be‐
ginnt!
.Niemals darf sie auch bei Er‐
müdung etwa gewaltsam festge‐
halten werden!
.Ist man aber nach und nach, ‒ möge
es Wochen oder auch Monate brauchen,
‒ endlich dahin gelangt, daß man jeder‐
zeit, ohne sonderliche Mühe, in
der Stille seiner selbstgewählten Ein‐
samkeit, sich selbst auf die eben ge‐
schilderte Weise als «Inhalt» seines
Erdenleibes, ‒ geformt wie dieser, so
wie eine Flüssigkeit die Form des Ge‐
fäßes annimmt, in die man sie gießt, ‒
empfinden und erleben kann, dann
ist man würdig vorbereitet, nun das
«
Suchen» im Sinne wahren «
Betens»
zu beginnen...
Jetzt muß sich der Suchende, klar er‐
fühlten
Willens, ganz in die Hände
seines
innersten Lebens geben und
sich fühlend in dieses erahnten Lebens
grundlose Tiefe sinken lassen, ‒ stets
völlig
klar bewußt, und
ohne sich
auch nur für Augenblicke jemals
einer halbwachen
Träumerei anzuver‐
trauen! ‒
.Tauchen
Gestalten und
Bilder im
Innern auf, so ist ihnen
keinerlei Be‐
achtung zu schenken, und besonders
muß man sich davor hüten, sie etwa
«
deuten» zu wollen!
.Noch
törichter wäre es, sie zu
be‐
kämpfen, weil man sie dadurch nur
stärken und festhalten würde...
.Wird man durch
Nichtbeachtung
dennoch nicht von ihnen befreit, so ist
es geboten
diesmal und
für diese
Stunde, die Versenkung zu
unter‐
brechen und sich
intensiver Tätig‐
keit in der Außenwelt zu widmen,
bis man, an einem
anderen Tage, sich
wieder fähig glaubt, das Unterbrochene
ungestört vollenden zu können.
.Erst wenn die Empfindung des Ver‐
sinkens in die eigene innere Tiefe
völlig
bildfrei wurde, darf man sich ihr un‐
besorgt überlassen. ‒ ‒
Das unsagbare
Dunkel, das dann die
Seele zuerst erschrecken will, ist
ge‐
lassen und vor allem:
ohne jegliche
Furcht zu ertragen, auch wenn es
oft‐
mals ertragen werden muß, bevor der
erste Lichtschein sich im Innersten er‐
fühlen läßt!
.Sobald sich aber dann das Dunkel zu
lichten beginnt, entfaltet sich auch
mehr und mehr
ein neues,
inneres
Bewußtsein, auf eine Art, in der man
vorher noch
niemals bewußt gewesen
war. ‒
.Nun wird dieses neue Bewußtsein
klarer und klarer, bis es zuletzt den
Willen des
Suchenden in untrenn‐
barer
Einheit mit dem Willen des
ewigen
Ur-
Seins erweist...
.Wer soweit gelangt ist, der weiß dann
aus
eigener Erfahrung, was «
Finden»
heißt, und die erste Bedingung des wirk‐
lichen «
Betens» wurde von ihm
er‐
füllt. ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Wenn er nun die herrlichen und so ein‐
fach sinnklaren Worte spricht, die einst
der hohe Meister aus Nazareth seine
Schüler «
beten» hieß, dann wird das
erlangte neue Bewußtsein jedes dieser
Worte nur noch als
Bekräftigung
eigenen Willens empfinden. ‒
.Das ganze «
Gebet des Herrn» wird
dem Suchenden nichts anderes mehr
sein, als das vollendetste
Bekenntnis
seiner eigenen untrennbaren
Einheit
mit dem Willen des ewigen
Seins...
.Was innerlich
erlebt ist, findet in
diesem Gebete
Gestaltung in Worten
menschlicher Sprache und wirkt aus der
Gestaltung zurück in die eigene Seele,
allwo es von selbst zur «
Bitte» wird,
die ihre Gewährung
in sich selber
trägt. ‒
.So wird der Suchende fortan
befreit
sein von jenem törichten Wahn, als sei
das Gebet ein Mittel, die Gottheit «
um‐
zustimmen»...
.Er weiß nun, daß «
beten» nichts an‐
deres heißt, als:
mit seinem eigenen
Willen
im Willen des ewigen Ur‐
seins zu wollen, was allda
gewollt
ist von allen Ewigkeiten her, auf daß
es,
ausgelöst durch rechte «
Bitte»,
nun
in Erscheinung trete, nun
sich
auswirke und
bezeuge. ‒ ‒
.Sein
Suchen ist wahrlich zum «
Fin‐
den» geworden!
.Er kann in aller Ewigkeit nicht mehr
verlieren, was er auf solche Weise
in
sich selber fand! ‒ ‒ ‒
* *
*
Hier wird es sich nun entscheiden,
ob der bei dem
zweiten Erfor‐
dernis angelangte Suchende auch schon
in Wahrheit zur «Bitte»
berechtigt ist!
.«
Bitte» ist hier kein Flehen um ir‐
gend eine Gewährung die gleichsam
«
von außen her» zu erhoffen wäre!
«
Bitte» ist hier
die Auslösung
einer geistigen Kraft, die da be‐
wirkt, daß in
Erscheinung tritt, was
durch «Suchen» und «Finden» bereits
zu eigen wurde. ‒
.Man
kann im wahren «
Gebete» um
nichts anderes «
bitten», als um das,
was bereits von Ewigkeit her im Willen
des Urseins
gegeben ist.
.Man kann aber auch das also Gege‐
bene nur dann
zu eigen erlangen, wenn
man in der
Selbst-
Versenkung seinen
Eigen-Willen dahingab und
einsinken
ließ in den
Willen des ewigen
Seins. ‒ ‒
.So ist dem
wahrhaft «
Betenden»
schon vorher
gewährt, um was er
bitten kann...
Gewiß kann jedoch auch das wirkliche
«
Gebet» jeweils auf ganz
Bestimm‐
tes und
Besonderes gerichtet sein, ‒
aber die
Wirkungskraft der «
Bitte»
ist
keineswegs ohne alle Gren‐
zen! ‒ ‒
.Es wird diese Wirkungskraft
genau
bestimmt durch das,
was sich der Bit‐
tende ‒ aus
allem Gegebenen ‒ in
Wahrheit
zu eigen zu machen wußte,
so daß es gewiß keine Torheit war,
wenn voreinst glaubensdurchflammte
Zeiten zu der Überzeugung kamen, daß
mancher Menschen Gebet zu
sicherer
Wirkung führe, wo alles Beten An‐
derer
nichts vermöge...
.Dabei bleibt es gegenstandslos, ob
Jene, deren Gebet man für wirkungs‐
kräftiger hielt, vom Geheimnis des wah‐
ren «Betens»
verstandesmäßig un‐
terrichtet waren, oder die Wahrheit
nur dunkel erahnten. ‒
.Selbst wenn sie durch dumpfen
Aber‐
glauben sich bewegen ließen,
unbe‐
wußt das Richtige zu tun, konnten sie
wahrlich ihr Gebet zu einer Wirkungs‐
kraft steigern, die den anderen wie
«Wundertat» erschien. ‒ ‒
.Dennoch wird aber auch von diesen
Meistern des
wirklichen «
Gebetes»
gar oft berichtet, daß ihr Gebet in die‐
sem oder jenem Falle
nichts ver‐
mochte, ‒ sei es um des
Unglaubens
und der
Herzenskälte derer willen, für
die sie beteten, oder suchten sie für
sich
selbst etwas zu «erbeten», was sie nicht
selbst für sich «erbeten»
konnten...
Es wäre wahrlich denn auch
zuviel ge‐
sagt, wollte man das
wahre «
Gebet»
etwa «allmächtig» nennen, da doch
die Macht des ewigen Urseins in sich
selbst ihre Grenzen sieht, weil
ewige Gottheit nicht sich selbst ent‐
gegenwirken kann. ‒
.Hingegen aber wissen auch nur die
allerwenigsten Menschen in heutigen
Tagen noch aus eigener Erfahrung, was
das wirkliche «Gebet» denn doch ver‐
mag ‒ ‒ ‒
.Manchen wurde jedoch die Kraft des
«Gebetes» bekannt, obwohl sie gewiß
nicht ahnten, weshalb sie «Erhörung»
fanden, so daß sie dann auf ihre Art
sich Erklärung schufen, wo ihre unvoll‐
kommene Einsicht ihnen keine Klarheit
bringen konnte.
.Sie waren in schwerer Seelen-Not,
ganz unbewußt, zur Versenkung in
ihre tiefste Tiefe, und damit zum «Fin‐
den» gekommen, so daß ihnen hier zu
eigen wurde, um was sie alsdann ‒ in
gleicher Weise
unbewußt ‒ auch rich‐
tig zu «
bitten» vermochten, und in
selbiger Art erlernten sie das rechte
«Klopfen», dem die Türe zum Tempel
sich
öffnen mußte. ‒ ‒
.Da es aber
jedem Menschen hier auf
Erden wahrlich
möglich ist, in rechter
Weise, ganz
bewußt des hehren Tuns,
zu «
beten», wenn er nur das «Beten»
lernen mag, und nicht erst wartet, bis
es ihn die Not des Leibes oder bittere
Seelenqual vom
Unbewußten her einst
lehren wird, ‒ so würde es heißen: gött‐
liche Hilfe
verachten, wollte nicht je‐
der, dem rechte Lehre geworden, fortan
danach trachten, auch nach solcher Lehre
zu tun...
Nun wird es freilich vielen gar befremd‐
lich erscheinen, daß man das «Beten»
lernen soll, gleich irgendeinem Kön‐
nen das erlernbar ist?!
.Aber alle, die hier auf Erden einst
bewußt das «Gebet» als heilige Him‐
melskunst übten, waren dazu nur
durch Lehre und eigenes Lernen ge‐
langt. ‒ ‒
.Ja: ‒ es verrät uns die alte geheiligte
Kunde, daß jene Schüler des großen
Liebenden, die ihn zu bitten wußten,
daß er sie beten lehren möge, schon
manche hohe Einsicht erlangt haben
mußten, denn nur ihr Wissen, daß man
beten lernen könne, ließ sie jene Bitte
an den Meister tun.
.Gebetsformeln kannten sie ja wahr‐
haftig genug, und sie baten auch nicht:
«Herr, lehre uns ein neues Gebet»,
‒ sondern sagten klar und bestimmt:
«Herr, lehre uns beten!»
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Selbst wenn die ganze alte Kunde
nur bloße Erdichtung wäre, hätte
doch hier der Dichter sich als ein Wis‐
sender offenbart, denn nur ein solcher
hätte diese eindeutig klaren Worte den
Schülern des hohen Meisters in den
Mund legen können. ‒ ‒ ‒
Hier ist jetzt geboten, zu lehren wie
man «
bitten» muß um zu «
empfan‐
gen».
.Mit aller Absicht wiederhole ich also
nochmals, daß
jenes «Bitten», wie es
das wirkliche «
Gebet» verlangt, fern
sein muß allem Betteln und Flehen.
.Es gilt nicht, ein hartes Herz endlich
zu erweichen, oder eine Gabe zu er‐
quälen, die dem Bettelnden nicht zu‐
kommt!
.Wer durch richtiges «Suchen» und
«Finden» sich
Berechtigung schuf zur
«
Bitte», der hat nur darauf zu achten,
daß er gleichsam ‒
verständlich bitte:
‒ daß er die rechte Haltung bewahre,
die zur Auslösung der Kräfte führt,
durch die das «Empfangen» Wirklich‐
keit wird.
.Dieses «Bitten» ist eine gelassene,
völlig ruhige und sichere Gestaltung
eines präzisen Vorstellungsbildes,
das wie ein «Vorbild» dessen gelten
kann, um was man «bittet». ‒
.Sobald aber der Wille des Betenden
dieses Vorstellungsbild geschaffen und
zu größtmöglichster Festigkeit verdich‐
tet hat, muß er sich mitsamt seinem
Werke ganz und gar dem ewigen
Willen des Urseins übergeben, über‐
lassen und anvertrauen.
.Es kommt hier alles darauf an, daß
der ganze Eigen-Wille, mit dem «Vor‐
bild», das er schuf, so in den Willen des
Urseins eingesenkt wird, daß auch
nicht die leiseste Willensregung noch aus
dem Meere des ewigen Willens hervor‐
ragt, ‒ daß auch kein kleinster Teil des
«Vorbildes» bleibt, der nicht von den
Wogen dieses Meeres erfüllt und durch‐
strömt würde.
.Ist nun das, um was auf
solche Weise
bittend «
gebetet» wird, überhaupt im
ewigen Willen des Urseins «
gegeben»,
und hat es der also Bittende bereits
durch sein «Suchen» und «Finden»
zu
eigen erlangt, so ist auch die
Gewäh‐
rung der Bitte
im selben Augenblick
vollzogen in dem die absolute Versen‐
kung in den Urwillen erfolgte, und es
bedarf nur noch der im Irdischen un‐
übersteigbaren
Zeit, auf daß die Wir‐
kung des Gebetes in
Erscheinung tre‐
ten könne, vorausgesetzt, daß der Bit‐
tende zugleich auch nach rechter Weise
«
anzuklopfen» versteht. ‒ ‒ ‒
Der
einzige, aber auch wahrlich
un‐
überwindliche Widerstand, dem sol‐
che «Bitte»
im Menschen selbst be‐
gegnen kann, ist der
Zweifel! ‒ ‒
.Hinsichtlich der Gewährungsmög‐
lichkeit kann gewiß der Betende nur
ahnen und tasten.
.Er kann nicht mit Sicherheit etwa
wissen, ob das Erbetene zu den Dingen
gehört, die im Urwillen schon seit aller
Ewigkeit gegeben sind, und ebenso‐
wenig weiß er bestimmt, ob er schon
bis zum vollen Umfang seiner Bitte
«empfangsberechtigt» ist.
.So kann er denn auch nicht wissen,
ob er im einzelnen Falle schon Gewäh‐
rung erlangte, und es wäre überheb‐
liche Vermessenheit, sie unter allen
Umständen zu erwarten...
.Dennoch darf er keinen Augen‐
blick daran zweifeln, daß ihm alles
gewährt sein muß, was ihm nach
Lage der Umstände gewährt werden
kann!
.Er muß die Frage: ‒ ob er wohl
«empfangen» werde um was er bittet,
restlos aus seinem Denken und
Fühlen verbannen! ‒ ‒
.Alles Wünschen und Hoffen muß
er gewissermaßen in sich «neutrali‐
sieren»!
.Er muß sich dem Willen des Urseins
vorbehaltlos vereinen, ‒ muß ganz
mit diesem Willen verschmelzen, ohne
den leisesten Zweifel aufkommen zu
lassen an der Sicherheit der Gewäh‐
rung, soweit Gewährungs-Möglichkeit
besteht! ‒
.Auch das will «gelernt» sein, und nur
wer es lernt, wird Herr über allen
Zweifel werden! ‒ ‒
.Je höher sich allerdings mit der Zeit
die Beweise häufen, dafür, daß die
rechte «Bitte» die Gewährung, so
wie sie erfolgen kann, in sich selber
trägt, desto leichter wird es werden,
allen Zweifel zu besiegen, noch bevor er
sich hemmend in den Weg stellen kann.
Hat er aber auch wirksam den Zweifel
überwunden, so darf doch der Betende
in seinem Vertrauen nicht überheblich
werden!
.Vor allem darf er nicht glauben,
selbst die Art und Weise bestimmen
zu können, nach der seiner Bitte Ge‐
währung werden soll, noch darf er
sich vermessen, die dafür ihm genehme
Zeit gleichsam erzwingen zu wol‐
len...
.Alles das steht ihm nicht zu!
.Er muß das alles jenen hohen Mäch‐
ten überlassen, die aus ewigem Ur‐
willen Auftrag haben, die Ge‐
schicke derart unter ihrem geisti‐
gen Einfluß zu halten, daß die Kette
des Geschehens jeweils gerade die Glie‐
der aneinanderreiht, die nötig sind, um
ohne Beirrung irdisch-physischer
Gesetze Wirkungen herbeizuführen,
die im Reiche des Geistes, ‒ im
Reiche
ursprünglichster Ursachen,
‒ veranlaßt werden...
.So kann es kommen, daß der
An‐
schein entsteht, als habe eine «Bitte»
keine Erhörung gefunden, während be‐
reits
alle Kräfte in Bewegung sind,
um die
Gewährung zu bewirken, die
freilich auf
andere Weise dann erfolgen
wird, als der Betende sie zu erhalten
glaubte.
.Oft kommt für den Beter
erst nach
langer Zeit der Tag herauf, an dem er
endlich erkennen lernt, daß er, auf
bes‐
sere Weise als er hoffen konnte, schon
längst
Gewährung seiner Bitte fand...
Die Verheißung, daß der Bittende mit
Sicherheit «
empfangen» werde, darf
aber gewiß nicht nur auf die Dinge
des
irdischen Daseins bezogen werden,
und wer sie nur aus der
irdischen
Ansicht her betrachtet, der muß sich
sagen, daß sie sich bewahrheiten
kann, auch wenn der Bittende An‐
deres empfängt, als das, um was er
bittet. ‒ ‒
.Es ist aber in der hier vorliegenden,
und für die Lehre die hier vermittelt
werden soll so instruktiven Verheißung
vor allem davon die Rede, daß das,
was von Ewigkeit her dem Erdenmen‐
schen vorbehalten bleibt für alle Ewig‐
keit, durch rechte Bitte «empfangen»
werden kann.
.Man soll Eines tun und das Andere
darum nicht unterlassen!
.Da die Dinge seines Erden-Lebens
dem Menschen der Erde vorerst am
heftigsten auf die Nägel brennen, soll
er wahrhaftig die Macht des «Gebetes»
gebrauchen, um auch Irdisches sich zu
erleichtern, oder seinem Nebenmen‐
schen dann noch Hilfe darzubieten,
wenn alle äußere Möglichkeit, zu hel‐
fen, sich längst erschöpfte, oder als un‐
zureichend erweist. ‒
.Vor allem aber ist das «Gebet»
dem Menschen gegeben um in den er‐
neuten Besitz seines ewigen Erbes
zu gelangen: ‒ um das zu «empfan‐
gen» was man, mit einem sehr ver‐
fänglichen Wort, in der Sprache der
sogenannten «Gottesgelehrten» ‒ die
Gnade nennt. ‒ ‒
.Was hier aber in Wahrheit gemeint
war, von denen, die noch wußten
um was es sich handelt, ist alles andere
eher, nur nicht etwa ein Geschenk der
Willkür!
.Auch die ewige Urliebe aus der
alles hervorgeht was im «Sein» und
im «Dasein» ist, kann nicht ihre
eigene «Struktur» verändern, ‒
kann nicht «Gesetz», das durch ihr
eigenes ewiges Sein besteht, negie‐
ren um der Liebe willen, sondern muß
gesetzte Bedingungen
erfüllt sehen,
wenn sie das ihr Entfremdete wieder in
sich aufnehmen
können soll. ‒ ‒
.So ist es die wahre «
Bitte», die es
dem Strom der ewigen Liebe wieder
möglich macht, das Bewußtsein des
Erdenmenschen zu durchfließen...
.Die «
Bitte», die kein Betteln und
Abhandelnwollen, sondern ein ruhiges
Sichdarbieten ist, in sicherster Ge‐
wißheit, daß ihr das
Empfangen des
göttlichen Liebes-Stromes nun nicht vor‐
enthalten wird, ‒ nicht vorenthalten
werden
kann. ‒ ‒ ‒
.Hier ist nichts anderes als eine geistige
Gesetzmäßigkeit, die
Erfüllung
braucht, bevor die
Auswirkung er‐
folgt!
So, wie der
Suchende erst in sich sel‐
ber
fand, was er vordem vergeblich im
Äußeren suchte, so
empfängt nun der
Bittende in sich selbst den nötigen
Lebensstrom der Liebe. ‒ ‒
.Vorher ist er einem Elektromotor zu
vergleichen, der zwar in allen Teilen
überprüft, nun zur Arbeitsleistung
fähig wäre, aber noch nicht vom Kraft‐
strom der Zentrale durchflossen ist.
.Nun aber ist der Kontakt geschlos‐
sen: ‒ der Motor ist durch den Strom
in Bewegung, ‒ aber nun wartet er
auf den Gebrauch seiner Arbeitslei‐
stung, denn vergeblich würde ihn die
Kraft durchfließen, wäre keine Möglich‐
keit, auch seine Bewegung nutzbar zu
machen. ‒
.In diesem Bilde zeigen sich gleichnis‐
weise die drei Erfordernisse des wahren
«Gebetes».
.Dem «Suchen» und «Finden» ist
die technische Überprüfung des Mo‐
tors bis in seine innersten Teile zu ver‐
gleichen.
.Das «Bitten» und «Empfangen»
ist zu erkennen in dem Schließen des
Kontakts und der Durchflutung mit
elektrischem Strom.
.Dem «Anklopfen» und «Auftun»
aber ist das Anschließen des Motors
an die durch ihn zu betreibenden
Maschinen und die dadurch bewirkte
Tätigkeit sehr wohl vergleichbar.
.Doch, dieser Vergleich, entnommen
dem Bereiche der Technik heutiger Tage,
soll keineswegs mehr sein als ein Hin‐
weis, der vielleicht meine Worte unter‐
stützen kann.
.Wer diesen Hinweis nicht braucht,
oder wer sich dadurch gestört fühlen
sollte, daß ich mich nicht scheue, hier
ein Gleichnis aus dem Alltag zu gestal‐
ten, der möge ruhig unbeachtet lassen,
was ich doch immerhin meiner Rede
einverwoben wissen möchte!
.So glaube ich, hier von dem zweiten
Erfordernis
wahren «
Gebetes» schon
die Brücke zum
dritten hin gespannt
zu haben und hoffe, daß alle, zu denen
ich hier spreche, mir auch weiter über
diese Brücke folgen werden.
* *
*
Es ist nicht Willkür, wenn in der
alten Verheißung nun das Bild vom
«Anklopfen» Aufnahme findet! ‒ ‒
.Ist «Suchen» ein Versenken in sich
selbst, um da die innerste, tiefste
Tiefe zu finden, ‒ ist «Bitten» ein
Wollen in festem Vertrauen auf das
«Empfangen», ‒ so ist «Anklop‐
fen», ‒ Pochen um Einlaß zu erreichen,
‒ ein äußeres, tätiges Verhalten, das
einer Forderung Ausdruck verleiht. ‒
.Es ist dem, der «beten» lernen will,
gleichsam hier gesagt, daß er das Recht
zu fordern, zu verlangen, hat, ‒ so
vermessen das auch scheinbar klingen
mag, ‒ und daß er dieses hohe Recht
nur dann sich erwirkt, wenn er auch
tätig zu beten weiß: ‒ wenn auch sein
Tun den Bedingnissen wahren
«Gebetes» entspricht. ‒ ‒ ‒
.Das gilt für die ganze Einstellung bei
allem Beten, ‒ auch wenn es sich um
Dinge des äußeren Daseins han‐
delt. ‒
.Er-hörung findet nur, wer wirklich
«anklopft», ‒ wirklich pocht, ‒ wer
seine gerechte «Bitte», sein Erwar‐
ten durch das entsprechende tätige
Verhalten verstärkt, und dadurch an
sich zur Forderung werden läßt, die
Erfüllung findet aus Notwendig‐
keit. ‒ ‒ ‒
.Der Beter darf sich nicht wundern,
wird er nicht erhört, trotzdem sein «Su‐
chen» und «Bitten» vor seinen Augen
ihm durchaus einwandfrei erscheint, so‐
lange er nicht ebenso auch richtig «an‐
zuklopfen» weiß. ‒ ‒
.Noch fehlt dann die dritte Bedin‐
gung vollkommenen «Gebetes»!
.Er betet vielleicht um Dinge, die ihm
selbst zuteil werden sollen, ‒ aber
dort, wo das Gebet mit ihm selber
rechnet, ‒ wo sein Ergreifen eben
dieser Dinge notwendig wäre, rührt er
keine Hand...
.Er will vielleicht durch sein Beten
einem anderen Menschen Hilfe sen‐
den, aus materieller Not ihn zu
befreien suchen, aber ferne liegt es
ihm, aus eigenen Mitteln etwas
für ihn zu tun, oder Gelegen‐
heiten zu erfassen, die dem An‐
deren praktischen Nutzen bringen
könnten...
.Er möchte sich oder andere durch
sein Gebet befreit von Krankheit
sehen, aber er verschmäht den Arzt
und rührt sich nicht, nach einer
Heilgelegenheit zu suchen...
.In allen diesen und noch tausend
anderen Fällen fehlt Erfüllung jener
dritten Grundbedingung wahren «Ge‐
betes» die in der Verheißung darge‐
stellt wird unter dem Bilde eines Men‐
schen der nicht nur außen steht und
wartet, bis man ihn hereinruft,
sondern der «anklopft», damit ihm
«aufgetan werde». ‒ ‒ ‒
.Auch in jener Art frommer Himmels‐
anbettelei, die man so gemeinhin für
«beten» hält, fehlen die Hilfesuchenden
allermeist dadurch, daß sie das werk‐
tätige «Beten» für gänzlich überflüssig
halten. ‒
.Es könnte sonst so manchem gehol‐
fen werden, obwohl seine Vorstel‐
lung von dem was wirklich «be‐
ten» heißt, noch nichts weiß, denn
dumpf und unbewußt dringt doch der
eine oder der andere durch seine In‐
brunst zu einem, wenn auch unvoll‐
kommenen, «Finden» und «Emp‐
fangen» vor...
.Auch wenn sein «Anklopfen» ebenso
unzureichend erfolgen würde, könnte
es dennoch bewirken, daß das, was er
nach landläufiger Weise und guten Glau‐
bens für «Beten» hält,
nicht umsonst
gewesen wäre. ‒ ‒
.Es gibt aber auch unter denen die
noch
nicht erkennen was wahrhaft
«
Beten» heißt, daneben genugsam
andere Menschen die aus
innerem
Gefühl heraus das Rechte in
allen
drei Stücken
tun, auch wenn sie
weit
mehr vermöchten, wäre ihnen das
ganze Geheimnis des rechten Betens
vertraut. ‒
Doch, auch das rechte «
Anklopfen»
bezieht sich in der Verheißung durch‐
aus nicht
nur auf das «
Beten» um
ir‐
dische Dinge, sondern in
erster Linie
soll es dazu führen,
Einlaß zu erlangen
in den heilighehren
Tempel der Ewig‐
keit, um hier
das Mysterium des
Menschen: ‒ seinen Ausgang aus dem
Lichte und seine Wiederkehr zum Licht,
erschauernd zu erleben...
.Keiner kann in diesen Tempel Einlaß
finden, der nicht vordem im «Suchen»
und «Finden» sich bewährte, ‒ der
nicht vordem also «bitten» lernte, daß
er «empfangen» durfte. ‒ ‒
.Man weiß im «Innern», ‒ und es
ist auch hier das Innere des Tempels nur
im Menschen selbst zu suchen, ‒
sehr genau, wer der ist, der draußen
«anklopft», und man wird ihm nicht
eher öffnen, als bis er die beiden an‐
deren Bedingungen des rechten «Be‐
tens» zu erfüllen wußte.
.«Anklopfen» heißt hier, sein Leben
aktiv so gestalten, daß jede Hand‐
lung die berechtigte Forderung dar‐
stellt, in das Innere des Tempels auf‐
genommen zu werden, und wahrlich:
‒ wer in solcher Weise «anklopft»,
dem wird «aufgetan», weil er selbst
die Bedingung dazu schafft. ‒ ‒
Man hat im Laufe der Jahrhunderte die
seltsamsten Heimlichkeiten hinter die‐
sem Worte vom «Anklopfen» und
«Auftun» vermutet und gesucht, so
daß da und dort von hohlen, aber auch
von allzuklugen Köpfen die abstruse‐
sten «Übungen» erfunden wurden, die
angeblich das rechte «Anklopfen» dar‐
stellen sollen.
.Ich kenne auch heute gewisse Men‐
schen, die, ehrfurchterfüllt, Orakelsprü‐
che wirrer Schwärmer wie das kost‐
barste Heiligtum bei sich verwahren, und
bescheiden genug sind, die Tatsache,
daß ihnen alles derartige «Üben» kei‐
nerlei Erfolg einbrachte, darauf zu‐
rückzuführen, daß sie es doch, bei allem
heißen Bemühen, wohl «nicht richtig
angestellt» hätten, weil ihr Orakel‐
priester solchen Erfolg für sich er‐
langt haben müsse, ansonsten er die
torheittriefenden Anweisungen ‒ O
sancta simplicitas! ‒ nicht nieder‐
geschrieben haben könnte. ‒
.Stets gibt es neue Gläubige für der‐
artigen Aberwitz, und immer wieder
stehen Mystagogen auf, die entweder
selbst betört, oder, weil anders ihr
Weizen nicht blühen will, mit ge‐
heimnisvoller Geste der übelsten Narr‐
heit Zutreiberdienste leisten.
.Daß solches möglich ist, wird nur
dadurch verstehbar, daß sehr vielen
Suchenden das wirklich von ihnen
Verlangte ‒ zu einfach und zu we‐
nig widersinnig erscheint, weil sie
erst in glaubenswillige Erregung gera‐
ten, wenn das Absurde Glauben von
ihnen fordert. ‒ ‒
.Der Menschenfreund erschrickt, wenn
er solche Verirrung sieht und möchte
mit allen Kräften die Betörten retten;
aber alle Hilfsbereitschaft ist hier am
falschen Ort.
.Man kann nur die
noch nicht Ver‐
irrten
warnen und ihnen die Dinge,
von denen sie vielleicht schon vom
Hörensagen wissen, beim rechten Na‐
men nennen. Man kann nur aufzuzeigen
suchen, daß die Verheißung mit all die‐
sen seltsamen «Übungen» recht durch‐
sichtiger Erfindung
nicht das minde‐
ste zu schaffen hat.
.«
Anklopfen», im Sinne der Ver‐
heißung, heißt mit
Tat und
Wirken
«beten», und wer sich dazu nicht ver‐
stehen kann, der wird
vergeblich
darauf warten, daß ihm «
aufgetan»
werde! ‒ ‒
Nun darf man sich aber auch nicht der
falschen Vorstellung ergeben, als sei das
«
Auftun», im Sinne unserer Verhei‐
ßung,
ein plötzliches Eröffnen un‐
erahnter geistiger Herrlichkeit,
‒ ein
sofortiges Offenbaren der
geheimsten Weisheit, ‒ ein Auf‐
stoßen aller Türen des Tempels, und ein
augenblickliches Wegziehen des verhül‐
lenden Vorhangs, der das Allerheiligste
vor unbereiteten Blicken schützt!
.Auch der Tempel der Ewigkeit
hat seine Vorhallen, und der Neo‐
phyte wird sich wahrlich schon glück‐
lich preisen dürfen, wenn er ‒ bild‐
lich gesprochen ‒ seinen Fuß in die
äußerste dieser Vorhallen setzen darf...
.Wer da mit großen Ambitionen
kommt und sich für würdig hält, wenn
auch nicht gleich ins Allerheiligste, so
doch in eines der es umschließenden
Sanktuarien einzugehen, dem wird ge‐
wiß nicht «aufgetan» werden, daß er
auch nur die Vorhöfe schaue. ‒ ‒
.Doch wird hier keiner etwa «unge‐
recht» behandelt!
.Hier hängt nichts von irgend
einer Willkür ab!
.Es ist alles durch geistiges
Gesetz
geordnet, und dieses «Gesetz» ist kein
ersonnenes Werk, sondern
folgerich‐
tige Auswirkung geistigen Le‐
bens, unwandelbar wie die Gottheit
selbst,
deren Art und Wesen es den
Wissenden offenbart, nachdem sie
«Wissend»
wurden durch seine
Er‐
füllung! ‒ ‒
Wohl ist die Gottheit auch
im Men‐
schen selbst, ‒ wohl ist
im Inner‐
sten des Menschen ihr hochheiliger
Tempel, ‒ und wohl ist «», wie
immer man dieses Wort sich
deuten
mag, dem Menschen nur
in dem In‐
nersten menschlicher Seele er‐
reichbar und empfindbar!
.Aber
die meisten der Menschen ahnen
nicht,
welche unendlichen Weiten
ihre eigene, stets in ewigem Rhythmus
schwingende «
Seele» umfaßt! ‒
.Die meisten ahnen nicht, welche un‐
meßbaren Fernen zwischen ihrem
Bewußtsein und dem bewußten
Sein Gottes liegen, obwohl «Gott»
sie erfüllt und sie nur in «Gott» ihr
Dasein haben. ‒ ‒ ‒
.Sie stehen, für ihre Vorstellung,
mit Gott «auf Du und Du», ohne im
mindesten sich des Frevels bewußt zu
werden, den diese Vorstellung ent‐
hält. ‒ ‒
.Es ist wahrlich schwer, ihnen beizu‐
bringen, daß Gott, dem göttlichen
Leben nach, ihnen zwar das Aller‐
nächste, ‒ dem bewußten gött‐
lichen Sein nach aber das Aller‐
fernste ist, ‒ daß eine «Jakobsleiter»
in ihnen selbst aufgerichtet werden
muß, auf deren Sprossen erst alle die
Lichtgrade geistiger Hierarchien
herabsteigen und sich die Hände reichen
müssen, soll erdenmenschliches Bewußt‐
sein
wache Kommunikation mit
dem ewigen, unvorstellbaren, göttlichen
bewußten Sein erleben können, ohne
Vernichtung fürchten zu müssen. ‒ ‒ ‒
.Dummstolzer
geistlicher Hoch‐
mut meint,
nichts dürfe sich zwi‐
schen Gott und den Menschen
stellen, ‒ aber hier ist nur die Bitte
rechte Antwort: «Herr,
vergib ihnen,
denn sie
wissen nicht, wie sie Dich
schmähen!» ‒ ‒
Wer daher wirklich will, daß ihm «
auf‐
getan» werde, wenn er
mit seinem
ganzen Leben,
mit all seinem irdi‐
schen Tun und Wirken «
anzuklop‐
fen» wagt, der erwarte nicht etwa, daß
«
Gott», ‒ in welcher Form er auch
an Gott glauben mag, ‒
als ewiges
Ursein an der Pforte stehen werde um
ihm «
aufzutun»! ‒ ‒
.Wer richtig «
anklopfen» will, der
muß vor allem soviel
Ehrerbietung
vor der Gottheit in sich tragen, daß er
beglückt wäre über alle Maßen, wenn
ihm ‒ gleichnisweise gesprochen ‒
auch nur der letzte Tempeldiener
Gottes «auftun» wollte...
.Anders wird dem wahrhaft Betenden
auch nie
eröffnet werden, was nur
in
ihm selber «aufgetan» werden kann!
* *
*
Wenn etwa ein Mensch in sich des
Glaubens wäre, daß durch das
wirkliche «
Gebet» die ganze Erden‐
menschheit
geistige Erneuerung
finden könnte, so wäre er keineswegs
einem Irrtum verfallen!
.Da aber «
die Menschheit» hier auf
Erden nur aus vielen einzelnen
Men‐
schen besteht, so kann auch solche Er‐
neuerung nur vom
Einzelnen her er‐
folgen, und wir wollen darum hier nur
vom einzelnen Menschen reden,
statt uns in das Ganze zu verlieren, wo‐
bei für den einzelnen allzuviel verloren
gehen müßte.
.Ist irgendwo auf dieser Erde
nur ein
Einziger bereit und willens, sich durch
wahres «
Gebet» zu
erneuern, so ist
dadurch
auch für die ganze Mensch‐
heit schon vieles gewonnen, denn wir
Menschen stehen nicht vereinzelt für uns
im leeren Raum, sondern, was durch den
einen fließt im Guten wie im Schlechten,
das fließt von ihm aus weiter
durch
alle Menschenseelen, mögen sie
auch an den weitesten Orten der Erde
gerade ihr Werk tun, mögen sie darum
wissen oder nicht...
Wenn ich in den vorangehenden Kapi‐
teln so ausführlich darlegte, was zum
wahren «Gebet»
gehört und um
was
es sich beim rechten «Beten»
handelt,
so geschah das vornehmlich auch des‐
halb, weil so viele Menschen sich gar
nichts
Bequemeres vorstellen können
als das
Beten, ‒ weil so viele Men‐
schen glauben, es sei schon gebetet, wenn
sie in ihrer Vorstellung, in gar anmaß‐
licher Vertraulichkeit, sich mit einem er‐
träumten Etwas unterhalten, das sie ihren
«Gott» nennen und dabei die selbstsug‐
gestive Rückwirkung auf ihre Gefühle
als billigen Trost in sich aufnehmen. ‒
.Aus
solcher Art,
vermeintlich zu
beten, kann freilich nur
Selbsttäu‐
schung und ein vorübergehendes
falschtönendes Gefühl der Erho‐
benheit kommen, ‒ niemals wirkliche
geistige Erneuerung, die der Betende so
bitter nötig hätte.
Aber nichts wäre nun verkehrter, als
wenn man sich etwa auf meine Dar‐
legungen hin auch nur im mindesten
entmutigt fühlen wollte.
.Es läßt sich wohl denken, daß dieser
oder jener bereit wäre, sich zu sagen: ‒
«Wenn rechtes Beten all' diese
Voraus‐
setzungen in sich schließt, dann werde
ich es
niemals lernen! ‒ Ich will vor
meinem Gott mein Herz ausschütten
und Trost in dem Gedanken finden, daß
ich gehört, ja vielleicht auch erhört
werde!»
.Wer aber dieses Buch bis hierher wa‐
chen Sinnes las, und dennoch so sprechen
kann, der hat meine Worte wahrlich
nicht ganz verstanden!
Wenn ich die Erfordernisse rechten
«
Betens» an Hand der Verheißung
vom «
Suchen», «
Bitten» und «
An‐
klopfen» aufzuzeigen suchte, so mußte
ich gewiß ins Einzelne dringen, damit
der Leser nicht mehr im Zweifel sei,
daß es sich beim wahren «
Gebet» um
etwas anderes handelt als um das
frommgestimmte Hersprechen gewisser
Gebetsformeln.
.So unterrichtet, wird jedoch der Ein‐
sichtige gar bald
seiner selbst gewiß
werden und wissen, was
für ihn nun
daraus folgt. ‒
.Er wird sehen, daß es
erst dann
möglich ist, wahrhaft zu «
beten», wenn
eine
völlige Umstellung seines
Den‐
kens,
Fühlens und
Handelns vor‐
aufgegangen ist, so daß in ihm bereits
alle Vorbedingungen wirklichen «Ge‐
bets» erfüllt sind, bevor er beginnt
zu «beten». ‒ ‒
.Nur um der Allzuängstlichen willen
betone ich hier ausdrücklich, daß ich
zwar geschildert habe, was beim wirk‐
lichen «Gebet» erfolgt, daß dieses
alles aber ganz von selbst sich ein‐
stellt, nachdem das ganze Leben so ge‐
staltet wurde, daß es stets gebetsbe‐
reit ist. ‒
.Denen, die sich das Beten nur als eine
Angelegenheit für Kopfhänger und Be‐
trübte vorzustellen vermögen, muß ich
sagen, daß ein gebetsbereites Leben
wahrhaftig auf keine edle Freude zu
verzichten braucht und geradezu ein
Unterpfand steter Heiterkeit, ‒
steter Glücksbereitschaft werden
kann. ‒ ‒
Was aber das «Ausschütten seines
Herzens» anlangt, so fühlt der Mensch
den es danach drängt, nur besonders in‐
tensiv die Wahrheit, daß er nicht ein
völlig Abgetrenntes und nur auf
sich Verwiesenes im Weltenraume ist, ‒
daß er trotz seiner kosmischen Iso‐
lierung und Willensflucht aus dem
Geiste, immer noch ‒ wenn auch auf
passive Weise ‒ mit seiner Urhei‐
mat: dem Reiche des wesenhaften rei‐
nen Geistes, in Verbindung steht, und
daß die Hilfe, die von dort ausgehen
kann, einen weiteren Wirkungsbereich
umfaßt als alle Hilfe in der physisch‐
sinnlichen Welt grobräumlicher
Dinge.
.Er irrt nur in der Auslegung seines
Gefühls, wenn er sich, ohne Zwi‐
schenstufe, dem ewigen Ursein als
gleichsam persönlichen Partner gegen‐
überzufühlen glaubt, und er irrt nicht
minder, wenn er dieses Selbstbe‐
kenntnis seiner Not vor unsichtba‐
ren Zeugen, das eine wahre, richtige,
heilige «Beichte» ist, als «Gebet»
betrachtet. ‒ ‒ ‒
.Eine solche «Beichte» jedoch ent‐
spricht eingeborenem Bedürfnis der
menschlichen Natur und ist ein Befrei‐
ungswerk der Seele von unschätz‐
barer Lebensbedeutung, so daß jeder
Erdenmensch, wer er auch sei, von
Zeit zu Zeit sich vor den unsichtbaren
wahren «Priestern» derart ausspre‐
chen sollte, um zum Empfang stets
neuer Kräfte aus dem Unsichtbaren fähig
zu werden. ‒
.Man soll nicht erst die schwerste Not
der Seele über sich hereinbrechen las‐
sen, bevor man sich zu solcher wahren
«Beichte» entschließt, die stets ihre
ewigkeitsgültige «Absolution» in
sich selber trägt...
.Erst
nach solcher «Beichte» und der
durch sie erlangten
Befreiung der
Seele sollte man in
wahrem «
Ge‐
bete» bitten um das,
was man «
er‐
beten» will! ‒ ‒ ‒
.Der Mensch, der dann auf rechte
Weise also «
betet» wie gebetet werden
muß, wird wahrlich
geistige Erneue‐
rung erlangen, und diese Erneuerung
ist immerfort
wieder vonnöten, wenn
das Außenleben die Fühler der Seele
taub geschlagen hat. ‒
«
Geistige Erneuerung» ist aber
nicht
etwa eine Erneuerung des geistigen
Lebensfunkens im Menschen, sondern
Erneuerung der
Aufnahmefähigkeit
der Seele für alle Einflüsse, die sie
aus
dem Reiche des reinen Geistes,
über die «Antenne» ihres eigenen gei‐
stigen Wesenskernes, erreichen
können
und erreichen
wollen. ‒
.Es ist kaum möglich, in Worten
menschlicher Sprache die einzigartige
Verbundenheit von «
Geistfunken»
und «
Seele» im Erdenmenschen dar‐
stellen, oder auch nur mit Hilfe von
Bild und Gleichnis erklären zu wollen.
.Obwohl unsere «
Seele» für uns «das
einzig
Wirkliche» ist, das heißt: das
Einzige, was für uns als ein Wirkendes
wahrnehmbar wird im Innern, ist sie
an sich doch nichts anderes als
eine
organische und nach bestimmten
rhythmischen,
harmonischen Ge‐
setzen gebildete Gestaltung aus
dem ewigen Ozean der Seelen‐
kräfte, die gleichsam an dem in diesen
Ozean versenkten «
Geistesfunken»
ihren
Kristallisationsmittelpunkt
hat. ‒ ‒
.Wahrnehmung des eigenen «
Gei‐
stesfunken» in uns ist uns nur mög‐
lich, soweit wir «
Seele» sind, und nur
durch die bis ins Reingeistige eindrin‐
genden
besonderen Kräfte der
«Seele», die gleichsam als ihre «
Füh‐
ler» betrachtet werden können...
.Alles
Geistige, was unser Erden‐
bewußtsein erreichen will, muß seinen
Weg nehmen über den ewigen «
Gei‐
stesfunken» in uns, wo es durch die
«
Fühler» der «
Seele» empfangen und
aus der «
Seele» wieder durch bestimm‐
te «
seelische Organe» unserer Ge‐
hirnmembran übermittelt wird. ‒ ‒ ‒
.Da nun aber auch,
umgekehrt, alle
lauten Wahrnehmungen
des äußeren
Erdenlebens durch das Gehirnbewußt‐
sein die «
Seele» zum Mitschwingen
bringen, so wird der unsagbar subtile
Organismus der «Seele» fort und fort
erschüttert, was nicht nur seine
Auf‐
nahmefähigkeit für Geistiges bald
mehr, bald weniger
herabsetzt, son‐
dern zuweilen, und selbst
für längere
Zeit, geradezu eine Art von «Läh‐
mung» der «Seele» bewirken kann. ‒
.Wer das in sich vielleicht schon er‐
fahren hat, ‒ und es wird wenige geben,
die es nicht erfahren hätten, ‒ dem
brauche ich kaum zu sagen, wie dann
diese «Lähmung» der «Seele» wieder
auf das Gehirnbewußtsein zurück‐
wirkt...
.So besteht immerwährende Wech‐
selwirkung im Innern des Menschen
und eine Hygiene der «Seele» ist
wahrlich nicht minder wichtig als
hygienisches Verhalten in Bezug auf den
sichtbaren Erdenkörper und seine
Organe. ‒ ‒
.Wir brauchen ständig «geistige Er‐
neuerung», im Sinne einer Erneue‐
rung seelischer Spannkraft, damit
die «Seele» Geistiges aufzunehmen
und weiterzuleiten fähig bleibe, ‒ so
wie wir die Erneuerung unserer erden‐
körperlichen Kräfte nicht entbehren
können, wollen wir dem Erdendasein
genügen. ‒ ‒
Es gibt aber keine
wirksamere Art zu
steter
geistiger Erneuerung zu ge‐
langen, als immerwährende
Gebetsbe‐
reitschaft, ‒ als das «
Beten ohne
Unterlaß», das aus ihr hervorgeht! ‒
.Wer immerwährend
gebetsbereit
ist, durch die ganze Einstellung seines
inneren und äußeren: ‒ seines
be‐
schauenden und
tätigen Lebens, für
den gehört das wirkliche «
Beten»
ebenso zu seinen Lebens-
Notwendig‐
keiten wie seines
Erdenkörpers irdi‐
sche
Ernährung, und es
bedarf keiner
besonderen Anlässe mehr, um ihn
zum «
Beten» zu bewegen, wenn es ihm
andererseits auch gewiß niemals an sol‐
chen Anlässen fehlen wird...
.Und es sind nicht nur die aneinander‐
gereihten goldenen Kettenglieder be‐
wußter, geformter Gebetshand‐
lungen, die seinem Leben Weihe ver‐
leihen! ‒
.Es ist sein steter Gebets-Wille, der
gleichsam auch dann an seinerstatt
«betet», wenn Alltagspflichten und
äußere Ablenkung das bewußt gestal‐
tete «Gebet» unmöglich werden las‐
sen. ‒ ‒
.Ist man einmal auf dieser Stufe ange‐
langt, dann ist ein Tagewerk undenk‐
bar, das ohne wirkliches «Gebet» be‐
gonnen oder vollendet werden könnte.
.Doch, ‒ es ist gesagt: ‒ «Wenn du
beten willst, schließe dich ein in
deine Kammer!»
.So ist es denn keineswegs nötig, ‒
ja, es würde gegen die «Scham der
Seele» verstoßen, ‒ daß die Umge‐
bung des Betenden um seine Gebets‐
handlungen weiß, es sei denn, daß
mehrere Menschen sich im gleichen
Gebetswillen zusammenfinden und
einer aus ihnen diesem Willen in Worten
Gestaltung zu geben sucht. ‒
.Dann müssen das aber auch Men‐
schen sein, von denen jeder Einzelne
weiß, was wirkliches «Beten» ist, und
jeder muß sein Leben bereits zu steter
Gebetsbereitschaft erhoben haben,
‒ sonst wird gemeinschaftliches Beten
zur hohlen Geste, oder, besten‐
falls, wie etwa bei gemeinsamem
«Tischgebet», zur Befolgung einer
frommen Sitte, die freilich ‒ einst
hervorging aus gemeinsamen Gebets‐
handlungen solcher Menschen, die um
das Geheimnis rechten «Betens» wuß‐
ten, und auch die Ernährung des Er‐
denleibes nicht ohne «Gebet» lassen
wollten. ‒ ‒
.Dem Kinde aber gebe man ruhig
Gebetsformeln, die seinem Fühlen‐
und Empfindenkönnen
angepaßt sind,
ohne vorerst eine
innere Einstellung
von ihm zu erwarten, die
seiner See‐
lenkräfte Konzentration noch über‐
steigt!
.Mit aller Behutsamkeit ist dann der
heranwachsende Mensch zuerst in die
Praxis des
wirklichen «
Betens»
einzuführen, bevor ihm Aufschluß dar‐
über wird, in
welcher Weise hier alles
geistig ineinandergreift.
.So wird er, der bereits
praktisch
beten
gelernt hat, nur noch
Vertrau‐
tes vernehmen, wird ihm die ganze
Lehre in ihrem Zusammenhange zu‐
teil. ‒
Die
Wortgestaltung, die der des
«
Betens» wahrhaft
Kundige seiner
Gebetshandlung jeweilig geben will,
bleibt
ihm allein anheimgestellt.
.Er kann mit gleicher Wirkung sich
an gegebene Gebetsformeln halten,
die ihm vielleicht von der Kinderzeit
her schon lieb und vertraut geworden
sind, wie er auch aus der Fülle seines
Empfindens selbst die Worte formen
kann, und wenn auch ein solches Gebet,
seiner Wortfolge nach, nur ein ergriffe‐
nes Stammeln darstellen würde.
.Obwohl aber wahrlich auch ein sol‐
ches Stammeln zum «Gebete» wer‐
den kann, soll doch nicht der Irrtum
entstehen, als solle wahres Gebet lieber
ein «Stammeln» als geformte Wort‐
folge sein. ‒
.Es handelt sich hier um höchstes
Auswirken geistiger Gesetze und
seine Benützung, so daß schon die
Ehrfurcht vor dem Geistigen gebietet,
auch nach aller Möglichkeit nach for‐
maler Vollendung der Gebetshandlung
zu streben...
.Und weit darüber emporragend sind
noch Wortfolgen möglich, die nach gei‐
stigen Lautwerten geordnet, unsagbar
wohltätig auf die Seele einwirken, so
daß sich ihr «Gebet» gleichsam mit dop‐
pelter Kraft erhebt. ‒ ‒ ‒
Um
was dann, wenn man wirklich «be‐
ten»
kann, zu beten
ist, wird zwar
jeder für sich zu wissen meinen, und
doch ist es nötig, hier noch einiges zu
sagen, soll nicht der gleiche Fehler ad
infinitum begangen werden, den so viele
begehen, die zwar
nicht um das
My‐
sterium des rechten «
Betens» wis‐
sen, aber nach ihrer frommen Art gut‐
gläubig zu beten
meinen, wie sie es
eben verstehen können.
.Da ist es denn fast jedem dieser ver‐
meintlichen Beter geradezu
selbstver‐
ständlich, daß er
zuerst um sein
ei‐
genes Wohl und um das Wohl
derer zu
beten habe, die ihm, ‒ wie man zu
sagen pflegt, ‒ in seinem Erdenleben
«nahestehen»...
.Man hat zwar die Mahnung vernom‐
men: ‒ «Betet für die, so euch has‐
sen und verfolgen!» ‒ ‒ und am
Tage von Golgatha wird mit bedeutsa‐
mer Betonung in den «römischen» Kir‐
chen sogar für die «Ketzer», die
Juden und «Heiden» gebetet, aber ‒
man denkt nicht daran, daß uns, vom
Standpunkt geistig Erwachter her
gesehen, auch unsere Feinde und Ver‐
ächter, wie auch die fernsten Men‐
schen, die wir niemals noch von An‐
gesicht sahen, geistig ebenso ver‐
bunden sind, wie unsere allernächsten
Blutsverwandten, auch wenn wir den
uns Unbekannten, und denen, durch
die uns arges Leid geschah, gewiß nicht
die gleiche Art und den gleichen Grad
der Liebe entgegenbringen können,
‒ was auch wahrhaftig kein göttliches
Gesetz «verlangt», weil es ja selbst
die Unterschiedlichkeit
setzt und
be‐
wirkt.
.Wer aber das
wirkliche «Beten»
lernte, der wird fortan seinen Gesichts‐
kreis
erweitern müssen, um
vor al‐
lem und
zu allererst für zu
«beten», was auf Erden Mensch
werden
will, und Mensch zu
sein sich müht: ‒
was unter der
Tierheit leidet, und was
die Tierheit
zu bändigen sucht! ‒ ‒
.Dann erst wird der Betende an
be‐
stimmte Menschen-
Gruppen denken
dürfen, ‒
danach an seine
Freunde
und
Anverwandten, ‒
sodann an
seine engste
Familie, ‒ und
zu aller‐
letzt: ‒ auch an
sich selbst! ‒ ‒ ‒
.Es ist genau die
umgekehrte Rei‐
henfolge gegenüber
jener, die für un‐
sere Lebenspflichten in
der Außen‐
welt maßgebend ist, denn dort muß der
Mensch zuerst
selbst festen Stand ge‐
winnen, bevor er Verantwortung für
eine Familiengründung übernehmen
kann, ‒ muß zuerst für seine Familie
sorgen, bevor er Anverwandten und
Freunden helfen darf, ‒ und diesen
wieder muß er nicht mehr notwen‐
dig sein, will er ferneren Menschen‐
Gruppen helfen oder seine Kraft dem
Menschheits-Ganzen zur Verfügung
stellen. ‒
.Unbeschreiblich Bedeutendes
hängt für die ganze Menschheit da‐
von ab, daß jeder, der wirklich «beten»
lernte, nun in solcher Weise zuerst für
Alle «betet», bevor er das «Gebet»
auch für seine weiteren und näheren
«privaten» Anliegen einsetzt, ganz ab‐
gesehen von dem rein Persönlichen,
für das er die Hilfe des «Gebets» ge‐
brauchen will...
.Es kann so im Laufe der Zeit wahr‐
haftig zu geistiger Erneuerung im‐
mer größerer Teile der Menschheit kom‐
men, nur durch das «
Gebets»-Wirken
weniger
Einzelner!
.Aber es wird hier nicht bei diesen
wenigen Einzelnen bleiben, denn die
Kraft des
wirklichen «
Gebetes»
weiß in Bälde
alle zu erreichen, die be‐
reits
reif und
gefestigt genug sind, um
«beten»
lernen zu können...
.Derer aber sind wahrlich nicht we‐
nige in heutigen Tagen zu finden! ‒ ‒
Die noch
der Erde Bürde und Müh‐
sal tragen, mögen aber auch
jene nicht
vergessen, die
vor ihnen über diese
Erde gingen, mit gleicher Mühsal und
Bürde belastet. ‒ ‒
.Man wähne
nicht, nun seien sie aller
Sehnsucht nach Hilfe
enthoben, oder,
sie seien erdenmenschlicher Hilfe so ent‐
rückt, daß solche Hilfe ihnen
nichts
mehr nützen könne!
.Ach! ‒ es sind nur Allzuviele,
denen die Hilfe durch wirkliches «Ge‐
bet» gar dringend nötig wäre, da sie
nun in einer seelischen Entwicklungs‐
Phase stehen, die ihnen nicht mehr er‐
laubt, selbst tätig ihr Schicksal zu
fördern! ‒ ‒ ‒
.Wenn in einem alten geheiligten Bu‐
che die Worte stehen: «Es ist ein
heiliger und heilsamer Gedanke,
für die Verstorbenen zu beten, auf
daß sie erlöst werden!» ‒ so darf
man hier wahrlich sicher sein, daß nur
einer diese Worte schreiben konnte, der
hinter die dichte Verhüllung sah, die
dem nicht dafür bereiteten Erdenmen‐
schen den Blick in «das Land ohne Wie‐
derkehr» unmöglich macht...
.Und wenn ich hier jeden, der da
«beten» lernen will, bitte, daß er, so‐
bald er es kann, sein wirkliches «Ge‐
bet» auch für die von dieser Erde
Geschiedenen ein-setze, so spreche ich
kraft meines sichersten «Wissens»,
und keineswegs etwa beeinflußt durch
irgendwelche erdenmenschlichen Vor‐
stellungen vom Leben nach dem Erden‐
tode!
.Aber auch hier möge man daran den‐
ken, zuerst für Alle zu «beten», bevor
man die Kräfte des wahren «Gebetes»
auf Einzelne lenkt! ‒ ‒
.Es trage aber auch keiner etwa Sorge,
daß sein «Gebet» für Einzelne viel‐
leicht vergeblich sein könne, weil
diese Einzelnen der Hilfe nicht mehr
bedürftig seien!
.Hier ist nur zu sagen, daß es unter
denen, die noch irgend ein heute auf
Erden Lebender kannte, oder deren sich
seine Eltern erinnerten, keine einzige
Seele ist, die nicht auf ihrem Wege noch
Förderung dankbar begrüßen würde,
auch wenn sie nicht zu denen gehört,
denen solche Hilfe durch wahres «Ge‐
bet» geradezu «Erlösung» werden
kann. ‒ ‒ ‒
.Auch in jenem Seelenzustand, in dem
sich die «Seele» frei vom Erdenkör‐
per erlebt und den der Sprachgebrauch
das «Jenseits» nennt, ist geistige
Erneuerung, in gleichem Sinne wie
ich das Wort schon vordem erläuterte,
eine stete Notwendigkeit, denn im‐
mer noch erschüttert, nachwirkend,
erdenhaftes Bewußtsein die «Seele»,
während sie zugleich in neuen Erleb‐
nissen vibriert, die sie passiv hinneh‐
men muß, ohne, wie einst auf der
Erde, durch den Erdenkörper aktiv
daran teilnehmen zu können. ‒ ‒
.Die Wenigen aber unter den Geschie‐
denen, die aktiv in der Welt des Geistes
heimisch waren schon zu ihren Er‐
denzeiten, würden die Hilfe des wah‐
ren «Gebetes» wahrlich für Andere
gut zu gebrauchen wissen, würde sie
ihnen etwa zugelenkt...
.Es darf jeder darauf vertrauen, daß
nichts verlorengeht, was da jemals die
Liebe über die Grenze der physisch‐
sinnlichen Welt ins «
Jenseits» sendet.
.Gilt das wahrhaftig schon von jeder
liebedurchdrungenen
Empfindung, ‒
von jedem liebeerfüllten
Gedanken, ‒
so erst recht von der wahrhaft
wun‐
dersamen Hilfe, die durch Ausübung
wahren «
Gebetes» möglich wird! ‒ ‒
So wirkt die rechte Art zu «
beten»,
wie ich hier in diesem Buche «
beten»
lehre, nicht nur
über die ganze Erde
hin, sondern noch
weit über diese
physisch-sinnliche Erscheinungswelt
hin‐
aus!
.Das wirkliche «
Gebet» verbindet
alles Seelische, das den Geistesfunken
in sich trägt, im
sichtbaren wie im
unsichtbaren Kosmos, und bringt
Kraftströme zur Wirksamkeit, die,
auf dem Wege über die ihnen gesetzten
Stationen, in Wahrheit zuletzt das Herz
des absoluten ewigen Seins errei‐
chen, um von dort aus mit «Gnade»
gleichsam «geladen» zurückzufluten
auf den Betenden und alles, worauf sein
«Gebet» gerichtet ist...
.Das wirkliche «Gebet» läßt die
«Himmelsleiter» erstehen, die im
Innern des Menschen dann aufragt,
hinauf bis zum innersten Urseins-Wil‐
len, ‒ jene «Himmelsleiter», die es
den hohen Hierarchien des Geistes mög‐
lich macht, das ewig leuchtende Licht
herabzubringen bis in des Erdenmen‐
schen irdisches Erleben! ‒ ‒ ‒
.Das wirkliche «Gebet» ist die
höchste Verherrlichung der ewigen
Liebe, ‒ liebend dargebotene Ver‐
einungsmöglichkeit mit der ewigen
schöpferischen Allgewalt, die aus der
Urliebe ewig neues
Leben zeugt...
.So ist es für den Erdenmenschen wahr‐
lich nur
Erfüllung heiligster
Pflicht,
wenn er sich strebend müht, das wahre
«
Beten» zu lernen.
.Heil und
Segen wird
ihm und
aller
Seele aus solchem «
Beten» ersprießen,
und mehr und mehr wird sich durch sol‐
ches
wirkliches «Gebet»
der Erde
Antlitz geistig neu gestalten, zum
Wohle derer, die einst
nach uns kom‐
men. ‒ ‒ ‒
.Bereiter der
Zukunft sind alle, die
wahrhaft zu «
beten» wissen! ‒
.Sie sind die
Vorläufer und
Weg‐
bereiter des , der
schon mit Ungeduld auf Erden
Dasein
verlangt, aber erst erscheinen
kann,
wenn er die Erde für seine
neue Weise
Mensch zu sein,
bereitet findet! ‒ ‒
.Ihm wird das wirkliche «
Beten» auf
Erden
Heimat schaffen, ‒
ihm: ‒
dem
neuen Menschen, der da alles,
was dermalen noch zerspalten und zer‐
rissen ist,
vereinigt, weil er nur noch
aus der lebt! ‒ ‒ ‒
* *
*
Heilige Heerschar!
Hüte heute
Meinen neuen Tag!
Hohe Hilfe helfe
Mir,
Dem Vertrauenden,
Tun meine Tat!
Rein ist mein
Fühlen: ‒
Es
bleibe rein!
Straff mein
Denken: ‒
Es
bleibe gestrafft!
Klar meine
Rede: ‒
Sie
bleibe klar!
Ich unterwerfe
Mein
Denken
Der
Liebe!
Ich unterwerfe
Meine
Worte
Der
Liebe!
Ich unterwerfe
Mein
Handeln
Der
Liebe!
*
I
Dank dem
Erzeugenden
Für das
Erzeugte! ‒
Geweiht sei Speise,
Geweiht sei der Trank
Urewiger Liebe!
II
Gabe der Erde,
Erhalte der Erde
Was
ihr gehört! ‒
Werde
Segen
Leibhaftem Leben!
III
Kraft des Lebens!
Wirke das
Wunder: ‒
Wandle,
Was ich
vernichte,
Was ich
zerstören muß,
Mich zu erhalten, ‒
In weisen Willen!
*
O Glück der
Ruhe!
Glück der
Stille!
Glück der
Nacht!
Nach
Tagesmühe,
Tageslärmen,
Tagesdrängen,
Müd' gemacht,
Sehnt
Seele sich
Und
Leib,
Nun
auszuruhen
Auszuklingen
Auszuschwingen.
Nun ist
vollbracht
Der
Erde Werk!
Seele!
Kehr'
bei dir selber ein!
Lerne
Den Leib nun
vergessen!
Laß ihn
Auf seinem Lager
ruhn!
Hehrer Hüter heilige Hut
Hütet ihn vor Schaden.
Du aber, ‒
Seele, ‒
Bete
Unterdessen!
*
Frei!
Frei geworden,
Fressender Frage!
Frei geworden,
Wühlender Wünsche!
Also befreit,
Will ich
Herr
Dir Sein, ‒
Will dich
Beherrschen,
Du,
Mein Glück!
Dank dem,
Das dich
Mir
sandte!
Dank dem,
Das mich
Dich schaffen ließ!
Doch ‒
dienen ‒
Will ich
Dir
nicht!
Willst du an mir
Den
Knecht,
So wirst du mich
Verlassen müssen, ‒ ‒
Denn ich will
Frei sein,
Auch von
dir!
*
Helft mir!
Helft mir,
Wenn ihr
Helfen
könnt!
Helfende Mächte!
Hilfreiche Helfer!
Ihr wißt,
Wie harte
Not
Mich schlägt, ‒
Wie
Sorge
Boshaft
Mich bedrängt!
Ihr
werdet
Hilfe
bringen, ‒
Wenn ihr
Könnt!
Doch: ‒
Ist es euch
Versagt,
Die Last von mir zu heben,
Die mein Rücken trägt, ‒
Dann
Helft mir nur
Sie
tragen!
Geh' ich auch
gebückt,
So will ich doch nicht
Fallen!
Will willig
Tragen,
Was ich tragen
Muß, ‒
Und will nicht
Murren,
Will nicht
Klagen!
*
Urewige Liebe!
Löse
Aus
Not
Und
Bindung,
Aus
Blindheit
Und
Nacht,
Aus
Qual
Und
Bann,
Was
meine Liebe
Und
meine Kraft
Nicht lösen kann!
Ergieße
Du
Aus
Deiner Kraft
Macht in müden Willen,
Selbst das Leid
Zu stillen,
Soweit es
Wille
Stillen
kann!
Sende
Hilfe
Hoher
Helfer, ‒
Wehrender Wächter!
Übel
weiche!
Drangsal
fliehe!
Weh'
vergehe!
Not
Sich wende!
Böses
Ende!
Gefahr
Und Betörung
Vorüberziehe!
Finsternis
Schwinde!
Licht
Überwinde!
Daß diese Seele
Werde
frei, ‒
Bald
Aller Bande
Ledig sei!
*
Hohe Helfer!
Lichteslenker!
Mächtig,
Unsichtbar
Um mich zu sein. ‒
Euch rufe ich
Aus meiner Pein!
Ich rufe um
Rettung!
Ich
will nicht
Verloren sein!
Ach!
Daß doch
Einer
Bei mir sei, ‒
Mache mich
Von mir selber
Frei! ‒ ‒
Einer
Aus Euch!
Mich
fasse,
Nicht lasse, ‒
Mich
rette
Aus böser Bindung
Qualvollen Banden!
Mich löse
Aus Drang und Trieb!
Daß er
verjage
Höllische Plage,
Die
Urteil trübt,
Betörung übt,
Unheil verhängt,
Zum Argen drängt,
Sinn verwirrt,
Willen beirrt!
Helfe mir
Hüter!
Halt' meine Hand!
Bis ich mich
Selbst
Dem Wahn
Entwand!
*
Lenker im
Lichte!
Seht mich
bereit!
Bereit im
Willen!
Bereit
Alle Mühe
Zu überwinden!
Zur
Tat
Bereit!
Pflicht erkennend
Werde ich
wirken,
Was
werden will
Aus meiner Kraft!
Was ich
vermag,
Und nicht vermag,
Kommt nun zutag.
Daß
Eure Kraft
Vollendung schaffe,
Wenn ich erschlaffe, ‒
Ist meine
Bitte:
Ist mein
Gebet!
Laßt mich
Nichts schlecht tun!
Laßt alles mich
Recht tun!
Laßt mich
nicht wanken!
Lenkt meine Gedanken!
Lehrt mich
Vollbringen!
Lasset das
Werk
Durch mich
Gelingen!
Ihr hohen Helfer!
Ihr Lenker
Im Licht!
*
Nicht mehr
beten,
Nicht mehr
rufen, ‒ ‒
Schreien...
Kann ich nur
Um Licht!
Verwirrt,
Verirrt,
Vermag ich nicht
Mich noch
Zurechtzufinden
Im tiefen Dunkel
.um mich her.
Zerquält,
Verängstet,
Schreie ich: ‒
Schreie
Um Licht!
Lichte Liebende
Laßt nicht
allein
Mich in Marter
Wilder Verzweiflung!
Trostberaubt!
Selbst vom
Scheine
Scheinbaren Trostes
Längst
verlassen!
O betet
Ihr für mich,
Die Ihr
Im
Lichte lebt, ‒
Denn
ich ‒ ‒
Kann nicht mehr
Beten!
Hört mich!
Erhöret
Meinen Schrei!
Ich
schreie zu Euch, ‒
Schreie
Aus meiner tiefen,
Tiefen
Not
Um Licht, ‒
Auf daß ich...
Wieder...
Beten könne!!
*
Kalt, ‒
Starr, ‒
Verstummt, ‒
Liebe ich
Dennoch,
Was ich
vordem
Liebte: ‒
Einst
warm
Belebt, ‒
Beredten Mundes...
Ehedem
Lichter
Seele
Lebenslang
Träger
Und
ausdruckswillige
Darstellung.
Schaurig, ‒
Noch
unerfaßlich, ‒
Daß
dieses nun
Verwesen muß! ‒ ‒
Daß diese lieben Formen
Nun
vernichtet werden! ‒ ‒ ‒
Grauenvoll
Fühle ich
Irdische Vergänglichkeit:
Nun aber
Betet
Meine
Liebe
Für
dich
Du lichte
Seele, ‒
Der dieses Kalte,
Starre,
Nicht mehr dienen kann, ‒
Daß dir sogleich
Die hohen Helfer
Sich
erkennbar zeigen,
Damit du
Ohne Säumen
Deinen Weg zum
Lichte findest: ‒
Selbst Licht wirst,
Wie du
Licht
Von Anbeginn
Einst warst!
Leitet,
Lenkt
Und
lehret,
Ihr leuchtenden Lehrer
Erhabenster Lichtwelt!
Führet
Zu höchstem Ziele: ‒
Zu
lichter Vollendung
In ewigem Geiste, ‒
Was ich
liebe
Mit aller Liebeskraft,
Jetzt, ‒ wie
einst!
*
Fragende Augen, ‒
Nie gewesen,
Nie wiederkehrend, ‒
Noch
fasset ihr
nicht
Was sich euch zeiget
In irdischem Licht!
Möge
Segen
Euch erregen,
Voll Vertrauen
Bald zu schauen,
Sonnendurchhellt,
Eure Welt!
Möge reinen
Geistes Walten
Seele sich in euch gestalten, ‒
Was noch «
schläft» in euch
Entfalten!
Liebende Schützer
Schützt dieses Kind! ‒
Lenket sein Werden
Hier auf Erden
In lichte Bahn!
Führt dieses Leben!
Leitet sein Streben
Durch lange,
Freudige
Erdenzeit
Stets näher ewigem
Leuchten entgegen! ‒
Behütet es
Auf allen Wegen,
Bis es
beglückt
Einst, ‒
Der Erde entrückt, ‒
Mit Euch vereint,
Im Lichte aufersteht
Für alle Ewigkeit!
*
Dank Dir
Quelle aller Freude, ‒
Urewiges Licht
Lebenspendender Liebe, ‒
Dafür,
Daß ich
Erleben durfte,
Was heute mich
Beglückt, ‒
Mich aller Klage nun
Entrückt, ‒
Erfüllung ward
Hoffen und
Traum!
Noch
fasse ich kaum,
Daß das Erlangte sich
Als
Wirklichkeit erweist.
Ihr aber:
Liebende,
Im Geist,
Ihr,
Die ihr
Weg
Und
Weise kennt,
Ihr,
Die Euch
Liebe
Helfen heißt, ‒
Sendet mir,
Helfer,
Eure Kraft!
Lehrt mich
Erkennen
Wie ich
Meiner Freude
Würdig werde!
Laßt mir zum
Segen sein
Was diesen Tag mir hellt!
O laßt mich nicht
Allein!
Allein mit meiner
Freude!
Schützet,
Schützer
Meine Seele,
Daß nicht
Übermut
Sie nun befällt!
*
Innerstes Leben!
Sein meiner selbst!
Du
lichter Stern
Urgöttlichen Lichtes
Im Erdendunkel!
Du,
Dessen «
Bild»
Ich bin, ‒
Irdisch verflochten
Dem Irdischen, ‒
Mich selbst
Nicht fassend: ‒
Nur
in Dir
Von
Dir
Gefaßt!
Weit
Ward ich mir, ‒
So, wie ich bin
In Dir, ‒
Weit ward ich mir
Entrückt!
Wo ist mein
Weg? ‒
Mein Weg
Zu mir, ‒
So wie ich
Ewig
Bin
In Dir!?
O
helfe mir!
Lass' nicht
Dein «
Bild»
Durch Irdisches
Ver-
bilden!
O laß
zurück mich
Zu mir selber
Finden! ‒ ‒
Zu Dir,
Du
Licht in mir!
Löse
Meine Selbstverflechtung!
Befreie
Aus des Irrtums Knechtung,
Was nur
mit Dir
Vereint
Das
Leben finden kann!
*
Von allem Trost verlassen
Rufe ich,
Rufe ich zu Dir: ‒
Du Licht der Ewigkeit!
Du Licht des Lebens, ‒
Licht der Liebe!
Lass'
nicht
In schwarzer Lichtnot
Nachten
Seele
Und Sinn!
Erhelle
Das
Trübe!
Erlichte
Das
Dunkel!
Laß mich
Erleuchtung
Erlangen
In Dir!
Sende,
Die in Deinem Lichte
Leuchten
Mir
Auf meinen Weg!
Heiße sie achten
Auf mein Suchen:
Mein Suchen
Nach Licht!
Willig folge ich
Führender Hand!
Willig ersteige ich
Steile Pfade!
Entführet mich
Führer
Finsterem Land!
Führt mich
Ins Licht: ‒
In das Leuchten
Der Gnade!
*
Väter im Lichte, ‒
Heilige Helfer, ‒
Hilfreich nahe
Allem,
Was nach Rettung ringt!
Inbrünstig ‒
Bebenden Herzens ‒
Sei
Dank
Euch dargebracht!
Aus drohender Nacht
Zum Lichte erwacht, ‒
Aus Not errettet,
Gefahr entrissen,
Losgekettet
Aus feindlicher Macht, ‒
Sei nun mein Leben
Euch übergeben!
Eurer Wacht
Sei anvertraut,
Was Ihr
In mir
Aus meinem Streben
Nun
auferbaut!
Lasset des
Dankes
Tempel werden
All mein Dasein nun
Auf Erden!
*
Schaffende,
Bauende,
Werkwissende
Meister!
Weist mir
Rechte Weise
Wie ich
Wirkend
Werk
Vollende!
Ihr,
Die ihr
Maß
Und
Zahl
Erkennt, ‒
Verborgenstes
Bei
Namen nennt, ‒
Gebt
Einsicht,
Kraft
Und auch
Geduld!
Begnadet mich
Aus hoher Huld!
Daß nichts mir
Mißlinge!
Daß alle Dinge
Die
Werk
Ergeben,
Sich unter meiner Hand
Vollenden wollen
Und
zum Werk
Erheben! ‒ ‒ ‒
*
Laßt mich nicht
Im Nichts
Versinken!
Nicht
Im Schein
Ertrinken!
Soll mich nicht
Gedanke
Binden, ‒
Soll ich
Wahrhaft
Weisheit
Finden, ‒
Muß ich
Hilfe
Mir erbitten,
Weise Wissende,
Bei
Euch!
Die Ihr
Allein
Mir
Wege wißt
Aus Irrung
Und Verwirrung.
Weist
Wissend Liebende
Liebreich
Licht!
Laßt mich
Erkennen
Wahres Wesen
Wahrhaftiger
Wirklichkeit!
Aus Trug
Und Schein
Führt mich,
Ihr Leuchtenden,
In ewig wahre
Weisheit ein!
*
Vater aller,
Die Dich
glauben!
Der
Du bist,
Da
Du
Dich
glaubst! ‒
Der
Du
Glaubend
Leben zeugest
Wie
Du
Glaubend,
Selbst Dich zeugend,
Selbst Dir
Licht
Und Leben bist!
Erwecke Glauben
Auch in mir,
So, daß ich
Wahrhaft
glauben lerne, ‒
Glauben,
Gleich Dir!
Überlichte,
Über-
zeuge mich
Aus Dir!
Zeuge
Leben, ‒
Zeuge
mich
In mir!
Lass'
mich
Glaubend
Dich erlangen!
Daß ich nicht,
Von Nacht umfangen,
Beute werde
Meiner Glaubensnot!
*
Hart bedrängt
Durch zähen Zweifel,
Vater,
Rufe ich zu
Dir!
Sende bald
Durch Deine Boten
Deine hohe
Hilfe mir!
Gib verstörtem Herzen
Gnade! ‒
Licht im Urlicht,
Leite Du
Licht
Aus Deines Leuchtens Fülle
Mir auf meine
Erdenpfade!
Daß ich
klar
Das Rechte sehe,
Trug von Wahrheit scheiden lerne,
Mich nicht
weiter noch
Entferne,
Und nicht
Irre Wege gehe!
*
Noch ist mein Glaube,
Wie Röhricht im Winde,
Immerfort schwankend...
Bald aufgerichtet,
Bald niedergedrückt...
Bald kann ich
Glauben,
Gleich einem Kinde. ‒
Bald ist mir alles
Wieder entrückt.
Sehnend
Suche ich
Sicheren Grund,
Um fest
Wie ein Fels
Zu stehen...
Bin
Denkensmüde
Bin
Herzenswund, ‒
So kann es nicht
Weitergehen!
Ihr
Die Ihr
In Gewißheit lebt!
Helft mir
Aus solcher Pein!
Gebt meinem Glauben
Festen Stand!
Führet mich,
Führer,
An fester Hand
In Eure
Gewißheit ein!
*
Willig
Will ich
Auf mich nehmen,
Was mein
Wille
Nicht mehr
Wendet, ‒
Auch wenn das,
Was mich
Verwundet,
Meine Erdentage
Endet!
Alles
Was ich
will
Und
hoffe,
Ist,
Daß diese Erdenplage
Die ich mit
Geduld
Ertrage,
Mir noch soviel
Kraft belasse,
Daß ich stets
In Klarheit fasse: ‒
Wie alles Leid
Mich nur befreit
Aus Erdenhörigkeit.
*
Euch,
Die ihr
Erdenleibes ledig,
Nun
Seelenleibhaft euch
Erlebet, ‒
Nahe noch
Irdischem,
Dennoch
Erdentrückt, ‒
Euch
Leite Liebe
Lichter Leitung zu!
Liebe
Löse
Irdischen Bann!
Lichtes
Vertrauen
Lehre euch fassen
Hilfreiche Hände
Erdnah verharrender
Hoher Helfer, ‒
Heiliger Liebender!
Erdhafte Hemmung
Bleibe zurück!
Wahn
Werde
vergessen!
Wille werde wach!
Enthaftet
Aller Haftung,
Frei
Aller Fesselung,
Folget
In Freude
Weiser Führung
Leuchtender Führer!
Daß bald euch
Erleuchte
Ewiges Licht!
*
ENDE
DAS
GEHEIMNIS
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
(Anm.: Erstausgabe 1923)
Um den Forderungen des Urheberrechtes zu entsprechen, sei
hier vermerkt, daß ich im zeitbedingten Leben den Namen
Joseph Anton Schneiderfranken führe, wie ich in meinem ewigen
geistigen Sein urbedingt bin in den drei Silben:
BÔ YIN RÂ
Copyright by
Kobersche Verlagsbuchhandlung Basel 1952
Druck: Adolf Holzhausens Nfg., Wien
Allen Suchenden der Welt!
SÜDLICHER Sonne greifbares, lagerndes
Licht hatte die Augen der drei Wanderer
also der Helle trunken werden lassen, daß sie
zuerst wie geblendet standen und in dem
dunklen Gastraume der ländlichen Osteria
nichts als tiefe Finsternis gewahrten.
.Drinnen aber hatte man die Eintretenden
bereits als vornehme Reisende erkannt und
so kam es, daß etwas wie jäher Schreck sie
durchfuhr, als plötzlich aus der Tiefe des
Raumes die polternden Tonkaskaden des
landesbeliebten Drehorgelklaviers ihnen in
burleskem Pathos entgegenschallten.
.Zugleich auch löste sich aus der Düsternis
eine große massige Gestalt, die ihnen beide
Hände zum Gruße bot.
.Es war zwar zu bemerken, daß die Gestalt
so etwas wie Worte der Begrüßung sprach
und nicht wenig stolz zu sein schien auf den
lärmenden Empfang, den sie den Reisenden
bereiten ließ, allein hier ging jedes Wort der
klangreichen Sprache des Landes in einer
Sturmflut tollen Geklimpers und bumsender
Paukenschläge, prasselnder Trommelwirbel
unter.
.Durch Zeichen nur konnten die Gäste
ihrem fettbäuchigen Gegenüber, in dem sie
den aufmerksamen „Padrone”, den Gast‐
wirt, erkannten, allmählich begreiflich ma‐
chen, daß er den wilden Lärm doch endlich
beseitigen möge, und nachdem der Verste‐
hende schweren Schrittes wieder in der Fin‐
sternis verschwunden war, riß plötzlich das
Tongewirre mitten entzwei.
.In der überraschenden Stille hörte man
den Alten Befehle erteilen, auf die eine klare
Knabenstimme gehorsame Antwort gab.
.Alsbald gewahrten die nun mehr und
mehr an das Dunkel gewohnten Augen der
Reisenden denn auch den unschuldigen Ver‐
ursacher so grausamen Lärmens, wie er ‒
ein behender schwarzer Krauskopf der etwa
elf oder zwölf Jahre zählen mochte ‒ noch
ganz erhitzt von dem eifrigen Drehen des
Schwungrads seiner tumultuösen Maschine,
bestrebt war, die Krümel der Mahlzeit frü‐
herer Gäste von dem grünen Tuche wegzu‐
blasen, das den zunächst stehenden Tisch be‐
deckte.
.Nun erst konnte man auch dem in schwer‐
fälliger Grandezza dienernden Padrone seine
Wünsche nach einfacher, landesüblicher Er‐
quickung vermitteln, und es dauerte nicht
mehr lange, da saßen die drei Männer auf
den strohbeflochtenen primitiven Stühlen
um den grünen, mit unzählbaren Spuren ver‐
gossenen Weines und Olivenöles gesprenkel‐
ten Tisch, vor sich die schilfumhüllte lang‐
halsige Flasche, deren vorzüglicher Inhalt:
ein tintig dunkler Chianti, bereits die klei‐
nen Wassergläser füllte.
.Käse, Oliven und weißes Brot, jeweils al‐
les zusammen auf drei altersgrauen Stein‐
guttellern, bildeten das ersehnte Mahl.
.Der Padrone und sein kleiner Sohn waren
nach der Bereitstellung dieser Genüsse dis‐
kret in unbekannte seitliche Schlupfwinkel
verschwunden; man aß und trank und fand
sich zuletzt sehr angeregt, das beim Eintritt
in diesen Gastraum abgebrochene Gespräch
nun fortzusetzen.
.Süßlich aromatischer Duft orientalischer
Zigaretten erfüllte bereits das niedere Ge‐
wölbe und dünne Streifen bläulich-weißen
Rauches umzogen spielend den ragenden,
bastumschnürten Hals der Chiantiflasche.
.So war die Atmosphäre zu gewissen träu‐
merischen Betrachtungen recht geeignet.
.Man glaubte alsbald zu fühlen, daß sich
hier wohl besser über alle die mysteriösen
Dinge reden lassen wollte, über die man vor‐
dem nicht ins Reine gekommen war, als
draußen im allzu unbarmherzig klaren Son‐
nenlicht.
*
.„Ich bleibe bei meiner Behauptung”, be‐
gann der älteste der drei Männer, „und wenn
mir selbst auch jede diesbezügliche Erfah‐
rung fehlt, da ich nie dergleichen erlebte, so
zeugen mir doch namhafte Gelehrte fast aller
Kulturnationen genugsam dafür, daß an die‐
sen Erscheinungen, die uns moderne Men‐
schen wie Spukszenen aus alten Märchen an‐
muten, irgend etwas Wahres sein muß.
.Unmöglich können diese nüchternen Ex‐
perimentatoren, die oft sogar mit Hilfe fein‐
empfindlichster Instrumente ‒ ganz abge‐
sehen vom photographischen Apparat ‒
solche Phänomene prüften, allesamt einer
groben Täuschung erlegen sein!”
.Der Jüngste, ein Mann von etwa dreißig
und einigen Jahren, entgegnete mit leichter
Unruhe in der Stimme:
.„Gewiß sind Sie im Recht, und ich sagte
Ihnen ja schon vorhin, daß alle Zeugnisse
der Wissenschaft, so wichtig sie Ihnen auch
erscheinen mögen, für mich ganz überflüssig
sind, denn es begab sich einst in meinem Le‐
ben, daß ich alles das, wovon Sie uns vorher
auf Grund der von Ihnen eingesehenen Be‐
richte erzählten,
selbst zu erleben Gelegen‐
heit fand; ‒ ja, ich vermisse in Ihren Be‐
richten noch gar Vieles, das weit staunen‐
erregender sich anhören ließe und das ich
dennoch selbst erlebte!”
*
.„Wenn ich Sie nicht als einen Menschen
kennen würde, der mit beiden Beinen so fest
auf unserer geliebten lachenden Erde zu ste‐
hen weiß”, wandte der dritte nun ein, der,
von fester, gedrungener Statur, ganz wie ein
biederer italienischer Landpfarrer wirkte,
„so müßte ich wahrhaftig glauben, mein jun‐
ger Freund, Sie seien da die Beute recht ge‐
fährlicher Halluzinationen geworden!
.Ich begreife es, offen gestanden, nicht, daß
ein Mensch wie Sie, der doch gar nichts vom
tagfremden Träumer an sich hat, allen Ern‐
stes die spukhaften Phänomene, von denen
unser lieber alter Bibliothekar da so viel zu
erzählen weiß, für bare Münze nimmt und
nun gar noch selbst behauptet, dergleichen
sei ihm nicht unbekannt!
.Aus Ihnen wird man überhaupt nicht
recht klug!
.Bald geben Sie sich ganz wie ein Mensch
des zwanzigsten Jahrhunderts, den man auch
den realsten Problemen gegenüber vernünf‐
tig urteilen hört, und dann wieder könnte
man denken, man hätte irgend einen indi‐
schen Dschungelfakir vor sich, der nichts
von der Welt kennt, oder einen wieder‐
gekehrten Mönch aus einer mittelalterlichen
Klosterzelle ‒ obwohl Sie doch sonst wirk‐
lich mit der Weltflüchtigkeit solcher Men‐
schen nichts gemeinsam haben!” ‒
*
.Da der Weißbärtige, der sich mittlerweile
eine Virginia angezündet hatte, aus der er
dicke Rauchwolken sog, augenscheinlich
jetzt lieber zuhören als reden mochte, nahm
der Jüngere wieder das Wort und sprach:
.„Wohl kann ich es begreifen, daß man‐
ches an mir Ihnen widerspruchsvoll er‐
scheint, aber andererseits finde auch ich kei‐
nen Grund, weshalb ein Mann, der so das
Leben kennt wie Sie, gerade vor allem
Über‐
sinnlichen sich der Klarheit seines Blickes
selbst beraubt, nur weil es ihm nun einmal
als ausgemachte Tatsache gilt, daß es derlei
Dinge nicht geben könne!
.Warum versuchen Sie nicht selbst diesen
Dingen auf den Grund zu kommen, oder sich
wenigstens zu überzeugen, daß Andere ein‐
wandfreie Beweise erhielten?!
.Mir scheint solche voreingenommene Skep‐
sis wieder sehr schlecht zu
Ihrem sonstigen
Wesen zu passen, nachdem Sie mir doch oft
genug erklärten, daß nur
Erfahrung Ihnen
als ausreichender Grund für jede Erkenntnis
gelten könne! ‒”
*
.Und der Andere gab ihm die Antwort:
.„Ja, wenn es hier Erfahrungen zu machen
gäbe, die man jederzeit nachprüfen kann!
.So aber braucht man zu alledem, was Ihr
hier 'Erfahrung' nennt, die seltsamste Vor‐
bereitung und weiß hinterdrein immer noch
nicht, ob man nicht doch genarrt wurde!
.Außerdem aber ist mir dieser ganze Er‐
fahrungskomplex in tiefster Seele zuwider!
.Was kommt denn bestenfalls dabei her‐
aus?! ‒
.Angenommen, Sie selbst und die Gewährs‐
männer unseres verehrten Freundes seien
tatsächlich nicht getäuscht worden, so wer‐
den Sie mir doch zugeben, daß alle die be‐
richteten Phänomene außerordentlich al‐
bern und praktisch wertlos sind!
.Was soll mir zum Beispiel ein tanzender
Tisch, der gelegentlich auch nach dem Al‐
phabet ganze Predigten herunterklopft?
.Mir ist ein Tisch, der feststeht, wie dieser
hier, entschieden lieber, und es scheint mir
mehr der Natur eines Tisches zu entsprechen,
festzustehen, statt zu tanzen!
.Will ich aber eine fromme Predigt hören,
so gibt es dazu alle Sonntage bessere Ge‐
legenheit; und wenn der Prediger dann
nichts taugt, so weiß ich doch wenigstens, mit
wem ich es zu tun habe!
.Meinetwegen mag es Kräfte geben, die
ihrer selbst bewußt sind und sich herbei‐
lassen, auf Wunsch Tische tanzen zu lassen
oder salbadernde Offenbarungen zu klopfen,
‒ dann aber verbitte ich mir das Eindringen
dieser Herrschaften in meinen wohlgerunde‐
ten Lebenskreis, und wenn es ihnen jemals
einfallen sollte, ihn stören zu wollen, ohne
gerufen zu sein, dann bin ich überzeugt, daß
ich ihrer Herr werde!
.Besser mit Kindern 'Blindekuh' spielen,
als dieses Gelichter, falls es wirklich existiert,
auch noch selbst herbeizurufen!
.Und was ist's mit all den anderen Phäno‐
menen?
.Da sitzt, nach den Erzählungen, so irgend‐
ein armer Kerl, oder ein halbhysterisches
Frauenzimmer ‒ Eure sogenannten 'Me‐
dien' ‒ die halbe Nacht, in einem mehr oder
weniger seiner Sinne gerade noch mächtigen
Zustand, vor Stößen von Schreibpapier und
bewundert erstaunt, was seine Hand auto‐
matisch niederschreibt als Kunde aus der
'Geisterwelt', oder gar als angebliche 'gött‐
liche Offenbarung'. ‒
.Bei Licht besehen ist dann das ganze Ela‐
borat eine Beispielsammlung von Platti‐
tüden, oder, wenn es hoch kommt, ein Sam‐
melsurium aus allerlei frommen Traktätchen
und halbverdauten philosophischen Brocken.
.Ich muß sagen, daß mir keine Höllen‐
strafe, die sich die Alten ausgedacht haben,
so entsetzlich erscheinen kann wie die Vor‐
stellung, ein Mensch, der ein halbwegs an‐
ständiges Leben hinter sich hat und dann für
immer die Augen schließt, könne im Jenseits
auf diese Weise zur Freibeute irgendwelcher
Leute unter den Zurückbleibenden werden,
denen an der Erlangung solcher Botschaften
gelegen ist.
.Geradezu gotteslästerlich aber wird die
Sache, wenn derartiges Zeug, als göttliche
Offenbarung ausgegeben, die Gehirne be‐
nebelt!
.Zum Teufel, wo er hingehört, mit einem
'Gott', der nichts Besseres zu sagen hat und
diese Irrlichtereien braucht um sich mit‐
zuteilen!
.Was Euch aber offenbar am meisten impo‐
niert: diese physikalischen Kunststücke und
das Materialisieren menschlicher Formen, so
fällt das für mich am allerwenigsten ins Ge‐
wicht, denn hier kann ich als Physiker auch
noch mitreden, und wenn ich einmal anneh‐
men will, daß keine Beobachtungsfehler vor‐
liegen, daß Ihre 'Medien' auch nicht schwin‐
delten, dann stehe ich hier bestenfalls vor
Bekundungen eines noch unentdeckten Tei‐
les der physischen Welt, aber keineswegs
habe ich es mit dem 'Geisterreich' zu tun!
.Wenn ich es nicht verstehen kann, daß ein
vernünftiger Mensch mit gesunden Sinnen
dieses Pseudogeistertheater ernst nimmt, so
soll dies durchaus kein Leugnen der beob‐
achteten Erscheinungen sein.
.Ich verwahre mich nur gegen die Erklä‐
rung dieser Manifestationen, als seien es
Zeugnisse für die Existenz einer geistigen
Welt, und es ist mir unfaßbar, wenn ein
Mensch mit einiger Kritikfähigkeit hier nicht
merkt, woran er ist!
.Ich bin wirklich keinem religiösen Dogma
mehr verpflichtet, aber gegenüber der Be‐
griffsverwirrung, die dieses angeblich 'nach‐
weisbare' Jenseits Ihrer okkulten Phäno‐
mene anrichtet, erscheinen mir doch die
frommen Geschichten, die meine Kinderzeit
mit Poesie und himmlischem Glanz um‐
gaben, voll reinster Weisheit!
.Welcher Wust von Aberglaube wird da
heute für den kernhaften frommen Glauben
der Alten eingetauscht! ‒ ‒
.Wenn ich mich nicht mit den okkulten
Phänomenen beschäftige, mein junger
Freund, so geschieht es wahrhaftig nicht aus
Ignoranz, sondern weil mir das Zeug zu
dumm ist, weil ich Besseres zu tun habe,
als die Offenbarungen derartiger 'Geister'
zu erforschen!
.Ich trage in mir eine zu hohe Vorstellung
vom menschlichen Geiste, als daß ich ihn
eines solchen Verkommens für fähig halten
könnte, wie es nötig wäre, wenn diese Theo‐
rien stimmen würden, und wir hätten es bei
irgendwelchen okkulten Phänomenen mit
den Geistern ehemaliger Erdenbewohner zu
tun!
.Ich bin kein Theologe und weiß infolge‐
dessen auch nichts mit den Formeln anzu‐
fangen, mit Hilfe derer man die Gottheit
analysieren zu können glaubt wie ein che‐
misches Präparat, aber:
ich glaube '
Gott'
in mir zu fühlen, und darum erscheint es
mir wie die greulichste Blasphemie, wenn
man die Stimmen, die aus diesen ewigen
Nachtgefilden der Natur herüberraunen,
auch gar noch als 'Gottesoffenbarungen' wer‐
tet, die Bibel und anderer Völker heilige
Schriften zum 'Beweis' heranziehen will,
oder gar das religiöse Genie, sofern es sich
in großen Menschengestalten zeigte, mit 'Me‐
dien' und Somnambulen vergleichen möchte!
.Das alles ist mir zu
absurd, und da ich
keinerlei geistigen Gewinn für die Mensch‐
heit herausschauen sehe, auch wenn in allen
Häusern den okkulten Phänomenen nach‐
geforscht würde, ‒ dagegen unermeßlichen
Schaden dadurch verursacht wüßte, ‒ so
glaube ich, daß es besser wäre, man ließe die
Hände von diesen Dingen, zumal es ja noch
genug in der Natur zu erforschen gibt, und
unsere eigene Seele auch den Klügsten noch
ein Buch mit sieben Siegeln ist! ‒ ‒
.Vielleicht, liebe Freunde, werden Sie mich
jetzt besser verstehen!? ”
*
.Noch während der also Redende sich ver‐
nehmen ließ, konnte man auf dem Antlitz
des Jüngeren den immer mehr sich verstär‐
kenden Ausdruck überraschter Freude be‐
merken, während der Ältere öfters bedächtig
das Haupt zur Seite neigte und in allem er‐
kennen ließ, daß er während der ganzen Er‐
örterung nach
Gegengründen suchte, da‐
mit seine eigene Auffassung nicht aus dem
Felde geschlagen werde.
.Kaum war dann das letzte Wort verklun‐
gen, so begann er mit seiner Erwiderung:
.Diese Auffassung der Dinge lasse sich ja
begreifen, meinte er, obwohl sich vielleicht
doch auch noch allerlei Einwände machen
ließen, ‒ aber alles, was da zur Sprache ge‐
kommen sei, betreffe doch lediglich den so‐
genannten „Spiritismus”, während ‒ was
sein Freund offenbar nicht wisse ‒ der
eigentliche wissenschaftliche Okkultist allen
diesen Phänomenen nur als Beobachter
gegenüberstehe und sich, sofern er ernst zu
nehmen sei, vorläufig jeder Hypothese ent‐
schlage, die etwa von anderer Seite zur Er‐
klärung herangezogen werde.
.Es seien doch auch von verschiedenen,
sehr bedeutenden Gelehrten Erscheinungen
an Somnambulen beobachtet worden, bei de‐
nen selbst die geistergläubigsten „Spiri‐
tisten” keinesfalls an die Mitwirkung von
„Geistern” dächten.
.Und er setzte seinen Gedankengang fort
indem er sprach:
.„Meinetwegen sollen Sie, was die 'Geister'
verstorbener Menschen anlangt, oder die
'göttlichen Offenbarungen' die man so zu er‐
halten glaubt, völlig Recht behalten, aber ‒
sollte es nicht doch möglich, ja höchstwahr‐
scheinlich sein, daß der Okkultismus be‐
rufen ist, die Existenz der Seele schon im
diesseitigen Leben
mit Evidenz zu be‐
weisen?!
.Man hat doch zum Beispiel Somnambule
im Tiefschlaf ausgefragt und es zeigte sich,
daß man so zu immer verborgeneren Regio‐
nen des Innern vordringen konnte, wobei
dann eine andere, höherstehende Wesenheit,
und später eine
noch weit höherstehende
aus der Somnambule sprach, so daß man den
Eindruck erhält: je mehr das äußere Be‐
wußtsein verdunkelt wird, desto deutlicher
offenbart sich
etwas anderes, das im ge‐
wöhnlichen Tageserleben
nicht wahrnehm‐
bar ist.
.Damit aber wäre doch sozusagen der Be‐
weis für ein das Erdenleben überdauerndes
Geistiges voll erbracht!”
*
.Darauf beeilte sich nun der Jüngere zu
antworten und sprach:
.„Ich sehe mich in der seltsamen Lage, be‐
züglich der Dinge über die wir hier reden,
bei Ihnen
Beiden Unterstützung zu finden
und bemerke dennoch, daß ich mich Ihnen
Beiden deutlicher als es bisher geschah, er‐
klären muß, sollen wir nicht dauernd anein‐
ander vorbeireden!
.Zuerst möchte ich die eben erwähnten
Versuche mit Somnambulen des Näheren be‐
leuchten, und wenn ich dabei eine gewisse
Vertrautheit mit Dingen zeige, die den mei‐
sten Menschen unbeweisbar, unerleb‐
bar und unerklärbar dünken, so bitte ich
Sie, dies einstweilen hinzunehmen, bis eine
spätere Stunde mir erlaubt, Ihnen von der
Quelle meiner Erkenntnisse zu sprechen
und Ihnen Beiden dann einiges zu sagen,
was Ihnen durchaus unbekannt bleiben
müßte, fänden Sie nicht Gelegenheit, es von
einem zu hören, der es selbst erfahren hat. ‒
.Bezüglich der Somnambulen muß nun
auch ich mich als sachverständig bezeichnen
und muß mit allem Nachdruck einer Mei‐
nung entgegentreten, die hier an der Pforte
zum Geistesmysterium zu stehen glaubt!
.Es beweist nur, daß man noch nicht im
entferntesten ahnt, was der
Geist in
Wirklichkeit
ist, daß man noch über keiner‐
lei
wirkliche geistige Erfahrung verfügt,
wenn man glaubt, man könne in dem, was
aus einer im Tiefschlaf gebundenen Som‐
nambule spricht, dem wesenhaften
Geiste
begegnen! ‒ ‒
.Ich stimme in allem dem zu, was vorhin
über die Unzulänglichkeit okkulter Phäno‐
mene gesagt wurde und es war ein offensicht‐
licher Irrtum, wenn man von mir glaubte,
ich sei der Beschäftigung mit solchen Mani‐
festationen ‒ sei es aktiv, oder auch nur als
Beobachter ‒ meinerseits zugetan.
.Fü
r einen, der die geistige Schulung durch‐
laufen durfte, die mir vergönnt war,
haben
die Rätsel des Okkultismus allen Reiz
verloren! Der Nimbus des Verborgenen
und Unerklärlichen wurde ihnen im Ver‐
lauf dieser Schulung gründlich genom‐
men! ‒ ‒
.Wenn ich trotzdem einigen Wert darauf
lege, daß man die
Tatsächlichkeit der
Phänomene des Okkultismus erkenne, so ge‐
schieht dies deshalb, weil man ohne diese
Kenntnis Gefahr laufen kann, eines Tages in
verhängnisvollster Weise düpiert zu werden
und zwar gerade dort, wo man es am wenig‐
sten erwartet hatte. ‒
.Es ist mir sehr lieb, daß unser Gespräch
diese unerwartete Wendung nahm, dadurch,
daß vorhin Folgerungen eines nüchternen
Denkens ausgesprochen wurden, die sich fast
vollständig mit meinen geistigen Erfahrun‐
gen decken, ‒ jedenfalls aber sich ohne
Mühe mit den Ergebnissen meiner Erfah‐
rung vereinigen lassen.
.Jetzt kann ich sozusagen bei offenem Vi‐
sier zu Ihnen Beiden sprechen und werde
kaum zu befürchten brauchen, daß ich miß‐
verstanden werden könnte...
.Was also die Somnambulen betrifft,
durch deren Mund man Genaueres über Seele
und Geistigkeit des Menschen zu erfahren
hofft, so unterscheiden sich die mit ihnen an‐
gestellten Versuche in nichts Wesentlichem
von einer 'spiritistischen' Sitzung, es sei
denn, man betrachte die wissenschaftliche
Aufmachung dabei als wesentlich! ‒
.Es sind die
gleichen unsichtbaren
phy‐
sischen Wesenheiten und mit Bewußtsein
begabten Kräfte, die
hier wie
dort ihren
Unfug treiben, sobald der Erdenmensch die
Gelegenheit dazu schafft. ‒ ‒
.Die Somnambule im Tiefschlaf ist nicht
anders die zeitweise Beute dieser dunklen
Gewalten, die wahrlich 'jenseits von Gut und
Böse' handeln, wie das sogenannte 'Medium'
in seinem 'Trance'-Zustand! ‒ ‒ ‒
.Nie wird ein Blick in
wirkliche Geistes‐
welten getan: bei
verdunkeltem irdischem
Sinnenbewußtsein des also Schauenden! ‒
.Ekstase,
Verzückung, '
Trance' und
Somnambulismus sind nichts anderes als
Zustände
körperlichen Aufruhrs, und
je mehr bei solchem Aufruhr die Herrsch‐
gewalt auf körperliche Komplexe übergeht,
die ihrer Natur nach nur unter straffer
Bin‐
dung segensreich zu wirken fähig sind, desto
tiefer wird der somnambule Zustand, desto
dichter wird die Zwischenwand, die das
eigentliche Ich-Bewußtsein von den Ge‐
hirnfunktionen scheidet, bis schließlich
Lemurenwesen der unsichtbaren, aber kei‐
neswegs 'geistigen' Welt den herrenlosen
körperlichen Organismus ihrem Willen un‐
terwerfen!
.Man wird dann aus dem Munde der Som‐
nambulen wie des Trance-Redners jeweils
das vernehmen, was dazu angetan ist, dem
Experimentator interessant zu erscheinen,
oder der gläubigen Gemeinde, sei es durch
edles Pathos, sei es durch triviale, aber der
vorherrschenden Glaubensrichtung ange‐
paßte Phrasen, ja sei es selbst durch Unflätig‐
keit, zu imponieren. ‒ ‒
.Was aus dem armen umnachteten Men‐
schen in solchen Zuständen spricht, hat ja
kein anderes Bestreben, als sich selbst
möglichst eindrucksvoll bemerkbar zu ma‐
chen und weiß oft mit größter Schlauheit
die Maske zu wählen, die ihm das meiste
menschliche Interesse zu sichern vermag.
‒ ‒ ‒
.Auch der Ekstatiker erlebt den gleichen
Zustand wie die sogenannten 'Medien', nur
mit dem Unterschiede, daß bei ihm das Ich‐
Bewußtsein nicht allen Kontakt mit den
Gehirnfunktionen verliert und ihm nur die
äußere Leibesempfindung unwahr‐
nehmbar wird.
.Die 'geistigen' Welten, die er zu schauen
vermeint, sind nichts anderes als die Gebilde
seiner plastischen Phantasie, greifbar
und wirklich für ihn geworden durch die Vi‐
brationen krampfdurchtobter Nerven! ‒ ‒
.Es ist darum eine strenge Trennungs‐
linie einzuhalten, zwischen allen solchen
Methoden körperliche, abnorme Empfin‐
dungen zu erwecken, die dann als 'geisti‐
ges' Erlebnis gedeutet werden und dem
wirklichen Geisteserfahren, das stets nur
bei völlig ungetrübtem, ja bei gestei‐
gertem Körperbewußtsein erfolgt! ‒ ‒
.Der sogenannte 'Okkultismus' ist ja
wahrhaftig keine Entdeckung der neueren
Zeit!
.Bei allen Völkern und zu allen Zeiten hat
man okkulte Phänomene gekannt.
.Noch keiner aber hat dieses dunkle Gebiet
betreten, es sei denn unter herrschafts‐
sicherer Leitung, der dort nicht am Nar‐
renseil herumgeführt worden wäre! ‒ ‒
.Für das Erfahren des wesenhaften Gei‐
stes ist ein solcher dann meist dauernd ver‐
loren.
.Was ihn festhält, läßt ihn gutwillig
nicht mehr los, und muß es ihn fahren las‐
sen, da er allmählich völlig ausgesogen ward
und nun nicht mehr brauchbar ist, so wurde
ihm vorher längst alle Kraft genommen,
mit deren Hilfe er sich wieder erheben
könnte. ‒
.Wenn Sie Beide, liebe Freunde, bis jetzt
glaubten, ich huldigte dem 'Okkultismus',
der Erforschung all der Phänomene, die in
unserem Gespräch bisher genannt wurden
und mit denen sich zurzeit tatsächlich sehr
namhafte Gelehrte in verschiedenen Län‐
dern befassen, so waren Sie sehr im Irrtum!
.Ich mußte nur
auch dieses Gebiet der
menschlichen Lebensäußerungen vor Zeiten
kennen lernen, weil es mein Guru so von
mir verlangte.”
.„Was ist das: 'mein Guru'? ‒” unter‐
brach der Physiker den Sprechenden, dem
das ihm selbst so gewohnte Wort sichtlich un‐
achtsam entglitten war.
.„Ich gestehe”, antwortete der Jüngere,
„daß ich nicht im Sanskrit bewandert bin,
aber der, den ich 'Guru' nenne, erzählte mir
einst, daß in seiner Heimat die Lehrer gei‐
stiger Entfaltung und Erweckung so genannt
werden.
.Guru soll etwa geistiger 'Vater' oder 'vä‐
terlicher Lehrer' bedeuten.
.Mich selbst nannte er 'Chela',* und obwohl
dies ganz allgemein nichts anderes als 'Schü‐
‒ ‒
* Chela: sprich = Tschela
ler' heißen dürfte, erklärte er mir, daß diesen
Ehrentitel nur wenige empfingen, und daß
man
in einer ganz besonderen Weise
Schüler seines Guru sein müsse, um mit Fug
und Recht auch bereits als sein angenomme‐
ner 'Chela' zu gelten.
.Er selbst war ein Meister der 'Weißen
Loge'.”
*
.„Also Freimaurer?” warf der Alte ein.
.„Nicht doch”, entgegnete der Junge.
.„Die Freimaurerei ‒ wenn man nicht nur
am Wort klebt, sondern
die Sache selbst
meint ‒ könnte einigen Grund haben, sich
von der 'Weißen Loge' herzuleiten, aber die
geistige Gemeinschaft aus der mein Guru
stammte, hat
nichts mit der Freimaurerei
zu tun. Im übrigen ist 'Weiße Loge' nur eine
äußere Bezeichnung dieser Gemeinschaft
und ihre Glieder
selbst nennen sich '
Leuch‐
tende des Urlichts'. ‒
.Es kann keiner zu ihnen kommen, der
nicht
vor seiner Geburt dazu bestimmt war.
Aber die ihnen, ohne selbst zu ihnen zu ge‐
hören, in geistiger Weise am
nächsten ste‐
hen, bezeichnen sie als 'angenommene Che‐
las'.
.Es sind solche Menschen, die eine beson‐
ders intensive Schulung im Geistigen durch‐
zumachen haben, weil sie ein psychophysi‐
sches Erbe in sich tragen, das sie zu mancher‐
lei verpflichtet, wozu andere nicht verpflichtet
sind.
.Erlassen Sie mir, mehr darüber zu spre‐
chen, denn wie Sie ja bereits hörten, haben
Sie einen solchen Chela vor sich. ‒
.Ich denke, es dürfte sich so manches, was
Sie zeitweilig an mir befremdete, durch diese
Mitteilung nun erklären! ‒”
*
.Der vor den Freunden so seltsame und
unerhörte Eröffnungen zu geben hatte, hielt
nun inne in seiner Rede und es entstand vor‐
erst eine tiefe Stille, so daß der Padrone ‒
wohl in der Meinung, seine Gäste wollten
sich entfernen ‒ aus seinem Versteck wieder
auftauchte und als er seinen Irrtum sah, mit
überflüssiger Geschäftigkeit an den Fässern
zu hantieren begann, die im Hintergrunde
des Raumes auf einer Balkenunterlage ne‐
beneinander ruhten.
.Man konnte jetzt alles im Gewölbe aufs
deutlichste unterscheiden, denn die Augen
waren nun an das Dunkel gewöhnt und schon
die schmale Lichtritze, die der Vorhang an
der Türe ließ, schmerzte sie bereits, obwohl
die Sonne schon tief am Himmel stand und
sicherlich draußen längst lange Schatten
warf...
*
.„Da hört man ja merkwürdige Dinge!”
meinte der Untersetzte, den man für einen
halten konnte dem es nicht gar zu weit zu
den Fünfzig fehlt, und warf so mit seiner so‐
noren Baßstimme das erste Wort wieder in
die Stille.
.Sodann fuhr er fort:
.„Freilich wird mir jetzt manches an Ihnen
verständlicher, aber es wird doch noch eini‐
ger Aufklärung bedürfen, bevor sich mir das
alles rundet!
.Sie reden da mit unglaublicher Sicherheit
von vielem, das für mich bisher recht unzu‐
gänglich war, doch das Schönste ist: ‒ daß
Sie mich eigentlich überzeugen, ohne mir
Beweise angeboten zu haben!
.Ich fühle, daß es sich mit alledem so ver‐
halten muß, wie Sie sagen, mögen Sie nun
imstande sein, dafür Beweise zu erbringen
oder nicht.
.Ihre Worte tragen eine eigentümliche Be‐
weiskraft in sich selbst! ‒ ‒
.Jetzt fängt aber das alles auch erst an, für
mich interessant zu werden!
.So etwas gibts also heutzutage inmitten
unserer nivellierten Welt?! ‒
.Wissen Sie, junger Freund, davon müssen
Sie uns noch mehr erzählen!
.Ich glaube zwar nicht, daß einer von uns
dazu bestimmt ist, der 'Chela' eines solchen
'Guru' wie Sie Ihren Lehrer nennen, zu wer‐
den, und vielleicht sind wir auch beide schon
etwas zu alt dazu, aber bevor ich für meinen
Teil einmal von diesem, mir eigentlich im‐
mer recht liebenswert erschienenen Planeten
Abschied nehme, möchte ich ‒ falls solche
Dinge sich hier ereignen können ‒ doch
einigermaßen Bescheid darüber wissen, denn
alle Phänomene des Okkultismus zusammen‐
genommen interessieren mich nicht einen
Augenblick so sehr, wie diese verborgene
'
Weiße Loge', oder wie sich die Gemein‐
schaft nennen mag, und dann die Tatsache,
daß man da also einem ganz normalen
Europäer begegnen kann, der in aller Stille
Erkenntnismöglichkeiten zu besitzen scheint,
von denen die übrige Menschheit ‒ wenig‐
stens heutzutage und bei uns ‒ so gut wie
nichts ahnt. ‒”
*
.„Auch ich”, ließ sich der Weißbärtige
vernehmen, „bitte sehr darum, uns weitere
Aufklärungen zu geben, ‒ besonders weil
mir im Lichte der gehörten Darlegungen
einige Hinweise, denen ich in der diesbezüg‐
lichen Literatur gelegentlich begegnete, des
symbolischen Charakters entkleidet er‐
scheinen!
.Unser jüngerer Herr Kollege ist ja jetzt
durch die gemeinsamen Reise- und Er‐
holungstage, denen wir hier uns widmen
wollen, für einige Zeit mit uns zusammen,
so daß sich wohl Gelegenheit finden wird,
uns etwas tiefer in die Mysterien einzuwei‐
hen, denen er seine Erkenntnisse dankt!
.Im Augenblick scheint es mir dagegen ge‐
raten, ans Heimgehen zu denken, denn wenn
auch die Sonne jetzt nicht mehr brennend
auf uns lastet, so haben wir doch immerhin
anderthalb Stunden zurück bis zur Stadt. ‒
.Wir dürfen vielleicht unterwegs schon
einiges hören, das die uns bereits gewordenen
Mitteilungen ergänzen könnte? Ich habe da
ein paar ganz bestimmte Fragen auf dem
Herzen.”
*
.Da die beiden anderen Männer den Vor‐
schlag, alsbald nach der Stadt zurückzukeh‐
ren, gut fanden, bereinigte man seine Zeche
und verließ gemeinsam, unter den nicht
endenwollenden Bücklingen des Padrone
und seinen, mit dem Wunsche eines baldigen
Wiedersehens verknüpften Segenssprüchen,
die dunkle Osteria.
.Unwillkürlich atmete man auf, als die
schon etwas abgekühlte Abendluft die Stir‐
nen bestrich.
.Das ganze Gelände lag wie unter einem
opalfarbenen Duft; Pinien und Zypressen
prägten ihre Silhouetten kräftig in den blaß‐
goldenen Abendhimmel, und das nahe Meer,
wie das Innere einer ungeheuren Perl‐
muschel schimmernd, verschmolz in kaum
geahnter Horizontlinie mit fernen milchig
bläulichen Lüften.
.Zuerst schritten die Wanderer einer
Gruppe von Eukalyptusbäumen zu, dem
Kreuzungspunkt zweier Wege, deren einer als
Fahrweg durch Felder und kleine Ölhaine,
zwischen den nie fehlenden Weingirlanden
von Ulme zu Ulme, oder von Maulbeerbaum
zu Maulbeerbaum, nach der Stadt führte,
während der andere, den Fußgängern genuß‐
reichere und zudem kürzere, erst dem Meere
zustrebte, um dann dem Strande entlang,
bald steingepflastert noch von alten Zeiten
her, bald über Sand und Seetang, die ersten,
von Zypressen überragten Mauern der Parke
städtischer Villen zu erreichen.
.Wie auf Verabredung bog man nach rechts
in diesen Fußweg ein und mit steigendem
Wohlbehagen witterte jeder der Drei den
immer stärker wahrnehmbaren, herbfrischen
Meeresduft.
.Am Strande angelangt, hielten die Wan‐
derer unwillkürlich einen Augenblick an,
im stetig wieder neuen Erleben der Uner‐
meßlichkeit, vor der atlasglänzenden Was‐
serweite.
.Bisher waren nur vereinzelte Worte ge‐
fallen, deren Ursache das abendlich ver‐
änderte Bild der Umgebung war, oder die
der Schönheit der ganzen Gegend, der süd‐
lichen Herrlichkeit italischer Landschaft gal‐
ten.
.Als man aber dann den Weg am Strande
eingeschlagen hatte, erinnerte sich der Weiß‐
bärtige seiner Fragen zu den merkwürdigen
Eröffnungen des Jungen, die diese Nach‐
mittagsstunden in einer ländlichen Osteria
ihm fast wertvoller erscheinen lassen woll‐
ten, als ein neuaufgefundenes, längst ver‐
schollenes Buch aus alter Zeit, obwohl er
stets nach solchen Schätzen alle ihm nur er‐
reichbaren Bibliotheken durchsuchte, und
ganz im geheimen immer noch der Meinung
war, es könne gar keine von Menschen je‐
mals gefundene Erkenntnis geben, die nicht
in einem Buche aufgezeichnet wäre.
.Heute erst waren ihm dennoch leise Zwei‐
fel gekommen, aber sie vermochten seine
Meinung noch nicht zu erschüttern.
.Vielleicht war das Buch, das hier alles
klärte, nur bis jetzt noch nicht in seine Hände
gelangt...
VERZEIHEN Sie, verehrter Herr Kol‐
lege”, wandte sich nunmehr der Alte
an den Jüngsten, „aber über all diese Dinge,
von denen Sie uns da heute sprachen, muß
es doch gewiß auch so etwas wie eine Spezial‐
literatur geben, die mir nur, trotz emsigsten
Suchens, bis zur Stunde noch entgangen
ist?!”
.Und als er auf diese Frage einem sehr er‐
staunten Blick des Jungen begegnet war,
fuhr er fort:
.„Ich meine nicht gerade, daß es eine mo‐
derne Spezialliteratur sein müsse, aber si‐
cherlich war das alles doch auch schon ein‐
mal Menschen bekannt geworden die in frü‐
herer Zeit lebten und es muß doch da Bü‐
cher geben, die ausführlicher zu orientieren
vermögen?
.Ich würde mich noch auf meine alten Tage
an das Studium des Sanskrit heranmachen,
das ich leider über allem anderen früher ver‐
absäumt habe, wenn Sie mir, vielleicht durch
Andeutungen Ihres orientalischen Lehrers
darauf hingewiesen, hier bestimmte Anhalts‐
punkte geben könnten! ‒ Die Bücher selbst
würde ich mir dann schon zu verschaffen
wissen.
.Es ist doch noch alles was jemals den Men‐
schengeist beschäftigte, auch in
Büchern
niedergelegt worden, und bei allem Glauben,
den ich Ihren Ausführungen schenke, wäre
es für mich noch von ganz besonderem, ja
unschätzbarem Wert, wenn sich das, was Sie
uns sagten, durch unangreifbare alte Text‐
stellen belegen ließe und sozusagen autorita‐
tive Bestätigung fände!
.Man mag sagen, was man will, aber die Be‐
hauptung eines einzelnen hängt gewisser‐
maßen immer in der Luft, und erst wenn
man weiß, wie man sie quasi geschichtlich
einzuordnen hat, kann man sich ein gehöri‐
ges Urteil bilden! ‒”
*
.Das Erstaunen im Gesichtsausdruck des
Jüngeren hatte sich während solcher Rede
womöglich noch verstärkt, und ehe auch nur
der Zweite, dem ebenfalls eine Entgegnung
auf den Lippen zu liegen schien, zu Worte
kommen konnte, begann er mit einem nur
schlecht unterdrückten ironischen Lächeln:
.„Sie meinen also, wenn ich Sie recht ver‐
stehe, daß man in diesem Erdendasein nichts
erleben dürfe, was nicht durch die Stellung‐
nahme irgend eines früheren, zu erleben
er‐
laubt würde?!?”
.Und der Alte fiel ihm ins Wort:
.„Nein, mein junger Freund,
so dürfen Sie
das, was ich sagte, nicht gleich auffassen!
.Sie wissen aber doch selbst, daß in der
Welt jede wissenschaftliche Erkenntnis erst
dann so recht zur Geltung kommt, wenn sie
sich auf die Autorität bewährter Vorgänger
zu stützen vermag!”
*
.„Selbst in bezug auf das, was man 'Wissen‐
schaft' nennt”, erwiderte der Jüngere, „wer‐
den Sie diesen Satz, der ja einige Berechti‐
gung hat, nicht verallgemeinern dürfen!
.Bei dem, was ich Ihnen aber heute sagte,
handelt es sich keineswegs um eine 'Wissen‐
schaft', und ebensowenig um einen 'Glau‐
ben', sondern um etwas, das nun einmal
praktisch gegeben ist, und
praktische
Durchführung verlangt, will man zu Re‐
sultaten kommen! ‒ ‒
.Ich muß leider Ihre Frage nach einer älte‐
ren diesbezüglichen Spezialliteratur vernei‐
nen! Wohl würden Sie, auch ohne angenom‐
mener Chela eines wirklichen Guru zu sein,
auf sehr bemerkenswerte Bestätigungen in so
manchem alten Schriftwerk und besonders
auch in den heiligen Schriften der großen
Weltreligionen stoßen, wenn Sie sich an die
Lehren der 'Weißen Loge' halten und unter
ihre unsichtbare Leitung stellen wollten,
allein Sie würden vergeblich die Welt nach
einem Buche durchsuchen, das diese Lehre
in früherer Zeit im Zusammenhang auf ge‐
zeichnet hätte!
.Erst in
unseren Tagen fand man sich be‐
wogen, die hier berührte Lehre der Schrift
zu vertrauen für alle kommenden Zeiten, um
auf solche Weise zum ersten Male der Welt
den Einblick in das Wirken der 'Weißen
Loge' zu vermitteln, durch einen Europäer,
der selbst zu dieser Gemeinschaft ge‐
hört, und dem der ausdrückliche Auftrag
wurde, die Lehre in mannigfacher Form zu
verkünden. ‒
.Sobald Ihre Denkweise dazu genügend
vorbereitet ist, werden Sie diese Lehrschrif‐
ten erkennen und zu nützen wissen. ‒ Es
besteht hier wahrlich keine Gefahr der Ver‐
wechslung, besonders wenn Sie das alles
aufgenommen haben, was ich Ihnen in der
Zeit unseres Zusammenseins noch werde sa‐
gen dürfen! Von dieser Selbstbekundung
der 'Leuchtenden' abgesehen, werden Sie je‐
doch nur erschlichener und verzerrter
Kunde über die Meister der 'Weißen Loge'
begegnen, phantastischem Krimskrams und
den Zeugnissen abenteuerlicher Schwärme‐
rei! ‒ ‒
.Eben weil in solcher Weise ein total
kari‐
kiertes Bild dieser ehrwürdigen Geistesge‐
meinschaft gezeichnet wurde, das besonders
die Gehirne der
westlichen Welt verwirrt,
sie auf falsche Fährte leitet und wüstem
Aberglauben ausliefert, hielt es die 'Weiße
Loge' an der Zeit, diesem Unfug entgegen‐
zutreten, und da sie niemals etwas Schäd‐
liches
bekämpft, auch wenn sie es beim
rechten Namen zu nennen pflegt, so steuert
sie dem Wahn lediglich dadurch, daß sie
durch eines ihrer Glieder, das die nötigen
Voraussetzungen besitzt, die Wahrheit vor
aller Augen
darstellen läßt.”
*
.Nachdem der Jüngere geendet hatte und
der Weißbärtige sich offenbar zu keiner Ge‐
genrede bereiten wollte, nahm der Andere
das Wort, der gleich dem Alten bisher mit
größter Aufmerksamkeit zugehört hatte, und
er begann:
.„Demnach gibt es auch in
Europa Ange‐
hörige Ihrer 'Weißen Loge' und es wäre doch
das Einfachste, einen aufzusuchen und sich
von ihm belehren zu lassen?!”
.„Abgesehen davon” erwiderte der Jün‐
gere, „daß Ihnen
kein Angehöriger der 'Wei‐
ßen Loge'
mehr sagen würde, als was Sie
nach seiner Beurteilung zur Zeit
vertragen,
‒ abgesehen auch davon, daß Sie durchaus
nicht erst einen Meister der 'Weißen Loge'
kennen müssen, um sich unter ihren Einfluß
stellen zu können, ja, daß eine solche äußere
Bekanntschaft für den, der noch nicht selbst
gefestigt genug ist, eher ein Hindernis als
eine Förderung bedeuten könnte, ‒ habe
ich auch nur von
einem einzigen Europäer
gesprochen, der ihr zugehört!
.Außer ihm, der ein Mensch ist wie wir
und es beinahe ängstlich vermeidet, in sei‐
nem alltäglichen Leben sich irgendwie an‐
ders zu gehaben als andere Menschen seines
Standes und Lebenskreises, werden Sie zur‐
zeit
keinem anderen Gliede der 'Weißen
Loge' außerhalb
Asiens, oder allenfalls
Nordafrikas und
Arabiens, begegnen
können.”
.„Sie wollen doch damit nicht sagen”, er‐
widerte der Weißbärtige, „daß der Mann
etwa in einer Stadt Europas, mitten in der
Welt lebt, sich ihren Konvenienzpflichten
unterwirft, unseren Lebensgewohnheiten
huldigt, die Genußmittel des Lebens liebt,
die uns anderen sozusagen fehlen würden,
wenn wir sie entbehren müßten, kurzum:
daß er sich in seiner Lebensführung in nichts
von einem unserer Art unterscheidet?! ‒”
.„
Eben das wollte ich mit meinen
Worten betonen”, antwortete der Jüngere,
„aber aus Ihrer Zwischenfrage höre ich, daß
auch Sie sich diese Meister der 'Weißen Loge'
nur als Halbgötter vorstellen können und
wohl sehr erstaunt wären,
einem davon, der
irgendwo in
Asien lebt, zu begegnen, wie
er gleich einem biblischen Patriarchen in‐
mitten seiner vierzehn Kinder und vieler
Enkel, noch rüstig und frisch, seinem kunst‐
vollen Gewerbe obliegt, in hohem Wohl‐
stand, den er sich durch seine Kunstfertig‐
keit und durch das Geschick, mit dem er
seine Erzeugnisse zu verwerten wußte, er‐
warb. ‒ ‒
.Ebenso, wie ich Ihnen heute schon sagte,
daß
wirkliche Geisteserfahrung das äußere
Sinnenbewußtsein eher
schärft, als ver‐
dunkelt, so muß ich Ihnen jetzt auch sagen,
daß ein Mensch der höchsten, auf Erden nur
unter gewissen Bedingungen überhaupt
möglichen, geistigen Erkenntnis, durch‐
aus nicht etwa für das äußere Leben un‐
brauchbar wird, sondern die ihm von Natur
her für dieses Leben gewordenen Gaben, erst
recht in der intensivsten Art zu nützen weiß!
.Es müßte auch eine klägliche 'Geistigkeit'
sein, die von dem Menschen, dem sie zuteil
wird, verlangen würde, daß er auf die ethisch
nicht ausdrücklich verwerflichen Annehm‐
lichkeiten des Erdenlebens verzichte, nur um
dieser Geistigkeit keine Gefahr zu berei‐
ten! ‒
.Alles, was durch solche
Hingaben und
Opfer irdischer Annehmlichkeiten erhan‐
delt werden kann, hat mit dem wirklichen
Geiste nicht das Allermindeste zu tun!
.Es ist geradezu ein Kennzeichen
derer,
die im Geiste erweckt und le‐
bendig wurden,
daß sie sich durch
keinerlei Absonderlichkeiten im Auf‐
treten und in der Lebensweise von
ihren Zeit-
und Landesgenossen un‐
terscheiden,
daß sie leben wie jeder
andere ehrbare Mensch,
und allen
Weltverbesserungsideen ferne blei‐
ben,
wohl wissend,
daß es keine Le‐
bensform des Menschen auf der Erde
gibt,
die seine geistige Erweckung
hindern könnte,
daß sie aber wohl
gehindert werden kann,
durch die
allzu große Sorge um die Formen ir‐
dischen Gemeinschaftslebens,
auch
wenn diese Sorge edelsten Motiven
entspringt! ‒”
*
.„Das alles”, warf nun der Physiker ein,
„klingt ganz so, wie ich es erwartet hätte,
wäre mir vordem etwas von dem Dasein sol‐
cher leibhafter Geistesmenschen bekannt ge‐
worden!
.Wenn mich irgend etwas an den Konven‐
tikeln heutiger Zeit, die da vorgeben, ihre
Anhänger zum Geiste zu führen, abstieß, ja
anwiderte, so war es die namenlose Furcht
dieser Leutchen vor jeder kraftvollen Äuße‐
rung der Lebensbejahung!
.Ich weiß nun einmal mit einem 'Geist'
nichts anzufangen, der seine Anhänger zu
ängstlichen Furchthasen macht, die sich
kaum getrauen einen Bissen zum Munde zu
führen, ohne die Sorge, er könne ihrer Ent‐
wicklung schaden, und die in allem mensch‐
lichen Tun versteckte Teufelsfallen vermu‐
ten!
.Dagegen muß ich sagen, daß ich mich mit
Ihrer 'Weißen Loge' allmählich befreunde!
.Es ist mir nichts so Unerhörtes, daß Men‐
schen untereinander durch eine Art Äther‐
schwingungen oder Ähnliches in bewußter
Verbindung stehen könnten, und wenn ich
auch selbst das noch nicht als Mitbeteiligter
erlebte, so bin ich doch nicht borniert genug,
die Möglichkeit einfach in Abrede zu stellen,
zumal sie mir von einem Menschen bestätigt
wird, von dem ich, wie von Ihnen, junger
Freund, recht gut weiß, daß er kein Fasel‐
hans ist und genügend Selbstkritik besitzt,
um sich nicht irgendeinen Hokuspokus vor‐
machen zu lassen!
.Nehme ich aber die Möglichkeit solcher
geistiger Verbindung mit Hilfe irgendeiner
hypothetischen Schwingungsunterlage an ‒
ich muß hier unwillkürlich an die Hertz‐
schen Wellen denken ‒ dann kann mir ein
derartiger Anschluß an eine Art geistes‐
menschlicher Zentrale auf Erden ebenfalls
einleuchten, und, falls er herzustellen ist,
nur höchst erwünscht sein, wenn er ähn‐
liche Erkenntniserweiterungen bewirkt, wie
ich sie heute an Ihnen wahrnehme. ‒
.Vielleicht darf ich Sie jetzt einmal rund‐
heraus fragen, wie Sie selbst diesen An‐
schluß gefunden haben, und ob ihn unser‐
einer auf gleiche Weise finden kann, einerlei
ob man zum 'Chela', wie Sie, qualifiziert ist,
oder nicht?!
.Sie sagten doch, dem Sinne nach, wenn ich
nicht irre, daß sozusagen jeder anständige
Mensch in den Stromkreis dieser geistes‐
menschlichen Meister, oder wie man sie nen‐
nen mag, gelangen könne?!?
.Damit wird die Sache praktisch bedeu‐
tungsvoll, und zum wenigsten wäre es mir
erwünscht, die Bedingungen zu kennen,
unter denen sich so etwas bewerkstelligen
läßt.”
.„Die gleiche Bitte möchte auch ich aus‐
sprechen”, ergänzte der Weißbärtige, den
man so wie er jetzt in der Dämmerung gegen
den bereits kupferglänzenden Himmel stand,
leicht selbst für einen alten Orientalen hätte
halten können, obwohl seine Vorfahren in
der Bretagne zu suchen waren.
*
.„Gerne, meine verehrten Freunde, will
ich Ihrem Wunsche entsprechen”, meinte der
Jüngste der Drei, „aber ich glaube kaum,
daß ich Ihnen da heute abend noch Wesent‐
liches sagen könnte, denn wenn ich Sie wirk‐
lich mit alledem vertraut machen will, was
Sie zur Unterlage für Ihre eigene Urteilsbil‐
dung schließlich wissen müßten, werden wir
noch manche Stunde diesem Thema zu wid‐
men haben, und vielleicht wird es auch gut
sein, wenn ich frühere Tagebuchaufzeich‐
nungen zuhilfe nehme, die mir so wertvoll
‒ fast möchte ich sagen: so heilig ‒ sind,
daß sie mich stets auf allen meinen Reisen
begleiten.
.Ich freue mich von ganzem Herzen, daß
Ihr Interesse an diesen Dingen erwacht ist
und daß ich nun auch in dieser Beziehung
ganz offen zu Ihnen reden darf, denn es war
mir immer ein peinliches Gefühl, daß ich
bei aller Herzlichkeit unserer Beziehungen,
die ja auch der Ausführung dieser gemein‐
samen Reise zugrunde liegen, stets etwas vor
Ihnen zu verbergen hatte. ‒
.Sie werden aber wohl begreifen, daß man
über solche Dinge nicht
mehr spricht, als
unbedingt nötig ist, solange man noch an‐
nehmen muß, jede derartige Äußerung
könne in den anderen die Befürchtung aus‐
lösen, man sei geistig nicht mehr ganz zu‐
rechnungsfähig! ‒”
*
.Nach diesen letzten Worten einigte man
sich, daß man nun möglichst jeden Tag
einige stille Stunden bestimmen wolle, um
in südlicher Sonnenklarheit im Freien ver‐
eint, allem zu lauschen, was der 'Chela' über
die ihm gewordenen Aufschlüsse zu sagen
haben mochte.
.Man war im Verlauf solchen Gespräches
bereits zwischen hohen Parkmauern ange‐
langt, die sich zu beiden Seiten des Weges
hinzogen, zuweilen unterbrochen durch ein
höheres Portal in geschwungenen Linien,
umrahmend ein kunstvoll geschmiedetes,
längst verrostetes Eisengitter, durch das hin‐
durch der Blick die filigranartigen Silhouet‐
ten schlanker Oleanderzweige, dunkeltiefe
Laubmassen des Lorbeers, und zuweilen auch
eine noch immer in die Abendstille plät‐
schernde Fontäne gewahrte.
.Dann kam eine enge, schier endlose Gasse,
wie zusammengedrückt durch die hohen ka‐
stellartigen Häusermassen, so daß man durch
die enge Schachtzeile oben nur noch einen
von Dachvorsprüngen zerhackt eingefaßten
Streifen Himmel gewahrte, an dem da und
dort die ersten Sterne aufblinkten.
.Die Stille, durch die man bisher geschrit‐
ten war, wurde mehr und mehr von lauten
Rufen, Karrengeknarre und Fragmenten
fröhlicher Rede aus erleuchteten Gewölben
durchlöchert; in Falsettönen trällerte irgend‐
ein mit seinem Tagewerk zufriedener Sohn
des Südens die gerade beliebte Melodie; im‐
mer mehr Passanten zwängten sich durch die
Enge, bis man sich fast unvermittelt auf dem
volkbelebten gravitätisch vornehmen Markt‐
platz einer kleinen, aber einwohnerreichen
südlichen Stadt befand.
.Die überreichlichen Schätze der Obst‐
händler quollen dann förmlich aus dem In‐
nern der Verkaufshallen hervor, man sah
hellerleuchtete Barbierläden mit blitzenden
Spiegeln fast tapeziert, daneben Auslagen
mit bunten Seidenbändern, andere mit ap‐
petitlich aufgeschichteten Wurstwaren, vie‐
lerlei Käse und ganzen Arsenalen von lang‐
halsigen Chiantiflaschen; dann gab es eine
„Farmacia”, allwo der Eingang von zwei
übermäßig hohen, schmalen Schaufenstern
flankiert wurde, aus deren jedem ein riesiger
Glasballon, der eine mit roter, der andere
mit grüngefärbter Flüssigkeit gefüllt, her‐
vorglühte, und schließlich fehlte auch das
unvermeidliche „Kino” nicht, dessen grelle
Plakate mit unglaublicher Lichtverschwen‐
dung beleuchtet, ein feines Renaissancepor‐
tal gröblich verunzierten.
.Da und dort gewahrte man zwischen all
diesen Herrlichkeiten ein Kaffeehaus, dessen
Tische und Stühle weit, bis fast zur Mitte des
Platzes, herausdrängten, und den Mittel‐
punkt bildete eine Art Obelisk, der aus wo‐
genden Barockmassen inmitten rauschender
Wasserkünste emporstrebte und auf seiner
Spitze, wie man gerade noch erkennen
konnte, eine auf dem Halbmond stehende,
in metallenem Strahlenkranz gefaßte Ma‐
donna trug.
.Nur die eine Schmalseite der „Piazza”
blieb im Dunkel und hier erhob sich ein
mächtiges Bauwerk mit flachgegiebeltem Ab‐
schluß, aus dessen Türöffnung ein rotes Glü‐
hen und Kerzenschein drangen, nur dann
und wann durch die dunklen Gestalten Ein‐
und Ausgehender verdeckt.
.Daneben strebte in den klaren, nun schon
reichgestirnten Himmel ein schlanker Cam‐
panile, dessen Glocken in den freien hohen
Rundbogen seines obersten Geschosses sich
auch jetzt noch deutlich vor der schwinden‐
den Abendhelle erkennen ließen.
.Hier trennten sich zwei der Freunde von
dem dritten, da sie nicht alle in der gleichen
Herberge wohnten und man an diesem Abend
auch nicht gesonnen war, der angenehmen
Ermüdung sich zu widersetzen, um etwa noch
länger zusammen zu sein.
WIE am Vortag bereits verabredet wor‐
den war, verließen die drei Freunde
in der Morgenhelle die Stadt, um ein nicht
allzuweit gelegenes Kloster aufzusuchen, das
aus der hügeligen Umgebung wie ein Wahr‐
zeichen aufragte, hoch auf einen isolierten
Felskegel getürmt, so daß es fast eher einem
trutzigen Kastell, als einer Stätte des Gebets
und des Friedens glich.
.Dort oben sollte man eine wundervolle
Aussicht genießen über die ganze, mit male‐
risch hingelagerten Dörfern und Flecken be‐
säte Hügelkette und über das weithin durch
eine ausgedehnte Bucht umsäumte Meer.
.Der Aufstieg aber, ein alter, mit den Statio‐
nen der Leidensgeschichte des Erlösers fromm
geheiligter Wallfahrtsweg, wurde als ziem‐
lich beschwerlich und meist schattenlos ge‐
schildert, so daß man darauf bedacht war,
das Kloster, woselbst man auch leibliche
Erquickung finden konnte, möglichst noch
vor dem Höchststande der Sonne zu errei‐
chen.
.Sodann wollte man während der heißesten
Tagesstunden dort oben im Freien ruhen
und womöglich das gestern so verheißungs‐
voll begonnene Gespräch fortsetzen, um
dann erst am späten Nachmittag wieder zur
Stadt zurückzukehren.
.Mit einigem Mundvorrat ‒ soweit er sich
in den Taschen unterbringen ließ ‒ hatte
man sich zur Not versehen, wobei man auch
die saftreichen Früchte des Landes nicht un‐
beachtet ließ.
.So wanderten die drei Männer ‒ der
jüngste in der Mitte ‒ frisch ausschreitend,
zuerst über eine fast schnurgerade, staubige
Landstraße dahin, auf der sich trotz der frü‐
hen Stunde die Sonnenwärme schon recht
fühlbar machte.
.Der Weizen nebenan auf den Feldern
stand schon hoch in grünen Ähren und jeder
schmale Landstreifen wurde gleichsam ein‐
gefaßt von hängenden Weinreben, die sich
an niederen Ulmen und gelegentlich auch an
Maulbeerbäumen hochrankten, so daß es oft
den Anschein gewann, als sei der ganze Baum
ein Weinstock, da sein eigenes Laub fast völ‐
lig unter den Blättern der Rebe verschwand.
.Dazwischen gab es auch Artischockenfelder
und Äcker mit anderen Gemüsearten, dann
wieder wildes Buschwerk an schmalen Was‐
sergräben, hoch überragt von jungen, schlan‐
ken Pappeln, deren Laubwerk man längs des
Stammes entfernt hatte, so daß ihre Kronen
wie Büschel auf hohen Stielen in den silber‐
weißen, seidenglänzenden Himmel standen.
.Rechts, nach der Seite des Meeres zu,
dehnte sich weithin dann üppiges Wiesen‐
land, stellenweise durchzogen von niederen
verkrüppelten Weidenstämmen, und in der
Ferne am Strande gewahrte man ein paar
halbzerfallene Fischerhütten.
.Aus der türkisfarbenen Meeresfläche aber
leuchteten einige ockergelbe und orangerote
Spitzsegel auf, die völlig unbewegt an ihre
Stätte gebannt zu sein schienen.
*
.Die drei Wanderer waren offenbar noch
nicht recht zum Sprechen angeregt, und so
kam es, daß sie meist ohne zu reden ihre
Augen schweifen ließen.
.Nur dann und wann wurden kurze Worte
gewechselt, sei es, daß irgendein Gegenstand
des einen oder anderen Interesse erregt hatte,
oder daß man seinem Verwundern Ausdruck
gab, zu so früher Stunde schon die Strahlen
der Sonne derart kräftig zu verspüren.
.Es mochte so eine gute Stunde, oder auch
etwas mehr, vergangen sein, als man sich an
einem kleinen Bildstock angelangt fand, ne‐
ben dem der Seitenweg abzweigte, der jetzt
einzuschlagen war, wollte man dem immer
noch beträchtlich entfernten Felskegel näher
kommen, dessen Schattenseite, in milchigen
Duft getaucht, ihn jetzt wie eine brutale Ku‐
lisse aus dem sanft geschwungenen Hügel‐
gelände emporsteigen ließ.
.Zum wenigsten war man nun der allzu‐
ermüdenden Gleichförmigkeit der staubigen
Landstraße entronnen und es währte auch
nicht lange, bis der mäßig ansteigende und
mannigfach gewundene Weg sich durch hohe
Busch- und Baumgruppen, Fliederbüsche
und Kastanienhaine, emporgeleiten ließ, die
immerhin einigen, recht wohltuend empfun‐
denen Schatten spendeten.
.So hatten sich die drei Wanderer allmäh‐
lich dem Fuße des Felskegels immer mehr
genähert, als man vor dem eigentlichen An‐
stieg, an einer dürftig rinnenden steingefaß‐
ten Quelle kurze Rast zu halten beschloß.
.Hier war man schon unterhalb einer jäh
aufragenden Felswand, von der wohl eine
Erderschütterung einige Blöcke herunterge‐
schleudert haben mochte, die nun, mit wei‐
chem Moose bedeckt, die erwünschtesten
Ruhesitze, im dichten Schatten des Berges,
unter mächtigen Walnuß- und Kastanien‐
bäumen boten.
.Rings umher war der steinige Boden dicht
überschüttet von den Stachelhülsen und zahl‐
losen, bereits geschrumpften, vertrockneten
Früchten der Kastanie ‒ dazwischen
knirschten unter den Füßen die zertretenen
Nußschalen, und man konnte gut bemerken,
daß diese schattige Stelle schon so mancher
Wallfahrerprozession als Rastplatz gedient
haben mochte, bevor sie den sündentilgen‐
den Steilweg, zwischen den Kreuzwegstatio‐
nen empor, zum hohen Kloster beschritt.
.Wenn auch das Wasser nur recht spärlich
zurzeit aus der Steinröhre der Quelle sickerte,
so dünkte es doch den drei Männern als ein
gar köstliches Labsal, und jeder wartete stets
wieder geduldig bis der Reisebecher sich ge‐
füllt hatte, um ihn dann in einem Zuge zu
leeren.
.So war unter allerlei frohen Worten, wie
sie bei derlei Gelegenheit sich von selbst er‐
geben, geraume Zeit vergangen.
.Man hatte sich genügend an dem Mitge‐
führten und dem Wasser der Felsenquelle
erfrischt und fand es nun geraten, wieder auf‐
zubrechen, um den Büßerweg emporzuklim‐
men.
*
.Wenn Menschen, die sich etwas zu sagen
haben, längere Zeit nebeneinander gingen
und im Schweigen verharrten, so geht ihnen
das Wort nicht bald wieder verloren, so sie
es nur erst aufs neue fanden!
.Das war auch an den drei weltlichen Wall‐
fahrern zu bemerken, die nun, nicht weit
von ihrem Rastplatze entfernt, bei einer
kleinen Kapelle der Schmerzensmutter die
ausgetretenen, in das Felsgestein gehauenen
unbequemen Stufen vor sich sahen, auf de‐
nen der Weg jetzt die andere Seite des Fels‐
kegels entlang, in praller Sonne und ohne
die mindeste Aussicht auf schattenspenden‐
des Gehölz, in unzähligen Serpentinen auf‐
wärts führte.
*
.„Etwas besser hätte ich mir diesen Weg
der Leidensstationen eigentlich doch vor‐
gestellt”, meinte der Weißbärtige, obwohl er
trotz seines Alters bis jetzt gezeigt hatte, daß
er es auch mit dem Jüngsten der Drei noch
spielend aufnehmen konnte.
.„Nun, es wird hoffentlich nicht immer in
dieser holperigen Treppenweise weiter‐
gehen”, erwiderte der andere, während der
Jüngere lachend einfiel und sagte:
.„Ich fürchte, wir sehen hier noch den ver‐
lockendsten Teil unseres Aufstiegs vor
Augen, und dort oben, wenn die Erquickung
am Ziele schon bald erreicht scheint, haben
uns die ehrwürdigen Väter des Klosters dann
erst das Schwerste aufgespart!”
.Aber der Weißbärtige gab ebenso lachend
zur Antwort:
.„Mich schrecken Sie mit Unkenrufen nicht
und vorläufig rechne ich mich noch lange
nicht zum alten Eisen! Ich komme schon
hinauf und wenn es eine Kletterei gibt wie
an einer Dolomitenwand! Umsonst habe
ich nicht noch vor ein paar Jahren die alt‐
gewohnten, schwierigsten Bergtouren ge‐
macht! Da meinte es die Sonne manchmal
auch nur allzugut und es ist doch gegangen!
.Aber ob unser lieber, wohlbeleibter Freund
hier nicht die Lust verlieren wird, ist eine
andere Sache!”
.Der Alte war durch die anregende Wande‐
rung ordentlich jugendfrisch geworden, und
wäre sein Äußeres nicht gewesen, nach dem
man ihn als reichlichen Sechziger einschätzen
mußte, so hätte man ihn heute wohl für ganz
erheblich jünger halten können.
.Nun gefiel er sich geradezu in der Rolle
des mit seiner Jugendkraft und Ausdauer
kokettierenden Alters, und die beiden an‐
deren fühlten das und hüteten sich, ihm
seine Freude zu verderben.
.„Ja, ja”, erwiderte der eben wegen seiner
Korpulenz ein wenig Verspottete, „unser
Freund ist trotz seiner Jahre am Ende doch
der jüngste unter uns!
.Da grast er zwar alle Bibliotheken ab und
sitzt dann wochenlang hinter seinen Schmö‐
kern, aber trotzdem findet er noch Zeit da‐
zu, sich als Alpinist zu betätigen, so daß es
schon beinahe keine Bergtour gibt, die er
nicht in seinem Leben einmal gemacht hat,
und daß alle Alpenhütten ihm schon Nacht‐
herberge boten!
.Unsereiner kann da freilich nicht mit!”
.Aber der Alte wehrte doch jetzt ab und
meinte: ganz so schlimm sei es schließlich
nicht, wenn er sich auch etwas darauf zugute
halte, daß er mit seinen dreiundsechzig Jah‐
ren sich immer noch ganz passable Leistun‐
gen zutrauen könne.
.Mit solchen Scherzreden, die eigentlich
schlecht zu dem Bilde der um den gemarter‐
ten toten Sohn klagenden heiligen Frau pas‐
sen wollten, das man in ziemlich kunstloser,
bemalter Holzschnitzerei in der kleinen Ka‐
pelle gewahrte, hatte man sich gegenseitig
gleichsam Mut gemacht und war nun schon
eine ziemliche Strecke des Stufenweges em‐
porgestiegen.
*
.Vierzehnmal sollten sich die Bilder grau‐
enhafter Marter eines Menschen durch Men‐
schenhand noch wiederholen, deren erstes ‒
in ebenso kunstloser Arbeit wie die Darstel‐
lung der „Mater dolorosa”, die gleichsam
den Eingang dieses Schmerzensweges zu be‐
wachen schien, den Aufsteigenden nun ‒
seitlich in die Felswand eingelassen ‒ ent‐
gegenblickte...
.Gleich auf dem ersten dieser Bilder ge‐
wahrte man einen jüngeren Mann, zwar
schmerzdurchbebt, aber von edler könig‐
licher Haltung, mit bloßem Oberkörper,
über und über blutend aus unzähligen Geißel‐
wunden, einen dichten Kranz spitzer Dor‐
nen auf seinem Haupte.
.Wüste Gesellen mit infernalischen Gesich‐
tern und Gesten zerren ihn wohl vor einen
Richter, der in kalter stumpfer Ruhe seine
Hände in einem Becken wäscht, das ein blö‐
der Knabe ihm vorhält.
.Unwillkürlich verweilten die drei Männer
und ihre Rede verstummte...
*
.Mochte es nun der erschreckende Ein‐
druck dieses Bildes sein ‒ inmitten einer
üppigen Natur, von Bienen umsummt und
von Faltern umgaukelt, schamlos dem über‐
hellen südlichen Sonnenlichte preisgegeben,
‒ war es die stets erneuerte Peinigung des
Empfindens vor jedem
neuen Bilde, oder
mochte das beschwerliche Steigen in immer
fühlbarer werdendem Sonnenbrennen die
Ursache ergeben, ‒ ‒ kurz: die drei
Freunde erstiegen nun wortlos die nicht en‐
denwollenden, durch tausendfache Benüt‐
zung oft kaum noch kenntlichen Stufen, bis
sie auch das letzte der Bilder, auf dem zu
sehen war, wie man den armen Gemarterten
in ein Grab versenkte, überstanden hatten.
.Endlich war man auf der Höhe des Klo‐
sters angelangt, wo ein Ruhesitz, gerundet
aus dem Stein gemeißelt, die Ermüdeten
empfing.
.Aber hatte man schon vorher bei einem
der letzten jener grauenhaften Bilder mit
Entsetzen den vom Beginn an gepeinigten
Menschen mit Händen und Füßen angena‐
gelt an zwei überkreuzten Balken hängen
sehen, so bot sich jetzt den Rastenden hier
oben das gleiche Bild erneuert dar, nur in
vollendeter Gestaltung, geformt von
einem, der zu formen wußte, durchströmt
von einer Inbrunst des Leidens, die keinem
darzustellen gegeben ist, der nicht einst selbst
gelitten hat, ‒ gelitten an denen, die ihn
peinigten, und der ihnen dennoch vergeben
konnte...
.Aufrecht stehend unter dem Martergalgen
sah man, mit gleicher Kunst gebildet, die
Gestalt eines bartlosen Mannes, der ‒ ab‐
gesehen von dem Lockenhaar ‒ beinahe
dem jüngsten der drei Freunde zu gleichen
schien, und die eines händeringenden, gänz‐
lich niedergeschlagenen Weibes, das wohl
mit jener Schmerzensmutter identisch sein
mochte, die unten am Eingang des Kreuz‐
weges wachte, damit ihn keiner betrete, der
das Mysterium dieses Leidens nicht erfassen
könne...
.Lange saßen die Freunde hier, ‒ dachten
nicht mehr der Erquickung, die sie auf der
nun erreichten Höhe erwarten sollte, ‒ ach‐
teten nicht der brennenden Sonnenstrahlen,
‒ und verlangten nicht nach der vielbe‐
rühmten Aussicht, die man von der Terrasse
auf der anderen Seite des nahen Klosters ge‐
nießen konnte. ‒
*
.Nun wäre aber niemand je so sehr in die
Irre gelaufen, als einer, der etwa vermuten
würde, die drei Weggefährten hätten heute
zum
erstenmal dergleichen Bilder mensch‐
licher Grausamkeit gesehen, und die Ge‐
schichte jenes Gemarterten sei ihnen
fremd
gewesen. ‒
.Dies war mitnichten so!
.Vielmehr war der Alte aus sehr frommem,
christlichem Haus, und einer seiner Brüder
war zu hoher Würde in dem Priesterkreise
aufgestiegen, dem er in früher Jugendzeit
sich schon gelobte.
.Der andere aber, der so sehr einem wür‐
digen Abate glich, hätte einst alle Aussicht
gehabt, ein solcher zu werden, wenn ihn
nicht quälende Zweifel bewogen haben wür‐
den, noch vorher ein anderes Studium zu
wählen.
.Der dritte und jüngste aber war zwar
nicht ein Kind der Kirche Roms, doch ehe
er sich wieder aufs neue zu den Füßen der
Katheder auf die Bank der Schüler setzte,
um des nunmehrigen Berufes vorbedingtes
Wissen zu erwerben, war er bei jungen Jah‐
ren schon in Amt und Würden und wußte
gar ergreifend einer lauschenden Gemeinde
von dem Marterweg zu reden, den jener einst
gegangen war, als dessen vorgeblicher Die‐
ner er auf der Kanzel stand, wenn seine
Kirche dichtgedrängt erfüllt war, auch von
solchen, die längst, bevor man seinem Wort
begegnete, die Kirchentüren nur mehr noch
von außen kannten...
*
.„Wie man auch zu der altehrwürdigen
frommen Glaubensweise stehen mag”, durch‐
brach endlich der Weißbärtige die aufge‐
schichtet lastende Stille, „so hat doch im‐
merhin dieses Voraugenstellen der Leiden
eines als göttlich geglaubten Menschen, um
dadurch das Mitleid und in seinem Gefolge
den Entschluß zu reinerem Leben zu er‐
wecken, etwas von antiker Größe!”
.„Das ist durchaus nicht zu bestreiten”,
meinte der „Abate”, indem er sich noch
immer den Schweiß von der Stirne wischte,
„aber ich glaube nicht, daß viele von denen,
die hier heraufkommen, etwas von dieser
Größe verspüren!
.Ich kenne diese Art Gläubigkeit vielleicht
zu gut...
.Man betet da vor jedem dieser Bilder eine
vorgeschriebene Gebetsformel ab, versucht
es auch mit knapper Not vielleicht, in dump‐
fem Schuldbewußtsein in sich herumzuboh‐
ren, ob man nicht so etwas wie Grauen und
Mitleid vor den von Kindheit an gewohnten
Darstellungen dieser menschlichen Scheu‐
säligkeiten gegenüber einem Schuldlosen
aufbringen könne, und wandert dann im be‐
friedigten Gefühl, das Seine getan und gar
noch 'himmlische Verdienste' erworben zu
haben, seelenruhig bis zum nächsten Bilde,
bis man so die ganze Reihe durchlaufen
hat. ‒
.Außerdem aber geht mir dieses geflissent‐
liche Betonen des Grauenhaften gegen die
Natur!
.Ich weiß wirklich nicht, ob das die rich‐
tige Methode ist, bösartige Instinkte im Men‐
schen zum Verschwinden zu bringen!?
.Das Boshafte und Gemeine, das da mit
plumper Kunst, aber mit so sichtlichem
Wohlbehagen in den Gesichtern und Gebär‐
den der Schergen dargestellt wird, berührt
das Einfühlungsvermögen ‒ schon weil die
Darsteller dabei viel mehr in ihrem Element
waren ‒ weit stärker, als die duldende
Würde des Gemarterten; und dann wird ja
auch der ganze Vorgang als etwas nur ein‐
mal auf der Erde Geschehenes aufgefaßt,
während man nicht im Traum daran denkt,
daß später im Namen eben dieses Gepei‐
nigten
viel entsetzlichere Scheußlich‐
keiten begangen wurden! ‒ ‒ ‒
.Schreibt doch da selbst im 'Jahre des Heils'
Eintausendneunhundertundeins ein
'Priester', der sich nach dem Namen des Ge‐
kreuzigten nennt, in seinen '
Institutio‐
nen des Kirchenrechts' die menschen‐
freundlichen Worte:
'Die weltliche Obrigkeit muß auf
Befehl und im Auftrage der Kirche
die Todesstrafe am Häretiker voll‐
ziehen und kann den von der Kir‐
che der weltlichen Gewalt über‐
gebenen der Todesstrafe nicht
mehr entziehen.
.Dieser Strafe verfallen nicht nur
diejenigen, die als Erwachsene
vom Glauben abgefallen sind, son‐
dern auch jene, die getauft sind
und mit der Muttermilch die Häre‐
sie eingesogen haben und erwach‐
sen sie hartnäckig festhalten.
.Diese Strafe trifft auch, wo sie
eingeführt ist, alle rückfälligen
Häretiker, auch wenn sie sich be‐
kehren wollen, sowie alle, die nach
erfolgter Mahnung hartnäckig
sind.' ‒ ‒ ‒
.Ich muß sagen, daß mir ein 'Erlöser' recht
notwendig erscheinen würde, der einen Men‐
schen, in dessen Gehirn derart scheusälige
Gedanken sich formen konnten, von
seinem
Denken erlösen würde! ‒ ‒
.In die Gesellschaft dessen, den man da
auf den Bildern als Gemarterten dargestellt
sieht, gehört er wahrlich nicht, aber unter
den mit so wollüstiger Freude am Grausamen
wiedergegebenen Henkersknechten könnte
er sich mit Ehren sehen lassen!”
*
.„Sie nehmen aber derartige Äußerungen
doch auch gar zu ernst”, erwiderte der Alte.
„Ich möchte hier weder die vom heiligen
Ignatius von Loyola gestiftete
Gesellschaft,
der auch mein Bruder angehört, und unter
deren Mitgliedern ich manche gelehrte
Freunde zähle, die recht wohl wissen, daß
ich meine
eigenen religiösen Wege gehe,
noch gar
die Kirche selbst für solche
Äußerungen eines römischen Heißsporns, die
ich sehr wohl kenne, verantwortlich machen!
.Der Herr kann aus seiner recht subjek‐
tiven Enge eben nicht heraus!”
*
.„So! ‒ Er kann nicht heraus?!” entgeg‐
nete der Physiker.
.„Aber die römische Kirche hat doch die
sattsam bekannte Institution der 'Indexkon‐
gregation'!
.Warum setzt sie nicht auch einmal Werke,
in denen, im Namen dessen, durch den der
Grund gelegt wurde auf dem sie ihr stolzes
Gebäude aufrichtete, solche
Unmensch‐
lichkeiten propagiert werden, auf den '
In‐
dex' und rückt so wenigstens
formal von
ihnen ab?!
.Meines Wissens ist das
nicht geschehen!”
.„Aber die päpstliche Kirche”, widersprach
der Alte, „ist doch in der heutigen Praxis
durchaus tolerant, und gerade der Gesell‐
schaft der jener Priester zugehört, macht
man viel eher den Vorwurf, daß sie gegen‐
über der menschlichen Schwachheit nur all‐
zuviel Nachsicht habe!”
.„Ja, wo es ihr paßt”, parierte der andere,
„und was die heute geübte 'tolerantere Pra‐
xis' angeht, so stellt sie
eine Tugend der
Not dar, wenn man nicht eher sagen darf,
daß gerade diese tolerante Praxis
höchst
subjektiver Natur ist, und keineswegs in
dem begründet erscheint, was man sich als
kirchliche
Jurisdiktionsgewalt im Laufe
der Zeiten zurechtgetüftelt hat und woran
man leider auch heute noch ‒ wenn auch in
vorsichtigerer Anwendung ‒ den eigenen
Halt zu finden glaubt, obwohl es schon arger,
und wahrlich
bedenklicher Sophismen
bedarf, um das alles mit der
Lehre des Na‐
zareners, auch nur
unter Auguren, in
scheinbaren Einklang zu bringen! ‒ ‒”
*
.„Sie reden da von der
Lehre des Naza‐
reners”, warf nun der jüngste der drei Män‐
ner ein, „wie von einer Sache, über die man
sich mit Leichtigkeit unterrichten könne!
.Ich muß dagegen einwenden, daß es we‐
nige Dinge auf Erden gibt, über die man
mit ähnlicher Selbstverständlichkeit spricht,
ohne sie zu kennen, wie eben gerade die
Lehre des Nazareners! ‒
.Was man in literarischen Zeugnissen die‐
ser Lehre besitzt ‒ die sogenannten 'Evan‐
gelien' ‒ ist von Anfang an
Bericht aus
zweiter Hand gewesen und wurde, bevor
es auf uns kam, in der skrupellosesten Weise
von den verschiedensten Bearbeitern um‐
gemodelt, weil jeder versuchte, die Bestäti‐
gung seiner
eigenen beschränkten Schul‐
meinung durch die Autorität des hohen Mei‐
sters sicherzustellen. ‒ Jeder der frühen Ab‐
schreiber las aus den ohnehin nur fragmen‐
tarischen Berichten über die Lehre
nur das
heraus, was er selber zu fassen vermochte,
und glaubte sich so bei bestem Gewissen be‐
rechtigt, ihm Unverständliches zu än‐
dern, bis schließlich die letzte Form der
Abschriften entstand, die für uns die frü‐
hesten, noch erreichbaren Texte darstellen,
auf denen all unser äußeres Wissen über die
Lehre des Meisters von Nazareth sich grün‐
det. ‒ ‒
.Wer aber glaubt, daß außer diesen lite‐
rarischen Dokumenten von bereits so zwei‐
felhafter Glaubwürdigkeit, etwa eine münd‐
liche Tradition sich erhalten haben könne,
der zeigt gar wenig Menschen- und Ge‐
schichtskenntnis...
.Schon die alltägliche Erfahrung lehrt je‐
den Richter, daß auch die glaubwürdigsten
Zeugen einer leicht faßbaren Begebenheit,
die verschiedensten Berichte geben, trotzdem
jeder die ganze Wahrheit zu bekunden
glaubt. ‒ ‒
.Blickt man sich aber in der Geschichte der
Menschheit etwas genauer um, so bedarf es
wahrlich nur geringer Kritikfähigkeit, um zu
sehen, wie Worte und Ereignisse sich im
Laufe weniger Jahrzehnte schon zu ändern
vermögen, um irgendwelchen Wünschen
Mächtiger, oder dem Bedürfnis der Menge
gerecht zu werden. ‒ ‒
.Ich spreche es darum hier unumwunden
aus und bin mir der Tragweite meiner Worte
gar wohl bewußt: ‒ daß kein Mensch
auf dieser Erde etwas Sicheres über
die Person und Lehre des Jehoschuah
von Nazareth weiß oder in Erfahrung
bringen kann, solange ihm nicht die
Lehren der 'Leuchtenden des Urlich‐
tes' zugänglich wurden, denn der Mann,
der im Mittelpunkte der alten Berichte steht,
war ein Zugehöriger dieser geistigen
Vereinigung Gottgeeinter, und was er
lehrte, lehrte er wie es der 'Vater' ihm ge‐
boten hatte, ‒ der 'Vater' dieser Leuch‐
tenden, den jeder seiner 'Söhne' kennt
und von dem jeder aus ihnen sagen darf:
.'Ich und der Vater sind eins!'
.'
Wer mich sieht,
der sieht auch den
Vater!' ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Jede der vielen Glaubensgemeinschaften,
die sich heute nach dem
Namen dieses ho‐
hen Meisters, dieses 'Gesalbten' oder
Chri‐
stos, nennen, besitzt wohl in irgendwelchen
Bruchstücken irgendwelche
Teile seiner
Lehre und sucht sie so gut wie es gehen mag,
ihrem Verständnis anzupassen, wobei frei‐
lich meist das Beste verloren geht. ‒ ‒
.Die einen tilgen alles, was über ihre eigene,
rationalistische Denkweise sich erhebt, und
fälschen unbewußt des Meisters Lehre in
eine erhabene menschliche
Ethik um, wäh‐
rend die anderen durch
Zwang zu erreichen
suchen, daß erhalten bleibe, was sie selbst
nur noch irrig deuten.
.Die Kirche Roms krankt an ihrem
Ahnen‐
stolz, wie so manche Adelsfamilie, der die
Zahl der Ahnen wichtiger ward als der eigene
Adel, ‒ wogegen die von ihr
losgelösten
Zweige vergessen, daß zum Gedeihen '
Erd‐
reich' gehört, und so sich nicht beklagen
dürfen, wenn sie allmählich ihre Lebens‐
kraft verlieren! ‒ ‒ ‒
.Wer
wirklich ein Jünger des Meisters
der Evangelien werden
will, der darf nicht
glauben, von diesen menschlichen Institutio‐
nen abzuhängen, auch wenn er in einer oder
der anderen vieles zu finden weiß, das ihm
gemäß ist und zu seiner Seele spricht!
.Aber auch nicht durch die
Loslösung
von solcher Gemeinschaftsbildung kommt
er dem Meister näher, sondern nur durch
Vertiefung seiner eigenen Erkennt‐
nis, die sich in
jeder Glaubensform zum
Aufleuchten bringen läßt!
.So wollen wir nicht hadern über der an‐
deren Torheit, sondern
selbst die Weis‐
heit suchen! ‒”
*
.Hier endete vorerst der jüngere der drei
Männer, und seinen bewegten und bewegen‐
den Worten folgte eine tiefe, fast atemlose
Stille.
.Es war, als ob der Gekreuzigte, unter des‐
sen kunstreich gestaltetem Bilde die Drei ‒
die sich unwillkürlich während solcher Rede
erhoben hatten ‒ nun standen, segnend
seine durchbohrten Hände über sie breite,
und als ob Mann und Weib, die man steinern
im Schmerz versunken unter dem Kreuze
gewahrte, aus den Worten des Begeisterten
Trost schöpfen wollten...
.Viel länger als beabsichtigt war, hatte man
hier verweilt, und die drei Freunde schritten
nun im Gefühl einer heiligen Erregung, die
von dem Sprechenden ausgegangen war und
sich den beiden anderen mitgeteilt hatte,
durch den blühenden, von den Mönchen
sorglichst gepflegten Garten dem nahen Klo‐
ster zu.
.Vor dem überreich skulpierten Barock‐
portal machten sie Halt.
.Dem schweren, schmiedeeisernen Klingel‐
zug gehorchte eine tiefgestimmte Glocke,
die man im Innern der Klosterräume ertönen
hörte, und alsbald öffnete sich eine kleine
Pforte in dem mächtigen geschnitzten Tor‐
gebilde, das von dem steinernen Portal um‐
schlossen war.
.Ein dicker Franziskanerfrater begrüßte
lächelnd die Ankommenden und schloß hin‐
ter ihnen sogleich wieder den Einlaß, der,
als ein Tor im Tore, die architektonische
Gliederung des Ganzen auch im geöffneten
Zustande keineswegs beeinträchtigt hatte.
.Die Freunde fanden sich in einer hohen,
leidlich lichten Halle, während der Bruder
Pförtner ihnen voranschritt und sie dann
über einige Stufen, die er in sorglicher Vor‐
sicht zu beachten empfahl, in einen kleinen
gewölbten Raum geleitete, den Tische, Bänke
und Stühle einigermaßen füllten und der
an seinen weißgetünchten Wänden keinen
anderen Schmuck aufwies, als ein großes,
hölzernes Kruzifix.
.Hier bat er, dem offenbar die leibliche
Stärkung der Besucher des Klosters oblag,
die drei Männer, zu verweilen, um alsbald
mit einer mächtigen Schüssel dampfender
„Minestrone”, jener köstlichen italienischen
Gemüsesuppe, wiederzukehren, die er vor
ihnen niedersetzte.
.Aus einem Wandschrank holte er Teller,
Löffel und Gläser, verschwand wieder und
kam zurück mit einer bastumflochtenen lang‐
halsigen Flasche, mit einem zinnernen Tel‐
ler, auf dem eine Stange weißen Brotes lag,
und mit einem Schüsselchen, das gefüllt war
mit geriebenem Käse, den man nach landes‐
üblicher Weise auf die Suppe streut.
.So wußte er die Gäste nun versorgt,
wünschte Appetit und überließ sie ihrem
Mahle.
.Die Minestrone mundete vorzüglich, Brot
und Wein waren eine willkommene Beigabe,
und da man doch, vordem man hier eintrat,
allmählich recht hungrig geworden war, so
durfte wohl der Bruder Küchenmeister spä‐
ter an der geleerten Schüssel ersehen, daß
das Gebotene allen Beifall gefunden haben
mußte.
.Eben hatte man befriedigt den letzten
Bissen genossen, als auch der bedienende
Bruder wieder erschien und mit einem Blick
auf das leere Geschirr scherzend bedeutete,
nun sei man wohl wieder fähig, einige An‐
strengung zu ertragen, und darum wolle er
gerne den alten Kreuzgang und das Innere
der Klosterkirche zeigen.
.Einer Bezahlung des Mahles wehrte er lä‐
chelnd ab und meinte, das könne man nach
Schluß seiner Führung mit einer beliebigen
frommen Gabe für das Kloster begleichen.
*
.Es ist etwas sehr Schönes um diese Gast‐
freundlichkeit der Mönche und man darf
nur bedauern, daß es auch allzuoft Kloster‐
gäste gibt, die sich sehr gerne
geben lassen
ohne von dem Ihren etwas
entgegen zu
geben, und so denn schließlich noch die Klö‐
ster, in denen bislang derartige vertrauende
Gastfreiheit bestand, eines Tages zwingen
werden, den guten alten Brauch aufzuheben.
*
.Als man das kleine Gaststübchen verließ,
meinte der „Abate”, wie der Physiker wohl
auch scherzweise oft von seinen Freunden
bezeichnet wurde, in froher Behaglichkeit:
„Das nenne ich praktisches Christentum!
.Da wird nicht erst gefragt, ob man Heide,
Jude oder Christ, und nach welcher
Art man
es zu sein beliebt, ob man
Geld im Beutel
hat oder nicht, und man vertraut wildfrem‐
den Menschen, daß sie Vernunft genug ha‐
ben, Gabe mit Gegengabe zu vergelten!
.Es ist doch jämmerlich, daß die 'From‐
men' draußen in der Welt allesamt immer
zu sündigen fürchten, wenn sie einem, der
nicht auf
ihr Glaubensbekenntnis einge‐
schworen ist, auch nur einen freundlichen
Blick schenken! ‒
.Hier ist so ein Stück kirchliche, und zwar
uralte Praxis, das vielleicht doch Nach‐
ahmung verdiente! ‒”
*
.Aber es war jetzt nicht Zeit dazu, sich
weiterhin über den wünschbaren Zustand zu
verbreiten, der durch ein duldsames Ver‐
halten der Menschen untereinander auf Er‐
den entstehen könnte, so sehr auch jeder der
beiden anderen dem Sprechenden Recht ge‐
ben mochte; ist es doch ohne Zweifel wahr,
daß die Menschen sich sehr wohl zu ver‐
tragen wissen, solange es ihnen nicht ein‐
fällt, schamloserweise ihre innersten Über‐
zeugungen zur Handelsware zu erniedrigen,
wo dann ein jeder
seinen Einkauf zum
höchsten gewertet sehen will, und alsbald
grimmig, fuchtig und boshaft wird, wenn
ein anderer meint, er habe den
besseren
Griff getan und sein Gespinste müsse alle an‐
deren überdauern. ‒ ‒
*
.Die drei Männer, und voran der Kloster‐
bruder, waren nach wenigen Schritten vor
einer tiefausgeweiteten Nische angelangt, all‐
wo das Pfingstwunder in gleich kunstloser
Darstellung wie die Marterbilder, die man
vordem gesehen hatte, in buntbemalter Holz‐
schnitzarbeit dargestellt war.
.Inmitten der zwölf Jünger des Gesalbten
thronte nun nicht mehr der
Verkünder der
„frohen Botschaft”, sondern seine
Mutter.
.Das Weib war an Stelle des Mannes ge‐
treten!
.„Das
Ewig-
Weibliche zieht uns hin‐
an”, bemerkte, wie nebenbei, in tiefem
Ernste der Jüngste.
.Der führende Frater hielt die Darstellung
für ein großes Kunstwerk, zumal sie doch zu
dem Namen des Klosters in so naher Be‐
ziehung stand, denn die feurigen Flammen‐
zungen da, über jedem Haupte, bedeuteten
doch den Paraklet, den „
heiligen
Geist”. ‒
.Befriedigt über das sichtliche Wohlgefal‐
len, das die Besucher nach seiner Meinung
an dem für ihn so sehr „natürlich” gestalte‐
ten Gebilde fanden, führte er sie ins Refek‐
torium, den Speisesaal der Mönche.
.Eine feierliche Vornehmheit erfüllte die‐
sen Raum.
.An den Wänden sah man nicht üble, bib‐
lische Fresken aus später Zeit italischer
Kunst, und ringsum vor dem tiefbraunen
Holzgetäfel standen lange linnenbedeckte
Tafeln, auf denen man bereits ‒ für die
Abendmahlzeit der Mönche bestimmt ‒ vor
jedem der primitiven Schemel eine kleine
Schüssel und ein Brot gewahrte.
.An der Stirnseite des durch drei schmale,
kleine Rundbogenfenster mäßig erleuchte‐
ten Raumes sah man sodann unter einer fast
lebensgroßen Darstellung des Gekreuzigten,
die den „Mann der Schmerzen”, auf Holz
gemalt, an den schwarzen gekreuzten Balken
zeigte ‒ über seinem Haupte drei silberne
Kronen, eine zu fünf, eine zu vier und die
höchste drei Zacken tragend ‒ den Tisch
des Superiors, hinter dem statt des Schemels
ein hoher Thronsessel sich erhob.
.Gegenüber aber, dort wo die drei Fenster
die Wand der anderen Schmalseite durch‐
brachen, war in der Ecke eine kleine Kanzel
mit Lesepult aufgerichtet, und der Bruder
erklärte den Dreien ‒ was sie alle bereits
wußten ‒ daß dort zur Zeit des Mahles der
Vorleser seines Amtes walte, damit auch bei
so nötiger leiblicher Stärkung der heilige
Geist nicht fehle.
.Den ganzen Saal erfüllte ein starker, doch
nicht gerade unangenehmer Geruch nach ge‐
kochten Hülsenfrüchten, der den Mauern,
den Schemeln und selbst der kleinen Kanzel
zu entströmen schien, und der in gar wun‐
derlichem Kontrast stand zu dem Weih‐
rauchduft, dem man in den hohen, langen
Gängen, die den Speiseraum erreichen lie‐
ßen, bisher begegnet war.
.Wie es immer geht, wenn man Räume be‐
tritt, die zu der Zeit ihres Betretens nicht
ihrer Bestimmung dienen, so geschah es auch
hier: man war froh, den Saal wieder ver‐
lassen zu können und ließ sich gerne immer
fühlbarer werdender frischer Gartenluft ent‐
gegenführen.
.Nach einigen labyrinthischen Winkel‐
wegen war man so in dem berühmten Kreuz‐
gang des Klosters angelangt, den frühe Fröm‐
migkeit mit hoher Kunst gestaltet hatte.
.Ein großes Viereck war hier über und
über bedeckt mit Rosen, und selbst um die
dünnen steinernen Säulchen auf den Balu‐
straden, die den breiten Gang von der Gar‐
tenerde schieden, rankten sich dornige Ro‐
senzweige bis unter das Gewölbe.
.Hier war wahrlich ein wonniges Paradies,
und die frommen Patres waren wohl zu be‐
neiden, wenn sie alltäglich die Gnade ge‐
nießen durften, allhier ihr Brevier zu beten.
.Wie mußte sich in diesem kühlen Wandel‐
gang um einen Rosenhain so süß zur „
Rosa
mystika” das Herz erheben lassen!
.Wie nahe fühlte man sich hier den Seli‐
gen, die vor dem Thron des Lammes ihr
„
Laudamus te” erklingen lassen für und
für.
.Aber schließlich geziemt es Weltleuten
nicht, allzulange die Wonnen der Gottselig‐
keit frommer Mönche ahnend nachzuempfin‐
den, und so mußte man denn auch diesen,
stiller Versenkung und heiligem Gespräch
vorbehaltenen Ort wieder verlassen, um
durch den allzeit gütig lächelnden Führer
sich in die Klosterkirche geleiten zu lassen.
.Hier war nun am meisten bemerkenswert,
daß diese Kirche gleichsam auf einer frü‐
heren Kirche stand, und in der früheren,
die nun die Krypta ‒ das Kellergewölbe
der neueren war ‒ stand heute noch der alte
heidnische Opferaltar ‒ nun von al‐
lem Bösen gereinigt und durch den Bischof
geweiht ‒ auf dem in vorchristlicher Zeit
die alten Heidenpriester hier einem Gotte
Opfer brachten, den sie den „Beleber”
nannten, und den man im Lichte der Offen‐
barung freilich längst als bösen „Teufel” er‐
kannt und aus seinem ehemaligen Tempel
vertrieben hatte.
.„Santo Spirito” hieß ja jetzt diese
Kirche und nach ihr das Kloster, wo einst in
früher Vorzeit ein Sanktuarium stand, zu
dem man nur von ferne aufzublicken wagte
in der ganzen Gegend, da schon der Fels, auf
dem es errichtet war, als heilig galt und nur
durch Götterwort aus diesem Hügelland em‐
porgehoben schien. ‒ ‒
.„Veni creator spiritus” ‒ Komm'
Schöpfer Geist! ‒ zitierte der Jüngste der
Drei.
.„Wie lange willst du uns noch warten
lassen?! ”
.Und der Klosterbruder nickte lächelnd,
‒ hatte er doch ihm so bekannte Worte ver‐
nommen, die den, der sie gesprochen hatte,
ihm als wahrhaft frommen Sohn der heiligen
Kirche erscheinen lassen mußten...
.Auch unter den Weltleuten gab es ja nach
Gottes Ratschluß mitunter fromme Seelen,
und wenn es ihnen auch wahrlich schwer
war, das Heil zu erlangen, so zeugte doch
solche Wohlvertrautheit mit heiligen Wor‐
ten schon davon, daß dieser da nicht ganz
verloren war. ‒
.Er führte die drei Männer über eine steile
in den Fels gehauene Treppe wieder empor
zur Oberkirche, einem einst in der ersten
Zeit der Christenheit begonnenen, wohl auch
vollendeten und dann in Kriegsläuften wie‐
der zerstörten Bau, der in den Stilarten aller
Jahrhunderte stets neu erstanden war, und
schließlich in jenem reichen Barock erhalten
blieb, das man auf italischen Gefilden so oft‐
mals trifft, als den Stil der ausgelassensten
Heiligkeit.
.Hier sollte man nun zwar gar manche Al‐
targemälde bestaunen; doch waren diese Be‐
sucher offenbar der Kunst nicht kundig, denn
sie fanden nur weniges, das ihre Bewunde‐
rung erweckte.
.Der Franziskanerbruder war fast traurig!
.Nur eine büßende Magdalena, die gerade‐
zu sündhaft natürlich als Weibsperson in Er‐
scheinung trat, und deren Bildnis ‒ es sollte
von einem Schüler des großen Tizian sein ‒
man schon lange gern den Altertumshänd‐
lern von Firenze abgelassen hätte, wenn sie
nur willig gewesen wären, den Preis zu zah‐
len, den der Superior dafür haben wollte,
ließen sie gar nicht aus den Augen ‒ auch
der Junge nicht, der doch vorhin so heilige
Worte wußte ‒ so daß es den Frater schier
verdroß und er einige Augenblicke nicht
mehr so freundlich lächeln konnte, wie er es
sonst solchen vornehmen Besuchern des Klo‐
sters gegenüber gewohnt war.
.Es war halt doch ein Kreuz mit diesen
Weltmenschen und der Teufel hatte sie wohl
so halbwegs immer am Kragen!
.Wohl dem, der hier seine Zuflucht gefun‐
den hatte, wie er, nicht mehr beirrt von den
Gelüsten der Welt und ihrer Hoffart ent‐
ronnen!
.Unwillkürlich mußte sich der arme Frater
bekreuzigen...
.Dann aber wurde er wieder munter, wie
es seines Amtes war und ja auch himmlische
Verdienste brachte, betete im stillen für diese
Fremden, die vielleicht, und trotzdem sie die
melodische Sprache seines Landes sprachen,
dennoch „Ketzer” sein konnten, ein Stoß‐
gebet, räusperte sich und zeigte nun mit nicht
endenwollenden Erklärungen die Gräber der
hochadeligen Gönner der Kirche in einer
reichgeschmückten Seitenkapelle, und war
maßlos enttäuscht, als auch diese Sehenswür‐
digkeit keinen rechten Anklang fand.
.Während er die Fremden durch die langen
Korridore dem Ausgang zu geleitete, dachte
er darüber nach, vor wieviel Gefahren ihn
doch der Herr behütet habe. ‒ ‒
.Nicht Gefahren des Leibes, denn die
hatte er niemals sonderlich geachtet, auch
damals nicht, als er dem Bruder seiner Ro‐
setta den Dolchstoß versetzte, an dessen Fol‐
gen er schließlich verstorben war. ‒ ‒
.Warum hatte er ihnen auch auflauern
müssen?!
.Glücklicherweise hatte ihn die Rosetta ja,
wie er dann hörte, mit einem anderen be‐
trogen, so daß der Verdacht damals auf je‐
nen fiel ‒ was eigentlich eine gerechte
„Strafe” war ‒ und in der Dunkelheit hatte
der erzürnte Angreifer, der die Ehre der
Schwester rächen kam, nicht zu erkennen
vermocht, wen er selbst da erdolchen
wollte...
.Jetzt war Rosetta lange Jahre schon ein
braves Eheweib, hatte ein halbes Dutzend
Kinder und schlug gar keusch die Augen
nieder, wenn sie an besonderen Festtagen
herauf ins Kloster kam, und etwa ihm, dem
Frater Isidoro, begegnen mochte. ‒ ‒
.Ja, ‒ es war schwer, in der Welt zu le‐
ben und dennoch selig zu werden! ‒ Sehr
schwer!
.Ewigen Dank der heiligen Jungfrau dafür,
daß sie ihm damals, als er nach dem Begräb‐
nis von Rosettas Bruder so inbrünstig gebetet
hatte, in den Sinn zu geben für gut fand, daß
er als büßender Bruder hier oben im Kloster
doch noch Verzeihung für seine Sünde fin‐
den könne! ‒ Auch der vermeintliche
Täter war ja, aus Mangel an Beweisen, frei‐
gesprochen worden. ‒ ‒
.In solche Gedanken versunken war er mit
seinen Fremden wieder an die gleiche Pforte
gelangt, die es gestattete, ohne das mächtige
Tor zu öffnen, einzelne Besucher des Klo‐
sters ein- und auszulassen.
.Hier erinnerte er sich wieder seiner
Pflicht, gab sein liebenswürdigstes Lächeln,
nahm im Namen Gottes dankend die unbe‐
sehenen Spenden der Gäste in Empfang, und
schloß die Pforte hinter ihnen in einem Ge‐
fühl, das dem nicht unähnlich war, das Sankt
Petrus haben müßte, wenn er ein paar Teufel
durch die himmlischen Thronsäle geleitet
hätte, um sie nun endlich wieder los zu
sein...
.Das Amt als Bruder Pförtner war wahrlich
nicht leicht!
.So immerfort mit den profanen Weltleu‐
ten zu tun zu haben, während man sich
doch längst dem Himmel angelobt hatte,
‒ das war halt doch eine harte Pönitenz!
‒ ‒
.Gott sei Dank! ‒ Heute waren wenigstens
keine Gäste mehr zu erwarten!
*
.Die drei Männer aber umschritten nun,
während noch gelegentliche Bemerkungen
über das Gesehene fielen, die ausgedehnten
Klostergebäude, um endlich auf die äußere
Terrasse zu gelangen, von deren herrlicher
Aussicht sie so viel gehört hatten.
.Wirklich bot sich jetzt dem Auge ein
Rundblick dar, der seinesgleichen ‒ auch in
italischen Landen ‒ suchte.
.Von steilster Felsenhöhe herab übersah
man weitgedehntes Hügelland, Dörfer, Wei‐
ler, einzelne Gehöfte, die in dunkles, graues
Grün gebettet waren, wie helle Stickerei in
dunklen Samt.
.Zuweilen zeigte das dunkle Grün auch
helle, silbergraue Flächen: Olivenhaine, die
sich an die Hügellehne schmiegten.
.Aus den Dörfern ragte jeweils der hohe
Campanile, und weißen Spinnenbeinen
gleich griffen die Wege, Straßen und Pfade,
die allesamt von der Ebene her hinauf zu ir‐
gendeiner Piazzetta führen mochten, gebogen
oder eckig geknickt, in das dunkle Land.
.Nach der anderen Seite zu ebnete sich das
Gelände und lag wie eine Landkarte gebrei‐
tet vor dem Blick.
.Fern sah man inmitten der Äcker, Wiesen
und Gärten etwas rötlich Gelbes, das man
flüchtigen Auges für einen Steinbruch hätte
halten mögen, wenn nicht geregelt gewin‐
kelte Formen Gestaltung durch Menschen‐
hand verraten hätten.
.Das rötliche Gelb, gemattet durch einen
Schleier opalfarbenen Duftes, den der Rauch
der Küchen verstärkte, breitete sich hier die
Stadt mit ihren bei näherem Zusehen bald
erkennbaren Palazzi und schlanken Türmen,
in ihrem Umkreis akzentuiert durch die
dunklen Massen der Parke, aus denen helle
Flecken: die Villen der äußeren Stadtteile,
leuchtend blinkten, oft überragt von schwar‐
zen Zypressenspitzen oder breitausladenden
Pinienkronen.
.Hohen Horizontes aber umschloß dieses
ganze Bild das weithin sichtbare Meer, grau‐
grünlich gebreitet, von der türkisfarbenen
Himmelsweite wie von einer unendlich fer‐
nen, leuchtenden Wand umschlossen, auf der
blaßviolette Streifenwolken einen dünnen
Saum zu ziehen suchten.
.In der Höhe der Himmelswand vertiefte
sich das blasse Blau, ließ immer deutlicher
erkennen, daß diese Wand nur ein dünner
Schleier war vor der unendlichen Welten‐
nacht, die der Erdensonne Licht dem Auge
zu verbergen weiß, und hoch oben über dem
Scheitel schien dieser Schleier zuletzt so we‐
senlos, daß man das schwarze Dunkel des
Weltenraumes durch ihn hindurch zu er‐
kennen glaubte.
.Kein Laut erreichte das Ohr.
.Das Auge allein empfing Kunde, so daß
man sich leicht der Täuschung ergeben
konnte, als stünde man hier vor einem gran‐
diosen Bilde, und nicht als winziger Be‐
wußtseinsträger inmitten eines kaum nen‐
nenswerten Umkreises der Oberfläche eines
der kleinsten Planeten, der unaufhörlich be‐
wegt, seine Bahn um das lebenspendende
ferne Muttergestirn in rasender Eile durch‐
mißt. ‒ ‒
.Die drei Männer fanden sich bewogen,
sehr lange schweigend hier zu verweilen, und
ohne ein Wort der Verabredung, schien man
übereingekommen, die ursprüngliche Ab‐
sicht, hier das Gespräch des gestrigen Tages
fortzusetzen, doch lieber aufzugeben, zumal
die Stunde nun zur Heimkehr rief, wollte
man noch vor der Dunkelheit die Stadt er‐
reichen.
.Alsbald machte man sich denn auch auf
den Weg und erstaunte fast, wie schnell man
wieder unten den Rastplatz fand, an dem
man des Morgens gelagert hatte.
.Auf dem weiteren Wege sprach man wohl
dann und wann ein kurzes Wort, allein es
schien, als ob keiner der Drei sich veranlaßt
fände, ein weiterzeugendes Gespräch zu
wünschen.
.Fast hätte man meinen können, daß sich
erst, jener dünnen Quelle an dem morgend‐
lichen Rastplatze gleich, die Gedanken wie
das Wasser im Becher sammeln wollten, be‐
vor sie sich darbieten mochten um genossen
zu werden. ‒
.Im Schweigen verdoppelte man unwill‐
kürlich die Schnelligkeit des Schrittes und
so kam es, daß man weit eher in die Stadt
zurückgekehrt war, als man es vorher hätte
vermuten können.
.Trotz der reichlichen Wegstrecken dieses
Tages fühlten sich aber die Wanderer heute
noch viel zu frisch, als daß der Wunsch in
ihnen hätte aufkommen mögen, sich für den
Rest des Tages oder vielmehr für dieses Ta‐
ges Abend allein gelassen zu sehen.
.So verabredete man denn, heute den
Abendimbiß gemeinsam einzunehmen, und
es wurde dafür eine Trattoria bestimmt, die
berühmt war für Küche und Keller, außer
diesen Vorzügen aber noch, obwohl inmitten
der Stadt gelegen, eine Pergola besaß, die an
einen weiten Garten grenzte, so daß man
hier im Freien eine der köstlichen Nächte
des Südens zu genießen hoffen durfte.
.Dort ‒ so meinte man ‒ würde sich viel‐
leicht auch Gelegenheit finden, das am Nach‐
mittag versäumte Gespräch allenfalls in der
Abendkühle geruhsam nachzuholen.
TRATTORIA del duomo” nannte sich die
kleine Gaststätte, in der sich die Freunde
nun wieder fanden.
.Man durchschritt zuerst einen schmalen,
langgestreckten Speiseraum mit weißge‐
tünchten Wänden, an denen einige billige,
patriotische Öldruckbilder wie groteske
Kleckse wirkten.
.Nur wenige Gäste saßen in dem für die
kleinen Ausmaße des nüchternen Raumes
viel zu grellen Licht an den weißgedeckten
Tischen bei ihrer Abendmahlzeit.
.Als man durch eine rückwärtige Türe dann
ins Freie trat, war man trotz der paar im
Laubwerk der Pergola primitiv aufgehäng‐
ten Glühlampen derart geblendet, daß man
um den spärlichen Lichtkreis, der so da und
dort zu sehen war, nur tiefe ägyptische Fin‐
sternis gewahrte.
.Es brauchte aber nur Minuten und das
Auge hatte sich von der barbarischen Blen‐
dung erholt, erkannte deutlich die Umrisse
des Laubwerks im Garten, hinter denen sich
das Dach der Hauptkirche und daneben der
Campanile erhob, flankiert von tiefschwarzen
Zypressengruppen, die wohl noch im Garten
wurzeln mochten.
.Winkelreiche Häusersimse schlossen nach
der anderen Seite das Bild, das wie in einem
Rahmen stand: gebildet aus den mattbeleuch‐
teten Rebenblättern der Laube. Aus tiefstem
Hintergrund strahlte ein schon vom auf‐
gehenden, aber hier noch nicht sichtbaren
Monde durchflimmerter, heller Nachthim‐
mel, aus dem der Sterne gedrängte Menge
ihr glitzerndes Licht herab zu einem der
winzigsten ihrer Brüder ‒ dem kleinen
Erdplaneten ‒ sandte.
.Nach den im Laufe des Tages empfunde‐
nen, bereits recht fühlbaren, hohen Wärme‐
graden, war man dankbar für die mäßige
Abendkühle, die das Sitzen im Freien als
wahres Labsal genießen ließ.
.Die drei Männer hatten dem höflichen Ca‐
meriere, der ihnen vom Eingang an auf dem
Fuße gefolgt war, schnell ihre Wünsche
offenbart, und nach kürzester Zeit fand man
sich denn auch schon beim appetitlichsten
Imbiß und spendete dem vorzüglichen Ba‐
rolo alles Lob, einem Piemonteser roten
Wein, der weder herb noch süß, voll charak‐
teristischer Eigenart des Geschmacks, nicht
ganz ungeeignet schien, die Zungen zu
lösen.
.Als ein butterzarter Stracchino ‒ jener
milde köstliche Käse der Lombardei, der auf‐
gestrichen auf das lichte Weizenbrot des Lan‐
des eine Delikatesse hohen Ranges zu bilden
vermag ‒ das Mahl beschlossen hatte, fand
es denn auch der älteste der Drei, gewohnt
mit einiger Zähigkeit an dem was er sich vor‐
genommen hatte, festzuhalten, für geraten,
nun das schon am Tage durch den Lauf der
Ereignisse verzögerte Gespräch hervorzu‐
locken, denn es war doch da manches zu er‐
warten, was ihn nicht ruhen gelassen hätte,
wäre man auch an diesem Abend wieder der
Rede über diese Dinge ausgewichen.
.Und er begann:
.„Dünkt es Ihnen nicht, junger Freund,
daß hier wohl der rechte Ort und vielleicht
auch eine gute Stunde wäre, über alles das
von Ihnen zu hören, was Sie uns für heute
zwar versprochen hatten, aber noch vorent‐
halten haben?
.Ich dächte, eine stimmungsvollere Um‐
gebung ließe sich nicht leicht finden, und
über uns die ewigen Sterne fordern geradezu
heraus, hier über tiefe Themen zu sprechen
und uns das Geheimnisvolle, das Ihnen be‐
gegnet sein mag, soweit Sie es für gut finden
wollen, zu enthüllen! ‒”
.Der „Abate”, der ja am Abend zuvor bei
der Wanderung am Meeresstrande erste An‐
regung zu solcher Frage gegeben hatte,
stimmte freudig zu, und der Jüngste der Drei,
den die Bitte anging, zeigte sich nun gerne
bereit, ihr zu willfahren, wenn er auch zu
bedenken gab, daß man schwerlich so lange
hier verweilen könne, um alledem was er
mitzuteilen habe, zuzuhören.
*
.So fing er denn damit an, in kurzen Wor‐
ten erst seines Elternhauses zu erwähnen, in
dem eine tiefe christliche Frömmigkeit nach
reformierter Lehre gleichsam erblich war,
und gedachte besonders seiner Mutter, die es
verstanden hatte, in der Seele ihres Kindes
die Sehnsucht nach göttlichen Dingen so zu
wecken, daß später die erlangte Studienreife
keine Wahl mehr zuließ, hinsichtlich des
künftigen Berufes: denn nur als Seelsorger
inmitten einer gläubigen Gemeinde, glaubte
damals der Sohn das Glück seines Lebens fin‐
den zu können. ‒
.Er gedachte weiter dann der ersten froh‐
beglückten Zeit des nach absolvierten Stu‐
dien erlangten Amtes an der Kirche seines
Bekenntnisses, in einer kleinen, aber geistig
ungemein regen Stadt, und all der Freuden,
die ihm damals die Seelsorge, soweit sie ihm
übertragen war, zu geben hatte.
.Dann aber waren fast plötzlich die ersten
schweren Zweifel aufgetaucht, ob denn wirk‐
lich diese von unzähligen Überarbeitern fast
bis zur Unkenntlichkeit redigierten alten Be‐
richte, die man das Evangelium nannte,
noch als „Wort Gottes” gelten könnten, und
im Verlaufe so mancher Monate, die den
jungen Prediger meist ganze Nächte hin‐
durch beim Studium bibelkritischer Werke
fanden, hatten sich solche Zweifel allmäh‐
lich bis zu völliger Gewißheit verdichtet,
daß er durch seinen Beruf fortan gezwungen
sei, Menschenmeinung und Satzung mit un‐
verdienter göttlicher Autorität zu umklei‐
den, ‒ ja er sah ein, daß auch jene Männer,
die einst das Wort des Evangeliums zur allei‐
nigen Grundlage des Glaubens machten, viel‐
fachem Irrtum erlegen waren, da auch
sie die alten Berichte nur in der Formung
kannten, die ihnen bereits in den Anfangs‐
zeiten des Christentums gegeben worden
waren, um allerlei Lehrmeinung dadurch zu
stützen.
.So manches liebgewordene Herrenwort
hatte neuere Textprüfung mit aller Sicher‐
heit als späteres Einschiebsel erkennen ge‐
lehrt, und die Fülle der Wunder war unter
der spürenden Sonde des Forschers zu from‐
mer Sage geworden.
.Eine nagende Seelenqual hatte das Herz
des jungen Geistlichen erfüllt, als er endlich
sah, daß er nicht mehr imstande sei, den
Glauben seiner Väter mit Überzeugung zu
verkünden.
.In solcher seelischer Not hatte er sich sei‐
nem geistlichen Vorgesetzten offenbart, der
zwar mit liebevollem Verständnis alles ver‐
suchte, um ihn trotzdem beim Amte zu hal‐
ten, aber mit seinen Gründen in keiner Weise
die Gewissensbedenken zu beschwichtigen
vermochte, die in dem jungen Prediger längst
den Entschluß gezeitigt hatten, seinem einst
mit so großer Freudigkeit erstrebten Berufe
zu entsagen.
.Unfaßbar schwer wurde es, diesen Ent‐
schluß den betagten Eltern mitzuteilen, aber
wider Erwarten fand sich hier alles Verste‐
hen, so daß es ihm mit Hilfe des Vaters mög‐
lich wurde, auf seiner Begabung zur Mathe‐
matik ein neues Studium aufzubauen, das
ihn nach seiner Beendung nun kürzlich mit‐
ten in das Getriebe eines großen technischen
Unternehmens versetzte, allwo er in Zukunft
sein Betätigungsfeld finden sollte.
.Bevor er den nun errungenen Beruf an‐
trat, hatte ihm sein Vater ‒ die Mutter war
ihm sogleich nach dem Beginn des neuen
Studiums durch den Tod entrissen worden ‒
einen lange gehegten Lieblingswunsch er‐
füllt: hatte ihm die Mittel zu einer Reise in
den Orient bereitgestellt, so daß er noch ein
halbes Jahr hindurch die Wunder südlicherer
Breiten beglückten Auges schauen durfte,
zumal der neue Wirkungskreis auch nicht
eher offen stand.
.Jetzt aber hatte er seine erste Ferien‐
zeit, die ziemlich reichlich bemessen war,
zu verleben, und was war natürlicher, als daß
er der Sehnsucht nach dem Süden folgte, die
ihn mit den beiden älteren, gelehrten Freun‐
den, denen er an dem neuen Orte seines Wir‐
kens sich genähert hatte, nach Italien brachte.
.Einiges, was er so erzählte, war den Zu‐
hörenden bereits bekannt, anderes wieder
neu, aber er glaubte den kurzen Abriß seines
Lebens nicht entbehren zu können, damit
man das Folgende einzureihen wisse.
.Nach einigen Zwischenfragen der älteren
Freunde fuhr er dann fort:
.„Ich habe mit Absicht in dieser Skizzie‐
rung meines Lebenslaufes
dessen bisher
noch nicht erwähnt, was Sie doch vor allem
von mir hören wollen, denn nun erst kann
ich Ihnen im Zusammenhange schildern, wie
das in mein Leben trat und sich weiter aus‐
wirkte, dem ich heute alle Sicherheit der
Seele danke, nachdem es mich einst zuerst
erreichte in einem Zustand wahrer seelischer
Verwüstung, der mir nichts übrig gelassen
hatte, als den Glauben an eine 'Wirklich‐
keit', die man messen, wägen, errechnen
und schließlich mit den Händen betasten
kann.
.So hören Sie nun!
*
.Es war in jener großen Stadt, in der ich,
seelisch zerrüttet, ja an aller geistigen Er‐
kenntnismöglichkeit verzweifelnd, nun aufs
neue zu studieren begann und alle Energie
aufzubieten hatte, um bei solcher Seelenver‐
fassung den Anforderungen meines Studiums
zu genügen und mich von den so weitaus
jüngeren Kommilitonen nicht beschämen zu
lassen.
.Ich hatte in ziemlicher Nähe des Polytech‐
nikums ein Zimmer gefunden, und da ich es
vorerst fast nicht ertrug unter Menschen zu
sein, so suchte ich stets auf dem schnellsten
Wege aus den Vorlesungen in den Bereich
meiner vier Wände zu gelangen, und die be‐
rühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt wa‐
ren für mich so gut wie nicht vorhanden.
.Längere Zeit schon hatte ich mich dieser
selbstgewählten Gefangenschaft ergeben und
mich dabei leidlich wohl befunden, als mich
doch an einem warmen, schönen Sommer‐
abend die Lust befing, eine nicht allzuweit
gelegene, große Parkanlage aufzusuchen, wo
ich von diesem ersten Durchbrechen meiner
Abgeschiedenheit an, dann auch fast jeden
Abend zu finden war und bald alle die ver‐
schlungenen Wege kannte, die schließlich,
an Wasserläufen entlang, an kleinen Seen
vorbei, über Brücken und Stege allmählich
aus der gepflegten Parklandschaft hinaus ins
Freie führten, in eine rechte Wald- und Wie‐
senwildnis, wo man sicher war, keinem le‐
benden Wesen zu begegnen, außer zuweilen
einem flüchtenden Reh, das den Weg kreuzte,
oder einem aus dem Buschwerk aufge‐
scheuchten Fasan, der mit seinem surrenden
Auffliegen den einsamen Spaziergänger oft
unvermutet aus der Ruhe schreckte.
.Eines Abends aber bemerkte ich, daß ich
diesmal nicht allein diese Einsamkeit auf‐
gesucht hatte.
.Eine hohe dunkle Gestalt ‒ soweit man
gerade noch erkennen konnte, ein weißbär‐
tiger Alter ‒ schien, wie ich mich auch wen‐
den mochte, meinen Schritten in mäßiger
Entfernung zu folgen, und wenn ich auch
gewiß frei war von jeglicher Furcht vor ihm,
so war mir dieses Nachspüren doch durchaus
unerwünscht.
.Kurz entschlossen kehrte ich daher plötz‐
lich um, wandte mich meinem stillen Ver‐
folger entgegen, erreichte ihn, und wurde zu
meinem maßlosen Erstaunen unter Nennung
meines Namens begrüßt.
.Nicht wenig verwirrt, erwiderte ich den
Gruß und gab zugleich meiner Verwunde‐
rung Ausdruck, denn der vor mir Stehende
war mir völlig unbekannt und ich erinnerte
mich nicht, diesem gütigen, schönen Greisen‐
antlitz von tief gebräunter Hautfarbe und die‐
sen durchdringenden dunklen Augen, die in
der Dämmerung fast zu leuchten schienen,
jemals irgendwo begegnet zu sein.
.Irgend etwas ließ es mich geradezu beschä‐
mend empfinden, daß mir vordem die stete
Verfolgung durch den Alten so unsympa‐
thisch gewesen war und ich mit recht wenig
liebevollen Gedanken ihn zu allen Teufeln
gewünscht hatte.
.Meiner verwunderten Frage aber folgte
die Antwort:
.'Ich glaube Ihnen gerne, daß Sie mich
noch niemals gesehen haben, aber wie sich
Ihnen jetzt zeigt, sind Sie mir trotzdem nicht
unbekannt, und wenn Sie noch mehr Beweise
wollen, sollen sie Ihnen werden!'
*
.Der Alte wurde mir unheimlich...
.Alsbald aber nahm er wieder seine Rede
auf und sagte:
.'Wie ich sah, wollten Sie doch eben nach
der Stadt zurückkehren, und wenn Sie es er‐
lauben, möchte ich Sie begleiten?
.Ich habe Ihnen einiges zu sagen und bitte
um Vergebung, wenn ich Sie durch mein be‐
harrliches Nachschreiten auf Ihren Wegen
beunruhigt haben sollte!'
*
.Der Ton dieser Stimme, wie die ganze Art
in der die Entschuldigung vorgebracht
wurde, waren derart entwaffnend, daß mir
die Regung zu einem brüsken Abbrechen des
Gespräches, die einen Augenblick lang in
mir sich aufbäumen wollte, alsbald verging
und ich ‒ ganz als ob es das Natürlichste
von der Welt wäre ‒ dem Vorschlag zu‐
stimmte.
.Aber was konnte dieser seltsame alte Mann
mir nur zu sagen haben??
.Allerlei Vermutungen schwirrten mir
durch den Kopf, so, als ob er am Ende ein
Bekannter meines Vaters sein könne, oder
ein mir nur unbekannter Zuhörer meiner
früheren, vielbesuchten Predigten, denn in
der Stadt, in der ich hier war, kannte ich
außer meinen Studienkollegen und Profes‐
soren doch kaum einen Menschen und wußte
auch nichts von etwaigen Beziehungen mei‐
ner Familie, die hierher hätten führen kön‐
nen.
.Da fiel mir schließlich auf, daß zwar ich
mit meinem Namen angeredet worden war,
daß der Fremde es aber unterlassen hatte
sich vorzustellen, und so bat ich denn um
seinen Namen.
.Merkwürdig berührt aber war ich durch
die Antwort, die ich nun erhalten sollte!
.Der Fremde sprach:
.'Wenn Sie einen Namen brauchen, so nen‐
nen Sie mich wie Sie wollen, aber verzeihen
Sie vorerst, wenn ich Ihnen meinen Namen
nicht eher nenne, als bis Sie von mir gehört
haben, wer ‒ ich bin! ‒ '
*
.Ich wäre versucht gewesen, einen sonder‐
baren Spleen, eine Schrulle des Alters zu ver‐
muten, wenn diese Worte nicht mit einem so
eigenartig bedeutungsvollen Ausdruck mich
erreicht hätten, daß ich eher eine Art
Ehr‐
furcht empfinden mußte, obwohl ich mir
durchaus nicht klar werden konnte,
was
diese Empfindung eigentlich in mir begrün‐
den mochte.
.So schritt ich denn eine Weile stumm ne‐
ben meinem mysteriösen Begleiter dahin,
bis er selbst wieder zu reden begann und sich
also vernehmen ließ:
.'Sie waren bereits Seelsorger einer Ge‐
meinde frommen Glaubens, bevor Sie hier‐
her kamen, um aufs neue zu studieren, aber
Sie haben gut getan, Ihren damals schon er‐
reichten Beruf aufzugeben, denn ich werde
Ihnen beweisen können, daß Sie trotz aller
gut bestandenen theologischen Examina doch
herzlich wenig von dem wußten, über das Sie
andere belehren sollten, und daß Ihnen die
Wunder der Seele noch ein Buch mit sieben
Siegeln sind bis auf den heutigen Tag!'
*
.Er kennt mich also doch nur dem
Äuße‐
ren nach von der Predigerzeit her, dachte
ich mir, und war eigentlich recht wenig er‐
baut über diesen Vorstoß in medias res, zu
dem ich ihm kaum die Berechtigung gegeben
zu haben glaubte.
.Aber ehe ich noch ein Wort erwidern
konnte, fuhr er fort:
.'Unterlassen Sie lieber alle Kombinatio‐
nen, die Sie sich vielleicht zurechtlegen mö‐
gen, wenn Sie meine Vertrautheit mit Ihrem
Lebensschicksal gewahren!
.Sie werden sonst heute abend noch sich
überzeugen müssen, daß alle Ihre Vermutun‐
gen
irrig waren und daß es wirklich noch
Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, von
denen sich die Schulweisheit nichts träumen
läßt ‒ ‒ wenigstens die eurer westlichen
Lehrer nicht!! ‒ '
*
.Jetzt erst fiel mir der fremdländische Ak‐
zent in der Sprache des Fremden auf, und in
Verbindung mit diesem betonten Gegensatz
zu 'westlichem' Wissen, warf ich unwillkür‐
lich einen Seitenblick auf seine dunkle Haut‐
farbe.
.Er schien diesen Blick, den nur ein vages,
blitzartiges Empfinden verursacht hatte, so‐
fort bemerkt zu haben und sagte:
.'Sie dürfen mich tatsächlich nicht unter
den Menschen Ihres Landes unterbringen
wollen!
.Ich bin hier völlig fremd, und nur hierher‐
gekommen, weil ich einen
Auftrag auszu‐
führen habe, der ‒
Sie betrifft. ‒ ‒
.Ich komme vom Aufgang der Sonne her
und muß so schnell wie nur möglich wieder
zurückkehren.
.Es ist nur
Pflicht, die mich zu der mir
sonst wenig erfreulichen Reise nach Europa
bewog. ‒ '
*
.Jetzt wuchs mein Erstaunen ins Grenzen‐
lose und es hätte nicht der vorhergehenden
Mahnung bedurft, mir jede weitere Möglich‐
keit zu Vermutungen abzuschneiden.
.Was sollte denn nur um des Himmels Wil‐
len ein Orientale mir für einen 'Auftrag'
auszurichten haben?!
.Das war ja schon beinahe heller Wahn‐
sinn!
.Aber auch hier blieb mir keine Zeit zu wei‐
terem Nachdenken, denn der geheimnisvolle
Begleiter nahm wieder das Wort und
sprach:
.'Es sind Dinge, die ich Ihnen zu sagen
habe, von denen Sie noch nichts wissen kön‐
nen.
.Mäßigen Sie Ihr Erstaunen und hören Sie
mir ruhig zu!'
.Und dann erklärte er mir: er sei ein Glied
einer geistigen Gemeinschaft, die mitten in
Asien gleichsam ihren Hauptsitz habe, aber
ihre unsichtbaren Fäden über die ganze Erde
zu spinnen wisse und jeden Menschen er‐
reichen könne, der aus der tiefsten Inbrunst
seines Herzens heraus nach Gott suche. ‒
.Man wisse dort längst von mir auf geisti‐
gem Wege, und ich sei durch eine Art von
naturgegebener psychophysischer Begabung
dazu bestimmt, in eine ganz besonders nahe
Verbindung zu seiner Gemeinschaft zu tre‐
ten.
.Dann erzählte er mir geradezu meine
eigene Lebensgeschichte und ließ mich er‐
kennen, daß er beinahe mehr von mir wissen
mußte, als ich selbst, obwohl er in äußer‐
lichen Details dabei offenbar unsicher war,
aber um so sicherer seelische Momente ent‐
hüllte, die mir noch kaum selbst zu Bewußt‐
sein gekommen waren.
.Mich überlief es eiskalt und ich wäre am
liebsten entflohen, um nur zuerst wieder Herr
meiner eigenen Gedanken zu werden...
.Ich hörte da von Dingen, die mir so fremd
waren, daß ich sie kaum noch fassen konnte,
und zu gleicher Zeit wurde mir mein Inneres,
das ich vor aller Welt verborgen glaubte, in
solcher unbegreiflicher Klarheit gezeigt, wie
ich es selbst noch nicht gesehen hatte.
.Dabei ward mir das alles in einer so güti‐
gen und völlig ruhigen Weise gesagt, als sei
es die Unterweisung eines jahrelang bekann‐
ten Lehrers, und als handle es sich um die
allerselbstverständlichsten Angelegenheiten.
.Kaum wußte ich mehr ob ich träume oder
wache...
*
.Aber dem Alten entging nichts von mei‐
ner seelischen Erregung, und wie zur Beruhi‐
gung sagte er mir:
.'Halten Sie mich bitte nicht für allwissend,
wenn ich Ihnen da so manches aus Ihrem In‐
nenleben heraushole und aufzuhellen suche!
.Wenn ich auch vielleicht einiges weiß, was
nicht allen Menschen offenbar ist, so bleibt
mein Erkennen dessenungeachtet doch sehr
begrenzt.
.Sobald aber einer der Unseren einen der‐
artigen Auftrag empfängt, wie er mir Ihnen
gegenüber wurde, löst man ihm auch vorüber‐
gehend gewisse Fesseln der Wahrnehmungs‐
fähigkeit, und so ist es mir nun im Augen‐
blick möglich, mehr von Ihnen zu wissen
als mir normalerweise zu wissen gegeben
wäre. ‒ ‒
.Es ist das alles nichts Wunderbares!
.Was Ihnen dabei so seltsam erscheint, ist
ebenso natürlich begründet wie die Gesetze
der Mechanik, die Sie in Ihrem gegenwärti‐
gen Studium zu erforschen suchen!
.Wollen Sie bitte in mir nur einen Men‐
schen sehen, der Sie über Geistiges ebenso
zu belehren sucht, wie die Lehrer Ihrer Hoch‐
schule Sie in bezug auf rein irdische Ge‐
setzmäßigkeiten aufklären!
.In diesem, wie in unserem Falle gibt ein
Mensch nur das Wissen weiter, das er selbst
erworben hat, damit es einer erwerbe, der
danach verlangt...'
*
.Wie glättendes Öl auf sturmbewegte Wo‐
gen legten sich bei diesen Worten deutlich
wahrnehmbare sanfte Strahlen auf die erreg‐
ten Empfindungen meines Innern.
.Ich fand mich überraschenderweise als‐
bald zurecht in dem mir so neuen Vorstel‐
lungskreis, ‒ fragte, und fragte wieder, und
erhielt auf jede Frage eine Antwort, die mich
immer mehr in ihm befestigte. ‒ ‒
.Eine glühende, fast überirdisch zu nen‐
nende Verehrung und Liebe strömte aus mei‐
nem Innersten auf für diesen geheimnisvol‐
len alten Mann, so daß ich mich kaum noch
zurückhalten konnte, diesen Gefühlen den
deutlichsten Ausdruck zu geben... Am
liebsten hätte ich ihm beide Hände geküßt
vor Dankbarkeit, denn ich fühlte bereits,
daß er mir die völlige Erlösung aus der
Hölle meiner inneren Zerrissenheit brin‐
gen würde, ‒ daß er
allein sie bringen
konnte. ‒ ‒
*
.So waren wir allmählich der Stadt und
dem Ausgang des Parkes nahegekommen.
.Ich hatte nur den einen, sehnsüchtigen
Wunsch, daß der alte Mann bei mir bleiben
möchte.
.Aber als wir in die Helligkeit der ersten
Straßen eingetreten waren, hielt er plötzlich
an und meinte:
.'Für heute ist es genug!
.Erwägen Sie, was Sie heute hörten in Ihrem
Herzen und kommen Sie morgen zu jenem
kleinen Tempel am Eingang des Parkes, wenn
Sie danach verlangen sollten, mehr von mir
zu hören!
.Ich erwarte Sie zu der Stunde, in
der Sie gewöhnlich sich hier zu ergehen
pflegen!'
.Damit verabschiedete er sich und lenkte
seine Schritte nach einer Seitenstraße.
.Es kostete mich alle Überwindung, ihm
nicht heimlich zu folgen, aber irgend etwas
Unerklärliches hielt mich davon zurück.
*
.Ich weiß nicht, wie ich an diesem Abend
meine Wohnung erreichte. ‒
.Jedenfalls waren meine Augen wie erblin‐
det gegenüber allem, was mir auf dem Wege
dahin begegnen mochte.
.Zu Hause angelangt, schloß ich die Türe
und fiel der Länge nach auf meinen Ruhe‐
divan nieder, unfähig, auch nur die Lampe
anzuzünden.
.Hier war es mir nun, nachdem ich eine
zeitlang mit offenen Augen in das Dunkel
starrte und alles an meinem Geiste vorüber‐
ziehen ließ, was mir heute begegnet war, als
stünde plötzlich meine damals kürzlich ver‐
storbene Mutter neben mir und führte an
ihrer Hand den geheimnisvollen Alten zu
mir heran.
.Als Beide dicht an meinem Lager standen,
bat sie ihn, daß er mich segnen möge.
.Er hob die Hände über mein Haupt, und
während die Erscheinung einen Augenblick
so deutlich wurde, daß ich alles greifen zu
können glaubte, war sie im nächsten Moment
völlig verschwunden, so daß ich aufsprang
und mich umsah, wo die beiden Gestalten
hingekommen seien.
.Aber es war nichts mehr wahrzunehmen,
und so tastete ich denn nach der Lampe auf
meinem Schreibtisch, um sie anzuzünden.
.Das weiche, warme Licht schimmerte
längst durch die Milchglasglocke und erhellte
das kleine Zimmer, als ich immer noch ver‐
suchte, die Erscheinung durch eigene Wil‐
lensanstrengung aufs neue hervorzurufen, ‒
allein, es wollte nicht gelingen...
.Endlich gab ich die Versuche auf, und da
ich mich durch alles Erlebte über und über
ermüdet fühlte, beschloß ich früher als sonst
zu Bett zu gehen, löschte das Licht und ver‐
fiel in einen tiefen, völlig traumlosen Schlaf.
*
.Des anderen Tages schon sehr zeitig er‐
wacht, mußte ich mir erst langsam klar‐
machen, daß das Erlebnis des vorangegange‐
nen Abends wirklich kein Traum gewesen war.
.Ich fand mich immer mehr dann in einer
geradezu feierlichen Stimmung, und wenn
ich an diesem Tage mich mit besonderem
Eifer meinen Studien hingab, so geschah es
wahrhaftig nur, damit die Stunden schneller
verrinnen sollten, denn ich konnte kaum den
Abend erwarten, an dem ich den Alten hof‐
fentlich wiedersehen durfte. ‒
.Als ich ihn dann an dem bezeichneten
Treffpunkte endlich fand, wußte ich mich
vor Freude kaum soweit zu fassen, daß ich
ihm zum wenigsten in schicklicher Form vor
den dort häufigen Spaziergängern entgegen‐
treten konnte.
.Kaum waren wir nach einigen Schritten in
einen der weniger begangenen Seitenwege
eingebogen, als ich auch schon mein merk‐
würdiges und für mich damals so geheimnis‐
volles Erleben, das sich nach der Rückkehr
in meinen vier Wänden zugetragen hatte, mit
Erregung erzählte.
.Er hörte sehr ruhig zu, schien durchaus
nicht sonderlich beeindruckt und meinte nur:
.'Sie haben da im Bilde einen gewissen
geistigen Zusammenhang erkannt, denn die
Voraussetzungen, die es ermöglichen, daß
Sie mein Schüler werden können, haben Sie
tatsächlich Ihrer Mutter zu danken, in de‐
ren Ahnenreihe allmählich die physischen
Körperzellen jene Umwandlung erfahren
haben, durch die Sie aufnahmefähig zu wer‐
den vermögen für das praktische Erken‐
nen, dem ich Sie zuführen soll.
.Hüten Sie sich aber im allgemeinen vor
solchen Bildern, die ohne Ihren Willen und
Ihr Zutun sich aus Kräften gestalten, die
Ihnen innewohnen, und die Sie erst völlig
beherrschen lernen müssen, bevor Sie
sicher sein können, vor gröblichen Täuschun‐
gen bewahrt zu bleiben!
.Seien Sie vorerst froh, daß Sie dieses, aus
Ihnen selbst herausgetretene Bild wenigstens
diesmal nicht betrogen hat! ‒'
.Diese Erklärung wirkte natürlich auf mich
wie ein kalter Wasserstrahl. ‒ ‒
.Gerade weil mir vorher noch niemals der‐
artige Erscheinungen geworden waren, hatte
ich mich doch sehr versucht gefühlt, der
Sache eine große Bedeutung beizulegen; ja,
ich konnte mich von dem Gedanken nicht
losmachen, daß mein neuer Bekannter die
Vision verursacht haben müsse, indem er
bereits so auf mich eingewirkt habe, daß ich
fähig geworden sei, einen ersten, kurzen
Blick in eine der geistigen Regionen zu tun,
von denen er mir gesprochen hatte.
.Es gab nicht lange Zeit, mich meiner Ent‐
täuschung hinzugeben, denn mein Begleiter
fuhr fort:
.'Wenn ich Sie solchen Phantasmagorien
ausgeliefert sehen wollte, hätte ich mir die
weite Reise hierher zu Ihnen ersparen kön‐
nen und es wäre nicht nötig gewesen, daß
ich Sie im physischen Körper aufsuchte.
.„Seher” dieser Art gibt es gerade genug,
und nicht wenige unter ihnen glauben gar,
sie stünden mit uns Leuchtenden des Ur‐
lichts in Verbindung.
.Sie müssen aber wissen, daß es für uns ‒
trotzdem wir es auch anders ermöglichen
können, wo es nur vorzubereiten gilt ‒
bindendes Gesetz ist, denen, die unsere aus‐
drücklichen Schüler werden sollen, dann
auch in unserer physisch wahrnehmbaren
Gestalt zu nahen, die nicht anders beschaf‐
fen ist, als die anderer Menschen, während
wir denen, die nicht für diesen Weg be‐
stimmt sind, ‒ niemals irgendein sicht‐
bares Zeichen senden, sondern sie nur
durch geistige Ströme leiten, sofern
sie sich selbst für solche Leitung bereit
machen! ‒
.Sie werden mich zwar, nachdem ich längst
zurückgekehrt bin in meine irdische Heimat,
auch in einer Gestalt sehen, die nicht wie
dieser Leib hier und diese Kleidung, aus
irdischer Materie gewoben ist; ‒ allein
nicht eher werden Sie mich so erblicken, als
bis Sie jene Kräfte, die Visionen gleich dieser
am gestrigen Abend liefern, restlos be‐
zwungen haben. ‒
.Wäre es nötig gewesen, und hätten wir
Sie dazu fähig befunden, solches in Ruhe
hinzunehmen, so wäre ich Ihnen vielleicht
heute kein Fremder mehr, und Sie würden
mich in meiner Geistgestalt schon von
Kindheit an kennen; aber auch dann
hätte ich jetzt im äußeren Erdenleibe
zu Ihnen kommen müssen, nachdem Sie aus‐
ersehen sind, in reguläres geistiges
Schülerverhältnis zu mir zu treten.
.Da Sie aber nicht von Jugend auf an reale
geistige Gestaltung gewohnt sind, muß ich
Sie jetzt vor sich selber schützen, denn
Sie müssen nun erst lernen, wahrhaft Gei‐
stiges von Trugbildern zu unterscheiden.
.Wenn Sie also später vielleicht von „Er‐
scheinungen” da und dort hören sollten, die
plötzlich in das Leben eines Erwachsenen
treten und ihn betören wollen, daran zu
glauben, die erschienene Gestalt sei ein
„Guru”, der ihn als „Schüler” unterweisen
wolle, während der also Betrogene noch nicht
in die ersten Mysterien des Gebrauchs seiner
geistigen Kräfte eingeweiht wurde, so war‐
nen Sie, falls noch zu warnen ist, aber lassen
Sie sich nicht täuschen, auch wenn Ihnen von
den hochtönendsten Reden eines solchen
vermeintlich in geistiger Gestalt erblickten
scheinbaren „Guru” berichtet wird, oder gar
von eingetroffenen Prophezeiungen, die er
gegeben haben soll, und dergleichen
mehr! ‒
.Sie ahnen heute noch nicht, wie die Welt
erfüllt ist von dem dramatisierten Mum‐
menschanz der plastischen Phantasie
des Menschen und von einer zweiten, an‐
deren Art scheinbar „überirdischer” Er‐
scheinungen, die aus den umnachtetsten
Regionen der physisch gegebenen Erschei‐
nungswelt stammen, obwohl sie dem so Be‐
troffenen sich stets als „geistige” Wesen‐
heiten von zumindest auf menschlicher
Geistesstufe stehender Höhe auszuweisen su‐
chen! ‒
.Wenn einer mit seinem Hunde spielt und
ihn zu Kunststücken abrichtet, so hat er im‐
mer noch Besseres getan, als wenn er den
salbungsvollsten Offenbarungen solcher ver‐
meintlicher „Geister” lauscht, oder sich ihre
oft staunenerregenden Eingriffe in das ge‐
setzmäßig normale physikalische Geschehen
vordemonstrieren läßt, die frevelhaft und
verworfen zu nennen wären, hätten ihre Ver‐
ursacher auch nur das leiseste Verantwor‐
tungsbewußtsein bei solcher Manifestation!
.Nicht von außen her und als Erweiterung
des Wahrnehmungsbereiches Ihrer physi‐
schen Sinne, werden sich Ihnen die geisti‐
gen Welten erschließen!
.In Ihrem allerinnersten Innern sollen
Sie durch geistige Kraftübertragung
gewandelt werden, bis Sie ‒ falls es Ihr
physischer Organismus erlaubt ‒ bei
wachen irdischen Sinnen fähig sind,
sich, wie einer der Weisesten Ihres Glaubens
sagt: zu dem siebenten der Himmel zu er‐
heben!!
.Ob Sie soweit gelangen werden wie jener,
kann auch ich nicht wissen; aber wie immer
auch Ihre ererbte Physis der geforderten Um‐
wandlung gegenüber sich verhalten mag, so
werden Ihnen doch Einblicke werden in eine
Welt des Geistes, von der Sie auch in Ihren
kühnsten Träumen und in der tiefsten reli‐
giösen Versenkung noch nichts ahnten! ‒'
*
.Während dieser Worte war es mir, als
wolle sich in meinem Innern eine geheime
Kammer öffnen, in der ich einen unerhörten
Schatz finden solle, ‒ aber da war auch zu‐
gleich etwas, das sich mit gewaltigem Wider‐
stand vor die Pforte stemmte und um keinen
Preis auch nur einen Spalt breit die Öffnung
zugeben wollte. ‒ ‒
.Vielleicht wäre dieser Widerstand gerin‐
ger gewesen, wenn ihm nicht auch noch alle
erdenklichen
theologischen Einwände
sehr den Rücken gestärkt hätten? ‒
.Ich war eben doch noch durchaus nicht
frei von früheren Vorstellungen und konnte
mich noch nicht lösen von der Methode, die
man mich einst gelehrt hatte, um meine da‐
malige Glaubensmeinung den Angriffen Un‐
gläubiger gegenüber verteidigen zu kön‐
nen...
.So suchte ich denn nach Art der Schach‐
spieler den vernichtenden Gegenzug, um den
Sprechenden vielleicht 'matt' zu setzen; aber
trotzdem ich mein Gehirn nicht wenig durch‐
wühlte, wollte mir kein aussichtsreicher Zug
einfallen.
.Endlich klammerte ich mich an die mir
etwas erstaunlich erschienene Erwähnung
des Mannes, den ich als eine Grundsäule des
Christentums zu betrachten gewohnt war
und dessen apostolische Briefe mir einst so
manchen Text zu meinen Predigten geliefert
hatten.
.Das vorher Gehörte hatte für meine Ohren
recht wenig 'christlich' geklungen und so gab
ich meinem Erstaunen Worte, daß hier auf
einmal ein Mitbegründer des Christentums
quasi als 'Schüler' der geheimnisvollen Ge‐
meinschaft angeführt wurde, der mein Be‐
gleiter zuzugehören behauptete.
.Es erschien mir geradezu wie eine verbre‐
cherische Anmaßung, auch nur eine Sekunde
lang den Gedanken ernsthaft zu erwägen,
dieser größte der Apostel des Christentums
könne seine Erleuchtung einer Einwirkung
zu danken haben, der ähnlich, der ich mich
hier nun überlassen sollte, und wäre so
gleichsam als mein früherer Mitschüler zu
betrachten. ‒
.Ich hielt mit meinen Empfindungen kei‐
neswegs zurück und redete mich in einen
solchen Eifer hinein, als wäre ich noch in
kirchlichem Amte und es gälte hier, einen
Widersacher meines ‒ ach, längst so brüchig
und morsch gewordenen früheren Glaubens
aus dem Felde zu schlagen.
*
.Mein Begleiter aber hörte mir ruhig zu
und schwieg auch noch längere Zeit nach‐
dem ich geendet hatte, so daß ich schon mei‐
nes Sieges nun gewiß zu sein glaubte.
.Dann aber begann er:
.'Ferne sei es von mir, die so glühende Ver‐
ehrung für diesen Weisen Ihres Glaubens aus
Ihrem Herzen zu reißen!
.Dagegen danke ich Ihnen, daß Sie mir nun
meine Aufgabe so sehr erleichtert haben,
denn hier gaben Sie mir selbst ein Ende des
Fadens in die Hand, dessen wunderliche Ver‐
schlingungen erst völlig entwirrt sein müs‐
sen, bevor ich Ihnen eine Kraft der Einsicht
übertragen darf, zu der Sie gelangen können,
wenn Sie erkannt haben werden, daß nur
menschlicher Übereifer die Schlingen
knüpfte, in denen Sie sich soeben erst wieder
verfangen haben! ‒ ‒
.Eigentlich weiß ich nicht, ob ich mehr
Ihre Vertrautheit mit den Schriften des von
Ihnen Verehrten bewundern muß, oder ob
ich erstaunen soll, daß Sie trotz dieser Ver‐
trautheit nicht zu sehen vermögen, was diese
Schriften, bei aller Ornamentierung durch
spätere Zutat, noch mit leidlicher Klarheit
enthüllen?!
.Weshalb wollen Sie nur mit allem Auf‐
gebot Ihrer Dialektik diesen großen, wenn
auch in manchen Befangenheiten seiner
Glaubensmeinung, seiner Zeit und seines
Volkes noch gebundenen Mann so gar weit
von der gleichen Erde entfernen, die ihm
nicht minder einst seine Färbung gab, wie
sie Ihnen heute die Ihre gibt?! ‒
.Lesen Sie doch nur wachen Geistes und
ohne Voreingenommenheit, was er in seinen
Sendbriefen schreibt, soweit es noch unter
den späteren, immerhin kenntlichen Über‐
arbeitungen zutage tritt, und Sie werden
deutlich sehen, daß es ihm sehr ähnlich er‐
ging, wie Ihnen selbst! ‒ ‒
.Sein „Damaskus” werden Sie allerdings in
einem etwas einfacheren Sinne deuten
müssen, als dies den späteren Bearbeitern, die
da ein dramatisches Ereignis einfügen zu
müssen glaubten, gut schien! ‒
.Sie wissen doch bereits, daß in allen Le‐
genden großer Menschen die „Stimmen vom
Himmel” und andere geräuschvolle Eingriffe
aus den Wolken her, zur notwendig erachte‐
ten Szenerie gehörten, und so werden Sie
vielleicht auch bei einiger Überlegung hier
die gleiche Technik erkennen?! ‒
.Schalten Sie aber einmal all diese künst‐
lichen Beleuchtungseffekte aus, dann bleibt
ein Mann, der mit Feuereifer für seine Glau‐
bensmeinung tätig war, bis er eines Tages
von einem ‒ wie es heißt: ‒ „gerechten”
Manne in der Stadt Damaskus hörte, den er
aufzusuchen sich auf den Weg machte, weil
er endlich doch durch Zweifel hart bedrängt,
wie blind geworden war und keinen Ausweg
mehr fand. ‒
.Bei jenem Manne aber verweilte er lange
‒ und bei ihm fand er, ‒ was auch ich
Ihnen zu bringen beauftragt bin...
.Als er es erhalten hatte, kam er zu denen,
die sich mit nur äußerem Rechte die
Schüler eines der Unseren nannten, und
nun wird sein Leben wahrlich nicht leicht,
denn was er „geistlich gerichtet” er‐
kannte, wollten jene, gebunden in allzu‐
irdische Enge, auf ihre Weise verstandes‐
mäßig deuten.
.Während er sehr deutlich unterschied
zwischen „Gott”, den er an den echten Stel‐
len seiner Briefe als „Gott, unseren Hei‐
land” bezeichnet, ‒ dem Gesalbten Got‐
tes: Jesus, den er „nicht mehr dem
Fleische nach” erkannt wissen will, und
drittens: dem „Vater” des hohen Meisters
Jehoschuah, von dem er sehr wohl wußte,
daß er gewiß nicht schlichthin mit „Gott”
gleichzusetzen war, haben Spätere seine
Worte verfälscht, als sie nicht mehr recht
passen wollten in das Lehrgebäude, das man
mit Hilfe von allerlei alten Tempeltrüm‐
mern, auf dem Fundament der Lehre des
Nazareners, nach eigener Kunstregel auf‐
gerichtet hatte. ‒ ‒ ‒
.Er selbst schon warnte vor diesen Spä‐
teren: ‒ „denn es wird eine Zeit kom‐
men, da sie die gesunde Lehre nicht
ertragen, sondern nach ihren eigenen
Wünschen sich Lehrer über Lehrer
heranziehen werden, ihre Ohren zu
kitzeln: und von der Wahrheit wer‐
den sie das Gehör abwenden, um
sich zu erfundenen Fabeln zu keh‐
ren.”
.Aber ich bin nicht hierher zu Ihnen ge‐
kommen, um Ihnen jetzt die Widersprüche
Ihrer durch unzählige klügelnde Abschrei‐
ber schon gleich nach dem Entstehen so arg
entstellten heiligen Schriften aufzuzeigen,
aus denen heute jeder herauslesen kann, was
er herauszulesen gerade für gut finden mag...
.Ich möchte nur Ihre Augen öffnen für die
Spur der Wahrheit, die trotz allem noch
in diesen Schriften auffindbar bleibt, oft
sehr gegen den Willen dieser frühen Ver‐
fälscher, deren jeder wohl glauben mochte,
er habe seine Arbeit so gründlich besorgt,
daß seine Korrekturen nichts mehr von der
ihm unverständlichen, aber nun einmal
durch die Namen der Autoren geheiligten
Urschrift übrig gelassen hätten. ‒ ‒
.Befreien Sie sich von der Auslegungsart,
die man Sie lehrte und lesen Sie
unbefan‐
gen was heute vorliegt, immer im Auge be‐
haltend, daß hier so manche geschäftige Fin‐
ger tätig waren, die Fäden zu verwirren, und
ich bin sicher, daß es Ihnen gelingen wird,
die
ursprüngliche Lesart soweit wieder
herzustellen, daß jeder Widerspruch schwin‐
det, auch wenn die Zeugnisse zeitlicher
Blickbeengung auch der
wirklichen Au‐
toren bestehen bleiben! ‒'
*
.So gab nun ein Wort das andere und es
wurden mir am selben Abend noch Auf‐
schlüsse zuteil, die ich, ‒ durch eine rein
historische Textkritik völlig in Rationalis‐
mus versunken, ‒ längst nicht mehr ge‐
sucht, geschweige erwartet hätte. ‒ ‒
.Wahrhaftig: man
hatte 'die Schlüssel
des Himmelreichs', aber man wußte die
Pforte nicht mehr zu
öffnen, und
wehrte
‒ um dies nicht gestehen zu müssen ‒ allen,
die
selbst die Schlüssel an der Pforte ver‐
suchen wollten! ‒ ‒
.In tiefster innerer Erschütterung schied
ich an jenem Abend von dem neuen Lehrer,
und wohl die halbe Nacht noch saß ich zu
Hause vor Bibeltexten, um in der Art, die er
mir angeraten hatte, tatsächlich immer tie‐
fer in den
ursprünglichen Geist dieser
Schriften einzudringen.
*
.So reihten sich nun Abend für Abend die
Belehrungen aneinander, die ich an der Seite
des seltsamen Alten durch ihn empfing.
.Er selbst wohnte, wie ich erfahren hatte,
unter einem nichtssagenden europäischen
Familiennamen, in einem der ersten Hotels
der Stadt; aber während er mich niemals
zu sich eingeladen hatte, fand ich ihn sicht‐
lich sehr bereit, zu mir in mein Zimmer zu
kommen, und hier vollzog sich dann die
Vollendung dessen, zu dem die Belehrungen
unserer Spazierwege in freier Natur den
Grund gelegt hatten. ‒
.Ich ward in aller Form sein 'Chela' und er
fand mich geeignet, in mir Fähigkeiten zu
wecken, die sonst, auch in solchem vertrau‐
ten Verhältnis des Schülers zu seinem geisti‐
gen Lehrer, gewöhnlich dem Chela vorent‐
halten werden müssen, da nur äußerst sel‐
ten die psychophysischen Vorbedingungen
dazu bei einem Menschen der westlichen
Welt zu finden sind...
.Dank dieser in mir erweckten Fähigkeiten
genieße ich das hohe Glück, auch heute noch,
jederzeit in bewußte geistige Verbin‐
dung mit meinem Guru treten zu können,
obwohl er im Innern Asiens lebt, tausende
von Meilen von mir getrennt, ‒ ein Glück,
das sonst nur den Seltenen wird, die selbst
zur Vereinigung mit dem Kreise dieser
Leuchtenden geboren sind, zu denen aber
ich keineswegs gehöre und nie gehören kann,
da man in seiner Geistnatur, Jahrtausende
vor der Geburt als Mensch der Erde,
sich aus freien Stücken dieser geistigen Ge‐
meinschaft unlöslich dargeboten haben muß,
um dann hier auf Erden ihrem Kreise zu‐
gefügt zu werden. ‒ ‒
.Das ist so in Kürze das Wesentlichste, was
ich Ihnen auf die Frage sagen kann: wie ich
wohl selbst mit den Dingen bekannt ge‐
worden sei, mit denen Sie mich vertraut
finden.
.Ich glaube aber, es wird Zeit sein, unsere
Unterredung für heute zu beenden! Man
hört schon keinen Laut mehr aus dem In‐
nern des Hauses, und der Südländer pflegt
die Nachtstunden dem Schlafe zu widmen.”
*
.Der Mond war längst schon hinter der
Kirchensilhouette aufgestiegen, blieb dann
auf seiner Bahn für kurze Zeit hinter dem
Glockenturm verhüllt und stand nun, bereits
erheblich kleiner, in eisigkaltem, weißem
Licht, hoch über der Zypressengruppe, deren
schwarzes Dunkel seine Strahlen durch einen
zarten bläulichen Schimmer hellten, der den
ganzen Garten wie ein leichter Nebel deckte.
.Die zahllosen Sterne hatten fast allen
Glanz in der Helle des Mondlichts verloren,
aber es schien, als seien sie dadurch nur noch
ferner und geheimnisreicher geworden.
.Nachdem der Sprechende geendet hatte,
wurde man erst so recht der tiefen Stille
gewahr, die das Bewußtsein weckte für die
späte Stunde, in der man hier immer noch
beisammen saß, während das abendlich laute
Leben der südlichen Stadt längst wie be‐
graben lag.
.So fanden sich denn die Freunde auch als‐
bald beim Aufbruch, und als der Came‐
riere, der sie hinausgeleitet hatte, hinter
ihnen das Licht verlöschte, schien es auch
ihm an der Zeit, daß die Fremden doch end‐
lich sich zum Gehen entschlossen hatten.
.Als wollten sie Geheimnis hüten, füllten
die Schatten der hohen Häuserwände die
dunklen Gassen, bis dann und wann ein
schmaler Lichtstreif des Mondscheins, über‐
hell und scharf, die Finsternis durchschnitt.
.Die Schritte der drei Heimkehrenden
hallten allzulaut und weckten Echo.
.Man sprach aber fast kein Wort mehr,
denn man fühlte, daß erfaßt sein wollte, was
man an diesem Abend aufgenommen hatte,
und daß erst eine andere Stunde, nach durch‐
schlafener Nacht, die Lust zum Reden wie‐
derbringen könne. ‒ ‒
SEIT jenem Abend im Garten der Trat‐
toria hatten die Freunde gar oft Gelegen‐
heit gefunden sich auszusprechen, und im‐
mer vertrauter sahen die beiden älteren sich
in der Geisteswelt ihres jüngeren Gefährten.
.Der Weg der Reise, den man sich ohne
Zwang erwählen konnte, führte sie stets mehr
nach Süden, und so manches Schöne war
ihnen seither begegnet.
.Aber endlich sehnten sie sich doch aus
dem Lärm der Städte und ihrer Überfülle
der Werke hoher Kunst, so daß man nun
übereingekommen war, auf einem Felsen‐
eiland, das gleichsam wie ein Wächter vor
dem weiten Golfe einer der lärmendsten
Städte des Südens aus dem Meere wächst,
für einige Tage noch der
Ruhe zu leben.
*
.Ein wunderlicher Zufall wollte, daß man
das kleine Schiff der Reisenden mit Böller‐
schüssen zu empfangen schien.
.Man feierte das Fest des Heiligen der In‐
sel, und wenn auch erst am Tag darauf die
eigentliche Feier war, so kannte doch die
Festesfreude keine Grenzen, und die ganze
Nacht vor seinem hohen Tage konnte man
sich leicht in einer stark vom Feind bedroh‐
ten Festung wähnen: also donnerten in
einemfort die Freudenschüsse.
.Es war nicht viel an Schlaf zu denken in
dieser Nacht und die drei Fremden arg‐
wöhnten schon, auch hier die Ruhe nicht zu
finden, die sie suchten.
.Als aber des anderen Tages die große Se‐
gensprozession des Heiligen, die seinen Ver‐
ehrern erneut willkommenen Anlaß bot,
ihrer Frömmigkeit so lärmenden Ausdruck
zu geben, unter den alten Gesängen, im Re‐
gen der Rosenblätter, die man dem silber‐
nen Bildnis zuwarf, endlich vorübergezogen
war, fand es sich doch, daß die Freunde stau‐
nend, und eher als erwartet, die köstlichste
Stille genießen konnten.
*
.Jenseits der kleinen Stadt, die der Insel
Höhensattel krönt, schritten sie nun in blen‐
dendem Lichte dahin zwischen Ölbäumen
und Zitronengärten, Weingeländen und blu‐
menreichen Hängen, den Duft des Südens
atmend und berauscht von all der Farbe, die
sich ihrem Auge bot.
.Der Ölbaum stand allenthalben in voller
Blüte, während die Zitrone in strotzender
Reife eine Größe erreichte, wie sie die Rei‐
senden bisher noch nicht gesehen hatten.
.Es war kaum zu fassen, woher der Boden
die Kraft zu nehmen wußte, die Rosenfülle
und die schwere Bürde der Glyzinien her‐
vorzubringen, die hier über alle Mauern
rankte!
.So kam man allmählich dem jäheren Ab‐
hang nahe, der in bunter, blütenüberschütte‐
ter Wildnis, zwischen schroffen Felsenklip‐
pen sich zum Meere senkte, das in leuchtend‐
stem Kobaltblau sich allmählich der glän‐
zenden Ferne einte, während zunächst den
Ufern hell smaragdgrüne, kleine Golfe an
die Felsenwände schlossen.
.Wo aber der Meeressand eine seichtere
Stelle schuf, dort hoben sich Wunderseen
empor, gleich rundgerandeten Flächen flüs‐
siger Türkise.
.In solcher Zauberwelt hatte man schmale
Fußpfade betreten, die über lockeres Geröll
hinab zum Strande führten, aber noch auf
halber Höhe war das nahe Ruheziel erreicht:
‒ jene alte Mithrasgrotte, in der einst
vor Jahrtausenden der Sonne göttliche Ehre
wurde; in der zur Zeit der Frühlingssonnen‐
wende geheiligte Mysterien die Mysten
weihten, die in sieben Graden, und von
Läuterung zu Läuterung stets schwererem
Gebot gehorchend, hier sich ihrem Gotte
einten, als dessen Abbild ihnen der lichte
Lebensspender: das die Erde bestrahlende
Gestirn des Tages galt.
.Auf „hohem Berge” wohnte nach ihrer
Lehre zugleich auch auf dieser Erde das
Licht, das da in geheimnisvoller Felsengrotte
sich den Herzen offenbarte und jeden zu er‐
reichen wußte, der den Mut besaß, die Prü‐
fung zu bestehen, und der in seiner Seele die
Symbole fühlend in sich selbst zu deuten fä‐
hig war, die weise Priester seinen Augen
zeigten. ‒ ‒ ‒
*
.Die drei Freunde traten ein in dieses kühle
Heiligtum, und da jeder der Drei wohl wußte,
wie ungleich gottesnäher das einst hier ge‐
übte „Heidentum” sich fand, als mancher
spätere, dem einen, wahren Gotte selbst‐
gefällig nur
allein als „angenehm” ge‐
glaubte Kult, so ließen sie willig ihre Seelen
von dem Geheimnis ergreifen, das hier den
Felsenwänden zu entströmen schien, die
längst nur noch in schwachen Spuren zeig‐
ten, daß ehemals die Kunst der Wissenden
sie reich umkleidet hatte. ‒
*
.Man mochte sich geraume Zeit bereits hier
so mancher Empfindung hingegeben haben,
bevor der älteste der Freunde die Stille brach
und meinte:
.„Es ist doch sonderbar, daß diese Men‐
schen, denen Gott im
Lichte sich bezeugte,
Grotten
im Gestein der Erde wählten,
die
Mysterien zu feiern, aus denen ihnen
Lichterkenntnis werden sollte, und daß sie
nicht statt dessen draußen in des Sonnen‐
lichtes Fülle ihre Liturgien übten! ‒”
.Doch während man unwillkürlich ‒ als
dürfe hier an der Stätte, die einst nur hei‐
ligste Erkenntnisworte und geheime Hym‐
nen hörte, kein profanes Wort gesprochen
werden ‒ zum Ausgang kehrte, um unter
schattigem Gesträuch sich Ruhesitze auszu‐
wählen, nahm der Jüngste der Drei das Wort
und sprach:
.„
Die
Erde ist es, der wir dem Leibe nach
entstammen, und in den Schoß der Erde
müssen wir uns ‒ sei es nur im Fühlen, oder
so wie diese Mysten es auch äußerlich zu tun
für richtig hielten ‒ vorerst bergen, bevor
wir '
neu geboren' werden können...
.Nicht umsonst wurden die Mysterien der
Alten, je heiliger sie ihnen schienen, fast
stets in
Krypten und
Felsengrotten be‐
gangen, und selbst die
Weihetempel, de‐
ren Säulenwald den Heutigen unverständlich
scheint, wurden noch symbolisch als In‐
nenräume der Erde empfunden. ‒ ‒ ‒
.Im Innern der Erde wird jedes Gebäude
verankert, und je höher es sich erheben soll,
desto tiefer müssen seine Fundamente rei‐
chen! ‒
.So müssen auch wir: soll der Tempel, der
wir selber sind, mit seiner Kuppel in das
Reich des reinen Geistes ragen, den Grund‐
stein im Innern der Erde legen, damit
er dort verankert ruht, während wir Bau‐
stein auf Baustein fügen, nach einem Plan,
der in uns selbst sich offenbart.
.Wollen wir anders handeln und auf der
Erde Oberfläche uns zu erbauen erküh‐
nen, so gleichen wir nur zu sehr jenen Frev‐
lern der Sage vom 'Tempel zu Babylon',
der in sich selbst zerfiel, da die bauenden
Kräfte sich nicht mehr zu verstehen wuß‐
ten...
.Zwar mag man glauben, auch auf dem
Oberflächengrund der äußeren Er‐
kenntnis, den uns irdisches Wähnen und
Meinen gibt, einen Tempelturm errichten
zu können, der in den Himmel ragt, aber
wer da in solcher törichter Weise baut, dem
halten
die wahren Meister der geisti‐
gen Baukunst sich
fern, und er ist nur
auf
Erdenkräfte niederer Art ver‐
wiesen, die ihm zwar für lange Zeit als schein‐
bar tüchtige Bauleute dienen; aber ist die
höchste Höhe dann erreicht die ihre Kraft
noch beherrschen kann, dann wird '
ihre
Sprache verwirrt', so daß sie
zerstören
müssen, was sie vordem schufen......
*
.In einer
Hirtenhöhle ward nach alter
Sage
der geboren, den sie 'Erlöser' nen‐
nen! ‒ ‒
.Aus einem
Felsengrabe ward ihm nach
gleicher Kunde seine Auferstehung! ‒ ‒ ‒
.Lassen Sie ruhig hier einmal alles 'Histo‐
rische' beiseite und betrachten Sie nur den
tiefen
Symbolgehalt, der solchen Worten
innewohnt und ‒ richtig verstanden ‒ aus
der Sage
ein Gefäß der erhabensten
Wahrheit macht! ‒ ‒
.Wer nicht, wie der hohe Meister, von dem
hier die Rede ist,
in tiefster Erde ankert,
der wird gewiß nicht wie er '
in den Him‐
mel aufgenommen'! ‒ ‒ ‒
*
.Unser eigener Leib ist letzten Endes
für den Geist die
Höhle der Erlösung;
ist die '
Erde', in deren innerste Tiefen wir
erst hinabsteigen müssen, um in ihnen den
Grund zu legen, der unseren geistigen Tem‐
pelbau tragen kann. ‒
.Die meisten aber möchten ihren geistigen
Tempel erbauen, indem sie ‒ noch törichter
als jene sagenhaften Erbauer des Turmes zu
Babylon ‒ zuerst die
Kuppel zu wölben
versuchen, und sind dann gar sehr betroffen,
wenn ihr Werk alsbald in sich selbst zusam‐
menstürzen muß. ‒
.Sie fangen im
Kopfe an und wölben
kühne Gedankenbogen, bevor sie im
Inner‐
sten des Leibes,
mit allen Fasern füh‐
lend, fest zu verankern wußten, was die
Kuppel
stützen und
tragen könnte! ‒
*
.Das
Herz ist der Mittelpunkt des körper‐
lichen Lebens, und wenn es zu schlagen auf‐
hört, hat dieses Körpers Leben sein Ende
gefunden.
.Aber es ist durchaus nicht nur
poeti‐
sches Bild, wenn dem Herzen auch in be‐
zug auf
seelisches Fühlen und Erleben, bei
allen Völkern und zu allen Zeiten die bedeut‐
samste Wertung wird! ‒ ‒
.Gewiß kann kein Anatom im Herzen des
Körpers jemals die
Seele finden; aber
alle
unsere körperlichen Organe entspre‐
chen korrelativen seelisch-
geistigen
Organen, und wenn nun in geistiger Bedeu‐
tung vom 'Herzen' gesprochen wird, so ist
nur vom Herzen des
geistigen Organismus
die Rede, dessen Regungen jedoch zum Her‐
zen des Körpers ‒ während des Erdenda‐
seins ‒ in steter Wechselbeziehung sind: so
daß gleichsam das Herz des Erdenleibes den
Resonanzboden bildet, durch dessen ver‐
stärkende Wirkung uns Menschen alles see‐
lisch-geistige Erleben mit größtmöglichster
Klarheit zu Bewußtsein kommt. ‒ ‒
.Auch das Tier hat ja die gleichen Kör‐
perorgane, aber es fehlt ihm der gei‐
stige Organismus, der ihnen entspräche,
und was man so gemeinhin die 'Seele' des
Tieres nennen kann, ist nichts anderes als
der Gesamtkomplex seiner feineren
fluidischen Körperkräfte, die man ja,
in Unkenntnis befangen, meist auch beim
Menschen schon der 'Seele' zuzurechnen
dürfen glaubt...
.Der dem Tiere gleiche Leib ward einst des
aus seinem geistigen Urzustande 'gefallenen'
Geistesmenschen selbstgesuchte Zu‐
flucht, und dieser gleiche Tieresleib, in dem
er sich nun findet, sobald 'seine Zeit' gekom‐
men ist, wird ihm auch zur 'Höhle der Er‐
lösung', denn der Geist verlor auch in sei‐
nem 'Falle' keineswegs die Schöpferkraft,
so daß er sich selbst den Formen des
Tierleibes gleichzubilden wußte, so
allein erst auf Erden erlösbar werdend, da
er nur so
dem Bewußtsein des Men‐
schentieres erfaßbar wird. ‒ ‒ ‒
*
Wer dieses unsagbar tiefe Mysterium in sei‐
ner unermeßlichen Tragweite fühlend er‐
kannte, dem wird hinfort sein Erdenleib ge‐
wiß nicht mehr als Hinderung und lästiger
Ballast erscheinen bei seinem Streben nach
Bewußtwerdung im reinen Geiste...
.'Was ihr auf Erden bindet, soll auch im
Himmel' ‒ im Reiche des reinen Geistes ‒
'gebunden sein, und was ihr auf Erden löset,
soll auch im Himmel gelöset sein.' ‒
.Es gibt keine wahrhafte Erlösung
für den Erdenmenschen,
es sei denn:
im Leibe und leiblich empfindbar
durch den,
seinem Leibe gleichge‐
formten,
lebendig substantiellen
Geist!! ‒ ‒ ‒
.Erst wenn er
in seinem ganzen Selbst‐
empfinden durch den Erdenleib, sei‐
nes gleichgeformten geistigen Lebens inne
wird, ist er 'in den Geist gelangt', und
dann erst darf er ohne Furcht vor Täu‐
schung seinem Denken zugestehen, die hohe
Kuppel zu wölben, die den Tempel des Gei‐
stes weithin sichtbar bekrönen soll. ‒
.Vorher ist alles, was er bauen mag, nur
bestenfalls eine interessante Fassade, die
der erste Sturmwind stürzt; und wenn er
diesen Erdenleib der Erde wiedergeben
muß, wird er nicht wissen, wohin er sich ber‐
gen könnte, denn was er baute, war nur für
Erdenaugen wahrnehmbar und entschwin‐
det mit dem Erdenkörper seinem mensch‐
lichen Bewußtsein, das, seiner Geistigkeit
noch nicht geeint, fortan nur Scheinge‐
bilde um sich gewahrt. ‒ ‒ ‒
.So durfte denn der hohe Meister wahrlich
sagen:
.'Wirket solange es Tag ist, denn es
kommt die Nacht, da niemand wirken
kann.' ‒ ‒ ‒
.Diese 'Nacht' aber ist nichts anderes als
die mangelnde Fähigkeit, ohne des Körpers
Resonanz die Stimme des eigenen ewigen
Geistes, so wie es hier auf Erden möglich
wäre, zu vernehmen, denn jener 'Tempel',
den es zu bauen gilt, gleicht, mit anderem
Bildwort bezeichnet, einer
Symphonie, die
nicht nur den
Komponisten und sein
Or‐
chester braucht, sondern auch den
Hörer,
der sie aufzunehmen fähig ist! ‒”
*
.Hier hielt der Redende inne, und die drei
Männer blickten nun längere Zeit im Schwei‐
gen versunken hinaus auf das weite Meer,
das ein bewimpelter Segler kreuzte, der wohl
vom nahen Gestade des Landes her noch
Gäste bringen mochte, zu abendlicher Festes‐
freude.
.Wie schützende Wachttürme ragten mas‐
sige Felsgebilde aus dem Meere nahe dem
Ufer auf, die jetzt in gelblich-rötliches Licht
getaucht, erkennen ließen, daß der Sonnen‐
ball, der während des Aufenthaltes der drei
Freunde hier, bereits hinter einer schroffen,
hohen Wand im Westen den Blicken ent‐
schwunden war, auf seiner abwärts geneigten
Bahn nun bald der bisher beschienenen Seite
der Erde sich entziehen wollte.
.Noch aber mochte keiner an die Rückkehr
denken, und der „Abate”, nun zur Gegen‐
rede angeregt, begann und sprach:
.„Was Sie uns sagten, ist uns nach allem,
was wir vordem von Ihnen hören durften,
gewiß verständlich und ich muß gestehen,
daß diese Ihnen anvertraute hohe Lehre, die
Sie uns hier nun offenbarten, mich erschüt‐
tert hat!
.Die Inselbewohner haben mit ihren end‐
losen Freudenschüssen nur den Tag ihres
Heiligen auf ihre Weise feiern wollen; allein
mir ist fast, als hätten sie unbewußt den Tag
begrüßt, der uns hier vereint an dieser Stätte
alter Mysterien, das tiefe Geisteswirken ent‐
hüllen wollte, in dem des Menschen Daseins‐
rätsel sich so wunderbarer Lösung zugeführt
erweist...
.Nur eine Frage bleibt mir noch, wenn ich
auch wohl weiß, daß sie am Ende töricht sein
mag; aber so sehr auch mein 'Herz' bei allem
was Sie sagten, sich beglückt und erhoben
fühlte, so läßt es doch dieser Frage gegen‐
über sich noch nicht zur Freude bewegen.
.Vielleicht ist zu vieles in mir doch noch
erdgebunden, so daß ich die Konsequenzen
nicht gern ziehen möchte, auch wenn ich
sie ziehen kann. ‒”
.„Irre ich nicht” ‒ unterbrach ihn der Äl‐
tere ‒ „so finden wir uns ganz in gleicher
Lage? ‒
.Auch ich finde keinen Ausweg, wenn ich
mir sagen soll, daß nur im irdischen
Leibe die Erlösung dem Geiste wird, wäh‐
rend so viele Liebesbanden mich an Geschie‐
dene knüpfen, die ich kaum zu denen rech‐
nen darf, die hier auf Erden schon die Er‐
lösung fanden. ‒ ‒”
.„Das eben ist es” ‒ fiel der „Abate” ihm
in die Rede. „Hier stehe ich wohl vor der
Forderung eines klaren Schlusses, doch es
bleibt etwas in mir, das ich gewiß nicht als
'schlecht' empfinden kann, und das mir
doch verbietet, zu dieser Folgerung zu
kommen!
.Entsetzlich bleibt mir der Gedanke, daß
alle, die ich hier auf Erden kannte und die
auf
anderen Wegen ihre Seligkeit erreich‐
bar glaubten, nur Opfer der Vernichtung
seien! ‒ ‒”
*
.Aber der Jüngste der Freunde lächelte und
sprach:
.„Verzeihen Sie mir, aber hier haben Sie zu
vorschnell sich zu einer Auffassung gedrängt
gefühlt, die keineswegs gefordert ist!
.Es lag mir sehr ferne, eine Lehre zu ver‐
künden, nach der alle verloren seien, die
nicht hier im Leibe der Erde sich ihrem gei‐
stigen, ewigen Bewußtsein zu einen ver‐
mochten.
.Ich sage nur, daß man hier auf Erden auch
den
Leib der Erde nützen muß, um dieses
Ziel zu erreichen, daß man es
ohne die Re‐
sonanz, die der Erdenkörper gibt, überhaupt
nicht erreichen kann, solange man auf
der Erde lebt, und ferner: daß sich der
ewige Geistmensch in uns dem Erdenkör‐
per so anzugleichen wußte, daß durch
dieses geistgeschaffene Verhältnis eine Mög‐
lichkeit der Erlösung entstand, die wir nur
ausnützen können, solange wir noch in
diesem Erdenkörper leben, dem sich un‐
ser Ewiges durch den 'Fall' in das Bewußt‐
sein des Tierkörpers verband. ‒ ‒
.Daraus folgert aber durchaus nicht die ab‐
surde Annahme, daß sich nach der Loslösung
vom Erdenleibe überhaupt keine Möglich‐
keit der Erlösung fände!
.Aber während wir ‒ noch an den Leib
der Erde gebunden ‒ aktiv in dieses Er‐
lösungswerk einzugreifen vermögen und die‐
ses Leibes Kräfte uns dabei eine sehr wirk‐
same Hilfe bieten, wenn wir sie zu gebrau‐
chen wissen, ‒ sind wir nach der Loslösung
zu völlig passiver Haltung gezwungen, und
was im Leibe der Erde in wenigen Jahr‐
zehnten erreichbar ist, kann alsdann ‒
nach irdischen Zeitbegriffen gesprochen
‒
Jahrtausende, ja
Äonen dauern!
‒ ‒ ‒”
*
.„Das hört sich freilich anders an”, meinte
der Physiker, „und ich kann mir sogar nach
mancherlei irdischen, mir bekannten Ana‐
logien, eine solche kräfteverstärkende Funk‐
tion des Erdenkörpers sehr wohl erklärbar
machen.
.Zugleich wird es mir dadurch sehr faß‐
lich, daß Menschen, denen solche Zusam‐
menhänge bewußt geworden waren, keine
höhere Aufgabe kannten, als ihren Mitmen‐
schen die Wege zu weisen, auf denen sie
hier
auf Erden schon das Ziel der Gottver‐
einigung finden können. ‒
.Was mir früher so oft als bizarre gnosti‐
sche Spielerei erschien, zeigt sich nun in
einem Lichte, das dem üblichen diskursiven
Denken
völlig unzugänglich bleiben
muß, und ich sehe mit einer gewissen Be‐
schämung für mich und andere ein, wie
leichtfertig man ‒ durch keinerlei wirk‐
liche geistige Einsicht beirrt ‒ im Dünkel
angelernter Phrasen befangen, sich zu einem
Urteil berufen fühlt, zu dem alle eigene Fä‐
higkeit der Beurteilung fehlt...
.Wie unsagbar töricht erscheinen mir nach
solcher Erkenntnis doch diese Neunmalklu‐
gen, die in ihrer grotesken Überheblichkeit
ewiges Mysterium abgetan zu haben wähnen,
wenn sie nur die Lehren der wirklich Wissen‐
den nach eigener enger Schulregel zu zer‐
pflücken wußten, um die erhaltenen Fetzen
in ihre armseligen Begriffsschatullen einord‐
nen zu können!
.Mir drängt sich da unwillkürlich das Bild
eines Affenkäfigs auf, in den ein Spaßvogel
einen Spiegel warf, mit dem die possierlichen
Tiere schließlich nichts anderes anzufangen
wußten, als ihn wütend zu zerkauen, nach‐
dem sie vergeblich versuchten, auf der Rück‐
seite sein Geheimnis zu entdecken und sich
immer wieder zähnefletschend darüber ent‐
rüstet hatten, daß ihnen nichts anderes dar‐
aus entgegenblickte als ihre eigene Gri‐
masse. ‒ ‒
.Man muß eben schon selbst einen, wenn
auch nur schwachen Abglanz ewigen gei‐
stigen Lichtes in sich zu empfinden
fähig sein, will man begreifen, daß die
hohen Lehren der geistig Erwachten
nicht in die Schablone blickbeengter Groß‐
mannssucht zu pressen sind! ‒
.Es ist wirklich ergötzlich, zu sehen, wie da
so mancher Karrenschieber auf dem Gebiete
spekulativer Verstandeserkenntnis allen Ern‐
stes zu glauben scheint, die durch Selbst‐
verwandlung geistig Wissenden, von
denen wir durch Sie nun Kunde haben, hät‐
ten keine Ahnung von den verschiedenen
Täuschungsmöglichkeiten, die den
Menschen bei seinem Suchen nach Erkennt‐
nis in die Irre locken können, während das
spärliche Erkennen seelischer Zusammen‐
hänge, auf das eine scheinbetörte Experimen‐
tierweisheit heute so stolz ist, wie ich immer
mehr sehe, jenen im Geiste Leuchtenden
schon vor Jahrtausenden nur als Bin‐
senweisheit galt, über die sich ihr geisti‐
ges Erkennen um Siriusfernen erhoben
hatte...
.Diese drolligen Leutchen leben in einer
Kulissenwelt, die sie sich selbst erbauten,
und ihre Eitelkeit läßt sie alles nur im ben‐
galischen Lichte ihrer Trugschlüsse
sehen, so daß sie die Sonne beseitigt zu ha‐
ben wähnen, weil ihre entwöhnten Augen
vom Lichte der Sonne nur Blendung er‐
fahren. ‒ ‒ ‒
.Lange genug ließ auch ich mich von sol‐
chen blinden Blindenleitern führen und war
ihrer 'Weisheit' froh, obwohl sie mir letzten
Endes nur allzu deutlich ihre Enge zeigte,
aber ich glaubte damals noch, wie so viele
andere in meiner Lage, daß eben restloses
geistiges Erkennen dem Menschen nicht zu‐
teil werden könne...
.Sie, lieber junger Freund, haben mich auf
diesem Reisewege eines Besseren belehrt!
.Ich danke Ihnen!
.Aber ich darf Ihnen auch sagen, daß mich
nichts mehr zurückhalten wird, den nun
kaum betretenen Weg zum
Lichte der
Ewigkeit auch
zu Ende zu gehen, bis ich
‒ wenn meine Erdentage es mir noch ge‐
währen ‒ hier, während meines Daseins auf
diesem Planeten, das hohe Ziel erreiche, das
ich, wie ich nun fühle, hier erreichen kann!
.Am allerwenigsten aber werden mich in
Zukunft die hohlen Redensarten derer be‐
irren, die ihrer Scheinweisheit froh, nur in
leeren Worten zu kramen verstehen und
solche Torheit für den Weg zur Erkenntnis
halten! ‒”
*
.Der Jüngste der Drei hatte sich erhoben
und blickte sinnend über das abendliche
Meer, so als ob er die letzten Worte kaum
recht beachtet hätte, und man sah es ihm an,
daß er zum mindesten den
Dank des Freun‐
des
überhören wollte.
.Der Weißbärtige aber ließ sich nun also
vernehmen:
.„Es sind gewichtige Dinge, die uns heute
hier beschäftigt haben und unsere Ruhezeit
auf dieser herrlichen Insel steht sichtlich
unter guten Sternen!
.Was nun mich betrifft, so habe ich den
letzten Äußerungen, die da soeben gehört
wurden, kaum etwas hinzuzufügen, es sei
denn, daß ich wohl noch weit triftigeren
Grund zu haben glaube, mir zu wünschen,
daß ich nicht eher diese Erde verlassen
müsse, als bis auch mir das Ziel sich zu eigen
gab, das erst in so vorgerückten Jahren nun
vor mir steht.
.Aber ich kann nicht glauben, daß die Fü‐
gung es mir nun als erreichbar zeigt, wenn
es mir nicht beschieden wäre, ihm noch ent‐
gegenzuwachsen. ‒
.Hätte ich früher von dem allem auf solche
Weise gehört, wie das während dieser Reise‐
tage nun geschah, ‒ wer weiß, ob ich reif
gewesen wäre, dem Anruf zu folgen!?
*
.Ich muß gestehen, daß ich in jüngeren
Jahren mich sehr wohl befand, bei einer
Weltanschauung die ich selbst mir zurecht‐
geklügelt hatte, und deren Hintergrund im‐
mer noch die große Abschlußlinie kirch‐
licher Eschatologie: die in früher Jugend so
gläubig aufgenommene Lehre von den 'letz‐
ten Dingen' bildete, wie sie mir als eifrigen
Bekenner meines anerzogenen Glaubens in
den Exerzitien des heiligen Ignatius von Lo‐
yola, die ich unter der Leitung seiner geist‐
lichen Söhne fast jedes Jahr absolvierte, in
wahrlich eindrucksstarker Weise entgegen‐
getreten war.
.Weit entfernt davon, heute solche Erzie‐
hung zu bedauern, kann ich vielleicht erst
jetzt ganz ermessen, welchen Segen sie, trotz
ihrer irrtümlichen Prämissen, in mein Leben
brachte, lernte ich doch dabei eine Metho‐
dik des Denkens und eine Zügelung des
Fühlens kennen, die zu einer Willensbil‐
dung führten, wie ich sie wahrhaftig so man‐
chem wünschen möchte, der nur die Schat‐
tenseiten des Wirkens jener Glaubenseife‐
rer der römischen Kirche kennt. ‒
.Wenn ich dann auch später vieles anders
sehen lernte, als es mir damals gezeigt wor‐
den war, so blieb mir doch die straffe Gei‐
stesdisziplin erhalten, die es mir eben so
unmöglich machte, mich religiösen Schwär‐
mereien hinzugeben, wie sie mich die Trug‐
schlüsse leerer Spekulation, auch wenn sie
noch so verführerisch sich als 'unwiderleg‐
bar' anpreisen mochten, stets gar bald durch‐
schauen ließ.
.Aber im Grunde meiner Seele war eigent‐
lich Resignation...
.Ich stand vor einem großen Ignorabi‐
mus: beschied mich dabei, daß wir über gar
vieles niemals etwas wissen könnten, und
fand es nur geraten, nach des Dichters Aus‐
spruch: 'das Unerforschliche ruhig zu
verehren'...
.Froh, auf solche Art ein gewisses inneres
Gleichgewicht wahren zu können, wäre ich
sicher kein aufmerksamer Zuhörer gewesen,
hätte man mir zu jener Zeit von ähnlichen
Dingen gesprochen, wie die sind, denen wir
jetzt schon so manche Stunde zu weihen uns
bestrebten. ‒
.Erst in den allerletzten Jahren, als mir
mehr und mehr der Gedanke an ein Ab‐
schiednehmen von der Erde nahetrat, wurde
es anders mit mir und ich fand mich gar oft
gedrängt, eine Pforte gewaltsam entriegeln
zu wollen, hinter der das Geheimnis der letz‐
ten Dinge mir verborgen schien. ‒ ‒
.Da sich eigene Erfahrung mir nicht bie‐
ten wollte, versuchte ich schließlich, mir auf
Grund der Erfahrung anderer ein Urteil zu
bilden, und so kam es, daß ich mich schon
seit geraumer Zeit mit jenen Studien beschäf‐
tigte, deren Erwähnung vor Ihnen die Ur‐
sache all der Eröffnungen wurde, die uns
durch Sie, junger Freund, seither geworden
sind.
.Auch hier bedauere ich es keineswegs, so
viel kostbare Zeit an das Durcharbeiten der
Berichte gegeben zu haben, deren wissen‐
schaftlich einwandfreie Verfasser mir immer‐
hin Gewähr dafür boten, daß sie sich nicht
durch irgendein Gaukelspiel hatten täuschen
lassen.
.Aber ich sehe längst nun, daß ich trotz‐
dem auf falscher Fährte war, und daß die
Rätsel unserer bleibenden Geistigkeit
nie
und nimmer durch Experimente mit Som‐
nambulen und 'Medien' lösbar werden.
*
.Auch ich habe den Anfang des rechten
Weges nun gefunden!
.Ob ich ihn hier noch auf Erden bis zum
Ziele durchschreiten darf, mag höheren
Mächten zu wissen vorbehalten bleiben! ‒
.Einstweilen danke ich der geheimnisvol‐
len Führung, die uns auf dieser Reise Ge‐
legenheit werden ließ ‒ wenn auch noch
wie aus weiter Ferne ‒ die ersten Strahlen
ewigen Lichtes in uns wahrzunehmen.
.Ich fühle, daß der, dem es hier oblag den
Schleier der uns so viel verborgen hielt ein
wenig zur Seite zu ziehen, es ablehnt, unse‐
ren Dank entgegenzunehmen, aber das kann
mich nicht hindern, ihm dennoch im Herzen
zu danken, und wenn er selbst sich nur 'Schü‐
ler' nennt, so möge er uns der Obhut derer
empfehlen, die er selbst als
Meister ver‐
ehrt! ‒ ‒ ‒”
*
.Und der Jüngere antwortete und sprach:
.„Hier habe nur
ich zu danken, daß ich
Werkzeug werden durfte in der Hand einer
hohen Führung, die Sie mir nahebrachte und
Gelegenheit schuf, von dem wenigen zu ge‐
ben, das ich selber geben
kann!
.Doch bedarf es nun
meiner nicht mehr,
wenn Sie willens sind, sich auch weiter, und
nun beiläufig Ihres Tuns bewußt, der glei‐
chen hohen Führung anzuvertrauen, von der
Sie wissen, daß auch ich ihr mein Erkennen
danke.
.'
Bittet,
und ihr werdet empfangen!
.Suchet,
und ihr werdet finden!
.Klopfet an,
und es wird euch aufge‐
.tan!'
.Der einst so zu seinen Zeitgenossen zu
sprechen wußte, ist auch
heute noch
der
Erde nicht fern, und die wenigen, von
denen ich Ihnen als von den '
Leuchtenden
des Urlichtes' sprach, kennen ihn als ihren
Bruder in seiner Geistgestalt, in der er stetig
bei den Menschen der Erde ‒
im geistigen
Lebenskreis der Erde ‒ bleibt, bis auch
der letzte der Geistesmenschen, die sich hier
dem Menschentiere übergeben müssen als
Folge ihres 'Falles' aus hohem Leuchten, den
Erdenleib wieder verlassen hat...
.Wer ihn zu '
rufen' weiß
durch Tat und
Leben, dem ist er
nah, wie so mancher an‐
dere seiner Brüder, die in
gleicher Weise
bei der Erde bleiben, obwohl sie längst den
Erdenleib verlassen haben!
*
.Es ist nicht nötig, daß man
von dem Da‐
sein dieser geistigen hohen Helfer wisse, um
ihre Hilfe zu erhalten, und es ist nicht nötig,
daß man
in Worten sich zu dem bekennt,
den sie den '
großen Liebenden' nennen
und in dem ein großer Teil der Menschheit
seinen Erretter sieht. ‒
.Gar viele erhielten solche hohe Hilfe, die
weder den Namen dieses Erhabenen
kannten,
noch von seinen geistigen
Brüdern wußten, denn was hier
allein
gefordert wird, ist ein 'Glaube', der sich
durch die Tat bezeugt und
an kein Be‐
kenntnis religiöser Meinung aus‐
schließlich gebunden ist!
*
.Gewiß wird solches gewisses Wissen von
allen denen 'verdammt', die den Wahn er‐
halten möchten, als sei nur durch die Bin‐
dung an die von
ihnen ersonnenen Glau‐
bensformeln das Heil zu erlangen, aber der
ewige
Geist, dem jene zu dienen glauben, ist
ihrer 'Verdammung' noch weiter entrückt,
als ihrem 'Segen', den sie in seinem Na‐
men allein zu spenden sich berechtigt wäh‐
nen! ‒
.Es
hindert aber auch solche Bindung
nicht, daß dennoch auch die Gebundenen
die gleiche hohe Hilfe erfahren können,
und es bleibt wahrlich
ohne jede Bedeu‐
tung,
wen sie als ihren Helfer verehren zu
müssen glauben! ‒
.Das gläubige Volk dieser Insel hier betet
heute zu seinem Heiligen; aber wer auch
immer der so Gemeinte auf Erden gewesen
sein mag ‒ ob sein Leben und Tun Ver‐
ehrung verdiente oder nicht ‒ so wird doch
die durch
Tat und
Leben wirksam gewor‐
dene Bitte die
wahren geistigen hohen Hel‐
fer erreichen, ‒ nicht anders, als wenn der
Scheich der Wüste zu Allah sein Herz erhebt,
oder der fromme Hindu zu irgendeiner Gott‐
heit seines uns Abendländern so grotesk er‐
scheinenden Pantheons. ‒ ‒
.Ja, selbst der Wilde in seinem Fetischtem‐
pel kann die gleiche Hilfe erhalten, wenn er
nur durch all sein Tun die Vorbedingungen
erfüllt, soweit sie bei
seiner Erkenntnis‐
fähigkeit ihm zu erfüllen möglich wer‐
den. ‒ ‒ ‒
*
.Dies ist im
eigentlichsten Sinne die
'
frohe Botschaft', die einst der
Meister
von Nazareth der Menschheit brachte;
aber noch heute wird man gar selten einem
Menschen begegnen, der sie verstand! ‒
.Auf der einen Seite wurde alles
Geistige,
davon diese Botschaft Kunde brachte, immer
mehr
von der Erde losgelöst und zu we‐
senlosem
Nichts über Wolkenhöhen ver‐
flüchtigt, während man auf der anderen den
Geist so sehr der
Materie zu amalgamieren
suchte, daß man es schließlich gar nicht
mehr merkte, wenn man
nur noch Mate‐
rie in Händen hielt. ‒ ‒ ‒
.Wer aber den
Geist in sich
finden will,
der bleibe sich bewußt, daß er ihn nur der
Materie
gleichgeformt zu finden vermag,
aber weder in Materie
versunken, noch
über allem Materiellen, in erträumter we‐
senloser Vorstellung!
*
.So auch kann der Geist, solange er noch
nicht dem
eigenen Bewußtsein des Men‐
schen sich einte, niemals des Menschen Be‐
wußtsein anders erreichen, als indem er die
Möglichkeit schafft, daß das ihm noch nicht
geeinte Bewußtsein empfindend teilzuneh‐
men vermöge am inneren Lichtesleben eines
Menschenbewußtseins, das bereits dem
Geiste vereinigt ist! ‒ ‒ ‒
.Diese dem Geiste restlos Vereinigten
auf unserer Erde, sind aber jene wenigen
Männer zu jeder Zeit, von denen ich sprach,
als von des Urlichtes Leuchtenden!
.Nicht dadurch, daß man einen, oder sie
alle kennenlernt, kommt man ihnen nahe,
denn dieses Nahekommen hängt weder
ihrerseits noch unsererseits von freier
Willkür, von persönlichen Wünschen ab,
‒ sondern nur die eigene, durch Tat
und Leben bewirkte innere Einstel‐
lung entscheidet, ob man an ihrem geist‐
geeinten Bewußtseinsleben teilzunehmen
vermag, oder nicht! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wer aber fähig wurde ‒ wenn auch nur
in leisester Erahnung ‒ daran teilzuneh‐
men, den könnte auch kein Gott daran ver‐
hindern; und je mehr er sich in solcher
Fähigkeit zu
befestigen vermag, desto
mehr wird ihm
Kraft aus jener geistigen
Sphäre kommen, in der das dem Gottesgeiste
geeinte
Bewußtsein dieser Meister des Er‐
kennens ruht; je mehr wird ihm
Hilfe zuteil
aus jenen Strömen geistiger Allgewalt, in
denen ihr Wille ewig wirkend nach dem Ge‐
setz des Geistes waltet! ‒ ‒ ‒
*
.Wer dies einmal erkannte, ist schon weit
vorangekommen auf seinem Wege, der ihn
zur Einheit im Geiste in sich selber
führen soll!
.Er wird eben so weit davon entfernt sein,
diese 'Leuchtenden' für irre Sektierer und
tolle Schwärmerseelen zu halten, wie er sich
wahrlich hüten wird, in ihnen entmenschte
Halbgottwesen oder eitle Zauberer zu ver‐
muten! ‒ ‒
.Ich habe nun Sie, liebe Freunde, unter das
'Kraftfeld' dieser hohen Hilfe gestellt...
.Mehr vermag ich nicht, aber mehr ver‐
möchte auch einer derer nicht, von denen
ich hier sprach, und denen ich all mein Er‐
kennen danke!
.Von
Ihnen allein hängt es nun ab,
welche Kräfte Sie aus diesem geistigen 'Kraft‐
feld' gleichsam
einzusaugen wissen! ‒
‒ ‒
.Dann danken Sie '
Gott', der
in Ihnen
selbst, wie in einem Tabernakel einge‐
schlossen ruht, für die
Gnade, die Ihnen
werden mag; aber nicht mir, der ich nur
Anstoß werden durfte, Ihren Willen zu
wecken! ‒”
*
.Die Klippen, die nahe der Küste aus dem
Meere ragten, lagen lange schon in opal‐
farbenem Duft und nur der letzte Wider‐
schein des Tages ließ noch Licht und Schat‐
ten auf ihnen erkennen.
.Über den Häuptern der drei Freunde fun‐
kelten bereits die ersten Sterne, als man nun
endlich sich entschloß, die geheiligte Stätte
zu verlassen, um wieder den Pfad zurück‐
zuverfolgen, der nach der kleinen Stadt auf
dem Rücken der Insel führte.
.Es war bereits völlig dunkel geworden, be‐
vor die Wanderer das Haus der Fremden er‐
reichten, das ihnen jetzt für die nächsten
Tage Heimstätte war.
.Hier nahm man nun seine Abendmahlzeit
ein, aber da man nachher noch nicht recht
zum Schlafe sich bewogen fühlte, doch auch
nicht von neuem die tiefen Dinge berühren
wollte, die heute bei der Mithrasgrotte zur
Sprache gekommen waren, so begab man sich
zu der kleinen Piazzetta, allwo das Inselvolk
und seine Gäste wie in einem Festsaal pro‐
menierte und sich der heiteren Weisen freute,
die eine muntere Kapelle zum besten gab.
NACHDEM die Festesfreude der fröh‐
lichen Inselbewohner wieder alltäg‐
lichem Werke gewichen war, fanden sich die
drei Freunde in einer stillen Gottesruhe, die
ihnen alles gab, was sie hier für ihre durch
stetes Schauen ermüdeten Nerven zu suchen
gekommen waren.
.In jeder Morgenfrühe erblickten sie wie‐
der das weithin glänzende Meer, das kaum
die Strahlenfülle mehr zu fassen schien, die
aus dem leuchtenden, unermeßlichen Raume
über ihm herabgeflutet kam ohne Unterlaß.
.Was Wunder, wenn in den Herzen zuletzt
der Wunsch sich regte, auf diese Lichtsee
einmal noch hinauszufahren, um in Sonnen‐
helle durchstrahlt, das Eiland zu umkreisen,
bevor man von ihm dauernd Abschied nahm.
*
.An einem frühen Morgen war man auf
langen Schlangenwegen hinabgewandert zum
Strande, wo schon die Schiffer warteten mit
einer geräumigen Barke, die man des Tages
zuvor für diese Fahrt gemietet hatte.
.Was man für des Lebens Notdurft brauchte
an diesem Tage ‒ sowohl für die Freunde
selbst als auch für ihre Ruderer bemessen ‒
war allbereits schon vorher durch einen Bo‐
ten herabbefördert worden und ruhte wohl‐
verwahrt und vor der Sonne späterer Glut
geschützt im Kielraum des schweren Ruder‐
bootes.
.Ein mächtiger Segler kreuzte vor dem klei‐
nen Inselhafen, als man nun hinausfuhr auf
das offene Meer, und seine gelben Segel bläh‐
ten sich im frischen Morgenwinde.
.Gigantisch türmten sich die hohen, röt‐
lichen Felsenschroffen, die droben, in
lichtes Grün gebettet, weiße Villen trugen,
die kaum Halt zu finden schienen und von
hier aus wie die Spielzeughäuser der Kinder
wirkten.
.In weitem Bogen hatte man erst die Fel‐
senwände umfahren, um so den gewaltigen
Anblick aus einiger Ferne genießen zu
können.
.Dann aber hielten sich die Ruderer der
Insel näher, so daß aufs deutlichste die Bil‐
dung des Gesteins mit den Augen zu grei‐
fen war.
.Zuerst durchfuhr man nun die wenig
breite Meeresstraße, die das Festland von
der Insel schied.
.Drüben am Festland zog sich in edelstem
Rhythmus eine Kette mäßig hoher Berge in
die Ferne, über die vereinzelt höhere Gipfel
ragten.
.Die ganze Festlandsküste war noch in
einen Schleier zarter Dünste gehüllt, der sie
in mannigfachen pastellweichen Tönen, von
lichter Rosenfarbe bis zu sanftem hellen
Blau, herüberschimmern ließ.
.Hier, wo man nun selbst im Boote saß,
zeigte sich zum nicht geringen Erstaunen
das leuchtend grünblaue Meer von solcher
Klarheit in der Durchsicht, daß man den
Grund mit seinen Steinen und mancherlei
Tanggewächsen derart scharf erkennen
konnte, als blicke man in völlig leere Tiefe,
und fast empfand man es leise unbehaglich,
daß die Barke gleichsam wie in leerem
Nichts über solchem Abgrund schwebte.
.In weitester Ferne lagerten über dem
Meere ein paar dünne blaßviolette Wolken‐
streifen als die letzten Zeugen der ent‐
schwundenen Nacht, fast aufgesogen im ro‐
sigen Morgenlicht, das sich darüber bereits
in goldene Helle wandelte, um allmählich in
größerer Höhe lichtestem Gelbgrün und
schließlich dem leuchtendsten Türkisblau
sich zu einen.
.Man muß solche Morgenfrühe auf süd‐
lichem Meere selbst erleben, um ihre Schön‐
heit zu erfassen! ‒ ‒
*
.Die Barke der drei Freunde hielt sich nun
immerfort dicht an der Inselküste.
.Hochragende Felsbastionen wechselten da
mit schroffen Schluchten und zuweilen wei‐
teten sich steile Mulden, in denen lichte Öl‐
haine und Zitronengärten, Orangengehege
und Myrtensträucher nahezu das Meer er‐
reichten.
.Die hohen Klippen nahe dem Ufer, die
man sonst nur von der Insel aus bewundert
hatte, bildeten jetzt ein mächtiges Tor, und
die Schiffer ließen es sich nicht nehmen,
das Boot durch dieses Felsengewölbe zu
steuern.
.Nun erblickte man auch deutlich die Stelle
der Mithrasgrotte, bei der man zuvor, an
jenem Abend so folgenreiche Mitteilung er‐
fahren hatte.
.Mit Sicherheit erkannte man zugleich den
steilen Pfad, auf dem einst in alter Zeit die
Mysten, vom Meere kommend, das Heilig‐
tum erklommen haben mochten.
.Noch wenige Ruderschläge, und man ge‐
wahrte, hoch oben über weitem, fruchtbaren
Tal, auf der Sattelhöhe die helle Stadt ‒
nun von der anderen Seite zu sehen, während
man sie noch am Morgen über dem kleinen
Hafen sich erheben sah.
.Nachdem sie von der Hafensiedelung aus
allmählich emporzuwachsen schien, lag sie
hier wie eine Zinnenkrone auf der Höhe der
Einbuchtung, zur Linken von dem höchsten
Bergrücken der Insel beschützt, zur Rechten
nur von mäßigen Anhöhen überragt.
*
.Die drei Freunde hatten bisher nur all
dem Schönen, das ihre Augen sehen durften,
sich willig hingegeben, und die Schiffer ‒
nicht wenig stolz auf ihre herrliche Heimat
‒ wurden nicht müde, Erklärungen zu
äußern, oder auf besondere Schönheiten
hinzuweisen.
.Längst tropfte den Beiden der Schweiß
von der Stirne und man merkte es ihnen an,
daß sie nicht ungern ein wenig ausgerastet
hätten, bevor der größere Umkreis der Insel
noch umfahren werden sollte.
.Unweit der Stelle, an der man sich jetzt
befand, gab es eine kleine Anlegestelle für
die Fischerboote.
.Einige pittoreske, niedere Häuser um‐
säumten die kleine Bucht, und am Strande
sah man ausgespannte Netze in der Sonne
trocknen.
.Dorthin ließen die Reisenden die Barke
nun lenken, und als sie ans Land gestiegen
waren, freuten sie sich schließlich selbst
daran, für einige Zeit dem reglosen Sitzen
im Boot entronnen zu sein und auf fester
Erde die Glieder gebrauchen zu können.
.Man freute sich auch der Jugend, die hier
ihren Badeplatz fand und allerlei Taucher‐
künste zeigte, sah ein wenig den Fischern
zu, die ihr Gerät schon für den Fang der
nächsten Nacht in Ordnung brachten, und
erquickte sich schließlich, zusammen mit
dem Brüderpaar der Ruderer, an einigen
saftigen Früchten aus dem Vorrat, den man
im Boote mitgenommen hatte.
.Bald aber war man wieder ausgefahren,
sah nur von Ferne noch die kleinen Fischer‐
häuser, und die mählich höher gehenden
Wogen trugen die Barke gleitend wieder ge‐
waltiger Felswand entlang, die nur zuzeiten
durch enge Spalten und farbenschimmernde
Grotten unterbrochen wurde, den westlichen
Abstürzen zu.
.Francesco, der jüngere der beiden Ru‐
derer, wußte auf dieser Seite der Insel, die
jetzt im Schatten der hohen Felsen und des
darüber ragenden Berges lag, einen Ruhe‐
platz, der auch seinem älteren Bruder gewiß
nicht unbekannt war, den er aber in den
höchsten Tönen rühmte, als sei er seine Ent‐
deckung.
.Dort wollte man Mittagsrast halten und
lange verweilen, um erst, wenn die Sonne
den Berg überstiegen hätte und nahe dem
Meere wäre, den letzten Teil der Fahrt als
Heimweg anzutreten.
*
.Die Ruderer aber mußten sich gar gewal‐
tig mühen, um den Wogen zu begegnen, und
es war nötig, weit ab in freies Meer zu steu‐
ern, auf daß man nicht allzunahe bei den
niederen Riffen blieb, die hier wie ein spitzer
Zaun die hohen Felsenmauern umgaben.
.Endlich aber glaubten die beiden Brüder
die Zeit gekommen, um den Kurs der
Barke wieder nach der Insel zu richten,
und nun hielten sie den Kiel scharf auf
einen hellen Fleck, den man am fernen Ufer
gewahrte.
.Näher gekommen, entdeckte man eine
seichte Bucht, an der keine Brandung auf‐
kommen konnte, und über mächtiger, weiß‐
gewaschener Steinhalde gab es eine idyllische
Rasenterrasse mit Myrtengesträuch, tief‐
dunklem Lorbeer, Eukalyptus- und Ölbäu‐
men bestanden: ‒ so recht ein Ort, der zum
Verweilen lockte.
.Bald war die Barke nun auch von einer
geschickt benützten Woge ans Land gewor‐
fen worden, und nachdem sich Reisende wie
Ruderer der Mühe unterzogen hatten, sie
aus dem Bereiche des Meeres herauf auf die
Halde zu ziehen, durfte man ihrer nun sicher
sein und konnte über das Steingeröll empor
zum eigentlichen Rastplatz steigen.
.Die beiden Schiffer brachten noch die
Körbe mit Speise und Trank, ließen sich ge‐
ben, was man für sie mitgenommen hatte,
und kehrten zurück zu ihrem Boote, um
dort zu essen und zu ruhen, so daß sich die
Reisenden kaum zu erklären vermochten,
weshalb dieselben Menschen, die sie hierher
geleitet hatten, als an einen Ort, dem beson‐
dere Schönheit innewohne, doch dieses Ortes
Schönheit nicht genießen mochten.
.Aber hier zeigte sich nichts anderes, als
jener wundervolle
Takt, der auch den ein‐
fachsten Sohn des Südens dem ihn verstehen‐
den Fremden liebenswert macht.
*
.Gewiß findet sich in den großen Städten
auch das übelste Pack, aber wo noch der
Rasse Adel rein sich wahren konnte, dort
trägt auch der Ärmste seine Armut in Lum‐
pen noch als Fürst, und die Hoheit seiner
inneren Würde wird besonders bewunderns‐
wert, weil er in jeder Lage fühlt,
was seiner
Stellung ziemt, und bei aller Freiheit
der Gebärde niemals aus der Rolle fällt, die
ihm sein Schicksal einmal zuerkannte im
Getriebe dieses Erdenlebens...
.So wußten auch die beiden Brüder gar
wohl, daß jetzt die Reisenden doch am lieb‐
sten
unter sich zu sein wünschen mußten,
und so gerne sie auch selbst auf dem gleichen
Rasen sich ausgestreckt hätten, wie sie es oft‐
mals wohl schon getan, wenn sie mit Weib
und Kind an einem Festtag hier verweilten,
so wäre es heute ihnen doch wie ein Sakrileg
erschienen, wie ein Vergehen, das stets an
ihnen haften bleiben würde. ‒
*
.Das Mahl hatte trefflich gemundet und
wenn auch hier auf dieser Insel kein kla‐
rer Quell zu finden war, so hatte doch die
Erde köstliche Frucht gegeben, die nach des
Mahles Würze auch den Durst noch stillen
konnte. Daneben gab es noch den Saft der
Rebe dieser Inselhänge der allerdings von
so feuriger Artung ist, daß er das Wasser
nicht gut ersetzen kann. ‒
.Nachdem man dann längere Zeit sich der
Ruhe überlassen hatte, nahm der Jüngste
der Drei das Wort und sprach:
.„An einer sehr ähnlichen Stelle wie dieser
hier an der wir lagern, ward mir einst un‐
vergeßliche, hohe Belehrung.
.Es war auf der Reise in den Orient, die
mir mein Vater gewährte, bevor ich meinen
neuen Wirkungskreis betrat.
.So wie hier, befand ich mich auf einer
Insel, so wie hier, im Angesicht des Mee‐
res, und so wie hier, lagerte man zwischen
Myrtengebüsch und Lorbeer, wenn auch das
Gras weit dürftiger war und nicht die Fülle
der Blumen zeigte, die hier uns umgeben.
.Damals sollte ich meinen Guru unver‐
hofft wiedersehen und es waren recht selt‐
same Umstände, unter denen er mir aufs
neue begegnet war.
.Doch das alles läßt sich auch an einem
Winterabend, wenn der Sturm heult und den
Schnee an die Fenster peitscht, beim Kamin‐
feuer zu Hause erzählen, nachdem wir jetzt
in so nahem, verstehendem Verhältnis uns
fanden. ‒
.Was mir aber soeben in Erinnerung kam,
betrifft vielmehr die Lehre, die mir in jenen
Tagen wurde, und die vielleicht doch noch
erörtert werden dürfte, um das zu vollenden,
was unser Zusammensein bisher so ersprieß‐
lich werden ließ.”
.„Ich weiß nicht, was Sie uns heute brin‐
gen wollen”, fiel der Älteste ins Wort, „aber
ich glaube, wir beiden Senioren dieses Krei‐
ses sind uns einig darüber, daß wir durch
Sie nur gewinnen können, und was Sie uns
auch noch zu sagen haben, wird aufnahme‐
bereite Hörer finden!”
.„Das will ich meinen”, ergänzte der in
sichtlichem Wohlbehagen strahlende „Aba‐
te” und fuhr dann fort: „Es ist ja schier un‐
begreiflich, was Sie aus uns beiden, alten
Köpfen schon zu machen wußten in dieser
kurzen Zeit, seitdem Sie endlich Ihr Visier
geöffnet haben! ‒ ‒
.Fast könnte ich es Ihnen verargen, daß
Sie vorher so oft mit uns zusammen waren
und stets vor uns 'Profanen' Ihr Geheimnis
wahrten!
.Wir müssen wirklich in Ihren Augen gar
arge 'Skeptiker' gewesen sein, aber Sie wis‐
sen doch, daß Skepsis und Mystik in recht
nahem verwandtschaftlichem Verhält‐
nis stehen! ‒
.Wer nicht sein Teil Skepsis in sich trägt,
wird ja gar kein Bedürfnis haben, etwa
wissen zu wollen, was hinter dem Vorhang
vorgeht, an dessen Bildwirkerei er zu glau‐
ben angehalten wird...
.Aber, wie Sie gesehen haben, sind wir
'Skeptiker' doch nicht so unverbesserlich,
wie Sie vielleicht geglaubt haben mochten!
.All unsere Skepsis ist ja nichts anderes ge‐
wesen, als verkappte Sehnsucht, glauben
zu können; nur wird einem das Glauben
können heutzutage höllisch schwer ge‐
macht!
.Freilich, wenn man dann, wie bei Ihnen,
plötzlich sieht, daß hinter all diesen Glau‐
benspostulaten jeweils eigentlich eine unum‐
stößliche, wenn auch noch so ungeschickt
formulierte Wahrheit steckt, dann merkt
man schon auf, und weist die Konklusionen
des rationalistischen Denkens in ihre gehöri‐
gen Schranken! ‒ ‒
.Aber, wem wird denn heutzutage solche
Belehrung zuteil?! ‒
.Die Mehrheit lebt doch geradeso dahin,
wie es eben die äußeren Umstände zulassen
mögen, kümmert sich nicht um Tod und
Teufel, und läßt schließlich auf sich be‐
ruhen, was sie nicht enträtseln kann.
.Wenn man so richtig aufzunehmen wußte,
was Sie uns in dieser Reisezeit zu geben
hatten, dann greift man sich ja an den Kopf
und faßt es nicht, daß die Menschheit in sol‐
cher Tarantelsucht sich um ihre eigene Achse
dreht und dabei niemals ahnt, daß sie sich
selbst gebannt hält auf dem gleichen Fleck!
.Warum wissen unsere Kinder nicht schon
von dem allem! ‒ ‒ ‒
.Muß denn wirklich jede neue Generation
das 'Einmaleins' für sich von neuem zu
entdecken suchen??
.Doch ich merke, daß ich da selbst jetzt
ins Reden komme, und bitte um Vergebung,
denn ich erwarte ja weiter nichts, als daß
unser jüngerer Freund, dem soviel
Erfah‐
rung wurde, uns auch fernerhin belehrt! ‒”
*
.Die Sonne war mittlerweile hinter dem
Bergesrücken erschienen, war mehr und
mehr hervorgerückt, hatte die andere Seite
der Insel umwandert, ihren Höhepunkt über‐
schritten, und sehnte sich sichtlich nun hin‐
ab ins Meer, obwohl sie noch hoch genug
stand, um nicht allsobald befürchten zu las‐
sen, daß sie das Meer verschlingen könne.
.Dennoch fingen ihre Strahlen schon an,
ins Gelb des frühen Abends sich zu wandeln,
und mählich mischten sich auch rosenrote
Töne ihrem Lichte, so daß die ferne Weite
immer mehr in lichtem Farbenschmelz er‐
glühte und auch die Nähe warmer Farbe
Sättigung erfuhr.
.Das Auge trank solche Schönheit in vol‐
len Zügen und man wunderte sich nur, wie
man den grauen Alltag nördlicherer Breiten
sonst auszuhalten fähig war...
.Es mußten doch wahrlich nur einst die
Tapfersten gewesen sein, die sich erkühn‐
ten, solche unwirtliche Gegenden sich aus‐
zusuchen, ‒ wenn es nicht vielleicht die
Ärmsten waren, die lieber noch der Unbill
sonnenarmer Sommer sich ergeben wollten,
als weiter Hörige zu sein der Reichen, die
des Südens Üppigkeit nur eigener Genuß‐
sucht dargeboten wähnten. ‒ ‒
*
.So mochten mancherlei Gedanken in den
Gehirnen der drei Freunde sich kreuzen, als
nach einer kleinen Pause doch der Jüngste
der Drei das Wort nahm und also seine Rede
formte:
.„Seht, liebe Freunde, ich komme mir oft
recht unerfreulich vor, wenn ich nur stets
als
Lehrender, Ihnen, den so viel älteren
entgegentrete. Sie nennen mich selbst Ihren
jungen Freund und daraus glaube ich
doch entnehmen zu müssen, daß Sie die
Jahre, die von Ihnen mich trennen, gleich‐
sam als
Entschuldigung gelten lassen,
für vieles, was Ihnen an mir absonderlich
erscheint, obwohl Sie jetzt wissen, daß
diese vermeintliche 'Absonderlichkeit' ihre
Gründe hat! ‒ ‒”
.Doch, wie aus einem Munde ließen die
Älteren sich vernehmen und bekundeten
entschieden, daß sie es nur als Ehre betrach‐
ten wollten, wenn der Jüngere sich zu ihnen
rechnen möge, und daß sie ihn stets nur des‐
halb als soviel jünger empfinden müßten,
weil sie sich selbst fast für
zu alt, der‐
gleichen Umstellung des Denkens gegen‐
über, gehalten hätten. ‒ ‒
*
.Darauf nahm wieder der Jüngste das Wort
und seine Stimme war von tiefster Ergriffen‐
heit bewegt:
.„O Freunde, wie sehr bedingt sind doch
die Begriffe 'Jugend' und 'Alter', und wie
wenig haben sie im
Geistigen zu be‐
deuten!
.Dort gilt als 'Alter' nur
jene Zeit, die der
geistige Mensch der Ewigkeit bereits durch‐
laufen hat seit jenem Tage, der ihm den Im‐
puls zur Rückkehr in seine Urheimat
gab.
.An Erdenjahren erheblich jünger als
Sie Beide, dürfte ich doch hier im Geiste
der 'Ältere' sein, denn sonst wäre mir nicht
geworden, was mir ward. ‒ ‒
.Nun ist es mir Pflicht, Sie zu belehren,
auch wenn ich mir wahrlich nicht etwa
als 'Lehrer' verdienstvoll erscheine! ‒
‒ ‒
.Auch lehre ich Sie ja gewiß nichts, das
etwa mir mehr als seine Formung danken
würde, und gebe Ihnen nur weiter, was ich
einst selbst empfing.
.So möchte ich Ihnen denn heute von eini‐
gem reden, das ich an ähnlicher Stätte einst
erhalten habe, und wenn Sie gesonnen sind,
mir zuzuhören, so werden Sie manches er‐
fahren, was ich seither noch nicht in meine
Rede zu fügen wußte.
.Die Dinge, denen wir auf dieser Reise
Worte schaffen, lassen sich ja aus gar mannig‐
fachen
Perspektiven betrachten, und so
ergibt sich aus jedem neuen Standpunkt
stets ein neues Bild! ‒ ‒
.Was ich aber heute Ihnen sagen möchte,
knüpft dennoch an
Früheres an und soll
Ihnen nur noch besser erläutern, was ich
schon
vorher Ihnen sagen durfte. ‒ ‒
.Ich will den Meister
selber sprechen las‐
sen, so wie er zu mir einst sprach, als ich auf
südlicher Insel ihm erneut begegnet war und
er sich meiner Seele offenbaren wollte...
.Aus meinem Tagebuche nehme ich die fol‐
genden Worte:
*
.'Ferne sind uns hier der westlichen Welt
verderbliche und schrankenlose Gelüste!
.Ferne bleibt uns, was Deiner Ahnen Enkel
als die Wohlfahrt ihres Lebens ersehnen
mögen! ‒
.Auf diesem Eiland, das uns trägt, atmen
jetzt nur
wir zwei allein, denn nur wir
beide atmen
bewußt! ‒
.Wir
allein suchen uns Rechenschaft zu
geben, von dem, was etwa ein höheres Sein
in uns zu sehen vermöchte...
.Und so frage ich dich denn, ‒ Du,
den meine Seele liebt, ‒ wie vermagst
Du Dich selbst zu empfinden, ohne zu er‐
schrecken ‒ vor Deiner Seele unermeßlicher
Weite!? ‒ ‒ ‒
.Doch, Du antwortest mir:
.„„Die vor mir waren, ach, sie waren ge‐
wiß nicht anders als ich, und sie wußten bes‐
ser als mancher, der uns heute begegnet, des
Lebens Herren zu werden!
.Was soll es mir, mich nun über alle Frühe‐
ren zu erheben, und mich in einer Hoheit zu
empfinden, die mir gewiß nichts nütze ist,
wenn ich heute diese Erde für immer ver‐
lassen muß?!””
.Aber ich habe Dir anderes zu sagen und
Du wirst mich also sprechen hören:
.Gar töricht erweisest Du Dich, mein
Freund, wenn Du in solcher Denkart Dich
gefangen geben willst!
.So sprechen nur enge Herzen und erd‐
gebundene Seelen, doch
Dich sah ich
wei‐
ter blicken bereits, und es waren
entlege‐
nere Fernen, die ich Dich mit Adlerblick
erfassen lehrte!
*
.Wohl bist Du ein verweslich
Tier, ein
Leichnam, der nur Dünger dieser Erde sein
kann, wenn Du dieser Erde unerbittliches
Gesetz zum
Herrscher über Deine Seele
werden lässest!
.Aber ich will Dich
anderes lehren, und
geloben sollst Du mir, Dich niemals von der
Erde niederen Kräften gängeln zu lassen, ob‐
wohl Du diese Erde auch
niemals verach‐
ten sollst, da nur in dieser Erde Leib
Dir die
Erlösung werden kann, solange
Du noch dieser Erde Dasein tragen mußt!
‒ ‒ ‒
.Ich will Dich lehren, der
Erde Kleid zu
Cherubsflügeln zu wandeln; ‒ ich will
Dich lehren: aus der
Erde Kraft Dich zu den
Sternen zu erheben! ‒
.Wir wollen selbander schreiten und Du
wirst bald erkennen, daß ich Dir Wege zeige,
die Du gewiß
vor meiner Weisung noch
nicht kanntest, aber ich will Dir auch zeigen,
wie man solche Wege betritt, und wie man
sie bis zum höchsten Ziele zu durchschreiten
vermag! ‒ ‒ ‒
.Weshalb wären wir uns nahegekommen,
wenn ich solchen Liebesdienst Dir nicht zu
erweisen vermöchte?! ‒ ‒ ‒
*
.Die Dich einstens lehrten, sie sprachen zu
Dir:
.„„Gar weise ist des Menschen klarleuch‐
tender
Verstand, der
alles zu hellen weiß
was des Menschen Bewußtsein in Finsternis
bannen möchte!””
.Aber längst weißt Du, daß Dein
Ver‐
stand Dich zum Sklaven tausendfachen
Irrtums machte, und
weise beginnst Du
zu werden, indem Du Dir sagst:
daß nie
Dein Verstand die Rätsel lösen wird,
die Dich in dieser Erdennacht umge‐
ben! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Hast Du endlich dieses Erste erkannt,
dann kann ich Dir weiter helfen, und so Du
mir nur
vertrauen magst, wirst Du gewiß‐
lich keine Enttäuschung erleben! ‒
.Siehe, alles, was Dir Dein Verstandeswis‐
sen gibt, ist nur in dem
kleinsten Teil Dei‐
nes Körpers ‒ in Deinem
Gehirn veran‐
kert, allein das Wissen, das Dir
ewig Nah‐
rung bieten soll, muß
Deines ganzen Kör‐
pers eigen werden!
.Darauf wollen wir weiterbauen!
.Daraus soll Dir die Gewißheit werden,
daß Dein
Körper Dir
vonnöten ist,
willst du zu völliger
Erkenntnis kommen!
‒ ‒
.Nicht von heute auf morgen ist solche Er‐
kenntnis zu erlangen, aber wer sie aus tief‐
stem Herzensgrunde
sucht, dem wird sie
sicherlich werden! ‒
*
.Wie jede tiefere Erregung Deiner
Seele
alsbald Deines ganzen
Körpers Atome
mit‐
schwingen läßt, so muß auch Dein Körper
willig sich bewegen lernen, wenn
Geisti‐
ges Dein Bewußtsein berührt.
.Was Dir auch nahekommen mag, von gei‐
stigen Dingen: Du wirst es erst
wahrhaft
erfassen und
dann nur restlos Dir zu eigen
werden sehen, wenn
jede Faser Deines
Erdenleibes greifend danach verlangt, um
so, wie zwei Hände einander finden, sich als‐
dann
ergreifen zu lassen!
.Nur in
solcher „„Ergriffenheit””, auch
Deines ganzen
Körpers, wird sich Dir eini‐
gen können, was vom
Geiste her zu Dir
kommt; und anders wird
wahrhaft Gei‐
stiges niemals erlangt, als durch vollkom‐
mene
Vereinigung! ‒ ‒ ‒
*
.Über Geistiges
nachzudenken, mag
Dich wohl in gewisser Weise
fördern, allein
zum
Ziele führt es
nicht!
.Wohl kannst Du Dir manches Wissen die‐
ser Erde auf solche Weise erwerben, aber so‐
bald Du einmal dieser Erde Leib verlassen
mußt, wird solches Wissen Dir verloren und
zu nichts mehr nütze sein!
.Geistiges Wissen ist wahrlich
anderer
Art!
.Es kann Dir nur werden, wenn Du mit dem
Gegenstande dieses Wissens Dich zu
ver‐
einigen vermagst! ‒ ‒ ‒
.Wä
hrend
vergängliches Wissen stets
nur ein
Be-
greifen, ein
Er-
fassen, ein
Ent-
decken, ein
Er-
finden, ein
Er‐
schließen ist, handelt es sich beim
geisti‐
gen, ewig
bleibenden Wissen um ein
Inne‐
werden! ‒ ‒
.Du kannst im Geistigen nichts erlangen,
es sei denn, Du selber läßt Dich in Deinem
innersten Innern durch das Geistige
wan‐
deln und
wirst, was Du erkennen
willst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
.Das erscheint Dir heute noch unsagbar
schwer, da Dein Denken noch nicht gelernt
hat, Deinem Willen zu
gehorchen.
.Nicht eher aber kannst Du Geistiges ver‐
nehmen in Dir selbst, als bis Du Deinem
Denken Schweigen zu gebieten vermagst
und seinem vorlauten Wichtigtun wehren
lerntest!
.Später, wenn Du dereinst im Innewerden
zur Erkenntnis in Vereinigung gekom‐
men bist, wirst Du Dein Denken reichlich
entschädigen können für die Zurückhaltung,
die Du ihm vorher auferlegen mußtest!
.Dann wirst Du ihm eine neue Unterlage
für sein Wirken geben können, auf der es
sodann in gleicher Sicherheit bauen mag,
wie dort wo die Sinnenwelt ihm Funda‐
mente bietet. ‒ ‒
.Die Kraft des Denkenkönnens ist eine
wundersame Gabe, allein sie kann Dir dort
nur Segen bringen, wo Du ihr selbst die
sichere Unterlage gibst. ‒ ‒
.Du darfst nicht durch Dein Denken erst
diese Unterlage schaffen oder finden zu
können wähnen, wenn Du nicht einem Wahn
erliegen willst, der in den Gehirnen schon
seit den frühesten Zeiten der Erden‐
menschheit bis auf
unsere Tage, tausend‐
fachen Irrtums Ursache ward! ‒ ‒ ‒
.Man scheitert stets aufs neue daran, daß
man
erdenken möchte, was allein im Inne‐
werden zu
erleben ist und
dann erst Ma‐
terial des Denkens
werden kann.
.Man glaubt in seinem
Denken Geistiges
zu erkennen und weiß nicht, daß Geistiges
nie in Gedanken faßbar wird, bevor man
es
erlebte, da es nur im
Erleben wahrhaft
empfunden werden kann; in einem Erleben,
das
nichts mit gedanklichem Erkennen ge‐
meinsam hat. ‒ ‒
*
.Jenseits allen Denkens, die Gedanken an
sicherem Halfter zügelnd, als
Beherrscher
Deines Denkens, sollst Du das
Erschau‐
bare in Dir selbst
erschauen lernen durch
Versenkung in Deine innerste Tiefe: ‒
als‐
dann erst darfst Du Deinen Gedanken Frei‐
heit geben, und
dann erst werden Deines
Denkens Schlüsse
Geistiges aus Geisti‐
gem zu erschließen vermögen! ‒ ‒'
.So endete damals des Meisters Rede!
.Ich aber glaube, es war nicht ganz über‐
flüssig, sie Ihnen mitzuteilen?!”
*
.„Gewiß nicht”, erwiderte der Physiker,
„und wie alles andere, so leuchtet es mir auch
wahrhaftig ein, daß unser
Denken stets nur
bedingt ist durch die
Prämissen, von
denen es jeweils seinen Ausgang nimmt!
.Wenn ich recht verstehe, so zweifelte ja
auch Ihr Guru keineswegs an der Richtigkeit
logischer Schlüsse; nur gab er Ihnen die Er‐
wägung nahe, daß unser Denken sozusagen
indifferent ist, gegenüber der
Grund‐
lage auf der es arbeitet, so daß auch die lo‐
gisch unanfechtbarsten Schlüsse dennoch
letzten Endes
falsch sein können, sobald sie
auf
Voraussetzungen fußen, die selber
von Anfang an
nicht gehörig gesichert
sind.
.Ich verstehe auch sehr gut, daß wir für
unser Denken, soweit es
geistige Dinge be‐
trifft, nicht minder einer
Erfahrungs‐
grundlage bedürfen, wie wir ja solche auch
für unser
physischen Dingen zugewand‐
tes Denken tatsächlich besitzen, und daß es
falsch ist, wenn man glaubt, man könne
einen Ersatz für solche Erfahrung jemals
im
Denken selber gewinnen. ‒ ‒
.Das alles begegnet in mir gewiß keinem
Zweifel mehr, allein ich frage mich, wie ich
nun
selbst zu solcher Geisteserfahrung, die
vor allem Denken über Geistiges liegen soll,
gelangen könnte, und
hier breiten sich denn
vor mir nur sehr unsichere Gefilde, so daß
ich zögere, mich ihnen zu vertrauen. ‒”
.Und der Jüngere antwortete und sprach:
.„Soweit Ihnen noch nicht aus alledem was
ich Ihnen sagen durfte, näherer Aufschluß
wurde, will ich auch in diesem Punkte
den
Meister selbst zu Ihnen reden lassen, denn
auch ich hatte einst die gleiche Frage zu stel‐
len und mein Tagebuch verzeichnet getreu‐
lich des Meisters Antwort, die ich in jenen
Tagen erhielt.
*
.Also sprach dereinst zu mir der Meister:
.'Gewohnt von Jugend auf, nur in Deinem
Denken letzte Entscheidung zu suchen, hast
Du die Kraft in Dir verkümmern lassen,
durch die Dir Gewißheit im
Innewerden
kommen soll!
.Aber alle Gewißheit, die Dir Dein Denken
jemals geben kann, ist nur wie ein Schatten‐
bild jenes
gewissen Wissens, das Dir im
Innersten wird, sobald Du es vermagst, Dich
über Dein Denken zu
erheben und selber
einzugehen in jenes Reich, davon Dein
Denken Dir
niemals Kunde bringen
kann.
.Du selbst mußt Deinem Denken von je‐
nem Reiche Kunde bringen, wenn es auch
hier sich bewähren soll! ‒ ‒
.Willst Du aber hinfinden zu der engen
Pforte, die zum wachen Erleben führt, dann
wirst Du alle breiten Straßen, die irdisches
Denken bahnte, bewußt verlassen müssen!
.Auch der
Veden Weisheit ist in vielen
Stücken nur törichtes Ersinnen, wenn es
gelten soll, jene wahrlich enge Pforte zu
finden!
.Es bewegt sich auf breiten Wegen die
Upa‐
nischad, und der
Avesta geht die gleichen
breiten Straßen betörten Denkens, wenn
auch in
alledem zuweilen die
Spuren sol‐
cher zu finden sind, die jenen schmalen Pfad
gefunden hatten, der zu der Pforte des Le‐
bens führt. ‒ ‒
.Auch was jener Sidharta lehrte, den sie
den
Buddha nannten, wird Dich
nicht
zum Ziele führen, mag es auch manche weis‐
heitsvolle Erkenntnis in sich bergen, die
wahrlich nicht des
Denkens Frucht zu nen‐
nen ist!
*
.Gar manche
versuchten, unerkannt, den
schmalen Pfad zu zeigen, aber nur
Einer
ist der Menschheit weithin bekannt gewor‐
den, der es nicht nur
versuchte, sondern
durch
Tat und
Leben ihn zu zeigen
wußte...
.Euch Christen ward er nachmals zum
„Gott” und Ihr nennt Euch nach ihm, aber
vergeblich suche ich solche unter Euch, die
seiner Wegspur folgen. ‒ ‒ ‒
.Törichte Narren glaubten zu manchen
Zeiten seine Weggefährten zu sein, sobald sie
nur suchten, ihn, nach seines Lebens vielver‐
wirrter Kunde, nachzuäffen und selbst in
heutigen Tagen noch lassen sich wahnbetörte
Schwärmerseelen finden, die sich im Äuße‐
ren mühen, seinem Bilde zu gleichen, und
bar jeder Scham, seine hohen Worte ihrem
selbstgefälligen Treiben dienstbar zu machen
trachten.
.Die hirnverbranntesten Gesellen haben
seinen Namen schon entweiht; aber auch un‐
ter denen, die ihm ehrlich folgen wollten,
gab es nicht wenige, die ihn unbewußt
lästerten, wo sie seinem Worte zu entspre‐
chen glaubten. ‒ ‒
.Wahrhaft ein Wunder bleibt es, daß er
trotz aller Greuel, die da in seinem Namen
schon die Menschheit schändeten, noch im‐
mer verehrungwürdig durch die Geschichte
dieses Erdenmenschen schreitet! ‒ ‒
‒ ‒
*
.Der äußerst Seltenen einer, die sich selbst
als das bekennen
müssen, was sie sind, hat
man sein Bekenntnis wahnerfüllt
miß‐
deutet und aus ihm den „Gott” gemacht;
aus seinen Worten aber eine Lehre, die
sich mit alter Götterlehre mengte, ohne die
tiefverankerte, geheime Weisheit mitzu‐
übernehmen, die in solcher Götterlehren
Kunde sich dem Wissenden zu offenbaren
wußte. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Von
frühester Zeit an hat man so ge‐
fehlt!
.Er aber ‒ der
Unseren einer ‒ und
dennoch uns allen, die wir seine Brüder im
Reiche des Geistes sind, so sehr an
Liebes‐
kraft überlegen, war wahrlich der
Einzige
aus uns, der
aller Menschheit einst den
schmalen Pfad zu zeigen wußte, der zu der
engen Pforte des wachen, ewigen Lebens
führt...
.Von
ihm dieses Weges Weisung sich er‐
teilen zu lassen, kann auch dem Weisesten
nichts von seiner Würde nehmen! ‒ ‒ ‒
.Aber
er wußte einst auch zu sagen, daß er
zu senden wisse, wer seiner Sendung Siegel
führe und daß
ihn aufnehme, wer
den auf‐
zunehmen wisse, den er senden wolle, aus
dem
Hause seines „
Vaters”, von dem er
sagte: daß es
Vieler Wohnung in sich
schließe.......
*
.Er
zeigte den Weg ‒ den schmalen
Pfad ‒ der zu der Pforte des Lebens führt,
und er lehrte diese Pforte
öffnen!
.Wer aber
nach ihm kommt, kann sein
Siegel nur erweisen, wenn er den
gleichen
Weg zu zeigen weiß!
.Es gibt hier letzten Endes nur den
einen Weg, und wohl Euch, wenn Ihr ihn
betretet! ‒ ‒
.Seht doch, wie der Zimmermann ihn
zeigte, der da wie wir, ein
Meister des
wahren Lebens war!
.Sein
Leben war auch seine
Lehre! Ver‐
geblich würdet Ihr Euch mühen, wolltet Ihr
unter dem Schutt der späteren Verfälschung
seiner alten Lebensberichte eine
Gedan‐
kenweisheit zu erspähen suchen, der
er sein Erkennen etwa hätte verdanken
können!
.Nicht aus
Ägypten und nicht aus
Indien
kam ihm seine Weisheit, und
zu jeder Zeit
kann wahrlich
gleiche Weisheit finden, wer
ihrer
würdig ist!
.Seines „
Vaters” Kraft und Weisheit war
es, die sich nach seinem eigenen Wort in
ihm offenbarte, aber dieses „Vaters” Weis‐
heit ist kein Werk des
Denkens, sondern des
wachen
Seins! ‒ ‒
*
.Auch ich, o Teurer, kann Dich nicht zu wa‐
chem Erkennen in
Innewerdung führen,
es sei denn, ich führe Dich den
gleichen
Pfad, den der hohe Meister von Nazareth be‐
schreiten lehrte, nachdem er selbst einst sich
zum „Wege” gewandelt wußte und gar wohl
sagen durfte, daß er „der Weg, die Wahr‐
heit und das Leben” sei. ‒ ‒ ‒
.So will ich denn heute diesen Weg Dir
zeigen und Dir lichte Lehre geben, wie Du
am ehesten den Höhenpfad verfolgen
kannst, der Dich zur Pforte des wachen
Selbsterlebens im Geiste führt.
.Öffne Dein Herz und höre mir zu!
.Du sollst hier tiefstes Mysterium in
Dir selbst zu erfahren fähig werden!
.Letztes Geheimnis soll sich Dir ent‐
schleiern!
.Zu Deinen höchsten Gipfeln will ich Dich
leiten und an meiner Hand sollst Du
gefahrlos alle Abgründe unter Dir sehen
lernen!
.Wenn Du mir folgen willst, wirst Du wahr‐
haftig zu Deiner höchsten Höhe finden, zu
jener höchsten Höhe, die Dir im Firnenlichte
des Geistes Deine ewige Abkunft zeigt,
hoch über den dunstigen Gefilden, in denen
sich Deiner Erdentage irre Bahn be‐
wegt! ‒ ‒ ‒
.So höre denn und folge mir, wenn Du
be‐
rufen bist mir zu folgen, und also mir zu
folgen
vermagst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
.Urzeitigen Falles Versklavter, warst Du in
düsterste Nacht versunken, aus der nur gött‐
liche Kraft Dich zu befreien wußte.
.Selbsteigenen Willens Gebundener an die
Macht der Herren dieses äußeren physischen
Kosmos, ein Höriger des „
Fürsten dieser
Welt”, wurdest Du Deiner
Gedanken
Beute, ‒ Du, der vordem
Herr allen Den‐
kens war! ‒
.Aus solcher Hörigkeit gilt es Dich
zu lösen! ‒ ‒
.Wäre
jener nicht über diese Erde ge‐
schritten, von dem ich vordem sprach: jener,
den wir den
Größten der Liebenden nen‐
nen, so würde nur
wenigen erreichbar das
Ziel, von dem ich Dir künde...
.Er aber vermochte es, die „Aura” dieser
Erde so zu wandeln, daß
alle, die da „
guten
Willens” sind, einzugehen ins Licht, auch
die
Kraft empfangen, die ihres Willens
Sehnsucht
Erfüllung werden läßt. ‒ ‒
.So können heute gar viele ihre „
Erlö‐
sung” finden, die
ohne seine Liebestat auf
Golgatha nur Opfer der Vernichtung hätten
werden müssen, ‒ zum mindesten jedoch
äonenlanger Qualen Beute, bevor Befreiung
und Errettung ihnen hätte werden kön‐
nen. ‒ ‒ ‒
.Du hast es durch ihn nun
leicht, Dich
selbst zu lösen, so Du Dich
er-
lösen
willst! ‒
*
.Laß fahren alle erdachte Weisheit und
scheine sie Dir auch „Götterwort”, um zu
jener Weisheit aus
Tat und
Leben hinzu‐
finden, die auch der Weisesten dieser Erde
hohe Lehren nicht ergründen, da sie in Tie‐
fen ankert,
die kein Denken je ermessen
kann! ‒ ‒ ‒
.Die
Einfalt des Kindes suche in Dir
zu erreichen, durch die Du vermagst, aus
Deiner
vielfältig gewundenen Enge Dich
zu lösen, in der Dich
gebunden hält, was
nicht Du selber bist! ‒ ‒
.Es ist wahrlich leichter, daß ein Kamel
‒ und sei es auch nur ein Seil aus dessen Haa‐
ren ‒ eingehe durch ein Nadelöhr, als ein
nach
irdisch gerichteter Geistigkeit „Rei‐
cher” in das Himmelreich!!
*
.Das heißt: daß alle
Verstandesweisheit
nur zur
Torheit wird, wo es gilt, den
Geist
des Lebens in sich selbst zu finden! ‒
.Hier gibt es kein „Training”, keine Schü‐
lerübung, die zum Erfolge führt, und nichts
kann sichere Gewähr verheißen, als nur die
Tat und waches, tatbereites
Leben! ‒
.In wacher
Tat nur kann der Strebende
hier vorwärts kommen, und so nur erschließt
sich ihm ein
Geheimnis, das er
vergeb‐
lich zu ergründen sucht, solange er noch in
Gedanken darum buhlt! ‒ ‒ ‒
.Hat er erkannt, um was es sich handelt,
dann wird er lächelnd seiner Torheit ge‐
denken, die vordem ihm erreichbar scheinen
ließ in menschlichem
Erdenken, was nun
erfaßbar nur sich zeigt durch die hohe
Gnade. ‒ ‒
.So faßten es die Alten, und anders wird
man auch in diesen Tagen nicht zu fassen
wissen, was stets
Mysterium bleibt, auch
wenn es Tausende dereinst zu erringen wis‐
sen.....
*
.Nicht dadurch, daß man seltsame
Kräfte
erstrebt, kommt man diesem
Mysterium
nahe; aber wer es erreichte, dem werden
ohne alles Zutun wahrlich
wundersame
Kräfte zu eigen, ‒
einem jeden andere,
‒ so wie sie ihm dienen können zu seiner
Vollendung. ‒ ‒ ‒
.Hier ist jede Willkür ausgeschlossen, und
so nur, wie der
Geist seine Gaben selber
geben
kann nach ewig innewohnendem Ge‐
setz, sind sie für den Menschen zu erlangen.
.Wem aber des Geistes
Gaben wichtiger
sind als das
Glück der Vereinung, das
solcher Gaben
Vorbedingnis ist, der wird
gewißlich weder das eine,
noch das andere
erreichen und nur
äonenlanger Täu‐
schung verfallen. ‒ ‒
.Das Glück der
Vereinung aber ist das
Endziel, und die
Gaben des Geistes, die
Dir dann werden können, sind der
Errei‐
chung dieses Endzieles gegebene Folge.
*
.Der
Anfang Deines Weges ist
hier auf
Erden,
inmitten des Alltags zu finden;
alle
Wegstationen liegen dann noch in
irdischem Bereich; ‒ erst wenn Du sie
alle nacheinander zu erreichen wußtest,
wirst Du Dich in Wahrheit von der Erde
lösen können und das
Reich des Gei‐
stes betreten, wo das
Endziel Deiner war‐
tet. ‒ ‒
.Ach, daß so viele zwar den glühendsten
Wunsch in sich tragen, das
Endziel zu er‐
reichen, aber sich nicht zur Einsicht erheben
können, daß dieses Endziel sich nur errei‐
chen läßt, wenn man den Anfang des Weges
mitten im Alltag sucht, und dann von hier
aus stets die nächste Wegstation als
erstes Zwischenziel ins Auge faßt, bis man
sie erreichte, um dann die wieder nächste
sich zum Ziele zu setzen! ‒
.Statt dessen glaubt man schon den An‐
fang des Weges nur finden zu können, in‐
dem man dem Alltag entflieht und eine
Welt sich aus der Phantasie erbildet, die
nur der Vorstellungskraft ihr Dasein
dankt! ‒ ‒
.Von da aus späht man nun nach dem End‐
ziel aus und glaubt es erreichbar ohne
Zwischenziele, so daß man zuletzt des eige‐
nen Wähnens Beute wird und sich das ver‐
meintliche Reich des Geistes ebenso aus dem
Nichts der Vorstellung erträumt, wie
man sich vorher schon die Illusion zu schaf‐
fen wußte, man sei der Erde Alltag weit ent‐
rückt und habe den Weg zum Geiste längst
betreten...
.Man weiß sich nicht in Zucht zu nehmen,
um in Beharrlichkeit den Weg des Le‐
bens zu durchschreiten: möchte vielmehr
am liebsten morgen schon am Ziele sein, und
schafft sich so
selbst die Täuschung, der
man dann erliegt in einer trügerischen
Wonne, die zu Ende ist, wenn dieser Erde
Leib die Kräfte nicht mehr nährt, aus de‐
nen man sich seine Scheinwelt zu gestalten
wußte. ‒ ‒
*
.Wahrlich, hier sind selbst jene noch weit‐
aus besser durch sich selbst beraten, die den
Trug solchen Wahns erkennend, ihm nur
Verachtung bezeigen, auch wenn sie nicht
ahnen, daß sie ferne allem Wähnen den
Weg
der Wahrheit, der ein
Weg des Lebens
ist, in sich zu finden vermöchten! ‒
.Sei Du aber weder
diesen noch
jenen
gleich und folge vielmehr meiner Lehre, in‐
dem Du den Weg des
Lebens, den Weg der
wachen
Tat von Anfang an beschreitest, um
ihn von Ziel zu Ziel bis zum
Endziel hin
zu durchwandern, ohne danach zu fragen,
wann Du das Endziel erreichen wirst!
.Sollst Du es nicht
hier schon, und
wäh‐
rend Deines Erdenlebens erreichen, so
wirst Du es doch mit Sicherheit gar bald Dein
eigen nennen, auch
wenn Du von hinnen
scheiden müßtest,
ohne es noch erreicht zu
haben, denn man wird Dir dann eine
Hilfe
bieten können, die für
keinen erfaßbar ist,
der nicht schon hier in seinem Erdenleben
den
Weg des Lebens und der Tat be‐
schritten hat! ‒ ‒ ‒
*
.Hier,
mitten in Deinem Alltag,
mit‐
ten im Leben Deines Berufs und Dei‐
ner irdischen Pflichten sollst Du den
Anfang finden! ‒ ‒ ‒
.Es ist dieser „Anfang” nichts anderes als
das Erkennen, daß man auch sein
alltäg‐
liches Leben vom Standpunkt eines
ewi‐
gen Lebens her betrachten und auswirken
kann. ‒ ‒ ‒
.Die erste
Aufgabe ist nun: sein Alltags‐
leben als einen
Teil seines
ewigen Lebens
betrachten zu lernen und in
eiserner Be‐
harrlichkeit alle Verpflichtung des All‐
tagslebens so zu erfüllen, daß man
gewiß
zu sein glauben darf, in aller Ewigkeit nichts
zu bereuen zu haben, was man in diesem All‐
tagsleben tun oder unterlassen mag.
.Das
erste Wegziel, das es zu erreichen
gilt, besteht darin, daß man jene
Ruhe des
sicheren Gewissens erreiche, die solcher
beharrlichen
Erfüllung der Alltagspflich‐
ten früher oder später, aber
mit aller Ge‐
wißheit folgen muß.
*
.Ist dieses
erste Wegziel erreicht, dann
zeigt sich von selbst das
zweite, das darin
besteht, daß man
über den Alltagspflichten
noch
andere erkennt, die zwar im Alltag
nicht als „Pflichten” gelten, aber dann als
solche
empfunden werden. ‒
.Nun gilt es,
diese Pflichten
ebenso zu
erfüllen,
ohne etwa die Alltagspflichten
hintenan zu stellen! ‒ ‒
.Was diese Pflichten
gebieten, wirst Du
augenblicklich wissen, sowie Du wirklich das
erste Wegziel zu erreichen wußtest!
.Für jeden einzelnen zeigen sich diese wei‐
teren Pflichten in
anderer Gestalt, und es
wäre daher
unmöglich, Dir sie näher be‐
zeichnen zu wollen. ‒
.Du wirst aber
niemals, wenn Du das erste
Wegziel
erreichtest, etwa in
Zweifel ge‐
raten können,
worin diese neuen Pflichten
für Dich bestehen, und was sie von Dir for‐
dern!
*
.Hast Du auch
diese Pflichten getreulich
und mit Beharrlichkeit, so wie die Alltags‐
pflichten, längere Zeit hindurch
erfüllt, so
wird sich von selbst das
dritte Wegziel Dir
als erreicht erweisen, indem Du die gleiche
Ruhe des sicheren Gewissens, die nach
vollendeter Erfüllung der
Alltagspflich‐
ten Dir geworden war, nun auch in Hinsicht
auf diese
höheren Pflichten empfinden
wirst. ‒ ‒ ‒
*
.Alsdann aber wird sich Dir auch sogleich
ein neues Wegziel zeigen, und Du wirst se‐
hen, daß es nichts anderes von Dir verlangt,
als daß Du nun auch für
andere wirksam
zu machen suchst, was
Dich selbst so weit
förderte.
.Es ist hier nicht von Dir verlangt, daß Du
in törichtem Bekehrungseifer, jeden, der
Deinen Weg kreuzen mag, zu dem überreden
sollst, was Dich zu Deiner Selbstgewißheit
führte; allein man will, daß auch Du Dich
in den Dienst des gleichen Wirkens stellst,
das Dir schon erste Befreiung brachte, und
daß Du durch Dein
Beispiel in gleichem
Sinne zu wirken trachtest. ‒
.Auch dieses
vierte Wegziel bestätigt seine
Erreichung durch die bewußte
Ruhe des
Gewissens, die Dir anzeigt, daß Du es
‒ nicht durch Reden und Dispute ‒ son‐
dern durch
Leben,
Tat und
Handeln zu
erreichen vermochtest!
*
.Und allsogleich wirst Du das
fünfte Weg‐
ziel vor Dir sehen, das von Dir verlangt, Dich
als
Schaffenden zu bewähren!
.Du wirst auf irgendeine Weise nun
pro‐
duktiv in das Leben Deiner Umwelt einzu‐
greifen haben,
nicht etwa indem Du ver‐
suchst, hier
Mißstände auszutilgen, son‐
dern dadurch, daß Du
Förderliches im
Sinne der Dir bereits gewordenen Erkennt‐
nis, in Deiner Umwelt zu
schaffen trach‐
test. ‒ ‒ ‒
.Stellt sich auch hiernach dann die schon
mehrfach mit Sicherheit empfundene, si‐
chere
Ruhe des Gewissens ein, so wird
sie jetzt verbunden einer neuen
Erkennt‐
nis in Dir sich bezeugen, und dies ist die
sechste Wegstation, die sechste Stufe Dei‐
nes Weges, der Dich dann in der
siebenten
zur
Vereinigung mit Deinem geistigen Ur‐
grund führen soll! ‒ ‒ ‒
*
.Die neue Erkenntnis aber wird Dir sagen,
daß nun der Zeitpunkt gekommen ist, zu
versuchen und
immer erneut zu ver‐
suchen: ob Du Dich mit Deinem ganzen Sin‐
nen und Trachten,
ohne die Erde zu ver‐
lassen, dennoch geistig soweit
aus ihrem
Getriebe zu lösen vermagst, wie es nötig
ist, um das
Reich des Geistes in Dir die
Vereinigung vollziehen zu lassen, durch
die Dein erdenhaftes Bewußtsein fähig wird,
Deines
lebendigen Gottes heiliges
Wort
in Dir selbst zu vernehmen, ohne jemals noch
der Täuschung zu verfallen.
*
.Nicht früher sollst Du es versuchen,
Dich aus dem gewordenen Getriebe zu lösen,
als bis Du
völlig sicher bist,
alle früheren
Wegstationen wachend durchwandert zu ha‐
ben!
.Würdest Du es
früher versuchen, so
müßtest Du notgedrungen zur Beute
täu‐
schender Gewalten werden, um erst
nach Deiner Erdenlebenszeit voll Ent‐
setzen zu erkennen, wie sehr man Dich be‐
trog!
.Du würdest dann einem gleichen, der im
Traume zu
fliegen glaubt und sich seines
Könnens freut, während er beim Erwachen
sehen muß, daß er nach wie vor der Schwer‐
kraft, die ihn an die Erde fesselt, nicht Herr
zu werden vermag. ‒
*
.So einfach es Dir auch erscheinen mag,
jene früheren Wegstationen zu durchwan‐
dern, und so sehr Dich die Versuchung lok‐
ken will, zu glauben: Du
hättest sie längst
durchwandert, so sehr muß ich Dich warnen,
Dich hier einer
Selbsttäuschung hinzu‐
geben!
.Du stellst nicht nur den Erfolg Deines gan‐
zen Strebens in Frage, sondern begibst Dich
freventlich in Gefahr, den Weg, der Dich
zum Lichte führen sollte, für Äonen zu ver‐
lieren, wenn Du zu früh versuchst, die Lö‐
sung aus dem erdenhaften Getriebe zu er‐
reichen.
.Hast Du aber wahrhaft und ehrlich Dei‐
nen vorbezeichneten Weg durchschritten und
bist Dir bewußt, daß Du
keines seiner Zwi‐
schenziele
versäumtest, dann wird Deine
Loslösung damit beginnen müssen, daß Du
versuchst, den nackten
Menschen in Dir zu
finden!
.Das scheint Dir nicht allzu schwer zu sein
und ist dennoch weit schwerer als Du er‐
ahnen kannst! ‒ ‒
*
.Bis hierher
durftest Du Dich ja noch
als Sohn einer bestimmten
Familie, eines
bestimmten
Volkes, als Angehöriger eines
bestimmten
Kreises empfinden, ‒ und
das mit gutem Recht.
.Bis hierher
durftest Du Dich ja noch
nicht aus solcher
Bindung gelöst empfin‐
den, wolltest Du Hoffnung hegen, jemals
Dein Ziel zu erreichen.
.Nun aber mußt Du
alle solche Bindung
allmählich vom Gesichtspunkte der
Ewig‐
keit aus werten lernen, denn
der ewige Geist
gibt sich keinem „
Meder” und keinem
„
Perser”, keinem „
Griechen” oder „
Rö‐
mer”, ‒ keinem Sproß aus diesem oder je‐
nem ehrenwerten Hause, und keinem Gliede
dieser oder jener Kaste, sondern nur: ‒ dem
nackten
MENSCHEN! ‒ ‒ ‒
.Diesen „nackten”, kosmisch gegebenen
Menschen mußt Du also nun in Dir
allein
noch fühlen und alles was ihn irdischer‐
weise besonders bestimmen mochte, muß Dir
dann wesenlos und vergänglich erscheinen!
.Doch würdest Du wahrlich meine Worte
gar irriger Deutung unterwerfen, wolltest Du
etwa glauben, nun müßte Dir auch in Dei‐
nem
Alltagsleben dieses als „wesenlos”
und „vergänglich” Erkannte,
wertlos er‐
scheinen!
*
.In Dein
Alltagsleben fügt es sich
wohl‐
begründet ein und
muß daselbst
erhal‐
ten bleiben, wenn Du die kosmische Ord‐
nung nicht stören willst; aber ebenso würdest
Du diese Ordnung in verbrecherischer Weise
stören, wolltest Du innerhalb Deines
All‐
tagslebens diesen bestimmenden und
durch ihre Bestimmtheit trennenden Mo‐
menten
größeren Wert verleihen, als ihnen
durch ihre Naturgegebenheit allein schon zu‐
steht! ‒ ‒
.Wenn Du im Alltag
liebend solche Be‐
dingtheit umfaßt, ‒ mag sie
Familien‐
kreis oder
Kaste,
Volkstum oder
Na‐
tion sich nennen, so wirst Du immer
rich‐
tig handeln und auch die Bedingtheiten
anderer zu
lieben wissen; allein, sobald
Du besonders
hervorzuheben suchst, was
Dich in solcher Weise als Glied des Mensch‐
heitsganzen bestimmt, wirst Du zum
Störer
kosmischer Ordnung, gleichwie ein Mu‐
siker in einem großen Orchester das Tonwerk
stören würde, wollte er
sein Instrument ver‐
stärkt ertönen lassen und lauter als es die
Rolle verlangt, die ihm des Tonwerks Mei‐
ster zugeschrieben hat! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
.Auch angelangt an dieser
letzten irdi‐
schen Wegstation, von der aus Du das Reich
des Geistes bald betreten sollst, darfst Du
nicht etwa wähnen, nun auch nur
eine der
vorher erkannten Pflichten
versäumen zu
dürfen!
.Im
Alltag mußt Du daher stets allem
seine
Rechte lassen, was des
Alltags ist,
und trotzdem mußt Du in Dir selbst jenes
höhere Empfinden tragen, das Dich als
„wesenlos” und „vergänglich” sehen läßt,
was
gleichwohl im Alltag seinen
Alltags‐
wert erweist! ‒ ‒ ‒
*
.Ist so nun im höchsten Bereiche Deines
Empfindungslebens nichts mehr zu finden als
der nackte, kosmisch gegebene MENSCH,
der sich der GOTTHEIT einen will, dann
wirst Du Dich erst selbst wahrhaft
lieben
lernen müssen, wirst immer mehr und mehr
Dich selbst nur noch als LIEBE zu emp‐
finden suchen dürfen, bis
nichts mehr in
Dir ist, das etwas anderes als LIEBES‐
FEUER wäre. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Also in
Liebe verzehrt, wirst du in dieser
glutgeläuterten Region zum Gefäße GÖTT‐
LICHER Liebe werden, und in Deinem inner‐
sten „Ich” wird sich Dein „LEBENDIGER
GOTT” Dir einen...
*
.Hier erst hast Du dann Deines Höhen‐
weges
Endziel erreicht, aber Du würdest
gar bald das Erlangte wieder
verlieren,
wolltest Du Dich nun, soweit Du als Sohn der
Erde auch Deinem
Alltag gehörst,
Dei‐
nen Alltagspflichten enthoben wäh‐
nen! ‒ ‒ ‒
.Der Weg ist nun
in Dir, auf dem Du fort‐
an zu jeder Zeit, und zwar noch im Augen‐
blick Deines Wunsches, Dich zu Deiner höch‐
sten Höhe im Reiche des Geistes, zu
Deiner
Einheit mit Deinem lebendigen
Gotte erheben kannst; und von dieser höch‐
sten Höhe aus wird auch Dein Alltag
Licht
empfangen, ‒ ein Licht, das
nicht von die‐
ser Erde ist, und irdischem Gesetz
nicht
unterworfen! ‒ ‒ ‒
.Dann wirst Du vielleicht erfassen können,
was jener
große Liebende einst lehrte, als
er davon sprach, daß das Reich der Himmel
„nahe” sei, und daß man nicht sagen könne,
es sei da oder dort, oder glauben dürfe, es
komme mit großer Gebärde, denn:
.„
Das Reich Gottes ist in Euch!” '
*
.In hoher Begeisterung waren diese aufge‐
zeichneten Worte verlesen worden und die
beiden älteren Männer, die ihres jüngeren
Freundes Stimme lauschten, waren tief er‐
griffen von dem, was sie hier gehört.
.Nach einer Weile des Schweigens erhob
sich nun der Älteste der drei und sprach:
.„Wahrhaftig, es ist die erhabene Lehre,
die wir hier empfingen und das Geheimnis
wahren Lebens hat sich uns nun enthüllt!
.Wie viele Rätsel finden in dieser Lehre
ihre Lösung!
.Wie anders sieht man das Dasein des Men‐
schen auf dieser Erde an, wenn man solches
hören durfte!
.Nun ist mir jede Frage erstorben und ich
sehe den Weg mit aller Deutlichkeit vor mir,
den ich zu durchschreiten habe! ‒”
*
.Und auch der andere der drei Freunde, der
sich, während der Alte also sprach, gemein‐
sam mit dem Jüngsten erhoben hatte, ließ
sich nun in gleicher Weise vernehmen, und
seine Worte klangen in das Bekenntnis aus:
.„Uns ist Großes widerfahren auf dieser
Reise und als andere kehren wir heim, wenn
morgen die Zeit des Abschieds von dieser
Insel naht!
.Nun wird auch unser Alltag, den wir nur
allzuoft als grau und leer empfanden, Farbe
und Inhalt gewinnen, und wenn man in
alten Zeiten hier die Sonne als Symbol der
Gottheit ehrte, so darf ich sagen, daß auch
ich jetzt solchem Sonnendienst ergeben bin;
nur trage ich diese Sonne in mir selbst
und ich glaube ihre Strahlen schon zu füh‐
len! ‒ ‒ ‒
.Wohl hatte ich mir manches Schöne von
unserer Reise erhofft, aber niemals hätte ich
erwartet, daß ich so mit lebenslang gesuch‐
ter Erkenntnis bereichert, zurückkehren
würde. ‒ ‒
.Es müssen wahrhaftig
höhere Mächte
über uns die Hände halten! ‒ ‒
.Und wenn wir beiden Älteren es auch be‐
dauern möchten, daß die Erkenntnis, die
sich uns nun zeigt, erst in so späten Jahren
zu uns kam, so müssen wir doch gestehen,
daß sie früher noch
verfrüht gewesen wäre
und sich offenbar die
rechte Zeit zu wäh‐
len wußte. ‒ ‒”
*
.Die beiden Schiffer hatten schon längst
die Barke wieder zum Meere heruntergeholt,
das jetzt spiegelglatt und wie flüssiges Licht,
bereit war, die Sonnenscheibe in sich aufzu‐
nehmen.
.Meer und Himmel schienen geeint in gol‐
dener Glut!
.Die Freunde bemerkten endlich, daß ihre
Ruderer wohl schon lange auf sie gewartet
haben mochten, und so stiegen sie denn hin‐
ab zum Strande, während der jüngste der
beiden Brüder, als er den Aufbruch gewahrte,
eiligst entgegenkam, um Körbe und Gefäße
zurück ins Boot zu holen.
.Nach wenigen Minuten schon war die
Barke wieder weitab von der Stätte, an der
man so lange gerastet hatte, aber nun war es
nicht mehr nötig, auf das offene Meer hin‐
auszusteuern und man konnte gefahrlos zwi‐
schen den Uferklippen hindurch die hohen
Felsenwände der Insel in nächster Nähe um‐
fahren.
.Wundersam farbenprächtig glühte das Ge‐
stein in der Strahlenfülle der leuchtend im
Meere versinkenden Sonne.
*
.An dieser Seite der Insel gab es nun nur
wenige grüne Schluchten und breitere, öl‐
baumbewachsene Einbuchtungen.
.Fast ununterbrochen türmten sich hohe
Felsenmauern auf, gar oft vom Meere unter‐
höhlt, so daß man in weite, geheimnisrau‐
nende Grotten blickte.
.Da die drei Reisenden für alles, was man
so aus nächster Nähe gewahren konnte, gro‐
ßes Interesse zeigten, machte es ihren beiden
Ruderern Freude, vom nächsten Rückweg
abzuweichen und jede der kleinen Meeres‐
buchten anzufahren, wobei man nun auch
dann und wann an besonders schönen Stellen
des längeren verweilte.
.So war es gekommen, daß allmählich die
Nacht hereingebrochen war, ‒ eine Nacht
mit immer sich mehrender Sternenpracht,
‒ während man vom festen Lande herüber
nur noch die flimmernde Lichterzeile der
nicht allzu fernen, großen Hafenstadt ge‐
wahrte.
.Die Insel selbst wirkte jetzt, als sei sie un‐
bewohnt, denn noch war man eine reichliche
Strecke von der Stelle entfernt, von der aus
man zuerst die Lichter ihrer Hügelstadt hätte
sehen können.
*
.In tiefem, schwarzem Felswandschatten
glitt die Barke, nun durch schärferen Ruder‐
schlag beschleunigt, dahin.
.Unzähliges Leuchtgetier des Meeres ließ
die Ruder, sobald sie das Wasser berührten,
blitzendes, bläulich phosphoreszierendes
Licht aus der Tiefe holen.
.Wie ein Raketenschweif leuchtete lange
noch die Kielspur des Bootes nach.
.Da hier die Fische nur des Nachts bei
Fackelschein gefangen werden, so begegnete
man auch zuweilen einem Fischerkahn, der
jetzt noch gespenstig in Dunkel gehüllt, hin‐
aus zu seinem Fangort fuhr.
.Fröhliche Begrüßungsworte wurden ge‐
wechselt und alsbald entschwand man sich
wieder in der Finsternis.
.Zuweilen, und besonders, wenn sie wuß‐
ten, daß ein gutes Echo ihrer Kunst sich
günstig zeigen mochte, ließen die beiden
Brüder auch die Lieder ihrer Heimat mit
aller Lungenkraft erschallen, aber da ihre
Stimmen nicht allzu viel von dem melodi‐
schen Wohllaut der großen Sänger ihres
Landes besaßen, so hörten die drei Reisen‐
den, des Textes kundig, zwar gerne zu, wuß‐
ten es aber dann nur um so mehr zu schätzen,
wenn wieder die tiefe Abendstille sie um‐
fing, durch das Geräusch der rhythmischen
Ruderschläge nur noch eindrucksvoller dem
Empfinden dargeboten.
*
.Endlich sah man nun auch, als man den
letzten hohen Felsvorsprung umfahren hatte,
die ersten Lichter von der Insel her, und nun
währte es nicht mehr lange, bis man den klei‐
nen Inselhafen erreichte, wo schon der be‐
stellte Vetturino mit seiner Kalesche seit
Stunden auf die Rückkehr der Barke gewar‐
tet hatte, um dann die Fremden in lang‐
samer Fahrt die vielgewundene Straße hin‐
aufzubringen zu der kleinen Stadt, wo ihre
liebgewonnene Gaststätte ihnen diese Nacht
zum letzten Male Obdach bieten sollte.
.Nachdem die Freunde hier noch ihren
Abendimbiß eingenommen hatten, ergingen
sie sich wohl noch eine kleine Weile unter
den Zedern und Palmen des nächtlich dunk‐
len Gartens und erfreuten sich an dem Licht‐
gefunkel auf dem Meere, das von den Fak‐
keln der zahllosen Fischerboote herrührte,
in denen man jetzt dem Fang oblag.
*
.Da man des anderen Tages abreisen wollte,
fand man es aber doch alsbald geraten, die
Nachtruhe aufzusuchen, nachdem man vor‐
her noch übereingekommen war, wenn ir‐
gend möglich, von der nahen Hafenstadt des
Festlandes aus, zur Heimfahrt den
Seeweg
auszunützen, soweit er sich nur benützen
ließ.
.Bei solcher Reiseart war schönste Gelegen‐
heit noch zu erwarten, alles was man in
diesen Wochen nun besprochen hatte, in
Sammlung seelisch erneut zu betrachten, um
ganz erfassen zu lernen, wie anders sich das
Erdendasein nun zeigte, nachdem jetzt
enthüllt sein segenbringendes Geheimnis
war. ‒ ‒ ‒
* *
*
DER Leser, der meine anderen Bücher
kennt, wird wohl längst schon heraus‐
gefunden haben, daß es sich mir wahrlich
hier nicht um eine „Erzählung” handelte.
.So brauche ich ihm wohl kaum zu sagen,
daß die erzählende Form dieses Buches nur
gewählt werden mußte, um auch denen die
Lehre, die mein sonstiges Wirken kündet,
näherzubringen, die allzu leicht den Mut ver‐
lieren und ermattet innehalten, wenn sie nur
abstrakte Lehre in einem Buche finden
und überdies fast ausschließlich nur von Din‐
gen hören, die ihrem Alltag doch allzu ferne
liegen mögen.
.Daß jedes Wort dieses Buches sich immer‐
hin an tatsächliches Erlebnis hält, sei
aber dennoch ausdrücklich betont!
.Die drei Männer des Buches wurden dem
Autor nur zu Trägern solchen Erlebens und
gaben ihm Anlaß hier ein Bild zu schaffen,
dem sich manche Farben einfügen ließen,
die nicht wohl verwendbar gewesen wären,
hätte er nur versuchen wollen, das reale
Urbild dergleichen Erlebens nachzuzeich‐
nen.
.Gleichwohl aber ist auch dies an vielen
Stellen geschehen, wenn auch der
örtliche
Hintergrund, wie der
Umriß der spre‐
chenden Personen Veränderung erfuhr, da
nur solcher Verzicht auf „realistische Zeich‐
nung” es dem Autor erlaubte, dem Erlebten
immerhin Ausdruck zu vermitteln.
.Es schien ihm auch nicht erforderlich, die
drei Sprechenden dieses Buches mehr als an‐
deutend zu charakterisieren, denn es sollte
ja nicht
Menschenschilderung gegeben
werden, sondern ein
Bild der
Lehre. ‒
*
.Wer diese
Lehre in sich aufzunehmen
fähig und
willens ist, der wird sie unschwer
aus der Umrankung zu lösen wissen, und
manchem mag sie in hier gewählter Verflech‐
tung erst völlig
lebendig werden. ‒ ‒ ‒
.Tausende fanden sie bereits in mannig‐
facher Weise
bestätigt, aber noch sind
Abertausende in allen Ländern der Erde
zu finden, die nach der „
Wahrheit”, nach
Lösung letzter Rätsel dürsten, und von einem
Irrweg auf den anderen geraten, um zuletzt
resignierend einzusehen, daß
keiner sie zur
Quelle der Erkenntnis zu führen ver‐
mochte. ‒ ‒
.All diesen Suchenden möge aus diesem
Buche die
Sicherheit des Vertrauens
werden, daß sie dennoch ihr Ziel erreichen
können, wenn sie den einzigen auf dieser
Erde folgen wollen, die
allein hier zu lehren
berechtigt sind; ‒ die nicht eigenen
Wäh‐
nens,
Erschließens und
Meinens
Kunde geben, sondern lehren, wie der
„
Vater”, den
sie allein nur kennen, sie zu
lehren heißt! ‒ ‒ ‒
*
.Eine jede Zeit verlangt andere
Form der
Lehre, und ewige Weisheit weiß gar wohl zu
entscheiden, wie jene, die ihr Werkzeug wur‐
den, zu wirken haben. ‒
.So handelt auch der Autor dieses Buches
keineswegs nach eigenem Ermessen, wenn er
das geschriebene Wort in den Dienst der
Lehre stellt!
.Wohin nimmer das Wort der
gespro‐
chenen Rede dringen kann, dort ist in die‐
sen unseren Tagen das
gedruckte Buch
noch erreichbar und es bietet stets von
neuem den Suchenden die
Lehre dar, die
eine gar sehr der Eile und Hast versklavte
Zeit alsbald im Winde verwehen lassen
würde, wäre sie nur durch des
Mundes
Stimme zu Zeiten vernehmbar. ‒
.Auch soll es vermieden werden, daß sich
„
Gemeinden” dieser Lehre bilden und daß
man zum
voraus hinzunehmenden
Dogma
macht, was erst
Erfahrung des Herzens
als wahr und wirklich erweisen kann. ‒ ‒ ‒
*
.Wohl ist es keineswegs verwerflich, wenn
da und dort ein Kreis von Suchenden es sich
zur Aufgabe stellt, der Lehre nachzuleben;
allein, wenn auch so manche Wahrheits‐
sucher ihrer Artung nach nur in
gemein‐
schaftlichem Streben Förderung zu finden
glauben, so darf doch keiner ‒ sofern er
nicht die Lehre
fälschen will ‒ sie etwa
nur an solches gemeinschaftliches Streben
gebunden erachten! ‒ ‒
.Auch in solcher
Gemeinsamkeit des
Suchens kann sie immer nur dem
einzel‐
nen ihre leuchtende
Tiefe enthüllen, und
es ist letzten Endes nur
irdisch persön‐
liche Neigung, die den einzelnen bestim‐
men mag, ob er sich andere als Weggefährten
wünscht, oder Genüge darin findet,
für sich
allein zu gehen. ‒ ‒ ‒
.Auf jenem
Höhenpfade, zu dem die
Lehre leitet, ist ohnehin ein jeder, der ihr
folgen will,
allein auf sich gestellt, mag er
um andere wissen, die den gleichen Pfad be‐
treten haben, oder nicht!
*
.Es mag auch jeder
jener Kulturge‐
meinschaft treu ergeben bleiben, die ihm
von früher Jugend an das Leitseil bot, an
dem er seinen Weg zum Geiste zu finden
hoffte, und wird er ihn dann durch ein
Le‐
ben nach der hier vermittelten Lehre wirk‐
lich finden, dann wird er seines Jugend‐
glaubens Dogma erst so zu
vertiefen wis‐
sen, daß er auch
anderen zu helfen weiß,
die an der Wahrheit ihrer Jugendglaubens‐
lehren längst verzweifelten, weil selbst die
Lehrer solchen Glaubens ihre Zweifel in
sich trugen und darum
nicht zu helfen wuß‐
ten, da
sie selbst der Hilfe nur allzusehr
bedurften. ‒ ‒ ‒ ‒
*
.So möge auch dieses Buch nun
Befreiung
und
Klarheit bringen, und allen den Weg
zum Lichte zeigen, die ihn finden
wol‐
len! ‒
.Möge allen, die
ehrlichen Willens sind,
durch dieses Buch der
erste Anstoß wer‐
den, auf jene
Geisteshöhe zu gelangen, von
der aus gesehen, ihres Daseins
Ziel und
End‐
zweck ihnen nicht mehr „
Geheimnis”
bleibt! ‒ ‒
ENDE
GEIST UND FORM
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag
Greiner & Pfeiffer, Stuttgart, 1924
©
Copyright 1958 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck Pfäffikon ZH
Dem neuen Menschen!
.Du willst in den Geist gelangen und hast den
Weg zum Geiste nach langem Irren gefunden!
.Und nun fragst du:
.«Was soll mir fürder alle Form, da ich den
Weg zum Inhalt weiß? ‒ »
.Belanglos und allen Wertes bar erscheint dir
die Form; ‒ du glaubst nicht nur, dass formlos
dir das Innerste sich offenbare: ‒ du siehst
bereits in aller Form nur Hinderung!
.Verächtlich erscheint es dir, der Form
noch zu achten; ‒ verächtlich erscheinen dir
alle, die nach Form-Vollendung streben!
.Du selbst glaubst aller Form nun entraten
zu können!
.Du willst dich, auch formlos, dennoch ge‐
wertet sehen als einen der nach höchsten
Werten strebt!
.Als arge Toren erscheinen dir alle, die daran
Anstoss nehmen, dass du die Form
miss‐
achtest!
.Du fühlst dich
hoch erhaben über dieser
Anderen Torheit, und lächelnd fragst du: «
Was
soll mir auf dem Wege zum Geiste noch
solche äusserliche Bindung? ‒
Was soll
mir die Form!? ‒ ‒»
*
.Siehe mein Freund: ‒ ich zweifle nicht daran,
dass du den Weg zum Geiste gefunden hast!
.Ich zweifle aber, dass dir gute
Führung wer‐
den wird, die du doch nötig brauchst, wenn du
dabei verharren willst, der
Form zu
spotten!..
.Du glaubst, man müsse deine
Lauterkeit
erkennen, müsse deines Strebens
Inbrunst
achten, und deines Willens
reines Wollen
müsse für dich zeugen...
.Du bist auch gewiss durch solchen Glauben
keineswegs irrig beraten und dennoch wirst du
erkennen lernen müssen, dass du die
Form
nicht missachten darfst, ja, dass all dein
Tun erst letzte
Wertung erhält durch die ihm
gemässe
Form!
.So wie man köstlichen Wein nicht darbieten
wird in geringen irdenen Gefässen, da es den
Wert des Weines missachten heissen würde,
wollte man also ihn kredenzen, so erheischt
schon die Ehrfurcht vor dem Geiste, dass dir
nur vollendetste Form Genüge leiste, sobald
du selbst zum «Tempel des Geistes» werden
willst! ‒ ‒
.All deine Selbstbekundung in der äusseren
Welt wird stetig solcher Ehrfurcht Zeugnis wer‐
den müssen!
.Sobald du den Weg zum Geiste einmal
betreten hast, steht es dir nicht mehr frei,
dich zu gehaben nach deiner Bequemlichkeit
und augenblicklichen Laune! ‒ ‒
.Du hast Verpflichtung, dich selbst nun
umzuschaffen und Ausdruck zu werden dem
Geiste!
.Dich selbst sollst du zu höchster Form
vollenden, und alles was immer durch dein Tun
für andere erfassbar werden mag, soll deine
Formvollendung sichtbarlich bekunden!...
.Nicht durch Verachtung der Form wirst du
Erhabenheit beweisen! ‒
.Ein Tor nur kann sich «erhaben» glauben
über alle Form! ‒ ‒
Der wirklich
Erhabene wird stets die Form
beherrschen! ‒
.Es äussert sich solche
Beherrschung schon
in
alltäglichstem Tun...
.Der
Zyniker, der sich in Lumpen hüllt um
seine
Bedürfnislosigkeit zu zeigen, ist wahr‐
lich ein kläglicher
Geck, solange seiner Arme
Kraft ihm noch ermöglicht, sich durch irgend‐
eine
Arbeit soviel zu erwerben, um sich ein
achtbares Gewand zu kaufen!
.Wer sich hingegen selbst zum
Tempel des
Geistes wandeln will, der wird alle Mühe auf
sich nehmen, damit er auch in seiner
äusseren
Erscheinung schon die
Achtung vor sich
selbst beweise...
.Erlaubt es sein Besitz, so wird man ihn
zu jeder Zeit in der
gewähltesten und
besten
Kleidung seines Landes sehen, und ist er
arm,
so wird er dennoch alles aufzubieten suchen,
damit auch seiner Armut
dürftiges Gewand
noch allerorten
Achtung finde...
.Gewiss läuft mancher durch die Welt, der
alles, was sein Erdendasein ihn erträumen lässt,
nur in den Nähten seiner modisch-schnittgerech‐
ten
Kleidung offenbart; ‒ allein die würdige
Gewandung innerlicher Vornehmheit wird sich
noch immer
unterscheiden lassen von blossen
Draperien, die ein eitles Nichts umhüllen. ‒
.So aber, wie die Art, den Körper zu
beklei‐
den schon die
Achtung eines Menschen vor
sich selbst und vor dem
Geistigen, dem er
zum
Tempel werden will, beweist, so wird man
auch in allem seinem
Tun erkennen können, ob
er zu
ehren weiss, was in ihm lebt. ‒ ‒
.Dass «
gute Lebensart» auch vielen Men‐
schen wichtig wurde, die durch sie
verbergen
lernten, was sie wirklich
sind, beweist nur, dass
man
ursprünglich ihr nur begegnen konnte
bei solchen, die auch wirklich
waren, was sie
schienen! ‒
.Schöpfung der
Menschen inneren Wertes,
wird sie auch nicht entwertet, wo sie nur
Maske bleibt, wie
Gold nicht seinen Wert ver‐
lieren kann, auch wenn es die feile Dirne als
Schmuckstück trägt...
.Zahlreich sind die selbstgewissen
Verächter
solcher «guten Lebensart», die nicht bemerken,
dass in ihr
Form geworden ist, was sie selbst
erst mit grosser Gebärde als
ethische Forde‐
rung erstreben! ‒ ‒ ‒
.Sie sehen nicht, dass selbst noch dort wo
solche Lebensform zur «
leeren» Form gewor‐
den ist, weil ihr die
geistige Durchdringung
fehlt, weit
Besseres durch sie bewirkt wird,
als ihre eigene
Störrigkeit, die alle schöne
Form als «
Lebenslüge» wertet, je bewirken
kann. ‒ ‒ ‒
.Wahrlich,
gar oft sind «
die Kinder dieser
Welt» nicht nur «
klüger», sondern auch
bes‐
ser, als jene, die sich allein bevorrechtet glau‐
ben «
Kinder des Lichtes» zu werden!!
.Siehe, ich rate dir:
missachte nicht die
Form, ‒ sei es in
grossen, sei es in
kleinen
Dingen!
.Du sollst gewiss nicht nach Aneignung
«
leerer» Formen streben, aber
dein ganzes
Leben sollst du
formen lernen und nichts soll
dir zu geringfügig sein um all dein Streben dar‐
auf zu richten, es in seiner schönsten und voll‐
kommensten
Form zu offenbaren! ‒ ‒ ‒
* *
*
.Der du auf dem Wege zum
Geiste bist,
wisse, dass dir nichts
Ungeformtes sich jemals
offenbaren kann!
.Auch der
Geist bedarf der
Form, soll er dir
innewerden! ‒ ‒
.Wie nichts in dieser
Aussenwelt der
For‐
mung entbehrt, so wird auch in der
inneren
Welt nichts wahrgenommen, es sei denn
Form
geworden...
.Du sprichst von «
leerer» Form!
.Bedenke aber, dass auch die
leere Form noch
Offenbarung eines
Willens ist, der sich in
ihr einst
Ausdruck schuf, so wie das leere
Haus der Schnecke dir noch von dem Tiere sagt,
das in ihm lebte! ‒ ‒
.Was
Form geworden ist in dieser
Aussen‐
welt, ist Ausdruck eines
Inneren der Aussen‐
welt, das anders dir sich niemals offenbaren
könnte...
.So aber ist auch jede Form der inneren
Welt stets wieder Ausdruck eines Allerinner‐
sten, das niemals dir vorhanden wäre, würdest
du es nicht als Form in dir erkennen...
.Suche hier in der Aussenwelt in jeglicher
Form das ihr Innere zu erfassen, dessen Aus‐
druck sie ist!
.So wirst du am besten dich vorbereiten, einst
auch in der Welt des Geistes, in jeglicher
Form die dir allda begegnen mag, das Aller‐
innerste, dem sie Ausdruck ist, aus ihr
leuchten zu sehen! ‒ ‒ ‒
.Auch alles, was der Mensch an Lebensform
geschaffen hat in dieser Aussenwelt, damit er
leichter in Gemeinsamkeit mit seinesgleichen
dieses Erdenlebens Bürde trage, kann dir zu
hoher Lehre dienen...
.Auch hier entspricht dem «Aussen» stets ein
«Innen», selbst wenn das «Innen» längst
nicht mehr gefühlt wird. ‒
.Suche nach diesem «Innen», und wenn du
es gefunden hast, dann wird dir manche schöne
Lebensform, die dir nur als der Ausdruck
einer Lüge galt, gewiss zu einem anderen
Werte sich erheben! ‒ ‒ ‒
.Auch manches was dir heute töricht noch er‐
scheint in
Sitte und
Gepflogenheit der Men‐
schen, wird sich dann als
Form dir zeigen der
ein weiser
Inhalt innewohnt!
.Es wird nicht nötig sein, hierzu erst Studien
zu betreiben, die dich in
ferne Zeiten oder
gar zu
fernen Völkern führen!
.Du kannst, wo du auch stehen magst, im
Alltag beginnen und in
deiner nächsten
Umgebung!
.Hier ist dein
sicherster Boden, und
Tor‐
heit nur verachtet ihn um sich in alten Zeiten
und bei fernen Völkern
einzuträumen und
dort heimischer zu fühlen! ‒ ‒
.So fand ich Suchende, die hin zum
Geiste
strebten, und, ihrer Torheit kaum bewusst,
durch die ‒
Gewandung ihrer Zeit und ihres
Landes sich behindert glaubten...
.Sie fassten es nicht, dass da ein Mensch zum
Geiste finden könne, der in festlicher Gesell‐
schaft sich den
Formen der Gesellschaft fügt,
ja der nur dann Behagen fühlt, wenn seine
Kleidung dieser Formen Vorschrift bis ins
Kleinste angepasst erscheint...
.Entsetzen packte sie, wenn einer der in hoher
Bergnatur bei steiler Wanderung vom Geist zu
reden wusste, des Abends dann im Rasthaus an‐
gelangt noch Sorge trug, dass er beim abend‐
lichen Mahle unter festlich Frohgestimmten
auch in einem Kleide sei, das nach der allgemei‐
nen Sitte dort gefordert war. ‒ ‒
.So sah man denn in wildverwegenen Gewän‐
dern sie sich selbst gefallen, und sie gefielen
sich nicht wenig, im Bewusstsein, anderen zu
zeigen, dass sie der Form ‒ nach ihres Eigen‐
dünkels Meinung ‒ längst «entwachsen»
seien. ‒
.Andere kleideten sich in biblische Gewänder
und liefen am hellichten Tage in solcher Mum‐
merei einher, ‒ ein jeder ein «Christus», oder
zum mindesten einer der Apostel, ‒ und keiner
schien zu ahnen, wie wohl jene, deren Maske
sie für sich erkoren hatten, sie verlachen wür‐
den, lebten sie heutigen Tages inmitten
der westlichen Welt. ‒
.Und dennoch waren es auch mitunter sehr ehr‐
liche Suchende, die wirklich zum Geiste
strebten, trotz all ihrem törichten Tun! ‒
.So geht der Mensch in die Irre, der sich der
Form « entwachsen» wähnt!
.Vermeintlich «frei» von jeder Form, schafft
er sich Formen einer wunderlichen Art, die sich
der Form des allgemeinen Ganzen, wie sie
in jedem Lande in der Zeiten Lauf erwachsen
ist, nicht einen, und dünkt sich selbst ein
weitaus «Besserer» zu sein, als jene, die nicht
seinem eitlen Beispiel folgen. ‒ ‒
.Was hier geschildert wurde, ist vielleicht die
sonderbarste Art des törichten Versuches,
sich aus der Form der Zeit und seines Landes
selbst zu lösen...
.Weit zahlreicher sind jene Sonderlichkei‐
ten, die im Verborgenen blühen. ‒
.Allen gemeinsam aber ist der Wahn, dass
sich der Suchende, der sich dem Geiste nahen
will, mit allem Rechte über alle Form «er‐
haben» fühlen dürfe, besonders aber über jede
Form, die sich in allgemeiner Sitte und Ge‐
pflogenheit des menschlichen Zusammenlebens
offenbart.
.Zuweilen aber wird solche Formverach‐
tung zum Verbrechen an der menschli‐
chen Gemeinschaft.
.So: wenn sie die Ehe als abgelebter Zeiten
behindernde Bindung um ihrer Irrtumsmöglich‐
keiten willen verachtet; ‒ so, wenn sie alles zu
entwurzeln sucht, was sich die Menschheit selbst
als Schutzwehr pflanzte, um nicht dem Sturm
misslenkter Triebe und der ungehemmten Lei‐
denschaften zu erliegen. ‒ ‒ ‒
.Weislich hatte man einst die
Gefahr erkannt,
die aller
Formverachtung innewohnt! ‒
.Gar hurtig lässt sich jetzt fällen, was
Jahr‐
hunderte brauchte und
Jahrtausende, um
so zu verwachsen, dass es wahrlich
Schutz ge‐
währen konnte! ‒ ‒
.Lange aber wird die Zeit der steten
Stürme
währen, auch wenn man schliesslich
neu den
Wald zu pflanzen sucht, der ihnen vordem
wehrte...
.So rächt sich
jede Missachtung der
Form!
Man sieht nur das
Äussere und vergisst, dass
es eines
Inneren Offenbarung ist! ‒ ‒
* *
*
.Des Menschen
Wohnstatt ist gleichsam sein
äusserstes Kleid in dieser Aussenwelt, und
wie seines Körpers
Gewandung ihn offen‐
baren kann, so auch die
Wohnstatt, die er
sich schuf. ‒
.Ist es in deine Macht gegeben, dir dein eige‐
nes Haus zu bauen, auch wenn ein Anderer,
der in der Kunst des Bauens wohlerfahren
ist, für dich die Form gestaltet, so wird dein
Haus wohl schon von
aussen zeigen wer du
bist...
.Aber auch wenn du in Räumen wohnst, auf
deren Gestaltung dir aller Einfluss fehlte, wird
doch die Art
wie du die fremden Räume dir
zu
eigen machst, dem Kundigen gar viel von dir
zu sagen haben...
.Du wirst ihn nicht täuschen, auch wenn du
die ersten Künstler deines Landes aufgerufen
hast, dir herrliches Wohngerät zu schaffen und
ihre Kunst in deiner Räume Ausgestaltung zu
bekunden...
.Es wird alsbald zu sehen sein, ob nur die
Künstler hier sich offenbaren, denen Auftrag
wurde, schöne Räume zu gestalten, oder ob sie
deines eigenen Wesens Spur zur Richtschnur
nehmen konnten und ihm, als Berufene, Aus‐
druck schufen. ‒
.Vielleicht ist deine Wohnstatt aber vorge‐
formt von Früheren die in den gleichen Räu‐
men oder mit dem gleichen Hausgerät einst
lebten? ‒
.Vielleicht erzählt dir jedes Stück des Haus‐
rats von den Menschen die einst vor dir waren
und deren Blut du in dir fühlst? ‒
.Vielleicht sind so die Formen aller Zeiten nun
in deinen Räumen eng vereinigt und manches
schöne Erbstück wurde einst aus fernen Zonen
heimgebracht? ‒
.Auch dann wird deine Wohnstatt immer
deiner Artung Zeugnis sein, denn was sie auch
enthalten mag an alten Dingen und wie sehr die
Patina der Stimmung alter Zeiten noch auf
ihren Formen fühlbar wird: ‒ stets wird die Art,
wie du das Alte nun zu deines Lebens äusserer
Umkleidung machst, den Dingen
neue Wertung
geben, die von
dir allein nur herzuleiten
ist. ‒ ‒
.Doch glaube nicht, dass schöne Dinge dich
umgeben müssen und mannigfache Kostbarkeit!
.Auch wenn du in
Armut lebst und kaum das
Allernötigste dein eigen nennst, wird dennoch
deine Wohnstatt von der
Harmonie noch zeu‐
gen die in dir zu finden ist, wie sie desgleichen
auch die innere
Verwirrung und die wilde
Unrast widerspiegeln wird, wenn du noch
nicht zur Harmonie gefunden hast...
.Was immer du besitzen magst, stets wird dein
innerer Besitz sich in dem äusseren
offen‐
baren!
.Dein Heim, und sei es noch so eng und arm,
trägt stets die
Prägung deiner Seele, zeigt
stets die Form in der du selbst die Aussenwelt
dir zu
gestalten weisst! ‒ ‒
.Es wäre arger
Irrtum, wenn du glauben soll‐
test, für einen der zum
Geiste strebt, sei es ein
eitles Tun, darauf zu achten, dass alles was ihn
hier in dieser Aussenwelt umgeben mag, auch
seiner
Liebe teilhaft werde!
.Auch hier ist durch die
Ehrfurcht vor dem
Geiste schon geboten, dass deine Heimstatt rein
und schön trotz aller Armut sei; und ward dir
Wohlstand zugeteilt, dass du nichts um dich
duldest, das nicht eines Menschen würdig wäre,
der dem Geiste selbst zum
Tempel werden
will. ‒ ‒ ‒
.Du wirst gar sehr darauf zu achten haben,
dass du der Dinge auch
bewusst bist, die in
deinen Räumen dich umgeben!
.Nichts ist hier jemals bedeutungslos, und
auch das Geringste darf deiner Aufmerksamkeit
nicht entgehen! ‒
.Die Form die dich umgibt wirkt auf
dich
selbst zurück, ‒ auch dann, wenn du sie kaum
bewusst gewahrst. ‒ ‒
.Nie kannst du
Sorgfalt genug an deine
Heimstatt wenden!
.Die Arbeit deines
Berufes mag es dir
un‐
möglich machen, gleiche Sorgfalt auch dem
Raum der Arbeit zu widmen.
.Dort wird vielleicht dir jede Möglichkeit ent‐
zogen sein, den Raum nach
deiner Art zu
formen, und manche harte Arbeit ist an einen
Ort gebunden, der kaum noch «Raum» zu
nennen ist. ‒
.Vielleicht auch ist die Tätigkeit, der du ob‐
liegst, an sich durch Räume nicht umhegt.
.In deiner Heimstatt aber bist du frei und
kannst nach deiner Art sie formen!
.Hier darf dein Auge nichts erblicken, das dir
die Harmonie der Seele stören könnte. ‒
.Die Heimstatt soll dir Zuflucht sein und
dich durch alles was sie bergen mag, zur Freude
stimmen: ‒ zu warmer, reiner seelischer Heiter‐
keit!
.Auch wenn dich Düsteres vordem umgab
und böse Dinge schwer noch auf dir lasten mö‐
gen, sollst du bei dem Betreten deiner Wohn‐
statt alles von dir schütteln, was dich nie‐
derdrücken will! ‒
.Hier sollst du wieder zu dir selber kommen
und zu deiner höchsten Höhe! ‒ ‒ ‒
.Hast du die Sorgfalt aufgewendet, die von‐
nöten ist, damit dein Heim in allen Stücken
deiner würdig sei, dann wird der ärmste Haus‐
rat so zu deiner Seele sprechen, dass sie alsbald
sich wiederfinden wird, auch wenn sie in dem
wilden Lärm des Alltags draussen sich gar weit
verloren hatte. ‒ ‒
.Was immer dich in deiner Wohnstatt dann
umgeben mag, wird dich erinnern an dein
bestes Fühlen, wird zu dir sprechen als
deine Welt, und wird dir
Ruhe und heiteren
Frieden geben! ‒
*
.Ein jedes Stück, das deine Heimstatt auf‐
erbaut, ist des Menschen
Werk.
.Achte darauf, dass auch jedes Stück die edle
Prägung der
Menschenwürde trage! ‒
.Der du des
ewigen Geistes Stimme in dir
selbst vernehmen willst: ‒ wie dürftest du in
deiner Heimstatt Dinge um dich dulden, die
scheinen wollen, was sie nicht sind, ‒ die das
Gesetz der Form gleichsam
verhöhnen! ‒ ‒
.Die Gegenwart ist leider angefüllt mit Dingen,
die man am besten ins Meer versenken würde,
dort wo es am tiefsten ist! ‒
.Fühllos wird jede
echte Form, die Aus‐
druck eines inneren Empfindens ist, von ge‐
schäftigen Händen
nachgeahmt; aber das
Leben der Form
entweicht bei solchem Tun
und was übrig bleibt ist
Leiche...
.Man hat vergessen oder nie geahnt, dass jede
Form ein
lebendiges Zeichen einer
Sprache
ist und etwas zu
sagen hat. ‒ ‒
.So häuft man «Leichenteile» zu «Leichen‐
teilen» ohne sich dessen auch nur bewusst zu
sein. ‒
.Die Völker des Ostens wissen es anders,
soweit sie noch nicht durch die Menschen des
Westens verdorben sind. ‒
.Es sei mir erlaubt, hier eine Begebenheit zu
erwähnen um des Beispiels willen.
.Ein grosses Handelshaus Europas sandte
Ware nach dem Orient, die dort auf reichlichen
Absatz stets rechnen konnte.
.Um die Verpackung schöner zu gestalten,
liess man eines Tages neue Entwürfe einer far‐
benfrohen Ornamentik in den Formen östli‐
cher Kunst verfertigen und glaubte dadurch
gewiss der Ware noch grössere Abnehmerkreise
zu sichern.
.Aber der Kaufherr musste erleben, dass seine
ganze Sendung wiederkam. ‒
.Die Händler des Ostens, die sie vordem stets
begehrten, hatten es abgelehnt, sie in der
neuen Packung anzunehmen.
.Und dies war die Begründung ihrer Weige‐
rung:
.Sie sagten, dass sie ihres Lebens nicht mehr
sicher seien, wollten sie diese neue Packung
auch nur in ihren Läden dulden, denn alle For‐
men die auf ihr zu sehen seien, bedeuteten für
den frommen Hindu ‒ ‒ gröbliche
Gottes‐
lästerungen...
.Würde der Mensch des Westens noch in glei‐
cher Weise Formen zu
empfinden fähig sein,
dann wäre wohl
vieles in seiner Umwelt, das er
aus seinem Empfinden heraus mit
gleichem
Abscheu von sich weisen müsste. ‒ ‒
.So aber weiss er die
Sprache der Form nicht
mehr zu deuten, und leidlicher Geschmack der
Anordnung und Farbengebung tut seiner For‐
derung Genüge.
.Doch glaube man nicht, dass ich hier nur von
Dingen rede, die als
Schmuck und
Zierde be‐
trachtet werden!...
.Der einfachste
Tisch oder
Stuhl kann das
Leben der Form in sich tragen, so wie auch das
prunkvollste Möbel gleicher Art nur
totes
Gerüste sein kann, «verziert» mit «Leichen‐
teilen»...
.Das Gleiche gilt von allem
Gefäss und
Ge‐
rät, die auch das einfachste Leben verlangt. ‒ ‒
.Darum
sorge dafür, dass dich nur Dinge um‐
geben, die du vor dem
Geiste, den du in dir
finden willst, so du ihn einst
findest, auch
verantworten kannst!
.Du trägst
wahrhaftig dafür
Verantwor‐
tung, dass
nichts in deinem Hause sei an
Hausrat oder Zier, das mit der Würde eines
Menschen, der zum «
Tempel des Geistes»
werden will, sich nicht vereinen liesse! ‒ ‒ ‒
.Es ist dazu nicht nötig, dass du Bescheid
weisst über Kunst und künstlerische Dinge.
.Gar vieles kann dem Künstler wertvoll sein,
und vieles findest du als alter Zeiten Werk in
den Museen, das dennoch
nicht der
Menschen‐
würde Prägung trägt, auch wenn es kündet von
eines Menschen grossem
Können. ‒ ‒
.Was
dir als Massstab dienen soll, ist
anderer
Art!
.Du, der sich dem
Geiste einen will, der
Har‐
monie und
Klarheit,
Licht und
Wahrheit
in sich selber ist, wirst
nichts um dich dulden
dürfen, das in seinen Formen
Disharmonie
verrät, das
Unklarheit erzeugt und dich in
einen Schlaf des dumpfen
Dunkels lullt!
.Was dich umgibt, muss Formen zeigen die du
selbst als
wahr und
rein empfindest!
.Verbanne aus deinem Bereiche alles, was
Un‐
wahrheit offenbart in seiner Form, oder was
dadurch unwahr
wird, weil es mit deinem eige‐
nen Empfinden nicht zu vereinen ist! ‒
.Vergiss niemals, dass alles was dich umgibt,
auf dich
zurückwirkt und
dich selber
formt! ‒ ‒
.Du nimmst gewiss nicht jeden Menschen
wahllos auf in dein Heim...
.So lasse auch alles
Werk aus deiner Wohn‐
statt draussen, von dem du nicht willst, dass es
von
Einfluss auf
deiner Seele Formung
sei! ‒ ‒ ‒
* *
*
.Auch deine Freude muss edle Formung
finden, soll sie deiner würdig sein. ‒
.Du liebst es vielleicht, dich in deiner Freude
«gehen zu lassen» und magst nicht gerne
dich dazu verstehen, auch in der Freude auf
Form zu achten? ‒
.Das Beste deiner Freude scheint dir dahin zu
sein, wenn du dich ihr nicht schrankenlos
überlassen darfst...
.Noch kannst du dir keine so recht beglücken‐
de Erdenfreude zur Vorstellung bringen, sobald
dir gesagt wird, dass du auch deine Freude
formen sollst in edelster Form. ‒
.Hier aber bist du in einem Irrtum befangen,
den gar viele mit dir teilen! ‒ ‒
.Glaube nicht, mir sei er wohl immer fremd
geblieben!
.Siehe mein Freund, auch ich habe ehemals
manchen Irrtums lockende Strasse durchschrit‐
ten, die hier auf diesem Planeten Menschen‐
geister ver-führt...
.Wie wäre ich sonst wohl dazu bereitet worden,
denen, die mein Wort erreicht, zu helfen?! ‒
.Wenn ich dir nun rate, auch deine ausgelas‐
senste
Freude noch zu
formen, so weiss ich,
was das besagen will, und weiss zugleich, dass
ich nur deine Freude
mehre, so du mir folgen
magst. ‒ ‒
.Niemals betrügt sich der Mensch so sehr, als
wenn er da vermeint, die rechte
Freude müsse
hemmungslos sich wie ein Wildbach ergiessen
können! ‒
.Der Wildbach gibt mir hier ein wohlgeeigne‐
tes
Bild, und wenn ich in diesem Bilde bleiben
darf, dann sei daran erinnert, dass auch der
Wildbach nur
gefahrlos wird, wenn man ihn
einzudämmen, wenn man seine Strasse zu
formen weiss. ‒
.Wehe aber den Fluren, ‒ wehe der jungen
Saat, wenn er in seiner Frühlingsvollkraft über‐
schäumt und seines naturgebundenen Laufes
Steinbett verlässt!! ‒
.So auch wird deine Freude dir zur
Gefahr,
solange sie nicht deine Formung trägt, und
‒ glaube mir ‒ auch ich habe vordem solche
Gefahr gar oft erfahren, so dass ich wahrlich
vor ihr warnen darf!...
.Wie der Lotse die Klippen sehr wohl kennen
muss, bevor er das Schiff gefahrlos durch die
Brandung in den Hafen leiten kann, so ward
auch mir gar wohl bekannt durch die Erfahrung
eines Menschenlebens, was es zu vermeiden
gilt, soll eines Menschen geistiges Ziel ihm end‐
lich erreichbar werden, trotz aller hohen See
der Leidenschaft und allem Sturm der Triebe...
.So gerne du auch in deiner Freude dich «ver‐
gessen» möchtest, ‒ «dich» vergessen, den du
selber aufgerichtet hast in deiner Vorstellung,
und dem du den Namen gegeben hast, als sei
er wirklich du selbst, ‒ sei wachsam und achte
der Gefahr, der du nur begegnen kannst,
wenn du auch deine Freude zu formen
weisst! ‒ ‒ ‒
.Du wirst zwar bedauern, dass du nicht völlig
dich deiner Freude überlassen kannst, ‒ aber
bedenke wohl, dass alles, dem du dich völlig
überlässt, dich nur zu seinem Sklaven
macht! ‒
.Hier aber sollst du zum
Herrn deiner Freude
werden und sie soll deiner Formkraft völlig
unterordnet sein!
.Ich rede hier nicht von den stillen dauernden
Freuden die dein wohlgeformtes Leben dir er‐
spriessen lässt wie allgemach in einem wohl‐
gepflegten Garten Blumen spriessen durch des
ganzen Jahres Lauf. ‒
.Kaum wird es dir entgangen sein bisher, dass
ich vielmehr von deiner
Freude rede, soweit sie
zu besonderem
Anlass ihr besonderes
Recht
erheischt. ‒ ‒
.Gar vielfältig kann solcher Anlass sein und
gar vielfach kann er dir begegnen...
.Bist du dir bereits bewusst geworden, dass
dein ganzes Leben durch dich
Formung
finden soll, so wird es dir leicht sein, auch deine
Freude zu formen, sobald du nicht dem
Wahne lebst, dich in der Freude endlich
ver‐
gessen zu dürfen. ‒
.Es sind wahrhaftig nicht die Schlechtesten,
die da zuweilen glauben, dass die Freude ihnen
nur gegeben sei, um sich «vergessen» zu kön‐
nen!
.Wer aber ist es, der so vergessen wird?!?
.Du selbst bist es wahrlich
nicht, auch
wenn du im fröhlichen Maskenspiel die dir
fremdeste Maske wähltest!
.Stets wirst
du selber es sein, der sich als das
«
Ich» dieser Maske fühlt. ‒ ‒
.Was du
vergessen willst, wäre wert, dass du
es auch in deinem
Alltagsleben vergässest! ‒ ‒
.Du selbst hast es dir zum
Tyrannen ge‐
schaffen, und
deiner Schöpfung Werk wird dir
so
lästig, dass du es gerne wieder
vergessen
möchtest, wozu denn deine
Freude dich
auf‐
zufordern scheint! ‒ ‒ ‒
*
.Du hast in dieser Erdenwelt dein
Erden‐
kleid gefunden.
.Schon als du ein
Kind noch warst, hat man
dir dieses und jenes davon zu sagen gewusst,
was
du selber seiest...
.Dich selber glaubtest du genau bestimmt
durch Lob und Tadel, ‒ durch der Erwach‐
senen
Wertung deiner kindlichen Daseins‐
äusserung...
.Herangewachsen «wusstest» du, dass du das
Kind einer sehr genau bestimmten
Familie
seiest, und all dein Tun ward mitbestimmt
durch solches «Wissen». ‒ ‒
.Dann aber machtest du dich «frei» von aller
Familienbande, «wusstest» dich als Kind deines
Volkes, und aller Wert, den du dir selber
gabst, entstammte deiner Tüchtigkeit, oder
deinem mangelhaften Erfolge in irgend einem
menschlichen «Beruf»...
.Ob du dazu berufen warst, ihn auszuüben,
wusstest du am Ende selber kaum. ‒
.Du bist in ihn «hineingewachsen» und deine
«Aufgabe» siehst du nun darin, ihn so zu «er‐
füllen», dass alle die dir «vor-gesetzt» sind,
oder ein «Urteil» haben, dich nicht «ver‐
urteilen» und dich keinem «nach-setzen.» ‒ ‒
.Was du so in anderer Augen warst, ‒ als was
du Anderen erscheinen mochtest, ‒ das war
dir und ist dir vielleicht noch heute genaue Be‐
stimmung dessen, was du bist! ‒
.Der Anderen «Wertschätzung» bestimmt
dir deinen eigenen Wert. ‒
.Der Anderen «Bewunderung» lässt dich dir
selbst als wundersam erscheinen. ‒
.Der Anderen «An-erkennung» lehrte dich
allein dich selbst vermeintlich erkennen. ‒
.Der
Anderen «Ver-achtung» schien dir so
begründet, dass du selbst dich nur in aller
Heimlichkeit noch
achten konntest, und vor
dir selber fürchtest, du seiest nur ein Sklave
deiner
Eitelkeit, wenn dennoch sich in dir
etwas «
erhob», das gegen die «Ver-achtung»
Anderer sich wild «empörte», weil es aus der
Niedrigkeit, die du dir selber gabst,
empor ge‐
langen wollte! ‒ ‒ ‒
.So hast du
alles, als was du
dich selber
fühlst, von
Anderen empfangen, und keines‐
wegs weisst du aus
dir selber, wer du
bist!
.Es ist wahrlich kein Wunder, wenn du «
ver‐
gessen» möchtest, was nur in den Augen
An‐
derer für dich selber gilt!
.Es ist wahrlich kein Wunder, wenn du zu
vergessen strebst, was
Andere ‒ aus dir
machten! ‒
.Dich selbst aber willst du
gewiss nicht
vergessen!
.Du gibst nur einer
Vorstellung, die
Andere
dir
eingegeben haben, das Recht, für dich
selber zu
gelten. ‒ ‒ ‒
.Siehe, darum rate ich dir: vergiss
dich sel‐
ber nicht in deiner Freude!
.Der, den du
vergessen möchtest, da er dich
peinigt, als deine eigene Schöpfung nach
An‐
derer Mass, ‒ den
darfst du gewiss verges‐
sen, und du tust
gut daran, wenn du ihn
als‐
bald vergessen wirst! ‒ ‒ ‒
.Aber
dich selbst sollst du gar hoch
er‐
hoben fühlen in deiner Freude!
.Was immer dir
Freude bringt, soll dir ein
Anlass sein,
deine formende Kraft zu er‐
proben!
.Du wirst deine Freude
verhundertfältigen
können, wenn du es verstehst, sie zu
formen
nach
deiner Artung
Massgerechtigkeit! ‒ ‒
.Du selbst musst das
Mass für die
For‐
mung deiner
Freude sein, ‒ nicht jenes
Ge‐
spenst, das
Andere für dich selber
hal‐
ten! ‒ ‒ ‒
.Der
Anderen Form der Freude sollst du
achten, so immer sie irgendwie
Achtung noch
verdient, allein sie darf nicht «Vor-Bild»
dei‐
ner Form der Freude werden, es sei denn, dass
sie völlig
deiner Artung wäre! ‒ ‒
.Forme, mein Freund, deine
Freude nach
deiner
eigenen Form, und sei meiner Worte
eingedenk, dass
dann nur deine Freude niemals
dich gereuen wird, wenn du sie in Form zu
binden weisst! ‒ ‒ ‒
.Du selbst musst Mass deiner Freude geben,
wenn sie dich nicht
täuschen soll! ‒ ‒
.Du selbst bist deiner Freude
Folge aller‐
sicherste
Gewähr, so du nur alle deine Freude
formen willst nach deiner,
dir von
Ewigkeit
bestimmten
Form! ‒ ‒ ‒
* *
*
.Auf deinem Leidenslager liegst du in arger
körperlicher Not, und allzuschwer erscheint es
dir, in solchem Leide noch danach zu streben,
auch dein Leid zu formen...
.Angstvoll spähst du vielmehr nach äusserer
Hilfe aus, und jedes Tränklein dem du dein
Vertrauen schenkst, erscheint dir weitaus wich‐
tiger als solches Tun...
.In guten Tagen meintest du vielleicht, du
seiest längst schon «über alles Irdische er‐
haben». ‒
.Nun musst du sehen, wie gar sehr du noch
der Erde verhaftet bist. ‒ ‒
.Aber du willst es nicht fassen, dass deine
geistige Kraft dich aus der Verhaftung lösen
könnte, auch wenn sie vielleicht nicht völlig
dich befreit. ‒
.Gewiss, dein armer Leib ist so geplagt, dass
er seiner Sinne kaum noch mächtig ist...
.Du kennst nur noch das eine Flehen: ‒ dass
deinem Leide ein Ende werde...
.Wie Hohn erscheint es dir da, von einer For‐
mung auch des Leides zu reden. ‒
.Ach siehe: ich weiss dein Leid wahrhaftig zu
empfinden, denn selten nur war ich völlig vom
Leide verschont. ‒ ‒
.So darf ich wahrlich auch vom Leide reden
und von des Leides Überwindung durch die
Form in der man es zu ertragen weiss...
.Ich selbst weiss nur zu gut, wie sehr des Kör‐
pers Leid auf einem Menschen lasten kann und
wie es dennoch durch Formung zu bändigen
ist. ‒
.Es übersteigt fast alle Vorstellung, was durch
geistige Formung bewirkt werden kann, und
wie durch geistige Einstellung das Körper‐
liche, wie quälend es auch sei, stets noch zu
bezwingen ist. ‒ ‒ ‒
.Was du kaum noch ertragen zu können
glaubst, solange du zeterst mit dir selbst und
haderst mit deinem Schicksal, das wirst du als‐
bald überwinden, so du es willig erträgst,
als sei es mit der dir gemässesten Form deines
Lebens ganz selbstverständlich ver‐
knüpft, ‒ als
könne es gar nicht
anders
sein. ‒ ‒
.Wohl dir, wenn du körperliches Leid so
ent‐
werten lernst, dass du es
nicht mehr achten
musst!
.Solange du noch deinem Leide
dich über‐
gibst wie ein Sklave seinem grausamen Herrn,
von dem er zitternd der Peitsche Hieb erwartet,
hast du deinem Leide noch nicht die
Formung
gegeben, die deiner würdig ist! ‒
.Nur mit «Ver-Achtung» sollst du deinem
Leide begegnen, und nur als sein
Verächter
wirst
du seiner
Herr!! ‒
*
.In gleicher Weise musst du nach
Herrschaft
streben, auch bei allem
anderen Leide, das dir
begegnen mag!
.Auch
seelisches Leid will dich
erniedrigt
sehen und über dich herrschen! ‒
.Auch davon weiss ich genugsam zu sagen und
rede auch hier gewiss nicht als einer, der von
ihm fremden Dingen spricht! ‒ ‒
.Ich fand aber viele die ihr seelisches Leid so
sehr
liebten, dass sie es kaum von sich lassen
wollten, als es sie von selbst verliess...
.Dieses ist wahrlich
nicht die rechte Art, dem
Leide zu begegnen, das die Seele
niederdrük‐
ken will!
.Auch dein
seelisches Leid sollst du
beherr‐
schen lernen und in eine
Form zu zwingen
wissen, die deiner
würdig ist! ‒ ‒
.Solange du noch «grübelst» in dir selbst, um
etwa
deines Leides letzten
Sinn zu «ergründen»,
gräbst du nur deiner
Kraft des Widerstan‐
des eine Grube!...
.Der «Sinn» deines Leides ist nicht zu ergra‐
ben, denn wahrlich: ‒ nicht eher hat dein Leid
einen «Sinn», als bis
du selbst ihm einen
gibst,
und nur in
diesem Sinne kann es «
sinnvoll»
für dich werden! ‒ ‒
.Dein Leid mag
bitter zu verkosten sein,
doch sollst
du selbst dich nicht durch dein
Leid
verbittern lassen! ‒
.Dein Leid mag dir «
gross» erscheinen über
alles Mass, doch sollst
du selbst deine Grösse
nicht von deinem
Leide erborgen! ‒ ‒
.Du sollst deinem Leide keinen Altar errichten
in dir selbst, und sollst es nicht in erhobenen
Händen vor dir einhertragen wie ein Heiligtum!
.So wie du körperliches Leid
ver-
achten
lernen musst, so wirst du das Leid deiner Seele
verarbeiten lernen müssen: ‒ verarbeiten zu
einer
Form die dir
dienen muss,
dich selber
zu formen! ‒ ‒ ‒
.Auch deinem
Leide darfst du
dich selbst
nicht
überlassen!
.Du musst dich selber
über dein Leid
er‐
heben und ihm
gebieten lernen!
.Du selbst bist das
Bleibende, ‒ dein Leid
aber ist
vergänglich, und es ist
Lüge, wenn
es dich betören will, an seine
Dauer zu glau‐
ben! ‒ ‒
.Lerne dem Leide
Schranken setzen, die es
formen müssen nach deinem
Willen! ‒ ‒
.Des
Unheils Wirkung wird dein Leid nur zei‐
gen, wenn du es nicht zu
bändigen weisst! ‒ ‒
.Nur als
Überwinder deines Leides aber
kannst du in den
Geist gelangen!
.Dich selbst musst du wahrlich
höher
werten als dein Leid, denn
in dir selber will
sich des
Geistes Funkenstrahlenlicht dir
offenbaren! ‒ ‒ ‒
* *
*
.Willst du den Weg durchschreiten, den ich
in so mancher Rede dir in anderen Büchern
schon zu beschreiben wusste, als einer, der ihn
kennt, ‒ den Weg, der zum Lichte in dir selber
führt, dann wirst du manchem Wahn ent‐
sagen müssen! ‒ ‒
.Vor allem aber dem Wahne, dass dein Erden‐
leben nun einmal «Bestimmung» sei und so
durchlebt werden müsse, wie es gerade kommen
mag! ‒ ‒
.Wer so sein Erdenleben durchlebt, ist einem
Baumeister gleich, der ohne jeden Plan und
Grundriss Erde ausheben lassen würde um dann
zu bauen, wie immer es werden möge, bis ihn
der letzte Stein am Weiterbauen hinderte. ‒
.Wohl möglich, dass ihm sein wilder Bau ge‐
länge und ein abstruses Gebilde so zustande
käme.
.Weit eher aber dürfte die Voraussicht Recht
behalten, dass eines Tages über seinem Kopf
zusammenstürzen müsse, was er in planlos
törichtem Tun aufeinandertürmte. ‒ ‒
.Sei du nicht einem solchen Toren gleich!
.Was du dein Erdenleben nennst, ist
rohes
Material, das allerdings, so wie du es auf
Erden fandest, dir
gegeben ist und an dem du
fast
nichts oder
wenig nur ändern kannst.
.In
deine Hand jedoch ist es
allein gegeben,
was du in
geistiger Form aus ihm
erbauen
wirst, und keine Macht der Erde wird dich hin‐
dern können
so zu bauen, wie es der «
Grund‐
riss», den deine
Seele sieht, von dir verlangt. ‒
.Du wirst mir entgegnen wollen, dass doch
vieles
nicht in deine Hand gegeben sei: ‒ dass
dich in vielen Dingen
Andere behindern könn‐
ten, ‒ ja, dass die Aussenwelt dir deinen ganzen
Bau in Stücke schlagen könne.
.Ach, lieber Freund, solange du noch
solche
Rede führst, hast du noch
nicht erkannt, wo‐
von ich zu dir spreche!...
.Dein
äusseres Bauen ist wahrhaftig
nicht
durch
dich allein bestimmt, und deine schön‐
sten Aussenmauern kann man
stürzen ehedenn
du die Kuppel wölben konntest über deinen
stolzen Bau! ‒ ‒ ‒
.Dein
geistiges Bauen aber kannst nur
du
selber stören oder durch Andere stören
lassen,
denen du solche Störung
erlaubst! ‒ ‒ ‒
.Es ist die Rede hier von dem
Kunstwerk,
zu dem dein
geistiges Leben werden soll!
.Dein Erdendasein schafft dir täglich neues
Material aus dem du dein
geistiges Leben
kunstvoll auferbauen kannst!
.Nie wird es dir an «Steinen» und «Bauholz»
fehlen!
.An
dir aber wird es sein, das rohe Material in
solcher Weise zu
bearbeiten, dass es sich dem
erhabenen Grundriss anpasst, den deine Seele
in sich selber findet, in ihrem innersten
Schrein! ‒
.An
dir wird es sein, den rechten «Mörtel» zu
bereiten, der Baustein an Baustein bindet!
.An
dir wird es sein, die «Balken» so zu fügen,
dass sie
tragen können!
.Du wirst
nichts von dem
verachten dürfen,
was dir dein Erdendasein alltäglich zuführen
mag!
.Es ist alles zu deinem geistigen Bau auf
irgend eine Weise vonnöten und wird gute
Dienste tun, so es nur erst durch dich die bau‐
gerechte Formung fand! ‒ ‒ ‒
.Jedoch kann nichts deinem geistigen Bau
sich einen, das nicht zuvor bearbeitet ist und
in geistiger Weise vorgestaltet! ‒
.Was immer der Alltag dir bringen mag: ‒
stets frage dich selbst, wie es alsbald zu formen
ist um deinem geistigen Tempelbau zu
dienen!
.Alsdann aber gehe sogleich ans Werk und
raste nicht eher, als bis das Rohe seine rechte
Form erhielt! ‒
.Je mehr du in solchem weisen Werk dich üben
wirst, desto leichter wird es dir werden!
.Was dir noch heute kaum möglich erscheint,
wird dir gar bald schon mit geringer Mühe ge‐
lingen!
.Nur musst du Ausdauer zeigen bei solchem
Werk!
.Du darfst nicht etwa heute begeistert be‐
ginnen und dann nach wenigen Tagen schon das
Meiste liegen lassen! ‒
.Was du nicht verarbeitet hast, wird dir
dann
im Wege liegen, und so wirst
du selbst
dich sehr
behindern, auch wenn du zu späte‐
rer Zeit aufs neue beginnen willst! ‒ ‒
.Noch heute, da du meine Worte vernimmst,
suche in deiner Seele innerem Schrein den Bau‐
plan hervor!
.Er ist dort wohlverwahrt und du wirst ihn
finden, wenn du mit aller
Ruhe sicherer Ge‐
wissheit suchst!
.Kein hastiges Stöbern wird ihn zutage för‐
dern!
.Hast du ihn aber gefunden, dann gehe als‐
bald ans Werk und bleibe deinem Werke treu!
.Du wirst den Bauplan erst
beim Bauen
selbst verstehen lernen, und so es dann nötig
wird, wirst du auch die
Einzelpläne finden,
die dir heute noch nichts nützen könnten!
.Allmählich wird deine formende Kraft
er‐
starken und du wirst zum
Künstler werden
an deinem
Werk!
.Dir kann keine «Schulung» ersetzen, was
dich das
Werk allein zu lehren weiss! ‒ ‒ ‒
.Noch bist du nicht entfaltet und weisst selbst
noch nicht, was in dir sich verbirgt!
.Du hast zu dir selbst noch kein Vertrauen
und möchtest Plan und Arbeitslehre lieber von
Anderen empfangen!
.Doch, dein Vertrauen wird dir werden,
wenn du erst sehen wirst, was du in dir trägst! ‒
.An deiner eigenen Arbeit nur nach dem in
dir verborgenen Plan wird es mählich wachsen,
und dann wirst du erkennen, dass dir geholfen
wurde weil du dir selbst vertrautest, auch
wenn du nur die Hilfe und noch nicht die
Helfer gewahrst! ‒ ‒ ‒
.Nur solche geistige Hilfe kann dir von
Nutzen sein! ‒
.Alles was man dir von aussen her sagt,
kann dich nur aus deinem Schlafe zur Arbeit
wecken, ‒ kann dir Anstoss werden, mit
deinem besten Tun zu beginnen! ‒ ‒
.Die Hilfe aber, die du dann bei deinem
Werke brauchst, darf dir nur auf geistige
Weise in deinem Innern werden, so sie dir
wirklich Beistand leisten soll! ‒ ‒ ‒
.Auch wenn du in der Aussenwelt aller Kunst
sehr ferne stehst, ist doch in deinem Innersten
ein Künstlertum in dir beschlossen, das nur an
deinem Werke geistig sich entfalten kann!
.Hier
in deinem Innersten, wird man dich
zu hoher Kunst zu leiten wissen: ‒ zur Kunst,
dein
geistiges Leben zu gestalten nach des
ewigen Geistes innewohnendem Gesetz! ‒ ‒ ‒
.Von dir wird nur
erwartet und
verlangt,
dass du alles Rohe, was dir dein Erdendasein
zuführt Tag für Tag, aus eigener formender
Kraft
bearbeiten lernen willst um es zur
Form zu gestalten! ‒
.Darum sprach ich dir in diesem Buche in so
mannigfacher Weise von der Notwendigkeit der
Form! ‒
.Behauptest du mit Recht, dass dich im äusse‐
ren Leben vieles hindern kann, dein Leben so zu
formen wie du es gestaltet sehen möchtest, so
muss ich dir dennoch sagen, dass du auch dort
weit mächtiger bist als du vermeinst! ‒ ‒
.Nur wirst du vom
Inneren her das Äussere
bestimmen müssen! ‒
.Suche alles, was dir dein äusseres Leben
bringen mag, in
geistiger Weise zu verwerten,
indem du es geistig zu
formen strebst, und du
wirst manches Hindernis, das dir im
äusseren
Leben unüberwindlich erschien, dir gar bald
durch dein weises
geistiges Tun aus dem
Wege räumen! ‒ ‒ ‒
.Dein ganzes
äusseres Leben wird sich nach
dem Bilde deines
geistigen Lebens wandeln,
so du nur alles Äussere dir geistig zu
formen
weisst! ‒ ‒
.Gar manche nannte man «Künstler des Le‐
bens» weil sie geschickt und sicher sich den
Fährnissen entwandten, die das äussere Leben
unerfreulich machen können.
.Die
Kunst des Lebens aber von der ich dir
rede, wird dir
auch dann nicht verloren sein,
wenn du das äussere Leben auf dieser Erde einst
verlassen musst!
.Sie wird dich ihre edlen Früchte hier in die‐
sem
Erdendasein schon geniessen lassen und
sie alsdann in reichster Fülle einst in jener
neuen Daseinsart dir bieten, die auf dieses
Erdenleben
folgt! ‒ ‒ ‒
.Wahrlich, es ist wert aller Mühen, diese
Kunst zu erlernen, und keinem versagt sie sich,
der ernsten
Willens ist,
sich selbst und
alles
was er erleben mag, in
geistiger Art zu
formen! ‒ ‒
.Ihm wird auch alle
irdische Form erst ihren
tiefsten
Wert offenbaren! ‒
.In
aller Form wird er den
Geist am Werke
finden! ‒ ‒ ‒
* *
*
ENDE
DAS
GESPENST
DER
FREIHEIT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1930
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1930
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
.Nicht von der
wirklichen Freiheit,
so wie sie Dichter und Helden fand, soll
hier vornehmlich jetzt die Rede sein, ‒
mögen auch Dichter und Helden oft, wenn
auch
unwissentlich, gerade für
das ge‐
stritten und gelitten haben, wovon wir hier
zumeist nun reden müssen um der Wahr‐
heit willen!
.Nicht das erstrebenswerte Ziel des Seh‐
nens aller, die sich
unfrei fühlen, soll hier
nun etwa der Entwertung dargeboten werden,
‒ sondern das
Spottbild will ich uner‐
bittlich aufzulösen suchen, das, mehr als
je, die Freiheitsdurstigen in unseren Tagen
narrt. ‒
.Hier ist nur zu helfen durch
Erhel‐
lung, und nur
lebendigem Lichte kann
es noch gelingen, einen Trug tagwacher
Träume zu zerstören, der, ‒ getragen von
den schwülen Dünsten allzuerdenhaften Hof‐
fens und Verlangens, ‒ tagtäglich unzählige
Opfer in die hoffnungslose Öde grauen‐
voller Wüsten lockt.
.Aber auch weiterhin wird die Wahrheit
gelten, daß nur denen zu helfen ist, die sich
raten lassen, und so wird denn gewiß mein
Wort nur dort allein zu helfen wissen, wo
der
Wille bereit ist: ‒ mir
zuzuhören . . .
.Weltwende wirkt das Wort, wo es wachen
Willens
erworben wird, aber wenig ver‐
mag es der Seele zu vermitteln, wo
Wider‐
stand weisen Erwerb
verwirkt!
.Nicht immer zeugt es von
Klugheit,
wenn sich das Ohr warnendem Worte
ver‐
schließt, und es ist gewiß kein Zeichen
tieferer
Einsicht, sich von Unerwartetem
wegzuwenden.
.Manches werde ich sagen müssen, was
manchen wenig genehm zu Ohren klingt,
und von Dingen werde ich zu reden haben,
die heute den Allermeisten
undinglich
wurden.
.Aber nicht alles, was den Einen
uner‐
faßlich ist, muß darum den Anderen
un‐
begreiflich bleiben, und es ist wahrhaftig
kein Wahrmal der
Wirklichkeit, daß sie
auch denen gefallen müsse, die lieber
träu‐
men, wo sie
denken sollten, so daß sie
erkenntnisblind werden für alles was die
Höhe ihrer Träume
überragt.
.Nur solche Wüstenwanderer, die selbst
den Weg zur Oase
kennen, werden das
Blendwerk der Luft in den heißen Dünsten
rieselnden Sandes von der vertrauten
Wirk‐
lichkeit zu unterscheiden wissen.
.Mag auch die Reisekarawane, die ein
Wüstenkundiger führen soll, schier unab‐
sehbar sein, so fällt doch aller Neulinge
Meinung nicht ins Gewicht gegenüber dem
Wissen aus Erfahrung, das den Sicheren
zwingt, das Frohlocken zu dämpfen, und
als
Trugbild zu erklären, was nur Trug‐
bild
ist . . .
.Ich weiß hier Bescheid und
weiß zu
raten und zu helfen, denen, die sich noch
raten und helfen lassen
wollen!
.Wem meine Worte etwa „überheblich”
klingen mögen, der kennt mich noch nicht!
.Ihm bin ich zu sagen gezwungen, daß
ich aus Ländern der Seele komme, in denen
keiner der daselbst bewußt Lebendigen,
ge‐
sonderter Erkenntnis sich vor Anderen
rühmen könnte.
.Im
gleichen Lichte lebend und bewußt,
wäre uns jegliches Streben nach
Vorrang
voreinander arge
Torheit!
.Um wieviel mehr aber müßte es mir
als ärgerliche Torheit gelten, wollte ich mich
vor
denen brüsten, die noch
nicht in den
Ländern des Lichtes lebendig sind!
.Ich würde aber zum Lügner, wollte ich zu
verbergen suchen, daß mir
noch Anderes
allzeit gegenwärtig ist, als all das, was mir
hier auf Erden nicht näher und nicht ferner
steht, wie
allen meinen Nebenmenschen. ‒
.Millionen sind in diesen Tagen des
Glaubens, daß ihnen nichts anderes zu
ihrem Glücke, als nur „
die Freiheit” fehle.
.So denkt nicht nur der Sträfling in seiner
Zelle, ‒ so denkt auch der Fürst, der sich
mancher Freiheit begeben mußte, die seine
Vorahnen voreinst genossen. ‒
.Aber fast alle sehen nur ein
Gespenst
der Wüste locken, das jeden zur Beute
„wilder Tiere” werden läßt, der ihm guten
Glaubens folgt . . .
.Wo leider so Viele eines Glaubens, eines
Hoffens und einer Liebe sind, dort wird
es dem Einzelnen schwer, die Täuschung
zu durchschauen, und nur zu willig läßt
er sich verleiten durch die Allgewalt des
Massenwahns.
.Des
Un-Heils wahrlich genugsam kundig,
trachtet der Mensch danach, den Ausweg zu
seinem „
Heil” zu finden, und „
heilig”
wird ihm auch jedes
Truggebilde, das ihm
gleißend verheißt, ihn zu seinem Heil zu
führen.
.So kam das
Gespenst der Freiheit in
der Menschenwelt zur
Macht, und droht
schon fast alle in die Irre zu führen, die
nach
wirklicher Freiheit streben.
.Gar unbestimmt, und nach Weise der
Wolken nebelhaft zerfließend, ist das Schein‐
gebilde, das heute den Meisten als „die
Freiheit”
gilt.
.Wirkliche Freiheit aber tritt nur
klar
und
bestimmt in Erscheinung, denn sie
bedarf gefestigter
Form!
.Nur in solcher Selbstfassung vermag es
echte Freiheit, zu
bestehen und befreiend
zu
wirken!
.Nicht in Form gefaßt, würde sie
sich
selbst aufzehren.
.„
Grenzenlose” Freiheit wäre identisch
mit
Selbstvernichtung des Freien. ‒
.Freiheit, die nur
Begriff bleibt und
nicht
erfühlt werden kann, ist
wertlos
für den Menschen!
.Erfühlen läßt sich aber nur
Be‐
grenztes. ‒
.Nur
Grenze verleiht
Form, und nur
vor wohlbegrenzter Form bleibt Fühlen be‐
hütet vor dem Zerfließen.
.Form ist
Ausgleich zwischen allem
„
Zuviel” und allem „
Zuwenig”.
.Wo
wirkliche Freiheit herrscht, dort
kann nicht die Rede sein von „
zuviel”
oder „
zuwenig Freiheit”, denn „zuwenig”
würde ihr Dasein ebenso
verneinen, wie
„zuviel” . . .
.Wo solches Messen noch
möglich ist,
dort herrscht nur das
Gespenst, dem der
Mensch die Macht „zumessen” kann nach
seiner Willkür. ‒
.Wirkliche Freiheit ist niemals Selbst‐
zweck!
.Wirkliche Freiheit empfängt allen Wert
von den Zwecken, denen sie
dient!
.Wirkliche Freiheit ist die Frucht erfüllter
Notwendigkeit und soll dazu dienen,
Höheres als Freiheit zu erreichen!
.Niemals wirft sich Freiheit zur Herrin
des Willens auf, denn Freiheit ist
Dienst
am Willen!
.Das
Gespenst der Freiheit aber sucht
des Willens
Unterjochung, strebt allen
Willen
aufzusaugen, um selbst in der
Macht zu bleiben . . .
.Das
Gespenst der Freiheit zeugt in allen
die ihm folgen: tolle Sucht ins
Grenzen‐
lose!
.Das
Gespenst der Freiheit
zersetzt alle
Fähigkeit, Form zu
empfinden!
.So zerstört es alle Sicherheit des
Er‐
kennens, denn nur wo
Form empfunden
wird, ist
Erkenntnis möglich . . .
.Nicht umsonst aber sprachen die alten
Weisen von der „Nichterkenntnis” als von
einer „
Schuld”, ‒ auf welches Wort ich
auch an anderer Stelle schon zu achten
lehrte . . .
.Schuld entsteht, wo
gegebene Kraft
dem Eigner oder seinen Mitgeschöpfen
Schaden schafft, sei es durch
Mißbrauch,
oder aber
Unterlassung rechter An‐
wendung!
.Wer somit dem Trugbild, dem er sich
versklavte, weiterfolgt, obwohl ihn meine
Worte weckten,
selbst sich die
Gewiß‐
heit zu verschaffen, daß ihn nur ein „
Ge‐
spenst” zum Narren hält, der wird sich
schwerlich ledigsprechen können von eigener
Schuld . . .
.Da alle Schuld jedoch stets ihre
Folge
fordert und mit aller Sicherheit
erzwingt,
so wird er sich nicht wundern dürfen, wenn
sich ihm die durch ihn selbst gerufene Folge
an die Fersen heftet, und ihn vielleicht
gerade dann erreicht, wenn er zu
greifen
glaubt, was nur die Spiegelung der Dünste
dürren Denkens in leerer Luft: ‒
speku‐
latives Traumbild, ‒ „
Fatamor‐
gana” war. ‒
.So hoch den alten Griechen ihre Götter
stehen mochten, so kannten die Weisen jener
Tage doch noch ein
höheres, geheimnis‐
volles Prinzip, dem sie auch die Götter
unterordnet dachten: ‒ „
Ananke”, = die
Notwendigkeit.
.Wer sich abkehren will von der „Fata‐
morgana” allerwärts wechselnden, wesen‐
losen
Scheines der Freiheit, ‒ wer dem
Gespenst der Freiheit endlich die Gefolg‐
schaft aufsagt, ‒ der mag hier verweilen.
.Die Weisheit der Alten dürfte auch
seiner Seele noch erfühlbar sein . . .
.Sicherlich suchte er ja
die wirkliche
Freiheit, als er vormals ihrem
Gespenst
begegnet war, dem er nur deshalb seinen
Glauben dargab, weil er es für die heiß‐
erstrebte,
wirklichkeitsgezeugte Freiheit
hielt.
.Will er nun endlich das Kennmal wirk‐
licher Freiheit erfahren, dann wird es ihm
aufleuchten hier in ungeahnter Helle, sieht
er die Menschen der Vorzeit ihre Götter:
‒
die Freiesten der Freien, ‒ unter‐
ordnen der
Notwendigkeit. ‒ ‒
.Eilfertig weiß das hirngeborene
Ge‐
spenst stets das Kennmal der
wirklichen
Freiheit zu
beschatten, und mit blenden‐
den Bildern die wahnwirre Hoffnung zu
wecken, daß Freiheit auch frei zu machen
vermöge von aller Forderung des Gebotes
der
Notwendigkeit . . .
.Wirkliche Freiheit aber erwächst nur
aus dieses Gebotes vollkommenster
Er‐
füllung!
.Es ist noch keiner
wirklich frei ge‐
worden, den die
Notwendigkeit nicht
„freigesprochen” hätte! ‒
.Wem aber das Trugbild als
gleichen
Wertes wie die
wirkliche Freiheit gilt,
der ist wahrlich der Freiheit nicht wert!
.Frei sein, heißt denken, reden und
handeln, wie
Notwendigkeit es will, ‒
und seine Not zu wenden, weiß, wer solcher‐
weise
Freiheit sich erwirkt! ‒
.Wahrhaftig! ‒
keine Macht wird ihm
die so erwirkte Freiheit jemals wieder rauben
können!
.Wenig aber ahnen die Gespenstgeblen‐
deten von dem, was solche Freiheit einem,
der sie zu erlangen wußte, dann er‐
schließt. ‒ ‒
.Notwendigkeit ist nicht „
Zwang”, ‒
sonst
könnte ja wahrlich Keiner ihr ent‐
gegenwirken!
.Notwendigkeit ist das höchste, geistige
Ordnende im Menschen, wie in allem
Leben, und das eben wollten die Alten
bekennen, wenn sie „
Ananke” noch
über
die
Götter stellten! ‒ ‒
.Zwang ist nur
irdisch bedingte Gewalt:
‒ das wahre
Zerrbild der Notwendigkeit!
.Zu gar manchem kann man dich, und
kannst du Andere
zwingen, was gewiß
nicht der
Notwendigkeit entspricht. ‒ ‒
.Notwendigkeit ist die gesetzte Ord‐
nung des Allgefüges,
dem der Einzelne
einbezogen ist.
.Keiner kann diesem Gefüge und seiner
Ordnung sich auch nur für Augenblicke
entwinden, mag er auch alles für seine Vor‐
stellung zu negieren suchen, außer sich selbst!
.Stets bleibt er in Wirklichkeit mit dem
unermeßlichen Ganzen
vereint, ‒ schädigt
sich selbst, wenn er diesem
Ganzen nicht
entspricht, und schädigt das
Ganze, wenn
er
sich selbst nicht aus innerer Ordnung
zu entfalten weiß. ‒
.Nur das
wirkliche Geschehen aber
ist hier entscheidend!
.Der Träumer, der in seiner Höhle sitzt
und seine Phantasie erhitzt bis sie ihm
jedes Geisterreich nach Wahl in seiner Vor‐
stellung erstehen läßt, ‒ der vornehme
Aesthet, der sich von allem äußeren Ge‐
triebe sondert um nur „in Schönheit” zu
leben und alltagsferne seine Wortewelt zu
gebären, ‒ sie gelten dem unermeßlichen
Ganzen gleichviel wie der brutale Genüß‐
ling, der nur seinen stets erregten Tier‐
sinnen dient. ‒ ‒
.Der solchermaßen Wahnbetörten „
Wirk‐
lichkeit” ist nur ein armer Mensch, der
seiner
Eigensucht erliegt, und nicht er‐
füllt, was „
Ananke”: die über allen Göttern
alles Leben ordnende
Notwendigkeit, von
ihm verlangt. ‒
.Wesenlos bleibt, was immer er sich schuf
als seine
Eigenwelt, mag es ihm auch ge‐
lingen, ihr in tausenden von anderen Men‐
schenhirnen Wiederspiegelung zu schaffen!
.Es ist nichts
Wirkliches damit erreicht!
.Willst du zu
wirklicher Freiheit
kommen, so mußt du
erfüllen, was
Not‐
wendigkeit jeweilens dich erfüllen
heißt!
.Das
Gespenst der Freiheit wird dich
erregen, so daß deine Phantasie alles Den‐
ken überspannt!
.An dich und Andere wirst du Forderung
stellen, die nicht in
Notwendigkeit be‐
gründet ist, sondern im
Zwang deines
„überspannten”
Denkens . . .
.Weil du
zu viel „verlangst”, kannst du
nichts, oder
allzuwenig nur „erlangen”,
und was du dir, giertriefend, dann etwa
zu
rauben suchst, wird dir alsbald von
denen wieder abgenommen, die vordem
deine Gefährten waren . . .
.Der
Maßstab der
allein für alles Leben
gilt, geht Allen
verloren, die in wilder
Hast dem
Gespenst der Freiheit folgen!
.„
Berechtigt” nennst du deine
Kritik,
‒ aber wo in dir willst du ein
Recht
zur Verwüstung finden? ‒ ‒
.Kritik ist wie eine Sturzflut, die herab
von eisigen Gletschern fällt.
.Man muß ihr
Dämme bauen, wenn sie
Segen bringen soll! ‒
.Es ist begreiflich, daß du alles um dich
her nach
deinem Wunsch geordnet sehen
möchtest, ‒ aber bist du denn
selbst
bereits
in dir geordnet?!?
.Wie kannst du erwarten, daß das Ganze,
dessen winzige Zelle du darstellst, sich allein
nach
deinen Wünschen richten könne?!?
.Du wirst erst dann erkennen lernen,
was dir zum Heile dient, wenn du der
Not‐
wendigkeit vertrauen lernst!
.Sie nur kann dich lehren, was dir
dauernd erhalten bleibt, wenn du es ein‐
mal erlangtest!
.Erfüllung des Gebotes der
Notwen‐
digkeit kann dir allein die
wirkliche
Freiheit bringen, nach der du dich sehnst,
auch wenn du noch befangen bist im Wahn,
daß Freiheit sich als
Willkür dir zu eigen
geben müsse. ‒ ‒
.Grau und düster wurde das Leben noch
allenthalben, wo man
Freiheit verlangte,
ohne Erfüllung des Gebotes der
Notwen‐
digkeit!
.Grinsend erhebt sich sodann der Frei‐
heit wesenloses
Gespenst über weite Lande
und vergiftet mit seinem lebenertötenden
Hauch alle Keime
wirklichen Freiheits‐
willens. ‒
.Alle Tragkraft der Seele übersteigt die
Verantwortung derer, die es, ‒ wenn
auch guten Glaubens, ‒ auf sich nehmen,
Andere einem Trugbild zuzuführen, das
in solche Verzweiflung lockt! ‒ ‒
.Untragbar aber ist auch schon des
Verlockten Verantwortung, der nicht zu
widerstehen wußte, wenn ihm Unmögliches
verheißen wurde, obwohl er wahrlich wis‐
sen konnte, daß doch alles, was sich je‐
mals hier auf Erden nicht der Fügung ein‐
zufügen strebte, die
Notwendigkeit ihm
darzubieten hatte, unweigerlich zugrunde‐
gehen mußte, mochte auch irdischer Zwang
der Zersetzung oft noch eine Weile wehren . . .
.Notwendigkeit rechnet mit
anderen
Zeitwirklichkeiten als jenen, die einem
Erdenmenschenleben überblickbar werden
können! ‒
.Niemals kann sie sich „
verrechnen”,
denn sie ist
Wert und
Inhalt aller Zahl!
.Alle
Wirklichkeit im irdischen und
übererdenhaften Dasein ist in ihr begründet!
.Sie trägt das Firmament der Sonnen‐
schwärme, und ihre ordnenden Gewalten
geben jedem Sandkorn in der Wüste Maß
und Form!
.Vergeblich sucht der Mensch nach einer
Quelle erdenhaften Heils, die
ohne „Fassung”
solcher festen Fügung, dauernd fließen
könnte! ‒
.Vergeblich strebt nach
Freiheit, wer
sie
anders sucht, als in Erfüllung aller
Forderungen der
Notwendigkeit!
.Nicht nur die
Götter müssen sich
„
Ananke” beugen, sondern auch ‒ der
Erdenmensch . . .
.Der Mensch bedarf
auf dieser Erde
der Gemeinsamkeit, so wie er auch
im
Geiste gleicherweise sich nur
in Gemein‐
samkeit erleben kann!
.Gemeinsamkeit im
äußeren Leben
heißt: ‒ was dir
zu eigen ist als „
Mei‐
nung”, auch
anderer „Meinung” so zu
einen, daß aus
Aller Meinen ein gemein‐
samer Besitz erwächst.
.Jeder Einzelne ist eines
anderen „Mei‐
nens” in dem er das, was bei so manchem
Fischzug seines Denkens
sein geworden
ist, sich faßbar macht.
.Aber jedes Einzelnen „Meinen” läßt sich
mit dem des Anderen
ver-
einen, und so
entsteht
Gemeinsamkeit.
.Jeder nimmt dann an des Anderen
„Meinen” seinen An-Teil, und es gestaltet
sich, als
All-„Gemeintes”: das
Gemein‐
same.
.Notwendigkeit aber läßt den Menschen
das Gemeinsame auch dort noch suchen,
wo sonst
verbindsame „Meinung”
fehlt,
‒ besonders, wenn es
Not zu wenden gilt,
die
aller „Meinung” nach, sehr schwer er‐
tragbar ist . . .
.So besteht in unseren Tagen die
um‐
fassendste Gemeinsamkeit durch allge‐
meine
Unzufriedenheit.
.Wenige nur werden hier auszuschließen
sein.
.Vor allem gilt die Unzufriedenheit den
Formen, die das menschliche
Gemein‐
schaftsleben sich zu eigener Sicherung
erfand, mag solche Sicherung zuweilen auch
den Untergang bedeuten für den Einzelnen.
.Und hier ist Unzufriedenheit gar oft
im
Recht!
.Es ist Torheit, das Gemeinschaftsleben
aufzubauen, unbekümmert um das Wohl
des Einzelnen der doch des Ganzen
Bau‐
stein darstellt, und der Gemeinschaft
dann
nur freudig dienen kann, wenn sie ihm da‐
zu dient, sich selber zu erhalten.
.Es ist jedoch die gleiche Torheit, wenn
der Einzelne sich selber so verkennt, daß
er
um seines bloßen Daseins willen
schon ein Recht zu haben glaubt, Gemein‐
schaftsdienst für sich zu fordern, sei es in
hoher Sonderstellung, oder um der Not‐
durft seines Lebens zu begegnen . . .
.Ich meine
nicht das Gleiche, wenn ich
von „
Gemeinschaft” spreche, oder von
„
Gemeinsamkeit”!
.Was der
Gemeinschaft angehört, ge‐
hört nicht
mir, ‒ wohl aber das, was ich
mit Anderen
gemeinsam habe.
.Vor allem aber ist für mich „
Gemein‐
schaft”: ‒
äußere Zusammenfassung, wäh‐
rend „
Gemeinsamkeit” die
Seele an‐
geht. ‒
.So kann der Einzelne denn auch nicht
Anspruch stellen, daß die
Gemeinschaft,
nur
um seines Daseins willen mit ihm
teile, was an Werten ihr gehört!
.Er selbst muß erst
durch seine eigene
Leistung „Mitbesitzer” werden am
ge‐
meinschaftlich verbundenen Besitz, ‒
und seinen „Anspruch” wird der
Wert be‐
stimmen, den die
Gemeinschaft seiner
Leistung zuerkennt.
.Unsinnig ist es, will man hier ein
an‐
deres Wertmaß fordern!
.Stets wird die Gemeinschaft hoch zu
werten wissen, was sie
entbehren würde,
bliebe es ihr versagt.
.Wie könnte man jedoch erwarten, daß
sie
tausendfältig dargebotenes Talent
so
hoch bewerten solle, wie irgend eine
Son‐
derleistung, deren sie
bedarf!? ‒
.In
keiner Gemeinschaftsform kann das
anders sein!
.So mag der Einzelne zur Unzufrieden‐
heit ein Recht besitzen gegenüber der Ge‐
meinschaft, ‒ doch die Gemeinschaft bleibt
nicht minder auch bei
ihrem Recht.
.Suchst du zu leisten, was sonst die Ge‐
meinschaft, ohne dich,
entbehrt, dann wird
sie dir in
gleichem Maße „Mitbesitz” an
ihrem Eigentum gewähren, wie sie durch
deine Leistung sich „
bereichert” fühlt. ‒
.Die
Zahl, nach der man deine Leistung
wertet, bestimmt deine „
Bezahlung”! ‒
.Sagst du jedoch, du
könntest das, was
die Gemeinschaft braucht, nicht leisten, so
gibst du selbst dein
Unvermögen zu, und
darfst dich nicht beklagen, wenn man dir
keinen
An-
Teil bietet, wo du nichts
mit‐
zuteilen, oder darzubieten hast, was man
zu werten weiß! ‒
.Es wird dir wenig nützen,
klagst du
über die „
geringe Einsicht” der Ge‐
meinschaft, die deine Leistung nicht nach
dem von
dir bestimmten Werte schätzen
könne. ‒ ‒
.Anders bezeugt sich
Gemeinsamkeit!
.Hier wird man das, was du zu bringen
hast, als Zeugnis deiner Fähigkeiten achten,
auch wenn man es gewiß niemals entbehren
würde, und zugleich wird man von dir
erwarten, daß du auch die Leistung jedes
Anderen zu achten weißt, sofern sie nicht
zurückbleibt hinter dem Vermögen seiner
Kraft.
.Man wird dir zu helfen suchen, soweit
man
kann, wird aber auch auf
deine Hilfe
bauen, wo
du helfen kannst.
.Aber vor allem wird man danach fragen:
wer du bist?! ‒
.Gemeinschaft fragt nur nach der
Lei‐
stung, ‒
Gemeinsamkeit fragt nach dem
ganzen Menschen!
.Erst dort, wo sich Gemeinschaft
nicht
in ihrer Form
bescheidet, sondern sich
zu seelischer Gemeinsamkeit erhebt,
wird alle Unzufriedenheit verschwinden, ‒
obwohl die
Ungleichheit bestehen bleiben
muß, da sie natur- und geistbedingt ist
in
Notwendigkeit! ‒ ‒
.Unser
Gemeinschaftsleben krankt an
der
Verhärtung der Arterien die ihm Blut
zuführen sollen zur Erhaltung . . .
.Es wird nur gesunden können, wenn
es mehr und mehr sich wandeln läßt zu
wahrer
Gemeinsamkeit!
.Auch jetzt schon glaubt man ja so
manches „in Gemeinsamkeit” zu tragen,
oder zu besitzen, ‒ aber das Wort Ge‐
meinsamkeit ist da nur bloße Scheidemünze,
und was es rechtens bezeichnet, fehlt noch
allzusehr. ‒
.Noch ist man weit davon entfernt, die
„Meinung” eines Anderen zu achten, weil sie
das „Seinige”: ‒ weil sie
sein Eigentum
darstellt!
.Noch wird die
Leistung allenthalben
nur nach ihrer materiellen, momentanen
Wertvermehrungsfähigkeit gewertet, und der
Mensch bleibt ohne jegliche Beachtung,
wenn er nicht etwa mitbenötigt wird um
seine Leistung
darzubieten vor der ihn
für die Darbietung entlohnenden Gemein‐
schaft.
.Es fehlt noch
gar viel, soll aus der Ge‐
meinschaft die Gemeinsamkeit erstehen! ‒ ‒
.Der Mensch in der
Gemeinsamkeit
ist seines eigenen Wertes
wohlbewußt und
schöpft
aus diesem Selbstbewußtsein
alle Achtung, die er auch dem
Andern
zugesteht.
.Er weiß, daß er nur in dem gleichen
Maße seiner
eigenen Entfaltung nahe kom‐
men kann, wie er auch
Anderen zu helfen
sucht, zu
ihrer Selbstentfaltung zu ge‐
langen.
.„Gemeinsamkeit”
bedingt wahrhafte
Freiheit im Gefüge der
Notwendigkeit,
während „Gemeinschaft” keinesfalls davor
bewahrt, die Beute des
Gespenstes der
Freiheit zu werden!
.Gemeinsamkeit gleicht alle
Gegen‐
sätze aus, da sie nicht minder
das Ge‐
ringe eingefügt weiß der
Notwendigkeit,
wie das die Menge
Ueberragende!
.In der
Familie findet seelische Gemein‐
samkeit ihr erstes Wirkungsfeld.
.Gesegnet sind die Glieder der Familie,
die es zu benützen wissen!
.Weiter dehnt sich dieses Wirkungsfeld
dann über
Gemeinde,
Land und
Länder
aus . . .
.Allem Menschenleben bietet es Raum
und Gedeihen!
.Allen vermag es
wirkliche Freiheit
zu sichern, in der Fügung der
Notwen‐
digkeit!
.Ist Freiheit aber allen
gemeinsam, so
wird sie wahrlich keiner dem anderen mehr
entziehen wollen.
.Sie ist gesichert, als eines
jeden Einzelnen
unbedrohtes „
Eigentum”!
.Sie ist
Besitz geworden, ‒ ist nun
nicht mehr Traum der Sehnsucht!
.So kann auch keiner mehr verleitet wer‐
den, dem
Gespenst der Freiheit nachzu‐
jagen, und wo es ihm begegnet, wird er
nur verlachend ihm den Rücken kehren.
.Dann wird auch Keiner seine Freiheit
je
geschmälert glauben, lehrt ihn
Not‐
wendigkeit, mit vielen Anderen sich einem
Willen unterordnen, in dem Gemeinsamkeit
die
vielen Willen
eint! ‒ ‒
.Urbeginn der Vielheit ist die
Ein‐
heit, ‒ aber auch
der Vielheit höchste
Krönung!
.Nur
unter einer Einheit kann in
Vielheit wahre
Freiheit sich erhalten!
.Einheit aber bleibt
starr und
steril,
ragt sie nicht über einer ihr vereinten
Viel‐
heit auf! ‒
.Aus Vielheit
erhebt sich
Einheit, um
Vielheit in sich zu
einen!
.So
vollendet sich
Gemeinsamkeit! ‒
.So baut
Gemeinsamkeit sich selbst
zur
Pyramide auf, und krönt sich selbst
in ihrer höchsten
Einheit! ‒ ‒
.Nicht
Wahl und
Willkür aber darf
bestimmen, was hier nur wahre
Freiheit
aufzurichten weiß!
.Und nur nach Ordnung
eingefügt dem
Ganzen, wird der
Einzelne zum
Träger
jener
Einheit, zu der
Gemeinsamkeit
sich aus sich selbst
erhebt, ist sie in sich
vollendet! ‒
.Menschen sah ich am Werke, die Un‐
erhörtes forderten von allen
Anderen, ‒
aber nicht vermochten, auch nur die ge‐
ringste Forderung an
sich selbst zu stellen.
.Andere sah ich, die fast Übermensch‐
liches von sich verlangten, das Gleiche aber
auch von Anderen erwarteten.
.Beides ist unmöglich, wo
wirkliche
Freiheit herrscht!
.Beides kann keine Rechtfertigung finden
vor den Geboten der
Notwendigkeit!
.Einer mag dem Anderen also gleichen,
daß man beide fast verwechseln könnte,
und doch ist Keiner irgend eines Anderen
seelisches Ebenbild!
.Daß du ein
Maß dir selbst geschaffen
hast, für das, was du von
dir verlangst,
gibt dir kein Recht, das gleiche Maß auch
anzuwenden, wenn es sich um deinen
Nebenmenschen handelt!
.Eines jeden Menschen Maß wird nur
bestimmt durch die ihm
eingeborene
„Maßgerechtigkeit”!
.Viel wird verdorben in der besten Ab‐
sicht, weil man sich „
Rechte” zugesteht
auf Grund erfüllter Pflichten, ohne sich zu
fragen,
wo denn das „Recht” begründet sei,
die freie Forderung die man an
sich zu
stellen und auch zu erfüllen weiß, auf
An‐
dere zu übertragen?? ‒
.Mit Recht sträubt sich vielmehr das Kind
schon gegen solche aufgedrungene Belastung,
‒ mit Recht verwehrt sich ihr der jugend‐
liche Mensch, soweit er nicht durch Zwang
dazu bewogen wird, sich grollend ihr zu
fügen . . .
.Es ist gewiß hier nicht die Rede von der
Beispiels-Einwirkung, die dem, auf den
sie wirkt, noch alle
Freiheit läßt, sondern
von jener argen Art, die das, was sie an
sich als wertvoll achtet, auch mit Ingrimm
Anderen beizubringen sucht, ‒ ganz ohne
Ahnung, daß die
wahren Werte dieser
Anderen vielleicht ihr selber ewig
artfremd
und daher ganz
unerkennbar sind. ‒
.Wie der von seinem Werte Überzeugte
aber tausendmal das Blatt gewendet hat,
so soll es nunmehr auch der Andere wenden,
über den ihm Macht gegeben wurde . . .
.Zahllos sind die Beispiele des alltäg‐
lichen Lebens, die Lust am Zwang in solcher
Art am Werke zeigen, aber zahlreich auch
die halbzerstörten Leben, die kaum noch
zur Entfaltung kommen können, weil ihnen
voreinst allzuviel Besorgnis, oder einge‐
steifter Eigensinn, die Freiheit „
auszutrei‐
ben” wußte . . .
.Wo aber Freiheit „ausgetrieben” wird
durch Zwang, dort wird alsbald der Zwang
zum
üblen Führer: ‒ zum
Verführer
werden, der dem
Gespenst der Freiheit
Folge leisten lehrt. ‒
.Autorität läßt sich mit
Freiheit derer,
die sich selbst ihr unterordnen, unbedingt
vereinen, und unvereinbar bleibt ihr nur
das
Trugbild, das nur eine Freiheit
vor‐
täuscht, die der ewigen
Notwendigkeit
entrückt erscheint! ‒
.Zwang aber ist ein wühlender
Ver‐
nichter jeglicher Autorität, denn seine
starre Form der Forderung ist Einbruch in
des Anderen
Selbstbestimmungsrecht!
.Selbst dort soll man den Zwang nach
aller Möglichkeit zu meiden suchen, wo des
zu Zwingenden Wohl ihn streng zu fordern
scheint!
.Zwang bleibt stets ein schlimmer
Not‐
behelf, ‒ auch dort, wo seine Anwendung
zu Zeiten nicht umgangen werden
kann!
.In ungezählten Fällen wäre Zwang je‐
doch
vermeidbar, bestünde
wirkliche
Autorität, als selbstgewollter Ausdruck in
Notwendigkeitserfüllung ihrer selbst gewisser
Freiheit. ‒ ‒
.Wo noch der
Zwang vonnöten ist, „
Au‐
torität” zu stützen, dort ist zu fragen: ‒
ob denn
wirklich noch Autorität
bestehe,
oder nur ihr
Spottbild, das sich zwänglich
zu erhalten strebt?!
.Autorität ist nur zu gründen auf in
Freiheit dargebotenes
Vertrauen!
.Wo die Gewißheit fehlt,
sein eigenes
Wohl gewahrt zu sehen, dort ist für jeden
freien Menschen schon
zerstört, was wirk‐
liche Autorität als
Unterbau benötigt.
.Wie alles, was in Sicherheit gefestigt
stehen soll, bedingt ist durch den Boden,
der es trägt, und durch die in den Boden
eingesenkten Fundamente, so auch Autorität,
‒ und dann nur wird sie unbedroht be‐
stehen bleiben, wenn keine Flut sie unter‐
spülen, kein Nachtgetier sie unterwühlen
kann . . .
.Nicht was sich selbst berechtigt: ‒ An‐
deren „
Autorität” zu heißen,
ist dadurch
Autorität, jedoch wird man vergeblich die
Entfaltung irgend einer menschlichen Be‐
fähigung erwarten, wo nicht
Autorität das
Recht der
Lenkung übt! ‒ ‒
.Auch alle, die berechtigte Autorität zu
stürzen suchen, unterstellen sich bewuß‐
ten Willens einer
eigenen Autorität, die
strengste Folgeleistung fordert. ‒
.Es muß sich dann zuletzt erweisen, wo
die
wirkliche Autorität besteht, und wo
nur
Zwang und
Überredung Rechte zu
erhalten suchen, die das Vertrauen voreinst
zwar gegeben hatte, aber fürder nicht mehr
zuerkennen kann . . .
.Lange mag Entscheidung sich in solchem
Fall verzögern, ‒ zuletzt jedoch siegt die
Notwendigkeit, die
dort allein Autorität
bestehen lassen kann, wo
Freiheit und
Vertrauen sie begründen.
.Wo das
Gespenst der Freiheit Folge
fand, dort wütet alsbald auch die fressende
Sucht, bestehende Autorität zu stürzen, um
eigene mit Zwangsgewalt an gleicher Stelle
aufzurichten.
.Es kann recht lange währen, bis die
fürchterliche Folge solcher Seuche die Be‐
törten endlich zu der Einsicht zwingt, daß
sie zerstörten, was sie hätten
nützen
sollen . . .
.Noch niemals aber ist der Tag der Ein‐
sicht ausgeblieben, und wehe denen, die als‐
dann der Trümmerhagel trifft, wenn ihre ei‐
gene Autorität in sich zusammenstürzt! ‒ ‒
.Jedoch noch immer wußte die
Not‐
wendigkeit auch wieder wirkliche Auto‐
rität, in wahrer Freiheit fest gegründet durch
Vertrauen,
aufzurichten, wenn sie auch
nicht die Opfer rückerstatten konnte, die
irrendes Verlangen vordem forderte.
.Das Leben weiß die unumgänglichen Ge‐
setze seiner Selbsterhaltung immer wieder
zu behaupten, auch wenn sich Willkür an‐
maßt, ihre eigenen Gesetzestafeln aufzu‐
stellen . . .
.Auch
reinste Absicht muß zuletzt zu‐
schanden werden, will sie Änderung an
dem bewirken, was
Notwendigkeit ver‐
langt, soll Leben nicht sich selbst zer‐
setzen. ‒ ‒
.Da sich Erkenntnis aber nicht erhandeln
läßt, und allzuoft auch
bloßer Geltungs‐
trieb sich durchzusetzen sucht, im Wahne,
Wandlung zu bewirken nach der Weise die
er sich erträumte, so fordert schon die
bloße
Klugheit, niemals blind
Autori‐
tätsberechtigung zu geben, wo Sturz
be‐
stehender Autorität als Mittel angeraten
wird, zur Freiheit zu gelangen. ‒
.Stets darf man sicher sein, daß denen,
die mit solchem Rat Gefolgschaft werben,
nur das
Gespenst der Freiheit „vorschwebt”,
dem sie, selbstgeblendet, folgen, nicht das
Unheil ahnend, dem sie sich und Andere
entgegenführen!
.Wo aber wirkliche Autorität
besteht,
gegründet im Vertrauen derer, die in ihr
sich selber Leitung setzen, dort wird die
ihrer selbst gewisse Einsicht keineswegs
die selbstbestimmte Unterordnung als
Ver‐
minderung der
Freiheit fühlen.
.Auch ist die wirkliche Autorität stets
in sich selbst gesichert vor Erstarrung, weil
sie bewegt bleibt durch die Einzelwillen
aller, die sich ihr in freier Anerkennung
einen.
.Gesetzt in der Erkenntnis des Gebotes
der
Notwendigkeit, schafft sie den ihr
Vertrauenden die Hilfe, deren sie bedürfen
zur
Erfüllung des Gebotes, aus der die
wahre Freiheit sich allein ergeben kann. ‒
.Fast unsühnbare Schuld ist darum
jeder
Mißbrauch aufgetragener Autorität,
‒ doch richtet solcher Mißbrauch stets sich
selbst, indem er das
Vertrauen unterwühlt,
in dem allein Autorität
Begründung fin‐
den kann, so daß, wo Mißbrauch sich er‐
eignet, früher oder später in sich selbst
zusammensinken muß, was seinen Fortbe‐
stand verwirkte.
.Urtief begründet in der menschlichen
Natur ist das Zusammenstreben derer, die
nach gleichem Ziele trachten, zur
Ver‐
einigung.
.Was Einzelwille nie bewirken könnte,
wird durch die Sammlung
vieler Willen
oftmals doch noch Wirklichkeit, und eigene
Überzeugung findet Selbstgenuß, wenn sie
der gleichen Überzeugung auch in Anderen
begegnet.
.Vielfältige Betrachtungsweise aber kann
dem gleichen Gegenstande gelten, und recht
verschiedentlicher Sehnsucht Ziele er‐
scheinen Menschen als erstrebenswert.
.So ist es denn gewiß nicht widersinnig,
wenn
mancherlei Vereinigung sich bildet,
um jeweils
anderem Ziele zuzustreben, und
reiches Leben kann aus solcher Vielheit
sich erheben, trachtet sie danach, die Einzel‐
körperschaften
wieder in Vereinigung zu
fassen: einem Ziele zugewandt, das aller
einzelnen Parteiung sonderliche Ziele
über‐
ragt.
.Es ist nicht schwer, ein solches Ziel zu
finden, wird es nur dort gesucht, wo
aller
Wohl es finden lehrt, als solches das
vor
allen Sonderzielen erst erreicht sein muß,
und
nach ihrer Erreichung dann auch das
Erreichte
sichert.
.So, wie dem
Einzelnen gar vieles un‐
erlangbar bleibt, was die
Vereinigung der
Vielen noch erlangt, so bleibt auch jeglicher
Vereinigung noch vieles unerfüllt, dem eine
überragende „
Vereinung der Vereini‐
gungen” zur Erfüllung helfen kann.
.Selten aber ist solche Sammlung, obwohl
sie die Regel bilden sollte!
.Allzuselten sind noch die Einzelnen, in
denen jene blinde Gier des Tieres
über‐
wunden ist, das sich auf seines Artgenossen
Futter stürzt, auch wenn es die ihm selber
dargebotene Nahrung dabei wild zertram‐
pelt . . .
.Zu selten ist noch
Achtung fremder
Meinung, ‒ zu selten die Erkenntnis,
daß dem etwa Irrenden nur dann geholfen
werden kann, wenn er schon seines Irrtums
in sich selber kundig wurde. ‒
.Jeder glaubt sich selbst allein des
besten
Wissens sicher, und sieht in jedem Anderen
der sich auf
gleiche Weise gut beraten
glaubt, nur noch den
Feind. ‒
.So wird
Zersetzung und
Zersplitte‐
rung bewirkt, wo nur die stete
Sammlung
dereinst aller Einzelmeinung wahren
Wert
zutagefördern könnte. ‒ ‒
.Man hat sich mit den Gleichgesinnten
vielfach nur vereinigt um die eigene Einzel‐
stimme, wie ein Echo, tausendfältig zu ver‐
nehmen, ‒ da man durchaus nicht so ge‐
wissen Wissens ist, wie man zuweilen meint,
und allzubald an seiner Sicherheit den
Zweifel nagen hören würde, übertönte ihn
nicht immerfort der Chor der Vielen, die
auf gleiche Weise ihre Selbstgewißheit zu
erhalten suchen . . .
.Es wird dann jede
andere Vereinigung
verachtet und befehdet, da die
ihr Ange‐
hörigen zur jeweils gleichen „
Melodie”
sich
anderen Text ersonnen haben, der
ihnen als nicht minder inhaltsreich, und
gut begründet gilt.
.Da aber jeder Mensch sein
eigenes
Meinen hat, das sich auch immer noch in
mancher Art von dem des scheinbar gänz‐
lich Gleichgesinnten
unterscheidet, so
läßt sich jegliche Vereinigung, soweit nicht
Zwang sie künstlich noch zusammenhält,
in immer kleinere Splitter spalten, bis zu‐
letzt der Einzelne nur noch
für sich allein
„Partei” zu nehmen fähig ist.
.Nur durch das Walten der
Notwen‐
digkeit, der
kein Bezirk des Lebens sich
entziehen
kann, wird solche letzte Spaltung
doch verhütet.
.Es ist jedoch nicht zu verhindern, daß
der Trieb zur Sonderung
inmitten der
bereits gesonderten Vereinigungen argen
Schaden schafft, indem er die Vereinigten
derart verblendet, daß sie selbst nicht mehr
erkennen, was Vereinigung bewirken kann,
bleibt sie getreu gegebener Naturbegründung,
die
Zusammenfassung fordert. ‒ ‒
.Was immer auch der Glaubenssatz be‐
sagen mag, der die Vereinigten verbündet,
‒ wie immer sich die Gleichgesinnten lös‐
bar denken, was nach Lösung schreit, ‒
so bleibt doch aller
Wert vereinten Wirkens
stets bedingt durch lebenskräftigen Beweis,
daß die gewählten Wirkungsmittel
Dauer‐
bares zu gestalten mächtig sind, und nur
die stete
Überprüfung vorgefaßter Mei‐
nung kann aus ihr den Weizen sondern
von der Spreu. ‒
.Gerade aber diese stete
Überprüfung
vorbestimmten Meinens wird unmöglich, wo
Splittertrieb in immer neuen Thesen sich
Befriedigung zu schaffen sucht!
.Wo man nur flüstern sollte, wird als‐
dann
geschrien, und wo man sorglichst
sieben sollte, häuft man Schutt auf die in je‐
der denkgerecht durchpflügten Menschenmei‐
nung auffindbaren keimkräftigen Körner!
.Vergessen ist, daß alle menschliche
Ver‐
einigung nur dort ein
Lebensrecht in sich
besitzt, wo sie zu
sammeln sucht. ‒ ‒
.Soll jemals wirkliche
Gemeinsamkeit
erstehen, so wird sie nur der geistgeborene
Sinn für
Sammlung zu erzeugen wissen, in
notwendigkeitsbedingter wahrer
Freiheit!
.Altgeheiligte Kunde läßt den göttlichsten
der Erdenmenschen sagen:
.„Wer nicht mit mir
sammelt, der
zer‐
streut!”
.Wenn je ein Menschenwort: „
Wort
Gottes” war, so ist es hier gesprochen
worden! ‒ ‒
.Nicht sammeln, ‒
nicht zu sammeln
suchen, ‒
ist schon an sich selbst:
zer‐
streuen! ‒
.Alle Einwirkung des übererdenhaften
Geistes, die dem Menschen hier auf Erden
seelisch faßbar werden kann, sucht stets „zu
sammeln, was verloren war”, ‒ und wenn
du das, was andere als
übererdenhaft
erkennen, da es ihnen so erlebnisnahe
kam wie eigenes Selbsterleben, ‒ beeng‐
ten Blickes, nur in
Irdischem begründet
glaubst, so wirst du doch
auch dann noch
zugestehen, daß der Sinn für
Sammlung
wahrlich einer
höheren Artung ist, als jener
dunkle Trieb, der das organisch in sich
selbst Gesammelte stets wieder zu zerstreuen,
zu zersetzen strebt. ‒
.Wahnsinn würdest du am Werke wissen,
wollte einer eines jener hehren Marmor‐
bilder die in alter Zeit ein großer Bildner
schuf, in scharfen Säuren aufzulösen suchen,
mit der Begründung, daß alsdann aus dem
zersetzten Stein gewiß ein neues Werk ent‐
stehen werde, das den Verlust des solcherart
vernichteten alsbald verschmerzen ließe . . .
.So ist auch wahrlich viel zu wertvoll,
was im
Geistigen gereifte Bildnerkraft
voreinst zu formen wußte, auf daß der
Erdenmenschheit Bestes sich in ihm erhalte,
‒ um es nunmehr schnellfertiger
Zer‐
störung auszuliefern! ‒ ‒
.Zu wertvoll ist, was hohe Menschen‐
geister in Jahrtausenden zu sammeln wußten,
als daß es, ohne schauerliche Schuld an
allen kommenden Geschlechtern, der
Zer‐
streuung dargeboten werden dürfte! ‒ ‒
.Wie deine Finger in der Hand verbunden
sind, obwohl sie einzeln sich bewegen können,
so sind wir Erdenmenschen einer Zeit, auf
unsichtbare Weise in Verbindung.
.Auch wenn du in die Wüste fliehen magst,
oder in Meeresfernen eine öde Insel findest,
die noch nie ein Mensch bewohnte, wirst
du dich dieser unsichtbaren Lebens-Allver‐
bindung nicht entziehen können!
.Zerstörst du um dich her auch alles
Zeugnis gleichzeitigen
anderen Menschen‐
lebens, so wird doch dieses allgemeine Leben,
durch den Rhythmus feinster Vibrationen,
die es selber mitbedingen, dich stets zu
erreichen wissen, und was du denken oder
fühlen magst, wird nie das Signum deiner
Zeit verlieren!
.Du kannst deiner Zeit heute nicht ent‐
fliehen, auch wenn du dich im Fühlen und
im Denken tief in längst vergangene Zeit
„versenkst”, ‒ und wirst kein „Steinzeit‐
leben” führen können, auch wenn du allen
Formen der Kultur dich zu entziehen
suchst! ‒
.Wohl aber kannst du wählen zwischen
Wert und
Wahn, denn jede Zeit läßt
Menschheitsförderndes
zugleich erkeimen
mit Verderblichem.
.Du
mußt nicht zur Beute kosmischer
Dissonanzen werden, auch wenn zu deiner
Zeit solches Geschehen hier auf Erden nun
in Menschenhirnen seinen fernsten Aus‐
klang findet . . .
.Nicht zum ersten Male ereignet sich Ähn‐
liches hier auf Erden, aber immer fanden
sich auch Einzelne, die sich zu
sichern
wußten vor den tollen Süchten, die das
Kreisen der Materie im Weltenraum zu‐
weilen wecken kann im Blut des Erden‐
menschen . . .
.Sei diesen
Einsichtigen gleich, und
wahre dir vor der Parteisucht, die dich
rings umgibt, ‒ dein
Selbstbestimmungs‐
recht! ‒ ‒
.Nur
du wirst dermaleinst dir
vor dir
selber Rechenschaft zu geben haben über
all' dein Tun im Ablauf dieses Erdenlebens,
‒ und zu nichts wird dir dann nützen, daß
du endlich einsiehst, wie es arge Torheit
war, um einer „Zukunft” willen, die mit
jedem Tage weiter flieht, die eigene
Gegen‐
wart dahinzugeben! ‒
.Willst du dich selber nicht
verneinen,
so mußt du, selbstbestimmt, auch
Anderer
Dasein in dir
fremden Formen, ebenso
entschieden wie dein
eigenes Dasein „
wol‐
len”, denn jeder Einzelne ist durch die
Anderen, ‒ erscheinen sie ihm auch ganz
unerfaßlich „fremd”, ‒ zu seiner Zeit
be‐
dingt und ihnen stets verbunden. ‒
.„
Haßt” du jedoch, was
anders ist, als
du, dann bist du unbewußt
dein eigener
Feind, denn nur aus dem, was
nicht du
selber bist, kannst du dich selbst in Zeit,
wie Ewigkeit
erhalten . . .
.Im Grunde wird es durch das
nämliche
Gesetz bestimmt, ob der wohl
winzigste,
wirtschaftlicher Verbände: ‒ der kleine
Haushalt eines jungen Paares, ‒ erfreulich
prosperiert, oder der
größte Volksver‐
band: ‒ ein menschenreicher
Staat!
.Soll
Sorge fernebleiben, so wird hier
wie dort gerechnet werden müssen mit den
Mitteln, die verausgabt werden
dürfen,
weil sie in gleicher Zeit aufs neue zu
er‐
werben sind, ‒ und hier wie dort wird
man auch für die Tage
außerordentlicher
Forderungen, denen der gleichzeitige Erwerb
nicht
Ausgleich schaffen kann, im voraus
Zuschuß sichern müssen . . .
.Das alles läßt sich im kleinsten Verbande
kaum leichter bewirken, wie im größten,
wenn auch mit der Größe eines jeglichen Ver‐
bandes
parallel die
Kompliziertheit in
der
Form des durch
Notwendigkeit be‐
dingten Ausgleichs wächst.
.Hier wie dort ist wahre
Freiheit nur
erreichbar, wo mit größter Sorgfalt aller
Abgang an zeitweiligem Besitz durch neuen
Zugang ausgeglichen wird, ‒ und hier wie
dort lockt ständig das
Gespenst der Frei‐
heit zur Verausgabung von Mitteln, denen
kein
Ersatz im Haushalt folgen kann, durch
den gegebenen regelmäßigen Erwerb!
.Während aber in den
engbegrenzten
menschlichen Verbänden meist nur
Wenige
zu Schaden kommen, wenn die hier Ver‐
antwortlichen sich verlocken lassen, dem
Gespenst der Freiheit nachzulaufen, muß
der
Staatshaushalt in gleichem Falle
Tau‐
sende und Millionen schädigen, die äußere
Lebenssicherheit im Staat behütet glaubten.
.Verhängnisvoll wird solche Täuschung
des Vertrauens, die zugleich dem Einzelnen
sein wirtschaftliches Selbstvertrauen raubt,
weil ihre Auswirkung
kein Ende findet
und die Tatkraft aller
derer lähmt, aus
deren Arbeitsleistung doch allein noch Aus‐
gleich kommen könnte. ‒
.Daneben aber zeugt sie noch den Wahn,
als ob „
der Staat” nur jenes unpersön‐
liche Gebilde wäre, das stümperhaft geübte
Staatskunst wahrlich, seiner Außenform
nach, aus ihm machen kann, ‒ und läßt
vergessen, daß „
der Staat” ‒ als Wirk‐
lichkeit ‒ nichts anderes ist, als nur
die
Summe aller Staatsgenossen, die in ihm
verbunden sind . . .
.So kommt es denn dazu, daß viele
Menschen, die im kleinen Umkreis ihres
Alltagswirkens über allen Zweifel sicher
stehen als
gewissenhaft und
rechtlich
Handelnde, doch plötzlich sich von
anderen
Maximen leiten lassen, sowie „
der Staat”
‒ statt eines Staatsgenossen, ‒ ihnen
gegenübersteht!
.Menschen, die gewiß nicht fähig wären,
sich zu unrechtmäßigem Gewinn zu drängen,
käme er auf Kosten eines
Einzelnen, sind
da zuweilen allsogleich bereit, zu nehmen,
was sich nur erreichen läßt, erscheint „
der
Staat” als Contrahent, oder ist Möglich‐
keit gegeben, sich aus
Staatsvermögen
irgendwelchen, rechtlich ungemäßen Vor‐
teil zu verschaffen.
.Gut entschuldigt glaubt man dann die
eigene Handlungsweise durch den Hinweis,
daß der unrechtmäßige Gewinn ja nur „
auf
Staatskosten” erfolge, und man hält es
nicht für nötig, auch zu fragen: ‒ woher
denn nun „
der Staat” die Mittel
in Ver‐
waltung habe, die man so leichthin ihm
entzieht?? ‒
.Unbedacht, und ohne das Gewissen son‐
derlich beschwert zu fühlen, läßt man sich
so ‒ und zwar durch die kompakte Majestät
des Staatsbegriffes selbst ‒ dazu verleiten,
sich allein
auf Kosten seiner Staats‐
genossen unrechtmäßig zu bereichern . . .
.Man weiß nicht, oder will nicht wissen,
daß man doch nur
alle Einzelnen beraubt,
wenn man vom Staate
nimmt, was nicht
erworben ist durch
eigene Gegenleistung
an die Anderen! ‒
.Schnell aber weiß man, daß da
Unrecht
vorgeht, sieht man
Andere auf gleiche
Weise handeln, weil man doch instinktiv
erfühlt, daß man als Staatsgenosse
mitge‐
schädigt wird durch
jeden Schaden, den
„
der Staat” erleidet.
.Freilich glaubt auch mancher, „Unrecht”
solcher Art am Werk zu sehen, den nur
der
Neid plagt, daß vielleicht ein
Anderer
das Staatsschaf scheren könne, dem die
Wolle auch gewachsen wäre für den Übel‐
tatenspäher, hätte er nur selbst an sie her‐
angekonnt . . .
.Allzuviele Formen unachtsamer Schädi‐
gung der Staatsgenossen durch ein unbe‐
denkliches Verhalten gegen alles, was „
der
Staat” verwaltet, ließen sich bezeugen, als
daß es praktisch wertvoll wäre, alle hier
nun aufzuzählen.
.Ich will ja meinen Lesern auch in meinen
Büchern stets nur neuen
Hinweis geben
auf die Dinge, deren sie mit Nutzen achten
sollten, und denke nicht daran, den Ruhm
zu suchen, daß ich allerwärts „
erschöpfe”
was das jeweils aufgenommene Thema in
der Seele und im Denken allbereits schon
angesammelt findet!
.Nur
schlecht wird lesen, was ich nieder‐
schreibe, wer nicht
mitliest, was in jeder
Satzwendung mit Willen „
eingeschlossen”
ist, damit es jene Leser
selber finden mögen,
die noch nicht im Drang der Alltagshast
verlernten,
mitzudenken wenn sie lesen . . .
.So wird auch jeder, der mit wachen
Sinnen liest, was ich hier vorzubringen habe,
keiner Beispielansammlung bedürfen, um
zu wissen, wovon hier die Rede ist.
.Jeder Tag bringt da des üblen Beispiels
wahrlich schon
zuviel, und man wird nicht
erst
suchen müssen, was allerwege
uner‐
wünschterweise uns begegnet . . .
.Wo aber
nicht beachtet, und vielleicht
noch nicht einmal
begriffen wird, daß
alles, was „
der Staat” verwaltet und ver‐
geben kann, nur dargeboten ist von denen,
die ihn selber
formen, dort wird bald eine
arge
Wirrnis der Begriffe alle Seelen‐
klarheit überwuchern.
.Als „
staatserhaltend” gilt dann alles,
was die durch den Staat allein
Erhaltenen
betreiben, um das stete Fließen
ihrer Nah‐
rungsquelle sich zu sichern,
ohne Rück‐
sicht auf die Staatsgenossen, die doch erst
zusammenströmen lassen, was den Staat
erhält. ‒ ‒
.Als „
Anspruch” an den Staat wird dann
von Anderen wieder jede
Forderung be‐
zeichnet, die Keiner, der noch sein Ge‐
wissen hört, an alle
Einzelnen zu stellen
wagen würde, die mit ihm zusammen erst
den „Staat”
ergeben. ‒ ‒
.Als „
Staatspflicht” wird erklärt, wo‐
zu
kein aus vernunftgezeugtem Denken
aufgebautes
irdisches, und noch viel weni‐
ger ein
geistiges Gesetz, je eine Korporation
von Einzelnen verpflichten könnte. ‒ ‒
.Und alles das nur, weil das „Staatsver‐
mögen” losgelöst empfunden wird von allen
Einzelnen, die es zu jeder Zeit erst
bil‐
den durch den
Einzelbeitrag den sie sich
als Staatsgenossen, um des Ganzen willen, auf‐
erlegen lassen!
.Wahnwitziges Verkennen sieht dabei
die Staatsgenossen, die des Staates Gut
ver‐
walten, als die unumschränkten
Herren
dieses Gutes an, und wendet ihnen irre
Wut entgegen, wenn sie außerstande sind,
nach Willkür jedes Maß zu füllen, das nur
Erfüllung finden
könnte, wäre diese Erde:
‒ ein „
Schlaraffenland”, und nicht mehr
einbezogen dem Gefüge der
Notwendig‐
keit . . .
.So muß es denn auch aus
Notwendig‐
keit zu
Fehlwirtschaft verführen, wagen
die Staatsgenossen, denen zur
Verwaltung
anvertraut ist, was aus ihrer und der anderen
Staatsvereinten ‒ vielfach
schwer ent‐
behrtem ‒ Beitrag: „
Staatsvermögen”
wurde, dieses Staatsgut allem
heischen‐
den Verlangen darzubieten, obgleich sich
eine neue
Bei-
Steuer, die das Vergebene
ersetzen könnte nur erlangen läßt, durch
zweckwidriges
Abgraben der Zufluß‐
adern, die allein die
Quelle aller
Bei‐
Steuer bewahren vor endgültigem
Ver‐
siegen. ‒ ‒
.In gleicher Weise muß es
Fehlwirt‐
schaft ergeben, wenn der Staatshaushalt
Unzählige, als Helfer der Verwaltung, einer
produktiven Tätigkeit entzieht, der sie
sehr wohl gewachsen wären.
.Zugleich auch schafft es schwere
Demo‐
ralisierung, wird dem Einzelnen der
Glaube anerzogen, als besitze er, durch Staats‐
verbundenheit, vor anderen ein Recht auf
staatliche Ernährung, ‒ sei es nun im
Amte eines leicht entbehrlichen Verwal‐
tungshelfers, oder nur, weil er den Staat
zu zwingen weiß, sich loszukaufen von verant‐
wortungsentäußertem Zerstörungswillen . . .
.Es ist
entwürdigend, ein Amt nur um
Erwerbes willen weiter zu verlangen, wenn
man nur allzuleicht erkennen kann, daß
intensive Arbeit einer weit
geringeren
Verwalterzahl den Staatshaushalt bereits in
bester Ordnung halten könnte, ‒ und es
entwürdigt Jeden
vor sich selbst, ver‐
läßt er sich auf seine Macht, das Staats‐
gedeihen zu
verhindern, um seine Staats‐
genossen so zu zwingen, jeweils den
Nicht‐
gebrauch der nur durch
Massenübermaß
erlangten
Über-Macht ihm
abzukaufen,
um den Preis der immer weiter um sich
fressenden
Verwüstung aller Arbeits‐
möglichkeiten, die dem in seinem Macht‐
rausch arg Betörten wieder Brot und aus‐
kömmlichen Wohlstand durch Bewertung
seiner
eigenen Leistung darzubieten hätten,
würden sie nicht solcherweise durch ihn
selbst zerstört . . .
.Allüberall verwirrt das gleißende
Ge‐
spenst der Freiheit die Gehirne, und man
glaubt leicht die ‒ wahrlich nicht geringe
‒
Not zu
wenden, weil man ja die Ge‐
bote der Notwendigkeit straflos
umgehbar
glaubt, die auch im Wirtschaftsleben
nie‐
mals sich umgehen lassen, ohne in der Folge
weitaus drückendere Not zu zeugen! ‒ ‒
.Die gleiche Lockung trugerfüllter Spiege‐
lung verirrten Hoffens und Verlangens hat
auch längst in allen Landen alles
Wirt‐
schaftsleben schwer durchseucht.
.Die wirtschaftliche Not ist allenthalben
derart angewachsen, daß die in ihr schon fast
Erstickenden nur allzusehr bereit sind, jedem
hirnverkrampft gezeugten
Fehlschluß zu
vertrauen, und die letzte Fähigkeit zu ei‐
genem vernunftbedingten Denken eiligst
aufzugeben, scheint die heiß ersehnte Ret‐
tung nahe . . .
.In fieberhafter Angst vor immer weiterer
Bedrückung durch die Sorgenlast des Da‐
seins, wird verkannt, daß nur „
Fatamor‐
gana” ist, was allzu selbstgewisse Führung
als die längst erstrebte, alle Nöte stillende
Oase anzupreisen weiß . . .
.Längst hat die wirtschaftliche Not, die
alles ringsumher verdunkelt, alle
Unter‐
scheidungskraft gelähmt, so daß man gerne
sich betören läßt, auch wenn noch letzte
Regung richtiger Instinkte, immer wieder
an der Seele Pforte pocht, um schlafgebannte
Einsicht aufzuwecken, daß sie verhüte,
was sich noch verhüten
läßt!
.Daß man auch selber wahrlich
mitver‐
schuldet ist an solcher Not, wird nur
den
Wenigsten bewußt . . .
.Zu sehr entspricht es künstlich hochge‐
züchteter Kritiksucht, alle
Schuld am selbst‐
gezeugten Übel nur bei
Anderen zu suchen!
.Ist es nun dort der unpersönlich auf‐
gefaßte „
Staat”, dem man die Folge eigener
Torheit überbürden möchte, so sind es im
internen Wirtschaftsleben
kleinere, aus
Einzelmenschen sich gestaltende Gebilde,
die in gleicher Weise als der Wurzelboden
allen Unheils gelten, und, ‒ da der Fehl‐
schluß sich im Kreis zu drehen liebt, ‒
glaubt man der Nöte Wende schnell er‐
reichbar, würde nur der
Staatsverwaltung
unterstellt, was zwar die
Sicherheit be‐
nötigt, die ihm zweifellos
der Staat ge‐
währen kann, doch,
aller Eigenart und
Proportion nach,
nur zu früchtetra‐
gendem Gedeihen kommt, wenn es, ‒
im Außenrahmen staatlicher Gesetze, ‒ sich
nach
eigenem, notwendigkeitsbegründeten
Gesetz entfaltet . . .
.So aber auch, wie man das „Staatsver‐
mögen” als ein
Niemandsgut betrachtet,
läßt man sich hier verleiten, das im wirt‐
schaftlichen Leben
produktiv gemachte Gut
der
Einzelnen, von menschlicher Bezieh‐
ung
losgelöst zu denken.
.Wie man sich gut entschuldigt glaubt,
vermag man,
ohne wertgleich angesetzte
Gegenleistung, sich „
auf Staatskosten”
Bereicherung und unrechtmäßige Bevortei‐
lung zu sichern, ‒ so glaubt man sich zu
jeder
Aus‐„
Beutung” des Gutes
Anderer
berechtigt, sobald der
Einzelne zurücktritt
hinter einen
Wirtschaftsorganismus, dem
er freiwillig zur
Verwaltung anvertraut, was
nur steril und ohne Produktionskraft bleiben
müßte, wollte es der Einzelne bei sich ver‐
wahren.
.Es gibt gar viele, die nur solchem
pro‐
duktiv gemachten Gut aus dem Besitze
Einzelner
Ernährung und
Erhaltung
danken, und gewiß auch niemals fähig wären,
widerrechtlich das bestimmte Gut des
Ein‐
zelnen sich anzueignen, ‒ die aber kaum
noch ihr Gewissen hören wollen, gilt es
Gut der Anderen zu schmälern, das in
einem wirtschaftlichen Organismus
Arbeits‐
werkzeug wurde, um mit seinem Eigen‐
tümer, auch zugleich noch manche seiner
Nebenmenschen zu erhalten . . .
.Die „
Firma”, die „
Gesellschaft” wird
als etwas
Unpersönliches betrachtet, und
was
persönliches Besitztum
Einzelner
allein aus freien Stücken auferbaute, er‐
scheint so manchem, der in solchem Aufbau
seine Stellung fand, als
Freigut, das er
unbedenklich
eigener Nützung dargeboten
glaubt, soweit nur staatliches Gesetz ihn
nicht zu hindern weiß.
.Engstirniges Verkennen eigener Lei‐
stungswerte läßt dabei den Fehlenden noch
vor sich selbst Beschwichtigung des eigenen
Gewissens finden, in der Scheinbegründung
eines „Rechtes”, sich „
bezahlt zu machen”,
wo
vereinbarte Entlohnung der verlang‐
ten Tätigkeit, dem Arbeitleistenden
nicht
auszureichen scheint als Gegenwert.
.Ob seine Arbeit aber auch
dem wirt‐
schaftlichen Organismus, der
allein sie
erst zu einem produktiven Faktor macht,
die Werte einbringt, die vonnöten sind,
um sich auf solcher Höhe zu erhalten, daß
er selbst die ehedem
vereinbarte Ent‐
lohnung auf die Dauer darzubieten hat,
‒ danach wird selten einer fragen, obwohl
von der Beantwortung, die diese Frage findet,
alle Zukunft abhängt für die Unterneh‐
mung selbst, wie den, dem sie Erwerb ver‐
schafft . . .
.Auch das private Wirtschaftsleben wird
zur
Fehlwirtschaft, wenn nicht zum
Aus‐
gleich kommt, was „
aus-
gegeben” und
was „
ein-
genommen” werden kann!
.Auch hier ist es
entwürdigend für
jeden Einzelnen, sucht er die Stellung, die
er innehat, sich zu erhalten, nur um des
Erwerbes willen, obwohl er sieht, daß er
nicht
nötig ist, und daß der wirtschaft‐
liche Organismus, der ihn nährt,
zu Scha‐
den kommt, weil die vorhandenen Arbeits‐
kräfte
überzählig sind, im Hinblick auf
die Arbeit, die zu leisten ist.
.Das bleibt gewiß im Einzelfall für den
Betroffenen schwer einzusehen, besonders,
wenn er Weib und Kind ernähren und den
eigenen Hausstand wirtschaftlich erhalten
soll, obgleich ihm
anderer Erwerb nicht
dargeboten
scheint.
.Jedoch: wo unbezweifelbarer Arbeits‐
Wille ist, dort findet sich zu jeder Zeit
auch bald ein
Weg, um sich auf neue,
würdigere Art Erwerb zu sichern, auch
wenn die
Form der Tätigkeit
gewechselt
werden muß.
.Wenn früher viele nur in
fernem,
fremden Lande über weitem Meere, sich
Erwerb zu schaffen wußten, weil sie lernten,
Arbeit, die man
brauchte, auszuführen,
obwohl sie
nicht der altgewohnten Tätig‐
keit entsprach, so ist die Zeit nun nicht
mehr ferne jetzt, in der man sich des glei‐
chen Strebens auch in seinem
Heimat‐
lande keineswegs zu „schämen” haben wird!
.Wirklicher Arbeits-
Wille schafft in
diesen Tagen schon an allen Orten auch
die neue Arbeits-
Möglichkeit!
.Arbeit
gebührt ihr Lohn, und auch
in dieser schweren Zeit wird echter Arbeits‐
Wille sich gebührende
Entlohnung
sichern, versteht er nur sich freizumachen
von dem überlebten Zwang der Konvention,
der in der „alten” Welt Europas noch so
viele bindet, und sie festzubannen sucht
in ausgefahrenen Geleisen! ‒ ‒
.Wird Arbeit „
schlecht bezahlt” so ist
das immer nur ein Zeichen, daß gerade
dieser Arbeit ein zu großes
Angebot von
Arbeitswilligen verfügbar bleibt, und jeder,
der sich weiterhin darauf versteift, nur eben
diese Art der Arbeit weiterhin zu leisten,
obwohl sie längst genug der Köpfe oder
Hände
fand, wird nur zum
Schädling
für die hier bereits Beschäftigten, obgleich
er selbst dabei auch nicht das mindeste
gewinnt und sich nur selber seinen Weg
verbaut! ‒
.Es gilt, die Arbeit
dort zu suchen, wo
sie sich
finden läßt!
.Auch wenn es eine Arbeitsart ist, die
dir wenig „
angepaßt” sein mag, und die
du ehedem
ver-achtet hast, kann sie dich
doch zuletzt zu einem Ziele bringen, das dir
keineswegs zu unbedeutend wäre, könntest
du es
heute, ‒ ohne Übergang, ‒
so‐
gleich erreichen! ‒
.Es fehlt auf dieser Erde nie an Arbeits‐
Möglichkeit, ‒ hingegen aber fehlt es
allzusehr an Menschen, die sich
jeder Ar‐
beitsmöglichkeit
bequemen wollen! ‒ ‒
.„
Gesunden” aber kann das Wirtschafts‐
leben nur, wenn alle
Scheinbetätigung
fortan
unmöglich wird, ‒ und auch der
Staatshaushalt in allen Landen wird nur
auf die
gleiche Weise zur Gesundung
kommen!
.Wo heute noch mit abgebrauchtem Pa‐
thos von dem „
Recht auf Arbeit” phra‐
senrauscherfüllt gesprochen wird, dort ist
zu fragen: ‒ ob man wirklich auch
die
Arbeit meint, und nicht etwa nur die ver‐
meintliche Berechtigung, auf Grund der
Geste scheinbar dargebrachter Arbeitswillig‐
keit,
Versorgung zu erhalten, die doch
nur durch Ertrag der Arbeit
Anderer be‐
wirkbar werden könnte . . .
.Das
Recht auf Arbeit muß nicht erst
zu einer „Forderung” erniedrigt werden,
da die
Pflicht zur Arbeit
keinem Erd‐
geborenen
erlassen werden kann! ‒ ‒
.Nur glauben Allzuviele dieser Pflicht
schon zu genügen, wenn sie nur dem bloßen
Schein zur Not genügeleisten . . .
.Wahrer
Arbeitswille aber sieht aus
gutem Recht nur mit
Bedauern auf den
Scheinbeschäftigten hinab, der äußer‐
liche
Geste darzubieten sucht, statt geistbe‐
dingter
Selbstverwirklichung der Seele,
wie sie in
jeder, auch der
gröbsten Ar‐
beit sich zum Ausdruck bringt!
.Daß Arbeit auch ein Mittel ist,
Erwerb
zu schaffen, ist nicht anders in der
Geist‐
natur des Erdenmenschen eingegründet,
wie der
tierischen Natur die
Wollust
eingeboren ist, um aller Tiergestaltung
Fort‐
pflanzung zu sichern. ‒ ‒
.Wer arbeits-
fähig ist, und nicht die
Ar‐
beit, als die Selbstdarstellungsweise seiner
Seele,
liebt, der ist noch weit davon ent‐
fernt, sein
übererdenhaft bedingtes Sein
in sich zu
ahnen, ‒ auch wenn er eines
anerzogenen Seelenglaubens eifrigster Ver‐
fechter sein mag! ‒ ‒
.Auch das
Wirtschaftsleben dieses
Erdendaseins ist in allen seinen Äußer‐
ungen streng bedingt durch die
Notwen‐
digkeit!
.Was sich der Ordnung des Gefüges der
Notwendigkeit nicht einzuformen weiß,
das muß
zugrundegehen, mag auch
Wissenschaft und kühnste Technik ihm zu
anderem Unterbau verhelfen wollen! ‒
.Alles Leben ist ein stetes
Nehmen und
ein stetes
Geben!
.Ewiggültiges Gesetz allein kann hier
bestimmen, ob der rechte
Ausgleich sich
ergibt.
.Was Menschenwahnwitz aber sich
er‐
klügelt, um sich dem Bereiche des Ge‐
setzes zu
entwinden, schafft nur
Schein‐
gebilde, so vergänglich, wie der Wolken
stets verwandlungsunterworfene Gestaltung.
.Bleibendes, das erst
nachdem es
Generationen Wohlfahrt kennen lehrte,
mählich und der Menschheit kaum ver‐
merkbar, neue Form aus sich erzeugt, ‒
kann nur erstehen, wo sich ewigkeitsgemäßer
Ausgleich einstellt, dem sich jeder Ein‐
zelne miteinbezogen weiß.
.Nur wenn der Einzelne erkennt, daß
er
sich selber Schaden zufügt, wo er
An‐
deren um seines Vorteils willen
Nach‐
teil schafft, wird alle
Fehlwirtschaft die
heute ganze Völker zu entkräften droht,
verschwinden!
.Hier helfen aber keine wohlerdachten
Theorien, mögen sie auch in sich selber
gut gegründet scheinen!
.Hier kann nur
praktisches Erproben
zur Erkenntnis führen, und
Erfahrung
lehrt im Großen wie im Kleinen dann am
sichersten, wie zu
vermeiden ist, was
Fehlwirtschaft ergeben müßte . . .
.Wo der Form nach gleiche Leistung
von
verschiedenen Menschen dargeboten
wird, dort ist es keinem Menschen, der auf
solche Leistung Wert legt, zu verargen,
wenn er auch auf die
Qualität der Leistung
achtet, und der besseren den Vorzug gibt.
.Es ist dabei ganz einerlei, ob es sich
nur um
Arbeitsleistung handelt, oder
das
Erzeugnis einer Arbeit, ‒ ob es um
niedere Dienste und
geringen Klein‐
kram geht, oder um
hohe Fähigkeiten
und
erhaben großes Werk.
.Aller Zuwachs menschlichen Vermögens:
‒ geschickten
Könnens, weisen
Ordnens,
bis zu höchster,
künstlerisch begründeter
Gestaltungsfähigkeit, ‒ ist stets in
hohem Maße mitbedingt durch den zu allen
Zeiten dem Vollkommenen gewährten Vor‐
rang vor dem Unvollkommenen.
.Dient
Leistung, oder ihr
Erzeugnis,
dem
alltäglichen Gebrauch, so zwingt
schon eigener
Schutz vor
Schaden zur
Bevorzugung des Besten, und soll die Lei‐
stung
höherem Bedürfen gelten, so wird
Kenntnis dessen, was schon
Andere zu
leisten wußten, sich nicht mit
Geringem
begnügen.
.Die Folge solcher steten Auswahl ist
der Wettbewerb der Leistung
Bietenden
um Gunst und Wahl der Leistung
Brau‐
chenden.
.Soweit ist Konkurrenz begründet in
Notwendigkeit, und Ausdruck wirklich‐
keitsgezeugter
Freiheit!
.Es steht dir
frei, zu
wählen, was dir
dienen soll, und was du dir
erwerben
willst durch Darbietung bestimmten
Gegen‐
wertes, ‒ doch ebenso bleibt es dir frei‐
gestellt, die Leistung, die du selbst zum
Markte bringen willst, den Forderungen
anzupassen, die man dort an sie zu stel‐
len weiß.
.Du wirst kein Unrecht leiden, geht der
Wählende an deiner „
Leistung”, ‒ deinem
„
Werk”,
vorüber, weil er
Besseres
finden kann!
.Auch
du hast ja die Wahl, ob du be‐
quem bei
minderer Leistung dich be‐
scheiden, oder dein
Bestes bieten willst!
.Entscheidest du dich aber auch, aus
freien Stücken, oder durch Notwendigkeit
bestimmt,
dein Bestes darzubieten, so wird
sich doch erst zeigen müssen, ob du auch
den Umfang deiner Leistungs-
Fähigkeit er‐
kennst, ‒ ob du auch an dich selbst den
rechten
Maßstab anzulegen weißt . . .
.Du klagst mir über „
Mißerfolg”, und
findest bittere Worte für das „Unrecht”
das man,
deiner Meinung nach, an dir
begeht, ‒ jedoch: du fragst dich nicht, ob
du dich selber nicht an dir
vermessen
hast, und eine Leistung darzubieten suchst,
der du gewiß niemals „gewachsen” sein
wirst! ‒
.Vielleicht kannst du in
kleinem Rah‐
men
Allerbestes leisten, während du ver‐
geblich dich bemühst, im Wettbewerb mit
denen zu obsiegen, die
von Natur aus
schon zu weitaus Größerem befähigt sind! ‒
.So glauben Ungezählte sich „vom Miß‐
geschick verfolgt”, und schielen neidvoll
auf die Anderen, die ihnen vorgezogen
werden, weil sie besser wußten,
welcher
Forderungshöhe ihre höchste Leistung noch
entsprechen könne. ‒ ‒
.Unzählige erleiden Schiffbruch, weil sie
zwar ein gutes, aber
allzukleines Boot
besitzen um damit den Ozean zu über‐
queren, und doch dem Ehrgeiz nicht ge‐
bieten können, der sie verleitet, sich aufs
hohe Meer zu wagen. ‒
.Wer sich in einen Wettbewerb begeben
will, der muß vor allem
seine Mitbe‐
werber kennen! Er darf sich nicht mit
denen messen wollen, die nach gänzlich
anderem Maß als er zu messen sind!
.Er darf nicht in den Mitbewerbern seine
„
Feinde” sehen, nur weil sie ihn zu
über‐
flügeln fähig sind!
.Er darf nur dort für sich den Sieg er‐
hoffen, wo seine Kräfte wahrhaft den
Ver‐
gleich ertragen, mit denen, die mit ihm
zugleich den Sieg erstreben.
.Besser ist es gewiß, im
allerkleinsten
Rahmen das
Vollkommene zu leisten, als
mit Unzulänglichem zu konkurrieren, wo
nur größtes Ausmaß eigener Kraft auf Sieg
ein Anrecht geben kann! ‒
.Jeder trägt in sich die Macht, auf irgend
einem Tätigkeitsgebiet, das ihm wahrhaft
entspricht,
Vollkommenes zu leisten!
.Jeder kann erleben, daß sich seine
Kräfte
steigern, wenn er sie sorglichst zu
entfalten strebt!
.Aber nur mit dem, was
dir zu eigenem
„Besitz”
gegeben ist, wirst du zu rechnen
haben!
.Du kannst zwar in beschränktem Maße
Anderes
dazu erwerben, aber immer wer‐
den Art und Spannung deiner
einge‐
borenen Kräfte streng bestimmen, was
dir zukommt, und was dir sicher uner‐
reichbar bleiben muß!
.So wirst du auch im Wettbewerb nur
dann zum Siege kommen, wenn du
deine
Grenzen kennst, und fern dem Wahne
bleibst, als ließen sie sich je nach Willkür
weitern, nur weil du
siegen möchtest!
.Bewerb um Vorrang vor den Mitbe‐
werbern muß aber keineswegs zum „Kampf”
erniedrigt werden!
.(Ich rede freilich nicht von
jener Art
des Wettbewerbes, die nur in Kämpfen
ausgetragen werden
kann, weil „
Kämpfer”
ihre Kräfte messen wollen.)
.Hier soll allein die Forderung der
Leistung uns bewegen, die der
Alltag aller‐
wärts von
allen heischt!
.Da aber ist der „
Kampf” der Kon‐
kurrenz gewiß
vermeidbar!
.Ich weiß zwar, daß ein solches Wort
bei Allen, die in eben diesem Kampfe stehen,
nur ein müdes Lächeln lösen wird, ‒ aber
ich weiß auch, daß sich vieles rascher
wandeln läßt als viele glauben, wenn nur
der
Wille sich zu wandeln weiß . . .
.Kaum dürfte es gewagt sein, zu be‐
haupten, daß heute schon die Meisten,
die im „Konkurrenzkampf” bluten,
wider
Willen kämpfen, weil sie längst erkannten,
daß die Kräfte, die der Kampf sie kostet,
besser anzuwenden wären. ‒
.Noch aber gilt auch hier das gleißende
Gespenst der Freiheit für die Freiheit
selbst, und lockt Unzählige in Zahlen‐
wüsten, allwo sie, seelisch ausgedörrt, zu
Mumien erstarren, denen aller Goldsand,
der sie überhäuft, der Seele freies Leben
nicht mehr rückerstatten kann . . .
.Machtlos aber wird das Gespenst, so‐
bald erneut erkannt wird, daß nur dort,
wo man der
Seele ihre Rechte läßt,
wirk‐
liche Freiheit sich entfalten kann!
.Es ist
erbärmlich, und gewiß nicht
eines
Menschen würdig, läßt sich der Wer‐
ber um die Gunst des Käufers derart von
der Gier des Tieres in sich packen, daß
er den Mitbewerber wirtschaftlich zugrunde
richtet, oder doch nach solchem Endziel
schamlos
strebt!
.Es ist
erbärmlich, wird der Wettbe‐
werb in einer Art betrieben, die auch die
Lüge nicht mehr scheut, läßt sich ein
Strick aus ihren eklen Fäden drehen, um
den Mitbewerber zu
erdrosseln!
.Unwürdig und zugleich auch
töricht
ist es, eigenen
Erfolg zu suchen, der nur
erlangbar wird, nachdem
in Trümmer
fiel, was andere
auferbauten!
.Man wird mir sagen wollen, daß doch
sehr erhebliche Erfolge sich durch solche
Handlungsweise möglich machen ließen,
und daß das so Bewirkte heute „fest ge‐
gründet” stehe.
.Auch das ist mir gewiß nicht fremd,
allein ich rechne hier mit anderen Zeit‐
begriffen, und weiß um sichere Gesetze,
deren Auswirkung es selten eilt . . .
.Nicht nur der
Einzelne, der sich um
solchen Preis Erfolg ergatterte, für sich und
seine Sippe, die ihn nutzt, kann dieser
Auswirkung sich nicht entziehen, sondern
auch
den Wohlstand ganzer Länder,
ganzer Kontinente, bringt sein Handeln
in Gefahr! ‒ ‒
.Es ist noch lange nicht das Schlimmste,
wenn ein dunkler Börsentag zusammen‐
schlägt, was seelenlose Gier auf Trümmern
ehrsam auferbauter Speicher zu errichten
wußte! ‒
.Wo menschliche Gemeinschaft nicht zu
hemmen weiß, was Menschenseele
schän‐
det, dort werden noch die
Enkel und der
Enkel
Söhne, teuer zu „
bezahlen” haben,
was ein Einzelner, auch wenn er
nicht
der so Betroffenen
Ahne war, voreinst
verschuldet hat!
.Der aber, der sich solcher grauenvollen
Schuld nicht
scheute, wird, auch wenn
er auf dem Totenbett sich noch als Sieger
fühlte,
keinen finden in der Ewigkeit, der
seiner sich erbarmen dürfte, ehe alle
Aus‐
wirkung der Schuld, auf Erden hier,
er‐
loschen ist . . .
.Gottgezeugte
Liebe darf nur dort
Ver‐
gebung schaffen, wo auch die
Schuld,
der
Liebe Folge war!
.Auch dort, wo
tierbedingte „Liebe”
einen Menschen „
schuldig” werden ließ,
wird „
Gottesliebe” ihn
ent-
schulden,
sobald der Selbstbeschuldete
entlastet
wurde durch den
Mitverschuldeten der
gleichen Schuld! ‒
.Wo aber
Eigennutz zur Schuld ver‐
führte, dort kann auch nur die
eigene
Entlastung Schuld-
Befreiung bringen!
.Nicht eher aber kann der, seiner
Selbstsucht Wahnverhaftete, sich seiner
Taten
Folge frei entwinden, als bis
er‐
schöpft ist, was er selbst
erzeugte, um auf
Erden seinem Trieb zu
dienen! ‒ ‒
.Es läßt sich nie und nimmer
eine
Scheidewand errichten, zwischen den
Im‐
pulsen, die der Erdenmensch
in seinem
Alltag schafft, und ihren
Folgen, die erst
Auswirkung erlangen, wenn er längst
schon aus dem Erdendasein ausgeschie‐
den ist! ‒
.Weniges hat noch im menschlichen
Gemeinschaftsleben so viel Schaden ange‐
richtet, wie das „
Schlagwort”: ‒ diese
Mißgeburt aus Denkträgheit und Über‐
redungswillen!
.Opfer über Opfer fordert es in allen
Lebens- und Erlebnisreichen dieses Erden‐
daseins!
.Vor allem aber hindert jedes Schlag‐
wort die ihm Hörigen, zu eigener
Denk‐
selbständigkeit zu kommen.
.Willig läßt sich jeder Denkbequeme
fangen, wird nur das rechte Schlagwort‐
lasso über seinen Hals geworfen, und ist
er einmal dieser Schlinge Beute, dann wird
frühere Freiheit schnell vergessen . . .
.Es wandelt aller Widerstand sich schnell
zu ausgeprägt perverser
Unterwürfigkeit,
und schließlich wird es wahre Wollust, stets
der Leine Zug zu folgen, bis ein Pferch
erreicht ist, den die Schlagwortmatadore
ihrem Fange vorbereitet halten. ‒
.Aus solchem Pferche gibt es selten ein
Entrinnen, und selten kommt auch nur
der
Wunsch zur Flucht in den dort Ein‐
gepferchten zum Erwachen.
.Die Meisten fühlen sich in schöner
„Sicherheit”, und alle Denkselbständigkeit
kam ihnen längst abhanden.
.So werden sie auch denen, die noch
außerhalb des Pferches sind, zu ständiger
Gefahr, in gleicher Weise, wie gezähmte
Elefanten sich gebrauchen lassen, um die
noch freien Tiere ihrer Gattung einzu‐
fangen . . .
.Vieles kann ein Schlagwort zu umfassen
scheinen, was keineswegs in seinem Sinn
enthalten ist, ‒ und was als „Schlag” emp‐
funden wird, dem man sich, innerlich ge‐
troffen, beugt, ist meist nur
Übertölpe‐
lung der
Denkbequemlichkeit. ‒
.So zweifellos gewiß das Denken auch
zum ärgsten
Feind des Menschen werden
kann, so nötig ist es ihm als
Waffe, überall,
wo Worte
wehrlos machen wollen.
.Das Schlagwort aber ist nichts anderes,
als ein Wort, das
wehrlos machen will durch
Lähmung sinngerechten Denkens!
.Es kann nur siegen, wo kein
Wider‐
stand sich gegen seine „schlagende Gewalt”
zu
wehren wagt!
.Weiß einer aber ihm mit wachen Sinnen
zu
begegnen, und die Waffe konsequenten
Denkens wehrhaft zu gebrauchen, dann
ist dem Schlagwort schnell die Macht
ent‐
wunden, und als wunderlicher Wechsel‐
balg fällt es in sich zusammen . . .
.Was es bewirken wollte, zeigt sich dann
als leerer
Wahn, ‒ und nur die Willig‐
keit, dem Wahn zu
folgen, war wirklich
vordem drohende
Gefahr . . .
.Sie sind kaum alle aufzuzählen, die
solchem Wahn, der sich
in mannigfache
Form zu wandeln weiß, getreu Gefolg‐
schaft leisten müssen, weil sie versäumten,
sich zu
wehren, als ein Schlagwort sie zu
überrumpeln suchte! ‒
.Männer und Frauen, Weise und Un‐
weise, Alte und Junge, Dumme und ge‐
waltiglich Gescheite sind in diesem uner‐
meßlich langen Zuge der durch Schlagwort‐
wahn Genarrten aufzufinden, und immer
neuer Zustrom wendet sich dem Zuge zu,
weil nur die Allerwenigsten sich noch des
freien
Denkens zu bedienen wagen, sobald
das rechte Schlagwort sie geschickt zu über‐
fallen weiß . . .
.Unüberschätzbare
Gefahr bringt diese
Willigkeit zur Folgeleistung, wo ein Schlag‐
wort einbricht, über alles Menschenleben!
.Es ist in vielen Fällen niemals wieder
gutzumachen, was solcherart in großen und
auch kleineren Verbänden, die sich mensch‐
liches Zusammenleben schuf, an Schaden
angerichtet wird!
.Und selbst im kleinsten der Verbände,
‒ der Verbindung zweier Menschen in der
Ehe, ‒ richtet oft genug der Schlagwort‐
wahn sein arges Unheil an. ‒ ‒
.In die Familie bringt der kleinste Knirps
schon, als Geschenk der Schulgenossen,
sein, ihm selbst noch unfaßbares Schlag‐
wort mit, ‒ Kinder und Eltern lassen
sich betören und zu kämpfenden Parteien
machen, deren jede einem anderen Schlag‐
wort folgt.
.Am schauerlichsten wird dann aber die
Gefahr, dort, wo
das ganze öffentliche
Leben sich widerstandslos durch ein Schlag‐
wort gängeln läßt! ‒
.Durch alle Spalten dringt das Schlag‐
wort dann in jedes Haus, und hindert,
daß sich wache Gegenwehr zum Wider‐
stande rüste.
.Hilflos können
ganze Völker solchem
Schlagwortwahn verfallen, zum Triumphe
derer, die ihr Denken
nicht zuschanden
werden ließen, und keine Mühe, keinen
Hirnzwang scheuten, um zur Meisterschaft
als Schlagwortwerfer zu gelangen . . .
.Was hilft es dann den schwer
Ge‐
schädigten, wenn sie zuletzt sich
doch noch
ihrer Knechtschaft zu erwehren suchen?!
.Allzulange hatten
selbst sie sich der
Schlagworte bedient, um
Andere zu gängeln,
bis sie nunmehr ihre Meister fanden, die
besser noch verstanden, Schlagworte zu
werfen . . .
.Nur die bewußte,
strengste Abkehr
von der Täuschungswelt des Schlagwort‐
wesens, kann hier Rettung bringen! ‒ ‒
.Es ist wahrhaftig an der Zeit!
.Zu lange war man dem
Gespenst der
Freiheit nachgefolgt, ‒ zu lange war man
selbst in seinem Bann, und suchte Andere
durch manches Schlagwort zu betören, um
Gefolgschaft zu erhalten.
.Jetzt muß man endlich doch erkennen,
daß Schlagwortwahn niemals zu
wahrer
Freiheit führen kann.
.Noch aber ist man seiner alten Schlag‐
wortweisheit so verhaftet, daß man unwill‐
kürlich, auch um
anderem Schlagwort‐
wahn zu
wehren, erneut den Schlagworten
verfällt, die man voreinst zu prägen wußte,
um sie Anderen zuzuschleudern . . .
.Zu selbstgewisse Überheblichkeit ist noch
dabei der sehr naiven Meinung, daß der
Gegner es „
nicht merken” würde, wenn
man
seinem Schlagwort nur das
eigene
entgegenwirft, weil man nicht anders sich
des Angriffs zu erwehren weiß.
.Die aber
Meister ihrer Schlagwort‐
Kampfesweise wurden, weil sie Meister‐
schaft erlangen
wollten, ‒ erkennen sehr
genau, daß ihnen nur mit
Schlagworten
begegnet wird, die
weniger schlagkräftig
als die ihren wirken . . .
.So sind sie ihres Sieges schon im vor‐
aus sicher, ‒ es sei denn, ihre Gegner
könnten sich doch noch entschließen,
end‐
lich auf das Kampfesmittel zu
verzichten,
das sie ja doch nur
halb beherrschen, weil
sie ihr ‒
Gewissen nicht zu sehr be‐
schweren wollen, um der Schlagkraft ihres
Schlagworts willen. ‒ ‒
.Gewissen-
los muß der sein, der das
Schlagwort meistern will, denn wer noch
ein Gewissen in sich trägt, der ist nicht
fähig,
die Belastung zu ertragen, um deren
Preis allein im Schlagwortkampf der Sieg
erreichbar wird! ‒
.Denen, die erkannten, daß das Schlag‐
wort nie zur
Freiheit führen kann, ist
heute nur zu helfen, wenn sie konsequent
das Schlagwort
meiden!
.Andere Waffen müssen ihrer Abwehr
Wirkung sichern!
.Ihre Worte müssen fortan wohl „
er‐
wogen” sein, und dürfen nur durch
Wahr‐
heit wirken wollen!
.Nicht
jede Wahrheit aber ist zur
Ab‐
wehr wirksam, denn nicht jede Wahrheit
läßt sich von dem ungeübten Blick sofort
erkennen. ‒
.Nur dort, wo Wahrheit
augenblick‐
lich sich empfinden läßt, kann sie dem
Irrwahn wirklich
wehren, den das Schlag‐
wort zu verbreiten sucht!
.Wer endlich sich zu der Erkenntnis
durchgerungen hat, daß hinter allem Schlag‐
wortwahn sich nur die
Wüste weitet, ‒
wer das
Gespenst der Freiheit hier in
einer seiner fürchterlichsten Formen wüten
weiß, ‒ der wird wahrhaftig sich auch
gleicher Mühe,
gleicher Anspannung zu
unterziehen wissen um der
Wahrheit
zweckgerechte Form zu finden, wie jene,
die das
Schlagwort schleifen bis zur
schärfsten Schärfe, sie sich auferlegen ohne
Unterlaß. ‒ ‒
.Sein Wort darf nicht nur
Selbstbe‐
rauschung wirken, ‒ darf nicht billige
Bestätigung der
eigenen Meinung sein!
.Niemals darf er vergessen, daß er noch
zu „
Feinden” spricht, die ihm erst durch
Erkenntnis Freunde werden sollen!
.Er wird vermeiden müssen,
anzugrei‐
fen, und nur durch
Abwehr wirken dürfen,
‒ durch eine Abwehr, die der Gegner
achten muß, selbst wenn er Gegner
blei‐
ben sollte. ‒
.Man kann von denen, die in einem
Schlagwortwahn sich wohlgefallen, nicht
etwa erwarten, daß sie allsogleich der
Wirk‐
lichkeit zurückgewinnbar wären!
.Gleichwie ein Arzt, der das umnachtete
Gehirn des
Irren wieder heilen will, vor‐
erst gezwungen ist, dem Wahn des Kranken
sich zu
fügen, soll der noch Gesundungs‐
fähige sich wiederfinden in der Wirklich‐
keit, ‒ so wird auch jeder, der die Seele
seines Nebenmenschen einem
Schlagwort‐
wahn entreißen will, bedenken müssen,
daß dem Wahnbetörten noch als „
Wahr‐
heit”
gilt, was er verlassen soll, um wieder
zu sich selbst zu kommen! ‒ ‒
.Noch ist der Arme, durch die
Sugge‐
stionsgewalt des Schlagworts Eingefangene
nicht
fähig, sich aus den ihn engum‐
schnürenden Gedankenfesseln zu befreien!
.Noch
wagt er nicht, nach
eigener Er‐
kenntnisfähigkeit sich einzustellen!
.Das Schlagwort hält ihn allzufest im
Bann, und wenn er auch sich zu
befreien
sucht, so fehlt ihm doch der
Mut, der
Freiheit
dort zu folgen, wo sie allzuweit von
dem geliebten Schlagwort sich entfernt. ‒ ‒
.Man wird den so Verirrten nicht mehr
anders retten können, als durch ein gütiges
Beachten seiner Torheit, und nur wenn
man ihm zeigt, daß man ihn
gelten läßt,
wird er zuletzt doch auch
die Kraft in
sich erwecken, die ihm Einsicht bringt,
daß nur ein
Schlagwort ihn am Gängel‐
bande hielt, wo er vermeinte, wohlbe‐
gründeter
Erkenntnis frei zu folgen.
.Nicht die Schlechtesten sind es, die gerne
„
mehr” sein möchten, als sie vor ihren und
anderen Augen
gelten.
.Dennoch aber schwebt den meisten dieser
Unzufriedenen mit sich selbst, eine „Fata‐
morgana” vor, ‒ dennoch läßt sich auch
hier so mancher von dem
Gespenst der
Freiheit gerade dorthin verlocken, wo es
keine echte Freiheit für ihn gibt, so daß
er seine Erdentage in
Verbitterung be‐
endet, weil seine Mitmenschheit ‒ nach
seiner Meinung ‒ ihm nicht zugestand,
was ihm gebührte . . .
.Der eine haßt die Stellung, die er aus‐
füllt um sich seinen Lebensunterhalt zu
sichern, weil er sein
Wissen und sein
Kön‐
nen höher einschätzt als die Forderung,
die seine Stellung an ihn stellt, ‒ der An‐
dere geht nur voll Überdruß an seine Ar‐
beit, weil sie ihm nicht
entlohnt erscheint,
wie er sie selbst bewertet sehen möchte.
.Einer hadert Tag für Tag mit seinem
Schicksal, weil es ihm die
Vorbildung ver‐
sagte, deren Ausweis er besitzen müßte,
wollte er den Wirkungskreis erobern, der
allein ihm angemessen scheint, ‒ ein an‐
derer flucht aller Menschheit, weil ihm nicht
die
Erdengüter von Geburt an mitgegeben
wurden, die er sich selber zuzusprechen
wissen würde, hätte er die Macht dazu.
.Jeder glaubt ein
anderes Ziel für sich
verloren, ‒ einig aber fühlen alle sich in
ihrer starken Überzeugung, daß sie „
mehr”
sein könnten, als sie sind, ‒ und diese Über‐
zeugung ist gewiß
begründet, wenn auch in
anderer Weise als die Überzeugten meinen!
.Du willst „
mehr” sein, als du bist?!
.Demnach „
bist” du zu wenig! ‒
.Zu wenig an dir „
ist”! ‒ ‒
.Du fühlst, daß du „
mehr”, aber wohl
auch „
weniger” sein kannst, als die Geltung
ausmacht, die du vor dir selbst und anderen
zu erlangen wußtest.
.Du fühlst, daß eine
Vielheit sich in
dir empfindet, ‒ daß diese Vielheit „größer”
oder auch „geringer”
werden kann. ‒
.Willst du also „mehr” sein, als du bist,
so
werde mehr!
.Lass' es nicht dabei, so „wenig” zu
sein,
wie du heute
bist!
.Begnüge dich nicht mit
Wünschen, son‐
dern
werde „mehr”, weil du „mehr” sein
willst!
.Es ist noch viel mehr in dir als du auch
nur zu ahnen wagen würdest!
.Gar vieles ist aus Urzeittagen her auch
heute noch in dir, was du gewiß nicht mehr
zu
sein verlangst, und du wirst ihm dein
Sein sogar mit aller Macht
entziehen
müssen, willst du
dich selbst nicht zer‐
stören, indem du
Andere zerstörst . . .
.Unnennbar vieles aber ist
zugleich in
dir, was du bis heute noch
nicht zu er‐
langen wußtest, und Vieles ist dabei, um
das du auch in deinen kühnsten Träumen
noch nicht weißt! ‒ ‒
.Zwischen dem, was du nun
nicht mehr
sein sollst, und diesem anderen, das du
noch
nicht bist, liegt jenes Wenige das heute dir
mit Recht als „
viel zu wenig” gilt um
deine Selbstdarstellung zu bestimmen . . .
.Es ist
der Geistesfunke Gottes, der
sich in deinem eigenen „
Ich” erlebt, und
wahrlich weiß, daß du viel „mehr” sein
könntest, als du bisher bist!
.Du nimmst nur in dein irdisches Bewußt‐
sein auf, was in den
innersten Bereichen
deines Seins empfunden wird.
.Dort aber dürstet dein Sein nach Er‐
füllung mit allem, was es noch nicht
ist!
.Darum willst du „mehr” sein in den
Formen der
Vergänglichkeit, ‒ darum
strebst du „mehr” zu werden in deinem
Alltagsleben, allwo
Notwendigkeit al‐
lein bestimmt, was dir erlangbar wird! ‒
.Hier aber wirst du nur „mehr” werden
können als du heute bist, wenn du in dir
„mehr”
aufzunehmen weißt in deinem
Sein!
.Du mußt mehr von dir
verlangen,
wenn du mehr erhalten willst!
.Klaren, selbstsicheren Willens mußt du
in dir selber das als
Anspruch fordern,
was du „
sein” willst, ‒ mit jenem Willen,
den jeder Sportsmann kennt, wenn er von
sich weiß, daß ihm sein Training ein ge‐
wisses
Recht gibt, seine „Klasse” zu be‐
haupten!
.So, wie der Sportsmann, aber wirst du
auch alles aufbieten müssen, um stets „bei
Form” zu bleiben, ‒ was dir wie ihm nur
möglich ist, durch Verzicht auf so Manches,
das zwar Anderen erlaubt sein kann, nicht
aber dem, der „mehr” zu
werden strebt,
‒ selbst wenn er schon vieles
ist! ‒ ‒
.Hinter dem Wunsche, „mehr” zu sein
als „
Andere”, versteckt sich nur der An‐
trieb, mehr zu sein, als
du selber bist,
denn noch bist du, gleichwie die Anderen:
‒ nur zum
geringsten Teil, was du zu
sein
vermagst! ‒
.Es handelt sich um den Gebrauch von
Kräften, die
allen Menschen dieser Erde,
ausnahmslos, in Freiheit stets erlangbar sind.
.Diese „
Seelenkräfte” aber kann kein
Mensch „gebrauchen”, solange er noch nicht:
sie seinem eigenen Sein zu
einen wußte.
.Man muß
selbst zu der Seelenkraft
werden, die man gebrauchen, und durch
die man seine Selbstdarstellung bestimmt
sein lassen will!
.Auch über
niedere Kräfte in dir kannst
du nur dann verfügen, wenn sie dein
Sein
erfüllen und dadurch mit dir identisch
wurden.
.Nur was du selber „
bist”, ist dir
hörig:
‒ es „
gehört” zu dir und „
hört” auf
deinen Willen!
.So wenig du zu
Gott gelangen kannst,
es sei denn, Er habe sich selbst deinem
eigenen Sein
geeint, ‒ so wenig kannst
du auch aus einer
Seelenkraft wirken,
die du aus dir selbst nicht
geeinigt hast
in deinem
Sein! ‒ ‒
.Doch darfst du hier gewiß nicht etwa
schematisch verfahren wollen, indem du
die Seelenkräfte gleichsam einzeln aufzu‐
rufen beginnst, die fortan dein Sein er‐
füllen sollen!
.Du darfst
die auslösende Macht nicht
unterschätzen, die stets in dir zur Aus‐
wirkung erwacht, wenn du vor einem bloß
Erahnten stehst! ‒ ‒
.Achte in dir auch das, was sich dir
noch
verhüllt! ‒
.Es ist nichts anderes dir vonnöten, willst
du hohe Seelenkräfte, die noch nicht in
deinem
Sein lebendig wurden: ‒ die du
demnach noch nicht „
bist” ‒ dir dereinst
einen, als daß du deine allgemeine
Ziel‐
richtung zu wahren weißt!
.Auch unter Verbrechern gibt es solche,
die „mehr” als andere sind, ‒ aber ihr
Zielen geht nach der Abgrundstiefe tier‐
haften
Vormenschentums auf dieser Erde,
während
dein hohes Ziel
der ewige
Geistmensch ist, in dem du dich dereinst,
nach dieses Erdenlebens stetem Ringen
mit dir selbst, geeinigt allen Geistgeborenen,
wiederfinden willst! ‒
.Hältst du dein
Ziel stets im Auge, dann
kannst du sicher vorwärts schreiten, ohne
Besorgnis und ohne Ängstlichkeit!
.Du wirst dir während deines Erden‐
lebens dann immer mehr der Seelenkräfte
einen, deren du zu deinem höchsten Auf‐
stieg einst bedarfst!
.Je mehr du aber selbst in deinem Sein
dich zu erfüllen weißt mit hohen Seelen‐
kräften, desto leichter wird es dir gelingen,
zu erkennen, daß du dich in
allen Gel‐
tungsstufen dieses Erdenlebens frei zur
Selbstdarstellung bringen kannst!
.Kein menschlicher Beruf ist so gering,
als daß er eines Menschen der sich viel
zu einen wußte,
wirkungsweite Selbst‐
darstellung nicht ertragen würde!
.In
jeglichem Beruf, ‒ in
jeder Stel‐
lung, die Notwendigkeit zur Zeit dir dar‐
zubieten hat, ‒ kannst du weit „mehr”
sein, als du
scheinen magst!
.Du wirst dich aber auch nicht wundern
dürfen, wenn du bald bemerkst, daß auch
die
Anderen dein reiches
Sein erkennen,
und dich dann allein nach
seiner Fülle
Strahlgewalt bewerten, wie immer auch
der Geltungswert der Stellung, die du hier
auf Erden einnimmst, sich bemessen las‐
sen mag! ‒ ‒
.Du bist dann
wirklich „mehr” ge‐
worden als die Andern, und wirst Anderen
zum Antrieb dienen, „mehr” zu werden,
als sie vorerst sind, ‒ so wie ein Mensch,
der auszog, Gold zu graben, und reich zu‐
rückkam, Anderen den Willen wecken wird,
ein Gleiches zu beginnen.
.Irrend, weil du deine Unzufriedenheit
allein
im Äußeren begründet glaubtest,
hast du bisher nur stets
Vergebliches ver‐
sucht um deinem Triebe, „mehr” zu sein
als was du
bist, Befriedigung zu schaffen.
.Sie bleibt dir aber keinesfalls versagt,
wenn du nunmehr dein Streben in
dein
Inneres verlegst!
.Hier, wo du selber eine Vielheit dar‐
stellst, die sich
mehren oder
mindern
kann, ‒ hier wird dir keine äußere Macht
die
Freiheit schmälern, ‒ und bist du
wirklich „mehr” geworden, als du bis zu
diesem Tage werden konntest, dann wird
auch deine
Selbstdarstellung in der
Außenwelt dich nur mit
Glücksgefühl
und innerer
Zufriedenheit erfüllen!
.Erst wenn du alles darzustellen weißt,
was du verborgen in dir trägst damit es
sich in dir
vollende, ‒ erst dann hast
du
dich selbst erreicht und bist wahr‐
haftig nun
zu dir gekommen! ‒
.In deiner
Selbstdarstellung schaffst
du dir die
ewig währende Bewußtseins‐
form, die du in deinen heimlichsten und
innerlichsten Bitten an dein Schicksal dir
ersehnst . . .
.Nur
du allein jedoch bist
Bildner
deines Schicksals, ‒ und wie du hier auf
Erden auszukosten hast, was du dir
vor
dem Fall ins
irdische Bewußtsein zube‐
stimmtest, so wirst du auch
nach deinem
letzten Atemzuge dich nur in der
von
dir selbst gewirkten Form des Selbstbe‐
wußtseins: ‒ deiner Selbstdarstellung, ‒
dereinst wiederfinden. ‒ ‒
.In Asien, dem Mutterschoß Europas, und
dem Urquellgrunde aller großen Religionen,
fließt verborgen eine stille Quelle, die
alles
speist, was in der Erdenmenschheit je an
echtem religiösen Fühlen keimte und
erwuchs, wie alles, was in diesen Tagen
noch die Kruste materiell gebundenen Den‐
kens zu durchstoßen weiß.
.Auch in der fernsten Zukunft wird aus
gleicher Quelle
gleiches Fühlen Nahrung
nehmen!
.Wie nirgends wahrnehmbar wird, was
dem Leben seine
Keimkraft gibt, und
Keimkraft dennoch sich bezeugt durch das,
was ihr entsprießt, so ist auch diese Quelle
allen echten religiösen Fühlens nur in
ihrer
Auswirkung bezeugbar, und selten
nur wird Seltenen
sie selber kund.
.Bis in die neuesten Tage zwar geht
lächerlichste Zaubermär durchs Land und
findet Gläubige, die ihrer wahrlich „wert”
sein müssen, allein die Wundermeister all‐
zukenntlichen Gewandes, die in solchen
„
Märchenbüchern für die Allzuvielen”
sich ergehen, leben nur in den geschäfts‐
gewandten Köpfen ihrer, mit dem Zubehör
des Zaubers niemals geizenden Erzeuger.
.Wirkliche Meisterschaft berufenen Er‐
kennens ist romanhaften Gebilden solcher
Spekulanten auf die Lesegier der Wunder‐
süchtigen so wenig ähnlich, daß jeder Maß‐
stab der Vergleichung fehlt, auch wenn die
rührigen Erfinder wundersamer Meister‐
mären sich aus allenthalben zugänglichen
fremden Schriften Material zu „borgen”
wußten, wo es galt, den allenfalls erregten
Argwohn harmlos gläubiger Gemüter zu
betäuben.
.Es ist wahrhaftig kein erfreulicher Ge‐
danke, daß sich zu dieser Zeit noch, ‒
mitten im Getriebe der modernen Welt,
‒ nicht wenig Menschen finden, deren
Hirne ohne jeden Widerstand die würde‐
lose Vorstellung ertragen,
das Licht der
Ewigkeit bekunde sich in Fakirwundern
und geheimen Künsten, wie man sie allen‐
falls dem Magus einer alten Zauberoper
zugestehen kann! ‒
.Ich bin genötigt, diese peinlich wunder‐
lichen Blüten jahrmarktsmäßiger Romantik
zu zerpflücken, damit man das, was ich
nunmehr zu sagen haben werde, nicht
miß‐
brauchen kann, indem man sich aus
meinen Worten Eideshelfer macht für irgend‐
welchen Wahn!
.Wir Menschen hier auf dieser Erde
leben keineswegs
nur unser individuelles
Eigenleben, sondern sind mit
allem denk‐
bewußten Dasein, ‒ nicht nur dem, was
dieser Erdball trägt, ‒ tiefinnerlich
ver‐
bunden!
.Wirkt diese
Allverbundenheit sich
schon bedeutsam in uns aus, so wird, was
sie bewirken kann, doch weitaus
über‐
troffen durch die Wirkungskraft des
erd‐
begrenzten Lebens denkbewußter Wesen
dem wir hier irdisch einverwoben sind!
.Weit folgenreicher noch als
All- und
Erdverbundenheit an sich ist für den
Einzelnen jedoch die durch
Impulsver‐
wandtschaft scharf umgrenzte
Gruppe,
der er seelisch zugehört! ‒
.Ihren unsichtbaren Einwirkungen ist er
ohne Unterbrechung ausgesetzt, wie alle,
die der
gleichen Gruppe zugehören, ständig
auch durch
seine Einwirkung beeinflußt
werden! ‒ ‒
.Zu solcher „
Gruppe” können Menschen
eng verbunden sein, die nie in diesem
Erdendasein sich begegnen werden, nichts
hier im Außenleben voneinander wissen,
keine Sprachgemeinschaft haben, und in
gänzlich fremden Vorstellungsbereichen auf‐
gewachsen sind. ‒ ‒
.Alle Weiten werden in den Gruppen
der Impulsverwandten überbrückt!
.Entfernung bildet für die gegenseitige Be‐
eindruckung der Gruppenzugehörigen kein
Hindernis . . .
.Wie elektrische Wellen heute den ganzen
Erdkreis umspannen, und doch nur von
Antennen aufgenommen werden können,
die für gleiche „Wellenlänge” eingerichtet
sind, so strahlen unsichtbare Kräfte auch
von jedem Erdenmenschen aus und bringen
jede Menschheitsgruppe der jeweils Impuls‐
verwandten in die sicherste Verbindung,
ohne anderen Gruppen wahrnehmbar zu
werden.
.Es ist ganz einerlei, an welchem Ort
der Erde du zu finden bist: ‒ du wirst
auf alle Fälle dort erreicht von
allen Ein‐
wirkungen
deiner Gruppe, mögen die dir
so Verbundenen in deinem, oder irgend
einem anderen Erdteil leben!
.Es liegt auch keineswegs in deiner Macht,
die so geschaffene Verbindung
aufzuhe‐
ben, ‒ es sei denn, daß du die Impulse,
denen du zu folgen pflegst, zu
wechseln
weißt, so daß du „automatisch” einer anderen
Gruppe dich verbindest. ‒
.Dem
Umfang und der
Art nach
sehr
verschieden, durchsetzen viele Tausende
von solchen unsichtbar vereinten Seelen‐
gruppen alles Menschendasein auf der Erde,
‒
verbinden räumlich weit
Getrennte,
wie sie auch recht oft die räumlich
Nächsten
voneinander
scheiden . . .
.An
allem nimmst du, ohne es zu ahnen,
Anteil, was in jeder Seele vorgeht, die in
deiner Gruppe der Impulsverwandten sich
erlebt! ‒ ‒
.Du glaubst in dir nur
eigene Seelen‐
regung zu vernehmen, und bist doch, mehr
als du vermuten könntest, bewegt durch
seelisches Geschehen, das in einem,
deiner
Gruppe Zugehörigen zur Zeit erfahren
wird, so wie auch
dein Erleben
allen dir
Impulsverwandten fühlbar wird zu jeder
Zeit! ‒ ‒
.Was ich dir hier begreiflich nahe bringen
will, kann dir gar viel erklären, das oft,
und bis zu diesem Tage dir so manches
„Rätsel” aufzugeben hatte . . .
.Du hast nun Einsicht in die
innere
Struktur der
Formen seelischer Verbun‐
denheit, und weißt zugleich, daß du
be‐
stimmen kannst, was dich am stärksten
mitbestimmen soll in deinem seelischen Er‐
leben, ‒ denn: läßt
du selber die Impulse
fahren, die dir
unerwünscht erscheinen,
kommen sie zu dir
als Einwirkung Im‐
pulsverwandter, so
entschwindest du
der Gruppe, der du eben noch verbunden
warst, und findest allsogleich dich einer
anderen geeinigt, die
dem entspricht, was
du in dir nun hegst. ‒ ‒
.Verantwortung für all dein Denken,
Reden, oder Handeln trägst
nur du allein,
auch wenn die dich bestimmenden Impulse
dir von
anderer Seite unsichtbar und un‐
vermerkt vermittelt wurden!
.Auch die Impulsverwandten deiner See‐
lengruppe, die von
dir beeindruckt werden
ohne es zu ahnen, tragen in der gleichen
Weise die Verantwortung für
ihr Ver‐
halten.
.Leicht kannst du dir nun aber sagen,
daß die tausendfältig unterschiedenen Seelen‐
gruppen sich in Tausenden verschiedener
Erlebnisstufen „übereinander” schichten,
und daß du nur zu einem
höheren Er‐
leben deiner Seele kommen kannst, wenn
du dich unermüdlich selbst dazu bestimmst,
die niederen Impulse aufzugeben, und
stets
höhere in dir zur Auswirkung zu
bringen! ‒
.Vielleicht wirst du auch jetzt verstehen,
was ich von der stillen „
Quelle” sagte,
die heute noch, wie vor Jahrtausenden,
vom Urquellgrunde aller geistbelebten Reli‐
gionen her das
echte religiöse Fühlen
in der Erdenmenschheit speist, ‒ aus
welcher Form der Vorstellung auch solches
Fühlen keimen mag! ‒ ‒
.Vielleicht wirst du nunmehr begreifen,
daß ich deutlichst warnen mußte vor den
Ausgeburten aberglaubenübersättigter Phan‐
tasterei! ‒
.Vielleicht erkennst du jetzt auch schon,
daß ich von einer „Quelle” spreche, deren
Wasser aus dem
Innersten des
Lebens
quellen, und daß hier von nichts anderem
die Rede ist, als von der
höchsten und
zugleich auch
kleinsten Seelengruppe irdi‐
scher Impulsverwandter, die hineinreicht
in den Lichtkreis urgewissen
Seins, ‒
weil sie in ihm schon im Bewußtsein war,
längst ehe
irdisches Bewußtsein sie er‐
reichte! ‒ ‒
.Du wirst wohl auch begreifen, daß ihr
Einfluß
denen nur zustatten kommen kann,
die sich zum Lichte sehnen, ‒ auf
welcher
Stufe auch die Gruppe der Impulsver‐
wandten stehen mag, der sie verbunden
sind. ‒
.Nicht durch die engere Impulsverwandt‐
schaft, die die Wenigen der Lichtvereinten
unter sich verbindet, können sie den
anderen Gruppen sich vernehmlich machen,
sondern nur allein kraft jener
allgemeinen
inneren Verbindung, in die
alle Erden‐
menschen einverwoben sind, ‒ und wohl‐
verstehbar wird es dir erscheinen, daß sie
auch da nur Seelen nahekommen können,
die bereits ihr ganzes Streben
aufwärts
führt!
.Hier handelt es sich nur um
Aller‐
innerstes, und keine Neugier, keine Art
des Wissenstriebes, keine Macht der Erde,
kann hier
mehr erspähen, als was der
Seele zuströmt, die sich selbst bereitet, um
die
geistgezeugten „Sendewellen” zu emp‐
fangen, die aus dieser Gruppe Lichtver‐
einter ohne Unterlaß zu allen ihren Mit‐
menschen auf Erden strömen! ‒
.Unzählige sind diesem Lichtkreis längst
verbunden, mögen sie auch das, was sie
erreicht, nach Weise ihrer angestammten
Glaubenslehren
deuten!
.Die „Quelle”, die hier fließt, kann
jede
Form erfüllen, die sich ein geistbelebter
Glaube schuf, ‒ und
jedes würdige Ge‐
fäß wird wertgeachtet, aufzunehmen, was
es „fassen” kann . . .
.Unfähig zu empfangen, sind nur die
mit Erdenschlamm
gefüllten „Becher”, und
die „Siebe”, die nichts in sich selbst
be‐
wahren können!
.Es werden deine
Glaubenslehren aber
dich
gewiß nicht hindern, und dein
Be‐
kenntnis kann dir nur die
Fassungs‐
fähigkeit erweitern, für das
Lebendige,
das es hier aufzunehmen gilt . . .
.Nur wirst du mit dem
Herzen zu be‐
kennen wissen müssen, und dein Glaube
darf nicht nur
gehirnbegründetes Ver‐
messen sein!
.Gehe deinem Glauben
auf den Grund
und prüfe, ob er auch in deiner
Seele
Wurzel faßte!
.Siehst du ihn so begründet und im Leben
stehen, dann werden ihm gewiß die licht‐
durchströmten Wasser wachen Wissens nie‐
mals schaden, sondern ihn vielmehr erst
zum
Erblühen bringen und alsdann zur
Frucht! ‒ ‒
.Allen
Aberglauben wirst du freilich
sorgsam
roden müssen, denn er
raubt, um
sich zu nähren, deinem Glauben nur die
Kraft, aus der er sich entfalten soll! ‒
.Doch darfst du hier gewiß nicht
bloßen
Scherz und
alter Vätersitte harmlosen
Gebrauch mit
wüstem Wahn verwechseln,
der
die Seele überwuchern will! ‒
.Noch weniger sollst du die Formen
alten Glaubens zu vernichten suchen, die
dir nur „fremd” geworden sind, weil sie
Symbole in sich bergen, die du nicht mehr
deuten kannst!
.Torheit allein reißt alles was sie nicht
erkennt, gleich aus dem Boden, und zer‐
trampelt wild, was sie nicht nützen kann!
.Auch Religion kann nur in wahrer
Freiheit sich entfalten, obgleich zumeist
die Bahnen
vorgezeichnet sind seit alter
Zeit, in denen sich die unterschiedlichen
Gebilde religiöser Formgestaltungsfreudig‐
keit allein
beweglich und
als Lebens‐
überformer zu erweisen wissen.
.So kann auch Religion in ihrer Aus‐
wirkung gewiß zu wahrer Freiheit
führen,
und dir deine Freiheit
sichern! ‒
.Tief in
Notwendigkeit begründet ist
die vielfache
Verschiedenheit der Lehren
und der Kulte!
.Es ist nur
Selbsttäuschung, glaubt
man Verschiedenheit des
religiösen Füh‐
lens dadurch ausgetilgt, daß man die Formen
einer
einzigen Lehre und die Formen
ihres Kultes über manches Land ver‐
breitet hat! ‒
.Worte können wohl an
allen Orten
ihre „
Diener” finden, und nur
begriff‐
liches Erfassen heischende Symbole lassen
sich gewiß von
allen Völkern in der
gleichen Weise deuten.
.Das
religiöse Fühlen aber wird sich
immer ‒ trotz erzielter äußerlicher Gleich‐
heit in Bekenntnisform und Kult ‒ aus
Seelensicherheit heraus die
eigenen Wege
bahnen, die
seiner Sonderart entsprechen
in
Notwendigkeit.
.Äußerlich scheint ja in
vielerlei Lan‐
den
gleiche Religion zu herrschen, weil
gleicher Kult sich auswirkt und die
gleichen Worte überall erklingen, ‒
innerlich aber bleibt bestehen, was schon
vor Jahrtausenden bestand und
niemals
auszutilgen ist, da es in
tieferen Tiefen
wurzelfest gegründet steht, als die viel‐
leicht ihm „seelenfremde”
Lehre und ihr
Kult. ‒ ‒
.Es war
nicht, wie die Heutigen meinen,
törichter „Götzendienst”, wenn alte Völker
ihre
Landesgötter zu ehren wußten! ‒
.Wirkliches wußten sie so erreichbar,
und dieses
gleiche Wirkliche wird auch
in vielen Landen und an vielen Orten dieser
Erde
heute noch erreicht, wenn auch die
Vorstellung sich andere
Bilder schuf, um
es zu fassen, und das äußere Bekenntnis
neue
Namen für die ihm verhüllten Mächte
fand! ‒ ‒
.Gar wenig kommt es darauf an, was von
dem sagenhaften „
Helden” eines Volkes auf‐
gezeichnet steht, und was die Heiligenlegende
von dem „
Heiligen des Ortes” weiß!
.Held, wie
Heiliger sind „
Wahrheit”
nur: als
Bild der Vorstellung, und
hin‐
ter solchem Bilde steht die geistgezeugte
Wirklichkeit, für die es ganz belanglos
ist, ob sie den Irdischen in
diesem oder
jenem Bilde faßbar wird, ‒ ob man dem
Göttlichen in ihr Altäre baut, oder den
Geistes-
Menschen in ihr ehrt und ihm
als „Schutzpatron” des Landes Kirchen
weiht. ‒ ‒
.Es ist darum
nicht immer richtig, Re‐
ligion von alledem zu „
reinigen”, was
noch in ihr an Formgebilden lebt, die einer
Vorzeitreligion ihr Dasein danken! ‒
.So wie ein altes Bild, das unter Kerzen‐
ruß und Kirchenstaub kaum noch erkenn‐
bar ist, nur durch die Hand des
Kundigen
gereinigt werden darf, soll es in seiner
alten Pracht erneut erkennbar werden, ‒
so ist auch
mehr, als nur der Drang nach
rationeller Klarheit nötig, soll Religion
„
gereinigt” werden von der Trübnis die
ihr klares Antlitz zu zerstören droht . . .
.Zu teuer ist der Preis, um den die Lehre
„
Reinigung” erreicht, wenn allzugleich
dabei in törichter Verkennung „
Zeichen”
ausgewaschen werden, die man in späteren
Tagen dereinst wieder mühevoll dem Bild
der Lehre
einzufügen haben wird, soll
sie auch noch zu denen sprechen, die als‐
dann erneut zu
deuten wissen werden, was
einer Zwischenzeit nicht deutbar war! ‒ ‒
.Höher aber als die Lehre, steht das
Leben!
.In deinem
Alltagsdasein kann sich erst
erweisen, ob die Lehre, der dein Herz er‐
geben ist,
wirklicher Freiheit dich ent‐
gegenführt, oder ob du einer Lehre Knecht
bist, die dich
blendet, damit du nicht
gewahrst, daß nur
Gespenst ist, was sie
dir als „Freiheit” zeigt! ‒ ‒
.„Nicht um des Sabbaths willen lebt der
Mensch auf Erden, sondern der Sabbath
ist nur
um des Menschen willen ein‐
gesetzt!”
.Erst wenn die Lehre eingeht in das
Leben, kann sie sich
bewähren!
.Bekenntnis, das nur im
Gehirnver‐
stande ankert, ist nicht viel mehr als
jedes „
auswendige” Wissen, das nur Wert
besitzt, ‒ wenn man ihm Wert „
ver‐
leiht”. ‒ ‒
.Solange noch dein Leben nicht „
durch‐
drungen” ist mit Religion, solange weißt
du dein Bekenntnis nicht zu
nützen! ‒
.Nur dann „
lebt” Religion in dir, wenn
sie vom ersten Augenblicke deines Wieder‐
findens im Erwachen, bis zum letzten kla‐
ren Selbstempfinden, das der Schlaf als‐
dann verhüllt, dir ständig
gegenwärtig
ist! ‒
.Nur dann, wenn
jegliches Geschehen
deines Tages
überstrahlt wird durch dein
religiöses Fühlen, ‒ gleichviel in wel‐
cher
Form du es zu fassen suchst, ‒ darfst
du gewiß sein, daß du dem, was „
ewig”
ist in dir entsprichst! ‒ ‒
.Vorher bist du nur selbst ein
Hemm‐
schuh deiner
Seele, weil du sie hinderst,
sich
in diesem Erdenleben auszu‐
wirken! ‒
.Vorher bist du nur
tierhaft deiner
selbst bewußt, auch wenn du
glaubst, im
Geistigen dich zu erkennen! ‒
.Auch wenn dich alle Welt als einen
ihrer Großen ehren mag, so bist du doch
im Geiste dem Geringsten unterordnet, der
sein Tagewerk in krafterfüllte Strahlen
ech‐
ten religiösen Fühlens einzutauchen weiß,
um so mit allem was er tun mag, seiner
Seele neue
Nahrung darzubieten! ‒ ‒
.Aus
solcher innerer
Durchdringung
allen Tagewerks mit
Religion, ist hier auf
Erden
jede der Kulturen vormaleinst ge‐
boren worden, die du heute hoch bewun‐
derst und kaum mehr erreichbar glaubst . . .
.Auch
unsere Zeit verlangt nach neuer
Weltkultur, ‒ doch sucht sie nur Kultur
zu „
konstruieren”, wie man eine Eisen‐
brücke konstruiert . . .
.Erst dann jedoch wird diese Zeit
Kul‐
tur aus sich „
gebären” können, wenn sie
wieder sich mit
echtem religiösen Füh‐
len zu
durchdringen weiß! ‒ ‒
.Du aber, der du selbst, als „
Kind der
Zeit”, heute auf Erden hier im Dasein
stehst, ‒ beginne
bei dir selbst! ‒
.Hast du erst
selbst dein Dasein
ein‐
getaucht in
Religion, dann wirst du bald
auf Schritt und Tritt auch
Anderen be‐
gegnen, die aus bloßen Erdentieren wieder
geistgeeinte Menschen werden wollen . . .
.Ihnen wird alsdann
dein Leben beste
Lehre sein, ‒ und
wenig Worte wird
man brauchen, diese Lehre zu
bekräf‐
tigen! ‒
.Wenn man auch deinen Worten Glauben
schenken mag, so glaubt man doch viel mehr
noch deinem
Tun!
.So, wie du
vorzuleben weißt, was dich
im Innersten erfüllt, so werden es die An‐
deren
nacherleben können!
.Du sollst jedoch gewiß kein „Spielver‐
derber” sein, wo andere die kargen
Freu‐
den ihres Erdenlebens irdisch auszukosten
suchen, ‒ und nicht als „Frömmler” sollst
du dich mit himmelwärts verdrehten Au‐
gen über jede harmlos-tolle Torheit Fröh‐
licher „entrüsten”!
.Ist all dein Alltagsdasein
wirklich durch
die dir gemäße Religion bestimmt, dann
wirst du wahrlich auch zu
lachen wissen,
wo sich sündlos lachen läßt!
.Bald wirst du dann entdecken, daß ein
heiteres Wort denn doch noch Besseres
vermag als alle sauertöpfisch-überernste
Mahnung und Belehrung.
.Wahre Religion ist frohgemute
Freiheit!
.Mißtraue darum allem, was als „religiöses”
Fühlen gelten möchte, ohne in der
Heiter‐
keit des Herzens sich
bestätigt zu er‐
weisen! ‒ ‒
.Aller
Erkenntnis weltweise
Mutter
ist die
Sprache!
.Weit aber wurde der Weg von dem
lallenden Lautegebell, das unseren tierhaften
Vorahnen voreinst
Verständigungsmittel
kümmerlichsten Verstandes war, bis zum
ersten geistgezeugten
Wort!
.Nicht eher konnte bloßer Stimmklang
„
Sprache” werden, als bis die Urmensch‐
tiergehirne sich soweit beeindruckbar ge‐
staltet hatten, um den Splitterregen
körper‐
lichen Lichtes, der sie allenthalben über‐
sprühte, in sich
umzuformen zu
Erfas‐
sungskräften, die auch
Ungreifbares zu
umschließen wissen.
.Es ist nicht etwa nur ein sprachlicher
Vergleich allein, wenn man vom „
Lichte”
des
Verstandes, der
Vernunft, des
Den‐
kens, und vom „
Licht” des
Geistes
spricht! ‒
.Was uns als
körperliches Licht der
Sonne und der
Sterne durch das körper‐
liche
Auge wahrnehmbar wird, ‒ was der
Mond an abgeschwächter Sonnenstrahlung
wiederspiegelt, ‒ das alles ist
zugleich
auch
geistige Substanz, die zwar dem un‐
erschlossenen Gehirn der anderen Tiere
unwahrnehmbar bleibt, jedoch im längst
dafür empfindlichen Gehirn des Erden‐
menschentieres
aufgenommen und
ver‐
wandelt wird zu einer Kraft, aus der die
Seele sich ihr inneres
Erkenntnis-Reich
gestaltet. ‒ ‒
.Wir würden selbst im
Außendasein
kaum viel mehr erfassen können als den
höchstentwickelten der bloßen
Tiere dieser
Erde faßbar wird, wenn sich die
Seele
nicht aus reiner, umgeformter
Lichtkraft
denkfaßbare
Bilder aller Außendinge schaf‐
fen könnte. ‒
.Mit Hilfe dieser „
Bilder” äußerer Ge‐
staltung können wir uns erst „
begreiflich”
machen, was unsere Nebentiere, ‒ seien
sie auch auf der höchsten Stufe tierhafter
Entwicklung angelangt, ‒
niemals, den
sinnlich unerkennbaren Zusammenhängen
nach,
begreifen.
.„
Denken” aber, dessen Gegenstände
nicht mehr Wiederspiegelungen
außen‐
weltlicher Gestaltung, sondern
unsere ei‐
gene innere Schöpfung sind, wäre erst
recht unmöglich, hätten wir die umgewandelte
Substanz des körperlichen
Lichtes nicht in
unserem Gehirn in reicher Fülle zur Ver‐
fügung.
.Jegliche „
Vorstellung”, die sich im
Innenleben eines Erdenmenschen bildet, ‒
jeglicher
Gedanke, den ein Mensch erfassen
kann, ‒ ist nur ein
Bild aus
umgeformter
körperlicher Lichtsubstanz, und nur
in solcherart erzeugtem „Niederschlag” kann
seelische und geistsubstantielle
Wirklich‐
keit uns hier auf Erden faßbar werden.
.Die
lautgemäße Wiedergabe dieser
inneren Bilder aber ist die
Sprache, deren
Sonderart bestimmt wird, durch den, jeder
Einzelvolksgestaltung eingeprägten Lebens‐
rhythmus.
.Nun lassen sich aus dieser in Gehirnen
umgeformten Lichtsubstanz, ‒ die immer‐
fort in Wellenwogen
unerfaßlich kleiner
körperlicher Lichtkraftsplitter alles
Erdenkörperliche zu
durchdringen weiß,
‒ die mannigfaltigsten Gebilde formen,
die keineswegs auch irgend einem
Wirk‐
lichen entsprechen müssen, sei es ein nur
allgemeinem Sprachgebrauch nach „Wirk‐
liches” der
Außenwelt, oder das
abso‐
lute Wirkliche, das nur in
seelischen und
geistsubstantiellen Formen seinsgewal‐
tig ist. ‒
.Erfahrung ließ daher den denkbewußten
Erdenmenschen schon in alter Zeit gewahren,
daß die innere Bildnerkraft
in strenger
Zucht gehalten werden müsse, damit sie wahr‐
haft
Wirkliches erkenntnisnahe bringe.
.Fehlschluß, oder
falsches Urteil,
waren jederzeit die Folge unbesorgter Art
des inneren Gestaltens.
.Es bedurfte aber einer Selbstkontrolle un‐
gezählter Einzelner in langen Generationen‐
reihen, um endlich die
Gewißheit zu er‐
langen,
welche innerlichen Formbildungs‐
methoden dauernd
auszuscheiden seien,
wenn das
Resultat des Denkens und Er‐
schließens zum
gesicherten Erkennen des
Geschehens im Bereiche einer
Wirklich‐
keitsbezeugung führen solle.
.So erst entstand, was man zu Recht als
„
Wissenschaft” bezeichnen darf.
.Da aber solche strenge
Selbstzucht,
wie man hier sie in
Notwendigkeit be‐
gründet fand, gar manche liebgewordene
Illusion zerstörte, konnte es auch nicht
an Selbstbetörten fehlen, die
nicht ge‐
sonnen waren, ihre Art des
hemmungs‐
losen Bildgestaltens aufzugeben, und aller‐
orten kann man darum hohlem Wahn be‐
gegnen, der sich aller strengbedingten Wissen‐
schaftlichkeit
enthoben glaubt . . .
.Man fühlt die „
Freiheit” seines Den‐
kens durch die Wissenschaft bedroht, und
merkt nicht, daß man dem
Gespenst der
Freiheit folgt, weil man sich der
Notwen‐
digkeit entwinden möchte, die auch alles
innere Gestalten ordnen muß, soll es ein
Bild der
Wirklichkeit ergeben . . .
.Gewiß sind manche Diener der „exakten”
Wissenschaft nur arme „
Kärrner”, die
nicht über ihres kleinen Karrens Last
hin‐
auszublicken wissen!
.Gewiß muß vorgebliche „Wissenschaft”
auch manchen
Dünkel decken!
.Wenn aber auch ein Werkzeug
schlecht
gehandhabt wird, so ist damit noch keines‐
wegs erwiesen, daß es nicht zu rechtem
Werke
taugt!
.Es ist nur
Torheit, glaubt man echtes
religiöses Fühlen durch die Denkgesetz‐
lichkeit der Wissenschaft
bedroht, ‒ und
Torheit nur wähnt wahrer Wissenschaft
den Weg verbaut zu höchstem
geistigen
Erkennen, nur weil die
Vorsicht heute
noch den wissenschaftlich Denkenden ver‐
hindert, sich auch in Bereiche vorzuwagen,
die man „wissenschaftlich” erst durch‐
dringen kann, wenn man sie im
Erlebnis
sich
eröffnet hat. ‒ ‒
.Unwissenschaftlich wäre es, zu fol‐
gern, daß sich niemals wissenschaftlich
Wirkende dazu entschließen könnten, geistige
Erlebnismöglichkeiten in sich aufzu‐
suchen, nur weil heute noch den Meisten
alles, was sich nicht
erdenken läßt, da
es
erlebt sein will, im Anruch alten
Aber‐
glaubens steht . . .
.Wer freilich Wissenschaft in einer Weise
treibt, die ihn dem wachen
Leben fremd
macht, dem allein das Denken
dienen
sollte, der ist in gleicher Weise
seiner
Träume Narr, wie irgend ein Besessener
der Ausgeburten wirrer Wahnideen!
.Alles menschliche Beginnen muß dem
Leben dienen, muß das Erdendasein zu
bereichern trachten, soll der Mensch nicht
selbst zum
Sklaven werden, wo er
Herr‐
schaft aufzurichten sucht!
.Da alle Wissenschaft sich aus der
Sprache
nährt, die wiederum nur lautgerechte
Dar‐
stellung der inneren Gestaltung umgeform‐
ter körperhafter Lichtkraft ist, so hängt
auch
wissenschaftliche Entfaltung in
erheblich hohem Grade von der ihr gemäßen
Ausfragung der
Sprache ab. ‒
.Viel zu wenig wird solche „Ausfragung”
betrieben, wo sie als zuverlässigstes Mittel,
neue Intuitionen zu erlangen, längst be‐
kannt sein sollte . . .
.Nicht alle Erkenntnis ergibt sich aus
dem Verhalten der zu erprüfenden Stoffe
in Retorten und Gläsern, oder erschließt
sich allein nur der steten Beobachtung!
.Wichtigstes wurde entdeckt, weil
ein
Wort den
Gedanken weckte, der darum
wußte, wo die von Vielen gesuchte Er‐
kenntnis sich verborgen hielt. ‒
.So wird auch vieles noch zu finden sein,
zu dem die
Sprache dem die Wege weisen
wird, der sie in rechter Weise „
auszufra‐
gen” weiß!
.Es gibt in diesem Erdenleben schlecht‐
hin keinerlei Erkenntnis, deren rechter Zu‐
gangsweg nicht aus der
Sprache zu er‐
fahren wäre!
.Auch wenn wir glauben,
mit den
Dingen selbst zu tun zu haben, sind es
doch nur die aus umgeformter Lichtkraft
nachgeschaffenen
Innenbilder, die uns als
Beobachtungsobjekte zur Verfügung stehen,
und ihre lautgerechte
Darstellung besitzen
wir dann in der
Sprache.
.Du meinst, dein äußerliches Auge
sähe
doch die Dinge und gewahre noch die
feinsten Formenteilchen ihrer Oberfläche?! ‒
.Jedoch, dein „
Sehen” ist nur eine
kon‐
zentrierte Umwandlung der Lichtkraft‐
splitter in die
Formsubstanz aus der sich
deine ganze „
Innenwelt” erbaut, ‒ in
der
allein du
wirklich lebst, auch wenn
du glaubst, nur in der
Außenwelt zu leben.
.Die „Linse” deines Auges sammelt aus
der dich umgebenden Lichtsplitterstrahlen‐
masse stets ein unbezeichenbar
Vielfaches
von dem ein, was stets auch
ohne sie die
Aufnahmemembranen deines Hirnes er‐
reichen würde, ‒ sendet aber dieses Einge‐
sammelte dann
konzentriert, sogleich der
„Netzhaut” zu, die ein System von „
Rastern”
ist, und gleichsam automatisch, jeden körper‐
lichen Lichtkraftsplitter, augenblicklich zu
gestaltungsbildender Substanz gewan‐
delt,
dorthin weiterleitet, wo das innere
Bild der Außenform seiner
bedarf. ‒ ‒
.So lebst du nur in einer unbegreiflich
reichen, wechselvollen Welt von inneren
„
Bildern”, und nur als
Folge dieser stets
belebten Innenwelt empfängst du all dein
Fühlen,
Denken und
Empfinden! ‒ ‒
.„
Wissenschaft” ist nun nichts anderes,
als Aufnahmebereitsein für die aus
Not‐
wendigkeit bestimmte
Ordnung innerer
Bildgestaltung, bei gleichzeitiger Enthaltung
von der Aufnahme
willkürlichkeitser‐
zeugter Bilder.
.Jeder, dem das Streben nach Erkenntnis
nicht nur
Spiel bedeutet, treibt schon für
sich selber „
Wissenschaft”, auch wenn
sein anerlerntes Wissen nur gering, und
nicht etwa die Frucht der hohen Schulen ist.
.Sich von wissenschaftlich strenggefügtem
Denken
abzuwenden, wo es sich um das
Erkennen
außenweltlicher Zusammen‐
hänge handelt, bedeutet
selbstgewollte
Täuschung, selbstbereiteten
Betrug des
eigenen
Erkenntniswillens!
.Wo es sich aber um Erkenntnisresultate
handelt, die nur im
Erlebnis zu gewinnen
sind, dort wird der wissenschaftlich streng
geregelte Prozeß des denkgerechten Prüfens,
dem, der ihn auch als
Erlebender des
Übererdenhaften zu
beherrschen weiß,
nur stets willkommene Kontrolle eigener
Erlebens-Sicherheit verschaffen.
.Was nicht zuletzt auch noch dem folge‐
recht geschulten Denken standzuhalten weiß,
so wie es Wissenschaft von ihren Dienern
streng verlangt, das ist gewiß auch im
Er‐
lebnis nicht begründet, und vermag nur
für begrenzte Zeit ein
Scheinbild wirk‐
licher Erkenntnis
denen vorzutäuschen, die
sich lieber täuschen lassen
wollen, als der
ihnen un-heimlichen „
Wissenschaft” die
hohe Stelle im Erkenntnisstreben dieser
Erdenmenschheit zuzubilligen, die solcher
schwer erzielten Zucht des Denkens hier
unweigerlich gebührt.
.Es ist nicht sehr erfreulich, daß man
diese Binsenwahrheit erst noch feierlich
bezeugen muß, wenn es auch leider bitter
nötig ist um jener Vielen willen, die am
Gängelbande wirrer Schwärmer laufen,
denen alle „Schulweisheit” gar sehr ver‐
dächtig scheint, weil sie auf Denkprämissen
fußt, die keine
Selbsttäuschungen dulden.
.Kann man gewiß auch nicht behaupten,
daß sich Wissenschaft zu jeder Zeit von
allem Irrtum freigehalten habe, so wurde
doch noch jeder Trugschluß, dem sich wissen‐
schaftlich Forschende ergeben hatten, früher
oder später durch die
gleiche Wissenschaft
als
unzulässig aufgezeigt.
.Wie
alles erdenmenschliche Erkennen,
ist auch Wissenschaft der Möglichkeit des
Irrens unterworfen.
.Aber dort,
wo
wirklich reine
Wissen‐
schaft betrieben wird, ‒ und nicht nur
Götzendienst vor ihren
Dienern, ‒ dort
ist noch immer
weitaus mehr Gewähr für
sichere Erkenntnis dargeboten, als jemals
jene wilden Wüsten darzubieten haben wer‐
den, in die sich urteilslose Eigenbrötelei
durch das
Gespenst der Freiheit allzuleicht
verlocken läßt.
.Jeder,
seines Denkvermögens und der
Sinne mächtige der Erdenmenschen, glaubt
auf seine Art sich
seiner selbst bewußt,
da er um
seinen Körper weiß, und um die
durch Organe dieses Körpers wahrnehm‐
baren
Reaktionen aus der
Außenwelt, die
ihn umgibt.
.Des weiteren weiß jeder um den
Namen,
den ihm voreinst Andere gegeben haben,
und kennt bis zu bestimmten Graden die
Familienzweige, denen er, als Frucht der
Einigung, sein körperliches Dasein zu ver‐
danken hat, selbst wenn er eher denen
fluchen möchte, die es ihm gegeben haben . . .
.Er weiß um seine Stellung in der Welt,
‒ weiß, was er tätig zu
erwerben wußte,
und was noch an Erwünschtem ihm
ver‐
sagt zu bleiben scheint.
.Ganz sicher weiß er auch um seine
Titel
und
Bevorrechtungen, falls ihm solche von
Geburt an, oder im Verlaufe seines Erden‐
wandels dargeboten wurden . . .
.Mit alledem jedoch weiß er noch keines‐
wegs um seine
Wirklichkeit, denn alles
was er an sich kennt, ist nur zeitweilig
An‐
genommenes, das mit ganz unbezweifel‐
barer Sicherheit dereinst ihm wieder
ab‐
genommen werden wird. ‒ ‒
.Es gibt jedoch etwas, das keiner
an‐
zunehmen, oder abzulegen braucht, da er
es ewig
war und
ist und
sein wird, selbst
wenn er die Macht
verwirkt, sich ewig mit
dem so Bestimmten als
identisch zu emp‐
finden . . .
.Es gibt etwas in uns, das
nicht von
dieser Erde ist, auch wenn es sich in unserem
Erdendasein nur in
erdenhaft bestimmter
Form
erfassen läßt. ‒ ‒
.Dieses gilt es zu
ergründen!
.Dieses, vor allem, gilt es
an sich
wahrzunehmen!
.Wer dieses
Eine nicht in sich ergründet
hat, der ist gleich einem Bettler, der durch
dunkle Gassen zwischen wohlverschlossenen
Häusern irrt, und in Verzweiflung aufspäht
zu den hellen Fenstern, die ihm zeigen, daß
die Anderen ihr Fest begehen, ‒ während
er zu
seinem Feste längst noch nicht „ge‐
laden” ist . . .
.Es gibt so viele, die gleich einem solchen
Bettler noch in „dunklen Gassen” irren,
und sich in jeder „Kellerkneipe” seelischer
Betäubungsgifte zu
berauschen suchen, um
ihr Elend zu
vergessen, während andere
sich seiner kaum noch schämen, und es brüsk
zur Schau zu tragen trachten. ‒
.Wenn
Egoismus, guten Rechtes, als
ver‐
werflich gilt, soweit er Selbstbetonung ist
die
neben sich nichts gelten lassen will,
so ist man doch versucht, nach ihm zu fragen,
sieht man, wie so viele Tausende sich selbst
„
vergessen”, und wahrlich nicht, um An‐
deren dadurch zu nützen . . .
.Eingekeilt in eine Masse, deren Einzel‐
glieder, bis auf Wenige, die leicht zu zählen
wären, längst schon
sich „
vergaßen”, und
statt dessen sich genannt zu haben glauben,
wenn sie ihre äußerlichen „Namen” sagen,
gewahrt der Mitgerissene nur selten, daß er
um
sich selbst nicht weiß, und nur die
zeitlich zugefügten bunten Fetzen kennt, die
ihn „
bezeichnen”. ‒
.Es liegt wahrhaftig
allzuviel Genüg‐
samkeit in dieser Selbstaufgabe, nur um
jener Anderen willen, die in gleicher Weise
auch nicht um sich selber wissen!
.Hier könnte Egoismus „
Tugend” heißen,
sofern der Einzelne, durch Sorge um sich
selbst zum Anlaß würde, daß auch
Andere
Ermutigung empfingen, nach sich selbst zu
suchen . . .
.Fast bleibt es unbegreiflich für den Nüch‐
ternen, daß sich in diesem Erdendasein
Millionen an dem
Maskenkram berauschen,
den sie sich ersonnen haben, weil sie nicht
mehr wissen, wer sie
sind!
.Wo aber
Wirkliches dem bloßen
An‐
schein weichen muß, dort triumphiert in
Sicherheit der
Trug, ‒ und selbst betrügt
sich
jeder, der nicht mehr weiß,
wer
er von Ewigkeit her
ist!
.Die höchste Ehrung, die das äußere Ge‐
meinschaftsleben zu vergeben hat, kann
immer nur wie eine Mantelhülle, oder wie
ein Schmuck getragen werden.
.Als was der Träger dann
erscheint,
das „
gilt” er denen, die auf seine Ehrung
„
Wert” zu „legen” trachten, doch was er
ist, wird keineswegs durch solchen Wert
verändert. ‒
.Fühlt er in dem ihm zugestandenen Ge‐
wande sich etwa
erhabener, als in der
Nacktheit seiner Menschentiergestaltung,
dann lebt er nur in einer Traumwelt, als
das arme Opfer der Hypnose seiner Eitel‐
keit, und ist noch himmelweit davon ent‐
fernt, auch nur zu „ahnen”,
wer er ist! ‒
.Aus längst vergessenem Bewußtsein seiner
selbst erreicht den Erdenmenschen noch die
leise Ahnung, daß alles, was ihn heute
un‐
frei macht, ihm
ungemäß, und
nicht in
seinem wahren Sein beschlossen ist.
.So wird ein unbewußtes Streben zu
sich
selbst, verwandelt in den wohlbewußten
Drang nach
Freiheit.
.Durch diesen Drang jedoch weiß hier,
wie überall im Erdendasein, das
Gespenst
der Freiheit alsobald sich aufgerufen, um
die Klarheit wachen Denkens zu umnebeln
durch die Truggebilde gleißender Verheis‐
sungen, die nie Erfüllung finden können.
.Nun sucht der Mensch auch hier nach
einer „Freiheit”, die nicht in
Notwendig‐
keit begründet ist, ‒ und als die „
Wirk
lichkeit” gilt ihm das Scheingebilde irgend‐
einer irren Theorie, das ihn von Tag zu
Tag nur immer weiter von der Wirklich‐
keit hinwegverlockt.
.Wenn nicht zuletzt noch schreckerfüllte
Einsicht doch zur
Umkehr zu bewegen
weiß, dann ist das Ende eines solchen armen
Wüstenwanderers ein elendes
Verschmach‐
ten seiner Seele, oder ihr
Ersticken in
den sturmgepeitschten Glutsandschwaden
auferweckten Urzeitwahns . . .
.Solchem Ende gilt es aber wahrlich doch
zuvorzukommen durch die aus vernunftge‐
mäßem
Denken schon erschließbare Er‐
kenntnis, daß sich
wirklichkeitsgezeugte
Freiheit nur erreichen läßt bei wacher
Nüchternheit, die alle unbegründete Ver‐
heißung, mag sie auch die farbenprächtigste
Gestaltung zeigen, allsogleich als leeren
Trug
durchschaut.
.Wie sollte
Freiheit eines Menschen
Fundgut werden, der sich
selbst in Fesseln
legt um seinen instinktiven Widerstand zu
überwinden, sobald ein wahngezeugter Spuk
erregten
Eigendünkel zu betören sucht!?
.Wie sollte
Freiheit zu erlangen sein für
einen Menschen, der sich selbst die Ketten
emsig
schmiedet, denen er entfliehen
möchte!? ‒
.Alles Streben nach erahnter
Freiheit
aber gilt ja hier doch nur dem
Wieder‐
findenwollen seiner selbst! ‒
.Man wagt sich selbst nicht zu
gestehen,
daß man
sich „verloren” hat, und so
ver‐
steckt man seine Not denn hinter bitter‐
licher Klage um die
Freiheit, die nur in
Verlust geraten
konnte, weil man in dem
Maskenwogen äußerlichsten Geltungstriebes
auch
sich selbst verlor . . .
.Zwar kennt man seine Maske noch, doch
weiß man nicht mehr in dem
Wirklichen
bewußt zu werden, dem diese Maske nur als
irdische
Verhüllung dient! ‒
.Und längst hat man sich so in seine
Maske „
eingelebt”, daß man sich selbst
mit ihr
identisch fühlt.
.Man weiß nicht mehr, und
will es nicht
mehr wissen, daß man doch noch
An‐
deres als seine Maske „
ist”. ‒ ‒
.Zuweilen freilich kommen doch die
Zweifel, ‒ aber ist man nur erst wieder
mitten in dem langgewohnten Mummen‐
schanz, dann ist auch jede Frage bald ver‐
flogen, jeder Zweifel bald zerteilt!
.Von Jugend auf daran gewohnt, sich
immerfort in seiner
Maske zu bewegen,
fürchtet man, sie abzulegen.
.In allen Spiegeln sah man sich bisher,
wie man sich sehen
wollte, und argwöhnt
nun, sich selbst
nicht mehr zu kennen,
legte man die wohlvertraute Maske ab.
.Es ist jedoch auch ganz unsagbar
schwer,
sich heute wieder unter seiner Maske zu
entdecken!
.Von allen Seiten stürmen auf den Suchen‐
den, der seiner Urnatur sich vergewissern
will, die wunderlichsten Lehren, ‒ meist
aus
unberufener Lehrer Munde, ‒ ein,
und alle treten mit dem Anspruch auf, als
unbestreitbare, gewisse „
Wahrheit” Aner‐
kennung zu verdienen.
.In allen diesen Lehren, ob sie nun die
Weisheit
alter Zeiten neu beleben wollen,
oder den Gehirnen
Heutiger erwachsen
sind, ‒ kann man gewiß auch manchen
Niederschlag
bedingter Wahrheit
finden.
.So manche Weisheitsworte sind da auf‐
gezeichnet ‒ neugestaltet, oder aus dem
Schatze alter Völker übernommen, ‒ die
von jedem ehrlich Suchenden gewiß „
er‐
wogen” werden wollen.
.Wie wenig aber hat das alles dennoch
mit der
Wirklichkeit zu tun, in der des
Erdenmenschen
stärkste,
tiefstreichende
Wurzeln gründen!? ‒
.Wir müssen dieser Wirklichkeit in uns
bewußt zu werden trachten, wollen wir
nach den Jahrtausenden der steten
Raub‐
tierbalgereien um den Fraß, zuletzt denn
doch noch Lebensformen Ausdruck schaffen,
die uns zum wenigsten soweit erheben, daß
des Menschen Nebentiere dieser Erde, ‒
hätten sie des Menschen Urteils-
Fähigkeit,
‒ sich seiner nicht für alle Zeit zu
schämen brauchten. ‒ ‒
.Um solches
Wirklichkeitsbewußt‐
sein zu erlangen, bedarf es weder einer
Glaubenslehre, noch der
philosophi‐
schen Systeme!
.Noch keine Glaubenslehre wußte zu
verhüten, daß die Menschen sich
er‐
schlugen, oder noch viel grausamer zer‐
fetzten
vor der endlichen Erlösung durch
den Tod, als je ein Tiger seine Nahrungs‐
beute hungergierberauscht zerriß! ‒
.Kein Denkergebnis aus der hochgemuten
Hirnarbeit der großen Philosophen war
imstande, Völker von der gegenseitigen Zer‐
fleischung
abzuhalten, sobald durch
Haß
und
Neid und
Herrschsucht in Drei‐
einigkeit, die Tierinstinkte
überreizt, und
die Gedanken
dem Vernichtungstrieb
verflochten wurden! ‒
.Wir müssen
tiefer graben, wollen wir
die nährungsfrohe Erde in uns finden, in
der wir Alle
allverwachsen sind!
.Wir müssen endlich
tiefer denken,
wollen wir auch die Bewußtheit in den
Wurzeln unseres Seins erreichen, die erst
erkennen lehrt, wie wir
uns selbst die
Lebensadern unterbinden, schnüren wir, im
Trieb uns hochzuranken,
Anderen den
Lebenszustrom ab . . .
.Voll Ehrfurcht müssen wir das
Wirk‐
liche in uns ergründen, um den „Grund”
zu einer
Willenswandlung zu erfühlen,
die aller Erdenmenschheit
unerläßlich
bleibt, will sie nicht in rapider Rückbildung
zu einem Schuttgezücht des Tiergestaltungs‐
willens dieser Erde werden. ‒ ‒
.Der blutbesudelte, vom Schlammschleim
der Verwesung überspülte Weg zu solcher
Rückbildung in eine Tierart, der die Ur‐
waldaffen dermaleinst als hohe „Götter”
gelten müßten, ist leider heute schon von
Scharen selbstbetörter Erdenmenschen längst
beschritten, so daß es wahrlich an der
Zeit ist, laut vor der Gefahr zu
warnen, die
durch kein Verlachen aus dem Munde tollen
Irrmuts aufzuhalten ist! ‒ ‒
.Willst du, der diese Worte liest, zu
Wirklichkeitsbewußtsein kommen, dann
mußt du jegliche Vermutung fahren lassen,
als sei das hier dem Streben deines Wil‐
lens dargezeigte Ziel etwa erreichbar durch
absonderliche Hirnverrenkung, oder irgend‐
welche Akrobatenkünste der Gedanken, bei
denen meistens der vermeintliche „
Be‐
herrscher” des Gedankenlebens zum
Be‐
herrschten wird: ‒ besessen von dem
Wunschgedanken nach geheimer Macht!
.Du mußt auch keineswegs ein Wissen
dir erwerben, wie es
Wissenschaft verlangt!
.Wer das Bewußtsein seiner
Wirklich‐
keit in sich zu suchen unternimmt, der
kann nur dann zu dem von ihm erstrebten
Ziele kommen, wenn er vom Anfang an
den Weg verfolgt, den ihm die Wirklichkeit
in seinem Erdendasein dargeboten hat.
.Hier gilt es nicht, in Parallele zu der
Frage des Pilatus, nun die Frage aufzu‐
werfen: „
Was ist Wirklichkeit?” ‒
.Wir wollen das getrost den „
Neunmal‐
weisen” überlassen, die beim
zehnten‐
male stets zu
Toren werden!
.Hier soll dir vorerst
das als „wirklich”
gelten, was auch ein
Kind als seine Wirk‐
lichkeit empfindet!
.Benenne ruhig diese „Wirklichkeit” mit
Worten, die dir deine Schulung an die Hand
gab um der Unterscheidung der im Denken
nötigen „Begriffe” willen!
.Auch wenn du solcher Unterscheidung
denkgeübter Meister bist, wirst du dein
intellektuelles Wissen wahrlich nicht zu
opfern brauchen, denn auch die
Aus‐
wirkung der Wirklichkeit darf um des
hier erstrebten Zieles willen einmal hin‐
genommen werden als das
erdensinnlich
faßbar „Wirkliche” . . .
.Auch wenn du
nicht mehr „wirklich”
nennen magst, was deine Körpersinne dich
erkennen lassen, so bleibt doch dieses körper‐
sinnenhaft Erkannte Ausgangspunkt für den
Begriff der Wirklichkeit, wie hoch du ihn
auch denkend überhöhen mochtest. ‒
.In gleicher Weise muß dir jetzt das
erdensinnlich „
Wirkliche” zum
Aus‐
gangspunkte deines Weges werden!
.Das
allernächste erdensinnlich „Wirk‐
liche” ist dir
dein eigener Erdenleib,
und nur von ihm aus wirst du sicheren,
geraden Weges weiterkommen, willst du
schließlich auch das
absolute Wirkliche
erreichen. ‒ ‒
.Es ist ein ziemlich langer Weg, den du
bedachtsam und
gemessenen Schrittes
nun erwandern mußt!
.Das Ziel jedoch, dem du auf solche Weise
immer näher kommst, wird dir auch Kraft
verleihen, auf dem Wege auszuharren. ‒
.Beginne mit der Sicherheit, die jedes
menschliche Bestreben fordert, wenn man
es erfolgreich einstens enden will!
.Auch hier gilt jene alte Sprichwort‐
weisheit, daß nichts schwerer, als der
An‐
fang ist.
.Es steht dir aber frei, die Weise des
Beginnens
selber zu bestimmen.
.Verlangt wird nichts von dir, als daß
du
deinen ganzen Körper von den Füßen
bis zum Scheitel
in dein Selbstbewußt‐
sein aufzunehmen suchst!
.Du wirst zwar meinen, das sei längst
geschehen und bedürfe keiner Mühe mehr,
‒ allein, du darfst mir dennoch glauben,
daß du sicherlich dich irrst!
.Wenn du den Weg der hier beschritten
werden soll, noch nicht betreten hast, dann
weißt du noch nicht, was er von dir fordert.
.Es ist ein Anderes, ob deine
Körper‐
zellen dir
gehirnbewußt sind, oder ob
dein ganzer Erdenleib
durchströmt von
deinem Selbstbewußtsein ist!
.Was hier
Notwendigkeit verlangt, er‐
fordert
vieles Mühen, äußerste
Beständig‐
keit und unermüdbare
Geduld!
.Dann aber wirst du auch dein Ziel mit
aller Sicherheit
erreichen, und endlich an‐
gelangt, wird all dein Mühen dir nur als
ein gar geringer Preis erscheinen für den un‐
verlierbaren Gewinn, den du errungen hast!
.Die
höchste Form der
Freiheit hast
du im gesicherten
Bewußtsein deiner
ewigkeitsgezeugten Wirklichkeit er‐
reicht, und schaudernd nur wirst du der
Tage noch gedenken, die auch dich vor‐
einst inmitten der Betörten sahen, denen
ein
Gespenst aus Grüften irrenden Ver‐
langens für die heißersehnte Freiheit galt . . .
ENDE
DAS BUCH
DER
GESPRÄCHE
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag der Weissen Bücher,
München, 1920
©
Copyright 1958 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Druck: Schellenberg-Druck, Pfäffikon ZH
Sterne sah ich erblinken,
Die
keiner noch vor mir sah, ‒
Nächstes musste versinken,
Fernstes erblickte ich nah...
Klänge hab' ich vernommen,
Die selten nur einer vernahm,
Worte sind zu mir gekommen,
Die «
das Wort» aus dem
Ur-
worte nahm...
Wer
vor mir ein «
Meister» gewesen,
Gab mir als «
Bruder» die Hand...
So bin ich vom «Träumen» genesen,
So fand ich das
leuchtende Land. ‒ ‒
Dort hab' ich die «
Weihe» erhalten
Nach den langen Jahren der Pflicht:
Die Söhne der höchsten Gewalten,
Sie führten den «
Bruder» zum
Licht. ‒
Nun bin ich im «
Lichte» ertrunken
Wie ein Tropfen im ewigen Meer...
Was ich hinter mir liess, ist versunken,
Und die Zeit, da es lebte, ward leer. ‒
Ich fand, was nur wenige fanden,
Ich sah, was nur Seltene sehn ‒ ‒
Ich erlebte, in erdhaften Banden,
Meines «
ewigen Reiches» Erstehn...
Doch, ‒ wollte ich jemals der
Erde
Meine herztiefe
Liebe entziehn,
Dann ‒ ‒ müsste auch meine Seele
Aus den
leuchtenden Landen entfliehn...
.Als ich nach langer Zeit die Hand meines
hohen Lehrers, dem ich alles danke, was mir
wurde, wieder in der meinen halten durfte, als
ich zum erstenmal in des Südens Sonne sein gü‐
tiges Auge leuchten sah und seiner Stimme lei‐
sen Klang vernahm, da sagte ich ihm, wie gross
meine Freude sei, nun auch aus seinem Munde
jenes letzte Wissen zu erhalten, das nur so
Wenigen auf dieser Erde erfahrbar wird, und
ich glaubte damals noch, dieses Wissen sei
nichts anderes, als die Lehre einer geheimen
«Wissenschaft», den Wissenschaften dieser
Erde gleich, jedoch nur wohlerprobten Schülern
überlieferbar. ‒ ‒
.Der hohe Meister sah mich lächelnd an und
schwieg eine lange Weile.
.Dann sprach er:
.«Du bist ein echter Sohn des Westens! Was
du nicht als 'Wissenschaft' empfängst, das er‐
scheint dir fragwürdig, und du wagst es nicht,
der Wahrheit zu vertrauen, sofern sie nicht im
Gewande der 'Wissenschaft', auf die Weise, in
der man dieses Wort an eueren hohen Schulen
versteht, dir gegenübertritt. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du wirst '
umlernen' müssen, mein Freund!
.Du wirst eine
andere Art der Belehrung ver‐
stehen lernen müssen, als
die es ist, die in eue‐
ren Landen
allein nur Geltung hat. ‒ ‒ ‒
.Wenn du zur
Wahrheit kommen willst, so
musst du vor allem den
Wahn ertöten, als
wenn
Wahrheit ein '
Wissen' wäre!
.Dein Streben muss hinfort auf
anderes ge‐
richtet sein.
.Du musst dich bestreben, das
Geschehen
zu ergründen! ‒ ‒ ‒»
.Und als er wieder eine Weile geschwiegen
hatte, fuhr er fort:
.«Die Welt der Seele ist ständiges
Geschehen.
.Nicht anders kann die Welt der Seele sich dir
enträtseln, als dadurch, dass du
eingehst in
diese, irdischen Sinnen
unerfassbare Welt, als
ein
Zeuge ihres
Geschehens.
.Dann wirst du erst
jene Weisheit finden, von
der auch der Weiseste nichts 'wissen' kann, son‐
dern
der nur
wirklich weiss, der jenes
Ge‐
schehen in sich
erlebt hat und
zu jeder
Stunde neu zu
erleben vermag...»
.Als der verehrungswürdige Lehrer hier ge‐
endet hatte, herrschte lange Zeit grosse Stille,
die nur durch den höhnischen Schrei eines Pfef‐
fervogels dann und wann unterbrochen wurde.
Der Meister sah hinaus mit weitem Blick über
das silbergrüne Laubgewölke der Olivenhaine,
während ich in meinem Geiste die Frage formte,
ob nicht doch wohl
eine gewisse Stufe der
Kultur und des Wissens auch für
diese
Form der Erkenntnis Vorausbedingung und
Notwendigkeit sei.
.Da begann der Erhabene, der meine Frage in
ihrem Entstehen beobachtet und in meinem
Geiste gelesen hatte (da er meine äussere Spra‐
che des Mundes nur mit Mühe verstand und so
auch, obwohl in nächster Nähe, mit mir auf
geistige Weise Verständigung schaffen musste)
aufs neue zu reden, und er sprach:
.«
Kulturhöhe, Wissen, Gelehrsamkeit, ästhe‐
tisches Gefühl, Kunstverständnis und Philoso‐
phie, ‒ kurz alles, woran du bei deiner Frage
streifend dachtest, sind völlig indifferente
Dinge bei Erreichung letzter Wahrheits‐
erkenntnis. ‒
.Das, was ihr 'philosophische Spekula‐
tion' nennt, und was auch nicht zum wenigsten
in meinem Lande seit Jahrtausenden geübt
wird, wenn nicht gar mein Land die Wiege die‐
ser Art, 'Wissenschaft' zu treiben, ist, ‒ ‒ wirkt
geradezu hemmend auf jene geistigen Kräfte,
die dem Menschen das Erlebnis seelisch-geisti‐
gen Geschehens verschaffen können. ‒ ‒
.Hier sind unsere Gelehrten im Irrtum,
wenn sie letzte Wahrheitserkenntnis auf ihre
Weise gefunden zu haben glauben, und eure
Gelehrten im Westen irren, wenn sie ehr‐
furchtsvoll die Tiefe unseres Denkens bestau‐
nen und in seinen Resultaten die letzte er‐
reichbare Kenntnis der Wahrheit ver‐
muten. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Es ist auch kein Zufall, dass bei euch im
Westen Männer des messerscharfen Denkens er‐
wuchsen, die durch ihr Denken zu ziemlich
ähnlichen, wenn nicht gleichen, Resultaten
kamen, wie die Denker unseres Landes. ‒
.Wie beim Schachspiel unzählige Kombinatio‐
nen des Figurenbildes auf dem Brette möglich
sind, und dennoch niemals das Brett als Spiel‐
platz verlassen wird, so sind auch alle durch
Denken zu erringenden Resultate stets an die
Gesetze des Denkens selbst gebunden und ver‐
mögen ihr Spielfeld nie zu verlassen.
.Das aber, was man erdenken
möchte, liegt
fernab von diesem Spielfeld, kann zwar ein
Gegenstand des Denkens
werden, ‒ ‒
nach‐
dem man es gefunden
hat, ‒ ist aber nie und
nimmer durch Denken
zu finden...»
.Und nachdem wieder eine kleine Pause ein‐
getreten war, die der Meister dazu benutzte,
meiner Begleiterin, ‒ einer in allen Fächern des
Wissens bewanderten Frau aus alter Gelehrten‐
familie, ‒ einige Aufklärungen über die Unter‐
schiede östlicher und westlicher Art des Lehrens
und Lernens zu geben, fuhr er fort:
.«Um den '
Stein der Weisen' ‒ '
die
Wahrheit' ‒ das urtiefe Geheimnis aller Ge‐
heimnisse zu entdecken, ‒ ‒ das
Urquellende,
Ruhe-
gebende,
alles Sehnen Stillende, ‒
dazu braucht man
nicht zu wissen, dass die
Erde sich um die Sonne dreht, dass die Sterne
der Nacht keine Lichter an der Kuppel des
Himmels, sondern Weltkörper sind, woher der
Blitz und der Donner kommt, und was derarti‐
ger Dinge, die der Verstand des Menschen ent‐
rätselte, mehr sind. ‒
.Alles das ist im letzten Sinne für das Erlebnis
des Urgründigen völlig gleichgültig. ‒
.Die Sonne könnte sich täglich um die Erde
drehen, Blitz und Donner könnten Äusserungen
dämonischer Mächte sein, und die Sterne könn‐
ten als kleine Leuchtkörper sich allabendlich
über unseren Häuptern durch Geister der Luft
entzünden lassen. ‒
.Alles das ist nur als durchaus unwesentlich
zu betrachten, wenn es sich um die letzte Wahr‐
heitserkenntnis, um das Erleben des Ewigen,
handelt...
.Irgendeine Fiktion zur Erklärung aller die‐
ser Erscheinungen würde dem Menschen eben‐
so dienen, wie das sicherste, durch allerlei
komplizierte Instrumente zu bestätigende Wis‐
sen um den naturgegebenen Zusammenhang.
.Wir bedauern die menschliche Willensrich‐
tung, die dem Menschen solches Wissen so un‐
gemein wertvoll erscheinen liess, weil sie ihm
seinen Weg zum Geiste mehr und mehr er‐
schwert. ‒ ‒
.Er verliert durch all dieses Wissen eine
Welt der Gefühle, in der er heimisch blei‐
ben sollte. ‒
.Er schafft sich durch seine Instrumente gigan‐
tische Organe gedanklichen Erfassens, die zu
seinem gegebenen Erfassungsvermögen
durchaus in keinem harmonischen Verhältnis
stehen, und belügt sich selbst, wenn er
glaubt, durch diese, seinen wirklichen Wir‐
kungs-Möglichkeiten längst nicht mehr ent‐
sprechenden Verstandes-Erkenntnisse, der
Wahrheit, die er letzten Endes sucht, auch
nur um Fadenbreite näher zu kommen...
.Alles, was er so erreicht, ist das Bewusstsein
einer Ohnmacht in bezug auf die ihm gegebene
Gewalt, ein Gefühl der Disharmonie zwischen
'Wissen' und Erreichenkönnen. ‒
.Dieses Gefühl der Ohnmacht verleitet ihn
dazu, die ihm wirklich, aber in rein geistiger
Weise gegebene Macht gering zu schätzen,
während er zu gleicher Zeit mit Stolz auf seine
'Erfindungen' blickt, ohne sich bewusst zu wer‐
den, dass
sie es sind, die ihm gerade
das Beste
rauben, weil sie das Streben seines
Willens in
durchaus
das eigentliche Endziel fliehen‐
der Richtung erhalten...
.Er verliert den Sinn für das
Relative in den
Gegebenheiten der
Aussenwelt, verliert den
Sinn dafür, dass die 'Gesetze' der Natur, die er
so zu erkennen meint, ‒ auch wenn er sie
rich‐
tig erkannte, ‒ doch nur
bedingungsweise
gültig sind, und dass
die Kraft des Geistes
zwar nicht die '
Gesetze', wohl aber die
Be‐
dingungen der Aussenwelt zu
ändern ver‐
mag..
.Das
Ewige aber, das er mit all seinem Mühen
doch eigentlich immer klarer erkennen lernen
möchte, bleibt seiner Erkenntnis auf diese
Weise, solange er nicht die
Richtung seines
Suchens wechselt, ‒
dauernd fern. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Morgen schon könnte diese ganze Welt des
unermesslichen Raumes in Trümmer zerstäu‐
ben, ein neues Weltenall mit ganz
anderer Be‐
dingtheit könnte die Räume erfüllen, 'Natur‐
gesetze' könnten zur Wirkung kommen, von
denen all eure 'Wissenschaft' noch
nichts
ahnt, und doch hätte sich
nichts geändert im
ewigen
Geiste, den es durch
Erleben zu er‐
fassen gilt. ‒ ‒ ‒
.Eitel und
eintägig ist alles stolze 'Wissen',
das ihr im
Äusseren zu erreichen sucht, ‒
eitel
und
eintägig ist alle vermeintliche 'Erkennt‐
nis', die noch der Krücken philosophierenden
Denkens bedarf, ‒ aber das durch
Erleben
bewirkte Erfassen des
Wesenhaften macht
aus dem ungelehrtesten Bettler, der, nichts von
allem ahnend, was ihr 'Kultur' und 'Fortschritt'
nennt, in seiner Hütte im Walde sitzt, und nur
von den milden Gaben der Pilger lebt, die den
Dschungel durchwandern müssen, ‒ ‒
einen
ewigen König aller Welten, ‒ einen
Mei‐
ster alles Lebens. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wohl sollt ihr
nicht, einem solchen
Yogi
gleich,
in den Urwald ziehen, wohl ist es er‐
wünscht, wenn der Schüler der Weisheit, der
im Abendlande wohnt, so viel von dem äusseren
Wissen seiner Zeit sein eigen nennt, dass er in
der
Sprache seiner Zeit zu den Menschen seines
Landes zu
sprechen weiss, allein,
alle äus‐
sere Wissenserkenntnis darf ihm den Weg nicht
verbauen, der ihn
erlebend zum Wissen des
Geistes führt, darf ihm keine
Fessel werden,
die sein Schreiten hindert! ‒ ‒
.Erst wenn er sein
äusseres Wissen
über‐
wunden hat, darf er ernstlich hoffen, das
ge‐
wisse 'Wissen' im
Erleben des Geistes in
sich zu
finden! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.In jenen Tagen fragte ich den hohen Meister,
ob es wohl wirklich, wie man mir sagte, ‒ Men‐
schen auf dieser Erde gäbe, denen letztes Ge‐
heimnis kund und geistige Macht zu eigen sei,
die aber von ihrer Macht nur zum Schaden der
Menschheit Gebrauch zu machen wüssten? ‒
.Und der Verehrungswürdige sprach:
.«Wer aufgenommen wurde in die hohe Ge‐
meinschaft der Leuchtenden, den verpflichtet
das Gesetz, sich selbst und anderen als eine
Sonne des unendlichen Raumes zu
leuchten.
.Wollte er weiter bei anderen sein Licht zu
borgen suchen, wie es dem Schüler noch zu‐
stehen mag, so müsste er die hohen, schaffenden
Kräfte, die ihm übertragen wurden, unweiger‐
lich verlieren...
.Für ihn, der ein 'sehendes Auge der Welten'
wurde, darf es in keiner Weise mehr Verwir‐
rung geben, denn er trägt eine Macht in sich,
die von ihm Rechenschaft fordert, für jeden
Augenblick, den er durchlebt. ‒ ‒ ‒
.Mit Königen und Bettlern muss er spre‐
chen lernen, als ob er jeweils ihresgleichen
wäre, und er darf in jedem Menschen nur den
Menschen sehen, muss Stand und Rang, Ver‐
dienst und Schuld, Krone und Bettelstab ver‐
gessen können. ‒ ‒
.Er wird vor keiner Macht der Menschen je
betört verweilen, denn alle Macht, die ihm be‐
gegnen kann, hat in sich selbst ihr Ende, je‐
doch die Macht, die er bewussten Willens trägt
und der er dient, trotzdem er ihr befehlen darf
und sie nach seinem Willen lenken muss, ist
in sich selbst unendlich. ‒ ‒ ‒
.So sehr er auch ans Erdenmenschliche sich
selbst gebunden fühlen mag, so ist er doch in
jedem Augenblick auch davon frei, denn seine
Seele ist 'ein Reich der Ewigkeit' geworden. ‒
.Nichts ausser ihm selbst kann ihn jemals
dieses Reiches Krone und Zepter verlieren las‐
sen...
.Nur er selbst kann sich verderben durch
eigene Schuld!
.Doch, wenn er auch auf solche Weise '
fallen'
kann, so bleibt er dennoch, auch
nach dem
Fall, verbunden jener Macht, der er zum
Trä‐
ger wurde...
.Er zählt dann zu jenen Kräften der
Zerstö‐
rung, die im Meere psychischen Daseins so
vonnöten sind, wie Sturm und innerer Aufruhr
irdischem Meer. ‒
.Er wird zum
Feinde dann, dort wo er
Freund und '
Bruder' war, und die erhabene
Gemeinschaft trauert um einen
Stern, der sich
aus eigenem Willen
hinab in den ewigen
Abgrund chaotischer Auflösung fallen
liess...
.In tiefster Finsternis, ohne die Kraft zur Er‐
hebung, lebt er nur noch dem
Vernichtungs‐
willen, bis er einst
selbst seinem eigenen
Willen erliegt, und so zerfällt in Tausende von
Energieatomen, die des Lebens Wanderung als
freigewordene Kräftezentren dann aufs neue be‐
ginnen. ‒
.Die
gleiche Macht wirkt in dem '
Leuch‐
tenden' und in seinem Gegenpol, dem
Herrn
der Finsternis, und dieser Herrscher des
Abgrunds, erfüllt von Vernichtungswillen,
besitzt nur seine Macht, weil er sie einst erhielt
als ‒ '
Leuchtender' ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Durch seinen Fall aus dem 'Leuchten' ist er
einer der 'Brüder des Schattens' geworden.
.Dies ist die Wahrheit an dem, was man dir
erzählte, und auch
in den Ländern des
Abendlandes gibt es
unzählige Menschen,
die
nicht ahnen, dass sie nur
Marionetten
dieser grossen Vernichter sind, ‒ ganz
deren grossem geistigen Einfluss hingegeben. ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Wieder fragte ich einst den hohen Weisen,
der mir zu jener Zeit sein Wissen übertrug, be‐
vor ich selbst zu «Wissen im Geiste» werden
konnte, ob nicht doch aus alten, geheimgehal‐
tenen Büchern, in der «Wissenden» Besitz, sich
manche Weisheit, manches hohe Können er‐
lernen lasse, und er antwortete mir:
.«Mehr sollst du dich freuen über jede
kleinste Weisheit, die dein Geist
dir gibt, als über alle Lasten 'erlernten'
Wissens! ‒
.Mehr sollst du dich freuen über jedes klein‐
ste Gelingen, das dein Geist dir schenken
mag, als über alle erlernte Kenntnis und
Geschicklichkeit der Erde! ‒
.Du sollst nichts zu tun haben wollen mit de‐
nen, die alles 'gelernt' haben müssen, um es
zu können! ‒ ‒
.Du sollst nichts zu tun haben wollen mit
denen, die alles '
gehört' haben müssen, oder
'
gelesen', um es zu wissen! ‒ ‒ ‒
.Dein Geist soll immerdar
frei sein und in
Freiheit seine
Kräfte erproben können!
.Dein Geist soll allezeit
all deiner Seelen‐
kräfte Herr und Meister sein und sie unter
seiner Herrschaft
einen! ‒ ‒ ‒
.Wahrlich, deine
Seele hat
tiefe Kräfte,
die noch
keiner in sich
völlig ergründet
hat, und auch dein
Körper hat vieles
geheime
Können, das noch
keiner völlig in sich
er‐
kannte! ‒ ‒
.Ich will deinen Körper
lösen und
lebendig
machen und deiner
Seele Kräfte dir zu
stets
bereiten Dienern geben!
.Du sollst nicht aus
Büchern haben, was du
an
Weisheit erlangst, und nicht von
anderen
sollst du dir dein
Können borgen! ‒ ‒ ‒
.Du hast
selbst in dir deinen kunst‐
reichsten Lehrer, und alle
Weisheit, die
in
Büchern aufgezeichnet wurde, ist
nur ein
Kleines neben
dem, was deine
Seele in
sich
selber birgt! ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Ein anderes Mal kam die Rede darauf, wie
das Erleben des Erdendaseins, im Lichte
des
Geistes betrachtet,
zu werten sei, und
der Erhabene begann zu sprechen:
.«
Du sollst dein Erleben
schleifen, wie man
den
Diamanten schleift, ‒
in seinem eige‐
nen Staube!...
.Du sollst dein Erleben '
fassen', ‒ wie einen
kostbaren Edelstein! ‒ ‒
.All dein Erleben muss sich in
klare Facet‐
ten schleifen lassen, damit es das Licht des
Himmels gleichsam: wie in geometrisch geord‐
neten Formen, wiederstrahle. ‒
.Wie ein Goldschmied sollst du bedächtig den
'goldenen Ring' zu schaffen wissen, der deinem
'geschliffenen'
Erleben die würdige '
Fas‐
sung' werden darf!
.Du selbst bist dein
Erleben! ‒
.Du selbst bist die '
Fassung'! ‒
.Du selbst bist der Edelstein-Schleifer
und der Goldschmied deines Lebens-Rin‐
ges! ‒
.Was du so schaffen wirst, ‒ schenke du
dem Unendlichen! ‒
.Dich selbst ‒ schenke dem Unendlichen,
als ein Geschmeide!...
.In seiner Schatzkammer wirst du sicher
und geborgen sein. ‒ ‒ ‒
.Als ein Kleinod des Herzens wird dein
Erleben ewig im Lichte der Ewigkeit
strahlen! ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Ein andermal aber, während der Zeit, da ich
noch Chela meines weisen Guru war, lehrte er
mich einst und sprach:
.«Siehe das Tier mit den unendlich vielen
Häuptern!
.Du bist ausgezogen, es zu vernichten, aber
jedes Haupt, das du abgeschlagen hast, ist stets
wieder aufs neue gewachsen und bedroht dich,
wie vorher. ‒ ‒
.Wer dieses Tier
töten will, der darf dabei
nicht des Tieres
Blut vergiessen...
.Siehe zu, dass du das Tier vernichtest, indem
du ihm zu
folgen scheinst!
.Sei
gut zu dem Tiere, ‒ ‒ denn daran
muss
es schliesslich zunichte werden! ‒»
.‒ ‒ Und ich tat, wie mir geraten worden war,
obgleich der Rat mir damals sinnlos scheinen
wollte...
.Lange musste ich dem Tiere «gut» sein, ehe
es begriff: ‒ «da ist einer, der fürchtet sich
nicht vor mir. ‒»
.Immer und immer wieder versuchte es, mich
zu schrecken, und es verstand «schreck‐
lich» zu sein. ‒ ‒ ‒
.Aber endlich kam der Tag, an dem ich ihm
zum letzten Male «gut» sein musste, ‒ mehr
als je vorher, ‒ und das Tier legte sich müde zur
Seite, und ‒ ‒ starb.
.Die Wogen eines vorweltlichen Meeres spülten
seinen Leichnam hinweg.
.‒ ‒ Von diesem Tage an fühlte meine Seele,
dass sie frei geworden war aller Dienstbarkeit.
.Nun schwebte ich über meinem Körper, und
verbarg mich, nach Willen, auch wie eine
Schnecke in ihm. ‒
.Nun war ich Herr geworden, wo ich vorher
Sklave war.
.‒ ‒ Und es kam zu mir die Stimme des
Gesetzes und sprach:
.«Da du gelöst hast, was in deinem Stamme
von Anbeginn der Erde gebunden war, sollst
du binden und lösen können hinfort, was
deines Stammes ist!»
.Also ward mir in jenen Tagen
die Kraft,
zu wirken, als einer unsichtbaren Heerschar
Herr...
.Also sprachen meine hohen Brüder von jenem
Tage an:
.«Dem Abendlande ist ein neuer Lehrer ge‐
boren! ‒ Die Sterne des Westens sind noch nicht
erloschen. ‒ ‒ ‒»
.Von jenem Tage an ward mir die hohe Pflicht,
nun
selber in Gesprächen und Gleichnisreden
zu
lehren, was sich lehren
lässt, und ich be‐
gann, in eigenen Worten zu formen, was nun
der Geist der Ewigkeit in
wortelosem
Schauen mich vernehmen liess, und was mir
auf meinem
Wege zum Geiste jemals
Erlebnis
geworden war, soweit ich es mitteilen
durfte.
.Nun war mir geboten,
andere zu sich
selbst zu führen, da ich in mir selbst «
gewis‐
ses Wissen» geworden war. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Ich gebe, was ich
zu geben habe, und auf
die
Weise in der ich zu geben
vermag.
.Ich setze
kein einziges Wort in meinen
Schriften, das nicht mit allem Bedacht erwogen
werden will. ‒
.Oft mag sich an einer Stelle eine
Frage er‐
heben, die erst an
anderer Stelle ihre
Ant‐
wort findet, aber man möge bedenken, dass es
in diesen Dingen eine feste
Grenze erlaubter
Antworten gibt, die
niemals überschritten
werden darf. ‒ ‒
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Ein Weiser wurde einst von seinen Schülern
gefragt nach den «weisen Männern des Ostens»,
und er sprach:
.«Suchet
in euch selbst den 'innersten
Osten'! ‒
.Wenn
ihr selbst im 'innersten Osten' lebt,
werdet ihr den 'weisen Männern des Ostens' be‐
gegnen, ‒ ‒ eher aber nicht! ‒ ‒ ‒
.Wer
in sich den 'Osten' erschliesst, der hat
ein 'Reich' erlangt, das grösser als alle Reiche
der Erde ist. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Der Allbarmherzige, der Erbarmer, ‒ sein
Name sei gelobt, ‒ ist gleich einem Schah-in‐
Schah, der über alle Königreiche der Erde
herrscht.
.Er setzt, in Gerechtigkeit und Liebe, Könige
über die Länder der geistigen Welt und gibt
ihnen Macht und Weisheit, auf dass sie das An‐
vertraute verwalten können, aber
ihm allein
bleibt dennoch alles Land. ‒
.Im innersten Herzen, in euch selbst, ist ein
Vorraum, gross wie ein Senfkorn, und in ihm
eine kleine
Pforte, kleiner als das kleinste
Sonnenstäubchen.
.Durch diese Pforte muss sich zwängen, wer
zum 'innersten Osten' will! ‒ ‒
.Ist er da hindurch, dann wird er hinter der
Pforte ausgebreitete Länder finden, ‒ eine ewige
'Erde', ‒ ein 'Indien' aller Indien, ‒ ein 'Ge‐
birge' aller Gebirge...
.Dort wird er sein Reich gegründet finden, von
aller Ewigkeit her.
.Bevor er aber zu seinem Reiche hingelangen
kann, das in jenen Landen ihm verliehen wird
von jenem Schah-in-Schah, der dort von Ewig‐
keit zu Ewigkeiten herrscht, muss er an den
heiligen Strom gelangen, der ewig im
Kreislauf um das Innerste der Lande fliesst,
der keine Quelle und keinen Abfluss hat, ‒
der stets sich selbst erzeugt und sich selbst
verschlingt...
.Dort wird er den 'Fährmann' finden und der
Fährmann wird ihn nach seinem 'Namen'
fragen. ‒
.Weiss er hier seinen 'Namen' nicht, so muss
er unweigerlich sogleich zurück auf die äussere
Erde.
.Doch, wenn er dem Fährmann Antwort geben
kann, so wird er ihn übersetzen auf die an‐
dere Seite des Stromes, wo er alsdann im ‒
'innersten Osten' ist. ‒ ‒ ‒
.Dort wird er den Führer finden, der ihn zum
'grossen Gebirge' im 'innersten Osten' hingelei‐
ten wird.
.Dort wird er inmitten ewig schneebedeckter
Höhen plötzlich ewig grüne Matten voll
blühender Blumen finden, so dass er sich
vor Staunen kaum zu fassen wissen wird.
.Dort wird er die ragenden Kuppeln eines him‐
melhohen Tempels erspähen, ‒ und wenn er
endlich anlangt und ihn betreten darf, ‒ dann
wird er in diesem Tempel auch die 'weisen
Männer des Ostens' sehen, nach denen er
bis hierher stets vergeblich suchte.» ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Als aber die Frager weiter fragten, ob es denn
unumgänglich nötig sei, die «weisen Männer»
des Ostens zu
finden, wenn einst die Seele ihr
geistiges Reich erlangen wolle, sprach der Weise:
.«Ihr wisst noch nicht,
was ihr da fragt! ‒
.Wer das Reich seiner Seele finden will, dem
muss von
innen her dabei
geholfen werden. ‒
.Helfen aber können nur
jene Wenigen,
die im '
innersten Osten' leben, und die der
Allerbarmer mit
Macht begabte, ihren 'Brü‐
dern im Dunkel'
Licht zu spenden, sobald
deren
Wille und nicht nur ihr 'Wünschen' ernst‐
lich nach solchem Lichte verlangt. ‒ ‒ ‒
.Also müsst ihr die 'weisen Männer des Ostens'
in euch
finden, wenn ihr jemals das
Reich,
das in euch ist, erlangen wollt! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.«Was geschieht nun», fragte ein Schüler den
Meister, «wenn einer der hohen Gemeinschaft
aus diesem Erdenleben scheidet? ‒ Ver‐
schwindet er dann in dem unendlichen Ozean
geistigen Lichtes, nur seiner selbst im Lichte
noch bewusst, ‒ lebt er in hoher geistiger Ver‐
einigung, allein nur mit seinem Geiste
seinen erhabenen 'Brüdern' verbunden, ‒
oder ist er auf irgendeine Weise auch weiterhin
der Erde nahe?? ‒»
.Der Meister aber antwortete und sprach:
.«Wenn der Gesalbte die Tage seiner Gebun‐
denheit an der Erde Kleid zu Ende gehen sieht,
dann gibt er sich selbst, und die Kraft, der
er der Einheit Glanz verdankt, an den anderen
der Kette weiter, der sein Menschtum an
der Sonne entzündet hat, um einst der
Nachfolger des Gesalbten im Leben der
Menschheit seiner Zeit zu sein.
.Bis dahin war der andere noch des Gesalb‐
ten Schüler, auch wenn er längst bereits unter
den Meistern der sieben Tore ein Meister
war...
.Nun spricht der Scheidende zu ihm:
.'Heute will ich dich zum Wege machen,
denn ich selbst war 'Weg' und habe mich selbst
überschritten.
.‒ Zwei sind fortan eines und aus zweien
wird der dritte, ‒ ‒ darin verbirgt sich das
Geheimnis, in dem nun du mit mir vereinigt
wirst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Stets dreht sich der Kopf des Janus!
.Der Alte weicht dem Jungen und der
Junge muss der Alte werden. ‒ ‒ ‒
.Beide aber gebären aus sich den dritten, ‒
den einen, der immer im Dasein bleibt, und
da sein muss, wo immer 'Dasein' ist...
.Was mitten durch die Kette strömt, gibt
Leben dem Alten, dem Jungen, und dem,
den sie beide aus sich erstehen lassen! ‒
.So in die Kette verwoben durch alle kommen‐
den Gezeiten, spende du nun das Licht, das in
uns beiden leuchtet! ‒
.Dieses Kleid der Erde lege ich nun ab.
.Was es barg, lege ich in
deine Hand!
.Mich selbst verberge ich nun in
dir, denn
zu
jenen gehöre ich, die bei den Menschen
dieser Erde helfend
bleiben, und
du gehörst
in
gleicher Weise zu uns! ‒ ‒ ‒
.Niemals können wir die Erde verlassen, nicht
in
dieser und nicht in einer
kommenden
Weltenperiode, ehevor nicht der
letzte der
Menschen einging ins Licht! ‒
.Es ist
auf Erden kein Mysterium,
das
diesem gleicht! ‒'
.So geht der Geist des Gesalbten ein, in den,
der vorher sein Schüler war, und beide sind nun
eines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.«Hier, wo du die Fülle der Blüten siehst,
war vor wenigen Jahren noch öde Wüstenei.
.Unkraut wucherte in dichten Büschen, wo
heute Rosen stehen, und alles schädliche Ge‐
würm war hier in seinem Paradiese.
.Narzissenduft strömt jetzt aus dieser selben
Erde, aus der vor kurzer Zeit noch stinkende
Gewächse sprossten. ‒
.Und alles treibt die gleiche Sonne aus dem
gleichen Boden! ‒ ‒»
.So sprach der Gärtner...
.Ich aber will dir einen anderen Garten zeigen,
in dem du selber der Gärtner bist! ‒
.Noch kannst du nicht das gleiche wie jener
Gärtner sagen von deinem Garten. ‒ ‒ ‒
.Du jätest früh und spät das Unkraut aus
und wartest nun auf deine Blumen, ‒ doch
immer wächst dir neues Unkraut nach. ‒ ‒
.Nun haderst du mit einem «Gott», den du
dir selbst erfindest, und willst von
ihm die
Früchte deiner Mühen zugeteilt erhalten, statt
selbst zu
säen, und dazu den Blumen
samen
auszubitten, dort, in
jenen Gärten, denen
schon die Früchte
reiften...
.Der «
Gott», nach dem
du rufst, ist nur der
Schatten deines angsterfüllten Herzens! ‒ ‒ ‒
.Von
ihm erwarte
nicht, dass er dir je dein
Mühen
lohne! ‒ ‒
.Nicht eher wirst du deinen
lebendigen Gott,
den wahren,
einzigen Gott, nach dem
deine
Seele verlangt, in deinem «Garten»
sehen, als bis der
Same aufgegangen ist, den du
aus den Blütengärten der älteren Gärtner dir
erbeten hast! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Siehe, das
ganze Menschendasein ist an
sich nur «wüstes Land», das aber der «Gärtner»
harrt, die es zu einem «Blumengarten» schaf‐
fen! ‒ ‒ ‒
.Die
selbe «Erde» und die
selbe «Sonne»
werden dann nur «
Blumen» treiben, wo jetzt
das «
Unkraut» nistet...
.Du hast dir
hohe Ziele gesteckt! ‒
.Du strebst nach allem, was dich
erheben
kann! ‒ ‒
.Doch
eines hast du bisher noch vergessen: ‒
.Dass nichts dir
erwachsen kann, wo
du
selbst keinen
Samen legtest...
.Den «Samen» aber musst du dir von
andern
erbitten, ‒ von
solchen, denen schon die Beete
reiften! ‒ ‒ ‒
.Doch, sie geben dir willig von dem Samen
ihrer Blumen, ‒ aber du glaubst noch nicht,
dass aus diesen unscheinbaren Körnern einst‐
mals
Blüten werden könnten. ‒ ‒
.So wirfst du dann den erhaltenen Samen
achtlos fort, und andere Wanderer werden
am Rande des Weges seltsame, leuch‐
tende
Blumen später finden, während
dein
Garten dir wie bisher nur immerfort
Un‐
kraut trägt. ‒ ‒ ‒
.Oder, ‒
wenn du den Samen schon
in die
Erde legst, so gräbst du jeden Tag aufs neue
die Erde
wieder auf, damit du etwa deinem
Zweifel Antwort schaffen könntest, ‒ deinem
Zweifel, ob der Blumensamen, den man dir gab,
auch wirklich
keimen könnte...
.So aber wirst du
niemals Blumen erhalten!
.Alles Wachsende will Ruhe und tiefe
Verborgenheit! ‒ ‒ ‒
.Willst du nun endlich deinen Garten in Blü‐
ten sehen, dann musst du auch wirklich
tun,
was
vonnöten ist. ‒
.Gehe hin zu den älteren Gärtnern, die
reifen Blütensamen
haben, bitte darum,
und sammele sorglichst, was man dir geben
wird!
.Dann streue diesen Samen auf das gut gero‐
dete Land, und überlasse es Erde und Sonne,
die Keime und Blüten zu treiben! ‒
.Sorge dich nicht, auch wenn noch einzelnes
Unkraut zwischen den Blütenpflanzen sich er‐
heben sollte!
.Wenn deine
Blumen erst wirklich
erblüht
sein werden, dann wirst du leicht das Unkraut
entfernen können. ‒ ‒ ‒
.Dein lebendiger,
ewiger Gott wird
erst
dann in deinem Garten wandeln, wenn alle
deine Beete einst
in Blüte stehen...
.Du sollst sie nicht
künstlich zum Erblühen
bringen wollen!
.Du sollst nur das Erdreich roden und Samen
legen. ‒ ‒
.Alles weitere musst du der
Erde und der
Sonne überlassen. ‒
.Auch
deine Erde wird
die Sonne über‐
strahlen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.In deinem Garten, mein Freund, wenn du
sorglich gesät und vorher das Land gehörig ge‐
rodet hast, wird dir
auf deiner eigenen
Erde dein
lebendiger Gott dereinst geboren
werden! ‒ ‒
.Die Wohlgerüche deiner Blütenbeete werden
ihm zur Nahrung dienen...
.In heiliger Stille wird er sich zu hehrer Gestalt
entfalten...
.In deinem eigenen Garten,
wenn
alles in Blüte steht,
wirst du dereinst
mit deinem Gotte wandeln! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Ein
Meister lebte in einer grossen Stadt, bei
der die Schiffe aus allen Ländern ihren Hafen
fanden, so dass er gar bald auch viele
Schüler
um sich sah.
.Es waren unter ihnen solche, die sehr sorglich
seine Worte
sammelten.
.Nach Jahren «
wussten» sie fast alle seine
Worte, und sie hatten nahezu vergessen, dass es
nicht
ihre eigenen Worte waren...
.Sie galten in der Stadt, und weit in allen
Landen, als
weise, und man fragte sie, wenn
man des Meisters Meinung wissen wollte. ‒
.Andere seiner Schüler hörten den Klang sei‐
ner Worte wohl mit offenem Herzen, aber die
Weise seiner Rede haftete nicht in ihrem
Gedächtnis.
.Ihr
Leben jedoch fand Gestalt durch des
Meisters Lehre, und es war kein Geschehen um
sie her, das sie nicht
durch des Meisters
Augen gesehen hätten. ‒
.Wiederum waren einige, die hörten begeistert
des Meisters Worte und versenkten sie tief in
ihrer
Seele, so dass sie zwar auch nach des
Meisters
Lehre, aber auf die Weise
ihrer
Seele lebten, und mit
ihren Augen zu sehen
wussten, nicht
wie der Meister sah, sondern
wie er die Dinge gesehen wissen
wollte...
.Nach einiger Zeit aber entstieg darauf ihrer
Seele ein
eigenes,
neues Erkennen.
.Das
eigene Erkennen
kämpfte mit des
Meisters Lehre und erstarkte immer mehr
in diesem Kampfe, bis es am Ende
Sieger
blieb...
.Das
eigene Erkennen lehrte sie nun aber
des Meisters Worte
anders deuten, als sie je‐
mals gedeutet worden waren. ‒ ‒
.In der Stadt des Meisters sagte man daher:
.«Seht doch diese
schlechten Schüler! Des
Verehrungswürdigen Lehre können sie
nicht
begreifen und darum ward ihnen seine Weis‐
heit fremd! ‒
.Ach, dass er solche Hörer ohne Gehör, solche
Verehrer ohne Ehrfurcht finden musste!! ‒ ‒»
.Da kamen eines Tages Männer von fernen
Meeren, die in der Stadt des Meisters noch
Spuren seiner Weisheit suchen wollten, denn der
Meister selbst war bereits lange schon verstor‐
ben.
.Sie gingen dahin und dorthin suchen, aber
keiner konnte ihnen die Weisheit zeigen, die sie
finden wollten.
.Da kamen sie endlich auch zu jenen, die man
des Meisters «
schlechte Schüler» nannte in
seiner Stadt, und alsbald ‒ entbrannte ihr Herz,
denn sie sahen, dass hier des Meisters
Weisheit
erst völlig
erfasst worden war, dass seine
Lehre aber eine
grössere Lehre geboren hatte,
die alles in sich enthielt, was des Meisters Lehre
noch verschweigen mochte.
.Im Tiefsten bereichert und beglückt in ihrer
Seele fuhren sie wieder den fernen Meeren ihrer
Heimat zu und verkündeten in ihren Ländern
allenthalben die neue Lehre, die des Meisters
Weisheit in sich
barg in neuer
Form. ‒
.Erst lange danach hörten die Menschen in des
Meisters Stadt, dass diese Lehre der «schlechten
Schüler» über fernen Meeren bereits als Weis‐
heit galt, die allein des Meisters höchste
Weisheit in sich enthalte.
.Da verwunderten sie sich sehr, und nachdem
sie Rat gehalten hatten, sprachen sie:
.«Lasst uns aus jener Ferne einen Lehrer
holen, dem wir vertrauen können, denn wer
weiss, welche Lehre dort als die Lehre dieser
«schlechten Schüler» gelten mag! ‒»
.Und sie schickten ein Schiff in die fernen
Lande, das einen Lehrer zu ihnen bringen sollte.
.Als aber die Abgesandten dort erschienen,
weigerte sich jeder Lehrer der neuen Weisheit,
ihnen zu folgen und man sagte: «Ihr selbst
habt doch eure hohen Meister und bei ihnen
haben wir allein die Weisheit gefunden, die
wir hier lehren. ‒ Wie sollten wir aus der Ferne
euch erst bringen wollen, was eure Stadt uns
doch gegeben hat! ‒ Wie sollten wir auch nur
zu lehren wagen, da wir doch nur Schüler
eurer Meister sind, die ihres grossen Meisters
Lehre zur Vollendung brachten!?! ‒»
.Da die Abgesandten aber nicht unverrichte‐
ter Dinge heimkehren wollten, suchten sie so‐
lange, bis sie endlich einen Menschen fanden,
der als Lehrer mit ihnen ziehen wollte, weil sie
ihm hohe Belohnung versprechen konnten.
.Es war dies aber einer, der die neue Lehre
nur halb verstanden hatte, und bei allen
wirklichen Lehrern darum kein Ansehen
fand. ‒
.Als dieser nun in die Stadt des Meisters kam
und zu lehren anhub, hörten ihm alle aufmerk‐
sam zu, und man freute sich, einen solchen
«grossen Lehrer» in seiner Mitte zu haben, ‒ um
so mehr, als das, was er lehrte, doch
gar sehr
verschieden war von der Lehre der «schlech‐
ten Schüler». ‒
.Und das Volk sprach:
.«Wie töricht waren doch jene Leute, die von
fern herkamen, um bei diesen 'schlechten Schü‐
lern' des alten Meisters Weisheit sich zu holen!
.Nun erst wissen wir den Meister zu verstehen!
.Dieser 'grosse Lehrer' aus fernen Landen hat
seine Weisheit uns erst nahe gebracht.
.Wahrlich, nur
er allein ist würdig des grossen
Meisters, der unter uns lebte, grosser
Nach‐
folger zu sein! ‒»
.Und dabei blieben sie...
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Es war noch damals, als ich erst meines hohen
Guru
Schüler war. ‒
.Es war noch damals, als ich erst
beweisen
sollte, dass ich ein «
Bruder» meines Meisters
werden könne...
.Tiefen, lautlosen Gründen entquoll die Nacht.
.Es zogen die Täler sich zusammen und die
Berge reckten sich wie zum Widerstand.
.Dröhnend, aus höchsten, dünnen Lüften,
sank ein Adler mit schwerem Flügelschlag.
.Dann ward eine
Stille um mich her, die das
Blut meiner Adern rauschen liess gleich einem
Strom.
.Mein Geist war so voll der
Schwermut, dass
auch Sturzbäche trüber Schauer ihn nicht höher
füllen konnten...
.Reglos, wie eine verschleierte Hostie am Kar‐
freitag, tauchte lebend-starr der Mond aus wehe‐
schwangeren Wolken.
.Mein Leib bebte in allen Fasern und fühlte
sich fast der Vernichtung nahe, durch die Pro‐
ben, die vorhergegangen waren...
.Ein
Ungeheueres schien ihn nun unsichtbar
erwürgen zu wollen. ‒ ‒
.Da ward mein Auge plötzlich ‒
auf neue
Weise «
sehend», und was es sah, waren We‐
sen verwesender Welten, ‒ Wesen, die an
Scheusslichkeit nicht leiden konnten, denn sie
erschienen sich, wie ich fühlte, ausnehmend
schön in ihrer unsagbaren Hässlichkeit...
.Grauen und Entsetzen ging von ihnen aus und
mein Blick sog Myriaden giftiger Pfeile in mein
Herz, sobald er ihren verschleimten Blicken be‐
gegnen musste. ‒
.Sie aber freuten sich ihrer Scheusslichkeit,
und jede neue Wunde, aus der mein pfeildurch‐
bohrtes Herz zu bluten begann, war ihnen eine
greuliche, süsse Wollust. ‒ ‒
.Ich wollte in die Erde versinken vor innerer
Qual, oder mein Fleisch noch lieber den Wölfen
geben, als diesen Ungeheuern verfallen, ‒ aber
die Erde öffnete sich mir nicht, und selbst die
Wölfe flohen den Ort solchen Grauens...
.Meine Seele wimmerte in namenloser Pein
und mein Leib krümmte sich wie ein zertretener
Wurm...
.Da fletschten die Unholde mit den grossen,
breitkantigen Zähnen, die aus ihren blutigen
Mäulern starrten, und ihre Schleimaugen sprüh‐
ten grüne Giftblitze. ‒ ‒
.Ich aber fühlte, dass sie mich jetzt für schwach
genug hielten, ihre
Beute zu werden und dass
sie
schon jetzt sich ihres Sieges
freuten...
.Den
Untergang aber vor Augen erwachte
die Kraft der Verzweiflung in mir, und
ich bot ihnen
Widerstand.
.Ich packte den ersten der Dämonen, der mir
am nächsten war ‒ er fühlte sich an wie eine
kalte, klebrige Masse ‒ und ich würgte ihn,
trotzdem mich Ekel fast überwältigte, bis er er‐
mattet von mir liess.
.Da wich der ganze Haufe, der mich umringte,
wie schreckgelähmt zurück, so dass ich in
dem
einen aus ihnen gleich
alle bezwungen
hatte.
.Angstvoll duckten sie sich nun am Boden hin
und suchten meinen Blicken zu entschwinden.
.Je näher ich ihnen entgegentrat, desto weiter
wichen sie schleunigst vor mir zurück.
.Als aber der Mond dann verblasste, und ein
junger Tag heraufstieg im Osten, klammerten
alle die scheusslichen Wesen sich brünstig an‐
einander, hoben sich mählich über die Erde
empor und schwebten so dahin, wie ein langer
dunkler Wolkenstreif.
.Ich aber fühlte, dass sie dem Tode nahe sein
mussten und der Vernichtung kaum mehr ent‐
rinnen konnten.
.Da ging blutig-rot über glühendem Meere die
Sonne auf, und in ihrer Strahlenhelle
löste sich
die dunkle Wolke, ward zu goldenen Flocken
und ertrank zuletzt in goldig-weissem Licht. ‒ ‒
.Vor mir aber stand plötzlich der Meister,
reichte mir die Hand, blickte mir freudeerfüllt
ins Auge und sprach:
.«Ich freue mich, dass ich dich wieder im
Lichte des Tages begrüssen kann. ‒ Ich habe
grosse Sorge um dich erlitten, doch nun hast du
der
Zwischenwelt dich als
Herr bezeigt; nun
kannst du gefahrlos stets ihr Gefilde betreten,
und alle Dämonen werden zu deinen Füssen
liegen! ‒ ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Es ward von den vielerlei Formen gespro‐
chen, unter denen der Mensch sein «
Ich» zu
erkennen vermeint.
.Schliesslich bat man den Meister um Beleh‐
rung.
.Er aber liess sich also vernehmen:
.«
Was
dem nottut, der das Leben im
Ewigen sucht, ‒
hier,
wie in nachir‐
dischen Zuständen, ‒ das ist nicht Ver‐
neinung seiner
Individualität, sondern
die innere
Verneinung, die
Nichtaner‐
kennung der
Person, als die ihn die
Aussenwelt und seine
eigene Unwissen‐
heit ‒ maskiert. ‒ ‒ ‒
.Wunschlos geworden als «
Person», kann er
dennoch
Wünsche in sich hegen, die
weiter
weisen, ‒ über seinen Zustand hinaus, ‒ empor
zu reinerer Höhe, wenn auch die
Wünsche nie‐
mals anders
wirksam werden können, als da‐
durch, dass sie
Willenskraft in ihrem Sinn
bewegen. ‒
.Nur
solche Wünsche wurzeln im wahrhaft
Individuellen.
.Die Wünsche der
Person aber sind immer
derart, dass sie als
bleibend erhoffen, was
vor‐
übergehen soll, und als
Wahrheit nehmen,
was nur zeitliche
Täuschung ist. ‒
.Sie führen in ihrer Erfüllung
niemals höher
und
hindern nur das freie Höhersteigen...
.Wo noch
Persönliches gehätschelt wird in
Vorstellung und Wunsch, kann
Ewiges, kann
«
Individualität» noch nicht zum Ausdruck
kommen.
.Wer als
Person sich selbst
erhalten will,
muss anderes
vernichtet wissen wollen.
.Immer noch findet er ein anderes
ausser ihm,
das ihm im Wege steht. ‒
.Auch
Individualität will nur
sich selbst,
aber nur, um
in sich selbst
alles andere zu
erhalten. ‒ ‒ ‒
Alles was ist, weiss
Individualität mit
sich selbst
vereinigt.
.Sie kann
sich selbst nicht lieben,
ohne in
sich selbst auch
alles andere in Liebe zu um‐
fangen. ‒
.Nie wird sie Persönliches
hassen!
.Sie hat es ja als
unreal erkannt...
.Es ist ihr wie die 'Rolle' eines Schauspielers
geworden. ‒
.Sie mag die 'Rolle' werten nach dem Grade,
in dem sie ihren Träger, als
ewige Individua‐
lität, zum
Ausdruck kommen lässt.
.Stets wird 'Individualität' nur
jene Werte
suchen, die zur
Erhöhung und zu
reinerer
Gestaltung alles Daseins führen.
.Was dem nicht dient, wird ihr wie '
nicht
vorhanden' sein. ‒ ‒
.Ewige Individualität und bleibendes
'
Ich' sind ineinander
eines. ‒
.'
Person' ist
enge Begrenzung!
.Individualität ist zeitlich wie räumlich
unendlich! ‒
.Keine 'Individualität' kö
nnte jemals die an‐
dere
hindern, sich selbst
zu entfalten.
.Jede hat ihr unendliches Reich für
sich!
.Vereinigt mit allen anderen 'Individuali‐
täten', alle anderen
durchdringend und von
ihnen
durchdrungen, erlebt sie alle nur
in
sich selbst. ‒ ‒ ‒
.Stets dem
einzig Seienden entströmend,
baut sie nur
sich selbst, als
eine der unend‐
lichfältigen Formen des einzig Seienden. ‒
.Trotzdem erlebt sie alle
anderen dieser For‐
men
in sich selbst und weiss sich mit allen
formal identisch.
.Nichts
ausser ihr kann ihr jemals zum
Hin‐
dernis werden, und
nichts kann sie
vernich‐
ten, wenn sie
in sich selbst begründet
ruht. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Die
Lehre von der Seele, wie sie in grauer
Vorzeit schon die
Leuchtenden erkannten,
will ich dir hier verkünden.
.Dies ist die Weisheit jener Wenigen, die auch
heute noch im Lichte dieser Lehre leben. ‒
.Menschen des
Westens lehrten
andere
Lehre, und selbst auch im
Osten wirst du
sel‐
ten nur dieser Lehre der wahrhaft
durch
Selbsterfahrung Wissenden begegnen...
.Dennoch wird jeder dich in
Irrtum führen,
der
anderes lehrt! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So höre denn, und verstehe in deinem Herzen:
.Urewig ist des Menschen
Geist, anfanglos
und ohne ein Ende. ‒
.Ewig lebt er in
eigenem, wesenhaftem
Lichte, denn
er selbst ist Licht, ‒ ein
leuchtender
Funke jener ewig sich selbst ge‐
bärenden
Sonne, die stetig sprühend ihren
Funkenregen in den Raum ergiesst. ‒ ‒ ‒
.Nenne diese «
Sonne» nicht «
Gott», denn
Gott ist etwas anderes!
.Schwer wird es werden, dir das begreiflich zu
machen. ‒
.Ich muss ein Wort aus der
Alltagswelt ge‐
brauchen, um dir verständlich zu werden, und
so sage ich dir denn:
.«
Gott» ist das subtilste
Destillat des
Geistes,
nicht «
der Geist»
in seinem
stetig sich gebärenden Entbrennen! ‒ ‒
.Des Menschen ewiger Einzelgeist aber
ist gleichsam ein
Funke jener ewig sprühenden
Sonne, ein Funke, in dem sich das
Destillat
des Geistes bilden, ‒ in dem sich der
leben‐
dige Gott unendlichfältig gebären kann...
.Ewig gebärt sich selbst die ewig sprühende
Ursonne
ewigen Geistes!
.Ewig sprüht diese kreisende Sonne ihre
Geistesfunken, als Geister-Hierarchien in den
geistigen «Raum»!
.Die «Funken», die
sie selbst aus sich
sprüht, sind gleichsam noch selbst
Riesen‐
sonnen, doch diese sprühen wieder ewig
«Funken», ewig «Sonnen» aus, die wieder
in gleicher Weise stets kleinere und schwä‐
chere «Funken» oder Funkensonnen sprü‐
hen...
.Was im Menschtier der Erde sich selbst ge‐
fangen hat, der Geistesfunke, durch den
dieses Menschtier erst zum «Menschen» wird,
ist keineswegs der kleinste dieser Funken.
.Du kannst deiner Vorstellung dadurch am
besten zu Hilfe kommen, wenn du die
«Grösse» dieses «Funkens» etwa im gleichen
Verhältnis zu grösseren und kleineren «Geistes‐
funkensonnen» suchst, wie sie das Verhältnis
der Grösse dieses Erd-Planeten zu grösse‐
ren oder kleineren Weltkörpern zeigt. ‒ ‒ ‒
.Es lag im Wesen des Geistesfunkens, der sich
im Erdenmenschentiere sein Gefängnis schuf,
beschlossen, dass er das Reich der Seele sich
als Wirkungsfeld erkor, und dass er schliesslich,
um auch Herrscher in dem Reiche der Materie
zu werden, nach einem «Körper», einem «Leib»
der materiellen Gestaltung strebte.
.Ein solcher «Körper» aber war ihm bereits
gegeben, ein Körper, der wohl der Materie
verbunden, doch nicht ihr unterworfen
war. ‒ ‒ ‒
.Dass er aus Furcht vor der materiellen Wir‐
kung seiner Kräfte sich mit dem Körper des
Menschentieres der Erde verband, das erst
gereichte seinem Streben zum «Fall». ‒
.Ein «Fall» ist dieses Streben, doch zugleich
ein Tauchen in die tiefsten Tiefen, in denen
ein neues Bewusstsein geboren werden
kann. ‒ ‒
.Es verlor zwar der Geistesfunke im Fallen
das Bewusstsein um sich selbst, als einer
Sonne des ewigen Geistes, aber die ewige
Kraft, die ihm trotzdem innewohnen bleibt,
treibt ihn wieder empor zu sich selbst, aufs
neue sich selbst erkennend bei seiner völligen
Rückkehr, und dies in einer Herrlichkeit, die
nur aus der Tiefe, in die er gefallen war, zu er‐
schauen und zu empfinden ist ............
.Uranfänglich muss jeder dieser kleineren
Geistesfunken, dieser kleinen «Funkensonnen»,
nach dem Reiche der Seele streben, und nur
die Heftigkeit seines Strebens lässt ihn das
Ziel, das er eigentlich erreichen will, über‐
schiessen. ‒
.Zum Reiche der Seele
muss jeder dieser
Geistesfunken, will er sich
seine Welt ge‐
stalten und sich selbst in seiner Wirkung
finden.
.Vorher ist nur ein Wissen um sich selbst in
ihm, als ein Wissen um sein reines
Sein. ‒
.Im
Reiche der Seele erst wird er seiner
eigenen
Wirkungskräfte bewusst. ‒ ‒ ‒
.Im Reiche der Seele erst kann er nach
seiner Göttlichkeit in sich verlangen und erst im
nach «Gott»
verlangenden Geiste kann sich
das «
Destillat»
des Geistes gestalten, kann
sich sein
lebendiger «
Gott» im Geistesfunken
«gebären». ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.In jener ewig kreisenden,
ihrer selbst allein
in ihrer unermesslichen Grösse
bewussten
«Geistessonne», die ewig ihre «Funkensonnen»
in den geistigen Raum ersprüht, ‒ dort ist
kein
Bedürfen nach einem «Gott», denn dort ist
alles nur
leuchtende Einheit des Seins...
.Damit aber «
Gott» sein
könne, muss
etwas
Empfindendes sein, das
nicht «Gott» ist,
nicht nur
in sich selber kreist,
in sich
selbst genug und
vollendet...
.Wie das weisse Licht des Tages sich
zerspalten lässt in helle und dunklere Farben,
also muss sich die Ur-Einheit des Geistes
gleichsam zerteilen in mancherlei Strahlen,
wenn «Gott» sich im «Geiste» gebären kön‐
nen soll...
.Es müssen farbige Dunkelheiten im an
sich farblos weissen Lichte des Geistes wer‐
den, damit das gold-weisse Licht der Gott‐
heit sich zeigen kann. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Dazu aber dient das Reich der Seele.
.Ein jeder Menschengeistesfunke taucht ein in
dieses Reich, und um ihn bilden sich, wie Kri‐
stalle in einer salzgeschwängerten Flüssigkeit,
die seelischen Formen, die eure westliche
Lehre: seine «Seele» nennt. ‒ ‒
.Ihr glaubt im Abendlande hier, diese «Seele»
sei gleichsam ein abgeschlossener Leib aus un‐
sichtbarem, fluidischem Stoff, und eure Lehre
lässt diesen Seelenorganismus mit eurer Geburt
im Fleische entstehen, damit er nie mehr euch
verlasse, damit er, in der Zeit entstanden, ewig
erhalten bleibe. ‒
.Eure «Seele» ist aber keineswegs dies festge‐
fügte, in sich Geschlossene, denn das Reich der
Seele ist ein unsichtbares,
fluidisches Meer,
in dem es keine
unveränderlichen Formen
gibt, ausser jenen unzählbaren Kräften, die man
als
Seelen-
Atome bezeichnen könnte, und die
zeitweilig euere Seele
bilden, sie aus sich
ge‐
stalten; doch in jeder «Seele» sind es jeweils
ihrer
Tausende, und
mehr als tausendmal
Tausende! ‒ ‒ ‒ ‒
.Sobald das, was ihr wirklich im höchsten
Sinne
seid, jener
ewige Geistesfunke, das
Reich der Seele
erreicht, sobald er
eintaucht
in dieses fluidische Meer, ‒ schiessen diese Mil‐
liarden von Kräften um ihn zusammen und
werden von dem Eigenlichte des Geistes erfüllt.
.Der Geistesfunke aber strebt tiefer und tiefer,
bis auf den
Grund dieses Meeres, wo ihm die
furchterregenden Kräfte dann begegnen, die ihn
verleiten,
im äusseren Reiche der dich‐
testen Materie Schutz zu suchen, so dass er
sich dem
Menschentiere eint, und sich in
seiner Form verliert.
.Aus einer Mutter Leibe wird er nun hier als
der
Mensch der Erde geboren.
.Stetig aber bleibt er, auch auf dem «Grunde»
des Meeres der Seele, in seiner Hülle von Fleisch
und Blut, von dem Meere umschlossen. ‒
.Allmählich lernt er die Formen, die sich um
ihn kristallisieren, im eigenen, wenn auch sehr
verdunkelten, Geisteslicht erkennen.
.Nicht zum
ersten Male bildeten diese
Kräfte solche Formen!
.Sie dienten schon
vielen Menschengeistes‐
funken in
früherer Zeit und werden sich stetig
wieder
lösen und wieder
von neuem ähnliche
Formen bilden, bis der
Impuls, der sie einst
Form zu bilden zwang, durch einen Menschen‐
geistesfunken
völlig zur Auswirkung
kommt, bis dass ein Menschengeistesfunke
alle Kräfte dieser Form in seinem
Willen
zu
einigen weiss. ‒ ‒ ‒
.So kommt es, dass du in deiner «Seele»
Klänge findest, die nicht erst in diesem
deinem
Erdenleben zum erstenmal erklangen, ‒ ‒ und
dies verführte die Völker des Ostens zu jenem
Glauben, als ob der Menschengeistesfunke
oft‐
mals diese irdische tierhafte Einkörperung zu
überstehen habe. ‒
.Dem ist aber nicht so, wie man im Osten
glaubt, und wie auch im Abendlande heute gar
viele annehmen möchten.
.Zwar gibt es Fälle, gleichsam des «Miss‐
lingens», in denen zweimal einem Menschen‐
geistesfunken jener tiefste Fall zum Triebe
wird, allein es sind dies Sonderfälle, die so selten
sind, dass sie der Regel keinen Abbruch tun.
.Selbstmord und früher Tod, auch allzu
dichtes Einverkrusten in die dichte
Tiereshülle können diesen Trieb zur Wieder‐
Inkarnierung schaffen, allein auch hier nur in
besonderen Fällen, die nicht allzuoft sich
ereignen.
.Du findest in dir vielleicht Menschen früher
Vorzeit wieder?!
.Du kannst, wenn du einmal zu den Erwach‐
ten des Geistes gehörst, selbst ganze Lebens‐
läufe zum Erklingen bringen, und dies Erinnern
deiner Seelenkräfte wird dann dir bewusst, ‒
dem heute auf der Erde Lebenden, ‒ allein, ‒
nicht du warst jener, den du heute also
neu erlebst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du trägst nur jene Seelenformen, die in
seinem Erdenleben sich gestaltet hatten und
nicht
in ihm zum
letzten Ausgleich der
geschaffenen
Impulse kamen. ‒ ‒ ‒
.Was du deine «
Seele» nennst, ist ein
stetig
wechselndes Gebilde im Meere der Seelen‐
kräfte, im Reiche der Seele.
.Jeder
Gedanke, jeder
Willensimpuls,
jede
Tat kann dieses Gebilde sogleich
ver‐
ändern. ‒
.Du wirst, wenn du nicht ganz im Materiellen
verkrustet bist, von Jahr zu Jahr eine
andere
«Seele» haben, und nach den Lehren uralter
Weisheit wirst du sicher alle
sieben Jahre
völlig andere Seelenkräfte bei dir tätig fin‐
den. ‒
.Gewisse Seelenformen werden sich auch bei
dir
wiederholen, und
jene, denen du nicht
zur Vollendung verhilfst, wirst du
den Men‐
schengeistesfunken hinterlassen, die einst,
in
späteren Tagen, dieses Erdendasein durch‐
leben müssen.
.Mit dieser Hinterlassenschaft verbunden ist
stets die Möglichkeit des
Rückerinnerns an
das Erdenleben
dessen, von dem sie stammt.
.So kann sich ein anderer einst auch
deines
Lebens erinnern und zu dem Irrglauben kom‐
men, er habe dein Leben einst hier gelebt...
.Das Reich der Seele hält dich so umschlossen,
dass du niemals seine Grenzen finden oder gar
überschreiten könntest. ‒
.Mit den an dich jeweils kristallisierten Seelen‐
formen, die in steter Veränderung sind,
wirst du dich immer in diesem fluidischen,
und irdischen Augen unsichtbaren «Meere
der Seelenkräfte» bewegen. ‒ ‒
.Aber auch nach dem «Tode» des tierischen
Erdenkörpers wird dir dort nichts zu völliger
Macht verhelfen, bevor nicht alle Impulse,
deren Erzeuger du während deines Erden‐
lebens warst, in späteren Menschenleben ihre
restlose Auswirkung fanden. ‒ ‒
.Du selbst kannst deine Seelenformen dann
nicht mehr ändern!
.So wie sie waren, als dein Erdentiereskörper
dieser Welt der materiellen Kräfte nicht mehr
genügen konnte, so wirst du sie behalten müs‐
sen, bis zu jenem Tage, da auch der letzte der
von dir geschaffenen Impulse durch einen
später hier lebenden Menschengeist seine Aus‐
wirkung fand...
.Jedoch, fürchte dich nicht!
.Die vor dir im Reiche der Seele zu freien
Beherrschern wurden, werden dir dort zur
Seite stehen, und die Zeit bis zu deiner wahr‐
haften «Auferstehung» wird nicht ungenützt
verstreichen, auch wenn es sich um «Jahr‐
tausende», nach irdischem Zeitbegriff, handeln
sollte. ‒
.Wie aber du dann auf den letzten deiner Er‐
löser harren magst, so warten heute Menschen‐
geister, die in früher Vorzeit auf der
Erde im Fleische waren, ‒ auf dich! ‒ ‒ ‒
.Siehe zu, dass in deinem Leben den letzten
Ausgleich findet, was du von jenen früheren
in dir trägst!
.Siehe zu, dass du auch nicht neue Impulse
schaffst, wenn du nicht selbst gewillt bist,
sie in deinem Erdenleben zum völligen Er‐
schöpfen zu bringen! ‒ ‒
.Du sollst zwar auch neue Impulse schaf‐
fen, aber nur solche, denen du sicher in
deinem Erdenleben selbst genügen kannst,
nach menschlichem Ermessen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Was nützt es dir, wenn du Impulse schaffst,
die deiner Ansicht nach das Wohl der ganzen
Welt bezwecken, wenn aber deiner Hand sich
dann entwindet, was du also schufst, bevor
du
selbst imstande warst, das so geschaffene zum
Ausklang hinzuleiten! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Dir und anderen wirst du so nur
Leiden
schaffen, denn im Reiche der Seele kann nichts
verursacht werden, ohne
bis in seine letz‐
ten Konsequenzen durchzuwirken durch
Jahrtausende...
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Die
Lehre von der Seele, so wie sie die
«Leuchtenden» schon in grauer Vorzeit fanden,
so wie sie die «Wissenden» wissen, die gar we‐
nige sind, habe ich dir hier in einfacher Rede
vorgetragen.
.Wenn du klarsehende Augen hast, und nicht
von
Vorurteilen geblendet bist, dann wirst du
diese Lehre in vielem wiedererkennen, das
Wahrheitswissen und Täuschungswahn zu bun‐
ten Arabesken verwoben hat.
.Vielleicht auch fasste meine Hand allzufest
deinen
Lieblingsglauben, deinen
Lieblings‐
wahn? ‒ ‒
.Aber
täusche dich nicht!
.Weder im Sinnenreiche, noch im Reiche
der Seele richtet sich das Geschehen jemals
nach deinem Bedünken! ‒ ‒ ‒
.Es sind in allen Reichen des Universums si‐
chere Wege gebahnt, und nur auf diesen
Wegen bewegt sich Leben und Werk. ‒
.Du kannst nicht neue Wege bahnen, auch
wenn nach deines Verstehens Ermessen die
alten Wege dir nicht gangbar erscheinen!
.Es gibt heute viele im Abendlande, die den
Wahrheitskern in den Lehren des Ostens
ahnen...
.Jedoch, sie glauben blind, dort, wo sie
sehend sichten sollten. ‒ ‒ ‒
.Du wirst in keinem Volke eine «fertige»
Lehre finden, die dir alle Wahrheit restlos ent‐
hüllt!
.Allüberall aber wirst du auf Spuren der
Weisheit stossen, und wohl dir, wenn du sie er‐
kennst! ‒ ‒ ‒
.Du wirst dann manchen langen Umweg
vermeiden lernen!
.Auch wir wollen dich nur vor Wegen be‐
hüten, die lange Umwege wären.
.Dazu diene dir diese Lehre.
.Wir geben dir nur, was wir
aus Selbst‐
erfahrung gewisslich wissen, nachdem
auch wir vor Zeiten einst nur
glauben konnten,
als wir solches hörten. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‐‐‐‐‐‐‐‐
.In jenen Tagen, da ich noch schwer zu ringen
hatte, um die Proben zu bestehen, die meine
Meister mir auferlegen mussten, ehedem ich
einer der ihren werden konnte, war ich einst
Gast eines hohen Meisters, von dem wohl nie‐
mand in der Welt, in der er lebte, jemals ge‐
ahnt haben würde, dass er ein Meister des
Lichtes sei.
.Als wir nun an einem der köstlichen Abende
des Südens einsam am Ufer des Meeres uns er‐
gingen, fragte ich ihn, auf welche Weise ihm, der
stets mit tausend Geschäften der Welt beladen
war, einst die Erleuchtung gekommen sei, und
der Mann, vor dem Tausende zitterten, die
seiner Herrschaft untergeben waren, begann zu
sprechen:
.«Gewiss, auch mir, dem Unwürdigsten, gab
der Geist einst sein letztes Geheimnis zu eigen,
und seit jenem Tage ward mir die Kraft, weise
zu sein...
.Aber dennoch war ich gar selten weise
zu jener ersten Zeit, denn allzu tief war
mir in Mark und Blut gedrungen, was
mir,
bevor der Geist mir sein Geheimnis
gab, als 'Weisheit' von mancherlei Lehren des
Abend- und Morgenlandes angepriesen worden
war. ‒ ‒ ‒
.‒ Es ist nicht allzu leicht, das alles auszu‐
scheiden, was man in Knochen und Adern schon
von den Vätern her mit sich trägt, und was
noch gekräftigt wurde durch Erziehung und
Lehre! ‒ ‒
.Aber es kam ein Tag, da der Geist in furcht‐
erregender Grösse also zu mir sprach:
.'
Alles Übel ist Furcht!
.Du
fürchtest dich noch, dich der Weisheit
zu vertrauen, und diese
Furcht nennst du
Zweifel! ‒
.Ich gebe mich nur
dem, der mich nicht
fürchtet!
.Ich gebe mich nur
dem, der in mir selbst,
befreit von aller Furcht, zu
denken weiss, zu
fühlen und zu
handeln!
.Wehe dem, der mich noch
aussen sucht!
.Wehe dem, der noch in
Zweiheit lebt und
noch nicht '
Ich' geworden ist in
mir! ‒ ‒ ‒
.Alles Äussere ist dir gegeben, es zu überwin‐
den!
.Ich aber bin der
Herr des
Äusseren und
Inneren, und
du wirst nur in
mir, ‒ mit mir
zu
einem Ich vereint, jemals zur
Herrschaft
gelangen können über alles, was
in dir und
ausser dir ist! ‒ ‒ ‒ '
.‒ Hätte ich immer, seit jenem Tage, nach dem
Worte der Weisheit gehandelt, wahrlich, ich
wäre
weise gewesen! ‒ ‒
.Aber in Knochen und Adern lebte mir noch
eine Stimme, die da sprach:
.'Du Törichter! ‒
.Wie magst du solchem Worte glauben!? ‒
.Weisst du nicht, dass du
Erde bist, und ein
zweifüssig Tier??! ‒ ‒
.Wie könntest du dich denn
vereinen wollen,
dem, das als
Herr alles Äussere und alles
Innere
beherrscht!?! ‒'
.Und ich liess mich gar oft von dieser Stimme
täuschen, und vertraute ihr zuzeiten
mehr, als
dem Worte der Weisheit...
.Ich ward klein und erbärmlich vor mir selbst,
weil ich der
zweiten Stimme
glaubte und der
Furcht erlag, ‒ ‒ der Furcht vor jener
höch‐
sten aller Kräfte, die sich selbst mir geben
wollte. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So sank ich in Leid und Qual zurück, und ver‐
gass, was mir geworden war in jenen Stunden,
da ich dem Geiste mich vereinigt hatte. ‒ ‒
.Nun aber ward mir, nach abermaligem, lan‐
gem Irren, doch der Tag geboren, an dem zu
dauerndem Erleben werden sollte, was
früher nur als '
Gabe' und '
Erleuchtung' zu
mir kam...
.Nun erst ward
ich selbst zu
lebendigem
Licht! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Ich weiss nicht mehr, was ich
vorher war,
und ich
will es nicht wissen!
.Mag ich ein Leichnam gewesen sein, der
in den Gräbern hauste und von dem sich
ekle Maden nährten, ‒ oder war ich nur ein
Gespenst meiner selbst, ‒ ‒ genug, dass ich
nun weiss, wer ich
bin, und es nie mehr ver‐
gessen kann. ‒ ‒ ‒
.Ich glaube, es war nur ein
kleines Leid
dieser Erde, das
mir so unendlich
gross er‐
schien, dass es die ganze Welt vor meinem Auge
verdeckte. ‒ ‒
.Diesem kleinen Leide aber danke ich die Ge‐
nesung!
.Als mir die ganze Welt versunken war in
grauer Trübsal, da fand ich endlich ‒
mich
selbst, obwohl ich ja längst schon im Wahne
gewesen war, 'mich selbst' gewisslich
gefunden
zu haben...
.Aber ehedem hatte ich mich zwar so manches‐
mal gefunden, für
Augenblicke und
geseg‐
nete Stunden, ‒ ‒ dann jedoch
ent-
zweite
ich mich wieder, und
der Andere, der ein Ge‐
spenst oder ein Leichnam war, nahm von mir
aufs neue Besitz. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Nun endlich ward mir die Kraft, den
An‐
deren schonungslos zu
erwürgen, wie sehr er
auch bitten und winseln mochte, als er merkte,
dass ich ihn nicht länger in mir dulden wollte.
.So bin ich endlich in mir selber
auferstan‐
den! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Erschauernd fühle ich jetzt, was ich einstens
gewesen war! ‒ ‒
.In eigenem Lichte leuchtend, nicht begrei‐
fend,
weiss ich nun:
.wer ich
bin ‒ ‒ ‒
.Ich, der ich nun '
Ich selbst' geworden bin,
und niemals mehr
einem andern ausser mir
dienen kann...
.Seit jener Zeit erst
weiss ich auch anderen
zu
befehlen und sie
gehorchen mir, weil sie
fühlen, dass einer hier befiehlt, der befehlen
darf. ‒
.Vorher aber
musste ich nur befehlen, und
man gehorchte mir nur mit Ingrimm und Wider‐
willen, weil ich, wie so mancher, dem es geboten
wird, kein
Recht zum Befehlen hatte. ‒ ‒ ‒»
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Du wirst gewiss schon lange die Frage auf den
Lippen tragen, wie ich wohl selbst jenen We‐
nigen nahekam, von denen ich dir so manches
in meinen Büchern sage?
.Du wirst wissen wollen, wie diese Menschen
zum allerersten Male in mein Leben traten,
lange bevor ich auch nur ahnen durfte, dass ich
einstmals einer der ihrigen werden sollte. ‒ ‒
.Ich fürchte, die allererste Begegnung würde
von dir in das Reich der «Halluzinationen»
verwiesen werden, wenn sie in gleicher Weise
in deinem Leben erfolgen sollte, wie sie bei mir
im frühesten Kindesalter sich ereignete?!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Vielleicht bist du recht wenig geneigt, zu
glauben, dass es eine Möglichkeit gibt, diesen
Körper von Fleisch und Blut zu verlassen, ohne
zu «sterben», und dass jene Wenigen, die das
vermögen, in ihrem fluidischen Leibe fast
mit Gedankenschnelle die grössten Reisen aus‐
zuführen imstande sind, dass sie an bestimmten
Stellen und unter ganz genau gegebenen Be‐
dingungen sich unter Umständen sichtbar,
fühlbar und hörbar machen können, so dass
du sie niemals von «Menschen in Fleisch und
Blut» zu unterscheiden vermöchtest!? ‒ ‒ ‒
.Trotzdem ist dieses «Können» keineswegs nur
auf die legitimen Meister der «Weissen Loge»
beschränkt, und gar manche Sage mag der Be‐
tätigung solchen «Könnens» ihren Ursprung
danken. ‒ ‒
.Du kannst nicht einmal mit absoluter Sicher‐
heit behaupten, dass solches «Können» dir
selber ferne läge, denn manche Menschen üben
es unbewusst, was soviel sagen will, dass ihr
Gehirnbewusstsein in tagwachem Zustand
nichts von ihrem Tun im äusseren Zustand
tiefen Schlafes ahnen kann...
.Hier sind wir auf einem Gebiete, von dem
unsere westliche Wissenschaft noch nicht die
Grenzgebiete kennt und das sie wohl auch
niemals genauer kennenlernen kann, denn die
Bedingungen zur Erforschung verlangen hier
den ganzen Menschen und nicht nur den
Verstand. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wo aber «wissenschaftlich» nichts «
festge‐
stellt» wurde, da
existiert nun einmal auch
für die meisten Menschen nichts, und ich bin
weit entfernt davon, es dir zu verübeln, wenn
du es in dieser Hinsicht mit der Mehrzahl halten
willst.
.Ich weiss nicht, ob ich nicht
ohne meine
eigene Erfahrung in
gleicher Weise denken
würde. ‒
.So aber kann ich dir sagen, dass derartige
Dinge nicht nur «
möglich» sind, sondern sich
viel häufiger ereignen, als man selbst in recht
«überzeugten» Kreisen vielleicht glaubt...
.Der erste Bote jener Gemeinschaft, der ich
heute angehöre, kam in mein Leben auf diese
Art, als ich noch kaum das Alphabet beherrschte.
.Erst hielt ich ihn für einen Bettler, dem die
Mutter öfters Suppe gab, dann aber ‒ und fast
scheue ich mich, davon zu reden ‒ ‒ als er wieder
und wieder zu mir kam, bei geschlossenen Tü‐
ren, und plötzlich vor mir stehend in Feld und
Wald, wie er ebenso plötzlich verschwand,
suchte sich mein kindlicher Verstand eine an‐
dere Erklärung, der auch mein alter Freund und
Beschützer in grosser Weisheit seine Zustim‐
mung gab, obwohl sie, streng genommen, irrig
war.
.In einer frommen Mutterhand erzogen zu
einem Glauben, der «Heilige» am «Throne
Gottes» kennt, glaubte ich, jener Bote der
hohen Gemeinschaft könne wohl niemand an‐
derer sein, als eben ein «Heiliger», und gerade
der, den ich besonders verehrte, und den ich
gerne in gleicher Gestalt mir vorstellen mochte,
in der mir mein geistiger Führer «erschien».
.Die traditionellen Bilder des «Heiligen»
konnten mich nur in meinem Glauben bestär‐
ken, und als ich dann schliesslich den Mut zur
Frage fand, hörte ich aus dem verehrten Munde
des alten seltsamen Freundes die Worte: «Du
hast recht, mein Kind, und später wirst du
noch mehr von mir wissen!» ‒ ‒ ‒
.Ich deutete diese Antwort in kindlicher Weise
als uneingeschränkte Bejahung, hütete mich
aber, irgendeinem Menschen etwas zu verraten,
denn der alte Freund hatte mir gesagt, sobald
ich von den Begegnungen sprechen würde,
könnte er nicht mehr zu mir kommen,
und ich hatte ihn bereits so liebgewonnen, dass
mir nichts entsetzlicher gewesen wäre, als ihn zu
verlieren.
.Vielleicht hätte es selbst dieser Warnung
nicht bedurft, denn die Furcht vor allerlei mög‐
lichem Spott hätte mir auch ohne sie den Mund
verschlossen.
.Im Laufe der Zeit wurde mir das plötzliche
Auftauchen und Verschwinden dieses Freundes
derart selbstverständlich, dass ich gar nicht auf
den Gedanken kam, wie seltsam doch die ganze
Sache von andern Geschehnissen sich unter‐
scheide.
.Als ich einige Jahre älter war, wurden seine
«Besuche» jedoch immer seltener und blieben
schliesslich völlig aus, was mich mit tiefstem
Schmerz erfüllte, denn ich glaubte nicht anders,
als dass meine jugendlichen «Untaten» dies ver‐
schuldet haben müssten.
.In erzieherischem Sinne wirkte dies eine
Weile recht gut, als ich aber sah, dass alle meine
Versuche, recht «brav» zu werden, doch nichts
halfen, gab ich sie auf, und führte mein Wald‐
und Wiesenleben wie jeder andere ungebärdige
Junge, so dass ich den alten Freund von ehedem
fast völlig vergass. ‒
.Erst viel später wieder tauchte plötzlich in
mir die Empfindung auf, er müsse mir dennoch
nahe sein, und diese Empfindung war stets von
einem Glücksgefühl begleitet, das schwer be‐
schreibbar ist.
.Mancherlei äussere Erlebnisse liessen mich
deutlich fühlen, was er für gut hielt und was er
vermieden wünschte, aber ‒ ‒ ich sah,
hörte und berührte ihn nicht, so wie es
ehedem war. ‒
.Fast möchte ich sagen: er war wie in mir,
oder als ob er «hinter mir» stünde...
.So vergingen weitere Jahre, bis ich eines
Tages, unter Umständen, die auch einem mehr
mysteriös veranlagten Gemüt als dem meinigen,
genügend «mystisch» erschienen wären, aufs
neue die Bekanntschaft jenes alten Freundes
machte.
.Diesmal in wesentlich anderer Art. ‒ ‒
.Es erschien ein Besucher bei mir, ‒ dem ersten
Blicke nach fremd, aber in der zweiten Sekunde
schon ‒ ‒ nur zu wohl vertraut.
.Diesmal nicht in den mir früher so merkwür‐
dig erschienenen orientalischen Gewändern, son‐
dern in europäischer Art gekleidet, mit jener
etwas nachlässigen Eleganz, in der zuweilen
Orientalen europäische Kleidung zu tragen
pflegen.
.Nun wurden mir Pflichten aufgetragen, die
eine völlige Geheimhaltung der Begegnung,
wenigstens der geliebten Frau gegenüber, die
mein Leben bereits in recht jungen Jahren teilte,
nicht mehr möglich erscheinen liessen.
.Meine Lebensgefährtin gehörte zu den ersten
Frauen, die sich das Recht auf Hochschul‐
studium erzwungen hatten, und sie war durch‐
drungen von einer durchaus skeptischen, mate‐
rialistischen Philosophie.
.Briefe, die ich dazumal an sie richten musste,
da sie bei jenem ersten Besuche abwesend war,
erfüllten sie mit unsäglicher Angst vor der Mög‐
lichkeit einer plötzlichen «geistigen Erkran‐
kung» bei mir, und nur die nüchterne Erwä‐
gung, dass dieser «Wahnsinn» denn doch zu
viel «Methode» habe, verscheuchten schliesslich
die, für ihre Weltanschauung recht naheliegen‐
den Bedenken...
.Sie sollte später selbst den Besucher, und
noch andere seiner Art, leibhaftig kennen‐
lernen und konnte damals noch nicht ahnen,
dass ihr diese Besucher zu hochverehrten
Freunden werden würden. ‒ ‒ ‒
.Durch sie angeregt fand sie manche Klarheit
über gar vieles, das ihr in den Schriften des
Altertums früher als «sagenhaft» erschienen
war, und soweit eine Frau okkulten Gesetzen
entsprechen kann, entsprach sie ihnen, um jene
'Schätze' zu heben, die in den Mysterien der
Antike beschlossen waren, und sie fand mehr,
als sie erwartet hatte. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Ihr früher Tod liess den Plan nicht zur Aus‐
führung kommen, auf ihre Weise über das was
sie gefunden hatte, zu berichten...
.Ich aber kann dir nur sagen, dass die Myste‐
rien der Antike auch heute noch nicht
erloschen sind, auch wenn sie in den damals
verstandenen Formen nicht mehr existieren.
.Ich kann bezeugen, dass es einen Akt der
«Einweihung» gibt, von dem kein gedrucktes
oder geschriebenes Buch mehr, als nur dunkle
Andeutungen geben kann...
.Ich weiss von einer «Bruderschaft», der ich
selber zum Bruder werden musste, da ich dazu
geboren war, ‒ und die den Ausgangspunkt dar‐
stellt für alle Gemeinschaften, die nach höch‐
ster Geisteserkenntnis jemals auf dieser
Erde strebten. ‒
.Wir sind sehr wenige!
.Was wir sagen dürfen, geben wir gerne der
Welt, aber darüber hinaus sind wir durch kos‐
misches Gesetz zu ewigem Schweigen ver‐
pflichtet. ‒ ‒
.In früheren Jahrhunderten standen auch im
Abendlande viele bedeutende Menschen in
recht naher Beziehung zu unserer Gemein‐
schaft, ‒ vom Philosophen bis zum Heerführer,
vom Mönch in seiner Zelle bis zum Kardinal am
Hofe der Päpste...
.Zu gegenwärtiger Zeit wirst du die Menschen,
die mit uns in geistiger Verbindung stehen, mehr
im weiten Morgenlande suchen müssen, und
viele sind darunter, denen es wenig gefällt, dass
die Gemeinschaft nun durch mich in klarer
Sprache sich auch wieder an die Menschen des
Westens wendet.
.Dies musste aber geschehen, und mir ward
der Auftrag dazu, da in den Ländern des
Westens mehr oder minder verzerrte, mehr
oder minder märchenhafte Gerüchte über das
Dasein einer solchen «Bruderschaft» in Umlauf
kamen, und zwar durch gutgläubige Menschen,
die wohl annehmen konnten mit uns in Verbin‐
dung zu stehen, da sie durch seltsame Heilige,
deren es im Orient gar mancherlei Arten gibt, zu
diesem Glauben verleitet worden waren, ‒ nach‐
dem eine Frau, die ein mediales Phänomen
erster Ordnung war, von dem Bestehen der
«Bruderschaft» Kunde erhalten hatte.
.Es gibt auch noch andere Zirkel in aller
Welt, die an ihren Ausgangspunkten uns
nicht ferne standen. ‒
.Wir sehen ihre Vertreter heute auf Abwegen
und Irrwegen.
.Wir müssen zusehen. ‒ ‒ ‒
.Wir dürfen nur allen geben, was allen ge‐
geben werden kann.
.Wir dürfen nur den Weg zeigen, der zu un‐
serer Einflussphäre in geistiger Weise führt. ‒
.Du darfst dich nicht zu dem Glauben verlei‐
ten lassen, als ob das persönliche Hervor‐
treten eines Gliedes der «Bruderschaft» der
Menschheit den Nutzen bringen könnte, den sie
durch uns erlangen kann!
.Wir sind in unserem persönlichen Verhal‐
ten in der Aussenwelt durch mancherlei
strenge Gesetze an Händen und Füssen ge‐
bunden.
.Wir selbst könnten in persönlicher Nähe
weniger geben, als so mancher, der nur unsere
Lehre kennt und sie begriffen hat, ohne aber
durch unsere Gesetze gebunden zu sein. ‒
.Eine Übertretung dieser Gesetze, die bei
persönlichem Wirken in der Aussenwelt fast
völlig unvermeidlich wäre, würde früher oder
später durchaus vermeidbare Opfer fordern,
und solche «Opfer» nach aller Möglichkeit zu
vermeiden, ist alleroberstes Gesetz für
uns. ‒ ‒ ‒
.Von dem Wege, der in die geistige Einfluss‐
sphäre der «Bruderschaft» führt, von ihrer Art
und ihren kosmischen Zusammenhängen
habe ich genugsam in meinen Büchern gespro‐
chen.
.Wenn du den Weg gehen willst, wirst du
auch gewiss einst das Wirken der geistigen
Kräfte bezeugen können, die von der Gemein‐
schaft als einem organischen Ganzen ge‐
leitet werden.
.Sie gehen nicht etwa von uns aus!
.Wir sind nur ihre berufenen Leiter und Ver‐
mittler!
.Hüte dich aber, mit diesen Kräften «spielen»
zu wollen!
.Wer sich hier nicht der Tragweite dessen be‐
wusst ist, was er tut, der treibt ein gefährli‐
ches Spiel! ‒ ‒ ‒
.Du darfst auch das, was du durch uns fin‐
den kannst, nicht wie eine «Wissenschaft» die‐
ser Erde betrachten und suchen. ‒
.Glaube auch nicht, dass «Askese» oder
Pflanzennahrung, Abstinenz vom Al‐
kohol, oder Sexualabstinenz, noch irgend‐
eine absonderliche Lebensweise zur Er‐
langung des Zieles etwa «nötig» oder auch nur
nützlich sei!
.Alle solche asketischen oder abergläubigen
Gepflogenheiten, die dazu führen sollen, ein
geistiges Ziel zu erreichen, sind Auswüchse
einer der unwürdigsten und unfruchtbar‐
sten Weltanschauungen, die nichtsdestoweni‐
ger unter allen Völkern und in allen religiösen
Gewändern einherstolziert. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wer aber zu uns kommen will, damit wir
ihm
auf geistige Weise geben
können, was
er sucht, der sei ein nüchterner, gütiger, stiller,
aber ‒ ‒
erdfarbener Mensch! ‒ ‒ ‒
.Ihn wird die hohe Gemeinschaft gewiss zu er‐
reichen wissen.
.Er wird ihrer Gaben an jedem
Orte der Erde
und in jedem
Zustand äusseren Lebens teilhaft
zu werden vermögen, und dies
umso eher, je
mehr er sich bemüht, vor allem, was er
geistig
erstrebt,
seine irdischen Pflichten gegen
sich selbst, gegen seine Nächsten im engeren
Sinn, und gegen die Menschheit im allgemeinen,
zu
erfüllen. ‒ ‒
‐‐‐‐‐‐‐‐
.Das flimmernde, körperhaft weisse Mondlicht
des Südens rann herab über die Felsschründe
der kahlen Berge und füllte das weite Tal mit
seinen Olivenwäldern wie einen See.
.Die Marmorsäulentrümmer des verfallenen
Heiligtums leuchteten wie Opale, und auf den
Fliesen lag eine seidene Decke bläulich-weissen
Leuchtens, so dass es den Anschein hatte, als sei
alles bedeckt mit frisch gefallenem Schnee.
.Die beiden Männer durchschritten schweigend
die heiligen Stätten der Vorzeit, bis sie zu den
Fundamenten eines alten Tempels gelangten
und dort sich niederliessen.
.«Diesen Tempel», sprach der eine der beiden
Männer, «hat einst, vor Jahrtausenden, einer
der unseren begründet, und manches Jahr‐
hundert hindurch standen seine Priester unter
unserer Leitung...
.In der Sage des Volkes hiess es dann später,
einer ihrer Götter sei der Gründer des Heilig‐
tums gewesen.
.Der Ort, an dem wir lagern, ist heute noch
geheimnisvoll, nur wissen die Menschen dieser
Zeit nichts mehr von seinem Geheimnis...
.Wo immer einer der unseren in alter Zeit ein
solches Heiligtum begründete, dort suchte er
sich eine Stätte, an der es gelingen konnte, ge‐
wisse fluidische Kräfte der Erde zum
Überquellen zu bringen, was durchaus nicht an
allen Orten auf diesem Planeten möglich ist.
.Heute sind diese Quellen fluidischer Kräfte
zwar an den meisten dieser Orte längst versiegt,
aber noch immer sind die Kräfte, die einst hier
wirksam werden konnten, an solchen Orten wie
auf einen Anziehungspunkt konzentriert, die
Kräfte folgen noch den gleichen Bahnen, die
einst den Schöpfer des Heiligtums bewogen
hatten, an dieser Stätte einen Tempel zu be‐
gründen und Priester zu heiligem Dienste heran‐
zubilden.
.Die Priester dieser Tempelheiligtümer waren
keineswegs von Anfang an jene «Betrüger», für
die man sie heute halten muss, da man nichts
mehr von den geheimnisvollen Kräften ahnt,
die an solchen Orten zur Betätigung kamen,
durch eine wahrhafte Magie, von der die Welt
nur noch den Namen kennt und ihn dem Be‐
trug und der Täuschungslust als Mantel ver‐
liehen hat...
.Es gab eine wahrhaftige hohe Magie, und es
gab magische Stätten auf dieser Erde, ja,
man könnte sie jetzt noch finden, wenn man zu
suchen wüsste.
.Dieses «Suchen» jedoch ist den Menschen
der heutigen Zeit nicht mehr möglich, denn
sie haben allmählich die Kräfte in sich verküm‐
mern lassen, die sie zum erfolgreichen Suchen
benötigen würden. ‒ ‒
.Der Mensch ist enger mit den Kräften der
Erde verbunden, als er, dem blossen Augen‐
schein zu sehr vertrauend, glauben kann.
.Unzählige Kräfte dieser Erde wären ihm un‐
tertan, wenn er in sich jene Macht zur Ent‐
faltung bringen würde, der diese Kräfte Gehor‐
sam leisten müssen...
.Wenn man es lehren könnte, diese Macht in
sich zu entfalten, dann würde gar bald alle Welt
zu eines solchen Lehrers Füssen sitzen. ‒
.Die Entfaltung dieser Macht ist aber an ein
inneres Wachstum gebunden, und bevor es
nicht im
Innersten eines Menschen
licht und
klar geworden ist, so dass er bei geschlossenen
Augen alles was er sehen
will, in
sich selber
sieht, kann er die Macht in sich nicht
finden,
noch jemals
gebrauchen lernen.
.Er
ahnt nicht einmal
wovon man spricht,
auch
wenn man ihm von der Macht in seinem
eigenen Innern redet. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Auch wenn man von dem 'Sehenkönnen bei
geschlossenen Augen' zu sprechen wagt, weiss
keiner,
was das ist, und die meisten glauben,
sie vermöchten das längst, weil sie die Gebilde
ihrer
Phantasie mit wahrer
Innenschau ver‐
wechseln. ‒ ‒
.Was es heisst, dass alles im Innern
klar und
leuchtend werden müsse, vermögen sie nie‐
mals zu erfassen, und sie glauben, dass die
Klarheit des Verstandes, das logisch auf‐
gebaute
Denken, ‒ diese Klarheit sei. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Sie ahnen noch nicht, dass es
über diesem
vielgepriesenen 'Denken', das
für immer zu
Ende ist, wenn der Erdenleib zerfällt, noch ein
anderes Denken gibt, bei dem
der Gedanke
selbst lebendig und seiner bewusst wird, so dass
er,
losgelöst von allem erdgebundenen 'Den‐
ken',
sich selbst zu denken vermag. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Da gibt es kuriose 'Lehrer' in meinem Lande,
und sie fanden auch den Weg zu euch ins Abend‐
land, ‒ die ihre Schüler dazu erziehen wollen,
'die Gedanken zu beherrschen', und sie sehen
darin alles Heil, weil sie eine leise Spur der
Wahrheit gefunden haben, und entdeckten,
dass irgend etwas hier mit
dem Gedanken
zusammenhängt...
.Wenn diese Törichten fassen könnten, dass
kein Mensch je zur Wahrheit gelangen kann,
in dem nicht
der lebendige,
seiner selbst
bewusste Gedanke aus dem Schlafe
er‐
wacht, und
Herr und Meister wird, dann
würden sie voll Entsetzen sehen, wie sie sich
selbst und andere
einer zwecklosen Marter
unterwerfen, die schon so manchen an den Rand
des Wahnsinns, wenn nicht zu
völliger Um‐
nachtung seines Denkens führte...
.Sie lassen ihre Schüler stille sitzen und sich
auf einen einzigen Gedanken des Gehirns nun
'konzentrieren'.
.Sie wollen es soweit bringen, dass sie selbst
und ihre Schüler minutenlang und länger
ohne
jeden Gedanken zu verharren vermögen, und
glauben so das Licht der Wahrheit endlich zu
empfangen.
.Alles aber, was sie so erreichen, ist eine
Zer‐
rüttung der Nerven und des
Gehirns in
diesem physischen Körper. ‒ ‒
.Die 'Erlebnisse' geistiger Art, die sie zu haben
vermeinen, sind
niemals etwas anderes, als die
Ergebnisse der widernatürlichen Reizung ihrer
physischen
Nerven. ‒ ‒ ‒»
.«Demnach», sprach der andere, «sollte man
doch eigentlich vor aller 'Gedankenkonzentra‐
tion' und aller Beherrschung des 'Gedanken‐
lebens' lieber
warnen?! ‒»
.Doch jener, der zuerst gesprochen hatte, fiel
ihm in die Rede und liess sich also vernehmen:
.«Mitnichten, mein Freund!! ‒
.Es kommt nur darauf an,
was man
er‐
reichen will, und
wie man diesen Rat ver‐
steht! ‒ ‒
.Wenn es sich nur darum handeln soll,
jenes
'Denken', das durch die Vermittlung subtilster
physischer Organe, also durch das
Gehirn
bewerkstelligt wird, und durch die gleichen Or‐
gane 'bewusst' zu werden vermag, von seinem
planlosen Schweifen abzubringen, dann
magst du stets empfehlen, alle Mittel anzuwen‐
den, um diese 'Gedanken', die nur Reflexe des
wirklichen Gedankens in den abertausend
Facettenspiegeln der Gehirne sind, jeweils auf
einen Punkt zu sammeln.
.Der denkende Mensch, der an sich noch nichts
anderes ist als ein höher geartetes 'Tier', wird
die Fähigkeit, auf solche Weise die Arbeit seines
Gehirns zu bestimmen, auf dieser Erde sehr
wohl gebrauchen können.
.Auch sollst du ihn lehren, seine 'Gehirn‐
gedanken' an Gehorsam zu gewöhnen, so dass
er nicht ihr Sklave wird. ‒
.Er soll lernen, jene Gedanken festzuhal‐
ten, die sein Tun bestimmen dürfen, allen
anderen aber keine Beachtung zu schen‐
ken. ‒ ‒
.Er soll wissen, dass er nur seine Nerven zu‐
grunde richtet, wenn er unfruchtbare oder ver‐
derbliche Gedanken durch Kampf gegen sie,
aus sich entfernen will, dass er aber leicht ihr
Herr wird, wenn er sie völlig unbeachtet
lässt, wie sehr sie auch immer wieder sich in sein
Bewusstsein einzudrängen versuchen.
.Er muss wissen, dass er niemals, es sei denn
auf Kosten seiner Nerven, ohne Gedan‐
ken sein kann, dass es aber in seiner Macht
steht, den gewollten Gedanken sich hinzu‐
geben und die ungewollten dabei in aller
Ruhe, wie Bilder, die ihm nichts mehr zu sagen
haben, an sich vorüberziehen zu lassen. ‒ ‒ ‒ ‒
.Solche stete Übung, die dann allmählich zur
Gewohnheit wird, schafft Ruhe und Ordnung
im Denken, das des Gehirns bedarf, und diese
Ruhe und Ordnung ist erste Vorbedingung,
will der Mensch einst dahin gelangen, den sich
selbst bewusst empfindenden, lebendigen
Urgedanken aus seinem Schlafe zu erwecken.
.Hat er ihn erst in sich erweckt, was allerdings
unter Zehntausenden kaum einem gelingt, nur
weil so wenige wagen, ihn zu erwecken, ‒ dann
wird ihm alles 'Denken', wie er es vorher
gleich allen andern allein vermochte, nur wie
der Schatten eines Lichtes erscheinen, das er
bis dahin kaum in seinen fernsten Strahlen er‐
ahnte. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒»
.«Alles, was du sagst, o Verehrungswürdiger»,
begann nun der andere zu erwidern, ‒ «alles,
was du sagst, kann ich ja aus eigener Erfah‐
rung, wie sie durch deine grosse Güte mir zuteil
wurde, selbst bestätigen.
.Ich würde dir aber Dank wissen, trotz allem,
was mir selber kund geworden ist, wenn ich
aus deinem Munde, solange wir noch in irdi‐
scher Nähe sind, vernehmen könnte, wie du
selbst die Macht, die im Menschen verborgen
liegt und die uns in steter Weitergabe übertra‐
gen wurde, die Macht über geheime
Kräfte der Erde, in menschlichen Worten
darzustellen weisst.»
.Und der Erhabene sprach:
.«Glaube nicht, dass ich den Faden meiner
Rede verloren hätte!
.Ich wollte dir nur an diesem heiligen Orte und
in dieser Stunde den Weg der Worte weisen,
den du befolgen sollst, willst du den Menschen
des Westens von jener hohen, wahren Magie
berichten, die du nun selber kennst und von der
sie glauben, dass sie nur Ausgeburt des from‐
men Truges und gemeiner Täuschung sei.
.So musste ich nun die deutliche Unterschei‐
dung setzen zwischen dem, was die Menschen
'Denken' nennen und dem lebendigen, sei‐
ner selbst bewussten Gedanken, der in uns,
die wir ihn erweckten, aller 'Meister' Meister
ist, da doch nur er allein jene Macht uns gab,
durch die wir geheimen Kräften der Erde ge‐
bieten können.
.Sage nun aber den Menschen des Westens,
dass sie diese Macht in irriger Weise ver‐
stehen, ‒ sage ihnen, dass keiner aus ihnen diese
Macht erlangen kann aus sich selbst, ‒
dass nur einer ist, der den Schlüssel zu dieser
Macht in Händen hält, und dem auch wir sie
danken, ‒ dass aber auch wir sie nicht empfan‐
gen hätten, wäre nicht vorher in uns der le‐
bendige, seiner selbst bewusste Ge‐
danke aus seinem vieltausendjährigen Schlafe
erwacht, wäre er nicht in uns zu unsterbli‐
cher Herrschaft und Herrlichkeit ge‐
langt! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Die Menschen glauben noch immer, diese
Macht sei Folge einer äusseren Tätigkeit,
verlange von dem, der sie besitzt, die Ausübung
'magisch' genannter Künste, und ihre Wirkung
sei an 'Riten' und 'Zeremonien' gebunden.
.Du sollst nicht verbergen wollen, dass es auch
eine Art niederer und nur zeitweiliger Herr‐
schaft über gewisse geheime Kräfte der Erde
gibt, die durch solcherlei Übung bewirkt wer‐
den kann, ‒ allein du sollst mit aller Deutlich‐
keit auch verkünden, dass alles dies keines‐
wegs mit jener Macht über Kräfte dieser Erde,
und durch sie über kosmische Kräfte, in Be‐
ziehung steht, die man als die erhabene Magie
des Geistes bezeichnen darf. ‒ ‒ ‒
.Die 'Magie', die durch äussere Mittel,
durch 'Riten' und 'Zeremonien' wirkt, und an
die Ausübung gewisser äusserer Verrich‐
tungen gebunden ist, steht in dem gleichen
Verhältnis zur Magie des Geistes, wie der
'Gedanke', der das Gehirn zu seiner Darstel‐
lung gebraucht, zu dem ewigen, seiner
selbst bewussten und sich selbst denken‐
den Gedanken. ‒ ‒ ‒
.Versuche es, den Menschen des Westens Klar‐
heit darüber zu geben, dass das einzige Wir‐
kungsmittel der göttlichen Magie des Geistes
der Wille ist, den kein Wunsch mehr be‐
herrscht, und dass dieser Wille über weite
Reiche der geheimen Kräfte der Erde gebietet
durch sich selbst. ‒
.Schenke ihnen Klarheit darüber, dass wir
selbst uns in enge Bindung an ewige Gesetze
geben mussten, als wir diesen wunschlosen
Willen in uns erlangten, dass wir in keiner
Weise mehr tun können, 'was wir wollen',
wobei der Mensch der Erde gemeinhin sein
Wünschen als Wollen fasst, sondern dass wir
uns einem ewigen Willen einen mussten, der
nun in unserem Willen sich selber will, ohne
Rücksicht auf unsere Wünsche, wenn sie ihm
entgegenstehen wollten. ‒ ‒
.Sage den Menschen, die du lehren magst, dass
wir alle unsere Wünsche dem ewigen Willen
ein für allemal unterordnet haben, so dass
unser Wille frei ist von jedem Wunsch und
nur aus sich selber wirkt, im Dienste des
ewigen Willens und aufs innigste mit ihm
vereint...
.Man wird dich schwerlich gleich richtig ver‐
stehen, denn allzusehr sind die Menschen, unter
denen du wirken sollst, daran gewöhnt, jede
neue Lehre in die Formen alter Lehren einzu‐
pressen, bis sie ihnen als alte Lehre 'verständ‐
lich' erscheint.
.Zwar gibst du ihnen die älteste Geistes‐
lehre der Welt, allein, du darfst niemals ver‐
gessen, dass Elemente dieser Lehre sie zu jeder
Zeit erreichten, und dass sie aus diesen Elemen‐
ten sich allezeit Lehren schufen, die Irrtum
und Wahrheit in krausem Arabeskenspiel
vermengen.
.Ich zweifle auch nicht daran, dass viele ihrer
neuesten Lehrer uralter 'Weisheit' mit Freu‐
den der Wahrheit dienen würden, wenn sie die
Wahrheit nur zu erkennen vermöchten, und
nicht befangen wären in dem Wahn, die Wahr‐
heit sicher zu besitzen.
.Es wird deine eigene Aufgabe sein, dich von
solchen 'Lehrern' sorglichst und klar erkennbar
zu scheiden, und wie du weisst, teilen wir in
keiner Weise deinen menschlich so verständli‐
chen Glauben, dass die von jenen Lehrern Be‐
lehrten am besten vorbereitet seien, die Wahr‐
heit zu empfangen.
.Willst du unter diesen Menschen irrtumsbela‐
denen Wissens deine Schüler suchen, so wirst du
es tun auf eigene Gefahr und mit persön‐
licher Verantwortung. ‒
.Obwohl du nun mit uns in organischer
Geistesgemeinschaft vereinigt bist, müs‐
sen wir dir jede persönliche Freiheit lassen,
aber nur du allein trägst in diesen Dingen
die Verantwortung.
.Willst du unserem Rate hier nicht entspre‐
chen, so mag es immerhin geschehen, und auch
deine spätere Erkenntnis, dass wir dich recht
beraten hatten, wird dir zur Förderung die‐
nen, die mancher Enttäuschung wert erschei‐
nen darf. ‒
.Wir raten dir, ‒ wende dich mit deiner Lehre
an alle, die du erreichen kannst, so wie
der Regen über fruchtbare Gefilde und über
steiniges Felsenland herniederströmt!
.Auch in steinigter Einöde harren Pflanzen‐
keime der Entfaltung...
.Es darf dich wenig bekümmern, ob du von
den einzelnen weisst, die durch deine Lehre
zur Wahrheit finden, oder nicht. ‒ ‒
.Deine Aufgabe ist, die Weisheit des innersten
Ostens, die so lange verhüllt und verborgen
war, den Menschen des Westens in deiner Weise
aufzuzeigen.
.Du weisst, dass andere aus uns, die stets in
völliger Verborgenheit leben, die Aufgabe ha‐
ben, jene jungen Keime aufzusuchen, die
durch den befruchtenden Regen deiner Lehre
in den Ländern des Westens nun ihrer Entfal‐
tung entgegenstreben!
.Du darfst dich nicht verleiten lassen, durch
wen immer es auch sei, dir selbst eine Auf‐
gabe zu erteilen, die wir, die organische
geistige Einheit der hohen Gemeinschaft, dir
nicht übertragen haben. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du darfst dich auch nicht entmutigen lassen,
wenn du selbst keine 'Erfolge' deiner Lehre ent‐
decken kannst.
.Du sollst wieder und wieder deine dir ver‐
traute Lehre verbreiten, sollst in den gleichen
und ähnlichen Worten stets wieder die gleiche
Lehre geben, ohne darauf zu achten, wer dir zu‐
hören mag und wer deiner Lehre zu folgen ge‐
sonnen ist.
.Wir wollen, ‒ wir, als organische, geistige
Einheit, ‒ dass du, unser Bruder, den Menschen
des Westens die Möglichkeit gibst, zu erkennen,
dass auch heute noch jene 'Mysterien' leben,
von denen die Gebildeten unter ihnen aus der
Geschichte wissen.
.Wir wollen, dass eine neue Zeit tiefsten
geistigen Lebendigwerdens auf dieser Erde
beginnen möge, und wir glauben, dass die Völ‐
ker des Westens einst die reifen Früchte
mit uns teilen werden, die sie aus dem
Samen, den wir durch dich ihnen gaben, er‐
zielen können...
.Du weisst, dass du als irdische Persönlichkeit
nur der Vermittler einer Weisheit sein kannst,
die dir nie geworden wäre, hätte nicht einer
derer, die der Menschheit schon seit Urzeittagen
ihre Hilfe senden, sich mit bewusstem Willen
deinem Geiste geeint, bevor du noch auf
dieser Erde deiner Mutter zum Sohne geboren
wurdest!
.Wir verstehen, dass es dir mehr entsprochen
haben würde, deine Weisheit für dich zu be‐
halten, und still deine Erdenwege zu ziehen,
aber wir müssen dich zum Lehren ver‐
pflichten, auch wenn wir dir dadurch eine
Bürde auferlegen, die dich zuzeiten sehr be‐
drücken mag. ‒ ‒
.Lehre die westliche Welt, dass die magischen
Kräfte auf dieser Erde nicht verschwunden
sind, und dass sie nur einer neuen Menschheit
harren, um sich aufs neue zu betätigen.
.Lehre alle, die dich fragen, wie sie den magi‐
schen Pol in sich selber wieder zum Leben brin‐
gen können.
.Lehre sie, dass Bereitsein, hohen Kräften
zu begegnen, diese Kräfte wieder ins Leben
rufen kann!
.Lehre sie, dass aller Anspruch auf höheres in‐
neres Erleben sich nur auf die innere Hal‐
tung gründet, niemals auf die Heftigkeit des
Wunsches!
.Lehre sie, dass nur in völliger Ruhe der
Seele die Botschaft des Geistes zu empfangen
ist!
.Lehre sie, dass die Fähigkeiten ihrer
Seele nur zum allerkleinsten Teil sich
ihrem Bewusstsein zeigen!
.Lehre sie, auf nichts sich zu verlassen, als auf
das eigene innerste 'Ich', das alle Hilfe
automatisch herbeizieht, deren es bedarf!
.Alles Vertrauen, so sage ihnen, muss Ver‐
trauen zum Leben, zum eigenen 'Ich', muss
Selbstvertrauen sein!
.Sage ihnen:
.Das 'Ich' ist eure gegebene Quelle
aller Kraft!
.Im 'Ich' nur findet ihr euch selbst!
.Im '
Ich'
spiegelt sich alles Wirkliche!
.Das '
Ich'
ist die Quelle alles Wissens
letzter Wahrheit und Wirklichkeit!
.Das '
Ich'
ist das Forum,
auf dem ihr
allen Geistern des unendlichen Daseins
begegnen werdet!
.Im '
Ich'
ist die Kraft gegeben,
die
alle Kräfte meistern lernen kann!
.Das '
Ich'
ist ewig still. ‒ ‒
.Wer in die grosse Stille gelangt,
der
kann in ihm die höchsten Kräfte fin‐
den!
.Im '
Ich'
findet ihr den allumfassen‐
den ewigen Geist!
.Im '
Ich'
nur kann sich euch euer le‐
bendiger Gott gebären!
.Der Körper der Erde aber muss glau‐
ben lernen an das ewige '
Ich'!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Sage ihnen weiter:
.Niemand kommt zum Bewusstsein
seines ewigen '
Ich',
der nicht verges‐
sen kann,
was er vorher war! ‒ ‒ ‒
.'
Ich' ist:
nicht etwas, ‒
kein Gegen‐
stand, der ergriffen werden könnte,
kein
'
Wesen', ‒ also ein '
Nichts', aber
das
Nichts,
das Alles ist: ‒ ‒ die
Form der
Einheit alles Seienden!
.Ihr seid wahrhaftig nur in diesem '
Nichts'!
.Wird es von euch als euer '
Ich' empfunden,
dann habt ihr alles, was da
ist, gefunden
in
euch selbst!
.'
Ich'-
Bewusstsein ist das Bewusstsein
alles Seins 'Mittelpunkt'
in sich selbst zu
tragen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So lehre die Menschen der westlichen Welt,
die deiner Lehre sich anvertrauen, und du wirst
sie zu ihrem höchsten Ziele führen.
.Keiner hat das 'höchste Ziel' mit dem an‐
deren gemein.
.Verschieden wie die Sterne des Himmels in
ihrer Grösse sind die 'letzten Ziele'.
.Jeder aber kann hier auf Erden in seiner
Weise das
höchste Ziel, das
ihm allein be‐
stimmt ist, erreichen!
.Führe alle, die sich dir vertrauen, zu
ihren
höchsten Zielen, aber warne sie davor,
die
'höchsten Ziele', die nur wenige zu jeder Zeit
erreichen können, als
ihre 'höchsten Ziele' an‐
zusehen.
.Sage ihnen, dass es
genügt, zu
seinem
eigenen 'höchsten Ziele' zu gelangen, dass es
aber
Verderben bringt, das 'höchste Ziel'
eines
anderen zu erstreben, auch wenn es das
eigene 'höchste Ziel' um Himmelshöhe über‐
ragt!
.So führe die Menschen des Westens
auf ge‐
raden Wegen zu jenem
Licht, das sie heute
noch auf
Schleichwegen suchen, da sie es
nicht anders zu erreichen vermeinen!
.Ich verlasse dich nun in meiner erdenhaften
Form und andere unserer Brüder werden dir be‐
gegnen, um mit dir in irdischen Worten Zwie‐
sprache zu halten.
.Keiner aber wird dir
anderen Rat auf dei‐
nen Weg zu geben haben, und
du selbst wirst
in kurzer Zeit nach deinem
eigenen Rate in
gleicher Weise dir raten, denn wie wir
eines
im Geiste sind, so wird auch jeder, der zu uns
gehört, in kurzem
eines Sinnes mit uns allen,
in den Dingen, die er selbst
allein für sich er‐
wägt. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒»
.Unter solcher Belehrung war der junge Tag
allmählich emporgestiegen und die ersten Strah‐
len der aufgehenden Sonne vergoldeten bereits
die Zinnen der Berge.
.Tief unten lag in der Ferne schwarzblau das
südliche Meer.
.Da kamen Leute den Weg entlang gezogen,
der vorbeiführte an der Ruinenstätte des alten
Heiligtums. Sie führten ein Lasttier mit sich
und erwarteten den hohen Meister.
.Dieser aber umarmte seinen jüngeren Bruder
zum Abschied, bestieg das Lasttier und zog mit
jenen Leuten weiter, einem fernen Ziele zu. Der
Jüngere aber, nachdem er den kleinen Zug der
Wanderer noch eine kurze Wegstrecke begleitet
hatte, wandte sich schliesslich mit einem letzten
Gruss zurück und schritt in den ersten Strahlen
der Morgensonne seiner Herberge zu, die Worte
des hohen Bruders in seinem Herzen erwägend,
und bereit, danach zu tun. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So endet nun dieses «Buch der Gespräche»
damit, dass ich dich teilnehmen liess an einer
Unterredung, deren es viele gab, und die zum
Anlass wurden, dass solche Bücher von mir ge‐
schrieben werden mussten.
.Gar manches Jahr ist seit jener Nacht in den
Ruinen eines Heiligtums der alten Welt ver‐
flossen, und längst schon bedarf der dort Be‐
lehrte der Frage nicht mehr...
.Längst ist er seinen Brüdern in allem gleich
geworden. ‒ ‒ ‒
.Noch aber ist die Aufgabe, die ihm wurde,
erst am Beginn ihrer Lösung angelangt.
.Möge auch dieses «Buch der Gespräche» zu
ihrer völligen Lösung beitragen helfen!
.Möge es dir zur Klärung vieler Fragen
dienen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
ENDE
DAS BUCH
VOM
GLÜCK
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
5.Auflage
Erste Auflage Verlag der Weissen Bücher, München 1920
© 1980 by Kobersche Verlagsbuchhandlung AG,
3001 Bern
(frühere Auflagen daselbst in den Jahren 1928-1972)
ISBN 3-85767-068-1
BÔ YIN RÂ
ist der geistliche Name von
Joseph Anton Schneiderfranken
.Hast Du jemals ein Kind gesehen, das
eine Burg aus Sand erbaute, und fröhlich in
die Hände klatschte als sein Werk vollendet
war? ‒ ‒
.Hier hast Du Deinen Meister gefunden,
Du, den nach
Glück verlangt...
.Hier ist ein Mensch, der das Glück
ge‐
funden hat, und so Du nicht suchen willst,
dem Kinde gleich, das Glück zu finden,
wirst Du vergeblich Qual und Durst nach
Deinem Glück erleiden.
.Alles Glück der Erde, und von ihm nur soll
in diesem Buche die Rede sein, ist ein Glück
des
Schaffenden ‒ ‒ sei es, daß er in sich
das königliche Reich der
Liebe schaffe, sei
es, daß sich sein Werk aus dem
Geist ge‐
stalte, sei es, daß
materielle Werte seinem
Schöpferwillen in
Materie Gestaltung ge‐
ben. ‒ ‒ ‒
.Die Freude des
Schaffenden an seinem
Werke
allein ist Glück, und alles, was
Du sonst mit diesem Namen nennen magst,
wird, wenn Du ihm vertraust, Dich sicher‐
lich um
wahres Glück, soweit es diese Erde
geben kann, ‒ betrügen...
.Du Liebender, der Du Dein Glück allein
in Deiner
Liebe findest, sage mir, was Deine
Liebe Anderes ist als Freude des Schaffen‐
den?! ‒ ‒
.Gefühle sind die
Kräfte Deines Schaf‐
fens, und wenn Du
wahrhaft «glücklich»
bist in Deiner Liebe, dann hast Du Dir im
Reiche der Gefühle einen
Tempel aufer‐
baut, den
keiner, außer
Dir betreten kann,
und dessen Allerheiligstes das
Gottesbild
umschließt, dem Du als Priester Deiner
Liebe dienen willst und Opfer spendest...
.Vielleicht bist Du noch niemals Dir be‐
wußt geworden, hier ein
Schaffender zu
sein, ‒ fühlst Dich bemeistert von Gefühlen,
die Dich leiten, oftmals
gegen Deinen Wil‐
len, ‒ glaubst Dich in Banden, die Dich
fesseln, wo Du gerne Fesseln tragen willst,
und lebst dem Wahn, dies alles käme nur
von außen her, und schalte frei mit Dir nach
ewig in das Erdenleben eingewobenen Ge‐
setzen?? ‒
.Du stehst Dir selbst im Lichte, wenn Du
also denken magst! ‒ ‒ ‒
.Wohl folgst Du ewig unbesiegbarem Ge‐
setz, wenn Deine Seele sich dem Strom der
Liebe öffnet, der das All durchfließt, und
mit geheimnisvoller Kraft die Seelen und
die Leiber zueinanderzieht, doch wird die
Folgeleistung Dir nur Glück
versprechen,
und Du wirst in Deiner Liebe niemals auch
Dein
Glück erreichen, wenn sie nicht
vermag, in Dir den
Schaffenden zu wek‐
ken. ‒ ‒
.Was Dich dann wirklich «
glücklich»
macht, das ist Dein
eigen Werk, ‒ das
Schaffen aus dem Chaos der Gefühle, und
dieses Schaffens Folge: ‒ ‒ jene Harmonie
der Seele, die
sich selbst vollendet,
wenn sie sich der anderen Seele
schenkt. ‒
.Selbst jener
sinnliche Genuß, der unter
Menschen, die kein höheres Verlangen ken‐
nen als den
Trieb der Tiere, «Liebe»
heißt, zwingt niederste Gefühle
dennoch,
schaffend sich ein Trugschloß zu erbauen, in
dem sie ihrer geilen Träume Götzenbild, als
Sklaven ihres kurzen «Glückes» sich errich‐
ten.
.Du aber, Du Liebender, der Du wahr‐
haft «glücklich» werden willst, wirst eine
andere Art des
Glückes suchen müssen,
und wenn Du ein wahrhaft
Liebender
bist, dann wird Dir ein Glück der
körper‐
lichen Empfindung niemals von dem
Glück der
seelischen Vereinung trenn‐
bar sein. ‒
.Nur als ein
Schaffender kannst Du die‐
ses
Glück der Seele finden! ‒ ‒ ‒
.Du läßt Dich immer noch gar leicht be‐
trügen, und erwartest täglich das Nahen des
Glückes
von außen her. ‒
.Dem Einen ist es die Liebe eines geliebten
Menschen, dem Anderen ein Werk, das er
erstehen sehen möchte, und wieder Anderen
wird es nur als die Befreiung von des Leibes
Not und Sorge erscheinen.
.Aber wenn auch dies Alles von Dir er‐
rungen wurde, wirst Du am Ende immer
wieder Dir gestehen müssen, daß noch ein
Weiteres zu Deinem Glücke fehlt, und Du
wirst in Unrast weiter suchen, wo Du vorher
Dich am höchsten Ziele wähntest. ‒ ‒
.Du ahnst nicht, welches Glück das Leben
dieser Erde in sich birgt, und daß es allen
«ewigen» Glückes Unterpfand und Nähr‐
boden ist! ‒
.Sinnlos wird dieser Erde Dasein für Dich
und zu einer Kette täglich sich erneuernder
größerer oder kleinerer Peinigungen, wenn
Du nicht hier auf dieser Erde zu Deinem
irdischen Glücke findest! ‒
.Glaube nicht jenen trostlosen Lehren, die
Dir ein «Glück der Ewigkeit» in Aussicht
stellen, wenn Du auf
dieser Erde Glück
verzichtest!
.Auch
hier und
jetzt, zu dieser Stunde,
da Du dies lesen magst, bist Du
mitten in
der Ewigkeit, und was Du
jetzt Dir
nicht zu schaffen vermagst, wird Dir kein
Gott in aller Ewigkeit verschaffen können...
.Du wirst erkennen lernen müssen, daß
alles Glück nur
Folge einer
Fähigkeit ist,
die Du
in Dir trägst, und daß Du
niemals
glücklich werden kannst, weder jetzt, noch
in irgend einer anderen Daseinsform, wenn
Du diese Fähigkeit nicht zur Entfaltung
bringen magst, wenn Du träge wartest dar‐
auf, daß Dir einst Dein Glück begegnen
müsse, oder wenn Du gar glaubst, es müsse
als «Belohnung» Deiner Taten Dir von
außen her, als Folge «göttlicher Gerechtig‐
keit», gegeben werden! ‒ ‒ ‒
.Nur als ein Schaffender wirst Du Dein
Glück erringen und für die Dauer Dir er‐
halten!
.Nur was Du Dir selber jetzt in Dir auf‐
erbauen kannst, wird ewig Dir Befriedigung
gewähren!
.Nur wenn Du Dir Glück zu schaffen
weißt, wirst Du in jeder Lebensform zu
Deinem Glücke gelangen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wenige nur auf dieser Erde wissen wahr‐
haft, das Glück an ihre Tage zu fesseln,
und diese Wenigen werden gut tun, nicht
von ihrem Glücke zu reden, soll nicht der
Neid zu ihrem wühlenden Widersacher
werden.
.Unzählige jedoch ersehnen das Glück, ohne
es jemals zu finden, weil sie nicht wissen,
daß sie selbst nur ihres Glückes Schöpfer
werden können.
.Sie streben nach Glück, wie nach einer
verbotenen Frucht, weil sie es finden möch‐
ten als Geschenk, und dennoch dunkel
ahnen, daß es nur zu seinem gerechten Kauf‐
preis zu erwerben ist.
.Von Jugend auf wurde ihnen gesagt, daß
alles irdische Glück eine Gabe des Zufalls
sei, und daß dem Edlen zieme, nicht nach
Glück zu streben.
.Keine Lehre erreichte je ihr Ohr, die ihnen
von der
Verpflichtung sprach, das Leben
dieser Erdentage so zu nützen, daß es eine
Quelle steten Glückes werde.
.Zwar
möchten sie alle «glücklich sein»
und jeder versucht es auf eine andere Weise,
aber das Glück soll als
Zugabe kommen,
und tausend andere Dinge sind ihnen wahr‐
haft
wichtiger als ihr Glück.
.Wer aber das Glück erringen will, der darf
nur nach seinem
Glücke streben und alles,
was er
sonst noch erreichen möchte, muß
diesem Streben
untergeordnet und weise
eingeflochten sein. ‒ ‒
.Kein anderer
Wunsch darf seinen Willen
behindern, das größte Glück, das diese Erde
ihm zu geben hat, durch seine freie Tat zu
schaffen.
.Keine andere Aufgabe darf ihm höher
stehen, als die Pflicht, zum reinsten dauern‐
den Glück zu gelangen, und dieser Erde
Glück in sich, und dadurch auch für Andere,
zu mehren.
.Unselige Lehre hielt seit den ältesten Ta‐
gen das Glück der Erde nur für Wenige er‐
reichbar, während allen Anderen die Mög‐
lichkeit zu ihrem Glücke zu gelangen, immer‐
dar verschlossen sei.
.Man ahnt nicht, daß diese Erde
grenzen‐
lose Möglichkeiten des Glückes wie des Un‐
glücks birgt, und daß der
Wille des Men‐
schen ‒
nicht sein
Wünschen! ‒ ‒ in bei‐
den Fällen alles Geschehen lenkt ..........
.Man glaubt sich «willensstark» ‒ und ist
doch nur ein Sklave seiner Wünsche, die viel‐
leicht dann und wann
ein Weniges des Wil‐
lens zu bewegen wissen, an dessen Wirkung
man bescheiden sein Genüge findet, ohne je‐
mals
weiter zu verlangen, weil man längst
sich an der Grenze aller Willenswirkung
glaubt.
.Wüß
te man aber, was der Wille des Men‐
schen wirklich
vermag, dann wäre bald auf
dieser Erde eine Zahl der Glücklichen zu
finden, weit größer als sie selbst der kühnste
Träumer zu erhoffen wagt, der alle Glückes‐
möglichkeit vom Siege seiner Weltverbesse‐
rungs-Ideen abhängig glaubt. ‒ ‒
.Wir
sind, was wir sein
wollen!
.Wir sind nur so lange die «Spielbälle des
Schicksals», solange wir das Schicksal mit
uns spielen
lassen. ‒ ‒
.Wir sind nur so lange «vom Unglück ver‐
folgt», solange wir dem Unglück
voraus‐
laufen, um ihm zu entfliehen. ‒ ‒ ‒
.Wir sind nur so lange «Enterbte des
Glückes», solange wir nicht die
Verpflich‐
tung anerkennen wollen, auf dieser Erde
das jeweils höchste Glück der Erde
zu erstreben. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Es ist
Sünde, nicht nach Glück zu ver‐
langen, aber es ist eine
größere Sünde:
sein Glück hier nicht schaffenwollen!
.Sündhaft und eine Lästerung der All‐
gewalt des Geistes ist auch die erbärmliche
Bescheidenheit, mit der man nach Glück
verlangt. ‒
.Da heißt es dem Einen schon ein Glück,
wenn er ohne Sorge sich und die Seinen zu
nähren vermag.
.Dem Anderen gälte es als Glück, wenn er
in Schlössern wohnen und in Karossen fah‐
ren könnte.
.Ein anderer wieder sucht Ruhm und Ehre,
Stellung und Würde als sein «Glück».
.Nur Wenige wissen, daß weder Reichtum
noch Ehre
Glück verleihen können, daß
aber Glück
eine Macht ist, die jedem
Menschen von
allen Gütern dieser Erde
gerade
so viel verschafft, wie gerade
er
zu seinem glückerfüllten Dasein
braucht, ‒
‒ nicht mehr und nicht weniger. ‒
.Wer das Glück
in der Erlangung be‐
stimmter Erdengüter zu finden glaubt,
der sucht noch
diese Erdengüter, ‒ nicht
das Glück!
.Glück ist die Befriedigung des
Schaffenden in seiner Schöpfung.
.Diese Schöpfung aber ist
niemals be‐
endet, und ihr Schöpfer kennt nur «Ruhe‐
tage», ‒ Sabbate der Seele, die ihm neue
Kraft zu neuer Schöpfung spenden.
.Der
Glückliche ist
allezeit ein
Schaf‐
fender und wird des Schaffens niemals
müde.
.Was er schaffend formt, ist sein
Glücks‐
grund und die Bedingung seines Glückes, ‒
sein Glück aber ist die
Macht des Schaffen‐
den, die ihm alles zuführt, was ihm dauernde
Befriedigung gewährt.
.Nicht Jeder braucht
das Gleiche, aber
Jeder, der sein Glück zu schaffen unter‐
nimmt, wird
alles erlangen, was
er wirklich
zu seinem Glücke
braucht.
.«Suchet vor allem das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit, so wird Euch alles
Übrige beigegeben werden!»
.Wie übel hat man doch diese Worte des
Meisters von Nazareth mißdeutet!
.Zwar sagte er nach den Büchern, die seine
Lehre schildern, auch die Worte: «Das
Reich Gottes ist nicht da oder dort; es ist
in Euch!» und zeigte dadurch
eine Kraft
im Menschen auf, deren «Gerechtigkeit»,
deren
Gesetzbedingungen zu erfüllen
sind, wenn «
alles Übrige beigegeben
werden» soll, ‒ ‒ allein
wer hatte je den
Mut, die Worte, die hier überliefert wurden,
so zu deuten, wie der Meister sie in schlichter
Weisheit einst gegeben hatte!?!
.Aus dem «Reich Gottes», das
er meinte,
haben kleingläubige Seelen ein Reich sal‐
bungsvoller Reden und milder Vertröstun‐
gen gemacht, oder sie suchten dieses
«Reich», ganz entgegen seinen Worten,
irgendwo in einer fernen Überwelt, seiner
Lehre nicht achtend, daß «das Reich der
Himmel
nahe» sei. ‒ ‒ ‒
.Ach, daß die Verhaftung an die irdisch‐
sinnliche Anschauungsform der Dinge den
Menschen nicht erkennen läßt, daß das
«Reich Gottes» in ihm wirksam werden
kann, und daß das «Reich der Himmel»
allenthalben ihn umgibt, selbst wenn er sich
in einer «Hölle» wähnen möchte!...
.Er brauchte nur «
in sich» zu gehen, um
einen unerschöpflichen Schatz zu heben, ‒ ‒
er brauchte nur die Wellen jener Kraft, die
er in sich birgt, nach außen zu senden,
und das Angesicht der Erde würde sich er‐
neuern.
.Allen Wissenden aller Zeiten ward aber
gezeigt, daß in dieser Weltenperiode immer
nur Wenige diesen Willen zur Befreiung in
sich wirken lassen wollen, und daß erst eine
neue Weltenperiode und eine neue Erde ent‐
stehen muß, bis das «Warten aller Kreatur
auf die Erlösung durch die Kinder Gottes»,
von dem Paulus spricht, eine kosmische
Tatsache werden kann. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Der Wille ist bei den meisten Menschen
noch zu sehr durch sie selbst in die
«Hypnose» irdisch-sinnlicher Anschauungs‐
art gebannt, als daß sie die irdisch-sinn‐
lichen Dinge durch Kräfte des Geistes
zu lenken sich getrauen würden.
.Kleingläubig warten sie auf etwas, das
mechanisch von außen Hilfe bringen soll, ‒
oder sie haben alles Hoffen und Erwarten
längst begraben, ‒ und die Wenigsten nur
finden sich bereit, auch nur den Versuch
zu wagen, geistige Lenker ihres Schicksals
zu werden. ‒
.Und doch können dieser «Wenigen» auch
in dieser Weltenperiode mehrere werden,
und gar mancher fühlt in sich ein dunkles
Ahnen einer in ihm beschlossenen Macht,
ohne zu wissen, wie er ihrer mächtig wer‐
den kann.
.Die Lehre, die dieses Buch ihm kündet,
kann ihn auf rechte Wege weisen, und der
sie ihm gibt, formt nur uraltes Weisheits‐
gut, das in früheren Tagen streng geheim‐
gehalten wurde, und nur selten durch Be‐
rufene besonders erwählten Menschen über‐
geben ward.
.Es ist ein
Erfahrungswissen, das
Jahrtausende zu seiner Erprobung zur
Verfügung hatte, und keiner, der es er‐
probte, wurde je getäuscht.
.Die es nun weitergeben, fanden sich bereit,
es aller Menschheit offenbar zu machen und
die Verantwortung dafür zu tragen.
.Es ist diese Lehre vom irdischen Glück
wie ein geschlossener Ring.
.In
Dir ist die Kraft allein, Dein Glück zu
schaffen und alles Glück ist nur gegründet
in der
Macht des Schaffenden, denn die
Befriedigung, die diese Macht gewährt,
allein, ist wahres Glück. ‒ ‒ ‒
.Du bist zu der
Betätigung der Kraft,
die in Dir schläft,
verpflichtet, ‒ Du bist
verpflichtet, jeweils hier auf dieser Erde Dir
Dein höchstes Glück zu schaffen, und
wie Du Deiner Pflicht
genügen kannst,
wirst Du durch dieses Buch nun in Erfah‐
rung bringen. ‒
.Du empfindest Dich allein als «Ich» und
keinen Anderen außer Dir kannst Du in
diesem «Ich» noch unterbringen.
.Für Dich bist Du als «Ich» der Mittel‐
punkt der Welt.
.Du bist für Dich, als «Ich», das «Ich»
der ganzen Menschheit. ‒ ‒
.Diese «Menschheit» aber ist ein homo‐
genes Ganzes, gebildet aus Milliarden von
«Ichen», von denen zwar kein einziges
Dir völlig gleicht, und deren jedes doch,
der Formgestaltung nach, mit dem, was
Du in Dir als «Ich» empfindest, durchaus
identisch ist. ‒ ‒ ‒
.Schwer in menschliche Worte zu fassen ist,
was ich Dir hier sagen will, und ich muß
Dich bitten, meiner Rede letzten Sinn er‐
fühlend zu ertasten, denn ich weiß gar
wohl, daß letzte Klarheit hier in Worten
sich nicht restlos geben läßt, und daß ich
nur in
meiner Sprache reden kann, die
Du erst in die
Deine «übersetzen» lernen
mußt.
.Ich möchte Dir zum Bewußtsein bringen,
daß
Du der einzigartige Mittelpunkt
eines
Ganzen bist, das
nur aus einzigarti‐
gen «Mittelpunkten» gebildet ist, und, da
es ein
Unendliches, wenn auch nicht
Un‐
Begrenztes, ist, an
jeder Stelle seinen
«Mittelpunkt» besitzt . . . . . . . . . . . . . . . . .
.Jeder Mittelpunkt aber ist
sich selbst
hier «
Ich» und jeder
andere Mittelpunkt
ist für ihn «Du». ‒
.Willst Du Dein Mittelpunkts-
Glück Dir
schaffen, so mußt Du diese Gegebenheit
im
Auge behalten, und mußt die geheimen
Beziehungen zu finden suchen, die zwischen
«
Ich» und «
Du» obwalten.
.Diese Beziehungen sind stets fluktuierend
und in jedem Augenblick anders zu beur‐
teilen.
.Unabänderlich bestehen bleibt allein der
immerfort geregelte Ausgleich aller Wir‐
kungen und Gegenwirkungen im Mensch‐
heits-Ganzen.
.Du kannst als «
Ich» auf ein «
Du» nur
wirken, entweder
absichtslos, ohne daß
Du eine Wirkung erzielen
willst, ‒ oder
bewußten Willens.
.Willst Du aber auf ein «
Du» wirken,
so sind Deine Mittel:
Bitte,
Überredung
oder Gewalt.
.Wisse aber, daß Du für allen Erfolg Dei‐
nes Wirkens, ja für die
Absicht schon,
einen bestimmten, unabänderlichen
Preis
zu erlegen hast! ‒ ‒ ‒
.Bitte und überrede daher nicht, wenn Du
Dich nicht willens findest,
Dich von irgend‐
einem anderen «
Du» gleichfalls bitten und
überreden zu
lassen, ‒ noch weniger aber
wirke durch
Gewalt, wenn
Du selbst jede
Gewalt als
unerträglichen Zwang emp‐
findest! ‒
.Es wird dir nichts «geschenkt» werden, so
sicher Du Dich auch geborgen fühlen magst
und so gut Du auch Deine wahren Absichten
verhüllt glaubst.
.Vor dem einzelnen «
Du» kannst Du Dich
wohl verbergen, aber dem
Gesamtorga‐
nismus der Menschheit ist stets
alles
enthüllt, was in Dir vorgeht, und mit
auto‐
matischer Sicherheit wirst Du die
Kon‐
sequenzen Deiner Handlungsweise zu ge‐
setzmäßig gegebener Zeit, früher oder spä‐
ter,
zu tragen haben. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wenn Du
Dich selbst nicht gerne bit‐
ten läßt, und dennoch bittest, wenn
Du
selbst keiner Überredung zugänglich bist,
und dennoch zu überreden suchst, ‒ wenn
Du selbst Dir nicht Gewalt antun lassen
magst, und dennoch Gewalt gebrauchst, so
wirst Du in jedem dieser Fälle etwas er‐
reichen, für das du den Kaufpreis nicht ent‐
richten zu müssen glaubst, aber
Du irrst! ‒
.Die Gesetze des
Geistes lassen sich nicht
wie
irdische Gesetze ‒
umgehen, oder nur
zu Deinen Gunsten deuteln. Du fin‐
dest auch keinen Anwalt, der versuchen
würde, Dich vor den
Folgen Deiner Hand‐
lungsweise zu bewahren. ‒
.Du mußt
restlos alles bezahlen, was
Du durch Dein Verhalten,
irgend einem
anderen Menschen gegenüber,
der Mensch‐
heit schuldig geworden bist und du
wirst dem Gesetze nicht entrinnen, bis auch
«
der letzte Heller» bezahlt ist. ‒ ‒
.Je länger man Dir die Zahlung stundet,
desto mehr hast Du alle Ursache, recht be‐
sorgt zu sein, ‒ denn es werden dir Zins und
Zinseszins in Ewigkeit nicht erlassen...
.Ja noch mehr!
.Du selbst kannst für Dich zum Gläubi‐
ger werden, denn auch
Du bist für
Deine
Person
der Menschheit verantwort‐
lich und Du darfst von Dir
nichts ver‐
langen, wofür Dir
nicht ein
Äquiva‐
lent durch die Menschheit in Aussicht
steht...
.Andernfalls mußt Du
für Dich ebenfalls
den Kaufpreis Deines Handelns früher oder
später erlegen, ‒ mit Zins und Zinseszins, ‒
wie für irgend einen Andern. ‒ ‒ ‒
.Du hörst erst heute zum erstenmal von
diesem Gesetze, oder es wird Dir vielleicht
erst heute zum erstenmal seine unerbittliche
Folgerichtigkeit und Unbeirrbarkeit klar? ‒
.Es steigen Bedenken in Dir auf wegen
Deiner
früheren Taten, auch wenn Du
nun entschlossen bist, Deine Handlungs‐
weise diesem Gesetze gemäß in Zukunft
weise abzuwägen? ‒
.Willst Du Dein Glück Dir schaffen, dann
wisse, daß Du Mittel und Wege
finden
wirst, Deine Schuld an die Menschheit in
einer
Dir genehmen Weise abzutragen,
sobald Du erst wissen wirst,
was Du wirk‐
lich noch zu bezahlen
hast!
.Du mußt nicht warten, bis das Gesetz mit
rücksichtsloser Gleichgültigkeit gegen Dein
Wohl und Wehe seine Forderung
geltend
macht. ‒
.Arbeite Dir selber eine «Bilanz» aus und
erschrick nicht, wenn das «Soll» Dein
«Haben» ganz gewaltig übersteigt!
.So unerbittlich der Gesamtorganismus der
Menschheit von jedem seiner Einzelglieder
jede Forderung einziehen
muß, an deren
Bezahlung geflissentlich «vergessen» wurde,
so teilnahmslos und automatisch
muß er
auch einem
anderen Gesetze folgen, das
ihm jede Gewaltsamkeit
unmöglich macht,
jede Selbsteintreibung
verbietet, sobald
Du auch nur den
Willen zur Begleichung
Deiner Schuld einmal ernsthaft in Dir auf‐
gerichtet hast, und solange Du Dich stets
verpflichtet fühlst, ‒ auch wenn Dir die
Umstände noch nicht gleich erlauben, die
ganze Schuld zu begleichen, ohne dadurch
wieder aufs neue Dich oder Andere zu
Schaden zu bringen.
.So viel von dem Gesetz des Ausgleichs im
menschlichen Gesamtorganismus wirst Du
wissen
müssen, wie ich Dir hier sagte, ‒
willst Du Dein Glück Dir schaffen.
.Es liegt bei
Dir, wenn Du dieses Gesetz in
seinen gar mannigfachen Abzweigungen im
Leben des Alltags noch
weiter verfolgen
willst. ‒ Es wird Dir sicherlich nicht zum
Schaden gereichen.
.Willst Du zum Schöpfer Deines Glückes
werden, dann wirst Du bald entdecken, daß
vielleicht der weitaus
größte Teil des von
Dir erstrebten Glückes in die Beziehungen
Deines «
Ich» zu allem «
Du» aufs engste
verflochten ist. ‒
.Dein Glück will auch die
Liebe umfassen
in allen ihren Formen.
.Die Liebe aber ‒ und ich meine hier nicht
etwa nur «sexuelle Vereinigung» ‒ braucht
immer ein «
Du», und wenn dieses «
Du» ‒ ‒
Du selber wärest.
.Auch
hier herrscht das Gesetz des Aus‐
gleichs, und Du darfst nicht erwarten, daß
Deine Liebe
ohne Enttäuschung bleiben
könnte, wenn Du den
Austausch zu «ver‐
gessen» pflegst, oder
mehr erhalten willst,
als Du
gibst! ‒ ‒ ‒
.Du wirst für alles, was Du erhalten willst,
vollwertige Äquivalente darbieten müs‐
sen, oder der Menschheit Gesamtorganismus
wird von Dir einstens
fordern, was Du
schuldig geblieben bist, und Du darfst Dich
nicht beklagen, wenn er in einer, durch
Deine Wünsche unbeirrbaren Weise, sich zu
seinem Rechte verhilft...
.Ob es nun Dein Verhalten zu
völlig
Fremden anlangt, ob Deine Liebe und
Dein Liebesbedürfnis in den Beziehungen
zwischen
Weib und Mann in Frage kommt,
ob es sich um die
Liebe der Eltern zu
ihren Kindern oder der
Kinder zu
ihren Eltern handelt, oder um
Geschwi‐
sterliebe, ‒ ‒
nie darfst Du rechtmäßig
mehr erwarten als Du
gibst, und gibt man
Dir
mehr, so siehe zu, daß Du
baldigst
das
Deine dafür entrichtest, wenn Du nicht
willst, daß man es einmal von Dir
nehmen
wird, wenn Du es am wenigsten erwartest,
und auf eine
Art, die Dir vielleicht wenig
gefallen wird! ‒ ‒ ‒ ‒
.Die
geistigen Gesetze wirken
nicht
anders, als die sogenannten
physikali‐
schen Gesetze der äußeren Natur, und wenn
Du eines dieser Gesetze verletzt, dann
weißt Du aus Erfahrung, daß Du die Folgen
zu tragen hast, ob sie Dir gefallen oder nicht.
.Es wäre ebenso vermessen, in Bezug auf
geistige Gesetze «
Vergebung» oder
Be‐
freiung von den Folgen zu erwarten,
wie bei irgendeiner Verletzung eines
physi‐
kalischen Gesetzes. ‒ In
beiden Fällen
würdest Du verlangen, daß
Deines Feh‐
lers wegen die kosmische
Ordnung eine
Störung erleiden solle. ‒ ‒ ‒
.Da Milliarden von Menschen tagtäglich
solche Fehler begehen, so würde hier «Ver‐
gebung» nichts anderes bedeuten, als ein
Versinken aller geistigen Welten in völlige
Chaos-
Nacht...
.Rüttle Dich auf aus der dumpfen, düste‐
ren Gläubigkeit des Wilden, der mit seinem
Götzen hadert, wenn er ihm anscheinend
nicht zu Willen ist, und schaffe Dir lieber
einen Glauben an das unermeßliche Ganze,
dessen Teil, und Mittelpunkt als Teil
Du bist, damit Dir begreiflich wird, wie
klein Du von einer Gottheit zu den‐
ken wagst, die Deine törichten Wünsche
über ihre eingewobenen Ordnungen setzen
soll, wenn es Dir nicht gefallen mag, die
Folgen Deiner Handlungsweise als ein Teil
des Ganzen zu ertragen.
.Wenn Du einst höchste Erkenntnis Dir
erringen solltest, wirst Du es nicht mehr ver‐
mögen, ohne tiefste Scham der Tage zu ge‐
denken, da es Dir ganz in göttlicher Ordnung
begründet schien, daß ein «Gottessohn»
für Deine Taten leiden müsse, weil Du
selbst auf diese Art bequem Dich aller Fol‐
gen Deiner Taten zu entledigen gedach‐
test...
.Du wirst dann nicht mehr begreifen, daß
Du nicht lieber völlige Selbstvernich‐
tung wolltest, als daß Du auch nur einen
Augenblick den Gedanken ertragen konn‐
test, daß ein Schuldloser Deine Schuld
durch Folterqualen tilgen solle. ‒
.Doch wenn Du auch zu
Denen gehörst,
die sich für ihre Taten
selber haftbar
glauben, so fürchte ich doch, daß Du noch
nicht wissen könntest, wie Du in gleicher
Weise für alle Deine
Gedanken haftbar
bist. ‒ ‒ ‒
.Ich sagte dir schon, daß es für den
Ge‐
samtorganismus der Menschheit, dessen
Teil Du bist,
nichts Verborgenes gibt,
und auch Deine verborgensten Gedanken
sind ihm entschleiert.
.Hier möchte ich aber nicht den Irrtum
verschulden, als lehrte ich etwa eine «Ge‐
samtmenschheits-Seele», als ein für sich
bestehendes, bewußtes Wesen!
.Bewußt wird der Gesamtorganismus der
Menschheit stets nur in seinen «Mittel‐
punkten», ‒ den einzelnen Menschen, und
in jedem Einzelnen wird er seiner selbst
anders, sowie bald
mehr, bald in
gerin‐
gerem Grade bewußt.
.Wenn ich sage: «nichts ist dem Gesamt‐
organismus der Menschheit als solchem je‐
mals verhüllt», ‒ so will ich Dir nur be‐
greiflich machen, daß alles was Du denken
oder tun magst,
weit über Dich als
Person hinaus, mit automatischer Sicher‐
heit auf
den ganzen geistigen Organis‐
mus der Gesamtmenschheit einwirkt
und dort seine
Folgen zeitigt, für die Du
dann später oft vergeblich nach einer
Ver‐
ursachung suchst, weil es Dir nie in den
Sinn gekommen ist, daß auch Deine leise‐
sten Gedanken, die Du fast
vor Dir selbst
schon verborgen glaubtest, so weittragender
Folgen
Ursache werden könnten. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Willst Du der Schöpfer Deines
Glückes
werden, dann mußt Du wissen, daß Deine
Gedanken Dir als gehorsame Zugtiere
treue Dienste leisten, wenn Du sie zu
diesen Diensten
erzogen hast, daß sie aber
als
wilde Bestien hausen, wenn sie des
Dienens entwöhnt,
ohne Fessel von Dir
auf die Menschheit losgelassen werden. ‒ ‒ ‒
.Du kannst nicht wahrhaft glücklich sein,
wenn Du nicht
anderen, so viel
an Dir
liegt,
Glückesmöglichkeiten schaffst,
aber du
vernichtest anderer Glück, wenn
Deine Gedanken, wilden Stieren gleich, in
die seelischen Blütengärten anderer Men‐
schen brechen...
.Denkst Du in Harmonien, so wirst Du
in Anderen Harmonien zum Erklingen
bringen, doch denkst Du Verderben und
Chaos, so wirst Du auch in Anderen Ver‐
derben und Chaos bewirken. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du kannst Dich selbst nicht gesund er‐
halten ohne stete, kontinuierlich festgehal‐
tene Gedanken voll Gesundheit, Schön‐
heit und Kraft, und Du wirst gleichzeitig
auf Andere wie ein Seuchenherd wirken
durch deine Gedanken, wenn Du, in Deinen
Gebresten seelisch wühlend, nichts als Krank‐
heit und Siechtum zu denken weißt.
.Ich kenne einen, der wurde von den
Ärzten für «unheilbar» erklärt und seine
Krankheit war von einer Art, die noch
heute kein Arzt zu heilen weiß, ‒
aber durch seiner Gedanken Kräfte hat er
sich selbst geheilt und lebt seit Jahr‐
zehnten als gesunder Mensch.
.Ich kenne einen Andern, dem offenbarte
man auf seinen dringenden Wunsch, daß er
«im besten Falle noch vier bis fünf
Jahre» zu leben habe; ‒ er nahm keine der
ihm verordneten Medikamente, gebrauchte
keinerlei «Kur» und setzte es sich zum
Ziel,
durch seine Gedankenkräfte al‐
lein sich am Leben zu erhalten. Nun sind es
fast zwanzig Jahre her, seit man ihn auf‐
gegeben hatte, ‒ er lebt, ohne jede Kränk‐
lichkeit, in Frische und rüstiger Kraft, und
es erscheint ihm heute wie ein Traum, daß
er einmal die Ärzte brauchte. ‒ ‒ ‒
.Solche Menschen aber wirken wie
Strah‐
lungszentren der Gesundheit auf ihre
weiteste Umgebung, auch wenn sie nach
strengen ärztlichen Begriffen nicht einmal
als de facto «geheilt» zu betrachten
wären.
.Sie
fühlen sich geheilt, und die Zeit gab
ihnen Recht, denn die Beschwerden sind
verschwunden.
.Die
Sicherheit, die der
Erfolg ihnen
gab, schafft ihren Gedanken weiter unwider‐
stehliche
Gewalt, und so vermögen sie auf
weite Ferne als
Gesundheitsträger nun
zu wirken. ‒ ‒
.Denke stets Armut und Not, und Armut
und Not werden nicht auf sich warten las‐
sen, ‒ fürchte stets irgendein Ungemach,
und das Mißgeschick wird sich mit Sicher‐
heit an Deine Fersen heften!
.Sieh aber in der trübsten Stunde noch
immer Deine Sache
nicht als verloren
an und sie wird Dir
niemals verloren sein, ‒
Du wirst sicherlich in Bälde einen Ausweg
finden!
.Betrachte ein Mißgeschick, das Dir be‐
gegnet, nicht anders, als wie ein Gewitter
das Dich auf einem Ausflug überraschte und
Du kannst sicher sein, daß Dir
stets selte‐
ner und seltener ein Mißgeschick be‐
gegnen wird!
.Du selber bist der Magnet für
Dein Wohl und Wehe!
.Du kannst Dich «einstellen» für die
Kräfte, die Du heranziehen
willst, und sie
müssen Dir
folgen. ‒
.Du wirkst aber nicht nur als «
Ich»
für
Dich selbst, sondern
zugleich für jedes
«
Du», das mit Dir im gesamten Mensch‐
heitsorganismus geistig verbunden ist. ‒ ‒ ‒
.Die
Stärke Deiner Wirkung wird sich
viel weniger als Du glaubst nach
äußeren
Entfernungen richten, vielmehr werden
alle Stärkegrade bestimmt
durch die grö‐
ßere oder geringere Ähnlichkeit Dei‐
ner Eigenschwingungen mit denen
anderer Menschen. ‒ Aber ein Jeder aus
den Milliarden, die Du als «Du» empfin‐
dest, wird in irgendeiner Weise noch
von den Ausklängen der von Dir erzeug‐
ten Wirkungen erreicht werden. ‒
.Daher trägst Du ungeheure Verantwor‐
tung! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du bist niemals allein, magst Du Dich
auch hinter den dicksten Mauern verborgen
glauben...
.Stets handelst Du, als «Ich», in Bezie‐
hung und Verbindung mit allem
«Du», denn obwohl Du ein einzigarti‐
ges «Ich» jeweils bist, herrscht doch völ‐
lige Identität aller «Mittelpunkte» des
Menschheitsganzen...
.Es läßt sich nicht vom Glücke reden,
ohne des Glückes zu gedenken, das Mensch
und Mensch sich in der Liebe auferbauen
können.
.Allzuleicht aber vergißt man auch hier,
daß dieses Liebe-Glück, wie jedes Glück,
geschaffen werden will. ‒ ‒
.Gar Viele leben dahin in einem steten
Warten auf irgend ein kommendes «Glück»,
und unter ihnen sind wieder Viele, die nach
keinem anderen Glücke verlangen, als
nach dem Glück der Liebe zwischen
Mann und Weib.
.Manche warten vergeblich ihr Leben
lang, weil das Glück, wie sie es sich erträu‐
men, sich nicht finden lassen will auf ihrem
Lebenswege.
.Andere wieder glauben eines Tages ihr
Liebe-Glück gefunden zu haben, aber
nach kurzer Zeit tritt eine «Ent-Täuschung»
ein, und sie verzweifeln an der
Möglich‐
keit,
ein dauerndes Liebe-
Glück er‐
reichen zu können. ‒
.Törichte Reden vom «Kampf der Ge‐
schlechter» klingen in ihren Ohren wider,
um das Unheil zu vollenden...
.Aber die so «Enttäuschten» sind in Wirk‐
lichkeit noch lange nicht ‒
wahrhaft ent‐
täuscht, von Täuschung frei, ‒ sondern nur
einer
neuen Täuschung erlegen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Anfänglich glaubten sie, das Glück der
Liebe sei ein Geschenk des «Zufalls», müsse
sich
ohne ihr Zutun finden und erhalten
lassen.
.Nun sind sie von
dieser Täuschung
scheinbar frei, aber
nur in bezug auf
ihre
gegenseitige Wahl, ‒ und sie verfallen so‐
gleich der
neuen Täuschung, indem sie
glauben, alles
Un-
Glück sei nur ihres irri‐
gen
Wählens Folge. ‒ ‒
.Ach nein, ‒ Ihr, die Ihr um Euer Liebe‐
Glück Euch «betrogen» glaubt, ‒ ‒
Euer
erster Impuls, der Euch
zueinander
führte, wird (in den
allermeisten Fäl‐
len) Euch kaum betrogen haben, aber
Ihr
betrügt Euch nun
selbst, weil Ihr nicht
loskommen könnt von dem irrigen Glauben,
daß alles
Liebe-
Glück sich
ohne Euer
Zutun finden lassen müsse...
.Ihr
wißt nur noch nicht, daß Ihr Euer
Glück Euch erst
schaffen müßt, soll es
Euch zu
dauerndem Besitz,
zu unver‐
lierbarer Lebensbereicherung wer‐
den! ‒
.Euer
Wille, wirklich zum
Glück zu
gelangen, war noch nicht
rein!
.Zwar war der
Wunsch, nun alles Liebe‐
Glück zu finden,
wohl in Euch vorhanden,
aber «Wünsche» haben niemals
befehlende
Gewalt und Euern
Willen, der
allein
Euer Glück hätte schaffen
können, ‒ habt
ihr in tausend kleinste Strebungen
zer‐
splittert, statt ihn
gesammelt auf das
eine Ziel zu lenken:
Euer Glück zu
schaffen! ‒ ‒ ‒
.Wer immer sein Glück in der Liebe finden
will, und nicht nur «möchte», ‒ der darf
hier
nur sein
Glück und
nichts daneben
wollen.
.Er darf nicht von vornherein schon
ge‐
sichert wähnen, was er erst
schaffen soll, ‒
darf nicht wie ein Träumer Früchte
ge‐
nießen wollen, bevor sie
reifen konnten,
Früchte, die nur
sein Traum ihm zeigt,
und die er schmerzlich vermissen muß, wenn
er durch ein plötzliches Pochen der Wirk‐
lichkeit aus seinem Traume erwacht. ‒ ‒
.Vom ersten Tage seiner Liebe an muß er
den
Willen zum Glück in sich zur
Ent‐
faltung bringen und muß ihm
alles unter‐
ordnen, was nur seiner
Wünsche Ziel und
Sehnsucht ist. ‒ ‒ ‒
.Das
Glück der Liebe läßt sich
nur er‐
ringen, wenn man, mit einem wahren «
Ei‐
gen-
Sinn», mit dem Menschen, den man
liebt, auf die Dauer glücklich werden
will. ‒
.Man darf
nicht eine Sekunde mehr
mit dem Gedanken «spielen», daß es ‒
«
auch anders kommen»
könnte. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.«Glück in der Liebe» ist, wie
alles Glück,
ein Glück des
Schaffenden, ‒ ist die
Be‐
friedigung, die wohlgewirktes
Werk ver‐
leiht, ist «Werk» und
Macht zum Werke...
.Das Werk der
Liebe aber will stets den
geliebten Menschen
glücklich durch uns
sehen, und als unser
eigenes Glück wird die
Befriedigung empfunden, daß
wir ihn
glücklich machen
können. ‒
.Wer aber die
Macht in sich besitzt, einen
anderen Menschen
glücklich machen zu
können, der besitzt damit
in gleicher
Weise auch die Macht, ihn
tief unglück‐
lich zu machen. ‒ ‒
.Faßt nicht ein
fester Wille täglich neu
das Ziel ins Auge, die eigene Macht
nur zur
Beglückung des geliebten Menschen zu
gebrauchen, dann wird diese Macht zur
Sklavin einer Dämonenschar, der Schar der
tausend kleinen und größeren
Wünsche,
die das Leben des Tages stündlich wechselnd
erstehen läßt...
.Dann mag Deine
Liebe, wenn sie echt
ist, zwar unter stetem neuem Leid
am
Leben bleiben, doch das
Glück der Liebe,
das Du in Wochen des Rausches und des
Träumens schon
zu besitzen glaubtest,
wird gar bald Dich
fliehen, statt zu
dau‐
erndem Besitz zu werden. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Ihr werdet Euch
Beide fragen: «Wie
kommt es nur, daß wir uns
nicht ver‐
stehen können, daß wir uns immer wie‐
der die trübsten Unglückstage bereiten,
nachdem doch,
trotz all der gegenseitigen
Qual, unser Herz uns sagt, daß wir uns
dennoch wirklich
lieben!?!» ‒
.Ihr werdet aber
niemals die einzig er‐
lösende
Antwort finden, werdet in guten
Stunden
immer neue Pakte schließen,
um sie bald darauf schon wieder zu
ver‐
letzen, werdet Euch aneinander
zerreiben
und
zermürben, und, ‒ wenn es
gut geht, ‒
schließlich in
Resignation ein leidliches
Leben nebeneinander führen, ‒ ‒ überzeugt,
daß Ihr Beide nur
Opfer eines grau‐
samen Schicksals seid...
.Aber alles dies ist in den weitaus meisten
Fällen nichts als
Täuschung, ist Folge
eines
Wahns, der sich ein Glück
erträumt,
und nach seiner Träume Vorbild wünschend
erhofft, statt es zu
wollen und
festen
Willens zu
erschaffen. ‒
.Noch heute ist Euch das Glück der
Liebe
nicht verloren, wenn
noch ein
Fünklein echter Liebe tief verschüttet
in Euch glüht, sobald Ihr Euch der
Er‐
kenntnis nicht verschließen wollt, daß Ihr
nur deshalb Eurer Liebe
Glück nicht
fandet, weil Ihr es
findbar erhofftet, ohne
es selbst zu
schaffen, weil Ihr
ernten
wolltet
ohne Saat! ‒ ‒ ‒
.Noch heute könnt Ihr beginnen, das
Leben der Liebe wirklich
leben zu ler‐
nen, könnt Euch
erwecken aus dem
Traum, der Euch zu Unglück führte und
zu entsagungsschwerem Verzicht!
.Ihr werdet Euch gegenseitig wohl man‐
ches
zu verzeihen haben, was schwer ver‐
zeihbar ist, ‒ und manches böse Wort wird
sich nicht leicht aus Eurer Seele tilgen lassen,
allein ‒ wenn Euch jemals, auch nur für
Stunden, wahrhafte
Liebe einte, dann
werdet Ihr bald mit aller Klarheit sehen,
daß Ihr einem
Selbst-
Betrug erlegen
wart, und daß alles, was Ihr Euch
zu ver‐
zeihen haben werdet, nur gegenseitig einem
Phantom entgegengeschleudert war, das
Ihr verbittert aus Euch selbst gestaltet habt,
an das Ihr
glaubtet und auch
heute noch
wohl glaubt, weil das Phantom dem einst
Geliebten
Vorbild wurde, sich
tatsäch‐
lich auch
nach ihm zu formen...
.Ihr müßt Euch vor allem nun anders
sehen
wollen, wenn Eure Liebe noch
ge‐
sunden soll, wenn Ihr Eurer Liebe
Glück
in nunmehr
wahrhafter «Ent-Täu‐
schung», also: von Täuschung
frei, ‒ er‐
schaffen wollt! ‒
.Nicht leicht mag es Euch werden, im
Anfang jenen steten
Argwohn zu besiegen,
jenen «argen Wahn», der förmlich danach
sucht, ob nicht der einst Geliebte, und nun
vielleicht schon lange Zeit fast Gehaßte,
doch noch das Bild des
Phantoms in
seinem Herzen trägt...
.Aber wenn
trotz aller Anfangs-Rück‐
fälle, täglich und stündlich der eigen-sinnige
Wille erneuert wird, die Macht, die Ihr
gegenseitig über einander besitzt,
nur
auszuüben, um den Anderen wahrhaft
glücklich zu machen, dann werdet Ihr
sicher in Bälde lernen, Euer Glück zu
schaf‐
fen. ‒ ‒ ‒
.Du wirst vielleicht sagen: «Ja, aber was
nutzt es mir, wenn
ich selbst auch den
besten Willen habe, uns zum Glück zu füh‐
ren, wenn aber mein Partner
nicht des
gleichen Willens ist? ‒ ‒ »
.Solange Du noch so fragen kannst, hast
Du noch
nicht begriffen, was es heißt: ‒
sein Glück zu
schaffen!
.Du möchtest Dich immer noch von außen
abhängig sehen, und wagst es noch nicht,
Dich auf eigene Füße zu stellen.
.Du schenkst
Dir selber noch kein
Ver‐
trauen und bist noch weit davon entfernt,
Deinen
Willen wirklich
gebrauchen zu
wollen. ‒
.Sobald Du Dein
Liebe-
Glück Dir wirk‐
lich schaffen
willst, darf es Dich wenig
stören, ob der Geliebte Deinen Wünschen
«entgegenkommt» oder ihnen
entgegen
handelt. ‒
.Du mußt Deine
eigenen Wünsche völlig
zur Ruhe bringen, damit sie Deinen Willen
nicht mehr
stören können!
.Du darfst
nichts anderes wollen, als
den
Erfolg Deiner
Macht, den geliebten
Menschen
glücklich machen
zu können. ‒
.Im
Genuß des Erfolges wirst Du dann
selber glücklich werden!
.Hier gilt es Selbst-
Beherrschung zu
lernen, um
sich selbst zum
Erfolge zu
führen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Du wirst
Neigungen zu bekämpfen,
aufwallende
Affekte zu bändigen haben,
wirst stündlich
Wünsche unterdrücken
lernen müssen, ‒ aber alles dieses wird Dir
eine Quelle des Selbst-
Genusses werden,
denn Du wirst fühlen, welches
Glück Du
allein Dir schon
dadurch schaffst, daß Du
Herr wirst
über Dich selbst, wo Du bis
heute vielleicht noch nicht einmal
zu ahnen
vermagst,
wie sehr Du noch in den
Skla‐
venketten alles
dessen liegst, was ‒
nicht Du
selber bist...
.Du läßt Dich vielleicht heute noch in
Erregung bringen, wenn Du siehst, daß
der geliebte Mensch eine Sache, die Du
richtig erkennst, in durchaus
falscher
Weise betrachtet, wenn Du siehst, daß er
Vorlieben hegt, wo Du
Abscheu empfin‐
dest, daß sein «Geschmack» ihn Manches
lieben läßt, was Dir fast «unerträglich
geschmacklos» erscheint. ‒ ‒
.Was sind aber
alle diese Dinge gegen der
Liebe Glück!?!
.Wie lächerlich
nebensächlich ist doch
dies alles gegen das
Glück, das zwei
Lie‐
bende sich
geben können!
.Wer immer auch von Euch Beiden in sol‐
chen Dingen «Recht» oder «Unrecht»
haben mag,
kommt gar nicht in Be‐
tracht, wo es gilt, das
Glück einer
Liebe
aufzurichten!
.Es ist nur übelste Sucht nach Macht‐
Ersatz, wenn Du immer darauf beharrst,
daß der von Dir geliebte Mensch in
Deiner
Auffassung der Dinge auch die
seine sehen
soll, magst Du nun
wirklich «Recht», oder
nur in
eingebildetem Rechte, durchaus
«
Unrecht» haben. ‒
.Wenn Du erst Deine Macht, den geliebten
Menschen
glücklich machen zu können,
er‐
folgreich sehen wirst, dann wirst Du auch
mit Staunen sehen, wie Eure früher so
entge‐
gengesetzte Art die Dinge zu betrachten,
‒ plötzlich zu
Vereinigung kommt. ‒ ‒ ‒
.Dann wirst Du beschämt Dir gestehen
müssen, daß doch all Euer früheres Streiten
um nichtige Dinge, die Euch so «wichtig»
erschienen, ‒ nur eitel
Torheit war. ‒
.Du wirst dann erkennen, daß Ihr ver‐
geblich Eure «
Ansichten» zu einigen er‐
strebtet, solange ihr noch
selbst nicht ge‐
einigt waret. ‒ ‒
.Das
Glück der Liebe will erst
geschaf‐
fen werden, bevor es aus Euch jene «
Ein‐
heit zu Zweien» gestalten kann, die aller
Trennung, aller Scheidung spottet, und
Euch
vereint in allem Denken und Emp‐
finden. ‒ ‒ ‒
.Auch in Eurer
Liebe, ‒ mein Freund, ‒
meine Freundin, ‒ seid Ihr
verpflichtet, ‒
glücklich zu sein, ‒ ‒ und all Euer «
Un‐
Glück» ist nur ‒ Pflicht-
Verletzung!! ‒ ‒
.Alles Leben im Kosmos ist die Wirkung
polarer Gegensätze, ist Austausch zwi‐
schen polar entgegengesetzten Kräften.
.Wer da den Reichtum
vernichten
möchte, um der Armut zu
helfen, der hat
noch nicht erkannt, daß auch
Armut und
Reichtum einander
brauchen, wie
je‐
der Pol seines
Gegenpoles bedarf.
.Nur wenn die entgegengesetzten Pole
in
vollem Gegensatz verbleiben, gestaltet
sich
Leben und erblüht das Werk des Men‐
schen. ‒ ‒
.Vernichtung und Verderben ist die Folge
aller
Aufhebung polarer Gegensätze. ‒ ‒ ‒
.Wer der Armut
wirklich helfen will, der
muß
den Reichtum wollen, wenn auch
Armut und Reichtum keineswegs stets wei‐
ter und weiter jene rohen, brutalen
For‐
men zeigen müssen, in denen sie allein die
Menschheit bis heute kennt. ‒ ‒
.Armut ist selig zu preisen, aber
Armut muß nicht
Mangel sein...
.Reichtum kann unermeßlichen Se‐
gen stiften, aber er darf nicht auf jener
niederen Stufe satt und ohne Bildnerkraft
sich wälzen, von der einst ein Göttlicher zu
sagen wußte, daß «eher ein Kamel durch ein
Nadelöhr gehe», als «ein Reicher» durch
die Pforte zum «Himmelreich»...
.Tausendjähriger Irrtum glaubte die Güter
dieser Erde derart
eng begrenzt und
un‐
vermehrbar, daß unmöglich
alle Men‐
schen
ohne Mangel auf der Erde leben
könnten, und so entstand ein Begriff des
«Reichtums», der zur Verbitterung aller
Mangel Erleidenden führen mußte.
.Näher wäre man der
Wahrheit gekom‐
men, hätte man erkannt, daß es keineswegs
entschuldbar ist, wenn auch nur
Einer
derer, die auf Erden leben,
Mangel leiden
muß, daß aber der
Reichtum der Anderen
keineswegs die
Ursache jenes Mangels
ist. ‒ ‒ ‒
.Es ist eine unbedingte
Pflicht der
Menschheit, dafür zu sorgen, daß
keines
ihrer Glieder
Mangel leidet, daß
jedem
Menschen,
wer er auch sei und
wie man
ihn auch werten möge, Nahrung, Klei‐
dung und Obdach werde, und diese Pflicht
ist unabänderlich, auch wenn es sich um
einen Menschen handelt, der
in keiner
Weise Nutzen schafft. ‒
.Bewirkt er
Schaden, so mag man ihn
isolieren, allein man hat nicht das Recht,
ihn jemals
Mangel erleiden zu lassen an
dem, was er bedarf, um seines Leibes Not‐
durft zu befriedigen. Man hat auch nicht das
Recht, ihm
jene Werte zu verweigern, die
sein
Geist bedarf, um sich, wenn er danach
verlangt, aus seiner Tiefe zu erheben.
.Alles, was man heute noch «Strafe des
Verbrechers» nennt, ist ein übles Unter‐
fangen, denn es geht nicht von der Erkennt‐
nis aus, daß der gesamte Menschheits‐
Organismus
aufs engste verbunden ist,
und daß
die gesamte Menschheit die
Tat des Verbrechers
mit verschuldet
haben
muß, ‒ sobald sie
möglich wird. ‒ ‒ ‒
.Hier wird
höhere Erkenntnis einst
weit
segensreicher wirken, indem sie
das
Verbrechen unmöglich werden läßt,
während man
heute noch geradezu das
Verbrechen
als naturnotwendige Ge‐
gebenheit nimmt, und nur darauf sinnt,
den Verbrecher zu «
bestrafen». ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Aber abgesehen vom «Verbrecher» wird
es jederzeit gar manche Menschen geben,
deren Nutzen für das Erdenwohl der Mensch‐
heit nicht recht einzusehen ist und die
den‐
noch von eigentlichem
Mangel frei er‐
halten werden müssen, will sich die Mensch‐
heit nicht durch sie
in ihrer Gesamtheit
schaden.
.So viel über den Begriff des
Mangels,
den die Menschheit
zu tilgen suchen muß,
will sie nicht
selbst an ihrem
Gesamt‐
organismus Schaden leiden und dadurch
stets neue Schäden schaffen.
.Niemals aber darf sie versuchen,
Armut
und Reichtum tilgen zu wollen, wenn sie
sich nicht
selbst vertilgen will. ‒ ‒ ‒
.Armut und Reichtum sind Gegenpole, die
der Menschheit Leben bewirken, die
den Gesamtorganismus der Menschheit in
jener
Kräftespannung erhalten, in der er
allein
seine kosmische Aufgabe einst
erfüllen kann. ‒
.Wehe einer Menschheit, die den
Reich‐
tum nicht mehr
mit Ehrfurcht achten
kann! ‒ ‒
.Wehe einer Menschheit, die vor der
Ar‐
mut nicht mehr
in Ehrerbietung sich
neigt! ‒
.Aller Ehre würdig ist der
Arme, der seine
Armut mit Würde zu tragen weiß, und nicht
minder zu ehren ist jeder
Reiche, der seines
Reichtums Bürde als ein verantwortungs‐
volles
Lehen der Menschheit trägt! ‒ ‒
.Jeder
hüte sich vor der
Verachtung
des Anderen, und der Reiche wie der Arme
möge wissen,
daß Beide gleichen Wer‐
tes sind für das
Ganze!
.Irrig aber ist es, anzunehmen,
daß die
Armut, deren die Menschheit
ebenso wie
des Reichtums
bedarf, stets nahe an
Man‐
gel grenzen müsse, um des Reichtums
Ge‐
genpol zu sein. ‒
.Reichtum und Armut sind sehr relative
Begriffe.
.Je
höher der
Reichtum ansteigt, desto
höher wird die Grenze der
Armut sich
er‐
heben, und es kann gegenüber hohem
Reichtum eine Art «Armut» geben, die
selbst wieder, im Bereiche der Armen, als
«Reichtum» gelten mag.
.Du hast, als Teil und «Mittelpunkt» des
Menschheitsganzen, stets ein
Recht, nach
allem Reichtum hinzustreben, den Dir diese
Erde bieten
kann!
.Wieviel Du davon
erlangen magst, wird
durch Dein
Karma, durch Dein
Schick‐
salsbeherrschungsvermögen sich ent‐
scheiden. ‒
.Stets aber
sollst Du nach dem höchsten
relativen «Reichtum» streben, der nach
menschlichem Ermessen Dir auf edle Art
erreichbar scheint!
.Du darfst nicht glauben, daß darum der
Gegenpol der
Armen je eine Einbuße er‐
leiden könne.
.Auch wenn die
tausendfache Zahl an
Reichen auf der Erde zu finden wäre, würde
es
niemals an
Armen fehlen, ‒ und wenn
selbst
alle Menschen dieser Erde zu
Reich‐
tum kämen, würde doch solche
Verschie‐
denheit des Reichtums noch bestehen, daß
auch dann die Gegenpole erhalten blieben.
.Die Erde ist so unendlich reich an Reich‐
tumsgütern, daß dies wohl möglich wäre,
allein in unserer Zeit ist es nicht zu er‐
warten, denn noch kennen die allermeisten
Menschen die geistigen Gesetze nicht,
nach denen die Erde ihre Schätze gibt, und
würden sie auch bekannt, so wären doch nur
Wenige bereit, Gesetzen zu entsprechen,
wo sie gesetzlos Gabe heischen. ‒ ‒ ‒
.Auch hier herrscht vor allem Andern das
Gesetz des Austauschs oder des Aus‐
gleichs, und Du wirst nie etwas empfan‐
gen und behalten können, für das Du nicht
den vollen Kaufpreis gibst, das Du
nicht willens bist, in vollwertigen Äqui‐
valenten zu bezahlen. ‒ ‒
.Heute und morgen vielleicht kann Dir
zwar ein Gut auch ohne Begleichung zu
eigen werden, und Du wirst glauben, es nun
auf die Dauer zu besitzen, aber nur allzu‐
bald wirst Du es verloren haben, so sehr
Du auch darauf achten magst, Dir seinen
Besitz zu erhalten. ‒
.Es herrschen hier die unerbittlichsten
geistigen Gesetze, die ebensowenig zu
beugen sind, wie die Gesetze, denen in der
Außenwelt die Kräfte der
Materie ge‐
horchen.
.Du hast
ein Recht zu allem Reich‐
tum; willst Du aber zu irgend einer noch so
bescheidenen Stufe des Reichtums
kom‐
men, so wirst Du Dich bequemen müssen,
Äquivalente dafür zu geben! ‒ ‒ ‒
.Du wirst mir sagen, daß Du auch
solche
Reiche kennst, die ihren Reichtum
von
ihren Vätern haben, aber das widerspricht
in keiner Weise dem erörterten Gesetz.
.Auf
alle Fälle wurden
die Äquivalente
dafür entrichtet, und wenn der Erbe nicht
für steten, weiteren
Ausgleich sorgt, dann
wird er eines Tages den Besitz, den Andere
ihm schufen, sicherlich
verlieren.
.Dies kann sehr lange währen und erst die
Erben des Erben treffen, denn die geistigen
Gesetze wirken stets gemäß dem
Impuls,
der ihnen einst genügen wollte.
.Ein
schnell errafftes Vermögen wird
auch schnell
verschwunden sein, sobald
nicht
neue Impulse es zu schützen wissen,
und
schwer errungener Besitz wird sich
noch
lange halten, auch wenn die Erben
ganz gewiß nicht seiner würdig sind. ‒ ‒
.Glaube nur ja nicht, daß hier irgendeine
«Ungerechtigkeit» im Spiele sei!
.Und
Dir auch wird gewißlich nichts ent‐
zogen!
.Es steht Dir
jederzeit frei, zu erringen,
was Du erringen
kannst, und Du
kannst
erringen, was Du wahrhaft erringen
willst.
‒ ‒ ‒
.Daß
Andere vieles
besitzen, ohne es
selbst errungen zu haben, darf Dich dabei
nicht stören.
.Der Reichtum, über den die Erde
ver‐
fügt, ist so
unermeßlich groß, daß jeder‐
zeit
auch für Dich der
ungeheuerlich‐
ste Reichtum verfügbar bleibt. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Aber verwechsle nicht
Deine
Wünsche
mit Deinem
Willen!!
.Deine
Wünsche werden
nur etwas er‐
reichen, wenn es ihnen gelingen sollte, etwa
Deinen
Willen in ihrem Sinne zu überreden.
.Die Menschen des großen
Willens haben
fast unermeßliche Vermögen geschaffen, ob‐
wohl sie
beginnen mußten in tiefster
Ar‐
mut; ‒ die Menschen des großen
Wün‐
schens aber kannst Du auf allen Gassen
finden, und Du wirst selten einem begegnen,
der auch nur
das Wenigste seiner Wün‐
sche schließlich durch seinen
Willen in Er‐
scheinung treten lassen konnte...
.Willst Du aber den
Dir erreichbaren
Reichtum schaffen, dann hüte Dich vor dem
Neid! ‒ ‒ ‒ ‒
.Willst Du
selber einst ein «Reicher»
werden, sei es auch nur, daß Dich nach dem
Reichtum eines reichen
Armen verlangt,
dann mußt Du in
jedem Reichen, der Dir
begegnet, eine
Verheißung sehen, die Dir
Erreichung Deines Zieles verbürgt.
.Du mußt Dich
freuen lernen, daß es
Reiche
gibt, und mußt ihren Reichtum
gleichsam als
Vorbedingung für die Er‐
füllung Deines Willens werten. ‒
.Wenn Du «reich» werden
willst, dann
hüte Dich auch, in kleinlicher Weise zu
«
sparen»! ‒ ‒
.Du wirst gewiß genug Reiche finden, die
äußerst «sparsam» sind, aber Du würdest
vergeblich suchen, wolltest Du mir einen
wirklich «Reichen» zeigen, der seinen Reich‐
tum nur durch «Sparsamkeit» erlangte.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Willst Du «reich» werden, und glaubst
Du, daß «Reichtum» hier auf dieser Erde
zu Deinem Glücke unerläßlich ist, dann prüfe
Dich auf Herz und Nieren, damit Du die
Äquivalente findest, mit denen Du Deinen
zu erhoffenden Reichtum zu bezahlen ge‐
denkst! ‒ ‒ ‒
.Es wird Dir auf dieser Erde wie in aller
Ewigkeit niemals etwas geschenkt, und
wenn Du hier in die Lage kommst, jemals
Geschenke, und seien es auch nur Ge‐
schenke konventioneller Art, wie man sie zu
gewissen Festestagen gibt, annehmen zu
müssen, dann frage Dich sofort, wie Du
diese Geschenke an das Menschheits‐
ganze wieder bezahlen kannst, sonst
wirst Du sie bezahlen müssen, dort, wo Du
es keinesfalls willst...
.Du siehst, es ist nicht ganz leicht,
willst Du alle Bedingungen erfüllen, die
man von Dir verlangt, wenn Du zu
«Reichtum», sei es auch nur in beschei‐
denster Weise, jemals gelangen willst. ‒ ‒
.Aber glaube mir, ‒ alle, die jemals zu
Reichtum gelangten, haben ihn nicht auf
andere Weise erreicht, auch wenn sie
selbst sich nicht Rechenschaft geben
konnten!
.Immerfort findet ein Austausch der Güter
statt auf dieser Erde.
.Es ist nichts zu erlangen und auf die
Dauer zu besitzen, wenn Du verwei‐
gerst, was Du als Gegengabe zu geben
hast an anderen Werten. ‒
.Hast Du aber nichts zu geben, dann
darfst Du auch gerechterweise nichts er‐
warten!
.Du wirst nicht mehr erwerben, als was
dem Kaufpreis entspricht. ‒ ‒ ‒
.Gib Dich keiner Täuschung hin!
.Hier walten unerbittliche Gesetze, und
Du kannst nur durch den Austausch
irgendwelcher in Dir ruhenden Werte
jemals zu «Reichtum» kommen...
.Die meisten «ideal» gesinnten Menschen
werden sich entsetzen, wenn in Abhand‐
lungen über hohe
Geisteswerte plötzlich
vom
Gelde die Rede ist.
.Sie ahnen nicht, daß auch
das Geld ‒
geistigen Gesetzen gehorcht, und
eine
Ausdrucksform geistiger Beziehun‐
gen darstellt...
.Sie möchten am liebsten von Geld und
Geldesangelegenheit
nichts wissen, und
ich verstehe dies gar wohl, denn auch mir
sind alle «Geldgeschäfte» übelste Erforder‐
nisse dieses Erdenlebens.
.Aber die
Form nur schafft hier Wider‐
stände, während
die Sache selbst höch‐
ster Geistigkeit entspricht. ‒ ‒ ‒
.Kein Mensch, der die «
Kurse»
der
Börsen liest, wird auf den Gedanken kom‐
men, daß
hier Gesetze des Geistes, der alle
Materie beseelt, ihren
vollentsprechen‐
den Ausdruck finden. ‒ ‒
.Den weitaus Meisten unter allen feineren
Seelen erscheint «Geld» als eine durchaus
«schmutzige», von vielen Händen abge‐
griffene Sache, und sie fassen alles, was mit
Geld in Zusammenhang steht, nur mit den
Fingerspitzen, und selbst da noch mit
Wi‐
derwillen an. ‒
.Trotzdem ist Geld etwas
Heiliges, und ich
wage das auszusprechen, obwohl ich weiß,
daß so mancher sonderbare Heilige nun fin‐
den wird, ich sei ein arger Lästerer geworden.
‒ ‒ ‒
.Ich kann solchen edlen Träumern nicht
helfen und ich hege sogar den Verdacht, daß
unter ihnen gar manche zu finden sein möch‐
ten, denen Geld zwar nicht «etwas
Heili‐
ges», aber etwas
mit allen Mitteln zu
Erstrebendes darstellen mag...
.Geld ist nur ein Ausdruck für den
Wert,
den irgend etwas
Geistiges in der
mate‐
riellen Welt sich
zu erringen vermag.
.Geistige Werte sind auch in letzter Linie
Besitz und
Vermögen, denn
es gibt
keinen Besitz und
gibt kein Vermögen, von
denen nicht zu behaupten wäre, daß sie in
irgendeiner Weise
geistigen Werten ihren
Ursprung dankten.
.Willst aber Du, der Du dieses «Buch vom
Glück» zur Hand nimmst, wirklich in heuti‐
ger Zeit Dein
Glück gestalten, dann wirst
Du schwerlich am «Gelde»
vorübergehen
können. ‒
.Du wirst erkennen müssen, daß Geld
durchaus nicht die «schmutzige» Sache ist,
als die man es Dir zu verdächtigen pflegte,
und Du wirst mit einiger
Ehrfurcht vom
Gelde reden lernen müssen, willst Du wirk‐
lich seinen
Wert erfassen. ‒
.Ich wiederhole nochmals:
Geld ist
etwas
Heiliges, denn es drückt die
Wertung aus,
die sich
geistige Bedeutung irgendwel‐
cher Art in dieser Welt der
Materie zu ver‐
schaffen wußte.
.Den allermeisten Menschen ist Geld frei‐
lich nur zur «Bezahlung» da, und sie ahnen
nicht, daß man auf dieser Erde auch in
anderen Werten bezahlen
kann, ja mei‐
stens bezahlen
muß. ‒ ‒ ‒
.Die Eignung des Geldes
als Ausdruck
höherer geistiger Werte ist ihnen
fremd, und sie empfinden es als Profana‐
tion, wenn man vom Gelde als «Ausdruck
geistiger Werte» spricht.
.Trotzdem gibt es keinen klareren Beweis
der Wirkung geistiger Werte in dieser mate‐
riellen Welt, als den, der durch Geld oder
Geldeswert zu bezeichnen wäre.
.Alle hohen geistigen Werte, die jemals auf
dieser Erde erschienen, bewegten mannig‐
fach
Geld und Geldeswert.
.Wollen
geistige Werte sich auf dieser
Erde
Geltung verschaffen, so müssen sie
quasi mit der Materie eine
Verbindung
eingehen, müssen
selbst «materiell» wer‐
den, um
Materie zu bewegen. ‒
.Nicht anders können sie Materielles auch
nur von ihrem
Dasein in Kenntnis setzen.
.Ein noch so hoher geistiger Wert, dem es
nicht gelingt,
die allgemein gültige Aus‐
drucksform materieller Werte, ‒
das
Geld, in Bewegung zu setzen, wird der
Menschheit nicht
faßbar, nicht
nutzbar
werden. ‒
.Je größer die Summen sind, die ein gei‐
stiger Wert in Bewegung setzt, desto fester
wird er sich hier in der materiellen Welt
verankern. ‒ ‒ ‒
.Daraus kannst Du eine Lehre ziehen!
.Du darfst niemals erwarten, mit all Dei‐
nem «Idealismus» der Menschheit Gutes
geben zu können, und ihn zum Siege zu
führen, solange Du noch Geld und Geldes‐
wert
verachtest. ‒ ‒
.Gewiß sollst Du nicht «vor dem Götzen
Mammon knien» und den Geldbesitz als
Endzweck erstreben. Dein ganzes Trach‐
ten soll vielmehr als
Ziel nur die
Bewe‐
gung des Geldes sehen, soll Dir weniger den
Besitz, als die
Möglichkeit schaffen,
immer größere Summen im Dienste geistiger
Werte «
ins Rollen» zu bringen. ‒ ‒
.So wenig Geld Du auch Dein Eigen nennst,
sollst Du doch der
Kraft bewußt sein, die
in
jedem Pfennig steckt, einem Steinchen
gleich, das eine Lawine verursachen kann,
die größten Summen in Bewegung
setzen zu können. ‒ ‒ ‒
.Und Du mußt der bewegenden Kraft, die
hinter dem Gelde steht, auch
Vertrauen
schenken!
.Diese magische Kraft reagiert sehr emp‐
findlich auf jeden
Mangel an Vertrauen,
wie sie auch umgekehrt, ein
unerschütter‐
liches Vertrauen, das mit
Geduld ge‐
paart ist, niemals enttäuscht.
.Je mehr Geld Du für eine an sich gute
Sache «arbeiten» lassen kannst, desto mehr
Aussicht wirst Du haben, dieses Geld im
Laufe der Zeit mit Zins und Zinseszins zu‐
rückerstattet zu erhalten.
.Wenn Du aber nur kärglich, und erfüllt
von Mißtrauen, Deines Geldes Kräfte er‐
proben willst, dann kommst Du gar leicht
in Gefahr,
auch das Wenige zu verlie‐
ren, mit dem Du den Einsatz zögernd
wagtest. ‒ ‒
.Gewiß sollst Du nicht
über Deine
Kräfte hinaus waghalsig spekulieren, und
immer
vorher wohl bedenken, ob die Sum‐
men, die für eine Sache gefordert werden,
mit Deinem
verfügbaren Besitz in
Ein‐
klang stehen, sonst kann das geistig wert‐
vollste Gut, das durch Dein Geld in der Welt
der Materie verankert werden soll, für Dich
zum Fluch und Unglück werden. ‒
.Eine jede Sache, durch die Du der
Menschheit wirklichen Nutzen bringst,
wird früher oder später mit aller Sicher‐
heit auch neue materielle Werte schaf‐
fen, aber jede Sache verlangt auch den ihr
entsprechenden Einsatz, und wenn er Dir
nicht zur Verfügung steht, dann ist es bes‐
ser, Du läßt Deine Hände völlig aus dem
Spiele, auch wenn Dir die Förderung dieser
Sache hohen Gewinn zu versprechen scheint
und allen Menschen großen Vorteil bringen
könnte.
.Du würdest nur von vornherein unehr‐
lich handeln, wenn Du einen Gewinn er‐
warten wolltest, ohne den ihm entsprechen‐
den Einsatz riskieren zu können.
.Niemals auch darfst Du das Geld ande‐
rer Menschen für eine Dir am Herzen
liegende Sache in Bewegung setzen, wenn
Du nicht mit Sicherheit weißt, daß jene
Anderen auch den erforderlichen vollen Ein‐
satz zur Verfügung haben, der ihnen
letztlich die Schaffung neuer Werte und
damit den ihrem Einsatz entsprechenden
Gewinn verbürgt.
.Du könntest nur sonst jene Anderen um
ihre Habe bringen, und Dich allein würden
die geistigen Gesetze des Menschheitsganzen
dann für den angerichteten Schaden haftbar
machen.
.Diese Gesetze wissen einen Jeden auf
irgendeine Weise zu erreichen und sie for‐
dern dann
Begleichung bis zum letzten
Heller, ganz gleich, in
welchen Äqui‐
valenten Du allein Entschädigung leisten
kannst, und wenn auch der Andere, den
Du geschädigt hast,
persönlich nicht da‐
durch
entschädigt werden wird.
.Den Gesetzen im geistigen Menschheits‐
Gesamtorganismus ist es
niemals darum zu
tun, den
Einzelnen etwa zu «entschädi‐
gen» oder den Schadenstifter zu «bestra‐
fen». ‒ Sie haben nur
Ausgleich zu schaf‐
fen im organisch verbundenen Leben des
gesamten Ganzen, und jeder Einzelne
tritt ihnen für den Anderen ein, ‒ kann, ohne
es zu ahnen, Werkzeug werden ihrer uner‐
bittlich sicheren, automatisch geregelten
Tätigkeit...
.In höherem Sinne
gibt es keinen wirk‐
lichen Geld-
Besitz!
.Der scheinbar Besitzende ist stets nur der
zeitweilige Verwalter eines Teiles, der
jeweils in der materiellen Welt durch das
Wirken der Menschheit im Ganzen geschaf‐
fenen Werte. ‒
.Die
Höhe des scheinbaren Geld-
Besit‐
zes zeigt nur die
Eignung eines Menschen
als Werte-
Verwalter an, und wer da
Weni‐
ges getreu zu verwalten weiß und
damit
neue Werte schafft, den werden die
geistigen Gesetze im Menschheits-Gesamt‐
organismus mit aller Sicherheit einst auch
über
Vieles als «Verwalter» setzen, wenn
sein
Wille, und nicht nur sein
Wünschen,
ernsthaft danach begehrt. ‒ ‒ ‒
.Die «steten Fehlschläge», über die so
viele, anscheinend tüchtige Leute zu klagen
haben, sind immer nur der Beweis dafür,
daß sie in irgendeiner Weise gegen geistige
Gesetze gewohnheitsmäßig
verstoßen,
ohne es zu wissen. ‒ ‒
.Entweder ist der
Wille nur matt und
wird durch
Wünsche ersetzt, oder es wird
nur
ein Teil der Gesetze erfüllt,
der andere
aber unbeachtet gelassen...
.Sehr viele wissen auch nicht, daß es
durchaus nicht in ihrem Belieben
steht, bis zu welcher
Höhe sie neue mate‐
rielle Werte erzeugen wollen, sondern daß
jeder Einsatz seine
bestimmte Summe
neuer Geldes-Werte schaffen
muß, ob diese
Summe nun
über oder
unter dem
er‐
wünschten Ergebnis steht. ‒ ‒
.So arbeiten Manche jahraus, jahrein und
sorgen sich wegen ihrer «Mißerfolge», nicht
ahnend, daß sie an irgendeiner Stelle
grobe
Verstöße gegen
geistige Gesetze begehen,
deren
Bestehen ihnen niemals zum Be‐
wußtsein kam.
.Nun könnte man leicht vermuten, ich
hätte hier lediglich solche Menschen im
Auge, die da mit eigenem oder fremdem
Gelde
ihre eigenen Unternehmungen
leiten.
.Ich denke jedoch nicht minder an alle die
Tausende, die in irgendeines
Anderen Dien‐
sten stehen.
.Hier müssen oft
ganze Kategorien
durch die Verstöße
Einzelner leiden, und
darum wächst hier die Verantwortung des
Einzelnen ins Riesenhafte an, während die
Beachtung der geistigen Gesetze, von
denen ich spreche,
gleichfalls jeweils
Tau‐
senden ihren Weg
erleichtert.
.Mit dem Moment, in dem Du Dich zum
Dienste für das Unternehmen eines Anderen
verpflichtest, übernimmst Du
alle Verant‐
wortung für den
Dir anvertrauten
Teil
seines Unternehmens, und alle Verstöße
gegen geistige Gesetze, die Du Dir zu schul‐
den kommen läßt, werden für Dich die
gleichen Folgen zeitigen, als wenn Du für
eigene Rechnung
Dein eigenes Unterneh‐
men leiten würdest.
.Ich kann Dir keinen besseren Rat geben,
als an Deiner Stelle, mag sie hoch oder un‐
bedeutend sein, stets
so zu handeln, wie du
handeln würdest, wenn Du
in Deinem
eigenen Unternehmen die
gleichen Ob‐
liegenheiten zu erfüllen hättest.
.Fühlst Du Dich «schlecht besoldet», so
versuche,
im Rahmen der gegebenen
Möglichkeiten eine
bessere Entlohnung
zu erhalten, aber vergiß nicht, daß
auch
die
schlechteste Entlohnung Dich
niemals
von Deiner
Pflicht befreit, gemäß den
geistigen Gesetzen zu denken und zu han‐
deln, die im Bereiche des Geldes
befolgt
werden wollen, sollst Du nicht
Schaden
erleiden, weil Du für
eines Anderen Scha‐
den
Ursache schaffst! ‒ ‒
.Auch mußt Du wissen, daß Deine Ent‐
lohnung
durch geistige Gesetze stets in
gerechtester Weise,
genau Deinem Ein‐
satz an Arbeit entsprechend, bemes‐
sen wird, ‒ so daß alles, was Dir der Andere,
dem Du dienst, etwa
vorenthalten mag,
Dir einst, auf irgendeine Weise, auf Heller
und Pfennig erstattet werden muß, während
im
anderen Falle, ‒ wenn
Du höhere Ent‐
lohnung erreichst, als Dein Einsatz an Ar‐
beit und Interesse rechtfertigen mag, ‒ mit
absoluter Sicherheit, früher oder später,
alles von Dir
gefordert werden wird, was
Du
zuviel empfangen hast. ‒ ‒
.Dem steten Ausgleich, den diese geistigen
Gesetze schaffen, gilt
jede Wertform
gleich,
so daß Dir vielleicht in
völlig anderer
«Währung» gegeben oder entzogen werden
mag, was Dir zusteht, oder was Du unge‐
rechterweise empfangen hast. ‒ ‒
.Geld ist der Vertreter
aller materiellen
Werte und es ist für den Ausgleich, den die
geistigen Gesetze schaffen müssen, völlig
einerlei, durch
welchen dieser Werte sie
den Ausgleich bewirken, oder ob sie ihn
durch den
Vertreter aller materiellen Wer‐
te ‒ durch
Geld ‒ bewirken können. ‒ ‒ ‒
.Nun wirst Du auch verstehen, weshalb ich
Geld «eine heilige Sache» nannte, ‒ vertritt
es doch jeden Wert, den die
materielle
Erde spendet, ‒ ist es doch Ausdruck allen
Wertes, den
Geistiges hier
durch seine
Einwirkung auf die Materie schafft,
und gleichzeitig dieser Einwirkung Zwi‐
schenglied und Träger! ‒
.Wohl oder übel wirst Du auch Geld zu den
Wirkungsmitteln Deines irdischen
Glückes
rechnen müssen, und willst Du Dein Glück
Dir
schaffen, mußt Du auf die Gesetze
achten lernen, denen
Geld und
aller
materielle Wert, den Geld
vertritt, stets
nur ein Diener
geistiger Impulse ist...
.Wer entschlossen ist, sein Glück zu schaf‐
fen, für den gibt es keinen «grauen All‐
tag», keine Furcht und keine Sorge mehr!
.Er weiß eine Macht in sich, die alles
Trübe, alles Drohende bezwingt.
.Er wird sich heute nicht um das, was
«Morgen» sein mag, sorgen, und doch wird
jeder seiner Tage ihm den kommenden
Tag in bester Weise vorbereiten. ‒
.Er wird zu lernen wissen, in der Gegen‐
wart zu leben, und als ein Schaffender
das Gegenwärtige zu formen.
.Er wird der Bildner seines eigenen Le‐
bens sein, und wird die Kunst, das Leben
lebenswert zu machen, durch Beispiel,
Alle, die ihm nahekommen, lehren.
.Zwar wird er nicht Allzuviele als seine
Schüler sehen, allein ein Jeder, dem er
durch sein Beispiel Lehre gibt, wird als
«Geheilter» durch diese Lehre auch wieder
Andere «heilen» und so die kranken Zellen
im Menschheits-Gesamtorganismus vermin‐
dern helfen.
.Wahrlich, es ist
nötig, daß die «kranken
Zellen» im geistigen Menschheitsleibe
ge‐
sunden, und
jeder Einzelne ist hier
verpflichtet, zu ihrer Heilung das Seinige
beizutragen.
.Jeder trägt eine
Schuld von Äonen in
sich, die es
abzutragen gilt, denn was auch
immer an diesem Gesamtleib der Mensch‐
heit
krank und
bresthaft ist, das hat
jeder Einzelne im «Ur-Sprung»
mit
verschuldet, als sich die
Menschheit
aus ihrer
Gottheit löste...
.Der ganze unendliche Kosmos könnte ein
Garten unnennbarer
Seligkeit sein, wäre
jener
Ur-
Sprung niemals erfolgt, den erst
Äonen wieder schließen können.
.Aber auch heute, auf unserem
Wege
durch diese Äonen, kann die Erde viel mehr
Glück erstehen sehen, als die Menschheit
ahnt und glauben
will, wenn auch in dieser
Weltenperiode gewiß kein «himmlisches»
Leben auf Erden erreichbar ist.
.Es kommt nicht auf neue
Gemein‐
schaftsformen im äußeren Leben der
Völker und Länder an, soll die Fülle irdi‐
schen Glückes, die erstehen
kann, zu Le‐
bens-
Wirklichkeit erstehen.
.Alle äußere Gemeinschaftsform ist nur ein
Notbehelf, zu dem uns ein dumpfes Ahnen
unserer
Einheit im
geistigen Mensch‐
heitsorganismus rät, damit wir nicht
völlig uns des Bewußtseins unserer
Ein‐
heit im Geiste entwöhnen.
.Es ist nur ein «
Gliederbewußtsein»,
das noch durch «Staatenbildung», «Na‐
tion» und «Volkstum» erhalten bleibt, aber
für den, dem es nicht gelingt, sich als Teil
und Mittelpunkt des
ganzen geistigen
Menschheitsleibes zu empfinden, mag auch
das Bewußtsein vorerst noch genügen, Teil
eines
Gliedes dieses
geistigen Leibes zu
sein, um so
nicht gänzlich aus
aller Ein‐
heit und
allem Lebensfluidum des
Mensch‐
heits-
Ganzen sich zu
lösen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Töricht aber, und einer
Selbstbesude‐
lung gleich, ist jeder
Haß und jede
Ver‐
achtung eines dieser Menschheitsglieder
gegen ein anderes!
.Es ist ‒
Verwesungsgeruch, der um den
Haß solcher Einzelglieder der Menschheit
sich verbreitet...
.Immer beweist er
Fäulnis und
Zer‐
setzung ihrer
einzelnen Zellen!
.Oft auch ist es der giftige Dunst eines
Pestgeschwürs, der Gestank von
Eiter‐
beulen, die an dem erkrankten Gliede zeh‐
ren und ihm sein Lebensmark zu rauben
drohen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.«
Wer den Fremdling und den Mann
des anderen Stammes nicht zu ehren
weiß,
der ist unwert,
der Sohn eines
edlen Volkes zu heißen» ‒ sagt tiefste
östliche
Weisheit, die im Besitze
höchster
Erkenntnis bestrebt war, das Volk zur
Achtung vor sich selbst zu erziehen...
.Wirkliche Achtung vor Dir selbst kannst
Du nur erlangen, wenn Du Deine
Verant‐
wortung kennst, und Du kannst Deine
Verantwortung nicht kennen, solange Du
nicht weißt, daß Du als ein Teil des
geistigen Menschheitsganzen
nicht nur Dir
selbst, sondern auch
diesem Ganzen
verantwortlich bist. ‒ ‒ ‒
.Bist Du ein Schöpfer Deines
Glückes, so
vermehrst Du die Menge des Glückes auf
dieser Erde und dienst damit
mehr dem
Menschheitsganzen, als wenn Du die
weltbeglückendsten Theorien in der äußeren
Welt zu verwirklichen strebst. ‒
.Mêng tse sagte: «Das rechte
Handeln
richtet sich auf das
Naheliegende, aber
alle suchen es im
Fernliegenden; das
rechte
Tun besteht in dem
leicht zu Voll‐
bringenden, aber alle suchen es im
schwer
Erfüllbaren.» ‒ ‒ ‒
.So suchst auch Du vielleicht noch, im
Wahne: «Großes» tun zu müssen, nach dem
«
schwer Erfüllbaren», ‒ suchst hohe
Ziele
außer Dir, während
Dein höchstes
Ziel Dir so
nahe liegt, da es nur
in Dir
selbst zu finden ist. ‒ ‒ ‒ ‒
.Erziehe Dich selbst und Du wirst
durch Dein Beispiel ein Erzieher der
Menschheit sein,
ohne Dir Rechte an‐
gemaßt zu haben, die man Dir nicht über‐
tragen hat! ‒
.Schaffe Dir selbst Dein
Glück, und Du
wirst glückliche Menschen um Dich schaf‐
fen, wirst dem «
Glück der Menschheit»
eine Gasse bahnen! ‒
.Um Dir Dein
Glück zu schaffen, mußt
Du jedoch,
trotz allem
Übel, trotz allem
Schlechten, das Dir begegnen mag, mit
unerschütterlicher Energie Dir den
Glau‐
ben an
die siegende Kraft alles Guten
erkämpfen.
.Du darfst niemals
den Mut verlieren,
wie trübe sich auch die Wetterwolken über
Deinem Haupte zusammenballen mögen! ‒ ‒
.Bist
Du krank, dann
er-
glaube Dir Deine
Gesundheit, und wenn Dein Körper noch
zu retten ist, dann werden die Ärzte, denen
Du Dich vertraust, Dir
dankbar für Deine
Hilfe zur Genesung sein! Ist aber Deinem
Körper nicht mehr aufzuhelfen, dann hast Du
durch Deinen
Glauben Dir einen Fond an
Energien geschaffen, der Deinem
geisti‐
gen Körper dienen wird, sobald Du diesen
Körper der sichtbaren Erde, der Dich quälte,
von Dir abgespalten haben wirst.
.Bist Du in
materieller Not, so «
er‐
glaube» Dir materielle Hilfe, und höre
nicht auf, Deinen Glauben mit allen Mitteln
lebendig und wirksam zu erhalten, bis
Hilfe eingetroffen ist, ‒ während Du gleich‐
zeitig in aller Ruhe die Wege weiter be‐
schreitest, von denen Du nach äußerem Er‐
messen, auch ohne Deine Glaubensmagie,
Dir Hilfe erwarten würdest.
.Vielleicht wird die magische Kraft des
Glaubens sich mit diesen Wegen verbinden,
vielleicht auch kommt Dir Hilfe von einer
Seite her, von der Du sie sicher nicht erwar‐
tet hättest.
.Aber niemals darf Dich Dein Vertrauen
in die Kraft des Glaubens dazu verleiten, die
Hände müßig in den Schoß zu legen, so
wenig wie Du, im Falle der Krankheit, die
Dir nach äußerem Ermessen gebotene Hilfe
ausschlagen darfst. ‒
.Die Kraft Deines Glaubens würde den
Lebensnerv verlieren, wenn Du nicht auch
zu gleicher Zeit alle anderen Energien
nach der gleichen Richtung hin anspannen
würdest, ‒ und wenn dann auch schließlich
die Hilfe aus einer Richtung kommt, nach
der Du niemals Ausschau gehalten hast,
wenn es auch den Anschein gewinnen sollte,
als wäre Dein
äußeres Mühen «völlig über‐
flüssig» gewesen, so lasse Dich dennoch da‐
durch nicht verleiten, in einem späteren
Falle die
äußeren Mittel, die Dir zu Ge‐
bote stehen, zu verschmähen.
.Du würdest es bitter bereuen müssen,
denn die Kraft Deines Glaubens kann die
Anspannung
aller Deiner Energien niemals
entbehren, wenn sie für Dich wirksam wer‐
den soll. ‒ ‒
.Ohne die Anspannung aller Deiner übri‐
gen Kräfte ist die Kraft Deines Glaubens
biegsames Blei, ‒ erst dadurch, daß Du
trotz allem Vertrauen in die Kraft Deines
Glaubens
jede nur auffindbare Ener‐
gie in Dir, um
Dir selbst zu helfen,
auch
nach außen hin tätig werden läßt,
wird die Kraft Deines Glaubens zu
federn‐
dem Stahl, zu einer «Toledoklinge», die
auch am härtesten Widerstand nicht zer‐
bricht und schließlich den Knoten durch‐
schlägt und durch-
schneidet, der sich
anders nicht mehr lösen läßt...
.In
jeder Sorge, in
jeder Art Not, gilt
dieses
gleiche Verfahren, wenn Du
die
magischen Kräfte des Glaubens in
Deinem Alltagsleben erproben willst. ‒
.Die meisten Menschen verstehen nicht
wirksam zu glauben, weil sie in irgend‐
einer Lage einmal vergeblich versuchten, die
magische Kraft des Glaubens in ihre Dienste
zu zwingen, und es unterlassen hatten, zu
gleicher Zeit alle Energie zu gebrauchen,
um sich von außen her selbst eine Hilfe
heranzuholen...
.So fallen sie nun in den entgegengesetzten
Fehler und suchen alle Hilfe nur in äuße‐
ren Dingen, mühen und quälen sich mit nur
geringem Erfolg, weil sie die größte Kraft,
über die sie gebieten könnten, nicht in der
richtigen Weise einst zu gebrauchen wuß‐
ten und darum kein Vertrauen mehr in
die helfende Kraft des Glaubens setzen
können. ‒
.Mangel an Einsicht in die Wirkungs‐
bedingungen geistiger Kräfte hindert die
meisten Menschen an dem gesetzmäßig siche‐
ren Aufbau ihres irdischen Glückes.
.So kommen sie in die Lage, sich für aus‐
geschlossen von jeder Glückes-Möglich‐
keit zu halten, und in dieser Geistesver‐
fassung flieht sie
tatsächlich jedes Glück.
‒ ‒
.Willst Du Dein
Glück begründen auf
dieser Erde, dann mußt Du mit
unerschüt‐
terlichem «
Optimismus» auf Dein
Glück und auf Dein gutes
Recht zum Glück
vertrauen!
.Du mußt wissen, daß Du nur Deine
Pflicht erfüllst, wenn Du mit allen gerech‐
ten Mitteln Dein
Erdenglück, das wahr‐
lich mehr als ein
Herden-«Glück» sein
kann, erstrebst. ‒
.Aus allem, was Dir begegnet, mußt Du
ein, wenn auch noch so winziges, Fünkchen
Glück herauszuschlagen suchen und stets
mußt Du bestrebt sein, alles zu Deinem
Glück zu deuten!
.Vom Morgen bis zum Abend darf kein
Geschehnis, und sei es auch noch so unbe‐
deutend, an Dir vorüberziehen, aus dem Du
nicht irgendein noch so kleines
Glück Dir
herauszuholen weißt.
.Jeder
Blick Deiner Augen, alles was Du
hören magst, muß Dir irgendein Weniges
als Glücks-Tribut hinterlassen und Du mußt
Dich so daran gewöhnen, wie Dich das Glück
tatsächlich auf all Deinen Wegen verfolgt,
daß es Dir «
selbstverständlich» wird,
wenn Dir ein
großes Glück dereinst be‐
gegnet. ‒ ‒ ‒
.Ohne die stete
Gewöhnung, auf allen
Wegen dem Glück auf allerlei Weise und
auch im allerkleinsten Ausmaß begegnen zu
wollen, wirst Du nicht
die richtige
Atmosphäre schaffen, die Du brauchst, um
Dir Dein volles Erdenglück zu gestalten. ‒
.Du mußt für Dich und Andere ein
Ma‐
gnet des
Glückes werden, wenn du bald
und ohne Fehlschlag zum Schöpfer Deines
Glückes werden willst. ‒
.Du mußt sozusagen vorher schon lernen,
passiv glücklich zu sein, bevor Du als
aktiver Schaffender an die
Gestaltung
Deines von Dir
gewollten Glückes gehst.
.So bewirkst Du in Dir eine Geistesver‐
fassung, die Dich die geheimen
geistigen
Gesetze erfühlen läßt, denen das Glück
gehorcht.
.So wirst Du Dir selbst mit Sicherheit
Dein Glück verschaffen und wirst es zu
erhalten wissen, aber
gleichzeitig wirst
Du auch die Möglichkeit erhöhen, daß
An‐
dere, gleich Dir, auf dieser Erde wirklich
alles Glück sich erobern, das diese Erde
ihnen zu geben hat, und das sie nur nicht
finden, weil sie noch nicht wissen, daß
sie
selber allein die
Schöpfer ihres Glückes
werden können...
.Kein
Unglück in dieser Welt des reich‐
lichen Unglücks ist so groß, daß es
dau‐
ernd dem
Glück den Weg versperren
könnte!
.Mit jedem Fünklein
Glück aber, das Du
in Deinem Bewußtsein als Glück
emp‐
findest, bringst Du eine der abertausend
kleinen Unglücks-Quellen auf dieser Erde
zum Versiegen, ‒ und wenn Du erst wirklich
Dein Glück Dir geschaffen haben wirst,
dann hast Du für immer die Menschheit von
einem der großen
Moraste des Unglücks
befreit, die durch die Unbedachtsamkeit und
Unbelehrtheit von Jahrtausenden entstan‐
den sind, und nur durch die Sonnen
selbst‐
geschaffenen Glückes Einzelner aus‐
getrocknet werden können.
.Je mehr solcher einzelner
wahrhaft
Glücklicher diese Erde trägt, desto mehr
wird die Kraft des Chaos von ihrer Ober‐
fläche verschwinden, die heute noch so viel
Unglück schafft. ‒ ‒ ‒
.Es ist
Sisyphus-
Arbeit, das Unglück
auf dieser Erde
anders tilgen zu wollen,
denn Glück und Unglück sind nur Ergebnis
restloser Auswirkung geistiger Gesetze, aber
niemals werden die okkulten Kräfte, die alles,
was wir «Unglück» nennen, automatisch in
diesem Weltall wirken,
zu paralysieren
sein, wenn nicht
die Kräfte des Glücks
durch stetes
bewußtes Empfinden, wie
der galvanische Strom in einer Spirale von
Kupferdraht, derart verstärkt zur Wirkung
gelangen können, daß sie die Kräfte des
Unglücks
aus ihrer Richtung zu rei‐
ßen vermögen, so daß sie genau so auto‐
matisch dann
dem schöpferischen Auf‐
bau in der Welt des Menschen dienen müs‐
sen. ‒ ‒ ‒
.Um alle «Unglückskräfte»
im weiten
Weltenraum aus ihrer verderblichen Rich‐
tungsbahn zu lenken, reicht unsere
Erden‐
Willenskraft nicht aus, und ihren Ein‐
fluß würde der Mensch der Erde immer noch
verspüren, auch wenn es gelänge, aller Un‐
glückskräfte in diesem Erden-Planeten
Herr
zu werden. ‒ ‒ ‒
.Aber
auf dieser Erde, auf dem Plane‐
ten, der ihn
trägt, kann
jeder einzelne
Mensch, durch seinen
Willen zum Glück,
wahre «Wunder» bewirken, und je mehr der
Menschen sich in dieser Hinsicht üben, desto
größer wird die Zahl der
Glücklichen, der
Glückes-
Träger hier auf dieser Erde wer‐
den. ‒
.Da aber alles mit Allem
verbunden und
durch geheimnisvolle Kräfte
in Verknüp‐
fung ist, so wirkt das vermehrte Glück auf
dieser Erde auch «hinaus»
auf den gan‐
zen Weltenraum, und
keine Vorstellung
ist zu phantastisch, um nicht noch immer
hinter der Wirklichkeit zurückzu‐
bleiben, ‒ will sie sich ein Bild jener
Wir‐
kungen gestalten, die durch ein rapid ver‐
mehrtes
Glücksempfinden auf dieser
Erde, bis in die entferntesten Räume der
Sphären ausgelöst werden können...
.Die Wenigen, die diese Gesetze schon seit
grauer Urzeit kannten und danach lebten,
waren lange genug verhindert, ihr Wissen
anders als nur an ihre erprobten Schüler auf
Erden weiterzugeben. Sie fanden in Jahr‐
tausenden die mannigfachste Gelegenheit,
diesen geistigen Gesetzen, auf denen das
vorliegende Buch beruht, bis in ihre letzten
Verzweigungen nachzuspüren und, was die
Wirksamkeit betrifft, sie an sich selbst
und im eigenen Leben zu erproben.
.Du kannst Dich mit gutem Grunde dieser
Führung anvertrauen und wenn Du ein
Weiteres über ihre Art zu wissen begehrst,
so werden Dir meine Bücher: «Vom leben‐
digen Gott», «Vom Jenseits» und «Vom
Menschen», sowie «Das Buch der könig‐
lichen Kunst» und «Das Buch der Ge‐
spräche», in genügender Weise allen Auf‐
schluß geben.
.Ich beende hier nun das «Buch vom
Glück» mit dem innigen Wunsch, daß es
Dir die Wege zeigen möge, auf denen Du
zu einem Schöpfer Deines Glückes
wirst. ‒
.Es ließe sich ja noch so Vieles sagen über
die Arten des Glückes, das Du auf dieser
Erde Dir schaffen kannst, allein Du wirst
wohl nicht vermuten wollen, daß ich etwa
irgendein menschliches Glück geflissentlich
übersehen habe, weil in diesem Buche nicht
davon die Rede ist...
.Wenn Du recht zu lesen weißt, dann wirst
Du für jede Art des Glückes auf dieser Erde
wohl anwendbare Lehre finden. ‒
.Ich wollte Dir hier nur in der gedrängte‐
sten Form alles Wesentliche sagen, was
Du bei allen Arten menschlichen Glückes
zu beachten hast und ich habe nur einzelne
Elemente menschlichen Glücks auf dieser
Erde herausgegriffen, bei denen besonders
klar zu zeigen war, was diese Lehre vom
Glücke sagen will. Es war mir nicht möglich,
jede Wiederholung stets zu vermeiden. Ich
hätte das nur auf Kosten der Deutlichkeit
wagen dürfen.
.Dagegen war ich bemüht, so wenig Seiten
wie nur möglich zu gebrauchen, und dennoch
alle die Punkte zu berühren, die mir für
Deine klare Einsicht in die Materie wertvoll
erschienen.
.Ich möchte nicht, daß man meine Bücher
liest wie Novellen, die man aus der Hand
legt, wenn man auf der letzten Seite ange‐
langt ist, um sie vielleicht nie mehr im Leben
in die Hand zu nehmen.
.Ich weiß bereits von Vielen, denen meine
Bücher
ständige Lebensbegleiter wur‐
den, und ich hoffe, daß sie es noch Vielen
werden mögen.
.Wenn ich aber auch jedes meiner Bücher
in der Absicht schrieb, meinem Leser einen
ständigen Berater an die Hand zu geben,
so wünschte ich doch ganz besonders, daß
dieses «Buch vom Glück» keinem seiner
Leser jemals außer Seh- und Reichweite
käme, denn während ich in anderen Büchern
von Dingen handle, die oft gar weit vom
Leben des Alltags sich entfernen, glaube ich
hier doch so Manches gesagt zu haben, zu
dem ein jeder Tag den Anlaß bringen kann,
aufs neue das Buch zur Hand zu nehmen,
um sich mit seiner Lehre völlig vertraut zu
machen.
.Es wird Dir gewiß in keinem Falle zum
Schaden gereichen, und kann Dich vielleicht,
‒ wie sehr Du auch heute noch der allzeit
pessimistischen Denkungsart ergeben
sein magst, ‒ im Laufe der Zeit,
trotz allem
äußeren Ungemach, das Dich umgibt ‒ ‒
zum
glücklichen Optimisten machen...
.Du darfst Dich nicht von jenen Leuten
irreführen lassen, die Dir aus ihrer «Lebens‐
erfahrung» heraus beweisen wollen, daß das
Glück den Erdenweg so mancher Menschen
fliehe, trotzdem sie stetig ihm entgegen‐
strebten.
.Wer solche Lebenserfahrung macht, der
frage sich vielmehr, durch welchen Irrtum
er dem Glück, das ihn erreichen wollte,
selbst den Weg verbaute!...
.Er frage sich, ob nicht seine eigene «Be‐
triebsamkeit» das Glück von seiner Seite
scheuchte? ‒
.Wohl will alles Erdenglück von Dir
ge‐
schaffen werden, aber die stille Tätigkeit
des
Schaffenden ist gar weit entfernt von
jener unruhvollen Besorgtheit, die immer
ängstlich darauf bedacht ist, nur ja «nichts
zu versäumen», und darüber das Beste,
die
Ruhe der Seele, versäumt, ohne die das
Glück auf dieser Erde niemals zu erlangen
ist. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Erzeuge in Dir einen heiteren Glauben an
Deine
Berechtigung zum Glück und laß
Dich durch kein Mißlingen jemals aus dem
sicheren Gehege Deines wohlbegründeten
Glaubens vertreiben!
.Sei überzeugt, daß allezeit Kräfte und
Mächte am Werke sind, Dir zu helfen, sobald
Du nur
selbst Dein Glück Dir erringen
willst und nicht nur in kraftlosem
Wün‐
schen nach Glück verlangst! ‒ ‒ ‒
.Gehe gelassen Deinen Dir gegebenen Er‐
denweg und bewahre stets
Deine innere
Ruhe, wie sehr auch von außen her die
«Schicksals-Schläge» regnen mögen.
.Läßt Du Dich aus Deiner
Ruhe zerren,
dann bist Du freilich verloren, aber niemals
werden Dich die Kräfte, die auf dieser Erde
Unglück schaffen, wirklich besiegen kön‐
nen, wenn Du in steter sicherer Ruhe, trotz
ihres Wütens, auf Dein Glück und auf die
helfenden Mächte, die Dir zur Seite ste‐
hen, vertraust. ‒ ‒ ‒
.Du wirst mit einiger Ausdauer sicher
Dein Glück Dir zu schaffen vermögen, auch
wenn Du zu dieser Stunde noch umgeben
sein magst von «Unglück» aller nur er‐
denklichen Art. ‒
.Glaube nicht, was Dir andere Lehre von
der geringen Glückesmöglichkeit auf dieser
Erde vorerzählen mag!
.Glaube vielmehr an Dein Recht und
Deine Pflicht, zum Glücke zu gelangen,
und suche in heiterer Sicherheit, vertrau‐
end und festen Willens Dein Glück zu
schaffen, auf daß auch Du einst zu den
Glücklichen dieses Erdballs zählen magst.
ENDE
HORTUS
CONCLUSUS
BERN
2. Auflage 1979
Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage 1936
© 1936 and 1979 by Kober´sche Verlagsbuchhandlung AG
Bern
ISBN 3-85767-026-6
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
BESTIMMT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
Dem nur auf seine gehirnlich bedingte Be‐
obachtung und seine gedanklichen Schlüsse
angewiesenen Menschen dieser Erde bleibt
fast alles, was an ihm „ewig” ist ‒ also
keiner wie immer vorgestellten Beendigung
oder Auflösung anheimfallen kann ‒ wahr‐
haftig ein „Hortus conclusus”: ‒ ein Um‐
schlossener Garten! Das Vorhandensein
eines solchen, den physischen Sinnen
wie allem Denken unzugänglichen Berei‐
ches wird zwar zuweilen geahnt, zuweilen
gefühlt, und innerhalb großer Menschen‐
gruppen geglaubt, aber der Ahnende, Er‐
fühlende, oder Glaubende bleibt außer‐
halb der Mauer, die den ihm verschlossenen
Garten des Bewußtseins eigener Ewig‐
keit: ‒ das „verlorene Paradies” ‒ von
den Gebieten erdenhafter Erkenntnismög‐
lichkeiten abgrenzt. Von Einzelnen, die sich
mit allem, was sie ahnen, erfühlen und
glauben, noch nicht zufriedengestellt
sehen, wird die trennende unübersteigbare
Mauer unermüdlich umwandert und
abgetastet, um vielleicht doch eine verbor‐
gene Lücke zu finden, die man erweitern
und durch die man sich dann hindurch‐
zwängen könnte. Die glücklichsten unter
diesen Suchern gelangen zu ihrer eigenen
Überraschung wirklich an die einzige und
nur schwer findbare enge Pforte, die den
Zugang zu dem „Umschlossenen Garten”
bilden könnte, wenn man sie nur zu öffnen
wüßte. Statt aber geduldig und vertrauend
zu warten, ob nicht etwa von innen her
eines Tages geöffnet werde, suchen fast
alle, die das Glück hatten, diese Pforte zu
entdecken, bei schlauen Schlossern die
wunderlichsten Nachschlüssel aufzutreiben
und vertun ihre irdische Lebenszeit mit
immer neuen und immer wieder erfolg‐
losen Versuchen, das nur vom Innern des
„Umschlossenen Gartens” her zu öffnende
Schloß von außen aufzubrechen. Vergeb‐
liche Mühe und verhängnisvolle Selbst‐
täuschung!
.Nur einer, der selbst des Ewigen bewußt,
in dem aller irdischen Zudringlichkeit un‐
erbittlich verschlossenen Garten aus eige‐
ner Geistnatur heimisch ist, vermag die
geheimnisvolle Pforte von innen her zu
öffnen, die jedoch, auch wenn sie so geöff‐
net wurde, keinen einläßt, der nicht alle
Belastung mit den Ergebnissen gedank‐
licher Spekulation, und alle Verkleidung
in die er sich bisher gehüllt hatte, von sich
wirft, um nackt und bloß, wie er aus seiner
Mutter Leibe hervorging, einzutreten.
.Meine ganze Lebensarbeit ist ein von
innen her erfolgendes, immer wieder er‐
neutes Öffnen der Pforte, von der aus ich
dann auf mannigfachen Wegen, alle, die
nichts anderes mit sich nehmen wollen, als
was an ihnen ewigem Leben zugehört, zu
den von mir auferbauten Lehrtempeln und
von mir gesetzten, mit Worten ewig gül‐
tiger Lehre beschrifteten Bildsäulen führe.
Jede Belehrung, die von mir meinen Mit‐
menschen gegeben wurde, ist umschlossen
von der Mauer dieses „Hortus conclusus”,
so daß ich mit Fug und Recht mein gesam‐
tes Lehrwerk unter diesem, mich selbst
mit ihm zusammenfassenden Namen hinter‐
lassen kann, der mir aus guten Gründen
angemessen erscheint, um das hier vorlie‐
gende Abschlußwerk symbolisch zu be‐
zeichnen. Auch dieses Buch macht Ant‐
worten, die im Laufe der Jahrzehnte Ein‐
zelnen privatim durch mich zuteil wurden,
nun Vielen zugänglich, und soll ebenso
wie das Buch der „Briefe an Einen und
Viele” den meinen Lehren Zugeführten
und Vertrauenden die Augen dafür öffnen,
daß die Bücher- und Schriftenreihe, in der
zu finden ist, was ich aus dem Ewigen her
zu geben habe, als ein
Ganzes betrachtet
werden muß, das
im Ewigen gründet
und nur zugänglich werden kann, wenn
die
Bedingungen erfüllt werden, die das
Ewige
fordert. Ich habe oft genug von die‐
sen Bedingungen gesprochen und sie in
den hier vorangehenden Zeilen aufs neue
charakterisiert.
Die Stätten im Innern des aller Neugier
immerdar verschlossenen Gartens, zu denen
ich die Berufenen nunmehr noch durch die‐
ses vorliegende Buch zu führen trachte, ge‐
ben mancherlei orientierende Ausblicke aus
seinen heiligen Hainen, von denen her die
Baugliederung der von mir errichteten Lehr‐
tempel in klarster Perspektive erkennbar
wird. Auch manche, bisher in ihrem unbe‐
absichtigten Versteck noch nicht entdeckte
Schrifttafel und beschriftete Säule wird dem
aufmerkenden Auge nicht mehr entgehen.
Ich weiß wahrhaftig, wie befremdlich die
in meinen Schriften dargebotene Lehre
den allermeisten meiner Mitmenschen er‐
scheinen muß, und ich verstehe nur zu
gut, daß der im Ewigen erfahrungsfremde
Mensch dieser Tage fürs erste noch außer‐
stande ist, in sein ihm anerzogenes Be‐
griffsbildungsvermögen im richtigen Sinne
aufzunehmen, was ich ihm leider auch über
mich selber zu sagen genötigt bin, will ich
ihn nicht vor Lücken stehenlassen, die er
aus eigener Erkenntnis nicht ausfüllen
kann. Nicht minder weiß ich Bescheid um
die vielerlei Formen der psychologisch mas‐
kierten Verdächtigungen, die verantwor‐
tungslose Voreiligkeit für alles, was ihr un‐
erklärlich erscheint, bereithält, als be‐
quemste Verbergung ihrer eigenen Urteils‐
ohnmacht. Angesichts der Unzahl gedank‐
lich spekulativer Erörterungen über das
Ewige, ist es mir auch durchaus begreif‐
lich, wenn man keinem seiner Mitmen‐
schen das Vermögen zutrauen mag, daß er
selbst imstande sei, vor jeder Selbsttäu‐
schung gesichert, sich im unanzweifelbar
Ewigen wach zu erleben.
.Alles richtige Verstehen erschwerend
wirken außerdem viele primitive religiöse
Vorstellungen, die nicht nur in hochaus‐
gereifte Religionen übernommen wurden,
sondern sich merkwürdigerweise von theo‐
logischen Begriffsbezirken her mit unkraut‐
artiger Zähigkeit auch in Gehirnen festzu‐
halten wissen, deren Eigner sich als hoch
über jedem Dogmatismus erhaben dünken.
Nicht geringer sind die gedanklichen Hin‐
dernisse, die, wie fäulnisgenährte gigan‐
tische Schlingpflanzen in tropischen Ur‐
wäldern, im Bereiche der philosophischen
Systeme alles Erkennen des wirklichen
Ewigen unmöglich machen.
.Es ist unter diesen hier nur summarisch
angedeuteten Umständen eine recht pein‐
volle Aufgabe, als Mensch unter Menschen
davon zu künden, daß man ‒ neben eini‐
gen wenigen, in strengster Verborgenheit
verharrenden Mitmenschen außereuropäi‐
scher Kulturkreise ‒ selbst Exponent des
Ewigen im Bereiche der Erdenmenschheit
ist, und dazu noch aus dem Ewigen her
unabweisbar bestimmt, als einziger Über‐
setzer in erdenmenschliche Sprache zu
übertragen, was nur in wortelosem Er‐
leben erkundbar wird. ‒ Man muß in sich
wahrhaftig jede Form versteckten oder offe‐
nen erdenmenschlichen Geltungstriebes
verlachen gelernt haben, soll man in sei‐
nem irdischen zeitbegrenzten Dasein nicht
an der Erfüllungsmöglichkeit der Aufgabe
verzweifeln! Nur unbegrenzte Liebe zu
allem ewig Liebenswerten, das man in je‐
dem seiner Mitmenschen gegeben sieht,
auch wenn es den meisten kaum bewußt
wird, erzeugt die Kraft, sich selber immer
wieder aus dem Ewigen her zu eröffnen,
trotzdem man weiß, daß man dennoch den
allermeisten seiner Mitmenschen ein „Hor‐
tus conclusus” bleibt.
Die Milde ewigen geistigen Lichtes wird
von überreizten Nerven nicht wahrgenom‐
men. Nur in der vorher erlangten unstör‐
baren heiteren Ruhe der Seele kann sich
das goldweiße Licht der Gottheit irdischem
Erfühlen offenbaren.
.Ich darf wahrhaftig über die Art des
Lebens und Erlebens im ewigen Geiste
mit innerster geistiger Vollmacht sprechen,
und so, wie es nur dem Selbsterfahrenden
möglich ist. Gerade darum aber muß ich
bekennen, daß auch im
höchsten geistigen
Leben, das mir jedoch als faßbares Erlebnis
bewußt ist, die gleiche nüchtern klare
Einfachheit und Selbstverständlichkeit
herrscht, die jeder kennt, dem auch nur
ein einzigesmal in seinem Erdenleben
Ewiges, gleichviel in welchem Grade, zu
Bewußtsein kam.
.Was sich die meisten Menschen unter
dem Leben des ewigen Geistes und dem
menschlichen Erleben dieses geistigen
Lebens
vorstellen, ist derart
irdisch gefärbt
und derart kompliziert
erdacht, daß es die
sicherste ‒
Ausschaltung wirklichen Er‐
lebens im ewigen Geiste bewirkt. Wer aber
einmal vor der unsagbaren
Selbstverständ‐
lichkeit und nüchtern klaren
Einfachheit
geistigen Lebens und Erlebens im Tiefsten
erschüttert stand, der weiß zu begreifen,
weshalb ich vor allen phantastischen Vor‐
stellungen warne, die im voraus festlegen
möchten, wie Geistiges dem Irdischen sich
darbieten „müsse”.
Ich habe wahrhaftig allem Darstellbaren
ewiger substantieller Geistgestaltung ein
Wahrbild in Worten erwirkt, und nur
jene
Gebiete der Struktur geistigen Lebens mit
Schweigen umhegt, die sich jedem Ver‐
gleich, und somit jeder Erfassung in irdi‐
scher Sprache entziehen. Aber auch dieser
Gebiete erhabenstes Geheimnis ist durch
ihre unbeschreibliche, irdisch unvorstell‐
bare Einfachheit geschützt: ‒ durch das
über jede Frage hinaus „Selbstverständ‐
liche” des in ihnen zu erlebenden Ge‐
schehens. Es gibt da nichts Beunruhi‐
gendes, Aufregendes, Verblüffendes, Er‐
schreckendes oder gar „Unheimliches” zu
erleben, sondern vielmehr Welten abso‐
luter geistiger Klarheit, die jegliches Ver‐
schwommene, Fragwürdige und Ungewisse
ausschließen. So ist es in allen Bereichen
vollbewußten inneren, geistsubstantiellen
„ewigen” Lebens und mithin auch in der
ewigen Seele eines Irdischen, in der sich
ein Leuchtender des Urlichtes darlebt
innerhalb der Abmessungen seiner ihm
zubestimmten irdischen Zeit.
.Es ist jedoch der Leuchtende des Ur‐
lichtes nur darum der ewigen Seele des
ihm Dargebotenen im irdischen Leben ver‐
eint, weil allein durch solche Vereinung
auch allen anderen ewigen Seelen, die sich
zeitlich in Erdenmenschen erleben und
formen, die „Kraft aus der Höhe”: ‒ die
geistgeborene ewige Lichtesenergie ‒ zu‐
geleitet werden kann, deren sie zur Er‐
reichung ihres Erwachens im ewigen Be‐
wußtsein bedürfen. Was ich als Leuchten‐
der des Urlichtes in Worten lehre, mag
vielen zum ersten Anlaß werden, um durch
ihr eigenes Nachfühlen und Mitempfinden
sich allmählich für das Erwachen ihrer
ewigen Seele vorzubereiten, aber vom
ewigen substantiellen Geistigen her ge‐
sehen, ist mein bloßes geistiges „Dasein”
innerhalb des Erdenlebens weitaus be‐
deutsamer als all mein bewußtes „Tun”,
wobei noch zu sagen ist, daß die in
Worte geformte, sichtbarlich aufnehm‐
bar gewordene Lehre wahrlich nur den
geringsten Teil dessen darstellt, was mir
vom ewigen Geiste her zu bewirken ob‐
liegt.
.Was aber mein bewußtes Tun ‒ wie im
Seelischen, so bei der sprachlichen Dar‐
legung lehrenden Bekundens ‒ am aller‐
ärgsten erschwert, ist die Diskrepanz zwi‐
schen der sich selbst immer weiter kom‐
plizierenden Kompliziertheit gehirnlich
bedingten Vorstellungserzeugens und der
irdisch unfaßbaren Einfachheit ewigen sub‐
stantiellen geistigen Lebens. Hier ist vor
allem in der sprachlichen Sphäre eine
Kluft zu überbrücken, über die sich nur
mit den Materialien aus der irdisch gehirn‐
lichen Vorstellungs- und Gedankenwelt
kompliziertester Trennungen die Brücke
spannen läßt. Da alle Worte einer mensch‐
lichen Sprache ‒ gleichviel welcher ‒
ungeeignet sind um als Ausdruck oder
Darstellung des Ureinfachsten dienen zu
können, muß man die kompliziertesten
Vorstellungen und Begriffsbilder heran‐
holen, will man irdischem Empfindungs‐
vermögen auf dem Umweg über die Sprache
Empfindungen nahebringen, die ihm un‐
erlebbar bleiben würden, hätte es keine
Möglichkeit, sie auf seine gedanklich kom‐
plizierte Weise auszulösen. Soll solcher
Brückenbau aber wirklich verbinden, was
ewig getrennt zu sein scheint, dann darf
nicht die Torheit begangen werden, das
Material aus dem Reiche gehirnlich er‐
wachsener Kompliziertheit, das ja nur ein
Überschreiten der Kluft ermöglichen soll,
durch philosophische Säuren und Scheide‐
wässer auflösen zu wollen, denn es hält
nur so lange, solange es nicht der denke‐
rischen Auflösung unterliegt. Eine Brücke
ist da, damit man über sie hinüberschreite,
aber nicht um sie unter den Füßen aus‐
einanderzunehmen!
Ich weiß wahrlich „ein Lied davon zu sin‐
gen”, was es für einen Menschen der in der
freien Ur-Einfachheit des Ewigen heimisch,
und dessen psychophysischer Empfindungs‐
organismus aus dem ihm normalerweise ir‐
disch entsprechenden Bindungszustande
gelöst ist, seelisch bedeutet, allen den tau‐
senderlei geradezu „höllischen” Schwin‐
gungen ausgesetzt sein zu müssen, die den
Lebensraum der gegenwärtigen, an ihrer
fortzeugenden Kompliziertheit fast erstik‐
kenden abendländischen Zivilisation durch‐
beben. Aber die Unmöglichkeit, ewiges
substantielles geistiges Leben in seiner un‐
geahnten Einfachheit innerhalb des Lebens‐
raumes dieser Zivilisation anders zur Ein‐
wirkung zu bringen als durch das irdische
„Mitleben” eines aus dem Urlichte Leuch‐
tenden, legt mir ‒ als dem in dieser Zeit
dazu Geborenen ‒ kategorisch die Pflicht
des Mit-Lebens auf, der ich nie und nim‐
mer genügen könnte, wenn ich mich ‒ nur
vereint mit meinen, mir im ewigen Geiste
ewig gleichgeborenen geistigen Brüdern ‒
von den Bereichen äußeren Lebens, denen
meine europäischen und in der übrigen
Welt nach europäischer Weise lebenden
Mitmenschen einverwoben sind, fernhalten
oder gar dauernd sondern wollte.
.Wohl aber muß ich mir auch innerhalb
der Bereiche dieser komplizierten ‒ übri‐
gens keineswegs an sich und in Bausch und
Bogen „verwerflichen” ‒ abendländischen
Zivilisation dennoch eine relative Abge‐
schiedenheit schaffen, wenn es mir möglich
werden soll, alledem geistig zu entsprechen,
was mir in meinem Mitleben, zum Wohle
der Mitlebenden obliegt, denn das mir Ob‐
liegende verlangt Tag um Tag seine reich‐
lich bemessenen Stunden bedingungslos
dargebotener Einsamkeit.
Es gibt im geistigen Leben keine Stufe,
auf der man es sich etwa versagen müßte,
wieder ganz die Haltung anzunehmen, in
der man sich fand, als man den Fuß vor‐
einst zu heben suchte um die allererste,
unterste Stufe zu betreten. Man darf allem
was einem begegnet und die Seele be‐
wegt, immer wieder unbefangen so gegen‐
übertreten, als hätte man noch keinerlei
Lehre erhalten, und als hätte man noch
nicht das Geringste im Geistigen der Ewig‐
keit erlebt.
.Es kann sogar sehr förderlich werden,
auch ohne besonderen Grund, von Zeit zu
Zeit solcherlei Standortwechsel vorzuneh‐
men. Wie die Maler gewohnt sind, nach
einer jeden durchgeführten neuen Vervoll‐
kommnung des Werkes, von der Leinwand
an der sie arbeiten, zurückzutreten, um
durch die Zusammenschau aller Bildpar‐
tien ein Urteil über das noch Nötige zu ge‐
winnen, so sollte auch der Mensch, der sich
zur Aufnahme ewigen geistigen Lichtes vor‐
bereitet, dann und wann Distanz zu sich
selbst gewinnen, damit ihm bewußt werde,
was zu der erstrebten Aufnahmefähigkeit
noch fehlt. Außerdem befestigt sich durch
solches freiwilliges Zurücktreten vor sich
selbst und dem bereits Errungenen, das
bereits Erlangte in ungeahnter Weise.
.Man würde sich aber sehr täuschen, wenn
man annehmen wollte, ich erteilte hier Rat‐
schläge, deren Befolgung einer leicht ei‐
nem anderen nahelegen könne, nachdem
er selbst dergleichen entrückt sei... Ich
kann mir vielmehr keinen Tag vorstellen,
an dem mein Bewußtsein nicht, aus mei‐
nem höchsten innersten ewigen Standort
herausgehend, alle Zwischenlagen wieder‐
erkunden würde bis zum untersten Tier‐
bewußten des vergänglichen Erdenkör‐
pers, den ich hier im Irdischen verbrauche.
Aus solcher Tiefe wieder in mein Ewiges
gelangt, bin ich imstande, erfühlend zu
ermessen, was jeweils aus dem ewigen Gei‐
stigen her getan werden muß. Wollte ich
mich immer nur auf meiner höchsten Höhe
erhalten, dann wäre ich nicht, der ich von
Ewigkeit her im ewigen „Augenblick” bin,
aus dem ich in diese Zeit nur dadurch ge‐
langen konnte, daß ich das Wagnis wagte,
aufzusuchen, was nur der „weiß”, der in
sich auch die tiefste Tiefe bewußt erlebt.
So bin „ich”: der im Urlicht Leuchtende,
‒ auch „ich”: ein im ewigen Geiste wie‐
der Bewußtgewordener aus denen, die
durch ihre Schuld in das Zeitliche fielen,
und zuletzt noch ‒ dem irdisch bewirkten
Anscheine nach ‒ „ich”: der vergängliche
Erdenmensch im Menschentier. ‒ Die Stu‐
fenleiter von meinem eigenen Höchsten
herab in mein Tiefstes, ist freilich wesent‐
lich stufenreicher als diese knappe Skiz‐
zierung vermuten läßt. Es kann nur über
das Einzelne nicht gesprochen werden, da
kein Verstehen zu erzielen wäre. Nur, wer
als Leuchtender des Urlichtes dazu befähigt,
selbst diese Stufenleiter hinab und wieder
hinauf zu steigen vermag, ‒ was dem Ir‐
dischen aus sich versagt ist ‒ weiß um die
differenzierte Art ihrer Stufen. Jedem an‐
deren Bewußtsein wäre auch ein Wissen
darum zu nichts nütze.
.Ich spreche von allen diesen Dingen, um
den törichten Gedanken, ‒ es könne etwa
„unter der Würde” sein, sich noch Emp‐
findungen zuzugestehen, die an die Besorg‐
nisse allererster Anfänge erinnern, ‒
gleich mit der Wurzel auszurotten, so daß
er niemals mehr erwachsen kann. Wenn es
mir Notwendigkeit ist, tagtäglich den
höchsten Standort meines ewigen geistigen
Bewußtseins zu verlassen, um den seeli‐
schen Zustand der in den tiefsten Erden‐
höllentiefen Lebenden mitempfindend zu
erleben, ‒ dann darf auch jeder Suchende
ohne Sorge sein, wenn er dann und wann
sich wieder wie auf seiner ersten Stufe
gewahrt.
.Der Segen aus dem ewigen Lichte würde
ihn auch dann ‒ und um gar vieles Inne‐
werden bereichert ‒ wieder zu seiner der‐
zeit höchsten Höhe des Bewußtseins hinauf‐
geleiten, wenn er sich zuweilen abgrund‐
tief unter den erfühlten Einsichten seiner
allerersten Wegstufe gewahren müßte. Die‐
ser Stufenweg kennt ja keine „Rangstufen”
von denen einer hinabgestürzt werden
könnte, sondern nur Stufen der Einsicht
und Erleuchtung, und es bleibt ganz dem
Suchenden allein überlassen, ob und wann
er sich gelegentlich zu einer früheren Ein‐
sichtstufe zurückbegeben will, um auf ihr
in der Erinnerung wie sodann beim Wie‐
deraufstieg, das ihm bereits insgesamt
Zuteilgewordene erneut zu durchleben.
Dieser ganze Stufenweg ist ein Weg des
„Innewerdens”. Darum ist jede Stufe, die
erklommen wird, nicht nur für alle Zeit,
sondern auch in der Ewigkeit bleibender
Besitz, der selbst dann erhalten bleiben
würde, wenn er durch irdische Schuld
äonenlang für das Bewußtsein unzugänglich
werden müßte. Zu solchem unsäglich be‐
klagenswerten Schicksal neigen aber glück‐
licherweise nur wenige.
Es ist gewiß niemals ganz leicht, von
einem Bewußtseinsinhalt der irdisch nicht
geschildert werden kann, ‒ weil alle die
Klischeeworte, wie „absolute Harmonie”,
„reinste Klarheit”, „höchste Seligkeit”,
auch nicht entfernt vor ihm bestehen kön‐
nen, ‒ freiwillig zu scheiden um durch
immer unerleuchtetere Regionen hinab‐
zusteigen, bis man die Dumpfheit des
bloßen Tiermenschentums wieder gewahr
zu werden vermag, ‒ aber in alledem liegt
zugleich ein solcher Erlebensreichtum für
den noch der Erde Verbundenen, der na‐
turgemäß auch noch mit irdischen Meß‐
bändern zu messen versteht, daß ich es als
„Gnade” empfinde, diesen täglichen Weg
immer neu erprüfen zu müssen.
.Gewiß muß auf diesem täglichen Weg ins
Dunkel und wieder zurück ins Licht, auch
alles Leid seelisch mit erduldet werden, das
alle die in verschiedenem Grade verdunkel‐
ten Regionen aufzuweisen haben. Das wäre
unerträglich, wenn ich nicht dazu seelisch
erzogen und geschult worden wäre, ‒
wenn ich nicht in jedem Leid zugleich die
„Lüge” am Werk sähe und um des Leides
sichere dereinstige „Umwertung” wüßte.
Ich muß aber zugeben, daß mir dieses, mit‐
unter alles bereits nur zu genau bekannte
noch um Unermeßliches übersteigernde
Leid zuweilen wahrhaftig nur mit Aufbie‐
tung aller seelischen Kräfte in all seinem
Furchtbaren bewußt miterleidbar wird,
und daß seine Schwingungen oft noch tage‐
lang peinigend in irdischem Bewußtsein
nachklingen, obwohl sie im ewigen Geisti‐
gen „augenblicklich” aufgelöst wurden.
Was will aber all mein freiwilliges Mitemp‐
finden, ‒ als eigenes seelisches Leid, ‒
besagen, gegenüber der Überfülle von Leid,
die in allen Bewußtseinsregionen ohne
Unterlaß unfreiwillig de facto erduldet
wird! ‒ Es wäre schon teuflische Gleich‐
gültigkeit dem Empfindenmüssen anderer
individueller Seele gegenüber, wenn einer,
der
weiß, daß Miterleben hier
nötig ist,
insoferne Linderung geschaffen werden
soll, sich vor diesem Miterleben scheuen
wollte, und es ist wahrhaftig kein „Ver‐
dienst”, hier seiner selbst nicht zu schonen.
Kein einziger Bewußtseinsbereich öffnet
sich „von außen her”! Man muß selbst
vorübergehend in ihm nach seiner eigenen
Art bewußt sein wollen, wenn man inner‐
halb seiner Herrschaft Hilfe leisten kön‐
nen soll.
.Nach allem, was ich schon anderenortes
an Erläuterung gegeben habe, brauche ich
wohl kaum noch zu sagen, daß dieses frei‐
willig gewollte tägliche Miterleben der ver‐
schiedensten, nicht zur normalen eigenen
Bewußtseinslage gehörenden Bewußtseins‐
bereiche nicht etwa eine „Ortsverände‐
rung” bedeutet, und daß alles Miterleben
des in jedem Bewußtseinsbereich zu fin‐
denden Leides ein generelles Aufnehmen
der in diesem Bereich aktuellen Leid‐
„Schwingungen” darstellt, wobei mitemp‐
funden wird, was alle in dieser Region
durch Leid Gepeinigten primär empfinden,
aber ohne jede Aufrollung persönlicher
Schicksale innerhalb derer das Leid emp‐
funden wird. Die Hilfe besteht in der Aus‐
lösung der jeweils verlangten geistigen
Kräfte, die dann ohne jegliches Zutun
innerhalb des betreffenden Bewußtseins‐
bereiches ihr Wirken dort einsetzen, wo
es vonnöten ist: ‒ je nach dem Einzelfall
als Kraftspendung zur weiteren Ertragung
des Leides, als Leid-Linderung, Leid-Be‐
freiung, oder in irgendeiner anderen nö‐
tigen Form.
.Allerdings ist solches Miterleben und
wirksame Helfen nur möglich durch uner‐
hörten Verbrauch an irdischen Lebens‐
energien. Oft ist es nötig, in wenigen Stun‐
den mehr Lebensenergien zu verbrauchen,
als Menschen, die im intensivsten tätigen
äußeren physischen oder gehirnbedingten
Leben stehen, in vielen Monaten zu ver‐
brauchen vermögen. Im ewigen geistigen
Wirken Dahingegebenes ist dabei natür‐
lich dem Irdischen unwiederbringlich ent‐
zogen. Äußere intensivste Tätigkeit emp‐
findet man geistigsubstantiellem Wirken
gegenüber zwar im Irdischen wie Erho‐
lung, aber man kann nicht Beides zugleich
tun, und was im rein geistigen Wirken
verbraucht wird, fehlt immer unersetzbar
im Erdendasein. Aus dem Ewigen strö‐
mende Kräfte hingegen, die sich ins Irdi‐
sche transformieren lassen, schaffen hier
nicht etwa irdischer Energie Zuwachs, son‐
dern ‒ nur die Möglichkeit eines sonst
unmöglichen Mehrverbrauches irdisch ge‐
gebener Energien im Ewigen. ‒ Es ist
keineswegs etwa so, daß Ewiges des Irdi‐
schen nicht bedürfte! Nur was der im Ur‐
lichte Leuchtende während seines Erden‐
lebens für sein Wirken im Ewigen freizu‐
halten weiß, kann er dort einsetzen, wo
er geistig helfen, und wo er vermeidbares
Leid verhüten will, gleichviel, welche Be‐
schwerde ihm selbst sein irdisches Dasein
aufbürden mag, das seiner ganzen Natur
nach ja nur ein Leben für Andere ist, ohne
Wahl und Frage.
Die stets wiederholten Erkundungen ei‐
ner ansehnlichen Reihe verschiedener Be‐
wußtseinslagen, wie sie zu meinen freiwillig
übernommenen täglichen geistigen Oblie‐
genheiten gehört, umfassen natürlich auch
die Bewußtseinsbereiche der von dieser
Erde Abgeschiedenen. Auch da aber gibt
es hinsichtlich der Unmöglichkeit, be‐
stimmte Einzelschicksale auszuforschen,
keine Ausnahme.
.Hingegen liegt die Zeit noch nicht lange
zurück, die mich episodisch auf andere,
nur schwer erträgliche Art in der Möglich‐
keit sah, unter gewissen seltenen aber
durchaus nicht von mir allein abhängigen
Verhältnissen, kurzen Kontakt auch mit
individuell bestimmten, von der Erde ab‐
geschiedenen Seelen innerhalb ihres Be‐
wußtseinsbereiches zu erlangen. Es war das
die nicht gerade erwünschte und auch ge‐
wiß von keiner Seite her erstrebte psy‐
chophysische Nachwirkung gewisser Not‐
wendigkeiten meiner früheren jahrelangen
geistkörperlichen Schulungen, und ich
habe sehr darunter gelitten, ‒ auch kör‐
perlich! ‒ da die ganze Situation einen
unerhörten Kräfteaufwand verlangte, um
ihr gewachsen zu bleiben. Gewiß konnte
ich auch in einzelnen Fällen Menschen die
ihnen Liebes verloren hatten, authenti‐
schen Trost bringen, aber die Vermittler‐
schaft zwischen auf der Erde im Sichtbaren
Lebenden und denen, die diese Sichtbar‐
keit verlassen haben, ist weder im physisch‐
kosmischen, noch vom ewigen geistigen
All her vorgesehen, und am allerwenigsten
könnte sie gerade meine Aufgabe sein. Ich
war daher recht froh, eines Tages keiner
Gegenwehr mehr zu bedürfen, und dann
immer deutlicher diesen unerwünschten
Zustand einer nicht gewollten Sensitivität
im Abklingen zu gewahren. Aber noch
mehr war ich erfreut, als es mir gelungen
war, ihn definitiv zu beenden, und ich
trauere ihm gewiß nicht nach.
.Über die Beziehungsmöglichkeiten eines
Leuchtenden des Urlichtes zu erdentrück‐
ten Menschenseelen herrschen selbst unter
sonst recht einsichtigen und belehrbaren
Menschen leider phantastische Vorstellun‐
gen. „Richtig” vermutet wird dabei nur,
daß wir imstande sind, innerhalb der Be‐
wußtseinsbereiche irdisch „Gestorbener”
zu empfinden. Was das aber in Wahrheit
bedeutet, macht man sich keineswegs klar,
‒ denn es bedeutet nichts anderes, als im‐
stande zu sein, sich selbst innerhalb der Be‐
wußtseinsbereiche Gestorbener als realiter
auf Erden „verstorben” zu empfinden. ‒
.Statt dessen aber nehmen sonst recht
urteilsfähige Menschen überlegungslos an,
es müsse einem doch ein Leichtes sein,
unter ungezählten Millionen Seelen, die
zu innerst in beglückender Konzentration
auf ihr geistig gegebenes Licht versunken
sind und allen „Anruf” als bitterste Stö‐
rung empfinden würden, eine bestimmt
bezeichnete Seele geradezu „herbeizu‐
rufen” um von ihr gleichsam eine Art
jenseitiges „Interview” zu erhalten.
.Daß Menschen, die schwer ertragbaren
irdischen Verlust durch das Abscheiden der
ihrem Herzen unlösbar Verbundenen aus
dieser physischen Sinnenwelt erlitten ha‐
ben, zu jeder Naivität fähig werden können,
zeigen in erschütternder und erschrecken‐
der Weise die enormen Zahlen der Anhän‐
ger des Mediumismus, mögen sie sich
noch wie früher „Spiritisten” nennen oder
den etwas anrüchig gewordenen Namen mit
einem neuen, ebenso irreführenden ver‐
tauscht haben. Man sollte doch wahrhaftig
unter den Lesern meiner Lehrschriften als
unter Leuten, die sich mir als meine Schü‐
ler zurechnen, solcher Ahnungslosigkeit
jenseitigen Dingen gegenüber nicht mehr
begegnen müssen, aber auch in diesen doch
wahrlich genügend unterrichteten Kreisen
stößt man noch auf Einzelne, für die das
„Buch vom Jenseits” ebenso nicht zu exi‐
stieren brauchte, wie alles Andere, was ich
an so vielen sonstigen Stellen über das
gleiche Thema mitgeteilt habe.
.Die einzigen Abgeschiedenen, denen
man auf die Art „begegnen” könnte, wie
die oben charakterisierte Naivität sich das
vorstellt, wären die ‒ wahrhaftig „armen”
‒ Seelen, die noch in ihren selbstgeschaf‐
fenen „Strandreichen” ihr Wesen treiben.
Aber sie sind ja derart im Banne ihrer
Schöpfung, daß sie nichts anderes erleben
wollen und daher nichts zu erleben ver‐
mögen, als was sie sich durch ihren eigenen
Glauben, als das für sie allein zu Erlebende,
gestalten und nach ihrem „Außen” proji‐
zieren. Es ist uns unmöglich, uns ihnen er‐
kennbar zu machen, bevor sie die von der
Erde mitgebrachten Glaubensenergien auf‐
gebraucht haben, und das kann sehr lange
währen. Menschenseelen, die Jahrtausende
vor unserer Zeitrechnung in einem Erden‐
körper lebten, sind heute noch in ihre
„Strandreiche” gebannt! Es gibt da auch
keine „Massenerweckungen”, sondern die
Auflösung dieser durch fehlgeleitete Glau‐
bensenergien geschaffenen Kollektivgebil‐
de erfolgt, ‒ auch in den günstigsten Fäl‐
len, ‒ immer nur sporadisch infolge des
Aufwachens Einzelner und wieder Einzel‐
ner. Aber ich habe ja schon genug über
diese Dinge öffentlich mitgeteilt, so daß
ich kaum noch Erläuterndes bringen kann.
.Wie man wirklich mit Denen in Bezie‐
hung bleibt, die uns im Irdischen für die
physische Wahrnehmung entzogen wurden,
habe ich wahrhaftig ebenfalls deutlich ge‐
lehrt, so daß ich nur auf das Gegebene zu
verweisen brauche. Wir Leuchtenden des
Urlichtes aber können den Abgeschiede‐
nen die zu erreichen sind, nur lehrend und
erleuchtend helfen, in überpersönlicher
Weise.
Bei dem Hinabsteigen in niedere Bewußt‐
seinsbereiche sind es nicht die sachlich in
der Struktur dieser Bereiche zu findenden
„Gefahren”, die dem Leuchtenden des Ur‐
lichtes zu schaffen machen können. Vor
diesen Bedrohungen weiß sich der geistig
Bewußte zu schützen, wo immer sie ihm
begegnen mögen. Was ihn hingegen immer
wieder doch mit Grauen zu bedrängen
sucht, sobald er in Bewußtseinslagen hin‐
absteigt, die einen zeitweisen Verzicht auf
die ihm gemäße Bewußtseins-Stufe ver‐
langen, ist das unerbittliche Wissen darum,
daß er sich damit seiner geistigen Macht
zeitweilig begibt, und somit solange ohne
Wehr bleibt gegenüber möglichen „Über‐
fällen” zerstörender Kräfte des Unsicht‐
baren der physischen Welt, ‒ wobei dieses
Wissen auch darum weiß, daß immerfort
subjektive Vernichtungsimpulse auf den
günstigsten Augenblick zur Auslösung sol‐
cher Überfälle auf jeden der Leuchtenden
des Urlichtes warten, der ihnen in dem
irdisch Zugänglichen erreichbar wird. Der
Mensch auf niederster Bewußtseinsstufe,
die aber zur Zeit die seine ist, bleibt ge‐
schützt vor jedem Angriffsversuch verder‐
benbringender Impulse aus der unsicht‐
baren physischen Welt, solange er nur sein
eigenes Fühlen und Wollen freizuhalten
weiß von gleichgearteten Zerstörungsten‐
denzen. Der Leuchtende des Urlichtes aber,
der sich bewußten Willens in eine ihm nicht
gemäße Bewußtseinsregion begeben will,
kann das nur, wenn er sich selbst zeitwei‐
lig aus seinem ihm zugehörigen geistigen
Bewußtsein löst und für bestimmte Dauer,
auf seine eigene geistige Form verzichtend,
niedere Form als „sich selbst” empfindet,
wobei er sich naturnotwendig selbst ent‐
waffnet halten muß, was jene Unsichtbaren
und ihre sichtbaren Handreicher sehr wohl
wissen, denen das irdische Wirken eines
jeden Leuchtenden des Urlichtes schwer‐
sten Abtrag für ihre eigene zeitbestimmte
Existenz bedeutet.
.So ist jedes derartige Niedersteigen ‒
scheinbar ‒ tollkühne Torheit. Und wenn
man auch, ‒ vom Irdischen her betrach‐
tet, ‒ sein Tun mit ganz alltäglichen Ge‐
fahren vergleicht, denen man sich tausend‐
mal ausgesetzt hat und denen sich Tag um
Tag unzählige Menschen in aller Welt schon
auf den Wegen zu ihrer Arbeitsstätte aus‐
zusetzen gezwungen sind, ‒ ganz abge‐
sehen von allen, deren Beruf an sich schon
voller Gefahren ist und zu ihrer Bewälti‐
gung jederzeit furchtlose Ruhe voraus‐
setzt, ‒ dann bleibt doch die unerhörte
Höhe des Einsatzes unterscheidend, da die
Gefahren des Alltagslebens in einer großen
Stadt oder in gefahrumdrohtem Beruf zwar
das irdische Leibesleben in Frage stellen
können, ‒ niemals aber: im Irdischen er‐
langtes geistiges Bewußtsein des eigenen
Ewigen. ‒ Hier steht für den Leuchten‐
den des Urlichtes nichts Geringeres als der
Bewußtseinsverlust seines im Geiste be‐
wußten Irdischen zu befürchten, und kei‐
ner weiß im voraus mit Sicherheit, ob
es ihm bis zur Beendigung dieses Erden‐
lebens gelingt, sich seiner selbst immer
wieder auch erdenmenschlich bewußt zu
werden, oder ob ihm sein Irdisches eines
Tages doch für sein Ewiges verlorengeht: ‒
auf Erden also nichts von ihm übrig bleibt
als ein Irrsinniger oder eine kindisch ver‐
blödete Karikatur seiner selbst. Das ist
die wirkliche Gefahr in der noch jeder bis
zum irdischen Abscheiden schwebte, der
ewiges Licht in dieses Erdenleben brachte!
Was will dagegen alles jemals mögliche
physische und seelische Leid bedeuten! ‒
Es ist ein „Nichts” gegenüber dem, was
hier ständig bis zum letzten Atemzug
droht. Sowohl vom ewigen Geistigen, wie
von dem sein zeitumgrenztes Behagen su‐
chenden Erdenmenschlichen her gesehen,
ist wahrlich kein Anlaß gegeben, solchen
Gefahrzustand aufzusuchen, wo er nicht
unbedingte Voraussetzung einer unerläß‐
lichen geistigen Hilfeleistung ist, die allein
es ewiger Liebe möglich macht, ihr un‐
zugänglich gewordenes Bewußtsein wie‐
der zu erreichen.
.Ich werde kaum noch zu sagen brauchen,
daß natürlich solche Gefahr niemals ande‐
ren Erdenmenschen nahekommen kann,
einerlei welche Höhe der Einsicht sie be‐
wußt zu erreichen vermögen, denn selbst
wenn sie es wollten, könnten sie sich nicht
aus dem von ihnen erlangten Bewußtseins‐
bereich lösen um sich in geistesfernen Be‐
wußtseinslagen wach zu erleben.
.Träume können gewiß in die Gespinste
eines der unzähligen „Strandreiche” ver‐
flechten, deren Influenzen ja auch das tag‐
wache menschliche Trieb- und Empfin‐
dungsleben unausgesetzt erfährt, wenn der
Einzelne sich nicht selbst kategorisch feste
Richtlinien gibt, für das, was er an unsicht‐
baren Einflüssen anzunehmen gewillt ist
und das, was an ihm abprallen soll. Aber
mag auch das, was da geträumt wurde, so
lebhaft gewesen sein wie das eindrucks‐
vollste Tageserlebnis, so war es doch nie‐
mals etwas anderes als ein Traum, denn
es ist ja ‒ glücklicherweise ‒ nur den
Leuchtenden des Urlichtes allein möglich,
die Bewußtseinsakkumulierungen, die ich
als „Strandreiche” jenseitiger Welt be‐
zeichnet habe, wachbewußt wahrzuneh‐
men. Aus dieser Scheidung allein erhellt
schon, was von allen den wirklichen oder
vermeintlichen „Hellsehern” und ähnli‐
chen Leuten zu halten ist, die mit „Erleb‐
nissen auf geistigen Ebenen” aufzuwarten
pflegen, ohne auch nur zu ahnen, daß ihnen
nicht einmal die besagten „Strandreiche”
zu wachem Erleben offenstehen, wenn
ihnen auch Trance- und Traumzustände ge‐
legentliches halbwaches Bewußtwerden er‐
lauben.
.Dabei will ich nun aber auch noch einen
Irrtum aufklären, der beinahe „Gemein‐
gut” ist, so daß ich mich nicht wundere,
ihn unter jeglichem menschlichen Mei‐
nungsgepäck zu gewahren. Es geht hier um
die irrtümliche Meinung: in allen „jensei‐
tigen” Zuständen müsse alles Empfinden,
Erkennen und Erleben allen auf gleicher
Bewußtseinsebene Bewußten gemeinsam
sein, so daß jeder individuelle Unterschied
wegfalle. Das ist aber lediglich eine der
zahlreichen „erdachten” Erkenntnisse, mit
denen sich der Erdenmensch „jenseitiges”
Dasein faßbar zu machen sucht. Die Wirk‐
lichkeit sieht anders aus und kennt auf je‐
der „jenseitigen” Bewußtseinshöhe unzäh‐
lige distinkte Unterschiede des Eigenbe‐
sitzes. Wohl aber gibt es in „jenseitiger”
Erfahrungsweise keine der hier im Tier‐
menschentum der Erde gründenden Mög‐
lichkeiten der Verstellung voreinander,
und keiner kann sich eine „Geltung” ver‐
schaffen, die seinem wirklichen Werte
nicht entspricht.
.Ich muß aber davor warnen, sich zu viel
„Gedanken” über das nachirdische Leben
zu machen. Was man durch mich bereits
darüber weiß, genügt reichlich, um das ir‐
dische vorübergehende Dasein so zu be‐
stimmen, daß es seine wahrlich nicht ge‐
ringen Resonanzkräfte zur Verfügung stel‐
len muß, um dem Suchenden zu ermög‐
lichen, bereits hier und heute den Charak‐
ter „jenseitigen” Lebens mit Sicherheit
kennenzulernen.
Wenn sowohl in der mittelalterlichen als
auch in der so viel älteren orientalischen
Mystik die Abkehr vom „Ich”, ja das innere
Auslöschen des „Ich” verlangt wird, so
darf ich gewiß von mir sagen, daß es wohl
kaum einen „Mystiker” auf Erden gab,
der mit solcher Bestimmtheit von sich wis‐
sen konnte, daß dieses vergängliche „Ich”
in ihm bis auf den letzten Funken ausge‐
brannt sei, wie ich das von mir ‒ aus mei‐
nem bewußten ewigen Geistigen her ge‐
sehen ‒ unumstößlich weiß. Sage ich also
in meinen Lehrtexten dennoch, daß der
Weise „Ich” ist von Grund auf, und daß
alles in ihm untertan ist seinem „Ich”, so
liegt doch wohl zutage, daß ich mit dem
gleichen Worte etwas Anderes meine als
die erwähnten „Mystiker”. Ich rede viel‐
mehr: ‒ vom Entgegengesetzten, ‒ von
der ewigen, aus dem ewigen Geiste stam‐
menden Urgestalt, deren verzerrte tier‐
heitsbestimmte Vortäuschung allein jene
Meister der Mystik meinen. Ich warne
wahrhaftig nicht vor der Verachtung dieser
Maske, die sich „Ich” nennt! Leider ge‐
nießt sie ja in aller Welt und unter allen
Völkern ein solches Ansehen, daß fast
keiner, der sie mit sich identifiziert
noch merkt, wie er damit nur sein
wirkliches Selbst karikiert. Kein Wunder,
daß nur so wenige Menschen das Trugbild
fahren zu lassen willens sind, wie das un‐
erbittliche Voraussetzung für das Bewußt‐
werden in der geistigen Urgestaltung
„Ich” ist! Man hat sich im selbstgeschaf‐
fenen Trugbilde seines ewigen „Ich” viel
zu lieb, ist viel zu sehr von seiner tatsäch‐
lich vorhandenen irdischen Geltung, von
wirklicher oder vermeintlicher, diesem
Trug-Ich zugedachter Bedeutung durch‐
drungen, als daß man sich noch dazu
überreden möchte, das gekannte, anschei‐
nend so Sichere dahinzugeben um eines
vermeintlich so Unsicheren willen, wie der
eigenen ewigen Urgestaltung „Ich”. ‒
.Keiner weiß mehr, daß das, was er im
Begriff und Wort „Ich” zusammenbündelt,
nur ein irdisch Angenommenes ist, das ihm
nur darum anzunehmen möglich wird,
weil die ihn durchlebende geistige Urge‐
staltung „Ich” das ihm unbewußte Vor‐
bild abgibt, dem er die seinen irdischen
Neigungen am meisten entsprechende Dar‐
stellung seiner selbst in sich gegenüber‐
zustellen sucht und so seinen täuschenden
„Ich”-Begriff sich selber suggeriert. ‒
.Das zum ersten Erkunden seiner Umwelt
fähig gewordene Kind weiß noch nicht, was
das ist, wenn eine Stimme in seiner Um‐
welt „Ich” sagt. Es ist sich selbst noch „Um‐
welt”, in der offenbar, wie ihm seine kleine
Alltagserfahrung zeigt, alle Dinge mit ge‐
wissen Lautverbindungen zusammenhän‐
gen. So hört es denn auch eine bestimmte
Lautegruppe immer mit seiner Selbstäuße‐
rung in Verbindung gebracht und lernt
seinen „Namen” in seiner Umwelt genau
so mit sich identifizieren, wie das auch
einem jungen Tiere gelingt, das in Men‐
schennähe lebt. Will das Kind aber, ‒ das
ja vor allen Tieren die Möglichkeit einer
differenzierten Sprache voraushat, ‒ sich
selbst bezeichnen, so nennt es das Stück
seiner Umwelt, das es für sich selber ist,
indem es den immer wieder dafür gehörten
„Namen” sagt. Erst viel später lernt es
dann auf mechanische Art durch Nachspre‐
chen: ‒ „Ich” sagen und dann auch all‐
mählich begreifen, daß das scheinbar der
Allen gemeinsame „Name” ist, wenn sie
von sich zu sprechen haben. Sagt das Kind
nun aber fortan auch zu sich selber: „Ich”,
so ist doch der Umfang und die Tiefe sei‐
nes Bewußtseinsinhaltes dadurch in keiner
Weise verändert, wenn auch den Erwach‐
senen der Gebrauch der ihnen so wichtigen
Selbstbezeichnung bei dem kleinen Wesen
wie ein gewaltiger Fortschritt erscheint.
.Für den heranwachsenden, wie später
für den erwachsenen Menschen, bedeutet
all seine Lebenserfahrung eine mosaikartig
geformte Zusammensetzung von vielem
Einzelnen, das erst „Umwelt” war, bis es
sich dem schon in kindhafter Zeit gebil‐
deten Selbstbegriff „Ich” einfügen ließ,
und falls unter dem vielen Einzelnen auch
der Glaube an eine Bewußtseinsfortdauer
über den Tod hinaus zu dem eigenen „Ich”‐
Mosaik gehört, dann erscheint dem Selbst‐
bewußtsein im „Ich” nichts einleuchten‐
der, als daß alle seine zusammengelebten
Inhalte auch auf „ewige” Dauer Anspruch
haben müßten.
Wenn dann aber doch die abgründige
Naivität dieser Annahme zu Bewußtsein
kommt, dann ist die Erschütterung derart
zerreißend, daß sich aller übrige Selbst‐
bewußtseinsinhalt nicht nur von dem vor‐
maligen Glauben, sondern auch von jeder
Möglichkeit, ihm eine weniger gefahrum‐
drohte Begründung zu finden, in brüsker
oder elegischer Weise löst. Eine Revision
der einzelnen Mosaiksteine auf ihre mög‐
liche Ewigkeitsbeständigkeit hin, und ein
rücksichtsloses Ausmerzen des mit Sicher‐
heit Vergänglichen aus dem „Ich”-beton‐
ten Bewußtseinsinhalt erscheint nicht nur
als unerfüllbare Zumutung, sondern auch
als aussichtslos. Man hat ja jeglichen Prüf‐
stein mitverloren, nach dem man be‐
stimmen könnte, was ewigkeitsgezeugt und
was irdisch vergänglich ist, so daß man nun‐
mehr nur dann noch sicher zu gehen meint,
wenn man unterschiedslos Alles dem Unbe‐
ständigen tellurischer Existenz zurechnet.
.Es ist ein Spottspiel, das von Gläubigen
wie von den ungläubig Gewordenen mit
dem ewigen „Ich” getrieben wird, dem
allein sie zu danken haben, daß sie nicht
nur Tiere, sondern auch „Menschen” sind:
‒
denn der „Mensch” wurzelt
nicht auf
der Erde, sondern
im Herzen der Ewig‐
keit, ‒ im innersten Göttlichen, das in
seinem höchsten Selbstbilde „Mensch” in
sich selber ist! Damit aber, statt des Spott‐
bildes,
das ewige „
Ich”
der Wirklichkeit
im Erdenmenschen Fleisch und Blut durch‐
dringe, wird vom Ewigen her wahrhaftig
nicht verlangt, daß alles aus dem Bewußt‐
sein schwinde, was nicht „ewiger” Abkunft
ist. Wohl aber muß unerbittlich im Bewußt‐
sein
unterschieden werden, was
ewiger
und was
zeitlicher Inhalt ist. Lange Zeit
braucht es unausgesetzte Sorgfalt, damit
sich nicht morgen womöglich unversehens
das wieder in dem ihm
verwehrten Be‐
wußtseins-Innersten: ‒ im „lch”, ‒ er‐
neut einwachse, was gestern ausgerottet
erschien. Es ist, wie wenn man einen mit
Unkraut überwucherten Acker zu einem
geordneten Garten voll edelster Gewächse
umschaffen will. Erst wird der Boden wie‐
der und wieder gepflügt, und rücksichts‐
los unter der Hacke gereinigt werden
müssen, bis er ganz leer wird von allem,
was vorher seine Kräfte saugte. Dann aber,
nachdem man das Neue einpflanzte, wird
es noch langehin eifrige Wachsamkeit ko‐
sten, damit nicht zum wiederkehrenden
Wachstum komme, was ausgerodet wurde,
was aber Vögel und Wind immer wieder
unvermerkt auszusäen wissen.
.Das alles ist kein gedankliches Tun,
sondern Empfindungsarbeit mit der schar‐
fen Pflugschar und dem kräftigen Grab‐
scheit aus unabnützbarem geheimnisvol‐
lem Stahl, der nur in der Glut des innersten
seelischen Fühlens geschmiedet werden
kann... Man läßt aber statt dessen leider
zuerst immer noch die früher vertraut ge‐
wordenen gedanklichen Scheinerkennt‐
nisse in sich weiterwachsen, und hier ist
auch die Ursache dafür zu suchen, daß viele
von Zeit zu Zeit das Drängen in sich fühlen,
sich für ewig Wirkliches, das nur erlebend
zu erlangen ist, ‒ vorläufig ‒ ein zusam‐
mengedachtes Surrogat zu schaffen, das sie
dann in der Folge am konkreten Empfin‐
den des Wirklichen hindert, zu dem sie
doch vordringen wollen. ‒
„
Wahrheit”
und substantiell-geistige
„Wirklichkeit” sind
nicht das Gleiche,
auch wenn alles
Wahre im
Wirklichen grün‐
det! Wahrheit ist immer ein
Bild der Wirk‐
lichkeit, wenn auch ‒ dem Anspruch des
Wortes nach ‒ unter allen Umständen ein
klargeprägt „ähnliches” Bild, bei dem nur
solche „Retouchen” mit Stichel und Schab‐
eisen in Kauf genommen werden können,
die dazu dienen, eben diese „Ähnlichkeit”
noch
zu vertiefen und klarer zutage zu
bringen. Während dieses Bild aber immer
„Bild” bleibt und niemals
die ewige sub‐
stantiellgeistige Wirklichkeit selbst ist,
bleibt diese ewig die
Ursache jeglicher
Wahrheitserkenntnis. Ich treibe hier durch‐
aus nicht etwa ein Spiel mit Worten! Die
beiden Begriffe bezeichnen Konkretes, das
genauestens auseinandergehalten werden
muß. In dem Buche: „Der Weg zu Gott”
ist schon vieles Hierhergehörige gesagt.
Wenn ich von ewiger geistsubstantieller
„Wirklichkeit” spreche, so will ich das auf
Erden mit irdischen Sinnen Unwahrnehm‐
bare, in sich selbst Lebendige und jeder‐
zeit „Ewige” gemeint wissen, das Jesus
„das Reich der Himmel” nennt: ‒ das alle
Dauer in sich allein umschließende Reich
des substantiellen Geistes, der die einzige
unausschöpfbare Fülle aller Kräfte ist ‒
nichts, was mit dem „Denken” zu tun hat
‒ nichts Erdachtes, ‒ sondern ewigkeits‐
gezeugter „Raum”. Weniges steht dem
inneren Auffinden dieser ewigen Wirklich‐
keit hindernder und bösartiger im Wege,
als der schauerlich verhängnisvolle Ge‐
brauch, das Wort „Geist” anzuwenden,
wenn von irgendwelchen Äußerungen des
menschlichen Gehirns: ‒ von Gedanken
und Gedankenverknüpfung, „Gedanken‐
leben” und Denkerarbeit die Rede sein
soll. Wenn man diesen, durch die Tätigkeit
des irdisch-physischen Gehirns emporge‐
wirbelten Gedankenrauch als „Geist” zu
bezeichnen gewohnt ist, dann hält es wahr‐
haftig schwer, sein Bewußtsein aufnahme‐
bereit zu machen für den „creator spiri‐
tus”, den Schöpfergeist der Ewigkeit, der
das aus sich selber souveräne „ewige Le‐
ben”
ist und alles in seinem substantiellen
Sein umfaßt, was seines Reiches Zeugung
darstellt, aber nichts in sich aufnimmt, was
nicht in Ewigkeit aus ihm hervorgegangen
war.
Nur weil der Erdmensch,
in seinem ir‐
disch unfaßbaren Kern, geistiger Zeugung
„Zeugnis” aus aller Ewigkeit her
ist, kann
er, der sich selbst aus dem ewigen „Augen‐
blick” in die trügerische Scheindauer der
kosmischen „Zeit” fallen ließ, dereinst wie‐
der in sein Reich eingehen, mitnehmend aus
seinem irdischen Bewußtsein, was er mit‐
nehmen
will, soweit es den inhärenten Ord‐
nungen dieses Reiches nicht widerspricht.
.Dieser ewigen „Wirklichkeit” gegenüber
ist ihr nachgeformtes Bild: ‒ die „Wahr‐
heit”, ‒ im Irdischen erfolgte Prägung, ‒
Ausformung des Siegels der Ewigkeit in
irdischem Siegelwachs! Der Mensch aber,
der nicht das Siegel des ewigen Geistes in
sich trägt, kann nicht die Wahrheit aus dem
ewigen Wirklichen künden, auch wenn er es
mit allen seinen irdischen, und allen Kräf‐
ten seiner ewigen Seele will! ‒ Es handelt
sich ja hier nicht um das biedere mensch‐
liche „Die-Wahrheit-sagen-wollen”, son‐
dern um das Bezeugen des eigenen Ge‐
prägtseins durch die ewige Wirklichkeit,
und nur wer solchermaßen die Wahrheit
aus der ewigen Wirklichkeit in sich trägt,
kann aus der Wahrheit Kunde geben, weil
sein eigenes Bewußtsein in der ihm ein‐
geprägten Wahrheit leuchtend wurde und
lebendig ist!
Daß man in der wissenschaftlich betrie‐
benen Geometrie, durchaus ernsthaft und
keineswegs in okkultistische Glaubenssätze
verfangen, mit der Möglichkeit vier-dimen‐
sionaler Raumverhältnisse rechnet, ja viel‐
dimensionale Räume durchaus nicht als
etwas Unmögliches ansieht, ist allen Unter‐
richteten bekannt. Niemand wird sich un‐
verantwortbarer Phantastik zu beschul‐
digen haben, wenn er als gesichert an‐
nimmt, daß diesen Errechnungen ebenso
bestimmte, im kosmischen All-Raum zu
findende Tatsachenbeweise entsprechen,
wie den astronomischen Errechnungen von
Himmelskörpern die dem gewaltigsten
Fernrohr unsichtbar bleiben, aber durch
Beobachtungen ihrer Umgebung in zwin‐
gender Weise als örtlich dennoch vorhan‐
den erwiesen werden.
.Aber die geometrisch errechenbaren
Räume stecken gewissermaßen alle ver‐
steckt
in dem uns erfahrbaren
drei-dimen‐
sionalen Raum, auch wenn wir normaler‐
weise als drei-dimensionale Wesen die vier‐
bis „n”-dimensionalen Raumgebilde und
Raumwesen nicht wahrnehmen können.
Wir dürfen uns nur durch diese Unmöglich‐
keit des sinnenfälligen Wahrnehmens kei‐
nesfalls verleiten lassen, zu glauben, es
handle sich bei den durch geometrische
Denkformen in die Vorstellung eingeführ‐
ten
mehr als dreidimensionalen Räumen
um etwas Anderes als das uns Unwahrnehm‐
bare der
physischen Welt. Mit dem, was
ich den
ewigkeitsgezeugten „Raum” im
ewigen Geiste nenne, haben alle diese
geometrisch eruierbaren Räume
absolut
nichts zu tun.
Das Ewige liegt, allem Er‐
rechenbaren, allem durch Denkmetho‐
den zu Findenden
unerreichbar, zwar
am gleichen Ort wie die physische Welt,
aber
gänzlich unvorstellbar im Bilde ir‐
disch zu errechnender Raumvorstellun‐
gen!
.Wohl aber ist die Geometrie mit ihrer
gedanklichen Erschließung vieldimensio‐
nalen Raumes ganz nahe daran, gewisse
wohlbeobachtete und heute kaum noch
von den ärgsten Ignoranten abzuleugnende
„metapsychische” Vorkommnisse zu fassen,
womit, wenn es gelänge, auch der auffallend
stumpfsinnig alberne Charakter so vieler
„spiritistischer” Manifestationen der Le‐
murenwesen in der dem dreidimensionalen
Auge
unsichtbaren physischen Welt, als
eine unentrinnbare Notwendigkeit erwie‐
sen würde, die aus der
Raumfremdheit der
gelegentlich dann im
drei-dimensionalen
Raum agierenden lemurischen „Masken”
zu erklären wäre.
.Das ganze Weltenall ist „durchsetzt” mit
Raumwelten, die einander normalerweise
unwahrnehmbar sind, solange nicht eine
Art „Isolationsbeschädigung” vorüberge‐
hend Kontakte, mit der Folgeerscheinung
des Einanderdurchdringens verschieden‐
räumiger „Materie”, schafft. Nur das abso‐
lute „Nichts”, ‒ das als eine sehr reale
Sache dieses ganze Weltenall in ewiger
Starre, als irdisch unvorstellbar „Hartes”,
umgrenzt, ‒ ist ohne Raum und außer
allem als möglich gegebenen Raum: ‒ ab‐
solut distanzlos, gehirnlich auch im Bilde
nicht begreiflich.
.Ewiger „Raum” aber durchdringt alle
verschiedenräumigen Welten, ohne den sie
Wahrnehmenden: ‒ den in ihnen allein
sich erlebenden Wesen, ‒ aus ihrem eigen‐
raumbedingten Vermögen heraus ebenfalls
wahrnehmbar zu sein. Nie könnten Erden‐
menschen ihn erfahren, wären sie nicht in
ihrem ewigen Lebenskern geistig-substan‐
tiell mit ihm identisch! Diese Sachlage wird
durch die Unfähigkeit der Allermeisten,
sich während ihres Erdenlebens in diesem
innersten Kern zu erkennen, absolut nicht
beeinflußt, und diese Unfähigkeit ist nichts
Unentrinnbares, sondern bloß eine ver‐
hängnisvolle Folge bequemer Gemütsträg‐
heit. Mit dem „Verstand” ist da freilich
nichts zu ändern!
.Der Verstand braucht Material, mit dem
er arbeiten kann, und er ergreift jedes Ma‐
terial das man ihm vorlegt, nimmt es in
Arbeit und macht schließlich daraus, was
er daraus machen kann, je nach seiner eige‐
nen Kraftentwicklung und geordneten
Schulung. Um aber den innersten ewigen
Kern in sich zu finden: ‒ den lebendigen
substantiellen Funken des Geistes, der das
menschliche Bewußtsein ins Ewige zu tra‐
gen und darin zu erhalten vermag, ‒ be‐
darf es anderer Kräfte, die aber, ebenso
wie der Verstand, geübt und geschult
werden müssen, wenn sie noch in der
Zeit in der sie hier irdisch eingesetzt wer‐
den können, das ihnen Mögliche leisten
sollen.
VON
ASIATISCHEM RELIGIONSGUT
Meine Kenntnis asiatischen Religionsgu‐
tes stammt wahrhaftig nicht aus Büchern.
Bücher konnten mir immer nur gehirnliche
Wiederbegegnungen mit dem lang schon
geistig Bekannten bringen. Ich weiß aber
von der Neigung vereinzelter Europäer, die
ihr Wissen aus Büchern haben, alte östliche
Religionsurkunden und Gebetbücher ge‐
radezu als psychologische Offenbarungen
zu begrüßen, und sie als Eideshelfer
für eigene Hypothesen heranzuziehen. ‒
Allein ich weiß auch, wieviel Überschätzung
solcher Wertung zu Gewicht verhilft, und
daß es sich dazu noch zumeist um „Ver‐
zeichnungen” irrig oder halbverstandener
religiöser Spekulationen und Imaginatio‐
nen einer kaum noch prüfbaren Vorzeit
handelt, denen man solche Verehrung ent‐
gegenbringt. Es ist auch nicht einzusehen,
weshalb es mehr Weisheit verraten soll,
wenn in einem asiatischen mystischen Text
das Gleiche gesagt wird, was innerhalb des
europäischen Kulturkreises Eckhart, Tau‐
ler und der Frankfurter Deutschordensherr
formulierten, oder was Angelus Silesius
zum Beispiel meinte mit dem bekannten
Vers:
.„Der Himmel ist in dir ‒ und auch der
Hölle Qual: ‒ was du erkiest und willst, ‒
das hast du allzumal!”...
.Gewiß aber ist nicht zu bezweifeln, daß
die gleiche Wahrheit sich mitunter von
ganz neuen Aspekten her offenbart, wenn
plötzlich die Ausprägung vor Augen liegt,
die sie in einem weit entfernten fremden
Kulturkreis gefunden hat. Hierin ist denn
auch die praktische Bedeutung der den Eu‐
ropäern zugänglich werdenden Texte aus
innerasiatischen Religionswelten in erster
Linie beschlossen. Nicht die bereits lange
schon ihrer Tendenz nach bekannt gewor‐
denen Dogmen östlicher Religions-Systeme
stellen den Hauptwert dar, den Überset‐
zung vermitteln kann, sondern die Formen
andersartiger Ausprägung mancher, auch
europäischer alten religiösen Kultur durch‐
aus nicht versagt gewesenen Erkenntnisse
an sich ganz undogmatischer Art. Die aber
können zu recht bedeutsamen Anregungen
führen, und dem jeweils neu erschlossenen
alten östlichen Religionsgut wahrhaftig Ge‐
wicht verleihen.
.Während aber nun in den auf dem Boden
Indiens erwachsenen oder aber von Indien
her überstrahlten Religions-Systemen Asi‐
ens die Innewerdung des Ewigen durch
eine Art seelischen inneren Schauspiels er‐
strebt wird, bei dem der Mensch Schau‐
spieler und Zuschauer zugleich ist, indem
er seine Gottheiten in sich selber darstellt
und sie dabei seiner Natur nach mit allem
Gewicht der eigenen Selbstgewißheit als
lebendig und in Beziehung zu sich emp‐
findet, ‒ wenn nicht sogar völlige subjek‐
tive Identifikation erreicht wird, ‒ (man
denke z.B. an Râmakrishna!) verfolgte der
europäische Mensch schon von den Zeiten
der Antike her eine genau entgegenge‐
setzte, naturhaft in seiner Art gründende
Weise religiösen Strebens, indem er im
Göttlichen sich selbst: ‒ den „Men‐
schen” ‒ zu erleben suchte. Sehr bemer‐
kenswert ist, daß auch der uns so „orien‐
talisch” anmutende Islam hierhergehört.
Das Christentum aber vor allem, ist in all
seinen Formen ‒ wo es konsequent erlebt
wird ‒ solches religiöse Erleben des in der
Gottheit durch Gottheit verhüllten primor‐
dialen „Menschen”! Wahrlich: ‒ ein „An‐
thropomorphismus”, wie ihn Fleisch und
Blut aus sich allein dem Erdentierverhaf‐
teten nicht nahelegen konnten!
.Man kann nun auf asiatische wie auf
europäische Art in das Erlebnis des Ewigen
gelangen, aber in beiden Arten bleibt die‐
ses höchste Erleben, das dem Erdenmen‐
schen während seiner Leibeslebensdauer
möglich ist, nur denen vorbehalten, die
sich durch die dornenreiche Wildrosen‐
überwucherung jahrhundertelang weiter‐
gezüchteter Dogmatik durchzuschlagen
wissen, bis sie zum innersten Wahrheits‐
inhalt: ‒ zu der klaren Erkenntnis dessen
gelangen, was die Dogmengestalter eigent‐
lich schützen wollten, aber, in bester Ab‐
sicht, gerade damit der gänzlichen Über‐
wachsung preisgaben. Wohl wird sich je‐
doch ‒ von einzelnen, recht verschieden‐
wertigen Ausnahmen abgesehen ‒ der
Asiate am besten in nüchterner Wahrneh‐
mung seiner Besonderheit an die asiati‐
sche, der Europäer aber an die europäi‐
sche Weise halten, wo immer ein Erden‐
mensch zu wirklichem Ewigkeitserleben
gelangen will, denn diese beiden, so grund‐
verschiedenen Weisen sind psychophysisch
begründet und stellen keineswegs etwa der
Willkür entstammende „Methoden” dar.
Es ist weder eine Zusammenfügung beider
Einstellungen möglich, noch kann von einer
in die andere hinübergewechselt werden,
wenn das beiden zuletzt gemeinsame Ziel
wirklich erreicht werden soll.
.Gewiß wird niemand auch nur einen
Augenblick im Unklaren darüber sein, daß
durch mich die europäische Weise, zum
Ewigkeitserlebnis zu kommen, gelehrt
wird. Allerdings bereichert durch alles,
was sich an östlichem Erfahrungsgut euro‐
päischer Weise „amalgamieren” läßt. Das
ist natürlich kein „Widerspruch” zu der
eben aufgezeigten Unmöglichkeit, beide
Einstellungsweisen zu verbinden oder bald
die eine, bald die andere zu pflegen, und
es wäre ebenso möglich, eine Lehre der
asiatischen Weise durch Bereicherung mit
europäischem Erfahrungsgut fruchtbrin‐
gender zu gestalten. Wenn man aber auch
als Europäer die Erfahrung macht, daß in
den asiatischen Texten zuweilen „das
Echte recht dünn gesät” und tief „ver‐
steckt” ist, während „überall Negatives
unfaßbar starr an der Oberfläche liegt”, so
darf man dennoch aus solcher Erfahrung
heraus keinesfalls auf die Werte schließen,
die einem Europäer unzugänglich blei‐
ben. Auch einem Asiaten, der den heuti‐
gen Spuren wirklichen Ewigkeitserlebens
in Europa nachgehen wollte, würde es mit
europäischem Religionsgut kaum anders
ergehen...
.Was jedoch vielfach als „dämonisch”
empfunden wird, ist der in allem Reli‐
gionsgut Asiens zutagekommende landes‐
entstammte und blutbedingte praktische
Okkultismus, der aber für den Menschen
des Ostens eher einen Bezirk der Physik
darstellt und von den damit Vertrauten
nicht in unserem Sinne als „unheimlich”
empfunden wird. Soweit diese okkultisti‐
sche Praxis sich noch auf religionsbestimm‐
ten Bahnen bewegt, wird sie auch durch
die Religion noch gezügelt, und wird dann
selbst von geistig hoch darüber Erhabenen
für harmlos angesehen. Erst wo der Okkul‐
tismus selbst in Asien zur „Religion” wird,
darf er in bedrohlichem Sinn „dämonisch”
genannt werden! ‒
.Man sollte den religiösen Texten des
Orients unbefangener gegenübertreten
und resoluter die Spreu vom Weizen son‐
dern, um so mehr, als ja doch das Beste,
Kostbarste und Geheimnisreichste, was
Asien verwahrt, niemals Gegenstand von
Aufzeichnungen wurde, und die wenigen
Handschriften aus denen es zu erschließen
wäre, ganz gewiß keinem Nichtasiaten je‐
mals in die Hände fallen.
Wo Licht eine Dunkelheit erleuchtet, dort
wird man in der Umgebung des Lichtes
auch Wärme gewahren. Aber nur in des
Lichtes räumlicher Nähe, und nicht etwa
überall dort, wohin seine Strahlen Erhel‐
lung bringen!
.So ist es auch Folge des auf dieser Erde an
eine bestimmte Stelle fixierten geistig-sub‐
stantiellen „Tempels der Ewigkeit” und
des an dieser, seiner Stätte seit Jahrtausen‐
den vollzogenen geistig-seelischen Ge‐
schehens, daß von solcher Lichtquelle her
eine ganz unbeabsichtigte aber aus der
Natur der Dinge auch unvermeidbare In‐
fluenz geistiger Art auf die geographischen
Umkreise ausstrahlte und ununterbrochen
weiter ausstrahlen muß. Da nun die er‐
wähnte Stätte inmitten der höchsten Berge
der Erde liegt und diese Berge tekto‐
nisch den sehr weiträumigen „geogra‐
phischen Mittelpunkt” Asiens bilden, so
ist es gewiß nicht verwunderlich, wenn aus
dem erdenkörperlich unzugänglichen Ort
der allerintensivsten geistigen Gescheh‐
nisse im Lebensbereich dieses Planeten
her, die Schwingungen in der kompak‐
ten Konsistenz geistiger Substanz die all‐
dorten erregt werden, sich noch über
beträchtliche räumliche Kreise jenes
Erdteiles hin fortpflanzen, bis sie allmäh‐
lich zum Ausschwingen kommen.
.Diesen mächtigen und relativ weithin
wirkenden geistig substantiellen Ausstrah‐
lungskreisen danken die Völker Inner-,
Ost- und Südasiens ihre Neigung zu seeli‐
scher Bereitschaft, Übersinnliches in das
seelische Bewußtsein aufzunehmen, und so
manche Wirklichkeits-Erahnung, die man
anderwärts vergeblich suchen würde. Man
darf jedoch aus dieser Tatsache gewiß nicht
folgern, daß darum jeder Asiate der das
Abendland bereist, ohne weiteres religiö‐
sen Geheimnissen aufgeschlossen gegen‐
überstehe oder gar im Besitz hoher gei‐
stiger Erkenntnisse sei! In allen Gegen‐
den Asiens gibt es, ebenso wie in Europa
und den anderen Weltteilen, verquälte
Skeptiker, frivole Spötter, laue Halbgläu‐
bige, und vor allem ‒ ein Heer von An‐
hängern irgend eines Aberglaubens, wobei
es nichteinmal der Wahrheit entspricht, zu
sagen, daß nur in Asien der Aberglaube
gleich dem Bambus in den Dschungeln
wuchere. Es gibt aber, wie überall in der
Welt, so auch in Asien tief innerliche Na‐
turen, die bei alledem ihr Genüge nicht
finden können, wohl aber den Drang in
sich fühlen, die Isolation in sich zu besei‐
tigen, die sie von der bewußten Wahrneh‐
mung ihrer eigenen Daseins- und Lebens‐
ursache scheidet. Daß Jahrtausende hin‐
durch so geartete Menschen die substan‐
tiellen geistigen Schwingungen zu empfan‐
gen vermochten, die von einem ihnen
räumlich relativ nahen Punkte der Erd‐
oberfläche her ausstrahlten als Begleiter‐
scheinung der von da über alle Welt hin
ausgesandten geistigen Erleuchtungs- und
Hilfebotschaften, wurde Ursache der Ent‐
stehung jener alles Geistige, ‒ aber auch
unzählige
pseudogeistige Erscheinungen ‒
bejahenden Atmosphäre, die dem gleich‐
falls das Bleibende in aller Erscheinung
Wandel suchenden Nichtasiaten so geheim‐
nisvoll und unfaßbar erscheint.
In unseren Tagen hat diese Atmosphäre, ‒
die ehedem auch den ihr von Hause aus
fernstehenden
Islam in ihre Bereiche zu
ziehen vermochte, sowie er in ihre geistig
gegebene, geographisch bestimmbare Zone
kam, ‒ sehr viel von ihrer lichtenden
Wärmekraft verloren. Nicht, weil die Strah‐
lungen geringer geworden wären, sondern
weil außerasiatische Einflüsse ihre zer‐
setzende Wirkung selbst bis in die Kreise
der hochbegabtesten asiatischen Religiösen
hineintragen und somit die Zahl derer ver‐
mindern, die jene unerschütterbare Ruhe
in sich zu bewahren wissen, die Vorbe‐
dingung des Empfindens der substantiellen
geistigen Ausstrahlungen aus dem Ort des
geistigen Tempels der Ewigkeit auf Er‐
den ist. Nach wie vor aber ist das Auftau‐
chen so vieler, der geistigen Wirklichkeit
entsprechenden Vorstellungen, die man
vergeblich in anderen Erdteilen suchen
würde, auf die räumliche Nähe unerhörten
Offenbarens ewiger Geistesgewalt zurück‐
zuführen, deren Influenzen in den Seelen
der Befähigten sich auswirken. Es verdirbt
im Grunde nur wenig, daß diese Auswir‐
kungen zumeist in Seelengärten bunt
blühenden Aberglaubens stattfinden, denn
der Aberglaube wird so noch zu einem
positiven Träger einer irdischen Bildge‐
staltung der ewigen Wirklichkeit.
.Sehr im Irrtum aber wäre jeder Nicht‐
asiate, der sich einfallen lassen wollte, er
brauche bloß die nächste Schiffsgelegenheit
zu benutzen und dann von einem indischen
Hafenplatz aus nach Simla oder Darjeeling
hinaufzufahren um dort die geschilderten
Ausstrahlungen in reichlicher Fülle zu emp‐
fangen! Ganz abgesehen davon, daß er auch
auf Ceylon, auf den Inseln des malayischen
Archipels, in China und Japan, diesen Aus‐
strahlungen noch keineswegs entrückt
wäre, könnte er sich an allen diesen Orten
zwar in die schönste Selbstsuggestion ver‐
setzen ohne es auch nur zu ahnen, aber nie‐
mals könnte ihm empfindungsnahe kom‐
men, was selbst der durch unzählige Gene‐
rationen im eigenen Blute dafür vorberei‐
tete Asiate erst empfinden lernen muß in
einer über alle westlichen Begriffe harten,
und viele Jahre währenden, erbarmungslos
alle Selbsttäuschung ausrottenden Lehr‐
zeit. ‒ Auch die wenigsten Orientalen
haben sie wirklich durchgemacht!
.So billig, wie sich der Nichtasiate die
Erlangung des Aufschlusses verborgener
Empfindungsorgane vorstellt, nachdem er
kaum von der Möglichkeit solcher Selbst‐
entwicklung hörte, ist sie wahrhaftig nicht.
Nur, wer keinerlei Zugang zu der Art der
hier nötigen Vorbereitung hat, kann auf
den Gedanken kommen, eine Wahrneh‐
mungsfähigkeit für deren Erlangung un‐
zählige Leben im Orient gelebt werden, ‒
für die jede Mühsal ertragen und jede der
zuweilen auferlegten Selbstpeinigungen
ohne Bedingungen und Vorbehalte stolz
und tapfer erduldet wird, ‒ lasse sich auch
für den Unvorbereiteten, durch eine
stimmungsmäßige Aufnahmebereitschaft,
fast mühelos erreichen. ‒ Von dem maß‐
losen Hochmut der ernstlich annimmt, der
Orientale mache sich diese Dinge ganz un‐
nötig schwer, weil er ja nichts ahne von den
Erkenntnissen westlicher moderner Psy‐
chologie, sei hier weiter nicht die Rede.
.Solcher ahnungslose Dünkel steht noch
tief unter jenem Vulgärokkultismus, der
den Seinen unverfroren einzureden sucht,
sie vermöchten alles das, was der orien‐
talische Religiöse erringt und wofür er
den Einsatz seines Lebens wagt, durch
eine tagtäglich wiederholte Reihe aller
Wirklichkeit widersprechender glaubens‐
betonter Behauptungen aus der Tiefe des
Gemüts heraus zu erlangen.
.Wahrhaftig: ‒ es hält sehr schwer, ein
Mensch aus den ältesten Kulturbereichen
der Welt zu sein, und dennoch den phan‐
tastischen, nach jeder Seite dehnbaren
Aberglauben westlicher Zivilisation nicht
zu belächeln!
Der Mensch auf Erden ist Vorbedingnis
für das Werden und Bestehen der irdischen
Religionen, aber diese sind keineswegs Be‐
dingnis der irdischen Existenz des Men‐
schen! Dieser Satz ist nicht nur Folgerung
aus dem bekannten Evangelienworte vom
jüdischen Sabbat, sondern auch, ganz un‐
abhängig davon, eine von keinem Vernünf‐
tigen zu bezweifelnde Selbstverständlich‐
keit. Und doch gibt es religiöse Eiferer in
Menge, die aller Logik zuwider, diesen so
selbstverständlichen Satz am liebsten um‐
kehren möchten. In allen Religionen sind
sie zu finden, wenn auch kaum irgendwo
so zahlreich wie gerade in den Religions‐
bezirken, die sich auf die Lehre des Er‐
habenen berufen, der so eindeutig den Sab‐
bat und damit alle religiöse Konvention
und Satzung als eine rein menschliche An‐
gelegenheit: „um des Menschen willen”,
‒ bezeichnete. Überall aber, wo die An‐
hänger einer Religionsform die unumstöß‐
liche Wahrheit dieses Satzes vergessen, er‐
hebt sich drohend für diese jeweilige Reli‐
gionsform die Gefahr, das, was „Religion”
in ihr ist, zu verlieren, und zur bloßen
Form zu erstarren, die dann kein anderes
Bestreben mehr kennt, als sich um ihrer
selbst willen, zum Vorteil ihrer Diener,
aber auf Kosten von deren Anhängerschaft,
in sterilem Dasein zu erhalten. Statt ein
Bewahrnis der Religion zum Besten des
Menschen und im Dienste des Menschen
zu sein, leert sich die Form, und ihre Leere
saugt wie ein Vakuum den Menschen, der
ihr Herr durch den von ihm geschaffenen
Inhalt sein sollte, erbarmungslos in sich
hinein. ‒ Man braucht auf Erden wahr‐
haftig nicht zu suchen, wo sich solches be‐
gibt, denn es begibt sich allerorten in die‐
ser Zeit!
.Jede Religionsform aber, die nicht zur
leeren Form werden will, muß achten, daß
sie nicht „tolerant” wird, denn sie besteht
nur durch ihre Intoleranz, indem sie alle
andere Religionsform ausschließt. Und
jede Religionsform wird von ihren An‐
hängern für die „allein seligmachende”
gehalten, auch wenn in ihrem Bekenntnis
von dieser Überzeugung nicht ausdrück‐
lich gesprochen wird. Der Anspruch ergibt
sich von selbst, da jeder ehrliche Anhänger
einer Religionsform sein zeitliches Tun
und Lassen gerechtfertigt, und sein ewiges
Heil begründet sehen will, so daß er gewiß
keiner Religionsform den Vorzug gibt, von
der er nicht fest überzeugt ist, daß sie vor
allen anderen den Vorzug verdient, weil
sie allein ihm Führerin zur Seligkeit zu
sein scheint. Je toleranter eine Religions‐
form sich geben will, desto weniger ist sie
imstande, Religion zu verwahren, ‒ desto
mehr in Gefahr, leere Form zu werden,
auch wenn sie, ihrem Namen nach, weiter‐
hin noch als „Religion” erscheint.
.Es ist jedoch die zu ihrem Bestand nötige
Intoleranz jeder Religionsform nur inner‐
halb ihres eigenen Bereiches ein Gutes! ‒
Jeder Hausvater erfüllt nach Fug und Recht
seine Pflicht, wenn er intolerant gegen alles
ist, was den Bestand des ihm anvertrauten
Hauswesens gefährden könnte. Nicht an‐
ders sind die für das Bestehenbleibenkön‐
nen einer Religionsform Verantwortlichen
vor sich selber berechtigt und verpflichtet,
innerhalb ihres Religionsformbereiches in‐
tolerant gegen alles zu sein, was das Be‐
stehen der ihnen anvertrauten Religions‐
form in Gefahr bringen könnte. Aber außer‐
halb dieses, ihrer Religionsform ureigenen
Bereiches fehlt ihnen jedes Recht und jede
Pflicht zur Intoleranz! ‒ Nur wenn die
Rechte und Pflichten Anderer in den ihnen
anvertrauten Religionsformbereichen ge‐
wissenhaft geachtet und sorglichst unan‐
getastet bleiben, sind jene allein menschen‐
würdigen gegenseitigen Beziehungen zwi‐
schen den verschiedenen, sich innerhalb
ihrer Bereiche mit berechtigter Intoleranz
ausschließenden Religionsformen möglich,
die für das lebendige Gedeihen jeder ein‐
zelnen bedingungslos erforderlich bleiben!
Jede Ausbreitung der für das eigene Be‐
stehen auf eigenem Gebiet nötigen Intole‐
ranz, über die Grenzen des eigenen Reli‐
gionsformbereiches hinaus, ist Störung an‐
derer Religionsformen und leistet nur der
Ignoranz und Feindschaft gegenüber allem
Religiösen Helfersdienste in dieser wahr‐
lich religionsmatt und religionsmüde ge‐
nug gewordenen, tausendfach irritierten
Zeit. Diese Zeit ist ohnedies gewohnt, Reli‐
gion mit „Religionsgeschichte” gleichzu‐
setzen, in der ja für jeden, der sie kennt,
eine Kette von Berichten über unberech‐
tigte Übergriffe intern berechtigter Into‐
leranz in die Religionsformbereiche anders‐
gläubiger Menschengruppen vorliegt, wie
sie von ärgster Religionsfeindschaft nicht
schauerlicher geschmiedet werden könnte.
.Vor allem aber ist immerdar zu beden‐
ken, daß Religion in allen ihren Formen
ausnahmslos ein erdenmenschlicher Behelf
ist, den die ewige Seele Einzelner jeweils
in Sorge um ihre Mitmenschen liebevoll
ersann, damit auch den nicht zu eigener
Findung Fähigen ein guter Weg „markiert”
sei, der sicher ins Ewige führe! Es ist töricht,
darüber zu streiten, welcher dieser Wege
weniger „Umweg” sei, denn alle sind Um‐
wege, weil sie sonst jenen Seelen zu steil
und gefahrvoll würden, um derentwillen
sie von kundigen Wegebahnern geschaffen
wurden. Ich aber bin nicht gekommen um
einen neuen „Umweg” zu bauen! Ich zeige
vielmehr den direkten Anstieg in das ewige
Licht, der allerdings nur Seelen ersteigbar
ist, die Kraft genug in sich auszulösen wis‐
sen, um mit Sicherheit die Abgründe über‐
springen zu können, die man Andere,
‒ auf dem Wege einer Religionsform, ‒
umgehen lehrt... Ich bin nicht dazu da,
irgend einer Religionsform oder vielen zu‐
gleich eine Apologie zu schreiben, obwohl
ich es wahrhaftig gesicherter als die be‐
rufsmäßigen Apologeten der Religionen
vermöchte. Ich muß die Religionsgebun‐
denen auf die Wege ihrer Religionsform
verweisen und jene Verwegenen aufzufin‐
den trachten, die eigene Pfade zum Licht
zu erklimmen suchten, sich aber bei ihrem
Suchen „verstiegen” haben. Auch denen
muß ich helfen, die ehedem auf dem gut‐
markierten Wege einer Religionsform da‐
hinschritten, bis sie aus diesem oder jenem
Grunde das Vertrauen zu ihrem gebahn‐
ten Wege verloren und sich quer durch die
Wildnis der Skepsis einen anderen Pfad zu
treten suchten, ohne voranzukommen. Den
zufrieden und ihrer Sache gewiß auf den
zeichengesicherten Wegen der Religions‐
formen Wandelnden aber werde ich gewiß
nicht „im Wege” stehen, auch wenn ich
ihren Weg zuweilen kreuze. Ich kann ihnen
nur immer wieder an den für sie unver‐
ständlichen aber nötigen Wegkehren sagen,
in welcher Richtung ihres Weges Endziel
liegt, und bringe ihnen geistige Kraft, aus
der sie ihre schwachen seelischen Kräfte
wirksam nähren können, damit sie wenig‐
stens ausdauern auf der betretenen Straße,
bis ihre Seelen endgültig aus ihrem Irdi‐
schen losgelöst werden.
Es liegt mir so fern, „eine neue Reli‐
gion” zu begründen, wie es mir fern‐
liegt, den bestehenden Religionsformen
andere Dienste zu widmen, als die ihnen
nach Maßgabe ihres Schatzes an zeitüber‐
dauernden Werten vom ewigen Geiste her
zubestimmte Hilfe, die, ‒ wo sie von‐
nöten ist, ‒ weder Bitte verlangt, noch
Dank erwartet, und keinem irdischen Wil‐
len erwirkbar wäre.
Jede zu klarer Selbstdarstellung gelangte
Religionsform verlangt von ihren Anhän‐
gern mit allem Recht die aufrichtige Zu‐
stimmung zu den in ihrer Selbstdarstel‐
lung ausgesprochenen Lehren, zu bestimm‐
ten Worten ihres Stifters oder ihrer Stifter,
und zu ihrer Auffassung gewisser, von ihr
als gesichert angenommener „historischer”
Geschehnisse. Das gilt von den alten asia‐
tischen bodenständigen Religionen nicht
minder, wie vom Buddhismus in allen sei‐
nen Gestaltungsformen, vom Monotheis‐
mus des Pentateuch, dem Christentum in
seinen verschiedenen Ausdrucksarten, und
dem als jüngste der großen Religionsformen
entstandenen Islam. Die Zustimmung zu
der jeweiligen Formulierung des Vorstel‐
lungsinhaltes, der den Eigenbestand einer
Religionsform ergibt, wird als „Bekennt‐
nis” zu dieser Religionsform bezeichnet,
und da diese Zustimmung auf dem gefühls‐
mäßigen Fürwahrhalten der dargebotenen
Vorstellungsinhalte beruht, das als „Glau‐
be” empfunden wird, so spricht man von
verschiedenen „Glaubensbekenntnissen”.
Die innere Zustimmung: ‒ die selbstge‐
setzte Annahme, es sei alles genau so, wie
es in der Folge von Vorstellungen zum
Ausdruck kommt, die eine Religionsform
als ihr „anvertrautes” eigenes Religionsgut
für sich in Anspruch nimmt, ist stets der
entscheidende Faktor für die Anerkennung
der Zugehörigkeit eines Menschen zu einer
bestimmten Religionsform, was dadurch
nicht anders wird, daß sich die Religions‐
form selbst als „Glaube” bezeichnet.
.In dem an sich gewiß berechtigten Be‐
streben, in den eigenen Bereichen auch nur
das eigene religiöse Vorstellungsgut gelten
zu lassen und alles ihm Fremde oder gar
Widersprechende sorglichst auszuschlie‐
ßen, kam man nun aber im Verlaufe der
Jahrhunderte und Jahrtausende fast überall
zu einer so bedenklichen Überwertung der
„Bekenntnisse”, daß die Formulierung des
Religionsgutes, für die jeweilen Zustim‐
mung verlangt wird, allmählich allenthal‐
ben mehr Bedeutung erlangte, als das Re‐
ligionsgut selbst, ja ‒ daß die Zustimmung:
‒ das Fürwahrhalten ‒ zu fast unlösbaren
Fesselungen des inneren Lebens der ein‐
zelnen Religionsformen auswucherte. Der
„Glaube” als bloßes, gehirnlich umschlung‐
genes, gefühlsmäßiges „Fürwahrhalten”
hat in fast allen Religionen den lebendigen
Glauben, der die höchste Kraft der ewigen
Seele ist, auf weite Strecken hin erstickt,
so daß die vermeintlichen „Gläubigen”
kaum noch von ihm wissen, und man in
Gefahr gerät, gänzlicher Verständnislosig‐
keit zu begegnen, wenn man zu den in ei‐
ner Religionsform Verbundenen von ihm
spricht. Aber das ist nicht notwendiges
„Schicksal”, sondern Folge bequemer Her‐
zensträgheit, die überwunden werden kann,
und überwunden werden muß, wenn die
verschiedenen Religionsformen, die der Er‐
denmensch im Laufe der Jahrhunderte und
Jahrtausende „um des Menschen willen”
geschaffen hat, ‒ damit jede Seele dort
sich finde, wo ihr gemäße Symbole den
Weg zum inneren Lichte bezeichnen, ‒
nicht zu leblosen starren Versteinerungen
werden sollen.
.Solche Erstarrung aber kann wirksam
nur jener tiefe „lebendige” Glaube der
Seele verhüten, der in Herzensinbrunst
nach der Selbstoffenbarung seines eigenen
Lebensgrundes in sich drängt, ‒ einerlei
in welcher Religionsform das geschieht und
wie die Vorstellungsinhalte gestaltet sein
mögen für die von der Seele Zustimmung
verlangt wird. Dieser Glaube ist kein Für‐
wahrhalten irgend eines historischen Be‐
gebnisses oder wundersamen Geschehens,
‒ kein Fürwahrhalten irgendwelcher
überlieferten Lehrworte und Meinungen,
‒ aber ebensowenig steht er zu allediesem,
wie es ihm von seiner Religionsform dar‐
geboten wird, in Widerspruch. Er hat nur
erkannt, daß die ihm zur Zustimmung vor‐
gestellten, bedingt oder unbedingt als
„historisch” angenommenen Geschehnisse
ebensowohl wie die berichteten Lehrworte
für seine Religionsform unumgänglich
nötig sind zur Schaffung der Formen- und
Farbenkombinationen, die der Seele den
Weg in ihr inneres Licht, und zwar einen
für jede der betreffenden Religionsform
zugetane Seele leicht begehbaren Weg, ‒
aufs deutlichste „bezeichnen” sollen. Mit
aller Inbrunst drängt er danach, auf diesem
ihm gewiesenen Wege seinen eigenen Le‐
bensgrund in sich zu erfassen. Er glaubt
innerstem unwiderlegbaren Erfühlen, daß
er diesem, seinem Lebensgrund dereinst
am Ziele des Weges „von Angesicht zu An‐
gesicht” gegenübertreten wird, aber er
fühlt sich auch schon auf dem Wege dort‐
hin befähigt, das ihn Belebende lebendig
in sich zu erfassen, ‒ frei von aller Zweifel‐
bedrängung. ‒ Erfüllt von solchem inner‐
sten lebendigen Glauben besitzt sich die
Seele in ihrem Mittelpunkt und ist außer
aller Gefahr, fortan sich mit einem gehirn‐
lichen „Fürwahrhalten” des Vorstellun‐
genschatzes ihrer irdischen Religionsform
begnügen zu können.
.Möge der aus sich selbst lebendige in‐
nere Glaube wieder in jeder Religionsform
der Menschheit von den ihr zugeeinigten
Seelen gesucht und gefunden werden, und
damit jeder religiöse Vorstellungsbereich
von innen heraus sich als in seiner For‐
mung gerechtfertigt erweisen! Es wäre
jedoch eine unverzeihliche Torheit, wenn
man annehmen wollte, daß ich einer oder
der anderen Religionsform meine Sympa‐
thien darböte, wieder andere aber zu miß‐
achten vermöge. Ich weiß vielmehr, wo
das Eine in allen sich finden läßt, das
allein „not tut”, und suche erkennen zu
lehren, wie es praktisch in jeglicher Reli‐
gionsform erlangbar ist, auch wenn jede
aus sich heraus genötigt bleibt, seine Er‐
langung jeder anderen Religionsform ab‐
zusprechen, weil sie sonst ihre eigene Da‐
seinsberechtigung nur wirklich „Wissen‐
den” noch zu beweisen wüßte. Es ist auch
durchaus nicht nötig, den Anspruch auf all‐
gemeine Weltgeltung, den eine Religions‐
form vor anderen vorauszubesitzen glaubt,
mit harten Mitteln zu bekämpfen! ‒ Ganz
von selbst wird dieser töricht vergebliche
irrige Anspruch immer wieder in seine
Grenzen zurückverwiesen werden, zu
jeder, ihn noch antreffenden Zeit.
Auf welcher Höhe auch der Mensch sich
selber denken will, ‒ stets wird er sich
wider Willen Bild und Gleichnis, und nicht
anders denkt er Anderes in sich selber zu
Bild und Gleichnis um. Selbst der Moslim
kommt ‒ in seinen Vorstellungsberei‐
chen ‒ nicht ohne Bild und Gleichnis aus,
wenn auch der Islam, nach strenger, frei‐
lich auch fraglicher Auffassung verstanden,
die äußere Darstellung des Menschenbildes
verbietet, ‒ was glücklicherweise nicht ver‐
hindert hat, daß voreinst in persischen
und indischen moslemitischen Kulturbe‐
reichen die herrlichsten Kleinmalereien
entstanden sind, die den Menschen voll
Glut und sprühender Lebendigkeit wieder‐
zugeben wußten, ohne bei den dortigen
damaligen Gläubigen Anstoß zu erregen. In
anderen Religionsformen, die im sichtbar‐
lich dargestellten Bilde des Menschen
nicht die Gefahr magischer Überwältigung
fürchten zu müssen glaubten, ist ja, wie
jeder Unterrichtete weiß, die Darstellung
des Menschenbildes bis zu den höchsten
Möglichkeiten der Kunst emporgesteigert
worden, weil die Darstellung hier ‒ „Pre‐
digt” sein wollte und stärkste Eindringlich‐
keit erstrebte, der zur Überredung durch
das Auge immer willigen Seele gegenüber.
Aber auch für seine Wiedergabe in der
Sprache konnte das Vorstellungsgut der
Religionsformen Bild und Gleichnis un‐
möglich entbehren. In Bild- und Gleichnis‐
form ging es in die Seele des Hörenden
über, um sein eigen zu werden. Solches
Vor-stellen eines transparenten, plasti‐
schen Bildes vor die seinem Denken anders
unfaßbare geistige Wirklichkeit, kann frei‐
lich auf den höchsten Höhen der Seele
auch zu sublimster Einfühlung und Gottes‐
kenntnis im Lichte ewiger Liebe führen,
aber weit näher liegt es dem Erdenmen‐
schen, das von ihm geschaffene, sich selber
vorgestellte Bild immer kompakter zu ge‐
stalten, wobei er es dann allerdings auch
immer mehr irdischen Vorbildern nach‐
zubilden sucht.
.Wenn es sich, wo immer, um die Vor‐
stellung Gottes handelte, als der Urselbst‐
gestaltung, der alles Gestaltete Leben und
Dasein dankt, dann fand sich tragischer‐
weise der Erdenmensch zu allen Zeiten ge‐
drängt, seine Vorbilder unter Seinesglei‐
chen zu suchen, soweit ihm Seinesgleichen
an irdischer Macht überlegen waren. So
ist „Gott” im Vorstellungsbilde des Erden‐
menschen zum „König” eines ewigen Rei‐
ches geworden, und die Seele, die doch in
Wahrheit das ewige Wirkliche erfahren will,
bleibt in den großbauschigen Mantelfalten
einer plastisch derben Darstellung erden‐
menschlichen Machtwillens gefangen. ‒ Es
ist schlechterdings unmöglich, ein Vorstel‐
lungsbild zu ersinnen, das
noch weniger
Entsprechungen zu der
Wirklichkeit Got‐
tes aufzuweisen hätte! Aber nach solcher
irdischen Grundform sind die Gottesvor‐
stellungsbilder der größten Religionen ge‐
staltet, die der Erdenmensch sich zu geben
wußte...
.Wenn auch Millionen diese Vorstellungs‐
bilder mit aller seelischen Liebeskraft zu
verehren trachten, während andere Millio‐
nen nur die
Furcht vor des derart vorge‐
stellten Gottes angeglaubter
Macht zu sei‐
nem Dienste zwingt, so darf man sich doch
auch nicht wundern, wenn man die Zahl
Derer immer mehr im Wachsen findet, die
ihre dumpfe Furcht schließlich zu über‐
winden wußten oder ihre glühende Liebe
eines Tages in bitterer Erkenntnis verlö‐
schen sahen, und nun
alle Gottesvorstel‐
lung für trügliches Menschenwerk halten,
weil sie
die ihre als solches erkannten.
Nie‐
mand steht sich selbst so sehr im Wege wie
der Enttäuschte: ‒ der eine Täuschung
Losgewordene! ‒ In seinem Grimm dar‐
über, daß er sich täuschen konnte, über‐
sieht er, daß nur sein Vorstellungsbild in
ihm die Täuschung bewirkte, und so wähnt
er die Wirklichkeit als unwirklich über‐
wiesen, während lediglich ein Bild dieser
Wirklichkeit zusammenstürzte.
.Unnütz ist es, den Enttäuschten des „Un‐
glaubens” anzuklagen, aber nötig ist, ihm
zu zeigen, wie er des Wirklichen, dem er
von außen her durch sein nun für ihn
zertrümmertes Vorstellungsbild hindurch
vergeblich zu nahen suchte, innewerden
könne in sich selbst! ‒ Um diese Weise:
‒ das Wirkliche in sich selber als des
eigenen Daseins Urgrund erfahren zu
dürfen, ‒ lehrend aufzuzeigen, wird man
gewiß der Vorstellungsbilder auch nicht
entraten können. Doch diese Vorstellungs‐
bilder werden sorglichst jedes Vorbild aus
dem Irdischen her meiden, das nicht in
hellster Transparenz zu durchschauen
wäre. Und alles, was sich in bildhaften
Worten sagen läßt, wird nur dazu dienen
wollen, in dem Belehrten die Vorstellung
von der Struktur des ewigen Wirklichen
zu erwecken, in dem und aus dem er
selber lebt. Gott ist so Vieles und so Viel‐
seitiges wie Verschiedenes zu gleicher
Zeit und gleicher Ewigkeit, daß es nie‐
mals möglich wäre zu sagen, was Gott ist,
wenn es nicht möglich wäre, die Struk‐
tur des geistigen Lebens, dessen Selbstbe‐
wußtsein Gott ist, in großen Linien auf‐
zuzeichnen. Die Seins-Aspekte Gottes, die
ich in solcher Weise aufgezeichnet habe,
von der geistigen Zahlwertauswirkung Eins
ausgehend, die dem Menschen nur „zwi‐
schenliegend” denkbaren verschiedenen
Wertauswirkungen bis zur Zahl Zwölf um‐
fassend, sind ausschließlich in solchem
Sinne gemeint, und es ist dabei an keiner
Stelle an ein Nebeneinander oder Überein‐
ander, wie es im Irdischen allein möglich
wäre, zu denken, sondern zu versuchen,
ein lückenloses gleich ewiges Ineinander
zu erfühlen, denn „vorstellen” läßt sich
dieses sich gegenseitig erfüllende Selbst‐
sein in der Struktur des ewigen Geistes
nicht, und es ist auch nicht meine Absicht
eine „Vorstellung” zu vermitteln, wo ich
die Wirklichkeit selbst dem Einfühlungs‐
vermögen meiner Mitmenschen empfin‐
dungsnahe bringen kann. Wie nahe ihnen
die ewige Wirklichkeit in meinen Worten
herbei gekommen ist, werden Einzelne
ahnen, ‒ Andere auch erwachend erfah‐
ren, solange diese Worte Menschen erlang‐
bar bleiben.
In allen seinen unendlichfältigen Selbst‐
darstellungen innerhalb der Struktur des
Lebens im ewigen Geiste, ist „Gott” sich
selbst in jeglicher selbstgewollten Eigen‐
form ewige absolute Selbstempfindung.
.So ist auch das wirkliche Endziel für
alles zeitliche Wollen und Tun, Daseinwol‐
len und Gestaltbegehren des irdischen
Menschen: ‒ Selbstbestätigung seiner
gottbedingten ewigen Seelenkräfte in ei‐
gener Selbstempfindung, denn nur in sol‐
cher Selbstempfindung kann die Seele
wieder in Gott eingehen und Gottes „inne”
werden. Nur aus Selbstbestätigung durch
Selbstempfinden in der Selbstempfindung
Gottes ist Liebesvereinigung mit Gott in
Gott möglich. Vorher steht die Seele nur
in Liebes-„Bereitschaft”, und ihre ver‐
meintliche „Liebe” zu Gott ist Liebes‐
„Verlangen”, indem sie ihre Liebeskraft
einem „Über-ihr” darbietet, an das sie
zwar zu „glauben” verhalten wird, ‒ das
sie aber keinesfalls kennt. Und nur in der
sie alle jeweils zu ewigem Vereinigtbleiben
einenden Einzelseele können die ewigen
Seelenkräfte ihr Selbstempfinden im Ewi‐
gen wiedererlangen, von dem sie ausge‐
strahlt sind, um selbstgeformt wieder in
ihren Ursprung eingesogen zu werden, ‒
kristallisiert an einen ewigen Bewußtseins‐
kern, der sie alle durchleuchtet und allen
seine ewige Eigenfarbe verleiht, die zu
ihm gehören.
.Es ist aber hier nicht die Rede von
einem nur gedachten Vorgang, sondern
von einem wirklichen Geschehen, und alle
Belehrung dient nur dazu, dieses Ge‐
schehen in der Seele herbeizuführen, in‐
dem alle irrigen Vorstellungen, die dem
Eintreten des Geschehens Hindernisse be‐
reiten, nach Möglichkeit hinweggeräumt
werden, um solchen Vorstellungen Raum
zu schaffen, die das Eintreten des Ge‐
schehens wirksam vorbereiten.
.So ist alles, was ich notgedrungen von
dem Einen und Unendlichfältigen sagen
mußte, was „Gott” ist, nicht dazu gegeben,
um in gedanklicher Spekulation zerdacht
zu werden, sondern um in der Seele jene
Vorstellungen wieder zu erwecken, die sie
unbewußt aus dem ewigen Ursprung der
Seelenkräfte her in sich verwahrt. Was ich
sage, erwartet keine Glaubensbereitschaft
und will ebensowenig etwa „verstanden”
werden, sondern sucht in den ewigen Kräf‐
ten der Seele die ihm entsprechenden
Erinnerungen wieder bewußt zu machen,
was um so eher gelingt, je mehr der Auf‐
nehmende seinem spekulierenden Denken
zu wehren weiß, dem meine Worte gerade
gut genug sind, um sie als Material für
seine Verstandes-Spiele zu verwerten. Es
handelt sich um eine wirkliche Verände‐
rung des Bewußtseinszustandes der Seele,
und nicht nur um eine andere Art zu
„denken”. Nur diese sehr erhebliche Ver‐
änderung des normalerweise im Irdischen
für unveränderlich gehaltenen Bewußt‐
seinszustandes bringt der Seele die unum‐
stößliche Gewißheit, nach der sie stets
vergeblich durch Gehirnarbeit strebt. Die
ewige Wirklichkeit ist Gedankenschlüssen
unerreichbar. Sie kann nur im Bewußtsein
empfunden werden und bringt nur in der
Empfindung Bestätigung, ‒ allerdings
eine Bestätigung, die so vollkommen ist,
daß auch nicht mehr der leiseste Wunsch
nach gedanklicher Erfassung des Erlangten
bestehen bleibt.
.Um solche Empfindung möglich zu
machen, habe ich jeweils die sie tragenden
Worte gewählt. Man soll sie nicht mit
anderem mengen, was ähnlich klingt! Man
soll aber auch keinen Kult mit ihnen
treiben und nicht tüftelnd nach geheimen
Bedeutungen in ihnen suchen. Man soll
sie vielmehr in aller Einfachheit aufneh‐
men und sie in der Seele so zu empfinden
suchen, wie sie gegeben sind. Niemals
aber darf man sie zum Anlaß und Aus‐
gangspunkt für eigene gedankliche Speku‐
lationen machen! Ich lege auch keinerlei
Wert auf gedankliche „Zustimmung”, und
nichts liegt mir ferner, als durch Über‐
reden „überzeugen” zu wollen. Ich rufe
zum praktischen Erproben meiner Worte
auf. Um aber praktisch erprobt werden
zu können, müssen sie empfunden werden,
bis sie als Empfindungsgut Eigenbesitz des
Aufnehmenden sind. Meine Worte sind
vor allem: ‒ Empfindungs-Träger, Emp‐
findungs-Vermittler und Empfindungs‐
Erwecker. Was sie daneben noch dem
„Sinn” nach besagen, ist sekundärer
Natur, auch wenn es gewiß dazu mithelfen
will, der Seele die Aufnahme des ihr dar‐
gebotenen Empfindungsgutes anzuraten.
Auch dem „Sinne” nach sollen meine
Worte in erster Hinsicht als Empfindungs‐
erwecker aufgenommen werden!
Es ist weder meine geistgegebene irdi‐
sche Aufgabe, noch meine erdenmensch‐
liche, wunschbestimmte Absicht, noch gar
mein Wille, Geschehnisse, die in Zukunft
sich ereignen können oder ereignen müs‐
sen und werden, vorauszusagen.
.Ich habe niemals, auch nur nachfühlend
und bei Anderen, den Wunsch verstanden,
voraus wissen zu wollen, was die Zukunft
bringt, und ich würde es als unerträgliche
Belastung empfinden, müßte ich Kenntnis
kommender äußerer Geschehnisse in mir
verwahren oder wäre gar gezwungen, sie
vorauszuverkünden.
.Wenn sich dennoch Stellen in meinen
Schriften finden: ‒ im „Buch vom leben‐
digen Gott”, im „Buch vom Menschen”,
in der sozialethischen Lehrschrift „Das
Gespenst der Freiheit”, und vor allem im
„Buch der Liebe”, ‒ die auf Zukünftiges
im Bereiche der irdischen Möglichkeiten
des Menschen verweisen, so liegt da wesent‐
lich Bedeutsameres zutage, als es eine Vor‐
hersage zukünftiger äußerer irdischer Er‐
eignisse jemals darzustellen vermöchte.
.An allen solchen Stellen ‒ ohne jede
Ausnahme ‒ fand ich mich nicht durch
irgendwelches Vorauswissen bestimmter
irdischer Ereignisse zur Niederschrift des‐
sen bewogen, was ich geschrieben habe,
sondern stand in geistiger Pflicht, dem mir
aus meinem ewigen geistigen Urgrund her
Mitgegebenen in Worten meiner Sprache
Ausdruck zu schaffen.
.Mit solcher geistigen Verpflichtung ist
aber keineswegs eine irdisch-gehirnliche
Verständigung darüber verbunden, auf
welche bestimmte Daten, Personen und
äußeren Schauplätze sich der Inhalt des
geistig Gezeigten bezieht, oder durch
welche Umstände das Geschehen herbei‐
geführt wird, von dem das mir zur Ver‐
kündung Übergebene handelt. Mit anderen
Worten: ‒ ich bin an allen Stellen meiner
Schriften, an denen auf zukünftiges irdi‐
sches Geschehen hingewiesen wird, ledig‐
lich Überbringer rein geistiger, mir aufge‐
tragener Botschaft, und außerstande, Kom‐
mentare zu dem Gesagten zu geben. Möge
sich jeder Leser das von mir in Worten
Wiedergegebene jeweils selbst nach seiner
Weise deuten, wenn er dazu das Bedürfnis
fühlt! Ich bin da in keiner Weise vor ihm
bevorzugt, habe aber auch kein Recht, eine
private eigene Deutung solcher Stellen der
Öffentlichkeit darzubieten, ja auch nur den
mir im Irdischen am nächsten stehenden
Menschen dergleichen mitzuteilen.
.Wo ich als geistig Beauftragter dem Emp‐
fangenen die sprachliche Mitteilungsform
zu geben habe, dort weiß ich nur, daß, und
warum der Inhalt unumstößliche absolute
Gewißheit ist, und ich müßte ihn wieder‐
geben, wenn mir auch jegliche, mir selbst
allein nur zubestimmte Deutungsmöglich‐
keit fehlen würde. Wo ich aber aus meinem
Eigenen im ewigen Geiste nehme, was ich
zu künden vermag und zu geben habe,
dort wird man gewiß niemals gewahren,
daß ich von zukünftigen Dingen als Vor‐
aussager spreche, es sei denn, man rechne
hierzu das „jenseitige” Leben, das aller‐
dings meinen Lesern noch etwas Zukünf‐
tiges ist, ‒ mir aber stete Gegenwart neben
dem gleichzeitigen äußeren physischen Er‐
denleben.
.Ich leugne jedoch wahrhaftig nicht, daß
aus meinem Eigenen im ewigen Geiste,
auch Zukünftiges mir bewußt ist, wie
längst Vergangenes und erdenzeitlich Ge‐
genwärtiges. Solches Bewußt-sein aber
ist ein Nach-Erleben dessen, was voreinst
in Menschenseelen durch ihr Erleben emp‐
funden wurde, ‒ ein Mit-Erlebenmüssen
dessen, was in erdenzeitlicher Gegenwart
infolge erdenmenschlichen Erlebens im
Seelischen empfunden wird, ‒ und ein
Vor-Erleben dessen, was erst zukünftiges
Geschehen zu seelischem Empfinden
bringt. An keinem Punkte solcher Er‐
lebens- und Empfindungsverbundenheit
sind mir etwa die äußeren Umstände
zugleich bewußt oder auch nur im Bilde
gegenwärtig, die das von mir seelisch Mit‐
empfundene äußerlich ausgelöst haben,
gegenwärtig auslösen, oder in Zukunft
auslösen werden! Ich selbst ziehe meinem
Miterleben in dieser Hinsicht die genaue‐
sten Grenzen, von denen ich alles fernhal‐
te, was nicht von mir mitempfunden wer‐
den muß und sich dennoch in mein
Bewußtsein eindrängen möchte. Was aber
in meinem rein geistig bestimmten Mit‐
empfindenmüssen von mir aufgenommen,
empfunden und erfahren wird, ist auch
nur meiner eigenen seelischen Ein-Sicht
zubestimmt, und soll niemals Gegenstand
einer Vorhersage werden, auch wenn es
Zukünftiges in sich umschließt.
.Weshalb mir jedoch zu verschiedenen
Zeiten aus dem Bewußtsein und Willen
Dessen, in dem ich ewig geistgeboren bin,
zubestimmt wurde, Hinweise auf Zukünf‐
tiges zu übermitteln, wird erst zukünfti‐
gen Menschen offenbar sein. Ehe Bestäti‐
gung fand, was meine Worte einer mir
selbst nicht vorher nach irdischem Zeitmaß
ausmeßbaren Zukunft zusagen mußten,
kann niemand erkennen, was erst spätere
Geschlechter aus der ihnen dargebotenen
Bestätigung erkennen werden.
Alles, was ich zu sagen kam, ist nur gesagt
worden, um die,
denen es gilt, zu ihrem
bewußten Erwachen im ewigen Lichte des
Geistes zu rufen, der ihr substantieller
Lebensurgrund ist und daher einzige Ge‐
währ des Lebens in der Dauer. Ich will
jedoch nicht
jene wecken, denen der
Schlaf noch
nötig ist. Ihnen habe ich
nichts
zu sagen, und was sie dennoch hören,
wenn ich zu den Meinen spreche, das bleibt
ihnen nur wie Klang und Sang, den das
Ohr eines Schlafenden aufnimmt ohne des
Gehörten Sinn zu fassen. Noch träumen
sie mit offenen Augen, und ihrer Träume
Welt ist ihre einzige bewußte „Wirklich‐
keit”.
Man muß die Traumbetörten wei‐
terschlafen lassen bis sie selbst einmal des
Schlafens müde werden, ‒ sei es noch in
dieser Erdenzeit oder erst nachdem die
Hilfe, die der Erdenkörper ihnen darbot,
unerreichbar für sie wurde. „Die Nacht,
da niemand wirken kann” ist „Nacht”
nur dem, der seines Erdenkörpers Geistes‐
hilfe nicht zu nützen strebte, und nur von
Seinesgleichen ist gesagt, daß „niemand”
in dunkler Nacht zu „wirken” wisse. Es
ist nicht gerade leicht, seine Träume am
hellichten Tage zu durchschauen und zu
gewahren, daß die geträumte Wirklichkeit
nur „Wirklichkeit” ist für den Traum, der
in ihr spielt. Es ist aber unsagbar viel
leichter, zu dieser Einsicht zu kommen,
solange der Erdenkörper noch der Emp‐
findung des Ewigen irdische Resonanz dar‐
zubieten vermag, als nach dem körper‐
lichen Tode, der solche Möglichkeit
definitiv entzieht.
.Die man weiterträumen lassen muß, da
sie noch lange nicht des Schlafens müde
wurden, ahnen natürlich nichts von diesen
Dingen, und wollen nichts erahnen, was
sie erwecken könnte. Sie fühlen sich zu
wohl in ihrem Träumen, das sie ihr
„waches Denken” nennen, als daß sie auch
nur den leisesten Drang in sich zu fühlen
fähig wären, ihren Zustand mit einem an‐
deren zu vertauschen. Im Glauben, ihrem
gehirnlichen Denken müsse sich jedes
Dunkel auflichten, vermuten sie überall
Irrtum und Täuschung, wo ihrem erträum‐
ten Erkennen die Aufhellung unmöglich
ist, weil nur die erwachte
Empfindungs‐
fähigkeit der Seele das substantielle Licht
des ewigen Geistes zu erfassen vermag.
Und
keiner der in ihren Träumen so
Selbstgewissen wird gewahr, wie wertvoll
ihm
sein Erdenkörper werden könnte,
wenn er ihn zu nützen wüßte als zeitlich
gegebenen Empfindungs-Verstärker, durch
den es der Seele unsagbar erleichtert
wird, das hauchzart im Geiste Emp‐
fundene an das Gehirnbewußtsein her‐
anzubringen.
.Allen diesen, ihrer Sache so Sicheren
habe ich nichts zu sagen, und was ich sage,
ist nicht für sie gesagt. Erst wenn ihre
große Sicherheit eines Tages ihnen selbst
verdächtig wurde, werden sie zu mir fin‐
den können, und dann erst werde ich auch
ihnen „etwas zu sagen” haben.
.Niemals aber habe ich denen etwas
zu sagen, die ‒ wie Wühlmäuse die
Wurzeln ‒ alle Geheimnisse annagen,
deren Innewerden ihnen nicht zubestimmt
ist. Sie sind nicht minder bei offenen
Augen im Traum, wie die anderen, aber
ihr Träumen ist Auskosten unsauberer
Gier und verstohlener Sucht nach Macht
über Mächte, die ihnen wohlweislich un‐
erreichbar überordnet sind. Mögen solche
Freibeutergehirne auch alles was ich
anderen zu sagen habe, in ahnungsloser
Überheblichkeit auf sich beziehen, so kann
es ihnen doch niemals zu eigen werden,
denn was ich zu sagen habe, will empfun‐
den werden, ‒ die beflissen nach verbor‐
gener Macht Begierigen aber wollen
hinterlistig hinter die Dinge kommen,
von denen ich anderen zu sagen habe, daß
man ihrer nur innezuwerden vermag.
.Wer wirklich zu denen gehören will,
denen ich etwas zu sagen habe, der muß
weit den Wahn von sich werfen, als ob ich
ihm ein „Wissen” bringen wolle, das er
zu seinem vorhandenen irdischen Wissen
hinzutun könne und somit für sich ge‐
wonnen habe. Erst dann faßt er das, was
ich zu sagen habe, wenn er in jedem Wort
nur meinen Willen erfühlt, die Empfin‐
dungsfähigkeit seiner Seele zu wecken,
und dann erst werden ihm meine Worte
auch wirklich „etwas zu sagen haben”!
Alles, was ich sage, will empfunden
werden und ist nicht in der Absicht gege‐
ben, dem Scharfsinn des Empfangenden
eine Aufgabe darzubieten zur Übung
seiner gedanklichen Zergliederungskunst.
So habe ich denn auch allen denen nichts
zu sagen, die eifrig das bei mir Gehörte
anderem irgendwo Vernommenen anzu‐
bequemen suchen, denn was ich gebe,
wird sofort verfälscht, wenn man meine
Worte derart deutet, als wollten sie
irgendeinem philosophischen oder be‐
kenntnishaften Denksystem Eideshelfer‐
dienste leisten. Was ich sage, ist
Bezeugung ewiger Geisteswirklichkeit
und nur aus ihrer Selbstempfindung zu
Wort geworden! Was ich gebe, gleicht gut
aufgenommenen Landkarten, die den
Reisenden vor dem Verirren schützen.
Wer aber das Land selbst wahrnehmen
will, dem nützt es nichts, um die Wege zu
„wissen”. Nur, wenn er sie selbst
beschreitet, wird ihm empfindungsnahe
kommen, was vorher ihm verborgen war!
Wenn immer wieder gesagt wird, daß der
Weg zum ewigen Lichte, ja, das ewige
Lichtreich selbst, aus dem der unzerstör‐
bare Kern geistigen Menschentums: ‒ der
substantielle ewige „Geistesfunke” ‒ ent‐
stammt und in das er mit oder ohne das
Individualbewußtsein des Erdenmenschen
wieder zurückkehren muß, ‒ nur „im
Innern” zu finden ist, so wird damit frei‐
lich nicht gemeint, daß die erdgezeugte
Menschnatur das ewige geistige Licht‐
reich und den Weg zu ihm in sich um‐
schließe, wie ein Gefäß seinen Inhalt um‐
schließt. Der Mensch dieser Erde ist viel‐
mehr die Zusammenfassung einer Gruppe
von sehr verschiedenen Regionen der
Empfindungsfähigkeit, und der Weg zum
Lichte führt von einer dieser Regionen
zur anderen, immer näher zu der aller‐
innersten. Seit den ältesten Zeiten haben
alle, die von diesem Wege wußten, ihn
zwar im Bilde einer Stufenfolge und eines
Aufstieges dargestellt, aber es ist hier nicht
an einen Weg in die Ferne zu denken,
sondern immer festzuhalten, daß jede
„Stufe” auf dem „Wege” zum Lichte,
eine Stufe nach innen darstellt, und nur
„höher” als die vorherige liegt, weil sie in‐
nerlicher gelagert ist. Der „Weg” ist aus
konzentrisch geordneten Regionen immer
lichterer Empfindungsfähigkeit gebildet.
Man könnte ihn an einem technischen Ver‐
ständigungsmodell darzustellen suchen,
indem man vor eine Lichtquelle eine nicht
zu geringe Anzahl gleichgroßer kreisrun‐
der Glastafeln von verschiedener Färbung
befestigen würde, so, daß eine dieser Ta‐
feln nach der anderen zu entfernen wäre.
Zuerst würde kaum ein Schein des Lichtes
die farbigen Gläser durchdringen, aber je
mehrere man von den äußeren, die zu‐
gleich die dunkelfarbigsten sein müßten,
hinwegnähme, desto deutlicher käme die
Form des innen brennenden Lichtes dem
Auge zu Bewußtsein, wenn auch noch im‐
mer durch mancherlei Färbung gesehen,
bis zuletzt die gänzlich farbenfreie in‐
nerste Kreistafel auch die wirkliche Eigen‐
farbe des Lichtes freilegen würde.
.Seiner Tiernatur nach eingeboren der
allen bekannten äußeren physischen Welt,
sieht es der Mensch als seine nächstliegen‐
de, zumeist sogar als seine einzige Aufgabe
an, nur die alleräußerste Region der
Empfindungsfähigkeit, die gerade noch
seine Tierseele umschließt, sich zu Bewußt‐
sein zu bringen und auszukunden. Immer
wieder aber wurden Menschen, trotz der
fast undurchlässigen Dichte der ihnen allein
vertrauten äußeren Empfindungsregion,
doch das innere Licht fühlend in sich ge‐
wahr, wenn es ihnen auch nur in der Art
einer Ahnung aufschimmern konnte. So
entdeckte der Mensch, daß auch noch an‐
dere Regionen der Empfindungsfähigkeit
ihm gegeben seien, durch die er dem ge‐
ahnten Lichte näherkommen könne, und
wenn er auch zumeist nicht weiter gelangte
als in die Region der Bilder, wie sie in
den Offenbarungen seiner Religionen zum
Ausdruck kommt, so war damit doch schon
Entscheidendes erreicht. Bis hierher konn‐
te jeder geführt werden, um seines Inner‐
sten wenigstens im Bilde bewußt zu
werden.
.Es ist aber vielen auch mehr zu erlangen
möglich, wenn auch unter diesen wieder
nicht alle die Kraft der Zuversicht auf‐
bringen, die unbedingt und viele Jahre
oder selbst Jahrzehnte hindurch nötig ist,
um in jene Regionen der Empfindungs‐
fähigkeit zu gelangen, in denen die Kräfte
der ewigen Seele unvermittelt empfunden
werden können, oder gar in die aller‐
innerste Region hinzufinden, in der al‐
lein der ewige Geistesfunke um den die
ewigen Seelenkräfte „kristallisieren”, sich
dem Empfinden des irdischen Menschen
zu eigen gibt. Aber so, wie im äußeren
irdischen Leben gar viele lebensbedeut‐
same und richtungweisende Dinge keines‐
wegs allen Menschen erlebbar und versteh‐
bar werden können, obwohl die Auswir‐
kung dieser Dinge aller Menschheit fühl‐
bar wird und keinen ausnimmt, der sich
nicht selber ausschließt, so genügt es auch
vollauf, von den im Geistigen nicht allen
erfahrbaren und durchdringbaren Dingen
durch die Verkündigung der Leuchtenden
des Urlichtes zu wissen, ‒ die in den hier
in Betracht kommenden Regionen allein
erfahrungsfähig sind und im Verlaufe der
Jahrtausende immer wieder ihren Ver‐
künder finden, ‒ will man die Gefahr ver‐
meiden, daß man sich selber ausschließe
durch verkehrte Willensrichtung. Das
„
Heil der Seele” wird
durch den Willen
bestimmt, nicht durch ein Fürwahrhalten
irgendwelcher Berichte und Glaubens‐
lehren! Wenn sich der Wille des irdischen
Menschen
weigert, seine Direktiven wei‐
terhin nur
von seiner Tierseele allein ent‐
gegenzunehmen, so stellt sich der Mensch
schon damit in die Leitung des sich in
ihm erlebenden ewigen Geistesfunkens,
wodurch seine
ewige Seele allmählich
die
Form empfängt, die sie braucht um sein
sonst zeitlich vergängliches Individualbe‐
wußtsein in ihre Unvergänglichkeit auf‐
nehmen zu können. Diese „Transfusion”
erfolgt gänzlich unvermerkt, und unab‐
hängig davon, welche inneren Empfin‐
dungsregionen dem irdischen Menschen
schon zugänglich wurden. Nur der eigene
Wille des Menschen kann wieder scheiden,
was in solcher Art Verschmelzung fand.
Wenn die empfangene Antwort wieder
eine neue Frage veranlaßt, so hat man den
deutlichsten Beweis dafür in Händen, daß
die Antwort nicht aufgenommen und „zu
eigen” gemacht worden war. Wie oft soll
ich auch noch sagen, daß es wahrhaftig
meine Aufgabe nicht ist, der unbändig
wuchernden Fragelust des Gehirnverstan‐
des unnötigerweise Anregung zu immer
neuen Fragen zu bringen! Viel mehr als
mir jemals oblag, bin ich der menschlichen
Schwäche des nimmermüden Fragenstel‐
lens verstehend entgegengekommen, aber
man wird gewiß nicht behaupten wollen,
daß ich dabei unterlassen hätte, immer
wieder darauf hinzuweisen, wie wertlos
alles in Fragen sich verzettelnde Wissen‐
wollen ist, und wie nutzlos jede Antwort,
die nicht zu eigener Beantwortung einer
Frage führte. Wenn man auch alles wüßte,
was jemals von den Weisesten aller Zeiten
in den Landessprachen ihrer Völker ver‐
kündet und niedergeschrieben wurde
über den Urgrund menschlichen geistigen
Lebens, so wäre man diesem, seinem ei‐
genen geistigen Lebensurgrund damit
noch nicht um Haaresbreite näher gekom‐
men. Wohl aber kann man empfindend
seiner innewerden, ohne auch nur ein
Wort jener Weisen zu kennen, ‒ ohne
auch nur das Geringste von dem zu wis‐
sen, was über diesen ewigen geistigen Ur‐
grund erdenmenschlichen geistigen Le‐
bens ausgesagt zu werden vermag.
.Das Nachgeben gegenüber dem Drang
zur Frage verursacht jedesmal eine erheb‐
liche Schwächung des Empfindungsver‐
mögens und stellt die Einwilligung dar zu
einem Versuch mit untauglichem Mittel,
vielleicht eher verstandesmäßig zu einer
Erkenntnis zu kommen, die nur in emp‐
findungsmäßigem Innewerden erreich‐
bar, aber nur zu erlangen ist nach Ablauf
zubestimmter Zeit. Das Verlangen nach
einer Antwort von außenher ist Bereit‐
schaft, sich abzufinden mit gedanklich
faßbarer Darstellung dessen, was in seiner
vollen Wirklichkeit zu eigen werden soll,
aber als solche allein der Empfindung
wahrnehmbar wird. Wer da glaubt, seine
hohe Intelligenz vor sich und anderen ins
rechte Licht gestellt zu sehen durch im‐
mer erneute Fragenstellung, der narrt sich
nur selbst, da er nach einer Entscheidung
strebt, die niemals dort fallen kann, wo er
sie so selbstgewiß sucht. Er gleicht einem
Menschen, der etwa mit einem Flugzeug
aufsteigen wollte um Fische zu fangen ‒
in den Wolken! Die Fragen, die beim
Suchen nach Licht und Erleuchtung wirk‐
lich berechtigt sind, können nicht in Worte
gefaßt werden, sondern formen sich nur
der Empfindung, in der allein sie auch
ihre Beantwortung finden. Jedes Fragen
in Worten ist hingegen nur ein Hinaus‐
schieben der erlangbaren Antwort in der
Seele selbst. Es handelt sich ja doch nicht
um etwas, das in Worten zufriedenstellend
ausgesprochen werden könnte, auch wenn
die wundersamsten Worte sich dazu dar‐
bieten wollten. Es ist das zu Erlangende
auch nichts, das so, aber auch anders sein
könnte, auch wenn es in tausendfältig ver‐
schiedener Umschreibung benannt zu
werden vermag. Es handelt sich vielmehr
allein um den verborgenen substantiellen
Urgrund des eigenen zeitlichen Daseins
wie des eigenen Seins im ewigen substan‐
tiellen Geiste!
.Hat aber der Erdenmensch auch nur ein‐
mal diesen durch alle Geschlechterfolgen
weiter sich auswirkenden und in jedem
Einzelnen erneut sich individualisieren‐
den Urgrund seines eigenen Lebens leib‐
haftig empfindend in sich erfahren, dann
sieht er erst erschauernd, welcher Torheit
er voreinst verfallen war, als er noch
wähnte, dieses Erste und Letzte, ‒ Ein‐
malige und Unendlichfältige, ‒ lasse in
Worten sich erfragen und könne Frage‐
worten Antwort werden...
Aller Auf‐
schluß über innere Zusammenhänge
ewigen, substantiellen geistigen Lebens
kann ja niemals das Bewußtwerden im
eigenen Innern ersetzen, und keine ge‐
dankliche Darlegung vermag jemals die
Gewißheit zu schaffen, die allein das
Inne‐
werden dieses Einen, das alle Zahl in sich
darlebt, in der leibhaften Empfindung er‐
zeugt. Hier endet jeder Bereich der Frage
und alle gedanklich genährte Fragelust ist
erloschen. Wird aber auch solches Ein‐
gehen in die allerinnerste Region der
Empfindungsfähigkeit wahrhaftig nur
Wenigen gewährt, da nur die Wenigsten
darauf zu warten wissen, so bleibt doch
Allen wache Einsicht offen, wo auch
immer sich ihr Empfinden Ewigem einzu‐
beziehen strebt: ‒ fraglos allem gehirn‐
bedingten Fragedrang sich selbst ver‐
sagend und dem Wirklichen zugekehrt,
das nur dem Empfindungsbewußtsein sich
offenbaren kann.
Daß Menschen dem Tiere die Seele ab‐
sprechen konnten, erscheint unbegreiflich
töricht, wird aber auch scheinbar unver‐
ständlich, angesichts der Gewißheit, daß
die übergroße Mehrzahl der Erdenmen‐
schen nur ebendiese Tierseele als eigene
„Seele” kennt und die aus ewigen Seelen‐
kräften gestaltete, ihrer Substanz nach in
der Dauer verharrende Seele kaum oder
garnicht im Innern wahrzunehmen fähig
ist. Und doch liegt hier nur ein wohlbe‐
greifliches Irren vor, insoferne, als der
Mensch alles Überphysische, was in ihm,
gleich der Seele des Tieres, nur Funktions‐
ergebnis des Lebens der Zellen seines sicht‐
baren tiergemäßen Körpers ist, schon zu
seiner ewigen Seele zählte, über deren Da‐
sein er durch Solche seiner Art unterrich‐
tet worden war, die sich in ihr zu erleben
vermochten. Daß die Beobachtung aber
den Erdenmenschen dennoch dahin führte,
auch im Tiere Gleiches zu entdecken, wie
das, was ihm in ihm selber der ewigen
Seele zuzugehören schien, zeigt deutlich
genug das oft wiederkehrende Märchen‐
motiv, in dem Tiere erscheinen, die eigent‐
lich tierhaft verhüllte Menschen, oder
durch boshafter Zauberer Kraft verzau‐
berte Menschen sind. Es war dem Men‐
schen unheimlich, daß er am Tiere, das
doch nach den meisten Glaubenslehren
„keine Seele” haben konnte, gleichwohl
Seelisches wahrnehmen mußte, und wo
der religiöse Glaube die Seelenwande‐
rung zuließ, dort fand die Vorstellung,
daß sich Menschenseelen in Tieren ein‐
gefesselt fänden, gewiß keinen ausschlie‐
ßenden Widerstand, ‒ war doch der Glau‐
be an Metempsychose selbst nur eine
Folge der Wahrnehmung gleicher Eigen‐
schaften und gleichen Verhaltens bei
Mensch und Tier.
.Wie ich in der knappen Abhandlung
„En sôph” im „Buch vom lebendigen
Gott” kurz aufgezeigt habe, stößt die in
ewiger Starre sich selbst erschütternde
Nacht des Urseins ohne Unterbruch dunkle
Kräfte aus: ‒ gleichsam Splitter ihrer eige‐
nen, ewigen unerschöpflichen Substanz, ‒
ewiges Ursein, wie sie selbst, und nach der
Auswirkung in einem jeweils bestimmten
schöpferischen Zyklus wieder in sie zu‐
rückkehrend. Ich habe dort dargelegt, wie
diese Urseinskräfte Ursache aller Gestal‐
tung im Weltenall sind. Ich zeigte aber auch,
wie sie in sehr verschiedenen Formen wir‐
ken. Eine der subtilsten dieser Formen
zeigte ich in den im „Urlicht” zu absolu‐
ter Klarheit aufleuchtenden Kräften, aus
denen die Individualform der ewigen Seele
des Menschen sich gestaltet. Diese Gestal‐
tung kann jedoch nur erfolgen, wenn der
ewige „Geistesfunke”, ‒ der als dauernde
Individualisierung im ewigen Geiste, An‐
laß aller Individualisation im Zeitlichen
wird, ‒ diese „Seelenkräfte” an sich zur
Kristallisation bringt, dadurch, daß der
Wille des Erdenmenschen sie ihm zur Eini‐
gung überläßt. Wie alles Gestaltete, ist
auch das Tiergemäße des Erdenmenschen,
und mit ihm, dessen Wille, nur Folge-Er‐
scheinung der Auswirkung jener Urseins‐
kräfte, die wieder in die Nacht des Urseins
zurückkehren, nachdem sie jeweils den
Zyklus ihres zeitlichen Wirkens vollbracht
haben. Im Tiere ist dieses Vollbringen mit
der Gestaltung der Tierseele geschehen,
die ebenso im Erdenmenschen ‒ soweit
er des Tieres ist ‒ sich darstellt als bloßes
zeitliches Funktionsergebnis seines tierge‐
mäßen Organismus, und aufhört zu beste‐
hen, sowie dieser Organismus seine Lebens‐
bedingungen nicht mehr erfüllen kann.
Der entscheidende Unterschied zwischen
Tier und Erdenmensch besteht darin, daß
der Mensch auch noch in der Tiergebun‐
denheit, in die er auf Erden gefesselt ist,
fähig bleibt, seiner selbst als des ewigen
„Geistesfunken” aus dem Urlicht bewußt
zu werden, ‒ und das wieder ist innerhalb
des Irdischen nur möglich, weil der Erden‐
mensch nicht
nur die Folge-Erscheinung
der Auswirkung bloß im Physischen gestal‐
tungsfähiger Urseinskräfte darstellt, son‐
dern jene hohen,
durchlichtungsfähigen
Urseinskräfte, ‒ die ihm schon allein aus
ihrer eigenen ewigen Dauer und Ewig‐
keitskonsistenz heraus seiner Seele „Un‐
sterblichkeit” verbürgen, ‒ in
direkter
Beziehung
als sein Eigen in sich selber
findet.
Es ist des Erdenmenschen not‐
wendige, durch sein Dasein selbstge‐
setzte Aufgabe, die hohe Form der Ur‐
seinskräfte, ‒ die als „Ursein” im „Ur‐
licht” aufleuchtend, seine Seelenkräfte
bilden, um endlich im „Urwort” blei‐
bender Gestaltung der Seelenform zu
dienen, ‒ im Kristallisationspunkt sei‐
nes Ewigen zu einen! Das aber erfolgt
durch einen konstanten Akt des erden‐
menschlichen Willens, der ja nur Folge‐
Erscheinung des Wirkens jener primiti‐
ven Form der ewigen Urseinskräfte ist,
deren dem Erdenmenschen zugängliche
höchste Form seine eigenen ewigen See‐
lenkräfte sind.
.Alle Ewigkeitsempfindung ist dem ins
Irdische „gefallenen” Menschen nur mög‐
lich durch die ewigen Seelenkräfte, ‒ aber
nur dann, wenn sie ihren Herrn und Mei‐
ster in dem ewigen „Geistesfunken” des
Menschen fanden, und in ihm die Eini‐
gung. Ein wie geheimnisvoll Erhabenes
auch jede einzelne ewige Seelenkraft dar‐
stellt, so ist doch jede ein Eigenwilliges,
das ‒ ohne Bündelung in einer individuell
bestimmten Seelenform ‒ nur sich selber
und seine Eigenstrebung auswirkt. So
kann der Erdenmensch trotz allen seinen
Seelenkräften dennoch seinem Ewigen
verloren gehen, wenn er nicht seinen, nur
die Folge-Erscheinung geistiger Urseins‐
kräfte bildenden irdischen sekundären
Willen nach aller, wenn auch erdbehin‐
derten Möglichkeit konstant dem primä‐
ren Willen des ewigen Geistesfunken in
sich anzugleichen bestrebt ist. Denn nur
in diesem rein ewigkeitsbestimmten Wil‐
len lassen sich die ewigen Seelenkräfte
nach bestimmter, geistig dargebotener
Formung in der bleibenden ewigen Men‐
schenseele einen. So aber nur erfolgt auch
jene „festliche Einung”, in der des Men‐
schen nurirdisches Bewußtsein die Be‐
fruchtung aus ewigem Geistesmenschen‐
tum durch Erfassung des eigenen ewigen
Geistesfunkens in sich empfängt, wonach
dem nun geistig Überlichteten „sein le‐
bendiger Gott” in der eigenen, indivi‐
duell geformten Seele „geboren” wird.
Gewiß wäre die Annahme richtig, daß
nach dem Tode des menschlichen Kör‐
pers die Tierseele des Menschen mit allem
was jemals in ihr erlebt wurde, als bloßes
Funktionsergebnis seiner nunmehr zu je‐
der Funktion unfähig gewordenen Leib‐
lichkeit, ausgelöscht sein müsse wie bei
jeglichem Tier, dem der Tod auch die
Seele endet, ‒ wenn nicht beim Erden‐
menschen während seines leiblichen Le‐
bens die Tierseele mit der bleibenden
Seele derart intensive Empfindungsge‐
meinschaft eingegangen wäre, daß sich
das in der Tierseele Erlebte in vielfältig‐
ster Verwobenheit mit den Kräften der
ewigen Seele findet. So ist nun zwar auch
nach dem Tode des Menschen kein weite‐
res Bestehen der Tierseele möglich, aber
das, was in der menschlichen Tierseele bis
zu ihrem Erlöschen erlebt worden war,
ist in den ewigen Seelenkräften neben
und unter deren eigenem Erlebensinhalt
vorerst noch mitverwahrt, und es braucht,
‒ nach irdischer Zeitvorstellung bemes‐
sen, ‒ je nach der Art des Erlebten und
der Stärke seiner Einprägung, Jahrzehnte,
Jahrhunderte, Jahrtausende und mehr, bis
die endgültige Siebung nach dem Willen
der ewigen Seele jeweils durchgeführt
werden kann, wonach sich dann bestimmt,
welche Erinnerungsgegenwart dem ewi‐
gen Bewußtsein
erhalten bleibt und wel‐
che die Seele
für immer erloschen sein
läßt.
Die ewigen Seelenkräfte, die in my‐
riadenhafter Anzahl die während des Er‐
denlebens vom Menschen durch Wille und
Tat gestaltete Form seiner Seele bilden,
haben
mitempfunden, haben
miterlebt,
was in der Tierseele ehedem empfunden
und erlebt worden war, und verwahren es
im Bewußtsein der
bleibenden Seele bis
diese durch eigenen Willensakt entschei‐
det, was ihr erhalten sein, und was ihr
entschwinden soll.
.Diese Entscheidung sogleich nach dem
Tode des irdischen Körpers zu treffen, ist
unmöglich, weil die einzelnen, der Tier‐
seele entstammenden Erlebenseindrücke
den ewigen Seelenkräften in ganz ver‐
schiedener Intensität eingeprägt sind, je
nach den Impulsen, die das Empfinden in
der Tierseele gleichzeitig in den ewigen
Seelenkräften zum Mitschwingen gebracht
hatten. Nicht eher steht es der bleiben‐
den Seele frei, zu entscheiden, was sie
in ihrem dauernden Bewußtsein behalten
und was sie ausstoßen will, als bis alle Im‐
pulskraft aufgebraucht ist, durch die ehe‐
dem ein Empfinden der Tierseele sich
den ewigen Seelenkräften einzuprägen
vermochte. Alles Identitätsbewußtsein ist
aber nur in den Empfindungskomplexen
enthalten, die sich die ewige Seele der‐
einst für die Dauer einbezogen sehen
will. Was sie hingegen ausstößt, ist damit
für die Dauer ausgelöscht, wie alles beim
Tode des Tieres erloschen ist, was jemals
für das Tier in seiner Seele bewußtes Er‐
leben geworden war. Von allem Tiereser‐
leben kann ja nur in die Dauer eingehen,
was die ewigen Seelenkräfte eines Men‐
schen, der an dem Erleben eines Tieres
Anteil nahm, als menschliche Empfindung
berührte und Eindrücke hinterließ als
Erinnerungsgegenwart. Die dunklen Ur‐
seinskräfte ohne Eigenbewußtsein, die
Ursache für des Tieres Leben, Gestaltung
und Tierseele gewesen waren, sind hin‐
gegen nur indirekt durch das Erleben des
Tieres berührt worden, insofern als ein‐
drucksames und lange hindurch wieder‐
holt empfundenes Erleben in der Tier‐
seele die einzelnen Urseinskräfte gleich‐
sam zu imprägnieren vermag, so daß in
ihrer nächsten zur Gestaltung drängenden
Verbindung Ausdruck finden kann, was
sie in der vorhergehenden empfingen.
Nicht anders verhält es sich beim Men‐
schen dieser Erde, soweit er Tierleben,
Tiergestaltung und Tierseele ist!
.Wenn man davon spricht, daß die Seele
„Schaden leiden” könne, und dabei etwa
die bleibende, ewige Seele meint, so will
und soll solches Wort nur in übertragenem
Sinne verstanden sein, denn in Wirklich‐
keit kann die ewige Seele weder durch
Irdisches geschädigt, noch gar getötet wer‐
den. Wohl aber kann sie dem Erdenmen‐
schen verlorengehen, ‒ wie der Erden‐
mensch ihr, ‒ so daß in ihm abstirbt, was
ehedem aus den Kräften seiner Seele gei‐
stiges Leben in der Zeit empfangen hatte.
Was hingegen des Erdenmenschen Tier‐
seele anlangt, so kann diese allerdings sei‐
ner ewigen, bleibenden Seele Erinne‐
rungsgegenwärtiges darbieten, das die
ewige Seele auch dann sich erhalten
wissen will, wenn längst die Impulse,
die es ihr einprägten, aufgebraucht sind.
So wird in Ewigkeit die Bewußtseins‐
einheit zwischen dem vormals im Irdi‐
schen lebenden Menschen und seiner blei‐
benden Seele erhalten. Aber mit nicht
geringerer Wirksamkeit kann die ewige
Seele auch aus der Tierseele her nur
mit ihr Ungemäßem belastet werden, das
auf unermeßbare Zeiträume hin jede
Einung des vormaligen irdischen mit
dem ewigen Bewußtsein ausschließt,
oder ‒ auch für alle Ewigkeit unmög‐
lich macht...
.Um das, was seine ewige Seele ihm zu
geben hat, braucht sich der Erdenmensch
wahrhaftig nicht zu sorgen. Wohl aber
vermag er während seines physischen Le‐
bens kaum sorgsam genug darauf zu ach‐
ten, daß seine Tierseele darbietet, was
seine bleibende Seele in die Dauer auf‐
nehmen kann!
Wenn sowohl ein bloß zeitlich erfolgen‐
des und nur zeitlich wahrnehmbares
Funktionsergebnis des irdischen, tierhaft
organischen Körperlebens mit dem Wort
„Seele” bezeichnet wird, indem man von
der „Tierseele” spricht, ‒ als auch jenes
im Physischen unfaßbare Ewige, das blei‐
bende Äußerungswelt des individualisier‐
ten ewigen Geistesfunkens ist, so hat hier
eine gleiche Namensgebung volle Berech‐
tigung. Zwar ist die Tierseele nur ein in‐
direktes Ergebnis des Wirkens ewiger Ur‐
seinskräfte dunkelster drang- und trieb‐
mäßiger Auswirkungs-Stufe ohne Eigen‐
bewußtsein der am Leben eines Organis‐
mus beteiligten Myriaden solcher Kräfte
für sich selbst, während die bleibende
Seele sich ihre Form bilden läßt aus Myri‐
aden vollbewußter, im Urlicht aufleuch‐
tender Urseinskräfte der menschlich emp‐
findbaren höchsten Stufe, und somit eine
direkte Manifestation dieser hohen Ur‐
seinskräfte darstellt, ‒ aber dennoch han‐
delt es sich bei Beidem um überaus Ähn‐
liches, soweit die Empfindungsform für
Beides in Frage kommt. So ist denn in
beiden Fällen der gleiche Name nichts
anderes als eine Charakterisierung dieser,
beiden gemeinsamen Empfindungsform.
Schon aus der Tatsache, daß beide Er‐
lebens- und Empfindungsbezirke ihre
Gleichnamigkeit in jeder Sprache durch
ein anderes Wort bezeichnen lassen müs‐
sen, ergibt es sich, daß der Name „Seele”
nicht eine an bestimmte Buchstabenfolge
geknüpfte lautgemäße Darstellung bildet,
sondern als benennender Name für wirk‐
lich Vorhandenes, physischen Augen Un‐
sichtbares, gemeint ist.
.Hingegen ist die Definition des Erden‐
menschen als eines sichtbaren vergäng‐
lichen Körpers und einer unsterblichen
Seele nur ein Notbehelf, zu dem der im
Irdischen Gebundene seine Zuflucht nahm,
nachdem ihm bewußt geworden war, daß
noch anderes als das körperhaft Sichtbare
in seiner Existenz sich auswirke. Solcher
Notbehelf war genügend in Zeiten naiver
Hinnahme primitiver Erklärungen alles
Wahrgenommenen, ‒ er genügt aber
nicht mehr, nachdem es dem Erdenmen‐
schen Bedürfnis wurde, seine Beobach‐
tungen kritisch zu vergleichen. So mußte
denn das Beibehalten dieses Notbehelfes
immer mehr und mehr die Empfindungs‐
fähigkeit für die bleibende Seele abschwä‐
chen, nachdem kritische Beobachtung
mehr und mehr der Tierseele habhaft
wurde, und entdecken mußte, daß hier
nichts anderes vorliegt, als ein zeitliches
Funktionsergebnis des vergänglichen irdi‐
schen, aus tierhaften Kräften, ‒ wenn
auch dem Tiere weit überlegen, ‒ geleb‐
ten Lebens. Je mehr sich alles Empfin‐
dungsvermögen nun auf die ja als Wirk‐
lichkeit zeitweilig bestehende, dann aber
der Auflösung verfallende Tierseele kon‐
zentrierte, desto weniger konnte es im‐
stande bleiben, auch die bleibende Seele
zu empfinden, einerlei, ob man das Emp‐
fundene ‒ nicht ganz zu Unrecht ‒ als
Beweis dafür ansah, daß alle beobachtete
„seelische” Äußerung dem physischen
Körper allein zuzurechnen sei, oder ob
man ‒ gegensätzlicherweise ‒ nun alles,
was wirklich nur die Tierseele zur Ur‐
sache hat, schon als Manifestation der
ewigen Seele auslegte. Beide Irrtümer
können nur überwunden werden, wenn
man weiß, daß es sich bei allem „Seeli‐
schen” im Erdenmenschen um zwei di‐
stinkt voneinander zu unterscheidende
Lebensbereiche, aber ihre der Empfin‐
dung nach ähnlichen Äußerungen handelt.
.Es ist nun freilich dem nicht gänzlich
im Geistigen Bewußten praktisch uner‐
reichbar, etwa in jedem Einzelfall fest‐
stellen zu können, was an seelischen Äuße‐
rungen noch der Tierseele entstammt, und
was mit Bestimmtheit die Existenz der
bleibenden: ‒ der ewigen, unsterblichen
Seele voraussetzt. Zu sehr ist Beides in‐
einander verflochten, wenn auch insoferne
bedeutsame Unterscheidung besteht, als
zwar alles, was in der Tierseele empfun‐
den und erlebt wird, auch der ewigen
Seele zu Bewußtsein kommt, ja, in ihr
verwahrt wird, ‒ während es einer sorg‐
fältigen Erziehung der Tierseele und
jahrelanger ausdauernder Hingabe bedarf,
wenn sie auch nur die Gewißheit der Exi‐
stenz der bleibenden Seele erlangen will.
Das hindert jedoch nicht, daß die mensch‐
liche Tierseele in einemfort Einflüsse aus
der bleibenden Seele empfängt, ohne der
Herkunft und Natur dieser Influenzen be‐
wußt zu werden. Ihnen dankt es der Er‐
denmensch, daß seine Tierseele sich zu
unermeßlicher Höhe über die Seele der
bloßen Erdentiere emporzuheben ver‐
mag, ‒ wie das zum Beispiel in den Be‐
reichen der freien Künste geschehen
kann, ‒ obgleich es freilich dennoch
möglich bleibt, daß Menschen kaum jene
Höhe der Entwicklung ihrer Tierseele er‐
reichen, die schon in höheren Tieren
vielfach vorgefunden wird.
Wo heute noch, nach allem, was ich über
diese Dinge aus dem Ewigen mitgeteilt
habe, ernsthaft gefragt werden kann, was
denn in den Abgeschiedenen erlebens‐
fähig sei nach dem Tode des Erdenkör‐
pers, so daß dieses Überdauernde sowohl
die Hände hoher Helfer ergreifen, diese
aber auch abweisen und sich unermeß‐
liche Zeit lang in die selbst miterzeugten
„Strandreiche” bannen könne, ‒ dort
muß ich entgegenfragen, ob der trotz
allem was er in meinen Lehrschriften ge‐
lesen hat, doch noch so wenig Erfüh‐
lende nicht etwa nur eine mechanische
Lesemaschine sei, da er offenbar ebenso‐
wenig beim Lesen meiner Worte empfun‐
den hat, wie ein Grammophonapparat
vom Inhalt der Platten empfindet, deren
Gravuren seine Nadel nachzieht. Ich weiß
gewiß, daß ich gezwungen bin, Vielem
Ausdruck zu schaffen, was sich kaum aus
der Wirklichkeit in Worte übersetzen läßt,
und ich bin wahrhaftig nicht vermessen
genug um etwa anzunehmen, daß ich für
alles die vollkommenste Darstellungsweise
gefunden hätte, ‒ aber außer jeder Dis‐
kussion steht mir die in der Praxis un‐
zähligemale bewiesene Möglichkeit, aus
meinen Worten durch einfache logische
Schlußfolgerung zu der richtigen Ant‐
wort auf jede Frage zu gelangen, die
allenfalls noch sich aufdrängen könnte
ohne von mir bereits ausdrücklich spezia‐
lisiert beantwortet zu sein. Auch die hier
nun bezeichnete Frage erfordert wahrhaf‐
tig keinen besonderen Scharfsinn zu ihrer
Beantwortung und ist überdies von mir
oft genug beantwortet durch alles, was ich
jemals im Hinblick auf das Bestehen eines
Bewußtseins und Willens nach dem Tode
des Körpers zu sagen hatte.
.Daß es nicht die erdenmenschliche
Tierseele ist, die den körperlichen Tod
überlebt, ergibt sich wohl deutlich genug
aus meiner Bekundung, daß diese Tier‐
seele lediglich Funktionsergebnis der Le‐
benserscheinungen des physischen Kör‐
pers ist, also mit dem Tode des Körpers
aufhört, zu bestehen. Es können nur Ge‐
bilde, die man als „Doppelgänger” oder
als „Astralleib” bezeichnet hat, eine ge‐
wisse Zeit weitererhalten bleiben. Diese
Gebilde sind Schemen, die der Impuls zu
eigener Bildgestaltung aus den Kräften
der Tierseele hervorgehen ließ, als diese
noch bestand und in Wirksamkeit war,
und die als Resultat dieser Wirksamkeit
die Auflösung der Tierseele ebensolange
überdauern können, wie die sonstigen
irdischen Auswirkungen der durch die
tierische Seele ausgelösten Impulse, deren
ja eine große Anzahl als Nachwirkung je‐
des beendeten Erdenlebens im Irdischen
zurückbleiben. Aber diese Schemen kön‐
nen zwar ‒ solange sie noch existieren ‒
als aktiv sich auswirkende Erinnerungs‐
bilder Spuk und Unfug verursachen, ha‐
ben aber nicht das allermindeste mehr
mit ihren Erzeugern gemeinsam. Das ein‐
zige, was nach dem Tode des Körpers
Träger des ehemals in der Tierseele sei‐
ner selbst bewußt gewesenen mensch‐
lichen Individualbewußtseins des Erden‐
menschen zu sein vermag, ist nur die
bleibende, ewige Seele, die ja in sich
noch alle Empfindungserinnerung ver‐
wahrt, die sie aus der ihr während des kör‐
perlichen Lebens verbundenen mensch‐
lichen Tierseele empfing. In ihr allein
lebt auch der Wille und die irdisch be‐
stimmte Empfindungsfähigkeit weiter,
die voreinst der Erdenmensch in seiner
Tierseele fand.
.Gewiß bedeutet dieser Zustand für die
ewige Seele eine Bindung, der sie sich je
eher desto lieber entzogen sehen will.
Aber anderseits gehört dieses „Leben
nach dem Tode”, wie es bis zur endgül‐
tigen Befreiung der bleibenden Seele
durchlebt werden muß, noch vollständig
zum Erdenleben! Es stellt nur den Teil
des irdischen Menschenlebens dar, der
ohne tierhaften, sichtbaren Körper und
somit ohne Tierseele zu erleben ist. Erst
wenn auch diese Form irdischen Erlebens,
durch Aufbrauchung der im physischen
Leibesleben mit Hilfe der Tierseele ge‐
schaffenen, impulsgetriebenen Kräfte,
endgültig ausgelebt ist, wird die indivi‐
duelle und während des erdenkörper‐
lichen Daseins unter Beihilfe der Empfin‐
dungs-Resonanz des Tierkörpers durch
die ewigen Seelenkräfte geformte blei‐
bende Seele gänzlich frei, aus irdischer
Erinnerung zu verwahren, was sie ver‐
wahrt wissen will, und aufzulösen, was sie
als nicht der ewigen Erhaltung würdig
empfindet.
.Was hierher gehört habe ich noch zu
allem Überfluß auch auf den letzten
Seiten des kleinen Bandes rhythmischer
Wortfügungen: „Leben im Licht” auf ein‐
fachste Form gebracht, und wenn ich an
gleicher Stelle vordem in zwei verschie‐
denen Bildern von der „Seele” spreche,
so wird man doch wohl jetzt begreifen,
daß von dem die Rede ist, was die Tier‐
seele der bleibenden Seele als Erinne‐
rungsgegenwart mitzuteilen vermag. Die
ewige Seele kann wahrhaftig nicht zu
einem „Stall”, oder einem faulichten
„Tümpel” werden, um als solcher in sich
selber zu verwesen. Durch ihre, während
eines Erdenlebens erfolgte Verbindung
mit einer tierischen Seele findet sie sich
jedoch gezwungen, aus der Tierseele auch
Empfindungseindrücke in sich aufnehmen
zu müssen, die leider mitunter nach weit
drastischeren Vergleichen rufen, als den
von mir zur Erläuterung gewählten...
.Es gibt „Tierschutzvereine”, die zu
verhindern suchen, daß Tiere unnötig zu
leiden haben, und solches Bestreben
ist gewiß aller Förderung wert. Nicht
weniger aber sollte der Mensch sein
Augenmerk auf den Schutz seiner eige‐
nen bleibenden Seele richten, die er vor
unsagbarer Last zu behüten vermag, von
der er erst selbst bedrückt sein wird, nach‐
dem sein Leibesleben ihm erloschen ist. ‒
Mögen auch Anhänger ehrwürdig alter
Religions-Systeme, denen der Erden‐
mensch nur aus dem sterblichen Leibe
und einer unsterblichen Seele zu „be‐
stehen” scheint, zur Not etwa zuzugeben
geneigt sein, daß sich ein Seelisches, dem
der Tiere gleich, in ihren Selbstbekun‐
dungen während des Erdenlebens zur
Auswirkung bringe, so darf man doch
sicher damit rechnen, daß die allenfalls
Zustimmungsbereiten diesen Auswirkun‐
gen eine obere Äußerungsgrenze anwei‐
sen, die ‒ in der Wirklichkeit ‒ kaum
deren niederste Auswirkungszone gänz‐
lich umfaßt. Alles Höhere rechnen sie
bereits ihrer ewigen Seele zu, in der
sicheren Meinung, es könne nur unbe‐
deutend Niederes Ausdruck eines zeitlich
bedingten Lebenskomplexes sein, der
selbst nur in Wahrheit ein Funktionser‐
gebnis vergänglichen irdischen Körper‐
lebens darstellt. Bis zu gewissem Grade
wird solche Auffassung allerdings dadurch
unterstützt, daß die Tierseele, wie schon
erörtert ist, im Erdenmenschen überaus
bedeutsame und sie in mancher Hinsicht
unvergleichlich Höherem als dem ihr Ge‐
mäßen zuführende Influenzen aus der
ewigen Seele empfängt. Einflüsse, die
dem Tiere niemals zuteil werden könn‐
ten! Es ist darum schwer geworden, mit
Gewissheit zu bestimmen, was noch der
erdenmenschlichen Tierseele zugeschrie‐
ben werden muß, und was ohne Frage
Auswirkung der
bleibenden Seele ist.
Aber trotz allem darf man jederzeit sicher
sein, daß man die obere Grenze für das,
was aus der vergänglichen, irdisch-tier‐
haften Seele des der Erde verhafteten
Menschen stammt,
garnicht hoch genug
ziehen kann! ‒
Die Einsiedlermönche
des Athos beweisen auf ihre Art unstrei‐
tig eine tiefe Erkenntnis, wenn sie alle
Arten der Gelehrsamkeit für unverein‐
bar mit echter Frömmigkeit, und für ein
Hindernis der Gottesschau erklären. Um
das aber recht zu verstehen, muß man
wissen, daß es sich bei diesen asketischen
Anachoreten keineswegs etwa um die all‐
bekannten Divergenzen zwischen Glau‐
ben und Wissen handelt, sondern um Ge‐
lehrsamkeit schlechthin, mag sie auch
„rechtgläubige” Theologie und vor allem
religiösen Zweifel gesicherte Schrift‐
kunde umfassen. Ihre Erkenntnis läßt
sie ‒ in freilich übersteigerter Folge‐
rung, ‒ einen ganz seiner ewigen Seele
lebenden Analphabeten weit höher ein‐
schätzen als einen mit allen verstandes‐
mäßig zu lösenden Fragen orthodoxer
Theologie Vertrauten, denn sie wissen
sehr wohl, daß zwar auch dessen Verstand
sehr vieles den Influenzen der ewigen
Seele verdankt, daß aber sein gelehrtes
Erforschen die ewige Seele kaum be‐
nötigt....
.Vielleicht wird es manchen Leser die‐
ser Worte erschrecken, wenn er gewahr
wird, daß er, von allen Zweifeln unbe‐
rührt, vieles aus bestem Glauben seiner
bleibenden Seele zuzuschreiben gewohnt
war, was er nun ‒ wenn er der Wahrheit
die Ehre geben will ‒ hinfort seiner ver‐
gänglichen irdischen Tierseele dankbar
anrechnen muß. Es ist aber besser, ein‐
mal durch solches Erschrecken hindurch‐
zugehen, als sich dauernd in Träumen zu
gefallen, die der Wirklichkeit keineswegs
entsprechen und darum auch nichts
Wirkliches in dem Traumgefesselten zu
fördern vermögen. Nun ist es gewiß
nicht nötig, wie die strengsten Einsiedler
unter den Athosmönchen, sich nur dem
Empfinden der ewigen Seele hinzugeben
und in allem, was durch die Kräfte der
vergänglichen tiergemäßen Seele dem
Bewußtsein nahegebracht werden kann,
gleichsam „Schlingen der Hölle” zu ver‐
muten. Es ist sogar angebracht, der
Tierseele in sich mit aller Ehrfurcht zu
begegnen, und keineswegs gering zu
schätzen, was sie dem Erdenmenschen zu
vermitteln hat. Es ist jedoch anzustreben,
daß die tierhafte Seele gänzlich dem
Dienste der ewigen Seele unterstellt
wird, denn sie kann in solchem Dienste
der ewigen Seele Werk in kaum vorstell‐
barer Weise fördern. Ist auch die Tier‐
seele nicht, gleich der bleibenden Seele,
seiner selbst bewußter Erlebensraum
eines individualisierten ewigen Geistes‐
funkens, ‒ offenbart sie sich auch nicht
in einer empfindbaren Form aus höchsten
lichtempfänglichen Urseinskräften, ‒ so
ist sie dennoch sekundäre Auswirkung
des Urseins, wenn auch in seiner licht‐
fernsten, nur blind schöpfungsträchtigen
Selbstdarstellung aus der alles Gestaltete
im Weltall seine Gestaltung fand und fin‐
det. Ehrfurcht ist hier wahrhaftig wohl‐
angebracht, und jede Unterschätzung muß
unerwünschte Folgen schaffen!
.Gewiß ist es dem eine ewige Seele
Glaubenden oder vermeintlich schon Er‐
fühlenden wenig erwünscht, zu hören,
daß auch die höchsten Resultate mensch‐
lichen Denkens ‒ mag sich dieses Denken
auf das beziehen, was man „Philoso‐
phie” zu nennen pflegt, auf Religion,
Mathematik oder irgendwelche Gebiete
der höchstentwickelten Technik mit Ein‐
schluß der Chemie und aller ärztlichen
Forschung ‒ durchaus zustandekommen
können ohne die geringste Mitwirkung
der ewigen Seele. Noch schwerer aber
wird es ihm zu verstehen sein, daß auch
technisch hochbedeutsame Werke jeg‐
licher Kunst nur das Werk der im Men‐
schen zu höchster Entwicklung gelangten
Tierseele sind, auch wenn sie freilich auf
jeder technisch zu wertenden Höhe Aus‐
drucksgestaltungen der bleibenden Seele
werden können.... Es wird kaum mit
einem anderen Wort soviel Mißbrauch ge‐
trieben, wie mit dem Wort „Seele”, das
auch jeder als Bezeichnung für etwas dem
Tierhaften Überordnetes aufgenommen
wissen will, der sich aufs heftigste wehren
würde, wollte man von ihm erwarten, daß
er die bleibende Seele als Wirklichkeit
seinem erdachten Weltbild überzuordnen
wisse. ‒
Von Zeit zu Zeit erreichen mich immer
wieder Briefe recht beachtlicher Kenner
meiner Bücher, die ihrer Empörung oder
Entrüstung Ausdruck geben zu müssen
meinen über irgendwelche geringschätzi‐
ge, dumme, oder auch kategorisch ableh‐
nende Äußerung eines ihnen bekannten
berufsmäßigen Religionsvertreters gegen‐
über meinen Schriften. Man läßt mir sol‐
che Mitteilungen zukommen in der Mei‐
nung, es sei mir sehr erwünscht, darum
zu wissen, damit ich mich derartiger Ab‐
schätzungen privatim oder öffentlich er‐
wehren könne. Solche Auffassung ent‐
stammt aber einem Optimismus, den ich
nicht teilen kann. Man macht sich nicht
klar, daß der Gemeindeleiter einer Reli‐
gionsgenossenschaft, mag ihm was immer
für ein historisch entstandener Titel ge‐
bühren und mag sich die Genossenschaft
auch lieber „Kirche” nennen und sich
mit gottverliehener geistiger Macht begabt
glauben, auf alle Fälle ein Beamter der
Glaubensgenossenschaft ist und als solcher
deren Interessen zu wahren hat. Es ist
aber keinem Kirchenbeamten und kei‐
nem, den Interessen einer Glaubensgenos‐
senschaft dienstbereiten Gelehrten zur
Pflicht gemacht, meine Schriften zu sei‐
nem eigenen Heil bedachtsam zu lesen.
Kommen sie ihm durch irgendeinen unvor‐
hergesehenen Umstand dennoch vielleicht
vor Augen, so ist es ihm gewiß nicht zu ver‐
übeln, wenn er sie mit vorgefaßtem Arg‐
wohn betrachtet. Je befangener, befürch‐
tender und darum oberflächlicher er ihren
Inhalt ansieht, desto gewisser wird er
glauben, dieser Inhalt bedrohe die Inter‐
essen der Genossenschaft, die ihm Amt,
Würde, Titel und Versorgung gibt, und
die schließlich doch auch eine Glaubens‐
lehre vertritt, die seiner Überzeugung
nach den ihr zugetanen Gläubigen das
ewige Seelenheil bringt. Kein Wunder,
wenn er die ihm anvertrauten Gläubigen
vor Mitteilungen behütet sehen will, die
da und dort anders klingen als der Wort‐
laut der Lehren, die er ihnen zu geben
hat. Ein solcher Gemeindeleiter, oder ein
solcher konfessionell gebundener Theo‐
loge müßte schon ein ganz außerordent‐
lich weitsichtiger und überaus urteilsreifer
Vertreter seines Berufes sein, wenn er
nach dem Lesen einiger meiner Schriften
erkennen sollte, um was es sich handelt,
und daß der Verbreitung und Bestätigung
des von ihm Geglaubten und seiner reli‐
giösen Überzeugung nach Richtigen keine
gewaltigere Hilfe zuteil werden könnte,
als sie ihr in dem Inhalt dieser Schriften
dargeboten wird. Fast alle diese von mir
durchaus nicht unterschätzten Seelsorger
sind aber innerlich unlösbar gebunden an
den ihnen vertrauten Wortlaut der ge‐
glaubten Lehren und nicht minder an die
Ausdeutung der Worte, die nun einmal
als klassische theologische Lehrmeinung
gilt. Wie sollte ich angesichts derart ab‐
weisender Meinungsgewißheit annehmen,
es bedürfe nur einer Aufklärung oder viel‐
leicht einer unwiderleglichen Zurechtwei‐
sung um die Befreiung eines derart Gefes‐
selten herbeizuführen? Kaum einer der
hier in Frage Kommenden ahnt ja, daß
er neben aller unanfechtbaren Wahrheit
auch recht bedenklichen Irrtum unter die
Leute bringt. Auf der anderen Seite aber
könnte es mir auf keinen Fall in den Sinn
kommen, „recht behalten” zu wollen,
denn was ich mitteile, ist keiner irdischen
Beurteilung ausgesetzt. Ich gebe Kunde
aus dem Ewigen, die nur einer geben
kann, der seinem geistigen Sein nach ur‐
gründig im Ewigen heimisch ist.
.Was aber die geschmähten „Geistlichen”
angeht, von denen man in reichlich naiver
Weise erwartet, sie müßten frohlockend
erkennen, was ihnen in meinen Schriften
dargeboten ist, so vergißt man, daß es sich
um Erdenmenschen handelt und daß der
„Geist”, dem sie sich übergeben haben,
Gehirngeist ist, auch wenn er sich mit
religiösen Problemen beschäftigt. Wie soll
man von Dienern des Gehirngeistes er‐
warten, daß sie zu erkennen vermöchten,
was aus ewigem Geiste stammt?! Aber es
liegt mir wahrhaftig ferne, den „Geist‐
lichen” der offiziellen Konfessionen auch
nur den leisesten Vorwurf zu machen. Die
ganze geistige Erziehung dieser Männer
war so geartet, daß ihnen unmöglich auch
nur der geringste Zweifel kommen konnte
an ihrer Geistverbundenheit. Wie sollten
sie jetzt, nach der Lektüre der Schriften
eines „Laien”, sich etwa überzeugt finden,
daß sie bisher einer Selbsttäuschung erle‐
gen waren?!
.Unmöglich kann ich mich auch dazu
verstehen, das Angestelltenverhältnis der
Seelsorger einer Glaubensgenossenschaft
für die intransigente Haltung gegenüber
meinem Verkündungswerk verantwortlich
zu machen. Bei aller Bestimmtheit der
Lehrverpflichtung besteht doch in der
Praxis keineswegs die enge, harte Kne‐
belung eigener Meinung, die der allem
Kirchlichen Fremde voraussetzt. Aller‐
dings gibt es auch unter den kirchlichen
Lehrbeamten genau die gleiche Aufgebla‐
senheit und engstirnige Überheblichkeit,
wie man sie innerhalb eines jeden anderen
Beamtenkörpers gelegentlich finden kann.
Trotzdem ich aber im Laufe meines Le‐
bens mit recht vielen ‒ nun einmal so
benannten ‒ „Geistlichen” der in Europa
zu findenden Religionsgenossenschaften in
menschlich nahe Berührung kam, bin ich
solcher pharisäischen Selbstgerechtigkeit
doch nur sehr selten begegnet. Hingegen
fand ich fast immer aufrichtigste Hingabe
an die übernommene Verantwortung für
das Heil der anvertrauten Seelen und eine
beträchtliche soziale Hilfsbereitschaft, so
daß ich das Lebenswerk der hier in Be‐
tracht kommenden Männer gewiß um
nichts weniger zu schätzen weiß, ob sie
sich nun meinen Bekundungen aus dem
Ewigen sympathisierend zugetan fühlen,
oder mißverstehend, aus ihrer Verantwor‐
tungsbedrängnis heraus, davor warnen zu
müssen meinen.
.Man irrt auch sehr, wenn man meint,
der Emanation des Ewigen, die in meinem
bloßen Dasein und zugleich in den durch
mich erdenmenschlich in Form gefaßten
Lehrworten vorliegt, schon verstehend zu
begegnen, solange man noch nicht einmal
versteht, daß ich keiner echten Religions‐
form die ich auf Erden vorfinde, ihr
Existenzrecht absprechen könnte. Auf der
anderen Seite sollte man freilich der Tat‐
sache bewußt sein, daß sich die ewigen
geistigen Mächte niemals der offiziel‐
len Leiter bestehender Religionsgenossen‐
schaften bedienten, sobald den einzelnen
Bereichen der Erdenmenschheit neue Ein‐
sicht in Ewiges aus dem Ewigen erwachsen
mußte. Die heute eine millionenreiche
Zahl von Gläubigen umfassenden Weltreli‐
gionen hatten ohne Ausnahme die erste An‐
regung zu ihrem Entstehen durch „Außen‐
seiter”, erhalten. Aus den Kreisen der
offiziell organisierten Priester, Prediger
und Seelenleiter gingen immer nur besten‐
falls „Reformatoren” des Bestehenden her‐
vor. ‒ Was ich in meinem irdischen Lehr‐
werk aus dem Ewigen gegeben habe und
den nach mir Kommenden hinterlasse, soll
aber weder religiöse Reformen bewirken,
noch zu neuen Religionsbildungen führen!
Ist es einmal dort, wo es nötig ist, seelisch
erfaßt, dann wird es vielmehr erst die
verborgene innerste Wahrheit aller aus
dem Ewigen her angeregten Religionen
ebenso erweisen, wie die Notwendigkeit
ihrer vom Ewigen her gewollten verschie‐
denen Formen, denen die irdischen Stifter
oder Begründer den erdenmenschlichen
Ausdruck geschaffen haben.
Aus nicht wenigen der unerbetenen Zu‐
schriften, seit dem ersten Wort, das ich in
die Welt gab, mußte ich bis zum Über‐
druß entnehmen, daß man sich einen
zeitlichen Interpreten des Ewigen auf
dieser Erde, ahnungslos, unheimlich an‐
ders vorstellt, als er hier in Wirklichkeit
geistig möglich ist. Zu viel Vorstellungen
alter religiöser Romantik spuken in den
Köpfen und zu viel Flittergold umglitzert
seit Jahrtausenden oder doch manchen
Jahrhunderten die menschlichen Gestal‐
ten, die ihren zeitlichen irdischen Mit‐
menschen Führer in das Reich des
ewigen substantiellen Geistes zu sein
vermochten, als daß man, ‒ selbst noch
in heutigen Tagen, ‒ leicht auf das Lieb‐
gewordene zu verzichten bereit wäre um
des Wirklichen willen, das zu allen
Zeiten viel einfacher und erdfarbener
war, als es Phantastik und erregtes Be‐
dürfnis nach fabulierender Ausschmük‐
kung wahrhaben wollten. So wird es
denn auch selbst denen, für die meine
Schriften doch allein geschrieben sind, so
daß sie aus meinen Worten Leben und
Licht zu erlangen wußten, in Beglückung
und Dankbarkeit oft recht schwer, mich
schlecht und recht Mensch sein zu lassen
unter Menschen, und sie bedenken nicht,
daß wahrhaft Ewiges nur im wahrhaft
Natürlichen sich offenbaren kann, weil
es sich selbst als Ewiges „natürlich” ist.
Noch zu allen Zeiten war die große Geste
und das Bedürfnis nach Nimbus aller‐
sicherstes Kennzeichen für das, was am
Menschen nicht „echt” ist in sich selbst,
denn das Echte lebt nicht aus dem Ein‐
druck, den es auf Andere macht, sondern
aus seiner eigenen Echtheit.
.Die romantische Legendengestaltung,
die sich immer und überall dort einzu‐
wurzeln und emporzuranken wußte, wo
ein Mensch im Erdenleben war, der
seinen Mitmenschen Gewißheit zu brin‐
gen hatte über das, was in ihnen wirklich
„ewig” ist, weist wahrhaftig allenthalben
unzählige Verwachsungen und Narben tö‐
richter Verschneidungen auf, aber den‐
noch hat sie ihren hohen Wert, denn sie
bot Schutz für so manches Zeugnis aus
dem Ewigen, von dem ohne solche Über‐
wucherung heute keine Spur mehr im
Allbekannten der Menschheit erhalten
wäre. Weniger dankbar aber darf man
den pathetischen oder lyrisch ausschwei‐
fenden Biographen der aus ihrem eige‐
nen Ewigen sprechenden, oder auf irgend
einem geistigen Wege aus dem Ewigen
her inspirierten Verkünder sein, deren
Lehrgut unter so mancher Legendenüber‐
wachsung noch leidlich erhalten ist, denn
diesen Biographen hat man in Wahrheit
die Bilder zuzurechnen, die einfache und
natürliche Männer, denen das Ewige ihr
Eigenbewußtsein erhellte, zu phanta‐
stisch unnatürlichen, unwahren Gestalten
verzeichneten, weil die Darsteller ihre
üppige Phantasie nicht zu beherrschen
verstanden, und weder um das ihnen fer‐
ne Geheimnis des natürlich einfachen
Menschlichen, noch um die irdische Nähe
des Göttlichen wußten. ‒ Für jeden ein‐
zelnen Gläubigen, den vormals Übereifer
durch antinatürliche Übersteigerungen
und phantastische Zufügungen aus einer
naiv unkritischen Masse heraus zu ge‐
winnen verstand, müssen heute Tausende
ihren Glauben opfern, bis man unter‐
scheiden lernt, was einst lebendige Wirk‐
lichkeit war, und was exaltierter Be‐
kehrungsfanatismus danach gestalten zu
müssen meinte.
.Ich bin wahrhaftig aus meinem ir‐
dischen Blutserbe her nicht blasphemisch
genug veranlagt, um mit einer der hier
charakterisierten, in widernatürliches
Maß verzogenen Gestalten auch nur aus
fernster Ferne „verglichen” werden zu
wollen, und man ahnt gewiß nicht, wie
wenig ich Ausdrücke der Ehrerbietung
schätze, die in holder Verstiegenheit auf
mich umgemünzt werden, aber nur zu
deutlich ihre Herkunft aus Prägestätten
verraten, deren „Gold” von Grünspan
strotzt! Wo aber wirkliches Gold in Be‐
tracht kommt, dort zeigt mir die Prägung
‒ in jedem Einzelfall ‒ immer das Bild‐
nis eines Gott verbundenen, eines Gott
vereinten, oder eines Gott inbrünstig in
sich erfühlenden Menschen, das ich je‐
weils viel zu sehr verehre, als daß ich
zulassen könnte, wie man an seine natür‐
lichen Züge rührt, um eine „Ähnlich‐
keit” hineinzubringen, die weder durch
mich, noch durch den ehemals Darge‐
stellten Bestätigung findet. Im
Ewigen
gibt es überdies
keine Gleichförmigkeit
und
keine Wiederholung! Stets ist es in
einmaliger Gestalt im Menschen dieser
Erde erschienen, und niemals würde es
sich selbst kopieren. Außerdem ist Ewi‐
ges in sich aller Ehrung
entrückt, und wo
immer Menschen die Manifestation des
Göttlichen in einem ihrer Mitmenschen
zu „ehren” glaubten, dort haben sie
allein in Wahrheit ‒
sich selbst geehrt
und ihr eigenes Menschentum, das in
Einzelnen zu Zeiten Ewiges in sich zu tra‐
gen und seiner bewußt zu sein
vermag.
.Ein
humorloser Mensch zum Beispiel
ist gewiß
niemals in Gottesnähe, wenn
er auch seiner Umgebung als reinster
Offenbarer des Göttlichen erscheinen
kann. Allzusehr ist der glückhafte Hu‐
mor wesentliche Eigenbestimmtheit des
Ewigen, als daß es sich in einem Erden‐
menschen offenbaren könnte, der ein
„Mißglückter” ist von Anbeginn, da er
aus Neigung zum Tristen und Trüben des
göttlichen Lachens nicht innezuwerden
vermag. ‒ (Allerdings hat diese Kompo‐
nente des Ewigen nichts mit Witz und
Spott zu tun, so sehr Witz und Spott auch
die körperliche Lachlust reizen können!)
Wenn man also glaubt, wer Gott zu kün‐
den wisse, müsse in ewigem Ernst er‐
schauern, dann ist man einfach im Irrtum.
Es lohnt sich sehr, diesen Irrtum als sol‐
chen in sich erkennen zu lernen! Wil‐
helm Busch war noch
trotz aller Neigung
zu schadenfroher Boshaftigkeit wahrhaftig
dem Ewigen näher als der von ihm ver‐
spottete versuchungsbedrängte Einsiedler
der Thebais... *)
.*) Über Buschs Verwechslung des Eremiten mit dem Heil‐ OO
igen von Padua siehe: „Briefe an Einen und Viele”!
.Außerdem ist jeder echte Gotteskünder
ein Kind seiner Zeit gewesen, ‒ sprach
in ihrer Sprache, trug ihre Sorgen, klei‐
dete sich in der Kleidungsweise seines
Landes, aß und trank mit Allen, was lan‐
desüblich war, ohne sich einer Sünde zu
fürchten, wenn er in seinem irdischen
Körper Körperliches kraftvoll empfin‐
dend erlebte. Alles, was an alten Kunden
anders klingt, ist Zutat schwärmerischer
Zugetaner, die auf solche Weise dem
ihrem Erfassen entrückten Gegenstand
ihrer Verehrung den Nimbus des Über‐
Natürlichen zu schaffen suchten, da sie
von der Natürlichkeit des Göttlichen
nichts wußten. Sie ahnten nicht, daß ihr
vermeintliches „Übernatürliches” nur die
Erfindung und Ausflucht ihrer eigenen
Unnatürlichkeit war, da auch das Über‐
Irdische nur der Natürlichkeit erfaßbar
werden kann!
.So möge man denn verstehen lernen,
daß ich zwar Außer-Gewöhnliches voraus‐
setzen muß und von Über-Erdenhaftem
zu sprechen habe, daß mir aber das
Ewige aus dem ich durch mein Irdisches
Kunde gebe, mein Aller-Natürlichstes
ist! Und schließlich meinen ja auch
meine Mitmenschen, wenn sie ‒ so an‐
gelernt ‒ von „Übernatürlichem” reden,
in Wahrheit das Über-Irdische, das mir
natürlicher Lebensraum, ebenso wie das
von mir nach keiner Weise hin verneinte,
vom Ewigen her geliebte Irdische ist.
Ich weiß gewiß, daß die mir aus dem
Urewigen erwachsene Bewußtseins-Situ‐
ation: ‒ im ewigen Urlicht, im ewigen
Geistesmenschen, wie im zeitlich ver‐
gänglichen tierverbundenen Erdenmen‐
schentum, ‒ meinen Mitmenschen hier
auf der Erde als etwas Befremdliches er‐
scheint, da ihnen solche Situation im
eigenen Bewußtsein unbekannt ist, und
sie im guten Glauben einander seit Jahr‐
tausenden sich gegenseitig zu überzeugen
suchten, daß nur ein „Übernatürliches”
imstande sein könne, zugleich im Ir‐
dischen und im Ewigen bewußterweise
zu leben. Mir selbst wurde es von mei‐
nem Irdischen her durchaus nicht leicht
gemacht, meine urgegebene Bewußtseins‐
Situation auch im irdischen Gehirnver‐
stande verstehen zu lernen, und es ver‐
geht heute noch kein Tag, an dem ich
nicht aus dem Ewigen in meinem Irdi‐
schen dazu zu erfahren hätte. Als harte,
aber nötige Erschwerung hatte ich von
Jugend auf eine mir irdisch angeborene
bis zum Äußersten aktive Selbstkritik
und eine mich schon in meinem aner‐
zogenen Kinderglauben schwer bedrän‐
gende Neigung zu unerbittlicher Skepsis
zu überwinden. Dazu kam dann, ‒ aller‐
dings wie Befreiung, ‒ späterhin der Ein‐
blick in alle irdisch begründeten, im
allgemeinen wissenschaftlichen Gebrauch
„psychisch” genannten Vorgänge, die zu
irrigen Deutungen im gehirnlichen Be‐
wußtsein Anlaß werden können und
selbst jene noch in Bann zu ziehen ver‐
mögen, die Verdienste darum haben, das
versteckte Geschehen aufzuzeigen. Ich
bin also wahrhaftig aus eigener Erfahrung
imstande, für jedes Verhalten meiner
Verkündung gegenüber wie für jede ir‐
rige Beurteilung meiner selbst, alles er‐
denkliche Verständnis aufzubringen. Aber
gerade darum bin ich auch dem Abwei‐
sendsten unter meinen irdischen Mit‐
menschen ‒
im Ewigen ‒
kein Fremder!
Vielleicht ‒ bin ich ihm viel näher, als sein
irdisches Bewußtsein ahnt? ‒
.Doch die „Natürlichkeit”
des Ewigen
ist keineswegs gleichbedeutend mit
Form‐
losigkeit, und jeder, dem es gleich gilt,
ob er die Form ‒ wo immer es sei ‒ er‐
füllt oder verletzt, muß sich klar darüber
werden, daß er sich damit selbst allem
wirklichen Ewigen gegenüber isoliert,
das Form auf allen Wegen will, und nur
denen sich in ihrem Innersten offenbart,
die sich im Innersten wie im Äußeren
zum Gefäß des Göttlichen zu formen
trachten.
ZUM
ABSCHLUSS UND ABSCHIED
Mit diesem Buche ist mein zeitliches
Lehrwerk beendet! Bald nach dem Beginn
des zwanzigsten Jahrhunderts in der Zeit‐
rechnung des Christentums habe ich die
ersten, meinem Gehirnverstande damals
zu eigen gewordenen Einsichten aus mei‐
nem Ewigen in Wortform zu fassen unter‐
nommen. Was ich so niedergelegt hatte,
blieb lange liegen, da ich vorerst nicht
entfernt daran dachte, es in meinen irdisch
mir zugemessenen Tagen selbst in die
Öffentlichkeit zu geben. Erst in den Jahren
1912 und 1913 entstanden an verschiede‐
nen Orten Griechenlands, bedingt durch
äußeres und inneres Erleben besonderer
Art, von dem ich innerhalb meines Lehr‐
werkes verschiedentlich berichte, die er‐
sten der nun vorliegenden Niederschriften,
nachdem ich mich allerdings im Jahre
1910 schon von der Notwendigkeit der
Selbstherausgabe zu irdischen Lebzeiten
überzeugt, und von da an die Gestaltung
einzelner Teilstücke vorbereitet hatte.
1913 ging dann von Athen aus ein solches,
dort von mir noch mehrfach redigiertes
Fragment in Druck. Heute, in den be‐
wegten Tagen des Jahres 1936, be‐
ende ich mein schriftliches Verkündungs‐
werk, das alles, aber auch nicht mehr
umfaßt, als was nach den letzten Wor‐
ten dieses Buches, ‒ das den Abschluß
der Schriftenreihe bildet, die „Das Buch
der Königlichen Kunst” an ihrem An‐
fang nennt, ‒ endgültig aufgezählt
werden wird.
.Nur die Abhandlungen über bildende
Kunst, die ich in dem Buche: „Das Reich
der Kunst” zusammengefaßt habe, sowie
die biographisch gemeinte kleine Schrift:
„In eigener Sache”, und das Bändchen:
„Aus meiner Malerwerkstatt”, das eben‐
falls in erster Linie biographisch ist, gehö‐
ren selbstverständlich nicht zu meinem
geistigen Lehrwerk, auch wenn sie seine
Spuren aufweisen. Das Gleiche gilt auch
von der Sammlung: „Okkulte Rätsel”.
Auch einzeln erschienene Abhandlungen,
soweit ich sie nicht bis heute in eines
meiner Bücher selbst aufgenommen habe,
sind ebensowenig meinem nun abge‐
schlossenen geistigen Lehrwerk beizu‐
zählen, obwohl sie durch diese Ausschei‐
dung keineswegs von mir nachträglich
entwertet werden sollen. Unter keinen
Umständen aber darf irgend eine Stelle
privater Briefe, die nicht von mir
selbst einem Buche der nun von mir
endgültig abgeschlossenen Lehrschriften‐
reihe eingefügt worden ist, jemals als
zu meinem Lehrwerk gehörig betrach‐
tet oder zur Ausdeutung einer Stelle
dieses Lehrwerkes herangezogen werden!
Ich kann für nichts Anderes ewige
Verantwortung übernehmen, als für
den heute vorliegenden Inhalt meiner
nachbenannten, öffentlich erschienenen
Schriften! Nicht von mir selbst veröffent‐
lichten Briefen gegenüber trage ich auch
dort, wo sie geistige Dinge berühren,
keine andere als die rein zeitlich bedingte,
allgemein menschliche Verantwortung, die
von keiner Äußerung etwa mehr verlangt,
als daß sie Ausdruck dessen sei, was ein
Mensch innerhalb seines Alltags, im Au‐
genblick und nur für den Augenblick
sagen zu müssen meint. Ich habe niemals
Briefe „für die Nachwelt” geschrieben,
sondern mich immer nur von meiner
Hilfsbereitschaft gegenüber dem jewei‐
ligen Adressaten leiten lassen, auch wenn
ich durchaus nicht wußte, ob er dieser
Hingabe wert war. An schwer zu ertragen‐
den Enttäuschungen hat es mir wahrhaftig
nicht gefehlt!
.Ich verpflichte mich übrigens durchaus
nicht, fortan kein Buch mehr erscheinen
zu lassen, einerlei, was etwa sein Inhalt
sein möge. Aber ich muß im voraus mich
dagegen verwahren, daß noch irgend eine
Schrift, zu der ich mich veranlaßt fühlen
sollte, meinem zum Abschluß gelangten
geistigen Lehrwerk zugezählt werde! Die‐
ser Abschluß entstammt keiner Willkür,
sondern der Forderung dessen, was hier
abgeschlossen wird.
.Die Schriftenreihe, in der dieses Lehr‐
werk nun endgültig vorliegt, wird aller‐
dings für jeden meiner Mitmenschen der
Anderes, als sein Ewiges finden will, ein
„Hortus conclusus”: ‒ ein ihm verschlos‐
sener, streng umhüteter Garten bleiben,
auch wenn die schmale Pforte, die des
Gartens Zugang bildet, weit vor ihm geöff‐
net ist. Es liegt mir nichts ferner, als dem
Unerbetenen Einlaß zu erwirken, und
einzuführen, was draußen bleiben muß!
Um so lieber aber sende ich allen meine
Segenswünsche zu, die ihr Irdisches unbe‐
sorgt dort lassen, wo es hingehört, und in
meinem Lehrwerk nur ihr
Ewiges suchen!
Ich gebe keine
systematisierte Anweisung,
sondern
lebendige Lehre! In den zwei‐
unddreißig Einzelschriften, die ebenso‐
viele Abschnitte meines geistigen Lehr‐
werkes bilden, ist
alles enthalten, was der
Erdenmensch vom Ewigen und von den
Beziehungen wissen muß, die ihn selbst
mit dem Ewigen verbinden, wenn er Wert
darauf legt, in sich den Zugang zum Ewi‐
gen zu finden und dereinst zum Erleben
des Ewigen fähig zu werden.
Die Gefahr
ist groß, derart
im Erleben des vergäng‐
lichen Irdischen hängen zu bleiben, daß
die Fähigkeit,
Ewiges zu erleben,
niemals
erreicht werden kann.
Nicht das Ewige
wird dadurch geschädigt, sondern
der
irdische Mensch, der das, was in ihm
ewiger Natur ist, endgültig und unwie‐
derbringlich in aller Ahnungslosigkeit ver‐
liert. Unzählige solche Trennungen erden‐
menschlichen Bewußtseins vom latent ihm
zustehenden Ewigen ereignen sich Tag
um Tag, Stunde um Stunde. Damit mehr
gerettet werde als die Religionen heute
noch zu retten vermögen, ist mein schrift‐
liches Lehrwerk entstanden! Mein „Nach‐
folger”, ‒ ein Mensch in gleicher seelisch‐
geistiger Situation wie ich, und gleich mir
zu irdisch vernehmbarer Stimme des ewi‐
gen Urwortes bestimmt, ‒ wird sehr zahl‐
reiche Generationenreihen auf sich warten
sehen, und nicht eher auf Erden zu wei‐
terer Weisung des von mir gewiesenen
Weges erscheinen, als bis das, was in mei‐
nem nun abgeschlossenen Lehrwerk durch
mich ausgesprochen wurde, seelisches und
gehirnbewußtes Allgemeingut aller dem
Ewigen zustrebenden Menschen dieser
Erde geworden ist!
.Man empfängt aber das in meinen Wor‐
ten dargebotene geistige Leben nicht etwa
durch ein grübelndes oder mit sich selbst
und Anderen diskutierendes Überdenken
des verstandesmäßig wahrzunehmenden
Inhaltes der einzelnen zweiunddreißig
Lehrstücke! Man muß sie vielmehr, ‒
frei von aller Grübelsucht, ‒ aufnahme‐
willig so auf sich einwirken lassen, wie sie
nun einmal von mir geformt sind, damit
man das in ihnen dargebotene, im Ewigen
gründende Leben überhaupt gewahrwer‐
den und empfinden lernt. Wer dieses,
mein eigenes geistiges Leben einmal in
meinen Worten wahrgenommen, dann in
sich empfunden und aufgenommen hat,
der ist von allem Zweifel erlöst, den die
Furcht vor Fehlschlüssen über jeden ver‐
hängt, der sein irdisches Denkvermögen
dazu mißbraucht, um sich Wege aus Ge‐
dankenschotter zu konstruieren, im Wahn,
auf ihnen zur ewigen Wirklichkeit ge‐
langen zu können.
ENDE
Das geistige Lehrwerk von Bô Yin Râ,
besteht aus folgenden 32 Büchern:
DAS BUCH DER KÖNIGLICHEN
KUNST
DAS BUCH
VOM LEBENDIGEN GOTT
DAS BUCH
VOM JENSEITS
DAS BUCH
VOM MENSCHEN
DAS BUCH
VOM GLÜCK
DER WEG ZU GOTT
DAS BUCH DER LIEBE
DAS BUCH DES TROSTES
DAS BUCH DER GESPRÄCHE
DAS GEHEIMNIS
DIE WEISHEIT DES JOHANNES
WEGWEISER
DAS GESPENST DER FREIHEIT
DER WEG MEINER SCHÜLER
DAS MYSTERIUM VON GOLGATHA
KULTMAGIE UND MYTHOS
DER SINN DES DASEINS
MEHR LICHT
DAS HOHE ZIEL
AUFERSTEHUNG
WELTEN
PSALMEN
DIE EHE
DAS GEBET / SO SOLLT IHR BETEN
GEIST UND FORM
FUNKEN / MANTRA PRAXIS
WORTE DES LEBENS
ÜBER DEM ALLTAG
EWIGE WIRKLICHKEIT
LEBEN IM LICHT
BRIEFE AN EINEN UND VIELE
HORTUS CONCLUSUS
Nicht zu dem geistigen Lehrwerk gehörig, wenn auch
aufs engste daran anschliessend:
IN EIGENER SACHE
DAS REICH DER KUNST
OKKULTE RÄTSEL
AUS MEINER MALERWERKSTATT
KODIZILL ZU MEINEM GEISTIGEN LEHRWERK
MARGINALIEN
ÜBER DIE GOTTLOSIGKEIT
GEISTIGE RELATIONEN
MANCHERLEI
sowie die beiden Flugschriften:
ÜBER MEINE SCHRIFTEN
WARUM ICH MEINEN NAMEN FÜHRE
Postum herausgegeben:
NACHLESE
Gesammelte Prosa und Gedichte aus Zeitschriften
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH 48
Übersetzungen im Verlag
Ed. «La Balance», Paris
Holländische Übersetzungen im Verlag
Servire, Den Haag
Schwedische Übersetzungen im Verlag
Widiugs Förlags A. B., Stockholm
In der Kober'schen Verlagsbuchhandlung AG. Zürich
erschien 1954
BÔ YIN RÂ
LEBEN UND WERK
von Prof. Rudolf Schott
In Vorbereitung:
DER MALER BÔ YIN RÂ
von Prof. Rudolf Schott
Zweite, mit Text und Bildern erweiterte Auflage
DIE KOBER'SCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG.
ZÜRICH
ist Verlegerin und Besitzerin sämtlicher Schriften und
Verlagsrechte des Autors Bô Yin Râ. Seine Bücher sind durch
jede gute Buchhandlung zu beziehen. Wo die Bücher nicht auf
Lager sind, werden durch den Verlag bereitwilligst Buch‐
handlungen nachgewiesen, die in ihrem Sortiment diese Bücher
führen.
DAS BUCH
VOM
JENSEITS
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1929
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1929
(Anm.: Erstausgabe 1921)
BUCHDRUCKEREI WERNER RIEHM IN BASEL
.Diese drei Abhandlungen sollen dir,
‒ soweit es durch Vermittlung in Worten
möglich wird, ‒ eine Vorstellung davon
geben, was deiner wartet, wenn das Erlö‐
schen deines erdenkörperlichen Lebens dich
aus dieser
physisch-sinnlichen Erschei‐
nungswelt löst.
.Wie ein Reisehandbuch dir von Gegen‐
den der Erde spricht, die du nie gesehen
hast, so soll dir allhier nun das Nötigste
gesagt werden über das dir noch unbekannte
„Land”, in dem du dich nach dem Tode
dereinst erlebensfähig finden wirst, ‒ einer‐
lei, ob du jetzt an die Möglichkeit solchen
Erlebens glauben kannst, oder nicht.
.Gleichzeitig soll dich dieses Buch von so
manchen Irrtümern befreien, die dich vor‐
erst noch in Banden halten, wenn du an
jene Gestorbenen denkst, die du auf Erden
liebtest.
.Ängstlicher Glaube wie verstiegener
Aberglaube alter und neuerer Zeit haben
so zahlreiche Phantasiegebilde in Bezug auf
das „Jenseits” aufgeschichtet, daß es notwen‐
dig ist, diesen Wust zu sichten, damit er
deine Vorstellung nicht weiterhin verwirre.
.Die
einzigen, die über das Leben nach
dem Tode des sichtbaren Erdenkörpers wirk‐
lich
Authentisches zu sagen haben, sind
einige wenige Erdenmenschen die jenes
Leben, das des Erdenleibes
nicht bedarf,
aus eigener, gesicherter
Erfahrung her
kennen, obwohl sie zugleich auch noch, in
irdischer Erscheinung, dieser Erde Leid und
Freude kosten, gleich dir.
.Als einer dieser wenigen Jenseitsbewuß‐
ten, gebe ich hier, was sich durch Worte
als mitteilbar erweist, da wir die Sehnsucht
der Zeit erfühlen, die zu Recht erwartet, daß
nicht länger als „geheimes Wissen” gehütet
werde, was an geistigem Erleben irgendwo
und -wann, auch nur
weniger Menschen
Bewußtsein erreichte.
.Möge dir das, was ich dir sagen kann,
zum Besten dienen!
.Möge es meinen Worten gelingen, dein
innerstes Selbstempfinden zu wecken, damit
dir
aus dir selbst heraus jene
Gewiß‐
heit wird, die allein dich wahrhaft sichern
kann vor sterilem Skeptizismus sowohl, wie
vor kritikloser Hingabe an allerlei Traum‐
gebilde betörter, oder allzu erregter mensch‐
licher Gehirne!
.In dir selbst sollst du den Maßstab fin‐
den, an dem du fortan nachprüfen kannst,
wieviel Wahres und wieviel Wahn in den
Vorstellungen enthalten ist, die sich der
Erdenmensch von den ältesten Zeiten her
schuf, um das Dunkel abgründiger Rätsel
ertragen zu können, das sich jedesmal vor
ihm auftat, sobald er vor einem Leichnam
stand.
.Nicht auf dein
Für-
wahr-
halten kommt
es hier an, denn die Dinge von denen ich rede,
sind unabhängig von deiner Zustimmung
oder Ablehnung, und ich gebe dir hier keine
Glaubenslehre, sondern zeige dir eine Er‐
scheinungsform der Wirklichkeit, die du vor‐
erst noch nicht anders kennen lernen kannst,
als in der Vermittlung des Vorstellungsbil‐
des durch das Wort der Menschensprache.
.Frühe genug wirst du den dir entsprechen‐
den Bezirk in diesem Darstellungsbereich der
Wirklichkeit auch
selbsterlebend kennen
lernen...
.Zu allen Zeiten haben Jenseitsbewußte
die Wirklichkeit bezeugt, aber ihr Zeugnis
wurde Freibeute Unberufener und verant‐
wortungsloser Wortverfälscher, so daß dir
heute Hilfe nötig ist, willst du entwirren
lernen, was entwirrt werden
muß, soll nicht
zugleich mit den Ausgeburten wirrer Phan‐
tasten, auch die Kunde wahrhaft Wissender
der Mißachtung aller reinlich und redlich
Empfindenden verfallen.
.Willst du erkennen, was dir hier gegeben
wird, so entschlage dich allen Vor-Urteils,
aber höre zuweilen in dein Innerstes hin‐
ein, denn allda wird dir, so du nur willig
aufmerken magst, alle Antwort werden auf
die Fragen, die meine Worte noch offen
lassen, weil
du sie
selbst allein dir beant‐
worten lernen mußt. ‒ ‒
.Es handelt sich ja hier wahrlich nicht
um Werbung von Anhängern für eine reli‐
gionsphilosophische Hypothese, oder gar um
den Versuch, eine neue Religionsform ins
Leben zu rufen, ‒ sondern um ein Zeugnis
für das
geistige (nicht „gehirnliche”!)
Ur‐
erlebnis, das an der Wiege aller großen
alten,
aus dem Geiste Gottes geborenen
Religionen stand...
.Somit setzt auch das lebendige Erfühlen
des hier Dargebotenen
keineswegs eine
Ab‐
kehr von angestammter und heiliggehalte‐
ner Religion voraus, sondern wird vielmehr
dort, wo altehrwürdige religiöse Formen
und Glaubenssätze
wirklich noch Lebens‐
bedürfnis sind, nur
Vertiefung,
Befesti‐
gung des Glaubens und
Erleichterung des
Glauben-
könnens bringen.
.Denen aber, die längst aller konfessio‐
nellen Bindung entwachsen sind, werden
meine Worte erneut den Zugang zu geistigen
Bezirken freilegen, die zu erreichen höchste
Sehnsucht des Erdenmenschen
bleibt,
auch wenn die Glaubensweise seiner Vor‐
fahren ihn
nicht zu der, seiner Fassungs‐
form gemäßen, heiß verlangten Erfüllung
führte.
.Du wirst gewiß glauben, es sei keine
„
Kunst”, zu sterben, ‒ es sei vielmehr
ein böses
Müssen, und
es lerne sich von
selbst. ‒ ‒
.Gleich dir denken Unzählige, und tag‐
täglich verlassen Unzählige durch ihr Ster‐
ben den irdischen Körper, ohne daß sie
jemals die Kunst des Sterbens gelernt
hätten.
.Vielen kommt der Tod unerwartet „wie
ein Dieb in der Nacht”, ‒ anderen kommt
er wie ein gefürchtetes Gespenst, ‒ an‐
deren als endlich erscheinender Erlöser von
ihren Leiden, ‒ und wieder andere rufen
ihn selbst herbei, weil sie durch ihn Be‐
freiung von Sorge und Not, des Leibes und der
Seele, erwarten.
.Selten aber trifft der Tod einen, der die
Kunst zu sterben
versteht. ‒ ‒
.Um diese Kunst zu verstehen, mußt du
zu lebensfrischer Zeit
gelernt haben, was
der „Tod”
ist, was „Sterben”
bedeutet!
.Du mußt gleichsam in der Fülle deiner
Kräfte „
auf Probe” sterben, damit du zu
sterben
verstehst, wenn der Tod dich
überrascht. ‒ ‒
.Sterben ist nicht ganz so
leicht, wie
viele meinen, aber es ist auch nicht
allzu‐
schwer, wenn man es vorher in krafter‐
füllter Zeit
gelernt hat...
.Jede Kunst will
geübt sein, und ohne
Übung lernt man auch nicht das Sterben.
.Gleichwohl hat man es eines Tages durch‐
zumachen, ob man es nun versteht, oder
nicht. ‒
.Die meisten Menschen
fürchten sich
vor dem Sterben, weil sie nicht recht wis‐
sen, was dabei vorgeht.
.Jene aber, die sagen, sie fürchteten sich
nicht, gleichen Kindern die in einem Boot
aufs hohe Meer hinausfahren, ohne die Ge‐
fahren des Meeres zu kennen. ‒ ‒
.Du aber sollst wie ein Steuermann sein,
der Winde und Strömungen kennt, und der
da weiß, welche Länder ihn auf der anderen
Seite des Meeres erwarten.
.Du sollst lernen, den Kurs deiner wohl‐
ausgerüsteten Barke zu
bestimmen. ‒ ‒
.„
Sterben” nennt man das Aufgeben‐
müssen des irdischen Leibes und seiner
Sinnesorgane, wenn dieses Aufgeben
für
immer und ohne Widerruf erfolgen muß,
weil der Leib aus physischen Gründen nicht
mehr imstande ist, sich zu erhalten.
.Ein sehr ähnlicher Vorgang erfüllt sich
jedesmal wenn du dich zur Ruhe nieder‐
legst und dem Schlafe überantwortest, ‒
nur verlierst du dabei bloß
zum Teil die
Herrschaft über Leib und Sinne, während
sie dir im Tode vollständig und
unwieder‐
bringlich verlorengeht.
.Du siehst, wie Natur dich gleichsam auf
solche Weise selbst das Sterben lehrt!
.Du kannst das Sterben auch ähnlich vor‐
aus erfahren bei einer Ohnmacht, oder bei
künstlicher Verdrängung des Bewußtseins
aus deinem Körper.
.Allein du erfährst bei alledem immer
nur den
allerersten Teil des Vorganges,
‒ es sei denn, deine inneren, geistigen
„Sinne” wären bereits soweit in dir erwacht,
daß du „auf der anderen Seite” des Daseins
zu dir selber kommen kannst, und dich
dann, zu deinem Erstaunen, auch
ohne den
Körper der Erde
im Leben findest...
.Besitzest du diese Erfahrung aber noch
nicht, dann können dir deine Träume im
nächtlichen Schlafe dazu dienen, dir wenig‐
stens ein
Verstehen des bewußten Lebens
ohne physischen Körper zu vermitteln, ob‐
wohl das „jenseitige” Leben wahrlich
An‐
deres ist als nur ein „Traum”. ‒
.Ich muß hier nur an das Leben im
Traume
erinnern um deinem Verstehen
zuhilfe zu kommen.
.So, wie du im Traume dich
bewußt,
empfindungsfähig,
denkend und
han‐
delnd findest, ‒ so, wie du auch im Traume
in einem „Körper” lebst und ihn frei ge‐
brauchst, obwohl dein physischer Leib ruhig
auf seinem Lager im tiefen Schlafe liegt,
‒ so findest du dich auch
körperlich ge‐
staltet,
bewußt,
empfindend,
denkend
und
handelnd, wenn du auf der anderen
Seite des Daseins deine geistigen „Sinne”
gebrauchen kannst und dadurch dort
zu
dir selbst kommst, sei es nun bloß vor‐
übergehend, oder ‒ wie im Tode des Er‐
denleibes ‒ für die Dauer.
.Ein wesentlicher Unterschied besteht nur
darin, daß du im Traume lediglich die stets
wieder zerfließenden Gebilde deiner plasti‐
schen Phantasie erblickst, die durch tausend
physische und psychische Anreize schein‐
bares Eigenleben gewinnen, während du,
um wach zu werden in der objektiv ge‐
gebenen
geistigen Welt, ‒ gleichviel in
welchem ihrer Bereiche dein Erwachen er‐
folgen kann, ‒ das Reich der Träume eben‐
so
verlassen mußt, wie du es verläßt um
wach zu werden in der
physisch-sinnlichen
Erscheinungswelt. ‒
.Hast du das Reich der Träume „
über‐
stiegen”, dann erst betrittst du das Reich
des
Geistes, das unschwer auch von deinen
lebhaftesten und „natürlichsten” Träumen
zu unterscheiden ist, denn du bist dort ver‐
möge deiner geistigen Sinne in einem Zu‐
stand des Bewußtseins, dem gegenüber selbst
das wacheste Tagesleben auf dieser Erde nur
wie ein Schlafwandeln erscheint. ‒
.Du siehst, hörst und fühlst die gleiche
ursächliche „Welt”, die du im tagwachen
Bewußtsein deines
physischen Daseins als
physische Erscheinungswelt wahrnimmst,
‒ nur empfindest du sie „
von der an‐
deren Seite”. ‒ ‒
.Die dir im physischen Erdenkörper
un‐
wahrnehmbare Gestaltung der
ursäch‐
lichen,
wesenhaften Welt ist dir plötzlich
wahrnehmbar geworden, und die nur
phy‐
sisch-sinnlich wahrnehmbaren Dinge, die
du bisher die „reale” Welt nanntest, wer‐
den dir: ‒ „leere Luft”. ‒
.Wenn es auch relativ wenig Menschen
sein mögen, die diesen Zustand, noch im
Erdenleibe lebend, in sich erfahren haben
und auch in der gegenwärtigen Zeit erfahren,
so sind es doch viel mehr als man ahnt,
denn die meisten Menschen denen solches
Erleben wurde, verbergen es instinktiv vor
Anderen, sei es aus Furcht vor dem
Un‐
glauben ihrer Mitmenschen und dem von
ihnen zu erwartenden „
Fluch der Lächer‐
lichkeit”, oder aber aus Besorgnis, das
geistige Erleben, das als besondere Begna‐
dung empfunden wird, könne
entzogen
werden, wenn man nicht zu schweigen ver‐
stünde.
.Es sind zuerst noch keineswegs
hohe
geistige Bereiche, die von solchen innerlich
bewußt Erlebenden betreten werden können,
allein es ist stets doch bereits „
das andere
Ufer” erreicht, auch wenn die dort zum
Bewußtsein Erwachten noch lange nicht
fähig sind, ins „
Innere” des entdeckten
„Landes” vorzudringen, oder gar seine ragen‐
den „
Gebirge” zu ersteigen. ‒
.Dahin gelangen während des Erden‐
lebens nur die überaus Wenigen, denen
hier auf dieser
physischen Seite der ur‐
sächlichen Welt das uralte „
Erbgut” ver‐
borgener geistiger Erfahrung anvertraut
wurde: ‒ die
geborenen „Hohenpriester”,
die „Meister” des verhüllten
geistigen
Wirkens und ihre als solche
geborenen,
legitimen Nachfolger.
.Was uns in bewußtem Erleben des
„Jenseits” zu gesichertem Erfahrungswissen
wurde, wird dir hier gegeben!
.Wir sehen täglich und stündlich Tau‐
sende von Menschen „das andere Ufer”
für
die Dauer betreten, ohne daß wir ihnen
helfen könnten, denn sie verstanden in
ihrem Erdenleben nicht die Kunst des Ster‐
bens, und so kommen sie
unbereitet am
„anderen Ufer” an, wie Schiffbrüchige, die
der Sturm ans Land wirft...
.Ratlos irren sie in der ihnen neuen Da‐
seinsform umher und sind nicht imstande,
die helfenden Hände zu ergreifen, die sich
ihnen entgegenstrecken.
.Noch fehlt ihnen jegliches Urteil, ob das,
was ihnen begegnet, Gefahr oder Hilfe bringt,
und angstvoll schrecken sie zurück, will
einer, der sie leiten
könnte, ihnen nahen...
.So irren sie
allein weiter, stets nahe
dem „Strande” des Meeres, das sie, ‒ wenig‐
stens für ihr Gefühl, ‒ noch mit der ver‐
lassenen
physischen Seite des Daseins ver‐
bindet, bis sie, gleichsam „magnetisch” an‐
gezogen, eines jener kleinen „Strandreiche”:
‒ jener
niedersten Gebiete der irdischen
Sinnen unerfaßbaren geistigen Seite des Kos‐
mos entdecken, das ihren Vorstellungen,
ihrem im physischen Erdenleben gehegten
Sehnen und Hoffen entspricht.
.Dann wähnen sie, ihren „Himmel” ge‐
funden zu haben, umsomehr, als dies von
allen anderen die sie alldort antreffen, ja
ebenfalls geglaubt wird...
.Die einmal da anlangten, sind ihrem
Schicksal für unendlich lange Zeit ver‐
fallen.
.Nur äußerst selten, und dann nur unter
größten Schwierigkeiten, gelingt es uns,
einen so Verirrten empor- und herauszu‐
ziehen aus seiner selbsterwählten trüge‐
rischen „Seligkeit”. ‒
.Da wir aber Umwege vermeiden lehren
wollen, und da uns die ewige
Liebe also
handeln heißt, lehren wir euch die Kunst
des rechten Sterbens.
.Das Wesentliche dieser Kunst besteht
darin, daß man
jederzeit, ‒ inmitten
von Zukunftsplänen und regester Tätigkeit,
bei blühender Gesundheit und frischester
Kraft, ‒ in fröhlicher Heiterkeit und siche‐
rer Zuversicht
bereit ist, das „andere Ufer”
für die Dauer zu betreten, ‒ ohne die Mög‐
lichkeit einer Rückkehr.
.Es ist ein Zustand des
Gemüts, der da
gefordert wird.
.Mag er auch nicht jedem Menschen leicht
erreichbar erscheinen, so darf doch keiner
vergessen, daß dieser Zustand allein das
rechte Sterbenkönnen bedingt. ‒
.Wen die Dinge des physischen Erden‐
lebens so festzuhalten vermögen, daß er
ihrer nicht entraten zu können meint, ‒
wer sich keinen Zustand vorstellen kann,
in dem alle Ziele erdenhaften Begehrens
belanglos werden, ‒ der wird schwerlich
die Kunst des rechten Sterbens erlernen. ‒
.Richtig und froh auf der Erde zu
leben,
versteht aber erst
der Mensch, der den Zu‐
stand der Bereitschaft zu sterben, täglich
und stündlich willkürlich in sich zu er‐
zeugen vermag, ‒ frei von jeglicher Furcht
und von jeder Traurigkeit. ‒ ‒
.Er weiß, daß nichts von dem, was er
hier zurücklassen müßte, ‒ und seien es
auch die liebsten Menschen, die sorgebedürf‐
tigsten Wesen, ‒ jemals von ihm getrennt
werden
kann, wenn er nicht selbst die wirk‐
liche Trennung
will und durch seinen Wil‐
len
schafft. ‒
.Er weiß, daß er „hier” bleibt, am glei‐
chen kosmischen „Ort”, ‒
noch näher den
Menschen die er liebt, als er ihnen je im
Erdenkörper nahekommen konnte. ‒
.Er weiß, daß er nach dem Sterben gewiß
nicht göttergleich verwandelt, und keines‐
wegs irdisch „allmächtig” sein wird, daß er
aber denen, die seiner Hilfe bedürfen, weit‐
aus mehr zu helfen imstande sein wird, als
dies jemals im
physischen Leben möglich
werden konnte. ‒ ‒
.Wer die Kunst des Sterbens auf solche
Weise übt, der weiß fortan, daß es für ihn
leicht werden wird,
wirklich und
un‐
widerruflich zu sterben, auch wenn der
Tod ihn gänzlich
unerwartet treffen sollte...
.Daß der
physische Vorgang des Ster‐
bens
nur für den Zuschauer unter Um‐
ständen qualvoll ist, daß aber der Sterbende
selbst
nicht darunter leidet, sondern die
Schmerzen seines etwaigen Leidens nur so‐
lange noch fühlt, solange er
noch nicht
gestorben ist, hat die prüfende Beobachtung
ärztlicher Forscher längst bezeugt.
.Wir aber haben hier nur darzustellen,
auf welche Weise das
Bewußtsein des
Sterbenden den Akt des Sterbens
über‐
dauert.
.Ist der Sterbende auch bis zum letzten
Augenblick vollbewußt, so tritt dennoch im
Moment der beginnenden Loslösung des
geistigen Organismus von dem bis dahin
ihm vereinten, tierhaften Erdenleib, eine
Art des „Schlummers” ein, aus dem das Be‐
wußtsein erst wieder zu sich selbst erwacht,
wenn das „Sterben” bereits vollzogen ist.
.Im Augenblick dieses Erwachens, das
einige Sekunden oder Minuten nach dem
äußerlich konstatierbaren „Tode” erfolgt,
findet sich der Mensch bereits in seinem,
ihm nun allein noch Erfahrung vermitteln‐
den
geistigen Organismus auf der nur
geistig wahrnehmbaren „anderen Seite”
der
ursächlichen Welt: ‒ der ewigen
„Wirklichkeit”, die alle
geistige, wie alle
physische Daseinsform aus sich ausstrahlt,
je nach der sie erregenden Anschauungs‐
weise.
.Die bisher durch seine
physischen
Sinne bedingte Wahrnehmungsfähigkeit des
nun Gestorbenen wurde vertauscht mit einer
neuen, ihm vorher normalerweise noch nicht
bekannten Art des
Wahrnehmens, wäh‐
rend seine formzeugende
Anschauungs‐
weise vorerst noch unverändert bleibt.
.Er ist weit davon entfernt, sich etwa
für gestorben zu halten, denn er findet sich
ja seiner selbst
bewußt,
wollend, und
wahrnehmungsfähig, wenn er auch noch
nicht erkennt, daß es
geistige Organe sind,
die allein ihm jetzt dienen.
.Er empfindet sich keineswegs als „gestalt‐
los”, denn sein bisheriger
physischer Kör‐
per war ja nur ein mehr oder weniger voll‐
endetes
Abbild des durch eigenen ewigen
Willen, ‒ wenn auch dem Gehirnwissen
„unbewußt” ‒ gestalteten
geistigen Or‐
ganismus, den jetzt das Bewußtsein
wahr‐
zunehmen fähig wurde, obwohl es ihn
noch nicht als ein vom
physischen Körper
Verschiedenes erkennt.
.So aber, wie der physische Schmerz so‐
fort aufhört, sobald durch entsprechende
Mittel ein schmerzendes Glied des irdischen
Leibes unempfindlich gemacht wird, ‒ so
sind auch die physischen Schmerzen, die
etwa ein Sterbender noch kurz vor seinem
Tode erlitt, im Augenblick des „jenseitigen”
Erwachens völlig verschwunden, da ja der
physische Körper, in dem die
Ursache der
Schmerzempfindung liegt, nun dauernd von
dem nunmehr nur sich
allein empfindenden
geistigen Organismus
getrennt bleibt. ‒
.Noch aber ist eine gewisse „
fluidische”
Bindung durch unsichtbare, subtile und auch
dem geistigen Organismus fühlbare, fein‐
materielle Ausstrahlungen des bisher ge‐
brauchten physischen Körpers vorhanden,
und
diese Bindung ist Ursache, daß der
jenseitig Erwachte noch mancherlei Vorgänge
in der Nähe des Leichnams auf
geistige
Weise wahrnimmt, obwohl sie in der
phy‐
sischen Welt geschehen.
.So empfindet der nun „Jenseitige” die
„fluidischen” Influenzen aus der Gegenstrah‐
lung der Menschen die seinen verlassenen
Erdenkörper umgeben, empfindet den „
Ge‐
fühlswert” ihrer
Berührungen, wie ihrer
Worte, und hat, ähnlich wie ein Blinder,
noch ein ziemlich genaues Vorstellungsbild
des verlassenen äußeren Raumes, ‒ wenn
auch die Täuschung besteht, als werde der
Raum noch mit den
physischen Sinnen
wahrgenommen.
.Diese letzten Beziehungen zur
physisch‐
sinnlichen Seite der ursächlichen Welt blei‐
ben noch einige Zeit erhalten, wenn auch
die Leiche längst erkaltet ist, aber was
solcherart noch empfunden werden kann,
verliert von Stunde zu Stunde an Kraft,
und die Wahrnehmungsfähigkeit dafür hört
vollständig auf, sobald die ersten Zersetzungs‐
erscheinungen beginnen.
.Denen, die an dem Akt der Leichen‐
verbrennung Anstoß nehmen, oder die gar
glauben, der Gestorbene könne dadurch in
seinem jenseitigen Leben „geschädigt” wer‐
den, sei hier gesagt, daß nach der Zeit, die
in den Kulturländern eingehalten wird, be‐
vor man einen Leichnam bestattet, längst
jegliche Wahrnehmungsbeziehung zwischen
dem geistigen Organismus des Gestorbenen
und seinem ehemaligen Erdenleibe auf‐
gehört hat.
.Wo aber Feuer als
Ursache des Todes
wirkt, dort wird, wie bei jeder
anderen
Todesursache, Schmerz
nur bis zum Ver‐
lust des
physisch gebundenen Bewußt‐
seins empfunden, während nach dem jen‐
seitigen „Erwachen”
jede Beziehung zum
früheren Erdenkörper erloschen ist, durch
die Zersetzung, die das
Feuer bewirkte.
.Was
nicht erlischt, ist das nun durch
den
geistigen Organismus empfundene Be‐
wußtsein der eigenen
Gegenwart, und das
klare Sehen und Erkennen aller physisch
gegenwärtigen Menschen in ihren
geistigen
Formen, die ja ‒ abgesehen von den phy‐
sischen Behinderungen ihrer Darstellung
auf Erden ‒ durchaus den
irdischen
Formen
entsprechen.
.Gestorbene, deren Bewußtsein während
ihrer Erdentage nur wenig über den Be‐
reich des physisch-tierhaften Daseins hinaus‐
wuchs, täuscht der neue Zustand oft so sehr,
daß sie auch noch längere Zeit nach ihrem
Erdentode nicht bemerken, daß sie nicht
mehr im physischen Leibe sind.
.Sie wähnen sich nur „genesen”, da ja
die frühere Ursache ihrer Leiden nicht mehr
besteht.
.Vorerst noch in eine Art traumhaften Vor‐
stellens irdischen Erlebens gebannt, mischt
sich ihnen die Wahrnehmung der
geistigen
Form ihrer Angehörigen mit den selbster‐
zeugten Gestalten des eigenen Traumlebens,
und die Gestorbenen begreifen nicht, wes‐
halb man um sie trauert.
.Sie versuchen dann oft mit allen Kräften,
die wirklich im physischen Dasein Trauern‐
den zu überzeugen, daß kein Grund zum
Trauern bestehe, ‒ allein dieses Bemühen
wird in der Erregung des Schmerzes von
den im Physischen Zurückgebliebenen nicht
empfunden.
.Erst in der Machtlosigkeit über solche
vermeintliche Torheit seiner Angehörigen
und Freunde entdeckt dann plötzlich der Ge‐
storbene, daß er nicht mehr mit einem
phy‐
sischen Körper behaftet ist, und erwacht
so aus seinem selbstgeschaffenen Traum.
.Dann erst beginnt er wirklich „sehen zu
lernen”, und seine geistigen Augen öffnen
sich für die neue
geistige Seite der ursäch‐
lichen Welt, deren
physisch-sinnlichen An‐
schauungskreis er verlassen hat, ohne den
kosmischen „Ort” zu wechseln.
.Hier fängt dann für jene, die nicht „
die
Kunst des Sterbens” während ihrer Er‐
dentage übten, das
geistige Irren an, denn
der geistige Organismus eines Menschen wird
durch den Tod keineswegs etwa über die
bis dahin erlangte Sicherheit im Erkennen
hinaufgesteigert.
.Zwar sind sogleich hilfreiche Helfer nahe,
aber sie werden nicht als solche
erkannt.
.Statt dessen werden sie von dem in seine
physisch-irdischen Meinungen noch verrann‐
ten Gestorbenen sehr entschieden und selbst‐
bewußt
abgelehnt, so daß sie an aller Hilfe‐
leistung verhindert sind.
.Die Gewißheit, das „jenseitige” Leben
tatsächlich erlangt zu haben, erweckt auch
nicht selten einen grenzenlosen Hochmut,
der die von ihm Befallenen erst recht in
ihren Torheiten bestärkt.
.Wer ganz ans Irdische verhaftet war, oder
zu sehr mit seinen Sorgen an Dingen und
Menschen hing, zu denen er nun nicht mehr,
physisch wirkend, zurückkehren
kann,
wird bei der Einsicht in die Unmöglichkeit
des Zurückkehrens von einer qualvollen Ver‐
zweiflung erfaßt, die erst durchgekämpft sein
will, bevor er fähig wird, seine
neuen Wir‐
kungsmöglichkeiten gegenüber der irdischen
Welt, die nun rein
geistiger Art sind, zu
erkennen. ‒
.Solche aber, die im physischen Leben
ganz mit dem Streben nach irdischer Ver‐
wirklichung einer „Idee”, und mit den in
solchem Streben erzeugten Vorstellungen
verwachsen waren, verlieren ziemlich bald
fast alles Interesse an der verlassenen phy‐
sischen Welt.
.Sie suchen nur nach einer Gelegenheit,
ihre „Idee” nun innerhalb ihres
neuen
Lebensbereiches
verwirklichen zu können
und sind blind gegenüber allen neuen Er‐
lebnismöglichkeiten.
.Andere wieder suchen nach der ihnen
verheißenen und von ihnen gläubig erwar‐
teten „
Seligkeit”, und sind nicht wenig
erstaunt, sie nicht
sofort, und in der Form,
die sie sich auf Erden doch so schön
er‐
träumten, im „Jenseits” gefunden zu haben.
.Allen diesen, mit sich selbst und dem
eigenen mitgebrachten Vorstellungsleben Be‐
schäftigten wird schließlich eine Art Erfül‐
lung ihrer Wünsche, indem sie in eines jener
niederen geistigen Reiche gelangen, deren
unbewußte Mitschöpfer sie schon auf Erden
waren...
.Auch dieser Übergang ist keine „Orts‐
veränderung”, denn
alle geistigen Welten,
‒ und es gibt
deren unzählige, bis hin‐
auf zu der höchsten und reinsten Welt
gott‐
gebärenden Geistes, ‒ sind, einander durch‐
dringend, am gleichen kosmischen „Ort”. ‒
.Das bewußte Erleben geistiger Welten,
sowie der Übergang aus einer in die an‐
dere, ist jeweils von einer gewissen Wahr‐
nehmungswandlung abhängig, die das gei‐
stige Bewußtsein für bestimmte Erscheinun‐
gen gleichsam „blind”, für andere dagegen
„sehend” macht.
.Aber gerade diese Wahrnehmungswand‐
lung läßt sich
nicht willkürlich hervor‐
rufen, außer von den Meistern der ewigen
Darstellung des Menschen im
höchsten
geistigen Reiche, oder ihren Beauftragten:
ihren erwählten Schülern, soweit deren ei‐
gene psychophysische Veranlagung dazu ge‐
eignet ist.
.Jeder Mensch aber, auch wenn er
nicht
zu den hier bezeichneten Wenigen gehört,
kann sich doch immerhin
in der Vorstel‐
lung mit den Gefühlen, Empfindungen und
Bewußtseinszuständen
vertraut zu machen
suchen, die ihn, entsprechend den hier von
uns gegebenen Aufschlüssen, nach dem Tode
des Erdenleibes erwarten.
.Ich lasse unbesorgt den Einwand gelten,
daß ein solches gewolltes Erregen des Vor‐
stellungsvermögens doch immer nur bloße
„
Bilder” hervorbringen könne, aber keines‐
falls zu einem Erleben des
wirklichen
nachirdischen Seins zu führen vermöge.
.Eben darum verlange ich ja, daß man
sich bei der Gestaltung der hier nötigen
Vorstellungsbilder
strengstens an die Dar‐
stellungen halte, die ich in diesem Buche
gebe, denn nur
sehr wenigen Menschen
ist es möglich, schon
während ihres Er‐
dendaseins den Bereich nachirdischen Seins
bewußt kennenzulernen, während es
allen
Menschen möglich ist, durch das Erwecken
wirklichkeitsentsprechender Vorstel‐
lungsbilder die
Gefühle,
Empfindungen
und
Bewußtseinszustände, die nach dem
irdischen Tode zu erwarten sind, gleichsam
im voraus zu durchleben.
.Ein solches, öfteres
Vorauserleben aber
ist nötig, will man sicher sein, daß man
nach dem erfolgten Abscheiden des Bewußt‐
seins aus der erdensinnlichen Erfahrungs‐
weise sogleich sich zurechtzufinden wisse,
und vor allem erkenne, was zu
suchen,
was zu
meiden sei!
.Nur wer solche Sicherheit bereits
wäh‐
rend seines Erdendaseins erlangte, wird
nach dem Übergang in die neue, rein
gei‐
stessinnliche Wahrnehmungsart auch so‐
gleich die helfenden Hände entdecken, die
sich ihm dort entgegenstrecken, und wird
vertrauend sie zu ergreifen wissen...
.Ihm können wir helfen!
.Er wußte die Kunst des Sterbens wäh‐
rend seiner Erdentage schon zu „erlernen”,
und sein Vertrauen auf unsere Belehrung
ließ alle Erkenntnisfähigkeit in ihm reifen,
deren er nun bedarf.
.Vor jeglicher Täuschung und Enttäu‐
schung wird er nunmehr gesichert sein!
.Ihn führen wir ‒ vorbei an den man‐
cherlei „Strandreichen”, die irdisches Er‐
träumen und Wähnen sich durch die Kräfte
des mißleiteten Willens schuf ‒ sogleich in
das „
Innere” des nun betretenen „Landes”,
allwo liebevolle Leitung ihn dann näher und
näher seiner Vollendung bringt.
.Er ist ja durch das Aufgeben seines ir‐
dischen Leibes durchaus
kein „
Anderer”
geworden!
.Es kann ihm nicht
plötzlich gegeben
werden, was ihm noch fehlt. ‒
.Nur was er
auf Erden bereits zu er‐
langen wußte, bringt er mit, als Besitz.
.Was er auf Erden zu
binden verstand,
bleibt auch im geistessinnlichen Leben für
ihn „
gebunden”, und was er im Erden‐
leben zur
Lösung brachte, bleibt auch jetzt
für ihn „
gelöst”...
.Allmählich nur kann man ihn immer
höher führen, bis er dereinst fähig wird,
das erhabenste aller geistigen Reiche zu be‐
treten: ‒ die reine
Lichtwelt seligster und
absoluter
Erfüllung. ‒ ‒
.Die „Zeiten”, die zu diesem Aufstieg
nötig sind, werden bestimmt durch den auf
Erden bereits erreichten Grad relativer gei‐
stiger Vollendung und durch die aus solcher
Vollendung heraus erfolgte Abgeklärtheit des
ewigen
Willens, innerhalb seiner Bewußt‐
seinsempfindung.
.Das „Sterben” aus der
irdischen Er‐
fahrungsweise in die
geistig-sinnliche Wahr‐
nehmungsart vollzieht sich zwar auch
ohne
deine Absicht, und was dich „jenseitig” er‐
wartet, wird da sein, auch wenn du an
kein
„Jenseits” glaubst.
.Es ist deinem ewigen
Willen aber eine
große
Macht eingeräumt, da du fähig bist,
durch Vorarbeit hier auf der
physisch
wahrnehmbaren Seite der Welt, all dein
weiteres Schicksal sehr wesentlich zu be‐
stimmen.
.Voraussetzung ist allerdings ein verant‐
wortungsbewußter
Lebenswandel, stets
orientiert nach dem hohen geistigen Ziel,
das nur in der uneigennützigen
Liebe zu
allem Lebendigen erreichbar wird.
.Auf der „anderen Seite” der Welt, ‒
dort, wo nur mit
geistigen Sinnen wahr‐
genommen wird, ‒ herrscht nicht nur die
„Wonne der Seligen”. ‒
.Es gibt dort wahrlich auch Reiche der
Qual und
Verzweiflung, der zehrenden
Reue, und des
Wunsches nach Selbst‐
vernichtung, obgleich diesem Wunsche
niemals entsprochen werden kann...
.Durch
diese Reiche aber müssen un‐
fehlbar alle hindurch, die hier auf Erden
das Gesetz nicht erfüllen, das
Liebe zu sich
selbst und allen Mitgeschöpfen von jedem
Erdenmenschen verlangt.
.Solche „
Liebe” ist
sehr weit entfernt
von jeglicher Art sentimentaler Schwärmerei
und allem Gefühlsüberschwang!
.Die hier gemeinte,
durch geistiges Gesetz
geforderte
Liebe ist vielmehr die höchste
und stärkste
Selbst- und
Allbejahung so
daß der von ihr durchdrungene Mensch so‐
wohl in sich selbst wie in allem Mit-Dasein
nur das
Positive, das
Geistgewollte er‐
fühlt, auch dann, wenn er sich genötigt sieht,
sich aufs schärfste der gleichzeitig wirksamen
negativen Kräfte der gleichen Erscheinung
zu
erwehren. ‒ ‒
.Schwersten Verstoß gegen das geistige
Gesetz von dem hier die Rede ist, begehen
alle, die auf Erden Hand an ihr Leibesleben
legen, um aus irgend einem Grunde dem
irdischen Dasein und seinen Forderungen
feige zu entfliehen.
.Solches Tun ist überdies
sinnlos und
zweckwidrig, denn statt der gesuchten
Befreiung findet der durch eigene Hand ir‐
disch Entleibte tausendfach qualvollere Fes‐
selung in wahrlich nicht gewünschte Be‐
wußtseinszustände, denen er nun Aeonen
hindurch nicht mehr entfliehen kann.
.Es liegt ein gewisser Trost für die Zu‐
rückbleibenden in der Tatsache, daß die
allermeisten Morde am eigenen Leben von
Menschen begangen werden, deren Bewußt‐
sein im entscheidenden Moment krankhaft
umdüstert ist, so daß die furchtbare Ver‐
neinungstat in einem Zustand erfolgt, den
man wohl als
spontan einbrechenden
Wahnsinn bezeichnen darf, auch wenn die‐
ser Zustand seit langem vorbereitet wurde,
durch ein verantwortungsloses „
Spielen”
mit dem Gedanken an die
Möglichkeit
der Leibeszerstörung.
.Mörder und Gemordeter sind zwar in
solchem Falle in
einer Person „
in Er‐
scheinung” gewesen, aber der Mord ist
das Werk eines übermächtig gewordenen
Gedankens, den das Opfer solange mit
seinen eigenen Kräften belebte, bis er es zu‐
letzt verschlang. ‒
.In solchem Falle trägt dann der Zer‐
störer seines Erdenleibes nicht die Verant‐
wortung für den Akt des
Mordes, sondern
das geistige Gesetz erheischt von ihm
Aus‐
gleich für alles verkehrte Denken und
Handeln, aus dem zuletzt die Tat im Wahn
erwuchs. ‒
.Dieser Ausgleich ist zumeist nur erreich‐
bar durch das Ertragen einer zweiten Ein‐
verleibung in den tiermenschlichen Körper
auf der Erde.
.Es handelt sich hier um einen jener
Ausnahmefälle, in denen allein die soge‐
nannte „Reinkarnation” als
Möglichkeit
in Betracht kommt, während sie bei
gesetzes‐
gemäßem Ablauf des irdischen mensch‐
lichen Lebens, eben
durch den vollzogenen
Ablauf, ein für allemal unmöglich wird.
.Obwohl aber die Nützung des Erden‐
lebens zur Vorbereitung auf nachirdische
Bewußtseinszustände von größter Wichtig‐
keit ist,
sollst du doch keineswegs glauben,
du müßtest nun auf dieser Erde das ängst‐
liche, stets um gesichertes „Seelenheil” be‐
sorgte Leben eines kleingläubigen „Heiligen”
führen, ‒ eines jener Selbstsüchtigen des Her‐
zens, die sich gar sehr jeder „Sünde” fürchten,
aber innerlich frohlockend der „Verdamm‐
nis der bösen Welt” gewiß zu sein glauben.
.Solche Lebenshaltung würde dich nur
dereinst mit aller Sicherheit in eines jener
täuschenden „Strandreiche” des Geistes ge‐
langen lassen, die menschlicher Wahn ge‐
staltet hat, ohne um seine eigene Urheber‐
schaft zu wissen.
.Ein Leben treuer
Pflichterfüllung,
voll
Liebe zu allem Lebenden, voll Stre‐
ben nach Herzensgüte und Wahrhaftigkeit,
nach
Ordnung in deinem Willenshaus‐
halt und nach
Veredelung deiner Freu‐
den, ‒ ein Leben voll fröhlichen
Glaubens
an die endgültige Erfüllung deiner höchsten
und geläutertsten Sehnsucht, ‒ wird jederzeit
hier auf Erden für dich
das beste Leben
sein, besonders, wenn du gleichzeitig bestrebt
bist,
das zu lernen, was ich in dieser Abhand‐
lung „
Die Kunst zu sterben” nenne.
.Es gibt dann freilich auch noch einen
besonderen geistigen Höhenweg, von dem
ich schon an anderer Stelle sprach, aber
bevor du dein Leben so gestaltet hast, wie
mein Rat es dich hier gestalten lehrt, wirst
du auf solchem Pfade kaum vorankommen
können...
.Wer diesen Weg betreten will, der muß
frei sein von allem, was etwa seinen sicheren
Schritt behindern könnte.
.Das kopfhängerische „Muckertum” ist
ebenso verwerflich, wie die hohle Geste der
„Weltverneinung”!
.Nicht allen wird der Weg schon gangbar
erscheinen, auf dem der Mensch dahin ge‐
langen kann, daß sein „
Gott” in ihm ge‐
boren wird, aber jeder sollte dennoch von
diesem Wege wenigstens
wissen, ‒ jeder
sollte sich vorbereiten, um ihn hier auf
Erden schon, wenn irgend möglich, auch
zu beschreiten.
.Vielen mag zwar noch die Kraft und
Ausdauer fehlen, die dort nötig ist, aber
auch alle
geistigen Kräfte wachsen
durch
die Anwendung, und
Ausdauer ist auch
hier nur denen verliehen, die einem Tun
ihre ganze
Liebe widmen. ‒ ‒
.Alles,
was auf dieser
physisch wahr‐
nehmbaren Seite der Welt gedacht, emp‐
funden und gewirkt wird, übt eine stete
Wirkung aus in die „
jenseitige” Welt.
.Die Früchte aller Werke der Tat, die
der Mensch
hier im Irdischen erstehen
läßt, bleiben ihm erhalten, weit über den
Tod hinaus, auch wenn seine Werke auf
Erden nur
physischen Zwecken dienen.
.Die moralische Verantwortungsmög‐
lichkeit vorausgesetzt, kommt es bei all
deinem Tun hier im Irdischen nicht darauf
an,
was du tust, sondern
wie du es tust. ‒ ‒
.Niedrigste Arbeit hier auf Erden kann
dir ungeahnte Kräfte für dein späteres
Leben auf der
geistigen Seite der Welt
zuströmen lassen, wenn du das dir Über‐
tragene nur
in treuester Pflichterfül‐
lung, freudig und nach besten Kräften also
ausführst, als sei der Bestand des ganzen
Weltalls allein von der Güte deiner Arbeits‐
leistung abhängig...
.Fü
r
dich selbst bist einzig und allein
nur
du selbst verantwortlich!
.Bei allem was du denken oder tun magst,
‒ bei allem, was du auf dieser
physisch‐
sinnlich erfahrbaren Seite der Welt treibst,
‒ bist du stets der unbewußte Schöpfer
deines späteren Schicksals in der
geistig‐
sinnlichen Wahrnehmungswelt. ‒
.Was du hier auf Erden dein „
Schick‐
sal” nennst, ist nur ein lächerlich kleiner
Ausschnitt eines unermeßlichen
Ganzen,
und wenn du hier etwa mit deinem Schick‐
sal haderst, so mag dein Mißmut mensch‐
lich ja sehr verständlich und gewiß auch
entschuldbar sein, aber dennoch gleichst
du dann nur dem Kinde, das törichterweise
Dinge verlangt, die ihm heute noch nicht
gegeben werden
können, weil sie ihm
schaden würden, während ihm
später das
Verlangte
in reichster Fülle zu Gebote
stehen wird...
.Erst auf
hoher Stufe der geistigen Welt
angelangt, wirst du dereinst dein Schicksal
verstehen können, und dann wirst du lä‐
cheln, gedenkst du noch deines früheren
Urteils. ‒ ‒
.Dann wirst du sehen, daß deine besten
Verstandesgründe, die dich ehedem zu dei‐
nem Urteil verführten, ebensoviele
Tor‐
heiten waren, weil du die Schönheit der
Blüte und die süße Köstlichkeit der Frucht
aus dem Wurzelgefaser erschließen wolltest,
das deine Hände aus der dunklen Erde
wühlten.
.Nur wer sich selbst zu lösen weiß aus
den beengenden Vorstellungsbildern, die ihm
aus seiner
physisch-sinnlichen Anschau‐
ungsform notgedrungen erwachsen sind, der
wird allmählich auch ein Weniges ahnen
von dem großen Ganzen in dem er wurzelt,
und dem er niemals mit den Mitteln
phy‐
sisch-sinnlicher Erkenntnis näherkommen
kann...
.Es war keine leere Phrase, wenn vor‐
maleinst ein Wissender, vom Glanze des
Erschauten fast überwältigt, die Worte fand:
.„
Kein Auge hat es gesehen,
kein
Ohr gehört,
was Gott denen bereitet
hat,
die ihn lieben!”
.„
Gott lieben” aber heißt: ‒ alle
Müh‐
sal und allen
Schmerz der Erde so „lie‐
ben”, so
willig hinnehmen, als habe man
das alles gerade so
gewollt und
erstrebt,
wie es in unser Leben tritt! ‒
.„
Gott lieben” heißt: ‒
die Erde lieben
und
alles was auf ihr lebt, ‒ so,
wie
es ist, ‒ mag es unseren
Wünschen auch
zuwider sein! ‒
.„
Gott lieben” heißt: ‒
sich selbst
lieben und
sich zuliebe alle Beschwernis
freudig auf sich nehmen, die uns zu tragen
gegeben wird auf dem langen und beschwer‐
lichen Wege, der aus Irrung und Verwirrung
zuletzt zu
uns selber führt, so, wie wir
ewig sind
in Gott! ‒ ‒
.Nach alledem wirst du nun auch wissen,
wie du am besten deine „
Verstorbenen”
ehrst: ‒ jene, die dir vordem hier im Er‐
denleben nahestanden und die auch heute
noch, nach wie vor,
im Dasein sind, nur
deiner physisch-sinnlichen
Wahrnehmungs‐
fähigkeit nunmehr entrückt...
.Du wirst nun wissen, wie
du ihnen auch
weiterhin
helfen kannst, und wie du, etwa
selbst der Hilfe bedürftig, solche von ihnen
erlangst.
.Es ist wahrlich verkehrtes Beginnen,
„
spiritistische Zirkel” zu errichten, um
mit den der Erde Gestorbenen in Verbin‐
dung zu kommen!
.Die Ehrlichkeit aller Teilnehmer und
die Sicherung gegen jeden, auch
unbe‐
wußten Betrug vorausgesetzt, habt ihr
doch zu
wenig Wissen von den Kräften,
die sich in solchen „Sitzungen” manifestie‐
ren, und seid nicht imstande, die
wirk‐
lichen Urheber der Phaenomene festzu‐
stellen.
.Auch dann nicht, wenn ihr jeden vor‐
gefaßten Glauben ablehnt, um erst zu er‐
forschen, was etwa Wahres an der Sache sei!
.Die Kräfte, um die es sich bei
echten
spiritistischen Manifestationen handelt, sind
voll Lüge,
Laune und Trug, ‒ stets be‐
reit, sich mit Hilfe eurer eigenen Kraft
be‐
merkbar zu machen, ‒ aber gar weit davon
entfernt, sich zu willigen Untersuchungs‐
objekten zu wandeln... (Die mannigfachen
Betrugsmöglichkeiten durch „
Medien”
und
Sitzungsgenossen lasse ich natürlich
hier
außer Betracht.)
.Die Manifestationen, in denen ihr Kräfte
des „Jenseits” am Werke glaubt, sind, wenn
irdische Täuschung ausgeschaltet ist, nichts
anderes als das Spiel unsichtbarer Wesen einer
noch fast unbekannten Region der
phy‐
sischen Welt. ‒
.Für wirklich im Geiste „
Erwachte”,
‒ die als Jenseitsbewußte schon zu den
„
Jenseitigen” gezählt werden dürfen, auch
wenn sie noch im Erdenleibe auf der
phy‐
sisch wahrnehmbaren Seite der Welt leben,
ist es zwar
möglich, sich in vereinzelten
Fällen der hier genannten Wesen zu
be‐
dienen, wie man sich auch sonst irgend
einer erreichbaren Hilfskraft bedient, allein
es wird gewiß keiner dieser wirklich im
Geiste Erwachten auf den Einfall kommen,
zur Unterhaltung der Teilnehmer einer
spiritistischen Sitzung beizutragen, oder die
Versuche eines Experimentators „interessant”
gestalten zu wollen...
.Auch wo man unter dem Eindruck steht,
es „zweifellos” mit der Entelechie eines frü‐
heren Erdenmenschen zu tun zu haben, über‐
steigt die Gefahr der
Täuschung durch Le‐
murenwesen so sehr alle Wahrscheinlichkeit
einer
echten Kommunikation, daß nicht ein‐
dringlich genug
gewarnt werden kann vor
dem Betreten jedes Weges, der zu
irgendwel‐
chen „spiritistischen” Erscheinungen führt.
.Der euch hier warnt, kennt alle auf
„spiritistischem” Gebiet möglichen Mani‐
festationen aus eigener, gesicherter und reich‐
haltigster Erfahrung.
.Ebenso aber kennt er auch jene unsicht‐
bare physische Zwischenwelt, die das urei‐
gene Lebenselement der „spiritistischen”
vermeintlichen „Geister” bildet, und er weiß
sich dieser Wesen und ihrer Kräfte gege‐
benenfalls zu
bedienen, wie man sich eines
Reitpferdes oder eines Spürhundes bedient,
wo es die Umstände erfordern.
.Dem geistig dazu Ermächtigten dienen
diese Wesen mit ihren Kräften, wenn er
es verlangt, ohne daß er erst nötig hätte,
ein „Medium” zu gebrauchen und „spiri‐
tistische Sitzungen” abzuhalten.
.Er betritt die Bereiche dieser Zwischen‐
wesen mit der gleichen Sicherheit, wie er
bewußt sich in die rein
geistigen Welten
begibt.
.Angenehm ist es freilich
nicht, diesen
Wesen nahezukommen, und keiner der
es vermag, sich ihrer nach seinem Willen
zu bedienen, wird das jemals
ohne Not
tun, und immer wird er dabei ein Gefühl
des
Ekels zu überwinden haben.
.Mit diesen, etwa den Quallen südlicher
Meere irdisch vergleichbaren, aber normaler‐
weise
nicht wie diese,
physisch wahr‐
nehmbaren Geschöpfen, sowie mit ihren
dennoch rein
physischen Kräften, kommt
ihr zumeist in Verbindung, während ihr mit
euren „
verstorbenen Lieben” im Verkehr
zu sein wähnt, ‒ es sei denn, daß
eure
eigenen, euch unbewußten Kräfte aus der
gleichen Region, der diese unsichtbaren
physischen Geschöpfe angehören, alle Mani‐
festationen
allein bewirken, und ihr euch
auf solche Weise unwissentlich
selbst ein
Geistertheater vorspielt...
.Für euer seelisches und leibliches Wohl
ist solcher nichterkannte Selbstbetrug aber
immer noch
weniger verhängnisvoll, als
der
echte Konnex mit den hier geschilderten
Lemurenwesen, die eure Kräfte aussaugen
wie Blutegel, und nur mit Hilfe der
euch
entzogenen Energien die vermeintlichen
„Wunder” eurer „spiritistischen Seancen”
hervorzubringen vermögen.
.Auch der vorurteilsfreieste Forscher, der
diesen Erscheinungen
nur als Beobachter
gegenübertritt, ist keineswegs gefeit gegen die
Kraft der Polypenfangarme, die ihn vom
Unsichtbaren her umschlingen.
.So sehr er auch „über der Situation” zu
stehen meint, muß er sich doch seine ge‐
heimsten Eigenkräfte entziehen lassen, ohne
den Mißbrauch auch nur zu ahnen, den die,
sein Interesse fesselnden, unsichtbaren Para‐
siten seines „Mediums” mit ihm treiben. ‒ ‒
.Der
wirkliche „Verkehr”, ‒ der ein‐
zige
sichere Verkehr mit den ins „Jenseits”
Vorangegangenen, ‒ spielt sich
allein im
Innern, in der „Seele” ab, und ist rein
geistiger Art.
.Euer eigener
geistiger „
Leib” ist das
Organ des Vernehmens der „Abgeschie‐
denen” für euch! ‒
.Jeder „durchgefühlte”
Gedanke, jedes
euch ganz durchdringende
Gefühl, wird
„auf der anderen Seite” vernommen wie hier
in der physisch-sinnlichen Welt das gespro‐
chene Wort.
.Ebenso aber vernehmt auch ihr, ‒
wenn ihr „in der Stille” und feinfühlig
genug dazu seid, ‒ die Äußerungen derer,
die bereits auf der
geistigen Seite der
Welt sich erleben, als leise
Gedanken und
wie von außen in euch eindringende
Ge‐
fühle, die bei einiger Übung des Unter‐
scheidungsvermögens ganz sicher von „
eige‐
nen” Gedanken und Gefühlen zu sondern
sind. ‒
.Aber auch
abgesehen von dem was euch
bewußt werden mag, besteht eine dauernde,
unterbewußte Influenzwirkung, und ihr
seid in solcher Weise oft in einem
viel
richtigeren Sinne das „Medium” eines Vor‐
angegangenen, als jemals ein sogenanntes
„spiritistisches Medium” dies sein
könnte,
auch wenn die „Jenseitigen” sich seiner be‐
dienen
wollten...
.Wäret ihr gewohnt, die alltäglichen Ge‐
schehnisse eures Lebens nüchternen Sinnes,
aber doch auf das Geheimnisvolle aufmer‐
kend, zu beobachten, so würdet ihr euch
gar oft im Sinne eines geliebten „Verstor‐
benen” handeln sehen, auch wenn nicht
die leiseste bewußte
Absicht in euch be‐
stand, so zu handeln, wie es der Abge‐
schiedene gewünscht haben würde, lebte er
noch in
physisch wahrnehmbarer Erschei‐
nung. ‒
.Andererseits würde es euch gewiß auch
zu denken geben, daß recht oft von seiten
völlig Fremder irgend etwas geschieht, was
man geradezu als endliche Erfüllung eines
Wunsches ansprechen darf, den ein Ge‐
storbener zur Zeit seines Erdenlebens heiß
hegte, der ihm aber dazumal unerfüllt ge‐
blieben war. ‒ ‒
.Freilich ist das alles viel weniger effekt‐
voll als ein tanzender oder schwebender
Tisch, dessen Beine „Botschaften” klopfen,
oder gar als die „materialisierte” Gestalt,
in der man, hypnotisch gebannt ohne sich
dessen bewußt zu sein, einen Gestorbenen
„mit aller Sicherheit” erkennt und sprechen
hört, obwohl das, was da vor einem steht,
nichts weiter ist als eine Art „astraler”
Panoptikumsfigur.
.Wohl sind die äußeren Züge der ehe‐
maligen erdenhaften Erscheinung des Ge‐
storbenen entliehen, und sogar das Kleid,
der Anzug, feiert seine scheinbare Aufer‐
stehung, ‒ aber aus solchem Popanz spricht
ein Lebewesen, das euch mit
Entsetzen
erfüllen würde, könntet ihr es in seiner
wahren, von aller Maskierung befreiten
Gestalt einmal plötzlich neben euch stehen
sehen. ‒ ‒
.Menschen, die niemals
echte und wirk‐
lich bemerkenswerte spiritistische Phäno‐
mene erlebten, werden zwar kaum begreifen
können, daß solche Dinge ernst zu nehmen
sind, ‒ aber das hindert leider nicht, daß
der sogenannte „Spiritismus” Millionen heim‐
licher und offener Anhänger zählt und stets
neue „Bekehrte” in seinen Bannkreis zieht.
.Eine ungeheure, teils phantastische, teils
pseudowissenschaftliche Literatur über spiri‐
tistische Theorie und Praxis findet noch
immerfort fiebernde Leser, und was die
Gläubigen angeht, so schützt hier auch alle
wissenschaftliche Bedeutung die auf anderen
Gebieten erworben wurde, keinesfalls vor
gröblichster Täuschung, ‒ besonders dann
nicht, wenn ein Todesfall den heißen
Wunsch
erweckt, mit dem geliebten Verstorbenen
auf irgend eine Weise wieder in Kontakt
zu kommen...
.Der Doktorhut bildet keine zureichende
Isolation gegenüber den hypnotischen Beein‐
flussungen aus dem Unsichtbaren, und die
Talare akademischer Würden sind leider
durchläßig wie Spinngewebe für die Saug‐
rüssel unsichtbarer physischer Mollusken.
.Aus allen diesen Gründen dürfte meine
Warnung wohl kaum überflüssig sein.
.Der ganze
physische und
geistige Kos‐
mos ist
ein einheitliches Ganzes, auch
wenn dieses Ganze sich
in sehr unter‐
schiedlichen Aspekten darstellt.
.Die eigentliche
Wirklichkeit die hin‐
ter den Aspekten steht, war und ist immer
nur
sehr wenigen Erdenmenschen aufge‐
schlossen.
.Sie entzieht sich sowohl dem Experiment
wie dem spekulierenden Denken.
.Auf der
physisch-sinnlichen, wie auf
der
geistigen Seite des Alls gibt es jeweils
wieder die verschiedensten Abwandlungen
der
Anschauungsform, und alles solcher‐
art ins Bewußtsein gelangende tritt mit dem
gleichen Anspruch auf, ‒ „
das Wirkliche”
zu sein.
.Die Wesen, die sich im All erleben,
sehen fast alle nur
Teile des Wirklichen,
und selbst diese Teile nur
in unbewußter
eigenschöpferischer Umgestaltung.
.So ist auch das Leben nach dem „Tode”
des physischen Körpers bestimmt durch einen
Wechsel der Anschauungsform.
.Es wird das gleiche
Wirkliche empfun‐
den und erlebt, ‒ nur in
geistiger An‐
schauungsform, ‒ da die
physischen Sinne
mit dem Erlöschen der einheitlichen Lebens‐
funktionen des irdischen Körpers aufhören,
brauchbare Vermittlungsorgane für das Er‐
leben zu sein.
.Sinnlich wahrnehmbar aber ist das
Leben in
allen seinen Regionen, auch wenn
die
Art der Sinnesorgane sehr verschieden
ist. ‒
.„Sterben”
ist für den Erdenmenschen
nur ein Vorgang, der
zwangsweise dazu
führt, bisher
im Unterbewußten verbor‐
gene Sinne
bewußt gebrauchen zu lernen...
.Auch während des Erdenlebens sind diese
geistigen Sinne schon
vorhanden, ‒ ja,
sie allein sind die Ursache, daß der Mensch
aus seiner tierleiblichen Sinneswahrnehmung
Eindrücke empfangen kann, die dem Tiere,
auch auf höchster Stufe,
unerlebbar bleiben,
so sehr auch seine physische Sinnesschärfe
die des Menschen übertreffen mag. ‒ ‒
.Nur in relativ seltenen Sonderfällen
wird es
möglich, daß die Sinne des
geistigen
„Leibes” im Menschen
schon während die‐
ses Erdenlebens sich eröffnen, und es ge‐
schieht dies
niemals in der Form einer
plötzlich sich einstellenden Fähigkeit, die
geistigen Sinnesorgane gebrauchen zu können,
sondern immer nur in der Art eines sukzes‐
siven „
Wachwerdens”, das zwar
sanft ge‐
fördert, aber keinesfalls durch willkürliche
Mittel
erzwungen werden kann.
.Wer nun schon im
physisch-sinnlichen
Leben auch zum Gebrauch seiner
geistigen
Sinne erwachte, der sieht die verschiedenen,
ihm schon erfahrbaren, niederen „Welten”
der einen und einzigen
ursächlichen Welt
der Wirklichkeit wie ineinander „ver‐
schachtelt”, so daß es ihm oft schwer werden
kann, augenblicklich zu unterscheiden, was
den Regionen der
physischen, und was den
Reichen der
geistigen Sinnenwelten ange‐
hört.
.Nur die ganz wenigen Menschen, denen
sich auch
die Welt der Ursache: ‒ das
„Ding an sich”, von innen her aufgeschlos‐
sen hat, empfinden zugleich die eine, letzt‐
gründige
Wirklichkeit, durch die sowohl
jede
geistige, wie jede
physisch-sinnlich
wahrnehmbare Welt „gewirkt” wird.
.Diese Urwirklichkeit ist
Urgrund allen
Lebens, mag es nun auf
geistige oder auf
physische Art zum sinnlichen Erfahren
und Selbsterleben kommen! ‒
.Der „Mensch” aber, ‒
ob er sich nun
in
geistiger Erscheinungsform oder
im Er‐
dentierkörper erlebt, ist, in ewiger Wirk‐
lichkeit gesehen:
.Ewiges Leben in der Form
individu‐
eller,
bewußter Erlebnisfähigkeit.
.Durch die
physisch-sinnliche Anschau‐
ungsweise hier auf Erden bestimmt, fällt es
freilich dem auf eine tierhafte Gestalt allein
verwiesenen ewigen Leben recht schwer,
sich individuell geformt, und doch dabei als
Konzentrationspunkt eines unermeßlichen
Ganzen zu empfinden: ‒ eines Ganzen, das
in sich keine Lücke und keine Trennung
kennt, obwohl es sich in unendlichfältigen
Aspekten erfaßt. ‒
.Allzusehr hängt erdgebundene Vorstel‐
lung von dem
Augen-
Schein ab, der
Indi‐
viduelles nur als ein von anderem
Ge‐
trenntes kennt.
.In geistiger
Anschauungsweise aber ist
Individualität
ewige Darstellungsfunk‐
tion innerhalb des untrennbaren Ganzen: ‒
nicht etwa
Spaltung in sich selbst, sondern
Darstellung eigener Viel-
Einheit.
.Immer ist es
das ganze,
unteilbare
Leben, das sich in
jeder seiner unendlich
vielen individuellen Selbstformungen in ei‐
nem bestimmten, einmaligen Aspekt erlebt...
.Wir, die wir hier auf Erden mit euch
dieser Erde Leben teilen und doch zugleich
vom
Geiste euch zu künden kommen, ‒
wir leben wahrlich in einer
anderen Welt
als ihr, obwohl auch wir mit unseren Füßen
fest auf dieser Erde stehen.
.Es mag euch scheinen, als seien wir euch
allzuferne, und doch könnte keiner euch
näher sein als wir.
.Wohl leben wir nicht allein in
eurer,
sondern auch in der ewigen Welt des rei‐
nen, wesenhaften
Geistes, aber auch
eure
Welt wird von der ewigen Welt des Geistes
durchdrungen, ‒ wie ein Schwamm, der
im Meere wächst, vom Wasser des Meeres
durchdrungen wird...
.Gewiß könnt ihr die reine, wesenhafte
Geisteswelt in der wir
geistig leben, nicht
mit Erdensinnen fassen.
.Ihr müßt erst
geistig zur Wahrnehmung
fähig werden, wollt ihr Geistiges
erfahren!
.Und selbst dann noch werdet ihr erst
alle
niederen geistigen Welten
überstei‐
gen müssen, bevor ihr in das
innere Reich
gelangt, aus dem die Kunde zu euch dringt,
die euch allhier erreicht...
.Viele von euch suchen nach uns und
glauben, sie könnten sogleich geistig
mit
uns vereinigt sein, wenn sie nur unsere
menschlichen Wohnstätten auf der Erde auf‐
suchen würden... Aber auch wenn sie uns
hier dann wirklich
finden, sind sie uns
keinesfalls etwa „näher” gekommen. ‒
.Sie sehen nur unseren irdischen Leib,
hören unsere irdische Stimme, und gewah‐
ren allenfalls das Alleräußerlichste unseres
äußeren Erdenlebens.
.Unseren „
Tempel” aber können sie
gleichwohl
nicht betreten, denn der liegt
auf der
geistigen Seite der ursächlichen
Welt, und
nicht etwa „an den Abhängen
des Himalaja”.
.Dort, in den verborgenen Einöden des
höchsten irdischen Gebirges, leben nur seit
Urzeittagen stets einige unserer Brüder aus
der jeweiligen Generation: ‒ Männer, die
jede auf Erden mögliche Größe überstiegen
haben und nun in unzugänglicher Abge‐
schiedenheit verharren, um den Pfad stets
von Verschüttung freizuhalten, der uns an‐
deren, im Weltleben Wirkenden gangbar
bleiben muß, wenn wir der Aufgabe ob‐
liegen sollen, die uns aufgetragen ist...
.Jahrtausendelang haben wir an unserem
geistigen Tempel gebaut, und stets bauen
wir weiter, ohne den Tempel jemals ganz
zu Ende zu bauen.
.Jedes Jahrhundert läßt uns neue Kapel‐
len und Altäre, neue Säulen und Pfeiler
einfügen, ‒ nach geistig bestimmtem Rhyth‐
mus und dem vorordnenden, weisen Plan,
der in den Fundamenten des Tempels ruht.
.All eure Tempel und Altäre auf der
Erde sind nur dieses geistgestalteten Tem‐
pels
Spiegelbilder.
.Mehr oder weniger klar, ‒ mehr oder
weniger verzerrt, ‒ ist an allen seinen irdi‐
schen Widerspiegelungen zu erkennen, was
die alten Baumeister ahnend erfühlten, und
sofern sie wahre
Künstler waren, in hoher
Intuition erschauten, von der Maßgerechtig‐
keit und Zierde unseres hehren
Tempels der
Ewigkeit. ‒
.Dieser Tempel aber ist nicht etwa ein
Werk des
Gedankens, und ich rede hier
keineswegs nur in
symbolischer Weise!
.Er besteht vielmehr als ein geistsinnlich
immerdar wahrnehmbares Bauwerk aus gei‐
stiger Substanz, und wird von
geistig wahr‐
nehmenden Wesenheiten ebenso als ein festes
Gefüge erkannt, wie von euch die Tempel
der Erde und die irdischen, himmelragen‐
den Dome...
.In der geistigen Welt wird alles als eben‐
so „greifbar” und „real” empfunden, wie in
eurer Welt der physischen Sinne, und ihr
unterliegt einer großen Täuschung, wenn
ihr etwa glaubt, hier seien nur vage Traum‐
gebilde zu finden! ‒
.Es handelt sich hier nicht um Visionen,
Halluzinationen oder sonstwie selbstgeschaf‐
fene Vorstellungsbilder, noch um das Auf‐
tauchen bildgeformten Erfahrungsbesitzes
aus unterbewußten Regionen! ‒
.Was durch die
geistigen Sinne wahrge‐
nommen wird, ist in
gleichem Grade „
ob‐
jektiv” gegenwärtig, wie das, was die
phy‐
sischen Sinne des
Erdenkörpers wahr‐
zunehmen vermögen, und aus diesem Grunde
entspricht das
geistig-sinnlich Wahrgenom‐
mene auch bis zu den
höchsten Stufen
geistiger Selbstdarstellung „objektiv” durch‐
aus den Formen der physisch-sinnlichen An‐
schauungswelt, wenn auch in geistbedingter
Abwandlung.
.Auch in der
geistigen Welt gibt es
„Länder und Meere”, tiefe Schluchten und
hohe Berge, Firnen mit ewigem Schnee be‐
deckt, und weite, stille Täler voll von An‐
mut und Frieden...
.Wem das „allzuirdisch” zu klingen
scheint, der werde sich darüber klar, daß
ja auch seine
physisch-sinnlichen Wahr‐
nehmungen hier auf der Erde nur aus
bestimmten
Eindrücken entstehen, die
durch äußere Mittel hervorgebracht werden.
Dann aber möge er beachten, daß dabei im‐
mer nur physisch-sinnlich wahrnehmbare
Wirkungen gewisser
Energien in Betracht
kommen, so daß wir mit allen
Bezeich‐
nungen, die wir den Dingen geben, streng
genommen, stets nur gewisse
Komplexe
stereotyp wahrzunehmender Einzelein‐
drücke fixieren. ‒ So empfängt z.B. das
Auge den Eindruck:
Weiß, die Hand fühlt
Kälte und
eine gewisse Konsistenz der
berührten Masse, das Ohr empfängt den Ein‐
druck eines
knirschenden Geräusches
sobald die gleiche Masse betreten wird, wo‐
nach wir den Komplex dieser Wahrnehmun‐
gen (zu denen noch manche andere hinzu‐
kommen können, wie z. B. die Wahrnehmung
der leichten Schmelzbarkeit oder der Kristall‐
form der einzelnen „Flocken”) als „Schnee”
bezeichnen.
.Um die
physisch-sinnliche Wahrneh‐
mung dieses Eindruckskomplexes zu bewir‐
ken, sind gewiß
physikalische Eindrucks‐
erzeuger notwendig, hingegen wird der gleiche
Eindruckskomplex für
geistige Sinne
nur
dann wahrnehmbar, wenn
geistige Ener‐
gien sich zu der nämlichen Eindruckserzeu‐
gung vereinen. ‒ ‒
.Auch auf der
geistigen Seite der
ursächlichen Welt gibt es „
Raum und
Zeit”, „
Ursache und
Wirkung”, wenn
wir auch zu alledem in wesentlich an‐
derer
Beziehung stehen, als wir es auf
der Erde und im physisch-sinnlichen Leben
gewohnt sind. ‒
.Alles was hier in der
geistigen Welt
erlebt wird, ist von gleicher
Realität wie
die Dinge der mit
physischen Sinnen
wahrnehmbaren Welt, kann aber nur auf
geistige Weise
zu Bewußtsein gelangen.
.Was solcherart wahrgenommen wird, ist
auch keineswegs
örtlich ferne der physi‐
schen Welt, aber es untersteht
nicht mehr
den in der physischen Erscheinungswelt wirk‐
samen Gesetzen. ‒
.Wirkender
Wille läßt im Geistigen er‐
wachsen, was uns im geistigen Leibe dienen
soll, und der gleiche Wille läßt die reife
Frucht ohne Mühe geerntet sein.
.Wir kennen nur keine
Tiere in dem
Bereiche der geistigen Welt, von dem hier
die Rede ist, obwohl die reine
Formen‐
welt tierhafter Erscheinung auch hier kei‐
neswegs fehlt.
.Alles aber, was am Menschen auf Erden
„
des Tieres” ist, hat hier seine
Macht
über uns in gleicher Weise verloren, wie
alles
Feindliche, das uns auf Erden in
der Erscheinungsform des Tieres gegen‐
übertritt.
.Was im Geistigen sich uns offenbart in
Formen, die denen der
Tiere auf der Erde
in höchster Schönheit
entsprechen, hat
nicht das mindeste zu tun mit
tierhaf‐
ter Natur, wie sie sich uns auf Erden in
tierischen Formen zeigt...
.Auf Erden mögen Menschen, um sich
irdisch zu
nähren, das Fleisch der Tiere
genießen, andere es
meiden, ‒ hier im
geistig-sinnlichen Erleben aber gibt es keine
andere „Speise”, als die geistigen Aequiva‐
lente irdischer
Pflanzenfrüchte, sowie der
irdischen Erscheinung von
Wein und
Brot.
.(Es wird kaum nötig sein, zu sagen, daß
es sich hier um „Brot” handelt, das ohne
Backofen wurde, und um „Wein” der wahr‐
lich nicht „berauscht”...)
.Aber „Speise” und „Trank” ist auch auf
der
geistigen Seite der ursächlichen Welt
die geistsinnliche
Form der Krafterneue‐
rung, gleichwie es einen Zustand der Er‐
quickung gibt im geistigen Erleben, der sich
vergleichen läßt mit dem gesunden Schlafe
der irdisch Ermüdeten.
.Da „Speise” und „Trank” im Geistigen
jedoch
Erzeugnisse der Kraft des Willens
sind, so ist auch ihre
Wirkung nur Ver‐
wandlung der gleichen Kraft in geistleib‐
liche Elemente und es entfällt somit für
den Leib des Geistes alle auf Erden tier‐
bedingte Ausscheidung.
.Das alles aber erscheint vielen aus euch
freilich gar zu „sinnlich”, gar zu sehr dem
Leben auf Erden ähnlich, als daß es euer
williges Verstehen finden könnte.
.Ihr vergeßt dabei, daß ja auch auf der
Erde alles sinnlich faßbare Geschehen immer
„Symbol” eines Vorganges ist, der den Sin‐
nen
unerfaßlich bleibt. ‒
.Alles Leben im
physisch-sinnlichen,
wie im
geistigen Kosmos äußert sich als
Bewegung.
.Alle Bewegung aber zeugt
Form.
.Da
alles Leben
immer das gleiche
eine Leben ist, so ist auch alle
Form: der
gleichen
Bewegung entsprechendes
Symbol
in
allen Anschauungsregionen des Alls. ‒
.Ein Reich des Geistes wie
ihr es euch
erträumt und wie man seit Jahrtausenden
es immer wieder euch erträumen
lehrte:
‒
ohne Formen,
ohne Symbole ‒ gibt es
nirgends, es sei denn, man nähme vorlieb
mit den verblasenen Nebelreichen, die in
manchen
Köpfen als „Wirklichkeit” gelten.
.Das „
gestaltlose Meer der ungeformten
Gottheit”, von dem die Mystiker reden, ist
über allem Dasein, aber einmal verloren
in diesem Meere, würdet ihr euch nie mehr
wiederfinden.
.Aus ihm seid ihr
hervorgegangen um
Gestalt und
Ausdruck eures Willens zu
werden, aber was euch nun einmal
indivi‐
dueller Formung übergab, müßte ewig einen
jeden abstoßen und stets wieder ins All hin‐
ausschleudern, falls einer in die unbegrenzte
Urflut zurückkehren
könnte. ‒ ‒
.Gar weit von dieser Urflut sind die armen
Träumer entfernt, die in ihrem Unterbe‐
wußtsein das verborgene Erfahrungsgut fern‐
ster Vorahnen fanden und deren
Unfähig‐
keit zu
individuellem Selbsterleben in
sich erneut durchkosteten, als vermeintliches
„Gottheitserleben”...
.Die innerste Lichtwelt geistiger Anschau‐
ung aus der wir euch Kunde bringen, ist
zwar der
Formung nach das Werk
aller,
die diese Geisteswelt zu erleben vermögen,
und dennoch bleibt jeder Einzelne der Ge‐
stalter seines
eigenen Erlebens.
.In der
Gemeinsamkeit der Willenswir‐
kung erstrebt jeder Einzelwille hier die
gleiche Formung.
.Für sich selbst aber schafft der Einzel‐
wille
innerhalb unserer Gemeinsamkeit
dennoch sein
eigenes Erleben, das hin‐
wieder keinen
anderen Einzelwillen stört,
wie es ja auch niemals
anderem Einzel‐
willen
erlebbar werden könnte, es sei denn,
infolge gegenseitiger
Durchdringung.
.Wenn aber nun auch die ganze
geistig‐
sinnliche Weltgestaltung in gleicher Weise
als „
reale” Welt empfunden wird wie die
Welt der
physisch-sinnlichen Wahrneh‐
mung, so stellen sich doch unserem
Willen
innerhalb der
geistigen Welt keine der
Widerstände entgegen, die ihn auf Erden
hemmen und beschränken.
.Wollen wir, daß etwas
sei, so genügt
unser
Wille, damit es
werde...
.Es
wird, ‒ je nach der
Kraft unseres
Willens, früher oder später, ‒ aber es wird
so, wie wir es
wollen.
.Die schöpferischen Kräfte des
Willens
allein lassen in der geistigen Welt ins Dasein
treten was
gewollt wird, und andererseits
entschwindet das bisher Gewollte ohne
jede Spur, sobald der Wille es
verneint,
so daß hier dann in Wahrheit die Macht
des Willens nahe an den Begriff der „All‐
macht” grenzt...
.Nur die von allen, die des hier beschrie‐
benen Erlebens innewerden,
gemeinsam
gewollte geistige Welt, ‒ als Ergebnis ge‐
meinsamer
geistig-sinnlicher Anschauungs‐
form, ‒ läßt sich ebensowenig verändern
oder vernichten wie die
physische Sinnen‐
welt.
.Es gibt aber auch noch
andere Welten
geistig-sinnlicher Anschauung: ‒ Welten
getrübter Erkenntnis und
mißleiteten
Willens.
.Das sind die Welten derer, die ins Gei‐
stige gerieten ohne sich lösen zu können
aus den engen Fesseln irdischer Hirnge‐
spinste und Gedankenketten.
.Unfähig, sich vollbewußt zu den
er‐
kenntnisklaren Höhen schöpferischen
Geistes zu erheben, schafft jeder, der auf
solche Art Gefesselten sich eine niedere
geistsinnliche
Scheinwelt, die den Vor‐
stellungen gleicht an die er auf der Erde
schon gebunden war, ‒ aber das Erzeugnis
seines Willens hat keinen dauernden Bestand.
.Da jeder
Anderes will als der andere,
so zerstört immer einer des anderen Werk.
.Dennoch bleiben auch solche Trugwelten
viele Jahrtausende hindurch erhalten,
sofern sie ihr Dasein
gemeinsamen Vor‐
stellungen danken, die auf Erden lange
Zeit mit großer Glaubenskraft gehegt und
genährt wurden. ‒
.Die unbewußten Schöpfer dieser Welten
stehen jedoch immerfort im Kampfe gegen
ihre Widersacher: ‒ gegen alle Willens‐
kräfte die ein
anderes Ziel erstreben.
.Ihr wißt nicht, wieviel religiöse Un‐
duldsamkeit, wieviel nationaler Hader und
wieviel andere Zwistigkeiten auf Erden
nur
Rückwirkungen sind, hervorgerufen
durch wuterfüllte Verteidigungskämpfe in
den Trugreichen, die sich der Mensch in
den
niederen Regionen geistig-sinnlicher
Anschauungsform seit Urzeiten schuf. ‒ ‒
.Alles, was auf der Erde ernstlich
ge‐
glaubt oder
gewollt wird, erzeugt in den
niederen Bereichen geistig sinnlicher Wahr‐
nehmung eine dem gleichen Glauben und
Wollen entsprechende „Welt”, die so lange
bestehen bleibt, wie dieser Glaube oder Wille
auf Erden besteht und Glaubende oder Wol‐
lende hinübersendet in jene Bereiche.
.Alles, was sich auf Erden
bekämpft,
ist sich auch Feind in der Welt scheinbarer
Erfüllung, die es sich unwissenderweise in
diesen
geistig-sinnlichen Bezirken schafft,
und was da
geistig gegeneinander wütet,
wirkt mit seinen feindlichen Kräften zurück
auf die Erdenmenschheit. ‒
.Durch Wechselwirkung wird Feindschaft
und Haß auf beiden Seiten genährt.
.Aber alle diese Sonderwelten, ‒ diese
geistigen „Strandreiche”, ‒ gehen dereinst
zugrunde, mag auch ihr Bestand gesichert
erscheinen für Aeonen!
.Ewigen Bestand hat im Geistigen nur
jene Geistesweltgestaltung, die einem er‐
kenntnisdurchlichteten,
ewig geeinten Kol‐
lektivwillen entstammt, der durch nichts
verändert werden
kann, da in ihm der Selbst‐
bejahungswille aller Einzelnen
identisch
ist mit der ewigen
Liebe, als dem Urgrund
unvergänglichen Seins...
.Wir, die wir im
Ewigen leben, unserer
Ewigkeit gewiß, ‒ wir befeinden
keine
Willensrichtung und
keinen Glauben, mö‐
gen sie uns auch noch so absurd oder ver‐
werflich erscheinen.
.Wir haben unsere geistige Welt vor kei‐
nerlei Feinden zu schützen, denn die uns
feind sein
könnten, sind nicht imstande
die Welt in der wir geistig leben, zu er‐
reichen.
.Was immer sie auch von uns gehört
haben, ‒ wie immer auch ihr Wähnen und
Meinen uns beurteilen mag, ‒ so wissen
sie ja doch nicht, wovon wir Zeugnis geben,
und werden es auch nicht erfahren können,
solange ihre geistige Blindheit nicht behoben
ist...
.So würde denn auch ihr uns feindlicher
Wille nur gegen ein
Bild sich richten, das
sie
sich selbst geschaffen haben, ‒ nie‐
mals gegen
uns selbst und
unsere geistige
Welt. ‒
.Wir aber sehen, unermeßlich tief unter
den Firnenhöhen die uns im Geiste Heim‐
statt sind, jene
vergänglichen geistigen Wel‐
ten, die sich
erdversklavter Wille schuf,
und wir sind immerdar bereit, aus ihnen
zu befreien, was sich befreien lassen
will.
.Keinen
können wir erlösen, der nicht
reinen Willens, im Innersten
wahr vor
sich selbst, das
Höchste und
Lichteste
von sich verlangt, und unerschütterlich an
die Hilfe ewiger
Liebe glaubt!
.Selten genug ist der Wille, der sich in
solcher Weise äußert, ‒ selten genug die
Einsicht, daß nur die Erschöpfung
eigener
Kraft ein Anrecht auf Hilfe begründet...
.Dennoch
gibt es solchen Willen und
solche Einsicht.
.Wenn uns auch so mancher Ruf erreicht,
der sich verrät als feiges Selbstbejammern
bei der Flucht vor eigener Verpflichtung, so
hören wir doch auch
andere Rufer, die
wahrlich alles schon
erfüllten, was Erfül‐
lung heischt aus
eigener Kraft.
.Sie allein können wir befreien aus den
Bereichen zeitbedingten Wahns!
.Vor allem anderen was wir geistig zu
wirken vermögen ist uns heilig solches Be‐
freiungswerk!
.Wir kennen keine
größere Freude, als
einem derer, die
sich selbst zu übersteigen
streben, aus der Dunkelheit empor zum
Licht zu helfen...
.Die anderen müssen einen Weg beschrei‐
ten, von dem hier nicht gesprochen werden
soll.
.Auch sie erkennen früher oder später,
daß ihre geistige, selbstgeschaffene Trugwelt
nicht die Welt der dauernden Erfüllung ist.
.Bitter und hart ist dann solche Erkennt‐
nis, und dornenreich der Pfad, der nur allein
noch Verheißung gibt, dereinst das Licht zu
erlangen.
.Aeonen können auf Aeonen folgen be‐
vor der Suchende dann doch die erste der
Stufen wieder erreicht, die ihn empor zum
ewigen
Lichte leiten, ‒ zu
dauernder Er‐
füllung seines Sehnens, ‒ zum
Urgrund
seines
Seins. ‒ ‒ ‒
.Alles was ich hier bekunde, könnte man
wohl für seltsame Wachträume eines von
seinen Phantasien bedrängten „Mystikers”
halten, und ich verarge es keinem Men‐
schen dieses Jahrhunderts, wenn er sich
meiner Worte auf solche Art zu erwehren
sucht.
.Doch, ich rate euch in
eurem Interesse,
diese Mitteilungen lieber wie den Bericht
eines Mannes aufzufassen, der euch von fernen
Ländern manches zu sagen hat, die ihr selbst
noch nicht kennenlernen konntet.
.Einige aus euch mögen auch vielleicht
Anstoß daran nehmen, daß sie hier
Anderes
hören, als was sie bis jetzt von solchen hörten,
die täuschungsbetört von sich behaupteten,
die Bereiche geistiger Welten wachen inneren
Sinnes betreten zu haben.
.Hier ist zu bedenken, daß es bei be‐
sonderer Veranlagung und nach gewisser
Schulung zwar manchen Menschen möglich
werden kann, die
niedersten und
äußer‐
sten Bezirke des unermeßlichen Reiches
geistig-sinnlicher Wahrnehmung zu betreten,
daß aber
keiner in das lichtklare
innerste
Reich
wesenhaften Geistes gelangt, der
nicht zu den berufenen Hütern des gehei‐
men geistigen „Erbgutes” der Erdenmensch‐
heit gehört.
.Auch die Wenigen, denen dieses Erbgut
anvertraut ist und die mit solcher Berufung
schon geboren wurden, mußten zu jeder Zeit
erst unter hoher Leitung beträchtliches gei‐
stiges Wissen und praktisches Können er‐
werben, bevor sie nach jahrelanger Prüfung
endlich als wirklich „erprobt” befunden
wurden...
.Die „Seher” aber, die mit kühner Stirne
euch „Forschungsergebnisse auf höheren Ebe‐
nen” vortragen zu dürfen glauben, so als
ob es sich da um offene Gebiete zu wissen‐
schaftlicher Durchprüfung handle, sind ‒
ausnahmslos ‒ Menschen, denen im
be‐
sten Falle einer oder der andere jener
nie‐
deren Bezirke zugänglich wurde, die ich
als die „Strandreiche” der geistig-sinnlichen
Anschauungsweise bezeichnet habe.
.Mancher dieser Betörten mag gewiß guten
Glaubens von Dingen berichten, die er in
einem solchen „Strandreich” wirklich ge‐
wahrte, oder die ihm gar ein Jenseitiger,
der ihm als „Meister” erschien, im unge‐
hemmten Wahn täuschungsberauschter „Si‐
cherheit” zu zeigen unternahm. ‒
.Seltener als ihr ahnt, ist wirklich
au‐
thentische Kunde aus unserer Welt im
geistigen Universum!
.Die, denen solche Kunde zuweilen zu‐
kam, hielten sie meistens sehr geheim, und
fürchteten, Heiliges zu profanieren, wenn
sie das, was sie erfahren durften, der Menge
preisgeben würden.
.Immer war
authentische Kunde nur
von uns Wenigen gekommen, als den
ein‐
zigen, die sie geben
konnten.
.Man gab jedoch die Aufschlüsse nur
im
Geheimen, und gab sie nur
Einzelnen,
die sich Tag und Nacht darum mühten, Er‐
leuchtung zu erlangen.
.Allzukärglich aber blieb bei dieser Art
der Austeilung des Saatgutes die geerntete
Frucht, so daß nun
aller Welt gegeben wer‐
den soll, was sich in Menschenworten mit‐
teilen läßt von unserem Erfahrungswissen.
.Ich trete nicht etwa vor euch als Lehrer
hin um Anspruch darauf zu erheben, daß
man mir ein größeres Maß an Vertrauen
schenke, als es unter redlichen Menschen
allgemein üblich ist.
.Die Kunde, die ich euch hier durch mein
Wort vermittle, gebe ich aus meiner
ewigen
Geistnatur, und ich bezeuge hier eine gei‐
stige Welt, in der ich mit meinen Brüdern
im Geiste lebe, während ich,
zu gleicher
Zeit, auch noch das Leben auf dieser Erde
mit euch teile, allem Irdischen verpflichtet,
und weit davon entfernt, mich ihm ent‐
ziehen zu wollen.
.Ich gebe auch nicht nur allein Bezeugung
eigenen Erkennens sondern schreibe jedes
meiner Worte zugleich in stetem geistigen
Einklang mit dem Erkennen derer, die mir
Brüder sind im Geiste, als mir vereinte
Priester im Tempel der Ewigkeit.
.Möge jeder, der diese Worte liest, von
der äußeren Persönlichkeit ihres Schreibers
gänzlich absehen, und nur
im eigenen
Herzen sich fragen, ob dort Übereinstim‐
mung zu finden ist mit dem allhier Ge‐
gebenen!
.Die
Zustimmung des Herzens wird
anfangs erst nur
leise vernommen werden,
wenn der Leser noch in Gedanken und Vor‐
stellungen lebt, die von den niederen Grenz‐
reichen geist-sinnlicher Anschauungsart be‐
einflußt werden.
.Je höher er sich bereits über diese Ein‐
fluß-Zone erhoben hat, desto deutlicher wird
er im eigenen Innersten die Wahrheit meiner
Worte empfinden.
.Wer allerdings, wenn auch dessen nicht
bewußt,
Mitschöpfer niederer Welten im
geistsinnlichen Grenzgebiet ist, und daher
im Banne der
Rückwirkung seiner selbst‐
geschaffenen Vorstellungsgebilde steht, der
wird schwerlich den Drang empfinden, sich
aus seiner Selbstbindung zu befreien.
.Ebenso werden alle, die das Reich des
abstrakten
Denkens für das Reich des
Geistes halten, nur ein Lächeln dafür übrig
haben, daß es eine Welt ewiger
Erfüllung
im Geistigen geben solle, die so viele Ele‐
mente der
physischen Erscheinungswelt
aufweist.
.Die Erkenntnis, daß alle
physisch-sinn‐
liche Erscheinungswelt, im Größten wie im
Kleinsten, Nachformung
geistig-sinnlicher
Erscheinungswelten ist, scheint allzuschwer
erreichbar...
.So wird man sich denn auch berechtigt
glauben, alles, was ich über diese Dinge
sage, ohne Prüfung in das Reich der Fabeln
und der menschlichen Hoffnungsträume zu
verweisen.
.Und doch wird durch solches Fehlurteil
nicht das geringste an der gegebenen Struk‐
tur der Wirklichkeit geändert. ‒
.Wenn es nicht ein jahrtausendealter
Aberglaube wäre, daß geistige Wirklich‐
keit sich durch den Mechanismus logisch
richtigen Denkens erschließen lassen müsse,
dann wäre die hier durch mich bezeugte
Wirklichkeit
längst erschlossen und jedem
weiteren Zweifel entrückt!
.Weit näher der Wahrheit kommen
die
Glaubenslehren der alten Religions‐
systeme, denn in ihrem Bilderschatz hat
sich vieles bis auf den heutigen Tag er‐
halten, was deutlich das Zeichen wirklicher
Jenseitsbewußter trägt.
.Wer heute noch die Sprache dieser Bild‐
lehren zu
deuten weiß, dem sage ich gewiß
nichts Fremdes, wenn ich lehre, daß es keine
andere, wahrhaft
ewige „Seligkeit” für den
bleibenden Menschengeist gibt, als in der
innersten lichtgezeugten Welt des Geistes
mit ihrem unendlichen Reichtum an
Form
und
Ursymbol, ‒ mit ihren unendlich‐
fältigen Möglichkeiten der
Erfüllung höch‐
sten und reinsten Wollens...
.Die aber, nach deren Anschauung des
Menschen Selbstempfinden mit dem Tode
seines Erdenkörpers
endet, mögen erst
nach diesem Tode ihren folgenschweren
Irrtum durch
Erfahrung korrigieren
lassen!
.Sie werden kaum viel halten von der
„
Zustimmung des Herzens”, und trotz
allem Scharfsinn werden sie nicht gewahren,
wie sie sich selbst den einzigen Weg ver‐
bauen, der sie schon
jetzt, und hier in
ihrem Erdenleben, zu klarer Einsicht führen
könnte.
.Es sind gewiß nicht die Schlechtesten,
die, aus vermeintlichen guten Gründen, den
Tod des physischen Erdenkörpers für iden‐
tisch halten mit
endgültiger Bewußt‐
seinsvernichtung, ‒ aber schwer sind sie
aus ihrem Irrtum zu reißen, da der
Augen‐
schein sie engumfesselt hält, so daß sie
die unbestreitbare Erkenntnis
irdischer
Vergänglichkeit auch in einer Sphäre, die
ganz
anderen Gesetzen folgt, noch als be‐
weiskräftig erachten...
.Gewiß
ist der
erdensinnlich faßbare
Mensch mit dem Tode seines irdischen Kör‐
pers auf immer
vernichtet!
.Was
weiterbesteht, ist der aus sich ge‐
formte ewige
Wille, so wie er sich bis zum
Tode des Körpers
in diesem und
durch
dessen Kräfte
Ausdruck schuf, und das in
dieser Willensform sich selbst erkennende
Bewußtsein, so, wie es noch in den letzten
Momenten klaren Empfindens im Körper
sich auch
sinnenhaft empfand.
.Beides aber genügt wahrlich, um den
nachfolgenden Zustand ein „
Weiterleben”
zu nennen, denn auch das
irdische Leben
ist ja nur sinnenfällige „
Äußerung” des
durch seine Eigenformung bestimmten, und
damit sein
Selbstbewußtsein bestimmen‐
den ewigen
Willens.
.Mit Recht wehrt sich vernünftiges Den‐
ken aber gegen die Annahme, es werde
dieser Wille, oder das durch die erlangte
Willensformung bestimmte Selbstbewußt‐
sein sogleich nach dem Tode des Erden‐
körpers etwa in einen Zustand „ewiger
Wonne” erhoben oder hinabgestürzt in
„ewige Qual”.
.Das Unvergängliche, das sich vordem im
Erdenkörper Ausdruck schuf, „entflieht”
auch keineswegs in irgendwelche Wolken‐
höhen, oder „zu den Sternen”.
.Es tritt nur ein
Anschauungswechsel
ein, und das von der
irdischen Wahrneh‐
mungsart
gelöste Bewußtsein des ewigen Wil‐
lens wird wahrnehmungsfähig mit den Sinnes‐
organen seines
geistigen Körpers, durch den
allein es ja auch schon während des Erden‐
lebens zu
geistiger Erfahrung kam, mag sol‐
che Erfahrung reich oder gering gewesen sein.
.Was aber vorerst wahrgenommen wird,
nachdem die physischen Sinnesorgane dem
Bewußtsein entzogen wurden, habe ich be‐
reits in der
ersten Abhandlung dieses Bu‐
ches eingehend beschrieben.
.Die
Anschauungsart ist trotz aller
Sonderformen, die sie umfaßt, die
gleiche
in den
niedersten der nur
geistig-sinn‐
lich erfahrbaren Welten, wie in der
höch‐
sten,
innersten Welt des Geistes.
.Verschieden sind nur die
Gestaltungen,
die wahrgenommen werden, ‒ verschieden
ist die
Klarheit individueller
Erkenntnis
innerhalb des Wahrnehmungsbereiches.
.Je höher diese Erkenntnis, desto reiner
empfindet sich der dann bereits kristall‐
scharf
geformte ewige Wille im Selbst‐
bewußtsein als
Schöpfer der Erscheinungs‐
formen aus geistiger Substanz, ‒ desto
lichtklarer offenbart sich dem Bewußtsein
die ewige, alle Seinsform tragende
Wirk‐
lichkeit.
.Zum „
Gestaltlosen” strebt nur
un‐
klar geformter, seiner selbst noch
nicht
sicherer Wille. ‒
.Geklärter,
formstraff in sich selbst
gefestigter ewiger Wille aber, der
Ord‐
nung nach
Maß und
Zahl in sich begreift,
muß auf
jeder Stufe seiner Auswirkung
zur
Gestaltung in
Erscheinungsformen
führen, und höchstes Glück ist ihm die
Ausgestaltung seiner Eigenschöpfung zu der
in ihr begründeten
Vollkommenheit...
.Wohl kennt jeder wirklich schöpferische
Künstler und auch mancher andere „
Schaf‐
fende” auf der Erde einen fernen
Abglanz
solchen Glückes, aber erst auf der
geistigen
Seite des Universums findet
Erfüllung,
was auf Erden
Vorahnung war.
.Darum ist die
Erziehung des Willens,
durch Nützung seiner eigenen Formungs‐
triebe, die
erste und
nötigste geistige
Schulung und der erste Schritt auf dem
Wege, der zur ewigen Welt im Innersten
des Geistes führt.
.Wir sind euch wahrhaftig näher als ihr
glaubt, ‒ ja wir sind bei euch, wo immer
ihr auch seid, denn was in euch des
Geistes
ist, hat
sein ewiges Sein in der uns er‐
schlossenen geistigen Welt, obwohl ihr noch
nicht imstande seid, eure Identität mit die‐
sem eurem ewigen Geistigen zu empfinden.
.Zu dieser Identitätsempfindung könnt
ihr nicht eher kommen, als bis euer ewiger
Wille sich rein und formklar in Ordnung
und Gesetzlichkeit
vollendet hat.
.Nur wer ohne Unterlaß daran arbeitet,
sich dem Nebel trüber Dämmerdünste zu
entreißen, in dem ihn verschwommene Be‐
griffe vom Geistigen umherirren lassen, der
kann dereinst zu der Klarheit geistigen Lich‐
tes kommen, die uns Lebensodem ist. ‒
.Dann wird der Suchende erfahren, daß
die tausend „
Fragen” die er vergeblich
sich schon am ersten
Anfang seines Weges
stellte, erst am
Ziele dieses Weges ihre
absolut befriedigende
Antwort erhalten
können. ‒
.Das ist der Grund, weshalb alle Führer
zum geistigen Lichte zuerst die Forderung
nach dem „
Glauben” stellen müssen, der
als lebendige Kraft
den Impuls zum Vor‐
anschreiten auslöst.
.Am
Beginn des Weges zum Tempel
der Ewigkeit muß der „
Glaube” stehen,
denn „
Wissen” kann
dem nur werden, der
das
Endziel des Weges in sich erreichte.
.Wer nicht „
glauben” kann, dieses Ziel
dereinst zu erreichen, der wird gewiß die
Mühe nicht auf sich nehmen, die der Weg
von ihm verlangt, und wer diese Mühe
scheut, der kann auf
keinen Fall hier auf
Erden schon zu gewissem „
Wissen” in gei‐
stigen Dingen kommen!
.Solches „Wissen” aber kann euch
wer‐
den, auch wenn ihr
nicht schon während
eures Erdenlebens imstande seid, euch frei
in den höchsten Reichen des Geistes zu
erleben.
.Wer aber zum „Wissenden” in den Din‐
gen des
Geistes wurde, der hat wahrlich
mehr erreicht, als wenn ihm alle Wissen‐
schaft der Erde eigen wäre...
.Er wird
sich selbst in uns
erkennen,
und mit uns vereint wird ihm das Reich
des Lichtes ewige Heimstatt werden!
.Doch soll man wahrlich nicht glauben,
daß
geistiges Wissen etwa nur denen er‐
langbar sei, die hochmütig sich aller welt‐
lichen „Schulweisheit” überhoben wähnen!
.Zwar kann
geistiges Wissen nicht durch
verstandesmäßiges Erschließen
gewonnen
werden, wohl aber kann es dem Verstande
gar manches Neue
erschließen helfen...
.Wissen
im Geiste ist nicht auf gleiche
Weise zu erlangen, wie weltliche Wissen‐
schaft, aber ebensowenig läßt sich
verstan‐
desmäßige Erkenntnis
irdischer Zusam‐
menhänge anders, als durch
Verstandes‐
arbeit erreichen.
.Was irdischer Verstand erkennt aus
erdensinnlicher Erkundung her, kann
niemals Gegenstand der
geistes-sinnlichen
Erkundungsweise sein, und niemals kann
ein
Widerspruch bestehen bleiben zwi‐
schen beiden Arten des Erkennens, es sei
denn, daß er nur durch mangelnde Er‐
kenntnis-
Fähigkeit verschuldet worden
wäre.
.Erst dort, wo alles „Erdenkbare”
endet,
wird Erkenntnis
aus geistigem Anschauen
möglich: ‒
jenseits aller erdenmensch‐
lichen Wissenschaft!
.Du hast nun hoffentlich bereits be‐
gonnen, ein Weniges zu erahnen von dem
Geheimnis der ewig zeugenden, ewig ge‐
bärenden
Ursachenwelt, die sich in allen
Anschauungsreichen offenbart, in unendlich‐
fältiger Erscheinungsfülle...
.Oder ist dein inneres Fühlen doch noch
zu stumpf, weil du nicht gewohnt warst, es
zu schärfen?
.Dann erfühlst du vielleicht noch kaum
etwas von dem
Mysterium, das dir durch
meine Worte enthüllt werden soll, oder du
deutest meine Worte, wie sie nicht gedeutet
werden wollen? ‒
.Ich will aber, daß du „
sehend” wirst,
damit du nicht dereinst als ein „
Verblen‐
deter” das Reich des Geistes betreten wirst,
wenn der Tag kommt, an dem du es be‐
treten
mußt. ‒
.„
Avidyâ”, d.i.:
Nichtwissen, nennt
ö
stliche Weisheit mit Recht eine „
Schuld”,
denn dein eigener
Wille nur vermag es,
dir die Pforte zur Erkenntnis zu versper‐
ren. ‒ ‒
.Du hast jetzt mehrfach bereits gehört,
daß zwischen deiner Welt der
physisch‐
sinnlichen Wahrnehmung und der Welt des
Geistes nur eine Schranke liegt, die zwei
verschiedene Arten der
Wahrnehmungs‐
fähigkeit voneinander trennt.
.Ich habe mich absichtlich des öfteren
wiederholt und werde mich auch weiterhin
noch wiederholen müssen, damit diese Grund‐
wahrheit dir so tief wie möglich zu Bewußt‐
sein kommt.
.So muß ich auch hier dir in die Erin‐
nerung rufen, daß das
Wirkliche immer
das gleiche
Eine und
Ursächliche bleibt,
auch wenn es auf die verschiedenste Art
zur
Wahrnehmung gelangt in den
physi‐
schen oder
geistigen Erscheinungswelten.
.Philosophisches Denken erspürte von fer‐
ne dieses eine „Wirkliche” und nannte es:
„Das Ding
an sich”.
.Bis zu
ihm aber vorzudringen, ist
auch der feinsten und scharfsinnigsten phi‐
losophischen Spekulation absolut
unmög‐
lich.
.Nur in
praktischer Erfahrung wird
es erfaßt, und nur erprobte Meister uralter
verborgener Erkenntnisweise sind dieser
praktischen Erfahrung wirklich
fähig.
.Sie
allein vermögen es auch, ihre schon
dazu geborenen, ausgewählten Nachfolger zu
dieser praktischen Erfahrung zu
führen.
.So habe auch ich voreinst erlangt, was
hier zu erlangen war.
.Wer anders als wir, sollte dir also
das
einzig Wirkliche, das
aller und
jeder
Erscheinung letzte
Ursache ist, wenigstens
durch den Hinweis, den Worte einer Men‐
schensprache zu geben vermögen, hier auf
Erden aufweisen können?!
.Ich will versuchen, ob es mir gelingt,
‒ allein, ich muß dein eigenes innerstes
Fühlen bei diesem Beginnen dringend zu
Hilfe bitten, denn nur, wenn das, was
in
dir des Geistes ist, meinem Lehrwort sich
vereinen kann, wirst du der Wahrheit
innewerden.
.Deine Augen sind bis jetzt noch
geblen‐
det von dem Glanze eines
vergänglichen
Lichtes, das gewiß die Augen blenden
kann!
.Du mußt erst „
sehen” lernen! ‒
.Dein Auge muß
frei werden, so daß es
sehen kann, was es sehen
will, und nicht
mehr gezwungen ist,
nur das sehen zu
müssen, was die allermeisten Menschen
allein zu sehen vermögen. ‒ ‒
.Dein Auge muß nach
innen sehen lernen,
so, wie es bis jetzt nur nach
außen sieht!
.Aber es handelt sich hinwieder auch
nicht nur allein um ein anderes „
Sehen”,
sondern dein ganzes
Fühlen muß Erneue‐
rung erfahren.
.Dein eigenes „
Daseinsgefühl” muß sich
aus den Fesseln lösen, die es bislang noch
umstricken, willst du das einzig „
Wirk‐
liche”, das
Ursache aller Erscheinung ist,
mit unbeirrbarer Sicherheit
erfühlen.
.Magische Fäden durchziehen auch diese
äußere,
physische Sinnenwelt, und wenn
du mit Ausdauer dich bestrebst, nach
in‐
nen sehen zu lernen, so wirst du bald die
Erscheinungsform dieser Außenwelt von
dem
Ursächlichen, das sich in ihr offen‐
bart, zu
unterscheiden wissen.
.Du wirst die überraschende Entdeckung
machen, daß das einzig
Wirkliche aller
Erscheinungswelt auch in der
physisch
sinnlichen Erscheinungsart erfaßbar ist, in
Gestalt der
verborgenen geistigen Ur‐
seinskräfte, die zwar oft genug von Men‐
schen
erfahren wurden, aber dennoch von
vielen
geleugnet werden, weil
ihre Er‐
fahrung nichts davon weiß...
.Wer
erfahren durfte, was hier gemeint
ist, den kann kein Zweifel Anderer mehr
beirren, und sein eigenes Erleben wird ihn
davor behüten, diese Kräfte etwa
jenen
gleichzusetzen, die dem
unsichtbaren
Bereich der
physischen Natur entstam‐
men, obwohl man gemeinhin in
beiden
Fällen von „mystischen”, „übernatürlichen”
oder auch „okkulten” Kräften zu sprechen
pflegt.
.Die ganze
physische Erscheinungswelt,
die dich umgibt, ‒ dein eigener Körper
miteingeschlossen, ‒ ist aufgebaut auf der
Auswirkung der den Erdensinnen
verbor‐
genen geistigen Kräfte aus dem
Ursein,
und alle
geistigen Welten sind gleicher‐
weise dieser ursächlichen Kräfte Erschei‐
nungsform.
.Es ist die andere
Anschauungsart,
die das Wirken dieser Kräfte als
physi‐
sche, oder als
geistige „Welt” empfin‐
den läßt.
.Du wirst nun begreifen, daß das „
Jen‐
seits” keine ursächlich andere Welt ist,
sondern nur das Ergebnis einer neuen, dir
noch unbekannten,
anderen Wahrneh‐
mungsart der Auswirkung dieser
gleichen
verborgenen Urseinskräfte, deren Auswir‐
kungsfolge du hier auf Erden als „Dies‐
seits” anschauen lerntest. ‒
.Dein Bewußtsein ist zwar nicht Schöpfer
der
Wirklichkeit, denn es ist
selbst ein
„Teil” dieser Wirklichkeit, ‒ ist
selbst
eine der verborgenen geistigen Urseinskräfte,
‒ aber es ist im „Diesseits” wie im „Jen‐
seits”:
Schöpfer der Erscheinungsform,
die sich hier wie dort aufbaut auf der Aus‐
wirkung der gleichen Kräfte.
.Zu der „
diesseitigen” Anschauungs‐
form gehört eine Auswirkungsfolge dieser
Kräfte, die dir sehr vertraut ist als die
Funktion deiner
physischen Sinne.
.Durch diese, dir hier gegebenen Sinne
wird all dein Anschauen und Anerkennen
der Wirklichkeit auf Erden genau
bestimmt,
und so nimmst du
nichts anderes wahr,
als was sie dich wahrnehmen
lassen.
.Da du aber
selbst ein „Teil” der ewigen
Wirklichkeit bist, gleichwie ein Wasser‐
tropfen im Meere ein Teil des
Meeres ist,
so trägst du auch in dir potentiell alle
Möglichkeiten die der ewigen Wirklich‐
keit innewohnen, wie der Tropfen im
Meere alle Eigenschaften des Meerwassers
aufweist.
.So bist du nicht nur fähig, durch die
Sinnesorgane deines
physischen Organis‐
mus wahrzunehmen, denn
du selbst bist
ja
geistiger Natur und deines
geistigen
Organismus ewiger Eigner.
.In deinem geistigen Organismus besitzest
du
andere Sinnesorgane, die du bis jetzt
noch nicht kennst, und sie entsprechen auf
geistiger Seite durchaus deinen
physi‐
schen Sinnesorganen hier im
irdischen
Leib.
.Durch deine
geistigen Sinne wirst du
im „
Jenseits” ebenso zum Schöpfer deiner
geistigen Erscheinungswelt, wie du hier
auf Erden Schöpfer der dir wahrnehmbar
werdenden
physischen Erscheinungswelt
bist, ohne darum zu wissen...
.Betrachte, um deinem Verstehen zuhilfe
zu kommen, beispielsweise einen Menschen
in der
Hypnose!
.Er sieht, hört und fühlt alles, was du
ihn durch deine Suggestion sehen, hören
oder fühlen lassen willst, und es gilt ihm
als wahrhaft vorhanden.
.Du glaubst mit aller Bestimmtheit, er
unterliege einer von dir gewollten Täuschung,
‒ allein
du bist es, der sich
in dieser
Annahme täuscht!
.Du hast den Hypnotisierten nur für
kurze Zeit von dem
Zwang befreit, seinen
physischen Sinnen
allein glauben zu müs‐
sen, und nun sieht, hört und fühlt er vor‐
übergehend, und dort, wo du es ihm be‐
fiehlst, auch mit seinen
geistigen Sinnen,
und wird durch sie zum Schöpfer dessen,
was ihm wahrzunehmen aufgetragen ist.
.Nicht du zeigst ihm, was er sieht, und
er sieht auch gewiß noch nichts von dem,
was in
geistigen Erscheinungswelten
allen
dort Wahrnehmenden
gemeinsam sichtbar
ist.
.Du leitest nur seine plastische Phantasie,
und da er, bei gehemmter Funktion der
physischen Sinne, zugleich auch mit sei‐
nen
geistigen Sinnen wahrzunehmen ver‐
mag, so gestaltet
sein Wille vorübergehend
in geistiger Substanz die Aequivalente der
Vorstellungsbilder, zu deren Erzeugung du
ihn veranlaßt hast.
.Nicht der
Holzstab mit dem du seine
Hand berührst, ‒ während du suggerierst, es
handle sich um ein
glühendes Eisen, ‒
schafft die
Brandblase, die alsbald auf der
Hand zu sehen ist, ‒ sondern
die geist‐
sinnliche Erscheinungsform eines glü‐
henden Eisenstabes hat sie bewirkt, und
sie
konnte derartiges nur bewirken, weil
sie auf der Auswirkung der verborgenen
Kräfte aufgebaut war, die in
aller Er‐
scheinung
das einzig Wirkliche sind. ‒
.Keinen Augenblick wird der Hypnoti‐
sierte an der
Objektivität seiner Eigen‐
schöpfung zweifeln, und wenn du ihm be‐
fohlen hast, sich seiner Erlebnisse auch
nach dem Erwachen noch zu
erinnern,
so wird er dann im Wachzustand kaum zu
begreifen vermögen, daß seine Wahrneh‐
mungen
nicht in der
physischen Sinnen‐
welt erfolgten.
.So intensiv aber konnte er nur erleben,
weil sein Erleben auf der Auswirkung der
gleichen
Wirklichkeit beruhte, wie die
ihm vertraute
physische Erscheinungs‐
welt. ‒ ‒
.Wenn nun die Hypnose hier auch nur
der Verständigung wegen erwähnt wurde,
und wenn auch gewiß die Einblicke in
geistig-sinnliche Bezirke, die sie gewährt,
sehr beengt und oberflächlich bleiben, so
kann dir dieses Beispiel doch immerhin
zeigen, daß deine gegenwärtige
physisch‐
sinnliche Anschauungsmöglichkeit
nicht
etwa die
einzig vorhandene ist.
.Wir Menschen hier auf der Erde sind
alle gleichsam in einer
Kollektivhypnose,
so daß wir hier nicht auf andere Weise
wahrnehmen
können, als wie unser „Hyp‐
notiseur”, der hier unser eigener „ein-ge‐
borener”
Wille ist, uns wahrnehmen lassen
mag, und er
wäre nicht in irdischem Be‐
reiche, ginge sein Streben nicht nach dem
Selbsterleben in
physisch-sinnlicher Er‐
scheinung.
.Sobald wir unseren zeitlich ins Physische
gerichteten ewigen Willen
umzukehren
verstehen, werden wir
andere Wahrneh‐
mungsarten und
ihre Gesetze kennenler‐
nen. ‒
.Das ist zwar während des physischen
Daseins auf der Erde nur
sehr wenigen
Menschen möglich, ‒ es wird aber allen
zur
Notwendigkeit, sobald der Tod des
Erdenkörpers dem Willensbewußtsein die
bisherigen Sinnesorgane entzieht.
.Alle „
Furcht vor dem Tode” erwächst
aus dem
Widerstreben des ins
Physische
gerichteten
Willens gegen eine
Umkehr
seiner, im Akt des „Falles” aus dem Ur‐
licht eingeschlagenen Richtung. ‒ ‒
.Du wirst nun begreifen können, daß
jeder, der hier auf Erden noch
nicht zum
geistigen „
Erwachen” kam, im „
Jenseits”
zuerst nur eine „Grenzwelt” ertastet, die
seinen Vorstellungen und denen
Gleich‐
gesinnter, entspricht, ‒ daß er aber erst
vollständig
Herr seiner selbst im eigenen
Willen geworden sein muß, bevor er in
die
ewige geistige Lichtwelt absoluter
Erfüllung emporgeführt werden kann. ‒
.Wir können auch keinen brauchen, der
nicht alle seine
selbstsüchtigen Wünsche
aufgegeben hat, denn sein bloßes Dasein
in der uns umschließenden geistigen Region
wäre schon gleichbedeutend mit ihrem Ver‐
sinken in Unordnung und Chaos, ‒ gesetzt,
es
wäre möglich, daß ein solcher die höchste
Licht-Welt im Geiste ersteigen
könnte.
.Vielleicht verstehst du nun, weshalb ich
betonte, daß wir hier alle
eines Willens
sind, der sich in seiner Zielrichtung nicht
verändern kann...
.Wir sind im geistigen Reiche souve‐
räne Beherrscher des einzig Wirklichen ge‐
worden, ‒ durch die mit ihm verschmol‐
zene
Einheit unseres Willens, in dem je‐
der Einzelwille nur noch als
Allwille sich
wiederfindet...
.So wurden wir wissende Bildner der
höchsten und reinsten Erscheinungswelt im
Geistigen.
.Soweit in einem Zustand, der weder An‐
fang noch Ende kennt, da er immerdar
zu‐
gleich Beides selber
ist, dennoch von „Voll‐
endung” gesprochen werden kann, wissen
wir, daß unsere Vollendung bedingt ist,
durch stetes bewußtes Gestalten und Erhalten
der höchsten und lichtklarsten Erscheinungs‐
welt im Geiste, die uns Stätte des Wirkens
wie Tempel der Anbetung wurde...
.Wir „sind”
nichts anderes, als nur das,
was unser geeinter ewiger Wille
will!
.Was man auf Erden und in der Rede
des Alltags „
Wille” nennt, ist nur ein
Wünschen, ein
Begehren, oder irgend
einer
Neigung Ausdruck, bedingt durch
eine Gehirnfunktion.
.Würde der
wirkliche ewige Wille des
Menschen auf der Erde den
Wünschen
folgen, dann müßte sich jeder Wunsch und
jedes Begehren erfüllen.
.Dem ist aber
nicht so, wie jeder weiß,
und wir können wahrlich dem Himmel
danken,
daß allhier nicht hinter jedem
Wunsch ein
Wille steht...
.Auf der Erde „will” unser ewiger
Wille
nur in der Beschränkung, die ihm
die ge‐
wollte physische Anschauungsweise
auferlegt, auch wenn die
Wünsche diese
Schranken nur zu oft und zu gerne
über‐
fliegen möchten.
.Erst im
Geistigen, ‒ in der
anderen
Anschauungsform, ‒ kann unser Wille auch
anders wollen.
.Dort ist der Bann „diesseitiger” Hypnose
gebrochen und die anderen, in uns vor‐
handenen Möglichkeiten der Anschauungs‐
weise können sich offenbaren.
.Du wirst nun auch hier wieder sehen,
weshalb es so unsinnig ist, zu glauben, daß
dieser Erdenwelt Gestorbene sich „materiali‐
sieren” könnten, um mit den Irdischen in
Verkehr zu treten.
.Das würde heißen, daß die der Hypnose
physischen Anschauungszwanges endlich
Ent‐
rückten, aufs neue ihr
verfallen könn‐
ten. ‒
.Selbst wenn es „naturgesetzlich” mög‐
lich
wäre, würden sie solche Rückkehr
nicht mehr
wollen können, da der Wille
längst nun sich selbst aus seinem hypno‐
tischen Bann befreite, ganz abgesehen da‐
von, daß die physisch-sinnliche Anschauungs‐
weise durch die Funktion der physischen
Sinnesorgane bedingt ist.
.Wie ich schon vordem sagte, ist alles,
was jemals in spiritistischen Seancen für
die „Materialisation” eines
Gestorbenen
angesehen wurde, wie auch jede dort wahr‐
genommene
physikalische Manifestation,
nur das Werk von Wesen, die zwar den
menschlichen physischen Sinnen für
gewöhnlich
unwahrnehmbar bleiben,
aber dennoch zur
physischen Natur ge‐
hören.
.Ihr unsichtbarer Organismus ist keines‐
wegs „geistiger” Natur und sie können
nichts Geistiges wahrnehmen.
.Dagegen verfügen sie über hochent‐
wickelte
Sinnesorgane in ihren, dem Er‐
denmenschen normalerweise unsichtbaren
physischen Körpern, ‒ Sinnesorgane die
zwar
physischer Art sind und nur „dies‐
seitige” Anschauungsweise bewirken, aber
doch alle physischen Sinnesfunktionen des
Erdenmenschen außerordentlich übertreffen.
.Dazu kommt noch, daß diese Wesen auch
mit Sinnen begabt sind, die der Mensch der
Erde
nicht besitzt, und nur ‒ so gut es
geht ‒ durch die Funktionen mechanischer
Apparate zu
ersetzen sucht. ‒
.Die, irdischen Menschenaugen Unsicht‐
baren, um die es sich hier handelt, ‒ die
aber von manchen
Tieren der Erde
sehr
scharf wahrgenommen werden, ‒ sind im‐
stande, für kurze Zeit und unter Benutzung
menschlicher Kräfte, Formen anzunehmen,
die auch den
menschlichen physischen
Sinnen wahrnehmbar werden müssen.
.Die zeitweilige Erzeugung und Benutzung
solcher Formen wird bewirkt durch eine Art
Amalgamierung mit dem
Willen gewisser
Menschen (der sogenannten „Medien”) bei
gleichzeitiger Benützung ihrer „Tierseele”.
.Die Bewohner des den Menschensinnen
nicht bewußt wahrnehmbaren Teiles der
physischen Erscheinungswelt sind in ge‐
wissem Sinne dem Menschen recht „ähnlich”,
aber es handelt sich weder um
ehemalige
Menschen, noch können aus diesen Wesen
jemals Menschen
werden.
.Es handelt sich vielmehr um Geschöpfe,
die dem menschlichen
unsichtbaren phy‐
sischen Organismus ebenso nahestehen, wie
die irdische
Tierwelt dem
äußeren phy‐
sischen Menschen.
.Das naturgewollte Wirkungsgebiet dieser
Wesen liegt in den
inneren Bereichen des
organischen Aufbaues der physischen Welt.
.Die „Gnomen”, „Kobolde”, Erd-, Luft‐
und Wassergeister der alten Märchen und
Sagen sind, ‒ von sichtlichen Zugaben der
Volksphantasie abgesehen, ‒ zumeist ganz
so dargestellt, daß die Vermutung recht
nahe liegt, man habe es hier nicht mit
Erdichtungen zu tun, sondern mit Zeug‐
nissen realer erdenmenschlicher Erfahrung.
.Die Bezeichnung als „
Naturgeister”
darf jedoch nicht vergessen lassen, daß es
sich um
physisch-sinnliche Wesen handelt,
denen die
geistige Seite der ursächlichen
Welt nicht nur
unzugänglich, sondern
nicht einmal für ihr Bewußtsein
vorhan‐
den ist...
.Nur die
Unkenntnis dieser naturge‐
gebenen Zusammenhänge läßt es als ent‐
schuldbar erscheinen, wenn Menschen ver‐
muten oder gar glauben, in spiritistischen
Sitzungen mit Wesenheiten aus der
gei‐
stigen Welt zu verkehren.
.Wohl ist es
möglich, daß rein
geistige
Wesenheiten, und mithin auch
Gestorbene,
sich unter gewissen Umständen
sichtbar
und
vernehmbar machen können, ‒ allein,
du siehst und hörst sie dann durch deine
geistigen Sinne, auch wenn du mit phy‐
sischen Augen zu sehen, mit dem physischen
Gehör zu hören meinst.
.Niemals aber werden wirkliche Geist‐
wesenheiten irgendwelche
physikalische
Kraftäußerung hervorbringen! ‒
.Damit du eine wirkliche
geistige Wesen‐
heit durch deine geistigen Sinne wahr‐
nehmen kannst, ist es nötig, daß man dich
von geistiger Seite her vorübergehend aus
der „Hypnose”
physisch-sinnlicher An‐
schauungsart
befreit.
.Deine unbeeinflußte Umgebung wird
dann weder die Gestalt sehen, die du er‐
blickst, noch eines der Worte hören, die
du vernimmst, und doch braucht es sich
bei deinem Erleben keineswegs um eine
„Halluzination” zu handeln, die ja nur ein
Erzeugnis deiner eigenen plastischen Phan‐
tasie wäre...
.Empfängst du ein echtes geistiges Er‐
lebnis, ohne es gesucht zu haben, so nimm
es ehrfürchtig hin und verwahre in deinem
Herzen, was du empfinden durftest!
.Töricht aber wäre es, dir solche Erleb‐
nisse etwa zu
wünschen, denn es gehört
schon
sehr hoch entwickelte Kritikfähig‐
keit dazu,
echte Wahrnehmungen der gei‐
stigen Sinne sicher von lebhaften
Hallu‐
zinationen zu unterscheiden, und du wirst
doch kaum erstreben, einen „Geist” zu
sehen, von dem du nicht wissen kannst,
ob er nicht gar dein eigenes, in einer Maske
agierendes Projektionsbild ist.
.Die Fälle
echter geistigsinnlicher Wahr‐
nehmung sind
so überaus selten, daß man
gut tut,
erst dann an eine tatsächliche Ein‐
wirkung aus geistigen Regionen zu glauben,
wenn
schärfste Kritik die Möglichkeit
einer Halluzination
unter allen Umstän‐
den ausschließt.
.Das zu beurteilen, lehrt aber nur reiche
Erfahrung, und ein
sicheres Urteil steht
hier nur Menschen zu, deren geistige Sinne
schon dauernd
erschlossen sind.
.Das sogenannte „
Hellsehen” ist jedoch
nicht die Fähigkeit,
geistige Gestaltungen
wahrzunehmen.
.Der „Hellseher” ist nur imstande, ihm
räumlich oder zeitlich ferne Dinge der
phy‐
sischen Welt wahrzunehmen, ‒ zuweilen
auch mit Einschluß ihres
unsichtbaren Be‐
reiches und der in ihm lebenden Lemuren‐
wesen, die ihm alsdann als „Geister” gelten.
.Mag ein „Hellseher” auch die verblüf‐
fendsten Beweise seiner Wahrnehmungs‐
fähigkeit in der
Fernschau,
Rückschau,
oder
Vorherschau erbringen, so handelt
es sich doch immer nur um ein Erschauen
innerhalb der
physisch-sinnlich erkenn‐
baren Erscheinungswelt.
.Dort, wo er glaubt,
Geistiges zu erblik‐
ken, berichtet er entweder von dem unsicht‐
baren Teil der
physischen Welt, oder
aber von Dingen, die
seine eigene plasti‐
sche Phantasie ihm vorspielt, wobei er,
guten Glaubens, alles Gesehene für objektive
Bezeugung der Geisterwelt hält.
.Seine Schauungen werden dann immer
deutlich die Färbung der
Vorurteile und
Meinungen aufweisen, die ihn im Alltags‐
leben hier auf Erden beherrschen.
.Ist er
Christ, so wird er von den hei‐
ligen Gestalten der
Evangelien, oder von
kanonisierten „
Heiligen” zu berichten
haben, ‒ ist er in den Vorstellungen
in‐
discher Religionssysteme aufgewachsen, so
wird er die Gottheiten des
Brahmanismus,
in Tibet aber: die der
Mahâyânaschule,
zu schauen glauben.
.Unzählige Wahnvorstellungen vom „Jen‐
seits” sind unter willigen Gläubigen durch
„Hellseher” verbreitet worden und finden
immer noch Anhänger, weil man naiver‐
weise aus der Bestätigung irgend einer
Fern‐
oder
Vorherschau schließt, daß dem „Hell‐
seher” auch
geistige Gebiete erschlossen
seien.
.Das Organ des „Hellsehens” ist aber
nichts anderes als ein rudimentäres
phy‐
sisches Sinnesorgan aus den Urzeittagen
der Menschheit auf dieser Erde.
.Als Beispiel von „Atavismus” findet sich
zuweilen dieses Sinnesorgan auch in Men‐
schen der heutigen Tage leidlich funktions‐
fähig ausgebildet vor.
.Alles „Hell-
sehen”, „Hell-
fühlen”
„Hell-
hören” beruht auf der Möglichkeit,
dieses Sinnesorgan gebrauchen zu können.
.Hieher gehört auch die sogenannte „Psy‐
chometrie”, oder das Schauen der früheren
Schicksale eines Gegenstandes bei der bloßen
Berührung, sowie manche Spielart der Fähig‐
keit zum „Wahrsagen”, auch wenn dabei
ein Modus befolgt wird, der den eigent‐
lichen Vorgang, absichtlich oder ungewußt,
verschleiert.
.Damit du
verstehen lernst, was das
„Jenseits” ist, wirst du drei Reiche im Kos‐
mos unterscheiden lernen müssen.
.Einmal das Reich der
physisch-sinn‐
lichen Anschauungsart, oder die
physische
Welt.
.Dann das Reich
geistig-sinnlicher An‐
schauung, oder die Welt des
Geistes.
.Drittens aber das Reich der
verborge‐
nen, ursacheschaffenden Kräfte des
Ur‐
seins: ‒ das
einzig Wirkliche, auf des‐
sen Auswirkung
alle Anschauungsformen
und ihre Erscheinungswelten, sowohl auf
der
geistigen wie auf der
physischen Seite
des Kosmos, beruhen.
.Diese verborgenen, ursacheschaffenden
Kräfte des Seins wirken im Erdenmenschen
als seine „
Seelenkräfte”.
.Einmal in einem Menschenleben zu zeit‐
weiliger Kollektivform kristallisiert, nehmen
sie gleichsam die individuelle „Färbung” des
Menschen an und werden durch den in ihm
sich manifestierenden ewigen
Willen, für
alle weitere Zeit
bestimmt, so daß sie dem
einmal empfangenen Impuls fortan folgen
müssen, bis er
Erfüllung fand.
.Ist diese Erfüllung im Erdenleben des
Menschen, der den Impuls gab,
nicht zu
finden, dann äußern sich die einmal nun
nach bestimmter Richtung strebenden „See‐
lenkräfte”
immer wieder in neuen Men‐
schenleben, bis sie zuletzt
Erfüllung er‐
reichen, indem sie sich dem
Willen, der sich
in einem Menschen manifestiert,
verschmel‐
zen und mit ihm zur
Einheit werden.
.Unrichtige Deutung dessen, was sie von
diesem Geschehen wahrzunehmen vermoch‐
ten, verführte die Völker des Ostens zu dem
Glauben an eine oftmalige „Wiedereinver‐
leibung” des Menschen durch Geburt auf
der Erde.
.Der Wahrheit nach ist aber solche Wieder‐
einverleibung, ‒ also ein Zurückfallen in
die Selbsthypnose
physisch-sinnlicher An‐
schauungsart, ‒ nur möglich bei Menschen,
die bewußt und absichtlich selbst ihren Kör‐
per zerstören (was
keinesfalls ein Werk des
ewigen
Willens, sondern
immer nur ein
Ausbruchsversuch des
Wunsches ist! ‒ ‒)
ferner: bei Kindern, die starben, bevor der
ewige Wille Erfüllung seines Dranges zu
physisch-sinnlicher Erfahrung fand, und drit‐
tens: bei Menschen in denen der Drang zu
solcher Erfahrung gleichsam in Hypertrophie
ausartete, so daß selbst der Tod des Erden‐
körpers nur für kurze Zeit die Selbsthyp‐
nose zu unterbrechen vermochte.
.Die Lehre von der Re-inkarnation ent‐
spricht also ebensowenig dem
normalen
Geschehen, wie die Selbstentleibung, oder
der Tod im frühen Kindesalter als die
allen
Menschen gesetzte Abschlußform des irdi‐
schen Lebens anzusehen sind...
.Wenn in dir „Erinnerungen” oder auch
nur leise Ahnungen auftauchen, die dir den
Glauben nahelegen, du könntest schon frü‐
her einmal ein Erdenleben durchlebt haben,
so ist es zwar
möglich, daß dich solcher
Glaube nicht täuscht, und daß du selbst
ein Beispiel bildest zu einem der drei
Son‐
derfälle, die allein eine Wiederverkörpe‐
rung zulassen, ‒ aber du wirst besser tun,
wenn du die Frage ruhen läßt, bis dir
nach
diesem Erdendasein dereinst im
Geistigen
die einzig
sichere Antwort wird.
.Das Gefühl, ehedem als eine
von dir
verschiedene Individualität auf Erden
gelebt zu haben, ist
immer und
mit aller
Sicherheit eine
Täuschung, denn in den
genannten drei Sonderfällen, die allein mehr‐
malige Verkörperung auf Erden erlauben,
bleibt auch in der neuen Einverleibung im‐
mer die
gleiche Individualität in Erlebnis‐
bereitschaft ihrer selbst im Erdendasein.
.Dagegen ist fast von jedem innerlich
nicht ganz empfindungsträgen Menschen mit
Gewißheit anzunehmen, daß er in sich zu‐
weilen „Seelenkräfte” am Werke gewahrt,
die ihren Impuls von Menschen früherer
Zeiten empfingen und ihn nun zur Erfüllung
zu bringen suchen.
.Dann kann es sein, daß sich dem Men‐
schen der solches in sich erfährt, sehr leb‐
haft geformte
Erinnerungsbilder zeigen,
die dem Leben
jener Menschen entstammen,
die voreinst den nun in einem neuen Men‐
schenleben tätigen „Seelenkräften” ihren Im‐
puls gegeben haben.
.Der Irrtum, dann zu glauben, man sei
selbst voreinst
der gewesen, von dem diese
Erinnerungsbilder an Selbsterlebtes stam‐
men, ist zwar sehr leicht
erklärlich, aber
doch nur durch allzu oberflächliche Erfahrung
zur Not zu stützen.
.Jeder einzelne Mensch ist eine
ein‐
malige und
einzigartige Emanation des
Urwillens, ‒ ist hervorgegangen aus dem
ewigen „ungeformten Meere der Gottheit”
um
seine, von
allen anderen Mitemana‐
tionen verschiedene, individuelle
Formvol‐
lendung zu erlangen.
.Wer auf dieser Erde geboren wurde und
nun die Mühen, Bedrängnisse und Schmer‐
zen zu erdulden hat, die mit dem Dasein
im tierhaften Leibe untrennbar verbunden
sind, der hat sich dieses Schicksal
selbst
geschaffen, denn um des Daseins in dieser
physisch-sinnlichen Erscheinung willen, hat
er den Weg zu seiner Formvollendung im
Geiste selber
unterbrochen.
.Zwangsläufig muß er früher oder später
zur Rückkehr kommen, um dann aufs neue
seiner geistigen Formvollendung zuzustreben.
.Je eher er schon in seinem Erdendasein
diese einzige Art, seine „Not” zu „wenden”
erkennt, desto mehr Förderung kann er
aus seinem Erdenleben für den weiteren
Verlauf des Vollendungsweges ziehen, ‒
desto leichter wird es, hier auf Erden schon
die Hindernisse zu beseitigen, die sonst zu
argen Hemmungen auf diesem geistigen Wege
werden können. ‒
.Wenn aber auch der Mensch in diesem
Erdendasein
noch nicht zu
eigenem be‐
wußtem Erleben mit seinen
geistigen Sinnen
gelangt, so ist doch schon Bedeutsames er‐
reicht, sobald er durch jene seiner Mitmen‐
schen, die bereits in solchem Erleben stehen,
mitteilungsweise über die wirkliche Ge‐
staltung des „
Jenseits” orientiert wird, das
ihn nach seinem Erdentode erwartet.
.So, wie in der
physisch-sinnlich wahr‐
nehmbaren Welt zwar
die gleiche An‐
schauungsart erscheinungschaffend am
Werke ist, aber doch die Welt der Ameise,
oder die des Vogels, sich sehr wesentlich
von der deinen unterscheidet, so gibt es
auch gar mannigfache Unterschiede zwischen
den Welten der
geistig-sinnlich wahrneh‐
menden Wesen.
.Es gibt unzählige
geistige Welten, so
wie es unzählige Welten
physisch-sinnlicher
Erscheinungsform gibt!
.Höchste Formvollendung aber findet
der individualisierte ewige
Wille erst dann,
wenn er sein individuelles Wollen, ohne
jeglichen Rest einer Sonderstrebung, dem
Allwillen zu einen vermag, im innersten
Reich des Geistes: ‒ dem Reiche der ur‐
sachesetzenden ewigen Wirkungskräfte des
Seins: ‒ in der Lichtwelt des
einzig Wirk‐
lichen...
.Darüber hinaus gibt es für den Men‐
schengeist
nichts, denn diese erhabenste
aller Welten ist zeitlich, räumlich, und ihren
Erfüllungsmöglichkeiten nach
unendlich.
.Soweit das „
unbegrenzte” Sein, das
„uferlose, unergründliche Meer der Gott‐
heit”, dem durch die
Formung des
Wil‐
lens bestimmten und darum
begrenzten,
‒ obgleich „unendlichen”, ‒ Bewußtsein
zugänglich ist, wird es
in dieser höch‐
sten Lichtwelt allein, in jedem der all‐
hier geeinten ewigen Willen,
seiner selbst
bewußt. ‒ ‒
.Was ich dir in diesen drei Abhand‐
lungen zu erklären suchte, schließt alles in
sich ein, was der Mensch auf Erden und
während dieses Erdenlebens erfassen kann
vom innersten Mysterium seines Daseins,
hier wie in der
anderen Welt, die
nach
dem Erdentode ihn erwartet.
.Alles übrige, was man dir über das
„
Jenseits” erzählt, ‒ mag es phantastische
Erfindung überhitzten Glaubens sein, oder
gedankliche Spekulation, ‒ ist:
graue
Theorie und
wesenloses Hirngespinst!
.Du sollst aber nicht an irgend ein „Welt‐
bild” glauben, nur weil es auch andere Gläu‐
bige fand, denn nicht eher wird deine Seele
im Frieden sein, als bis sie sich wiederer‐
kannte: ‒ als
Selbstbezeugung des ein‐
zig Wirklichen.
.In den drei Büchern: „
vom lebendigen
Gott”, „
vom Jenseits”, und „
vom Men‐
schen”, gab ich die erste ausführliche Be‐
schreibung des innerlichen Weges, den jeder
einschlagen muß, dem es im Herzen ernst
ist, seine
Geistnatur in sich selber finden
zu wollen.
.Ich habe gezeigt, was der Mensch, der
diesen Weg beschreitet, zu
tun, und was
er zu
unterlassen hat.
.Trotzdem wurde ich immer wieder ge‐
fragt: „Was sollen wir nun
tun? ‒ Wie
sollen wir
anfangen?”
.Aus der Fassung und Motivierung
aller
dieser Fragen ist klar zu ersehen, daß man
präzise Vorschriften erwartet um danach
eine alltäglich zu wiederholende, möglichst
mysteriöse „
Übung” auszuführen, die zum
Ziel führen soll, wenn man sie mehr oder
weniger „mechanisch” befolgt.
.Es geht mir hier aber, den also Fra‐
genden gegenüber, wie manchem Arzte, der
nur die einfachsten natürlichen Heilmittel
verordnet, und seine Patienten unbefriedigt
läßt, weil er kein „Rezept” verschreibt...
.Die meisten dieser Fragenden und Frag‐
seligen waren vorher auf den von ihnen ein‐
geschlagenen Wegen in das Labyrinth mo‐
derner „theosophischer” oder „okkultisti‐
scher” Literatur geraten und hatten sich nur,
dank ihren gesunden Instinkten, aber doch
ziemlich mühevoll, wieder herausgefunden.
.Dennoch hatte solches Irren die Suchen‐
den in gewisser Weise
gefördert, denn es
gibt keinen Irrtum, der nicht auf Umwegen
doch zur Wahrheit führen könnte.
.Darum soll keiner die Zeit seines Irrens
„
verfluchen”, denn er ahnt vielleicht nicht,
was er ihr zu danken hat. ‒
.So ist auch das Durchtasten des Laby‐
rinths „theosophischer”, „anthroposophi‐
scher”, oder „okkultistischer” Glaubens‐
lehren für keinen der endlich Befreiten
ganz nutzlos gewesen.
.In vielen wurde durch ihr tastendes
Suchen die Überzeugung begründet, daß
hinter all dem
Irrtum der vernommenen
Lehren
doch irgend eine
Wahrheit ver‐
borgen sein müsse.
.In anderen wurde die Ahnung erweckt,
daß die Sage von den sogenannten „Mahât‐
mas”, ‒ den mysteriösen, angeblichen Be‐
gründern der neueren „Theosophie” ‒ nur
entstehen konnte, weil der Orient von der
Existenz geistvereinter Männer weiß, die
zwar nicht Zaubereien aller Art verüben,
wie man sie den erwähnten phantasiege‐
borenen Fakiren zuschrieb, aber dafür
wirk‐
lich im
Geistigen bewußt und heimisch
sind, schon während ihres Erdenlebens.
.Allerdings nahmen aber auch die mei‐
sten Suchenden aus den genannten laby‐
rinthischen Irrgärten den törichten Glauben
mit, daß es nur der Kenntnis einer geheim‐
gehaltenen, sicher sehr mysteriösen „Tech‐
nik” bedürfe, um durch deren Ausübung
dann aus einem Alltagsmenschen alsbald zu
einem „Seher höherer Ordnung”, einem
„Eingeweihten”, ja gar einem „Meister”
geistigen Wirkens zu werden.
.So
richtig die beiden
erstgenannten
Annahmen sind, so
falsch ist natürlich
dieser hier
zuletzt erwähnte Glaube!
.Gewissenlose Charlatane und geschickte
Seelenfänger aber
benützen ihn, und gaben
ihren Schülern allerlei mehr oder weniger
bedenkliche Anweisungen aus alten mysti‐
schen Schriften, wobei die „Geheimlehrer”
zumeist selber nicht ahnten, welche
Wir‐
kungen die getreue Befolgung dieser Vor‐
schriften auszulösen vermag.
.Der Schüler aber glaubt sich auf rechtem
Wege, denn er sieht ja, daß durch Befol‐
gung der ihm gewordenen Anweisungen tat‐
sächlich gewisse Resultate zu erlangen sind,
von denen sich landläufige Seelenkunde
nichts träumen läßt, ‒
trotz allem psycho‐
logischen Forschen und allem Aushorchen
des „
Unterbewußten” im Menschen.
.Mancher der „Geheimlehrer” mag nur
seiner
Eitelkeit fröhnen, wenn er An‐
weisungen zu vermeintlicher „Eröffnung
innerer Sinne” weitergibt, die er aus irgend
einem alten Pergamentband ergrub, und die
nichts anderes eröffnen, als die trüben Mo‐
dergrüfte, in denen eine
aktive Form
spiritistischer Medialität gedeiht, deren
Züchtung man mit Fug und Recht gewissen
asiatischen Gauklern überlassen sollte. ‒
.Der Herr „Geheimlehrer” braucht kei‐
neswegs selbst an die Wirksamkeit seiner
Anweisungen
zu glauben.
.Wie ein „Bazillenträger”
selbst gesund
sein kann, und doch die furchtbarsten
Krankheitskeime verbreitet, so ist es auch
keineswegs nötig, daß der Verbreiter von
Methoden zur vermeintlichen „Eröffnung
innerer Sinne”, darüber unterrichtet ist,
daß er nur die Entwicklung
aktiver spiri‐
tistischer Medialität in seinen armen
Opfern fördert. ‒
.Den Schülern solcher Schädlinge ver‐
schiedenen Grades aber wird es
leicht ge‐
macht, moderner wissenschaftlicher Kritik
zu begegnen, denn sie können jedem Wort
der gelehrten Kritiker entnehmen, wie
ah‐
nungslos diese höchst achtbaren Forscher
auf einem Gebiet experimentieren, das
eine
Fata Morgana hinter der
anderen aufweist,
um den seiner selbst so gewissen Experi‐
mentator immer tiefer in die Wüste zu
locken, je sicherer sein Glaube wird, nun
der endgültigen
Antwort auf seine Fragen
„
ganz nahe” zu sein. ‒ ‒
.Man würde den Versuch neuerer Psy‐
chologie, gewisse recht fragwürdige, soge‐
nannte „übersinnliche” Erscheinungen end‐
gültig
entwerten zu wollen, gewiß nur
begrüßen können, wenn dieser Versuch sich
nicht
selbst entwerten würde, durch die
jedem Kundigen sofort auffallenden
fal‐
schen Folgerungen, die aus zweifellos
richtig beobachteten Vorgängen seitens der
Forscher gezogen werden. ‒
.Auch unantastbar reiner Drang nach
Wahrheitserkenntnis wird im
Irrtum enden,
wenn
Vor-Urteile den Sucher der Wahrheit
gebunden halten!
.Die Folge ist, daß die kritikunfähige,
im Nebel krauser Vorstellungen tastende
Gemeinde schlauer Seelenfänger längst ver‐
lernt hat,
Wahrheit in Erkenntnissen der
Wissenschaft zu suchen, ‒ statt dessen
aber sich von jedem Eulenspiegel gerne
imponieren läßt, wenn er nur versteht,
seinen bunten Plunder als angebliche „
Ge‐
heimwissenschaft” zu vermarkten...
.Ist dann noch gar nach seiner „Methode”
die erwähnte
mediale Entwicklung zu
erzielen, dann hat er gewonnenes Spiel, und
man glaubt ihm aufs Wort, wenn er in ge‐
heimnisvollen Andeutungen zu verbreiten
weiß, daß er die Wiederinkarnation irgend
eines erhabenen Menschengeistes der Vor‐
zeit sei.
.Für jeden, der meine Warnungen mit
einiger Einsicht liest, dürfte es längst klar
sein, daß ich die dabei charakterisierten
alten und neuen „Methoden” alle genaue‐
stens kenne, ‒ daß es mir aber auch ein
leichtes wäre, darüber hinaus noch so manche
Wege zu sogenannter „Übersinnlicher Ent‐
wicklung” anzugeben, von denen
keiner
der sonderbaren Heiligen etwas wußte, die
in der neueren Zeit ihren Anhängern als
„
Eingeweihte” und „
Geheimwissen‐
schaftler” galten.
.Es gibt da Möglichkeiten, Resultate zu
erzielen, die nicht nur den besten Schülern
solcher „Geheimlehrer” als unerreichbar
erscheinen müßten, sondern auch der scharf‐
sinnigsten psychologischen Kritik einiges
zu raten aufgeben würden.
.Wäre es nicht unsühnbares
Verbrechen,
die hier in Rede stehenden gefährlichen
Wege
auch nur andeutungsweise zu zei‐
gen, dann könnte ein Hinweis vielleicht dazu
führen, manches aufzuklären, was sich vor‐
läufig noch durch kein psychologisches Expe‐
riment und keine metapsychische Forschung
entschleiern läßt.
.So herzlich gerne ich aber auch der
Wissenschaft diesen Dienst leisten würde,
bin ich doch dazu außerstande, und das
nicht nur aus dem
schon angegebenen
Grunde, wie um der
Verpflichtung willen,
die mich, gleich allen meinen geistigen
„Brüdern” für Zeit und Ewigkeit bindet,
sondern auch deshalb, weil es sich hier um
ein Gebiet handelt, dessen
berechtigtes Be‐
treten vom Menschen
mehr verlangt als
nur „wissenschaftlichen Forschungseifer”...
.Es ist wohl kaum nötig, zu betonen, daß
hier
anderes in Frage steht, als die längst
hinlänglich bekannten „
Hata-
Yoga-Übun‐
gen” und die aus ihnen abgeleiteten „Metho‐
den”, gewisse
Fakirwunder zu vollbringen!
.Aber wenn ich auch in keiner Weise
verpflichtet wäre, würde ich
dennoch
mich niemals dazu verstehen können, das
aus so triftigen Gründen Verborgengehaltene
zu enthüllen, denn ich weiß zu gut, welches
Unheil dann unvermeidbar durch die Hände
Machthungriger angerichtet würde.
.Mich gelüstet aber keineswegs nach einem
„Prometheusschicksal”, wie ich ihm un‐
weigerlich verfallen müßte, wollte ich zum
verantwortlichen Urheber solchen Unheils
werden.
.Zur Erlangung der
geistigen Vereini‐
gung mit dem Urlicht, ‒ zum
Erwachen
der
geistigen Natur des Menschen aus
ihrem Schlafe, ‒ zu dem, was erhabene
Erkenntnis die „
Wiedergeburt” nannte,
‒ sind die hier gemeinten Kenntnisse
weder nötig noch nützlich.
.Wie
alle Künste, die auf einer Möglich‐
keit der Anwendung hoch gespannter, gemein‐
hin unbekannter psycho-physischer Kräfte
beruhen, haben auch die, von denen hier
gesprochen wird,
nicht das mindeste zu
tun mit der Erweckung und Entfaltung des
ewigen
Geistmenschen.
.Was zu
dieser Erweckung und Entfal‐
tung gefordert wird, ist in erster Linie eine
kontinuierlich beibehaltene Einstellung des
ganzen Denkens, Fühlens und irdischen
Wollens auf das zu erstrebende Ziel.
.Der ganze irdische Mensch muß sich
aus
eigener Kraft erst
selbst allmählich
umgestalten, bevor ihm
geistige Hilfe zu‐
teil werden kann.
.Es nutzt
wenig oder
nichts, diese Ein‐
stellung
nur hin und wieder vorzunehmen,
so wie der Fromme einer Gemeinde alle
sieben Tage
einen Tag gewohnheitsmäßig
seinem Gotte weiht...
.Jede Minute des weiteren Lebens,
jede alltägliche Handlung,
jeder auf‐
tauchende Gedanke,
jeder Wunsch und
jeder Impuls des irdischen,
gehirnbe‐
dingten Willens muß hinfort unter dem
formenden Einfluß der geforderten Ein‐
stellung stehen, wenn der Mensch, der diesen
Weg einmal betreten hat, zu
wirklichen
und nicht nur
eingebildeten Erfolgen
kommen soll.
.Periodisch auszuführende „Übungen”
könnten im besten Falle nur in einem wie‐
derholten Aufraffen zu
vertiefter Empfin‐
dung solcher Einstellung bestehen.
.Alles, was in dieser Hinsicht empfohlen
werden mag, hat nur den
einen Zweck, die
neue Einstellung allen Sinnens und Trach‐
tens im Bewußtsein wachzuerhalten, so daß
sie keinen Moment mehr vergessen werden
kann.
.Wird aber diese Einstellung wirklich
dauernd festgehalten, so daß sie
das ganze
Leben des Alltags wirksam bestimmt, ‒
einerlei durch welche, der individuellen Ei‐
genart angepaßten Hilfsmittel man das er‐
reicht, dann erfolgt bald alles weitere ‒
„von selbst”, d.h. ohne unser bewußtes
Zutun.
.Es bildet sich dann in einem solcher‐
art gefestigten Menschen ein
Kräftezen‐
trum, das zu immer größerer Wirkung
kommt und zuletzt die geistige Verbindung
mit den schon
vollendeten ähnlichen
Kräftezentren hier auf Erden herstellt, ohne
daß es dazu eines besonderen Willensaktes
bedürfte.
.Sobald diese Verbindung
möglich ist,
erhält der Suchende die geistige Hilfe derer,
die bereits
gefunden haben, und die nun
keine höhere Pflicht kennen, als überall dort
zu helfen, wo man ihre geistige Hilfe
auf‐
zunehmen vermag, einerlei ob sie im Be‐
wußtsein schon empfunden werden kann,
oder noch nicht.
.Der Suchende ist dann gleichsam zu einem
„Empfangsapparat” geworden für eine ge‐
wisse Art von geistigen Einstrahlungen die
allerdings nur
innerlich wahrzunehmen,
aber
nicht durch
wissenschaftliches Ex‐
periment zu erfassen sind.
.Die Wirkungen aus dem Reiche substan‐
tiellen Geistes sind nur durch
Innewerden
zu erfahren und können niemals fremder ge‐
lehrter Untersuchung Material zu gedankli‐
cher Definition bieten, denn es handelt sich
hier um
Lebendiges, das sich sofort zurück‐
zieht, wo auch nur der leiseste Versuch ge‐
macht wird, es zu betasten. ‒
.Man glaube aber ja nicht, daß man im
Handumdrehen ein solcher „Empfangsap‐
parat” werden könne!
.Wer bei den Ewigen zur Lehre angenom‐
men werden will, der muß sich selber in
den Werkschurz der Geduld zu kleiden
wissen...
.Auch der intensivste,
irdisch erzeugte
Wille, ‒ der als bloße Äußerung von
Ge‐
hirnfunktionen sehr genau von dem im
Menschengeiste sich manifestierenden
sub‐
stantiellen ewigen Willen zu
unterschei‐
den ist, ‒ vermag die Entfaltung der gei‐
stigen Aufnahmeorgane nicht zu beschleu‐
nigen.
.Ein verbissenes, „eigensinniges”, hirn‐
gezeugtes „Wollen”
stört nur den Kristal‐
lisationsprozeß der hier in Betracht kom‐
menden Kräfte, die zu einem neuen Kräfte‐
zentrum zusammenschießen sollen, das den
Gehirnfunktionen dann
nicht unterworfen
ist. ‒
.Je konsequenter aber die hier immer
wieder bezeichnete innere „
Einstellung”
des ganzen Menschen festgehalten wird, ‒
wie ein Fernrohr eingestellt bleiben muß
auf das Beobachtungsobjekt, ‒ desto eher
kann der Zeitpunkt erreicht werden, der
den Suchenden auch in
fühlbaren Kontakt
bringt mit seinen geistigen Helfern.
.Das
praktische Verhalten des Suchen‐
den
in seinem täglichen Leben ist
allein
maßgebend, ‒ nicht etwa das Befolgen oder
Nichtbefolgen von „Übungen” irgendwelcher
Art.
.Es soll jedoch damit
nicht gesagt sein,
daß man sich nicht etwa
einer beson‐
deren Form geistiger Versenkung in
periodisch wiederkehrender Folge hingeben
dürfe, wenn man bemerkt hat, daß dadurch
auch das Verhalten im Alltagsleben die er‐
wünschte Sicherung der Einstellung aufs
Geistige erfährt.
.Ist der Suchende in hinreichenden Kon‐
takt mit seinen geistigen Helfern gekommen,
dann erfolgt zuerst eine Art Prüfung seiner
Kräfte, und je nach deren Ausfall wird die
weitere geistige Einwirkung auf ihn „abge‐
stimmt”.
.Die Skala möglicher geistiger Einstrah‐
lungen beginnt mit der bloßen
Verstär‐
kung der
Eigenkräfte des Suchenden und
reicht hinauf bis zu
persönlicher geistiger
Führung.
.Bei den Wenigen, die schon
vor ihrer
irdischen Geburt unter solcher Führung
stehen, da sie sich zu „Meistern” geistigen
Wirkens auf der Erde vollenden sollen,
kommt es zuletzt zu völliger
geistiger Ver‐
schmelzung mit dem Führer, obwohl dieser
vielleicht in einem fernen Weltteil lebt, so
daß der Schüler nicht mehr
begriffliche
Lehre empfängt, sondern alles
miterlebt,
was im Geiste (nicht etwa dem „
Gehirn‐
bewußtsein”!) seines Lehrers vorgeht.
.Die Absicht des „Meisters” gewisse in
ihm lebendige geistige Vorgänge
auch sei‐
nem Schüler empfindbar zu machen, ge‐
nügt, damit der Schüler diese Vorgänge so
wahrnimmt, als erfolgten sie in ihm selbst,
obwohl er zweifelsfrei weiß,
auf welche
Weise er zu solchem Miterleben kommt.
.Da der „Meister” für
seine Individua‐
lität, die Vereinung mit dem „Urlicht”
längst
erreicht hat, so erlebt der Schüler
diese Vereinung zuerst
in der Verschmel‐
zung mit der durchlichteten Seele
seines
Lehrers.
.Allmählich wird dann der Schüler reif
dazu, die Vereinung mit dem Urlicht
selbst‐
ständig zu erreichen.
.An diesem Ziele
angelangt, steht er
nicht nur im Bewußtsein seiner
eigenen
geistigen und
ewig unzerstörbaren In‐
dividualität, sondern empfindet in sich auch
gleichzeitig das Bewußtsein
aller Indivi‐
dualitäten im Geiste, die jemals zur Offen‐
barung in einem Menschenbewußtsein ka‐
men...
.Der so Vollendete gewahrt sich mit allen
in gleicher Weise zur Vollendung Gelangten
verschmolzen zu einem ihm neuen
Ge‐
meinschaftsbewußtsein, dem nichts auf
Erden Bekanntes vergleichbar ist.
.Sein eigenes
individuelles Bewußtsein
ruht in diesem gemeinsamen Bewußtsein
eingebettet.
.Niemals jedoch kann das individu‐
elle Bewußtsein des Vollendeten etwa in
dem Gemeinschaftsbewußtsein „aufgelöst”
werden.
.Das einzelne Individuum lebt in die‐
ser Verschmelzung für alle Ewigkeit das
Leben des
Ganzen, alle anderen Indivi‐
dualitäten dieses Ganzen
durchdringend
und selbst von ihnen durchdrungen,
ohne daß eine der so geeinten Individu‐
alitäten des Geistes jemals ihr durch sich
selbst bestimmtes
Eigendasein verlieren
könnte.
.Absolute
Gewißheit in Bezug auf das
Fortbestehen des menschlichen Bewußtseins,
das über den Tod des irdischen Leibes hin‐
aus, ewig in
geistiger Anschauungsform
sich erlebt, gibt es naturgemäß
nur für
die Wenigen, die das hier aufgezeigte
Ziel in ihrem Erdendasein schon
erreicht
haben.
.Alle
anderen Menschen sind nur auf
Mutmaßungen oder die
Beruhigung
durch eine Glaubenslehre angewiesen, ‒
wenn sie nicht vorziehen, doch lieber den
Mitteilungen der wenigen unter ihren Mit‐
menschen zu vertrauen, die bereits zu Leb‐
zeiten auf Erden auch „das Leben nach dem
Tode”
aus eigener Erfahrung kennen.
.Die echten Zeugnisse solcher, die
wirk‐
lich, und nicht nur im Rausch der Ekstase,
oder gebannt durch irgend eine Form der
Hypnose, dieses Ziel erreichten, sind einer
unbefangenen, durch kein
Vor-Urteil ge‐
bundenen Kritik
sehr wohl unterscheid‐
bar von den phantastischen Konstruktionen
irrer Schwärmer oder dichterisch begabter
Phantasten.
.Unter allen Völkern kann man die
echten Bekundungen Jenseitsbewußter fin‐
den, und
zu allen Zeiten lebten einzelne
Menschen, die vom Leben im Geiste wahren
Bericht zu geben hatten.
.Das
Kleid, in dem ein solcher Bericht
sich verhüllt, mag nach der Mode der
Zeit
zugeschnitten sein und die Farbe des in ihr
allein anerkannten
Glaubens zeigen, ‒
aber wer sich hier nicht mit dem
Anblick
allein zufriedengibt, der faßt in
allen die‐
sen Gewändern immer wieder den
Men‐
schen und des Menschen allertiefstes Er‐
leben: ‒
das Einsgewordensein mit
dem Quellgrund allen Seins der Ewig‐
keit und allen Daseins in allen Be‐
reichen von Raum und Zeit.
.Wer einmal begriffen hat,
was der Hö‐
henweg von ihm will, den meine Schriften
ihm zeigen, und zu welchem Ziel auch der
Wenigtaugliche auf diesem Wege schon
gelangen kann in diesen Erdentagen, der
wird fürderhin
nicht mehr die Frage an
mich richten, was er denn „
tun” solle, und
als Antwort die Bekanntgabe einer seltsamen
„Übung” erwarten.
.Er dürfte erkannt haben, daß es sich hier
um
unermeßlich Höheres handelt als um
wundersame „Fakirkräfte”, ‒ um
unermeß‐
lich Höheres als die bestaunenswertesten
„Wunder des Okkultismus”, ‒ und um
unermeßlich Höheres als die mit natur‐
wissenschaftlichen Erkenntnisfetzen skurril
verbrämten „Geheimlehren” hirngefesselter
Konventikel...
.Wenn ich auch genötigt bin, ‒ um
wenigstens von denen verstanden zu wer‐
den, die am meisten in Gefahr sind, ‒ an
schon Bekanntes, und zuweilen auch an
die Terminologie des Orients anzuknüpfen,
so wie sie durch „theosophische” Schriften
alltagsbekannt geworden ist, so wird doch
der Tieferschürfende bald herausfinden,
daß ich von Dingen rede, von denen bis‐
her nur recht
verzerrte Bilder Kunde
gaben.
.Auch der gelehrte Orientalist, der alle
bis heute zugänglichen Texte des Ostens
kennt, wird darin nur
verschleierten
Hinweisen auf das Verborgene begegnen,
denn die alten, heilig gehaltenen Schriften
waren ausnahmslos für Menschen geschrie‐
ben, die bereits „von Mund zu Ohr”
ge‐
heime Belehrung erhalten hatten.
.Die Gestalter der alten religiösen Bücher
mengten
mit Absicht nüchterne Berichte,
Chroniken oder Erzählungen, die
nicht
das Mindeste an verborgener Lehre ent‐
halten, unter die Niederschriften, die
nur
dem dafür Vorbereiteten verstehbar sein
sollten, während der bloße wörtliche Sinn
oft das Gegenteil von dem besagt, was die
Kundigen dem gleichen Schriftteil entneh‐
men konnten.
.Die Lehren, denen ich hier zum Sprecher
werde, sind überdies auch, selbst in
ver‐
hüllender Form, nur
äußerst selten, und
dann
immer nur bruchstückweise auf‐
gezeichnet worden.
.Die Handschriften aber, in denen diese
Bruchstücke
vereint zu finden sind, wer‐
den auch heute und in künftiger Zeit
nie‐
mals Unberufenen zugänglich sein, und
„unberufen” ist hier
jeder, der noch nicht
auf
geistige Weise in sich
erfahren hat,
was lapidar, als „Kanon” gedacht, in diesen
Handschriften als
erfahrungsmöglich dar‐
gestellt erscheint.
.Bis vor kurzem wurden seitens der
wenigen Menschen, die diese Lehren
leben
und sie darum auch „lehren”
können, ur‐
alte Vorschriften streng respektiert, die eine
öffentliche Weitergabe auch nur so weniger
Andeutungen, wie ich sie zu geben nun
verpflichtet bin, unter allen Umständen
untersagten.
.Erst eine
Milderung der rigorosen Auf‐
fassung jener Vorschriften konnte die öffent‐
liche Darlegung dieser Lehren im hier ge‐
gebenen Zusammenhang möglich machen,
nachdem die erhabenen Lenker der gei‐
stigen Hierarchie, deren
niederste Stufe
ihre wenigen Glieder auf unserem Planeten
bilden, diese mildere Auslegung, als dem
Wohl der Zeit entsprechend, angeordnet
hatten.
.Wer das, was ich nun öffentlich lehre,
erfassen will, der wird die Meinung auf‐
geben müssen, als handle es sich hier um
eine neue Abart irgendwelcher Glaubens‐
lehren, oder gar um Werbung für eines der
Systeme östlicher Philosophie.
.Wer Spuren des Erkennens, dem ich
diene, in der Menschheitsgeschichte zu fin‐
den sucht, der wird sie gewiß zu finden
wissen.
.Am
reinsten war dieses Erkennen in
Menschen lebendig,
zur Frühzeit antiker
Mysterienkulte.
.Geübten Ohren sprechen allerdings die
Stimmen
aller Jahrhunderte eine deut‐
liche Sprache, und es kostet nicht allzuviel
Mühe, um festzustellen, daß der
Ausgangs‐
ort dieser hier vorliegenden Erkenntnis‐
bezeugung bis in die neueste Zeit weithin
wirksam war auf der Erde, als inspirato‐
rische Quelle für
jede Menschenvereinung,
deren erhabenstes Ziel die Erreichung
höch‐
ster Menschenwürde bildete, oder auch
heute noch bildet. ‒
.Vieles wäre hier zu sagen, was zurzeit
nicht besprochen werden kann, weil es Dinge
betrifft, die von denen
selbst gefunden wer‐
den müssen, die das hier Verschwiegene
angeht.
.Wer immer aber die Früchte
ernten
will, die im Garten der hier vorgetragenen
Lehren wachsen, der muß
sein ganzes
Leben zu einer immerwährenden „Übung”
machen!
.Das
neue Leben, das er finden will,
ist bereits in seinem Alltagsleben enthalten,
‒ nur vermag er das ihm Neue nocht nicht
zu
erkennen. ‒
.Er hat nicht nötig, sich von „Geheim‐
lehrern” übelwirkende „Übungen” auftragen
zu lassen, denn sein alltägliches Leben ist
selbst die wirksamste,
wirklich geistige
„Übung”, die ihm
das ewige Urlicht täg‐
lich neu zur Bearbeitung gibt. ‒
.Im
alltäglichen Leben, ‒
in aller‐
einfachster Form und ohne jede my‐
steriöse Geste, ‒ wird er im Laufe der
Zeit seine ihm erreichbare Vollendung hier
auf Erden finden, ‒
niemals aber in „esote‐
rischen Schulen” und überheblichen Zirkeln
angeblicher Eingeweihter die ihre Unver‐
frorenheit die Rolle geistiger „Lehrer” spielen
läßt, und denen man nur
Vergebung er‐
bitten kann, weil sie
nicht wissen, was
sie tun...
.Die geistige Vollendung verlangt den
ganzen Menschen!
.„
Körper” und „
Seele” sind bei der
Erstrebung dieser Vollendung
niemals ge‐
trennt zu empfinden!
.Es gibt kein „
Körperliches”, das nicht
zugleich ein „
Seelisches” wäre, und es
handelt sich
nicht um „Vergeistigung” des
Körpers, sondern um die irdisch mögliche
und irdisch faßbare
Verkörperung des
ewigen Geistes durch die Kräfte der
Seele. ‒ ‒
.Die den Körper
verachten und
den‐
noch in das Reich des wesenhaften ewigen
Geistes zu gelangen hoffen, finden statt
dessen nur ein neues
Reich der
Illusion!
.Vom
Körper aber wird verlangt, daß er
„
glauben” lerne an das in ihm verborgene
ewige, überpersönliche „
Ich”, dem er
Dar‐
stellung werden soll.
.Das ewige, geistgezeugte „
Ich” ist die
reine
Quelle der geistigen Kräfte im Men‐
schen der Erde, aber der Körper ist der
Schöpfeimer, um diese Kräfte aufzuneh‐
men und heraufzuholen ins irdische Leben.
.In diesem ewigen „
Ich” finden wir
uns
selbst, so wie wir
ewig sind im
Ewigen!
.Nur in diesem innersten „
Ich” finden
wir den allumfassenden
ewigen,
substan‐
tiellen Geist!
.In deinem, dich selber erzeugenden „
Ich”
allein findest du
deinen „
lebendigen”
Gott! ‒
.„
Nicht durch Verstand und reiche Schrift‐
gelahrtheit” wird das
Höchste erlangt, was
Menschen zu erlangen vermögen!
.Die geistige
Vollendung ist eine Aus‐
wirkung des
Lebens, ‒
nicht etwa Er‐
arbeitung des messerscharfen
Denkens!
.Es gibt wahrlich etwas, das
nur mit dem
Verstande erlangt werden
kann.
.Dieses soll man zu
erdenken suchen
um es zu „wissen”!
.Alsdann aber erhebt sich der Weise
über das Wissen, bis er denken lernt,
wie
Kinder denken! ‒
.Nicht „
kindisch” sollst du denken ler‐
nen, sondern erneut zur
Einheit des Den‐
kenden und des Gedachten kommen.
.In solcher Einheit hast du voreinst, als
du ein Kind warst, deine
ersten Gedanken
gefaßt, und in gleicher Einheit nur lassen
sich die
letzten und
höchsten Gedanken
denken.
.So, wie dein frühestes Denken sein Ma‐
terial nicht „erdachte”, sondern in erster
irdischer Erfahrung fand, so muß dir zuletzt
deine
geistige Erfahrung die Bausteine
liefern, mit denen du deiner Erkenntnis
hohen Dom überwölben sollst...
.Dann hast du dein Erdenleben nicht
umsonst durchlebt und nicht fruchtlos sein
Leid durchlitten!
.Sicher in deinem „Diesseits” geborgen,
wirst du dein „Jenseits” getrost erwarten
können, ‒
schon heute gewiß deines
ewigen Lebens im göttlichen Licht!
ENDE
DIE
WEISHEIT
DES JOHANNES
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
Um den Forderungen des Urheberrechts zu entsprechen,
sei hier vermerkt, daß ich im zeitbedingten Leben den
Namen Joseph Anton Schneiderfranken führe, wie ich
in meinem ewigen geistigen Sein urbedingt bin in den
drei Silben:
BÔ YIN RÂ
Copyright by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung Basle 1952
Druck: Conzett & Huber, Zürich
AUS ALLEM DIESEM FOLGET, OO
DASS ICH EUCH DAS TESTA‐ OO
MENT JOHANNIS ABER UND OO
ABERMAL EMPFEHLE, DESSEN OO
INHALT MOSEN UND DIE OO
PROPHETEN, EVANGELISTEN OO
UND APOSTEL BEGREIFT...
GOETHE AN HERDER
20. FEBRUAR 1786
VERBORGENER Ströme glocken‐
tiefes Rauschen tönt stetig fort
durch die Jahrtausende, und aller
Lärm des lauten Tages kann dieses tiefe
Rauschen nicht vor denen bergen, die es
hören wollen.
Zwar sind die Ohren derer, die den Lärm
erzeugen helfen, fast taub geworden, so
daß sie nur noch hören können, was mit
schrillen Lauten sie zuallernächst umtost;
allein, zu jeder Zeit gab es denn doch
auch Menschen, die sich den lauten Märk‐
ten fernehielten und in stiller Mitter‐
nacht den heilig ernsten, fernen Klängen
lauschten, die aus Urseinstiefen sich ver‐
nehmen lassen.
Zu Zeiten aber werden diese Wenigen zu
Vielen, und ihre Ohren werden so ge‐
schärft, daß sie die urgrundfernen Klänge
selbst im wildesten Getöse ihrer lärm‐
berauschten Umwelt
deutlicher emp‐
finden als den grellen Lärm, der sie daran
zu hindern sucht.
Wir leben im Anbruch einer solchen
Zeit!
Tagtäglich mehrt sich die Zahl der Hören‐
den!
Sie stört nicht mehr das heisere Schreien
der Jahrmarktsrufer, nicht das Brüllen
wilder Tiere noch das Kastagnettenklap‐
pern toller Tänzer, und lächelnd über‐
hören sie das Schellenklingeln bunter
Narrenkappen.
Sie hören nur den
einen, heilighehren
Glockenton ‒ hören allein auf das stete
klangtiefe Rauschen der
Ströme der
Ewigkeit ‒ und suchen räumlich wie
zeitlich in Nähe und Ferne ihresgleichen:
suchen Menschen, die bekunden können,
daß auch sie das gleiche tiefe Rauschen
allerorten hören.
Mü
de sind heute die Besten aller bloßen
Weisheit der Gehirne.
Längst lockt die Akrobatik des Gedan‐
kens nur noch junge Greise oder alte
Kinder.
Die geistreichen Schlüsse pfauenstolzer
Klügler gelten kaum noch als billige
Scheidemünze unter der ewig kindischen
Menge, und man erhandelt nur zu‐
weilen noch damit ihre Gunst, so wie der
Seefahrer die Gunst der Wilden gewinnt
durch bunte Gläser und glitzernde Per‐
lenschnüre.
Wer aber, dem
Erwachen nahe, des
Erdenlebens Wert in
Tat und
Wirken
sucht, der verlangt nach
anderer Er‐
kenntnis: verlangt nach einem
Inne‐
werden sicherster
Gewißheit, die
nicht schon morgen wieder
Ungewiß‐
heit wird ‒ der nicht die Resultate
fremder Forschung früher oder später
ihre Fundamente unterwühlen können.
Zu allen Zeiten gab es Menschen, denen
solche Gewißheit wurde.
Sie wird nicht
erschlossen und nicht
erklügelt, und keines Menschen Hirn
kann sie
erdenken!
Nicht Reichtum äußeren
Wissens ist
vonnöten, um sie zu erhalten!
Wer du auch sein magst und wie hoch
man auch dein Wissen werte ‒
Ge‐
wißheit wirst du eher nicht erlangen,
als bis du lernst, der schillernden Viel‐
fältigkeit deines Denkens zu entsagen!
Du hast aus «Gedankengängen» ein
Labyrinth dir geschaffen, in dem du
dich selbst verloren hast.
Du kannst dich nur wiederfinden, wenn
du zurück zum
Eingang dieses Laby‐
rinthes findest ‒ dorthin zurück, wo
einst dein Denken
einfach war wie
eines
Kindes Denken!
Auch die Menschen ferner Vorzeit kamen
anders nicht zu Weisheit und Erkenntnis.
Es leuchtet heute noch das
gleiche
Licht, davon man staunend Kunde bei
den alten Sehern findet; allein, wenn du
im Dunkel der
Gedankengänge dich
ergehst, wirst du es leichthin leugnen
können, da sich seine Strahlen dorthin
nicht ergießen.
Die Alten waren zu Zeiten wahrlich weit
mehr «Herren der Erde» als diese neue‐
ren Geschlechter, die sich durch ihr Er‐
klügeln und Ersinnen stolzerfüllt die
Kerkermauern selber aufeinandertürm‐
ten, die ihnen dann den Blick in die Un‐
endlichkeit verbauten...
Mit sicheren Instinkten wußten sie zu
sichten und zu sondern und nahmen
voller
Ehrfurcht jeweils in Besitz, was
ihre Ahnen ihnen darzubieten hatten als
unvergängliches, gewisses Weisheitsgut.
So konnte aus der alten Tempel Trüm‐
merstätten stets das Heilige gerettet wer‐
den, und mochte auch in jedem neuen
Sanktuarium ein neues Kultbild sich er‐
heben, so blieb es letzten Endes doch
der
gleichen Gottheit hüllendes
Symbol und war den Eingeweihten sol‐
cherart vertraut.
Die Menschen des nun schwindenden
Geschlechts jedoch ‒ die selbst weit
tiefer, als sie ahnten, durch gar mannig‐
fachen Aberglauben wateten, und die ihr
Wähnen,
Meinen und
Vermuten
anmaßlich als
Wissen proklamierten ‒
sahen in jedem Gottesbilde alter Zeiten
nur den «Götzen», sahen in seinem Kulte
nur der Alten «Aberglauben» und be‐
merkten nicht, daß neben jedem Gottes‐
kulte tiefgeheime
Weisheit schreitet,
die freilich nur den
Mündigen allein
sich offenbart. ‒ ‒
So ist denn auch die alte Sendschrift, die
man das «
Evangelium Johannis»
nennt, gar Vielen in den jüngstvergange‐
nen Tagen und wohl auch noch in dieser
heutigen Zeit zu nicht viel mehr als
einem
Märchenbuch geworden, an‐
gefüllt mit poesiegetränkten Zeugnissen
längst überlebten Aberglaubens...
Allmählich frei nun von der Furcht, das
«Wort der Schrift», das früher als
ein Werk des Geistes Gottes galt,
auf seine zeitliche und erdgebo‐
rene Gestaltung hin zu prüfen, hatte
man der alten Heidenlehren Spur darin
gefunden, und da man weiterhin ent‐
deckte, daß auch das wundersame Gottes‐
menschenbild des alten Buches mancher
alter Götterbilder Züge in sich eint, so
ward den Neueren ‒ soweit sie sich nicht
«Christen» nennen ‒ des ganzen Buches
Inhalt: frommes Hirngespinst.
Viel mochte dazu beigetragen haben, daß
man die alte Kunde nur in einer Form
besitzt, die allzudeutlich zeigt, daß vieler
Überformer törichtfrohe Arbeit ihr erst
die Gestaltung gab, die sie nun trägt.
Verderblich war es auch, daß man in
alter Zeit schon darauf ausgegangen war,
diese «Sendschrift» als ein Werk des
Jüngers, den der Meister «
liebte»,
darzustellen, und somit alles tat, um sie
den
älteren Berichten anzugleichen,
die von des hohen Meisters Erdenleben
‒ Wahrheit und Dichtung nach Gefal‐
len ineinandermengend ‒ legendenhafte
Kunde bringen.
Man konnte so nicht mehr erkennen, daß
dieses alte Buch ‒ einst über ein Men‐
schenalter nach des Meisters Tod ent‐
standen ‒ wohl jene Sagenkunden von
des hohen Meisters Erdenwallen
nutzte,
daß aber sein ursprünglicher Verfasser
wahrlich
anderes erstrebte, als der
alten Wunderbücher Zahl zu mehren.
Hier ist nun darzulegen, daß die alte
Sendschrift, die einst frühe Überformer
dem «
Johannes», den der Meister
«liebte», zugeschrieben haben, die
Schrift eines «Wissenden» ist, der für
seine Getreuen schrieb, die längst «von
Mund zu Ohr» von einer Lehre
wußten, die wahrlich «frohe Bot‐
schaft» allen war, die sie dereinst er‐
reichte.
Aus gleichem gesicherten Wissen ist hier
auszusprechen, daß jener, der die Send‐
schrift erstmals niederschrieb, noch im
Besitz von alten Schriften war, die in
getreulicher Abschrift Worte aus des
hohen Meisters eigenen Send‐
schreiben gaben, wie sie der Jünger
Johannes nach des Meisters Tode in
Verwahrung nahm und seine eigenen
Schüler davon Abschrift nehmen ließ.
Des weiteren ist hier zu sagen, daß der
Jünger, den der Meister «liebte», als ein‐
ziger unter den «Aposteln» um die tief‐
sten Dinge wußte, die zu seines Meisters
Sendung in Beziehung standen.
Nach des Meisters Tode aber sammelte
er um sich die Wenigen, die da von
Anfang an die Lehre geistig faßten.
Als er dann selbst gestorben war, erhielt
sich dennoch die Vereinigung dieser we‐
nigen Getreuen, verwahrend tiefes, ge‐
heimes Wissen, das sich dem äußerlichen
Kultkreis nie bequemen konnte, der sich
alsbald gerundet fand als Frucht der Pre‐
digt jener anderen Jünger, von denen
sich der Auserwählte schon gar bald nach
seines Meisters Tod in wachsender Ent‐
fernung stets gehalten hatte, so sehr auch
die Legende, die der äußere Kult
sich schuf, bemüht ist, ihn den Ihren
eng verbunden zu erweisen.
Den Nachfolgern dieser Schüler des
Apostels ‒ die aber sehr zu unter‐
scheiden sind von des Täufers Jün‐
gern, der den gleichen Namen trug:
Jehochanan ‒ galt die Sorge dessen,
der die Schrift geschrieben hat, von der
ich hier zu reden haben werde.
Ihnen war wahrlich nicht zu kommen mit
jenen Wundersagen, die heute sich
in dem der Nachwelt dargebotenen und
überaus verdorbenen Buche finden, auch
wenn aus diesen Wundersagen manches
spricht, das Nachgeborenen das Bild des
Meisters hellen kann.
Sie wußten von einem Geisteswun‐
der, das alle Wundersagen der Berichte
weit in Schatten stellte, und dieses
Geisteswunder kannten sie aus eigenem
Erleben. ‒ ‒ ‒
So sehr sie aber auch des hohen Meisters
Lehre, wie sie durch Johannes einst
verstanden worden war, als heiligstes Ver‐
mächtnis hüteten, so trugen sie doch
keineswegs Bedenken, wo immer sie in
Lehren ihrer Zeit verborgener Wahr‐
heit Fäden fanden, solche Wahrheit
auch dem Tempelvorhang einzuweben,
der in ihren Sanktuarien das Geheimnis
wahrte vor profanen Blicken.
Nur wenn man dieses alles wohlbeachtet,
ist auch heute noch ‒ trotz aller frem‐
den Hände, die des ersten Schreibers Nie‐
derschrift verdarben ‒ das bruchstück‐
haft Erhaltene dem inneren Werte nach
zu fassen, soweit es töricht enger Kor‐
rektur schon in der ersten Zeit entging.
So aber auch ist zu verstehen, daß der
Dichter diese Sendschrift über alle an‐
deren alten Glaubenskunden stellt, wäh‐
rend neuere Forschung allen Scharf‐
sinn aufzubieten sucht, um durch den
wild überwachsenen Garten der Erkennt‐
nis, den sie lichten soll, auch nur
einen
leidlich gangbaren Weg zu bahnen. ‒ ‒
Und fragt man mich nun, aus welchem
Wissen ich mir selbst
Gewißheit holte,
das in diesem Buche Darzulegende vor
aller Mit- und Nachwelt zu vertreten, so
muß ich als Erstes den Irrtum im Keime
zerstören, als gäbe ich hier etwa Früchte
eigenen «Erforschens».
Die Wege, die hier zur
Gewißheit
führen, sind so eng und steil, daß jedes
eigene Gepäck, und sei es auch ein Schatz
des Erdenwissens höchster und sublimster
Art, zurückgelassen werden muß, soll
nicht der Fuß auf diesen Höhenpfaden
straucheln. ‒
Es gibt ein «
Wissen», das
allein von
diesen Dingen mit
Gewißheit wissen
kann!
Hier sind «Beweise» denen nur erlang‐
bar, die seit der Urzeit solche Art zu
«wissen» pflegen und den Bestä‐
tigten in jedem Menschenalter weiter‐
geben, was sie selbst auf gleiche Art er‐
langten: ‒ die Fähigkeit des Wis‐
sens aus der Selbstverwandlung,
wobei der Wissende zum Wissen aus
dem Gegenstand des Wissens wird. ‒
Aus solchem Wissen aber rede ich.
Ich will Gewißheit geben und weiß,
daß anders Gewißheit nicht erlangbar ist.
Es liegt mir ferne, zum Glauben an meine
Worte überreden zu wollen.
Wer da ergründen will, ob ich der Wahr‐
heit Wort und Stimme leihe, suche in
sich selbst ‒ in seinem Allerinner‐
sten ‒ Bestätigung.
Er wird nicht vergeblich seine Zeit dar‐
auf verwenden, das, was ich ihm zu zei‐
gen habe, so zu sehen,
wie ich es ihm
zeigen muß...
Zuweilen mag es also scheinen, als ob
ich von dem Gegenstande dieses Buches
mich zu weit entferne, und auch Wieder‐
holung wird sich kaum vermeiden lassen.
Es ist nicht meine Absicht, nach System
und Regel zu verfahren.
Die alte
Sendschrift, die den Namen
des «
Johannes» trägt, soll hier nicht
etwa einen
Kommentar erhalten.
Es gilt hier nur, die
reine Lehre auf‐
zuzeigen, deren Kenntnis der Schreiber
bereits
voraussetzen durfte bei sei‐
nen Getreuen.
Und weiter will ich hier dem Irrtum
steuern, daß die alte Sendschrift
glei‐
cher Glaubensmeinung Zeugnis sei wie
die drei
älteren Berichte über des
«Gesalbten» Leben, denen man in alter
Zeit sie schon zur Seite stellte, nachdem
sie dafür zubereitet worden war.
Es wird auch nötig werden, hier so man‐
ches Textwort nun in helleres Licht zu
stellen, als wenn es nur des
Beispiels
halber oder als ein Mittel der
Verstän‐
digung beiläufige Erwähnung finden
sollte, wo es denn füglich auch in
her‐
kömmlicher Lesart und Bedeutung
seinem Zweck entsprochen hätte.
So möge nun die hohe
Weisheit, die
trotz aller späteren Verdunkelung noch
aus dem alten Texte strahlt, den man das
«
Evangelium Johannis» nennt, ein
Leitstern werden allen Suchenden, ‒
ein Leitstern, der ihnen den Weg
zum Geiste erhellt! ‒
*
BEKENNERN seines Namens einst
zum
Gotte geworden, und denen,
die das Tiefste seiner Lehre nie er‐
faßten, eine Beute erdenferner Phanta‐
sie, ward späterer Zeit der hohe Meister,
der die «frohe Botschaft» brachte, in
einem Bilde überliefert, das nur in dürf‐
tigster Kontur noch schwache Spuren
seiner erdenhaften Züge zeigt.
Und doch muß jedem, der des hohen
Meisters wahre Liebe fassen will, zu‐
erst die
irdische Erscheinung des
«Gesalbten» deutlich werden, will er
nicht
Phantasiegebilden sich er‐
geben und in weichlich frommen
Träu‐
men sich berauschen.
Er, von dem man das Wort berichten
konnte:
«WAS NENNST DU MICH GUT?
NIEMAND IST GUT, AUSSER GOTT!»
‒ wie wäre er im
Innersten er‐
grimmt, hätte jemals einer derer, die
ihm nahe waren, es gewagt, ihm göttliche
Ehren zu erzeigen und ihn einen
Gott
zu nennen...
Und wie er die Wechsler und Verkäufer
aus den Tempelhöfen ihres Gottes trieb,
so hätte er jeden «mit einer Geißel aus
Stricken» davongejagt, der ihm gesagt
haben würde: «Meister, auch
dir wird
man einst Tempel bauen!» ‒ ‒ ‒
Er war sich wahrlich seiner geistigen
Würde wohlbewußt, so sehr er dann zu
Zeiten auch sich klein und zaghaft fühlen
mochte.
Wo wäre auch der Mensch zu finden, der
stets nur im Bewußtsein seiner ganzen
Kraft und seines
höchsten Wertes
sich bekundet hätte?! ‒
Ist sein Bewußtsein überlichtet in der
hohen Geisteseinung mit dem «Vater»,
den das Urwort aus dem Urlicht
offenbart ‒ dem großen «Alten», der im
«Anfang» ist: dem Menschen der
Ewigkeit in seiner urgegebenen Zeu‐
gung ‒, dann wird sein Wort «gewal‐
tig», und er fühlt sich über alles Irdische
emporgehoben. ‒ Der Leuchtende
des Urlichts zeigt sich dann in seiner
höchsten Geistesmacht. ‒
In Stunden erdenhafter Bindung aber
scheut er keineswegs davor zurück, auch
seine tiefste Seelenangst zu offen‐
baren, und seine hohe Einsicht droht ihn
scheinbar zu verlassen.
«MEINE SEELE IST JETZT IN BE‐
DRÄNGNIS. WAS SOLL ICH SAGEN?
VATER, RETTE MICH AUS DIESER
STUNDE!»
Er entzieht sich keineswegs dem Um‐
gang mit anderen Menschen, auch
wenn sie durchaus nicht seine Anhänger
sind: ist fröhlich mit den Freudigen
und trauert mit den Betrübten.
Sein Mitgefühl macht ihn zum Schützer
der Armen und Unterdrückten, zu
denen er selbst gehört; aber gleichzeitig
wird er manches Reichen und Vor‐
nehmen Freund.
Gern nimmt er Gastfreundschaft
an, selbst dort, wo er weiß, daß man
kaum an seine Sendung glaubt und ihn
nur geladen hat, um einen so seltsamen
Gast zu sehen.
Wo immer er Güte des Herzens fin‐
det, ist er voll des liebendsten Verstehens;
nur Heuchelei und Herzenshärte
läßt ihn böse Worte finden.
Er drängt seine Lehre keinem auf; doch
wo er fühlt, daß man nach ihr ver‐
langt, auch wenn man sie bewußter‐
weise noch nicht kennt, dort gibt er,
was die Hörer ‒ seiner Meinung nach ‒
wohl fassen sollten.
Er geht nicht auf Ehrungen aus; aber
wenn man ihn ehrt, so fühlt er sich
aller Ehrung wert, und wenn ein
enger Geist unter seinen Begleitern über
Verschwendung zetert, weil kostbare Salbe
dazu dienen muß, des Meisters Füße zu
erfrischen, statt daß man sie verkaufte,
um der Armen Not zu lindern, so
spricht er in Gelassenheit das Wort:
«ARME HABT IHR ALLEZEIT
BEI EUCH, MICH ABER HABT IHR
NICHT ALLEZEIT.»
Wobei er keineswegs ‒ wie die
spätere Auslegung will ‒ den baldigen
Tod vor Augen sieht, sondern lediglich
daran denkt, daß er nicht oft an dem
gleichen Orte weilt.
Nichts Menschliches war ihm fremd, und
er wußte gar wohl um den Kampf der
Geistnatur im Menschen mit des
Menschentieres schwer besiegbaren
Gelüsten.
«IHR
VERURTEILT NACH DEM
SCHEINE,
ICH ABER
VERUR‐
TEILE NIEMANDEN; DENN AUCH
DER
VATER VERURTEILT KEI‐
NEN.»
Von seiner Sendung durchdrungen, er‐
klärt er: man möge den «Tempel» ‒ die
herrschende Priesterlehre ‒ stürzen, und
«in drei Tagen» wolle er sich erkühnen,
ihn wieder «aufzubauen».
Die ihn so sprechen hörten, wußten sehr
genau,
wovon er sprach, auch wenn sie
diese Worte wohlverwahrten, um ihn der
Tempellästerung dann schuldig zu
befinden.
Doch läßt er sich gerne auch
mißver‐
stehen, wo er weiß, daß alle Erklärung
ihm doch nicht
das Verstehen bringen
würde, das er sucht. ‒
Im vollen Bewußtsein seiner geistigen
Sonderstellung unter den Menschen sei‐
ner Zeit kann er selbstherrlich sagen:
«
IHR SEID VON
UNTEN,
ICH
BIN VON
OBEN.
IHR SEID AUS
DIESER WELT,
ICH ABER BIN
NICHT AUS
DIESER WELT.»
Aber er wußte auch wie keiner derer,
die ihm nahe waren,
woher ihm seine
hohe Würde kam ‒ wußte um seine jahre‐
lange geistige
Schulung, ‒ wußte um
das harte
Ringen in
sich selbst,
dem er endlich die
Gewißheit dankte,
aus der er nun zu sprechen und zu
lehren hatte, «anders als die Schrift‐
gelehrten». ‒
Das hohe Mysterium seiner Sendung war
nur wenigen bekannt, und selbst die
Wenigen erfaßten es nicht, bis auf den
Einen, den er «
liebte».
Nur dieser
Eine wußte auch um seines
Meisters geistigen
Werdegang und um
die tiefste
Begründung seines Rech‐
tes, zu
lehren.
Als nach des Meisters Tode dann «die
Herde sich zerstreute», sammelte dieser
Jünger um sich, was
seiner Artung war,
und gab sein Wissen denen weiter, die
in seiner Schulung sich bewährten.
Erst eine spätere Zeit, die längst den
äußeren Kult im steten Wachsen sah,
der aus vorhandenen alten Riten sich ge‐
staltet hatte und aus dem Bilde des hohen
Meisters sich den
Kultgott schuf,
sprengte den kleinen Kreis der
Geisti‐
gen, die von
Johannnes einstens aus‐
gegangen waren.
Als «Ketzer» gebrandmarkt, gingen sie
in der Verborgenheit unter, und mit ihnen
das
Bild des Meisters, der
nie in
seinem Leben sich als «
Messias» aus‐
gegeben hatte und es als Schändung sei‐
ner selbst betrachtet hätte, sich auf die
gänzlich
anders zu verstehenden Pro‐
phetenworte zu beziehen, in denen
Spätere, nach seinem Tode, ihn
«vorherverkündet»
wähnten. ‒
*
HIER wird mir Auftrag nun und
Pflicht, des hohen Meisters
Werden aufzuzeigen, der ‒
so verborgen auch sein Dasein der
Ge‐
schichte blieb ‒ durch jene sagenhaf‐
ten Kunden seines Lebens und den Kult,
der alter Götterlehren dunkle Mystik
unter
seinem Namen neu erblühen ließ,
zu einem
Zeichen des
Widerspruchs
wurde bis auf den heutigen Tag.
Ich werde hier berichten, was dem Schau‐
enden sich zeigt, der aus
Gewißheit
künden kann, was äußerem Erfassen
längst entzogen ist.
Geboren zu
Nazareth in Galiläa ‒
nicht etwa «Nazoräer» nur genannt nach
einer mystischen Sekte ‒, wurde er von
seinem Vater schon im zartesten Kindes‐
alter samt der Mutter mit nach
Ägypten
genommen, allwo zu jener Zeit gerade das
Handwerk des Vaters gut gelohnte Arbeit
fand. Aus dem, was so tatsächlich einst
geschehen war, wurde später die sagen‐
hafte «Flucht nach Ägypten». ‒
Nach wenigen Jahren dann: zurückge‐
kehrt zu seinem Heimatort, half er, so‐
bald er halbwegs herangewachsen war,
seinem Vater bei der Arbeit und lernte
so, fast noch im Spiel, die ersten Hand‐
reichungen tun, soweit sie seinen Kräften
angepaßt erscheinen mochten.
So wurde er schon in früher Jünglings‐
zeit des Vaters Gehilfe, wurde ein Zim‐
mermann, was in jenen Zeiten heißen
wollte, daß er nicht nur bauen lernte,
was aus Holz zu bauen ist, sondern auch
alles gröbere Haus- und Ackergerät aus
Holz zu fertigen wissen mußte. Zum Er‐
werben auch nur der geringsten äußeren
Gelehrsamkeit war weder
Zeit vorhan‐
den, noch entsprach es
Sitte und
Ge‐
wohnheit, daß ein armer junger Hand‐
werksmann nach derlei Dingen strebe.
Erst als sein
geistiger Entwicklungs‐
gang ‒ von dem ich nun zu künden
haben werde ‒ längst
vollendet war,
erlernte er durch Anleitung gelehrter
Freunde, die er dann gewonnen hatte, die
Kunst des
Schreibens in den Zeichen
seiner Muttersprache.
Mit seiner
geistigen Entfaltung aber
ging es also zu:
Vom Vater hatte er nur die
Gebete ge‐
hört, die jeder fromme Jude zu beten
pflegte.
An jedem Sabbat hörte er die übliche
Erklärung des Gesetzes, das von
den Alten überkommen war.
Auch hier war ihm, der selbst
nicht in
den Schriften
lesen konnte, nur sehr
weniges erschlossen.
Wohl aber ward ihm schon seit früher
Jugend, wenn er müde von der
Arbeit,
aber nicht im
Geist ermüdet, wachend
noch auf seinem armen Lager ruhte, ge‐
heimnisvolle
geistige Belehrung, die er
selbst den Eltern streng verborgen hielt,
durch die er aber mehr und mehr die
Weisheit des Gesetzes zu erkennen
glaubte, die ‒ wie er meinte ‒ jene
Anderen erkannten, die in den Schriften
selbst zu lesen wußten.
Wohl
verriet er sich dann und wann,
wenn er die Älteren in der Gemeinde, am
Sabbat oder an den hohen Festen, über
Fragen des Gesetzes reden hörte und aus
der inneren Belehrung her die rechte
Antwort fand, so daß die spätere Legende,
die den
Knaben zu
Jerusalem im
Tempel unter
Schriftgelehrten
lehrend zeigt, im Grunde doch auf wirk‐
lichem Geschehen baut, wenn auch die
Tempelpriester zu Jerusalem gewiß nicht
diese ersten Hörer seiner Weisheit waren.
Die erste Begegnung mit einem der
«
Leuchtenden des Urlichts», de‐
ren hoher Bruder er später werden sollte,
da er
der Artung nach zu ihrem Kreis
gehörte, längst
bevor er durch das
irdische Auge das Licht der Erdensonne
sah, wird ihm in seinen späteren Jüng‐
lingsjahren schon
zu Capernaum, wo
er zu jener Zeit in wochenlanger Arbeit
bei Verwandten seines Vaters lebte und
einen Auftrag seines Vaters auszuführen
hatte.
Noch wußte er vorerst nicht, wer jener
war, der da in abendlicher Feierstunde
ihm am See begegnet war, den er dann
oftmals wieder an der gleichen Stelle traf
und der ihm mehr und mehr das Herz
zu öffnen und den Blick ins Innerste des
Seins zu hellen wußte.
Bald aber mehrten sich Begegnungen
von gleicher Art, so daß es ihm kaum
noch absonderlich erschien, von diesen
offenbar dem gleichen Kreise Zugehören‐
den so aufschlußreiche Lehre zu emp‐
fangen; nur hielt er alles sehr geheim, da
es ihm also aufgetragen worden war. So
hatte er mehrere Jahre zugebracht im
steten Wachsen seiner inneren Erkennt‐
nis, als einer der Männer, die er nun wie
alte Freunde kannte, wenn er auch in
Ehrfurcht sich vor ihnen neigte, ihm einst
die Eröffnung machte: es sei nun für ihn
an der Zeit, eine geregelte Schulung
zu beginnen, obwohl er dadurch keines‐
wegs von seiner Hände Arbeit abgehalten
werde.
Als Zweck der Schulung wurde ihm be‐
zeichnet, daß er durch sie befähigt wer‐
den solle, nicht nur selbst die Weisheit
des Gesetzes bis ins Letzte zu erkennen,
sondern daß er Anderen auch alsdann
die gleiche Weisheit zeigen könne, damit
die Vielen, die nach einer Seelenspeise
in den Schriften suchten, nicht nur der
Schriftgelehrten dürre Auslegung
erhielten, die ähnlich sei, als wenn ein
Hungernder nach Brot verlange und
man reiche ihm einen Stein.
Von da an stand er nun bewußt unter
kontinuierlicher geistiger Leitung derer,
zu denen er dem Wesen nach gehörte.
Sein Tagwerk konnte ihn nicht hindern,
diese Schulung durchzuführen und jede
Prüfung zu bestehen, die sie von ihm
forderte.
Sobald er zu straucheln begann oder
angstvolle Zweifel ihn bedrohten, trat
einer seiner Lehrer unvermerkt stets
wieder ihm zur Seite, stärkte seinen Glau‐
ben und verscheuchte die Dämonenwelt,
die vordem ihn in Schrecken setzen
wollte.
In jahrelanger Geistesschulung war er
endlich so herangereift, daß ihm die
letzten Schuppen von den Augen fielen
und er selbst sich nun in seiner hohen
Sendung sah.
In klarer Sternennacht, auf einer Felsen‐
höhe nahe seinem Wohnort, erhielt er
seine Weihe als ein
Meister der Licht‐
erkenntnis, als ein
Liebender im
Lichte, als ein
Leuchtender unter
Leuchtenden...
Nun wußte er
sich selbst als «
Weg»,
‒ nun wußte er
sich selbst als
«
Wahrheit», ‒ nun wußte er
sich
selbst als «
Leben» aus der Sonne
aller Sonnen, aus dem Lichte, das die
Ewigkeit erhellt. ‒
Von diesem Tage an begann er nun von
dem, was ihm geworden war, auch Ande‐
ren aufs deutlichste mitzuteilen.
Nun sprach er im Bewußtsein seiner
inneren
Berechtigung und suchte an
der Hand der alten Schriften, die ihm
geistig jetzt erschlossen waren, den tief‐
sten Sinn der alten Seherworte aufzu‐
zeigen, obwohl er noch sein Handwerk
weiter trieb wie ehedem.
Seine Zuhörer aber staunten sehr über
seine Rede und wußten sich nicht zu er‐
klären, woher denn ihm, dem Ungelehr‐
ten, solches Wissen komme.
So unerhört erschien den Freunden und
den Anverwandten die Verwandlung sei‐
nes Wesens, daß sie ihn, trotz aller Tiefe
seiner Worte, «von Sinnen» wähnten
und er sich schließlich nicht mehr in der
Heimat halten konnte.
So zog er denn von dannen, um sich an
anderem Orte, wo man ihn nicht kannte,
durch seiner Hände Arbeit zu ernähren
und durch sein Wort die Seelen zu er‐
wecken. Aber wohin er auch kam, konnte
nicht seines Bleibens sein; denn man hörte
ihn Dinge sagen, die nie gesagt worden
waren, und die Schriftkundigen waren
voll des Neides darüber, daß viele ihm
mehr zu glauben schienen als ihnen.
Nun irrte er geraume Zeit umher, bis er
sich wieder nach
Capernaum wandte,
das ihm lieb geworden war. Es hatte
sich ja dort die erste Begegnung einst
ereignet mit einem seiner hohen Brüder,
die ihm auch jetzt Verheißung gaben,
daß er allda die gesuchte Ruhe finden
werde.
Dort in
Capernaum sollte ihm nun die
Freundschaft eines begüterten Mannes
werden, der ihn mit Freuden aufnahm
und begeistert seinen Reden lauschte.
Im Hause dieses Mannes fand er dann
auch andere, gelehrte Freunde, und in
diesem Zufluchtsorte lernte er durch sie
seiner Sprache Schriftzeichen lesen und
schreiben.
Das
Ansehen, das er hier bei den
Wohlgeachteten genoß, hatte allmählich
ringsum seinen Ruf verbreitet.
Da nun in jener Zeit das Volk des Glau‐
bens war, daß ein solcher Weiser auch
über geheime Künste verfüge, durch die
er alle Krankheit heilen könne, so
kam bald dieser und bald jener in des
vornehmen Mannes Haus und bat, daß
der weise Rabbi ihn heile.
Anfänglich widersetzte sich der Meister
solchem Begehren und schickte die Kran‐
ken zu den Ärzten.
Dann aber mehrte sich der Ansturm, und
von Erbarmen erfaßt, ging er zu den
Kranken hinaus, um sie zu trösten. Aber
es geschah, daß viele von denen, die er
berührt hatte, schon bald darauf sich
geheilt fühlten, so daß der Meister zu‐
erst selbst nicht wußte, was er von sol‐
chen Dingen halten sollte.
Es war ihm aber fernerhin nicht mehr
möglich, sich den Bitten der Kranken zu
entziehen, die nichts von ihm verlangten,
als daß er sie nur berühren möge.
Selbst von weit her wurden Kranke zu
ihm gebracht, und der Glaube an seine
«Wunderkraft» erstarkte mehr und mehr.
Bekannte sich nachher einer als geheilt,
so betonte stets der Meister selbst, daß
nur sein eigener Glaube ihm geholfen
habe.
Auch verbot er jedem strenge, von seiner
Heilung weiterzuerzählen, da er dem An‐
drang kaum mehr sich gewachsen fühlte.
Im Laufe der Zeit jedoch erkannte er,
daß ihm eine Kraft des Heilens inne‐
wohne und daß nicht der Glaube der
Geheilten nur allein ihrer Heilung Ur‐
sache war.
Zwar konnte er nicht alle Krankheit
heilen; aber der Geheilten Zahl ward
trotzdem täglich größer.
Geraume Zeit des Tages brauchte er, um
allen die Hände aufzulegen, die er heilen
sollte.
Bis spät in die Nacht aber fand er Zu‐
hörer um sich versammelt, die seiner
neuen Gesetzesauslegung lauschten, und
unter diesen fand er auch die Ersten, die
ihm geeignet schienen, seine besonderen
Schüler zu werden.
Ihnen
allein aber suchte er zu offen‐
baren, woher
ihm selbst seine Weis‐
heit geworden war.
Lange schon hatte er erkannt, daß er
nun kaum mehr sein
Handwerk weiter
betreiben könne.
Doch da er wußte, daß er stets das Nötige
im Überflusse finden würde, wenn er ‒
getreu dem
geistigen Gesetze ‒ es
seinem «
Vater» überließe, ihn zu näh‐
ren und zu kleiden, so kam keine Sorge
in ihm auf, und schließlich bat er
seinen Gastwirt, ihn nun ziehen zu las‐
sen, damit er auch an anderen Orten leh‐
ren könne.
Die Gegnerschaft der ersten Tage schien
ihm nun längst nicht mehr bedenklich.
Die ersten Schüler aber, die zu
Caper‐
naum von ihm gefunden worden waren,
wollten ihn nicht lassen und folgten ihm.
Jeder von ihnen nahm auf seine Weise
in sich auf, was der Meister ihnen zu
geben hatte.
An manchen Orten, seines Rufes als
Heiler wegen, mit seinen Schülern
freudig aufgenommen, mußte er
doch auch an anderen Orten
schroffste
Zurückweisung erfahren, und für
die Menschen seines
Heimatortes
blieb er der anmaßende «
Narr», den sie
schon zu Anfang in ihm gesehen hatten.
Das Volk aber nannte seine Heilungen
‒ dort, wo sie erfolgen konnten ‒
«
Wunderwerke», und man verstand
ihn nicht, wenn er in solchen Fällen stets
betonte, daß nur der
eigene Glaube
und die
ausströmende Kraft aus
dem
Körper des Heilenden solche
«Wunder» wirke.
Den alten Lehren seines Volkes gab er
eine
Auslegung, durch die sie auch
vor
höherer Erkenntnis noch bestehen
konnten, und nur wo er sterilen Formel‐
kram die Gläubigen bedrücken oder den
düsteren Stammesgott der Vorzeit Opfer
fordern sah, sprach er das Wort:
«
DEN ALTEN WARD GESAGT...
ICH ABER SAGE EUCH...!»
Nachdem er so fast ein Jahr in Galiläa
heilend und lehrend mit wechselndem
Erfolg umhergezogen war, glaubte er zu
erkennen, daß nur in Jerusalem sei‐
nem Worte der rechte Nachhall werden
könne, und durch die Freunde von
Capernaum bereits bei deren Freun‐
den in der Heiligen Stadt aufs beste an‐
gekündigt, schloß er sich mit seinen
Schülern den Pilgern an, die zum Oster‐
feste nach Jerusalem wallten.
Die vornehmen Freunde nahmen ihn
gastlich auf; aber sein erstes Auftreten
schon zog ihm den Haß der Tempel‐
priester zu.
So verließ er bald die Stadt, kehrte aber
nicht nach Galiläa zurück, sondern blieb
in ihrer Nähe, um immer wieder kurze
Zeit in ihr zu verweilen, mied sie aber
doch mehr und mehr, nachdem er immer
deutlicher gewahr geworden war, daß
seine vornehmen Freunde ihn kaum schüt‐
zen könnten, falls er der
Priester‐
schaft in die Hände fiele, die er gar
hart in seinen Reden angegriffen hatte.
Er
heilte und
lehrte, wo er auch war,
so wie ehemals in Galiläa.
Es konnte darum nicht fehlen, daß er
stets größerer Kreise
Hoffnung wurde,
besonders unter den Armen und Entrech‐
teten, die auf die knechtende Priester‐
herrschaft noch weniger gut zu sprechen
waren als auf die fremden Unterdrücker.
So kam es denn, daß alles Volk immer
mehr des Glaubens wurde, daß er der
in alten Schriften vermeintlich
Verheis‐
sene sei, der aus der Priester- und der
Römer Knechtschaft nun die Armen be‐
freien müsse.
Die aus dem immer ruhelosen Haufen
der Hauptstadt also dachten, hatten er‐
fahren, daß der Meister kurze Zeit vor
dem Osterfeste wieder nach Jerusalem
kommen werde, und sie bereiteten alles
vor, um ihn, sobald er käme, zum Kö‐
nige auszurufen, da sie der Priester
Macht nur durch die römischen Kohorten
gesichert sahen, der Römer Gewalt
aber aus ihrer Enge her nicht begreifen
konnten.
Als der Meister nun kam, zog man ihm
vor die Tore mit großem Jubel entgegen
‒ Männer, Weiber und Kinder ‒, und
ihre Sprecher verlangten von ihm, daß
er sie gegen die Bedrücker führe.
Überwältigt von allem, was er sah, ver‐
ließ ihn hier die Sicherheit des inneren
Bestimmens, und so wie Moses nach
der Sage zweifelte, ob er dem Volke
Wasser schaffen könne, so
glaubte er
vielmehr für kurze Augenblicke, die
Macht, die man ihm zuerkennen wollte,
könne
seiner Sendung Stütze
werden.
Nur allzubald sah er den Irrtum ein, so
daß er kaum die Stadt betreten hatte, als
er dem aufgeregten Haufen sich entzog
und in dem Hause eines seiner vorneh‐
men Freunde Zuflucht suchte, bis die
Menge durch der Römer Wachtsoldaten
auseinandergetrieben war.
Allein, die Folgen seines kurzen Schwan‐
kens ließen sich auf
geistigem sowie
auf irdischem Gebiet nicht mehr ver‐
meiden.
Längst schon den Priestern des Tempels
als bitterer Mahner
verhaßt und um
seines Ansehens bei dem Volke willen
gefürchtet, hatte er jetzt selbst die
Gelegenheit geschaffen, ihn bei der römi‐
schen Obrigkeit zu verklagen als einen,
der sich gegen ihre Herrschaft wende:
einen
Aufwiegler des Volkes, der
des Volkes
König werden wolle.
Es war die römische Obrigkeit wahr‐
haftig Tumulte unter diesem Volke ge‐
wohnt und hätte auch den neuesten am
liebsten übersehen; allein, bei solcher
Art der Klage war es nicht mehr möglich,
die Verhaftung des Beschuldigten zu
unterlassen.
Der weltkluge römische Prokurator, der
deutlich sah, aus welchen Gründen man
ihn hier gebrauchte, fühlte in seinem
Stolze sich verletzt und suchte der Nöti‐
gung zu einem Urteilsspruche sich zu
entziehen.
So schob er die Vernehmung denen zu,
die Klage erhoben hatten.
Er ahnte nicht, wie sehr willkommen es
jenen war, den Gehaßten nun scheinbar
mit besten Gründen auch nach ihrem
Gesetze zu verurteilen.
Es gab seiner Worte genug, die man frü‐
her nicht zu ahnden wagte und die ihn
nun des Todes schuldig erscheinen las‐
sen konnten. Überdies hatte er ja «den
Tempel gelästert»: was wollte man
noch mehr! Da ihnen aber eines Todes‐
urteils Vollstreckung unter der Rö‐
mer Macht entzogen war, so brauchten
sie nur darauf zu beharren, daß er das
Volk verführe und sich zum Könige
ausrufen lassen wolle, um die römische
Gerichtsbarkeit zu zwingen, den haß‐
geborenen Richterspruch an ihrer Stelle
auszuführen.
Die Folge war, daß der Gehaßte starb am
römischen Kreuzesgalgen, nachdem ihn
römische Söldner aus aller Welt und
jüdische Tempelknechte schon fast zu
Tode gepeinigt hatten.
Hier aber, als sein Erdenwirken schon
beendet schien, vollbrachte erst der Mei‐
ster jene größte
Liebestat, durch die
er allen, die da Geistiges erschauen, über
alle Menschengröße hoch erhaben bleibt
für alle Zeiten, als der
Größte aller
Liebenden, die je die Erde trug ‒ und
keiner kann je nach ihm kommen, der
ihn an Liebeskraft erreichen würde...
In dieser letzten Stunde ist es ihm ge‐
lungen, das
Menschentier in sich der
Macht des
Geistigen zu
absoluter
Einheit des Empfindens zu ver‐
einen, so daß er die Vernichter seines
Erdenlebens noch in der Vernichtung
lieben konnte wie sich selbst.
Die unsichtbare Erde, die diesen Erd‐
ball in sich trägt gleichwie das Ei den
Dotter, ist seit jener heilighohen Stunde
der Macht des «Fürsten dieser Welt»
‒ des unsichtbaren, aber nur seiner
selbst und nicht im Geiste bewuß‐
ten, vergänglichen Gewaltigen, der
in dem liebeleeren Dunkel der Materie
sich selbst erlebt und alles in sein eige‐
nes Erleben ziehen möchte ‒ für alle
Zeit entwunden...
So wie er selbst in dieser Stunde über‐
wunden wurde, kann alle Macht der
Finsternis auf dieser Erde nunmehr über‐
wunden werden, durch jene, die um
solche Macht des Menschen wissen und
«guten Willens» ‒ wollend aus
der Liebe ‒ sind.
Wüßte die Menschheit der Erde um
ihre Macht ‒ wahrhaftig, sie würde
schon seit fast zwei Jahrtausenden der
Erde Angesicht verwandelt haben, so daß
den Menschen, die in diesen Tagen noch
der Erde Not erleiden, ein Erdenzustand
dargeboten wäre, der ihnen wie des Him‐
mels Seligkeit erscheinen müßte. ‒
Zwar wird auf dieser Erde
nie ein
«
Garten Eden» sich erschaffen lassen;
allein, was hier sich dennoch wandeln
läßt, ist so gewaltig, daß späte Enkel
sicherlich in gleicher Weise voll Entsetzen
stehen, finden sie die Spuren
heutigen
Geschehens unter Menschen ‒ wie jeden
heute Lebenden das Grauen packt, wenn
er die Gräber jener Menschtierahnen
öffnet, die, wie die Funde zeigen, ihrer
Feinde Hirne aus den Schädeln saugten
und das Mark aus ihren Knochen fraßen.
Erst wenn diese Menschheit erkennen
wird,
was sie vermag, sobald sie,
aus
der Liebe wirkend, dieser Erde An‐
gesicht zu wandeln sucht, wird jene
Liebestat auf Golgatha ihr end‐
lich fruchtbar werden. ‒
*
DAS GRÖSSTE, was ein Mensch
der Erde je vollbringen konnte,
ward noch im
Kreuzestod
dereinst auf Golgatha vollbracht: ‒
des
Erdenmenschen Schicksal ward
gelöst aus kosmischer Verhaf‐
tung! ‒
Es ist nun weiter zu berichten, was
nach
des Meisters Erdentod sich noch ereig‐
nete, da hier die
Wahrheit durch das
Werk der frommen
Phantasie schon
in den allerersten Zeiten
Übertün‐
chung leiden mußte, durch die das
wirkliche Geschehen aller späteren
Zeit
verborgen bleiben sollte. ‒
Wohl trägt die fromme Mär in sich der
Wahrheit
Kern, und wer ihn unter
seiner Hülle fassen kann, wird nicht be‐
trogen sein.
Wohl ist der Leuchtende aus seinem
Erdengrabe «auferstanden»; allein,
die irdische Erscheinung konnte
ihm in seiner «Auferstehung» nicht
mehr Träger seines Wesens sein.
Wohl ist der Leuchtende auch heute
noch bei dieser Erde und seinen Brüdern,
die in irdischer Erscheinung wirken, sicht‐
bar in der geistigen Gestaltungsform,
die seiner erdenhaften Daseinsform, in der
ihn seine Jünger kannten, voll entspricht.
‒ Allein, dies alles kann gewiß nicht hin‐
dern, daß dem irdischen Geschehen
nach des Meisters Tode für die Nachwelt
noch Bedeutung innewohne.
So sei denn dargestellt, was sich dem
Schauen zeigt, da doch der Kern des
frommen Glaubens, der die Menschen
durch Jahrhunderte hindurch beglückte,
in diesen Tagen kaum der Hülle mehr
bedarf, ja
durch die Hülle in Gefahr
gerät, von denen
nicht erkannt zu
werden, die ihn suchen. ‒
Es folge hier nun der Bericht:
Die vornehmen Freunde des Meisters
hatten sogleich nach seinem Tode alles
aufgeboten, um seinen
Leichnam
durch den römischen Prokurator zu er‐
halten, da vorher alles vergeblich gewesen
war, was sie unternommen hatten, um
den Todesgang ihm zu ersparen.
Der Prokurator aber ‒ des Meisters
Freunden ohnehin wohlgesinnt und voll
Verachtung gegenüber der Tempelprie‐
sterschaft, die ihn zu zwingen wußte,
einen Mann zu richten, der ihm nie und
nimmer eine Staatsgefahr zu bilden schien
‒ gewährte nur zu gerne nun den Freun‐
den ihren
Toten, nachdem er vorher
trotz dem besten Willen nicht imstande
war, den
Lebenden ihnen zu retten.
Als aber die Tempelpriester davon hör‐
ten und mit Sicherheit wußten, daß ihnen
kein Gehör beim
Prokurator würde,
bestürmten sie den
Obersten der
Stadtwache und erreichten, daß er
ihnen Wächter stellte, die das Grab be‐
wachen sollten; denn sie fürchteten sehr,
daß des Toten Anhang sonst bei
dem Grabe weheklage und seine
Wut sodann gegen die Priester
richte. So erhielt das Grab nun eine
römische Wache, die den Auftrag hatte,
jede Ansammlung dort zu verhüten.
Es lebten aber zu der Zeit die hohen
Brüder des Meisters ‒ die ihn einst
geschult und als der Ihren einen
voll‐
endet hatten zu seinem
Priester‐
königtum ‒ verborgen noch an nahen
Orten im judäischen Gebirge, und wäh‐
rend seines Wirkens war der hohe Meister
ihnen oftmals in der Einsamkeit begegnet,
hatte oft sie an den Stätten ihrer Ab‐
geschiedenheit besucht.
Sie wußten, was ihm widerfahren war,
und hatten ihn nicht retten können; denn
seine geistige Schuld: daß er ‒ wenn
auch für Augenblicke nur ‒ die äußer‐
liche Macht auf Erden sich zur Seite
stellen wollte, hatte sein Geschick ent‐
wunden jener hohen Geistesleitung, der
sie unterstanden und die auch ihn einst
führte, bevor er sich bei jenem Einzug
in Jerusalem für kurze Zeit betören ließ
durch das bestürmende Begehren derer,
die in ihm den Retter aus der äußeren
Bedrängnis sahen.
Die Wandlung der Gesetze in der un‐
sichtbaren Erde, die er dann
selbst
durch seine Liebestat auf Golgatha
voll‐
brachte, hätte
sein Endesschicksal ihm
erspart, wenn
vor ihm ein
Anderer
ihr Vollbringer gewesen wäre.
Da aber diese Wandlung erst in seiner
letzten Stunde sich
durch ihn vollbrin‐
gen ließ, so mußten seine hohen Brüder,
schmerzerfüllt und doch im Innern ju‐
belnd seines Siegs gewärtig, ihn den Lei‐
densweg betreten lassen. ‒ ‒
Sie wußten nun um sein
Grab, und
ihnen war er
lebend nahe in seiner
geistigen Gestaltung.
So taten sie, was zu tun war, völlig
mit
seinem Einverständnis und
nach
seinem Willen, damit kein törichter
Kult um seinen
Erdenleichnam sich
bilde.
Es war einer unter ihnen, der die Kunst
verstand, bei bloßer Wechselrede Men‐
schen in magischen Schlaf zu bannen.
Dieser ging voran zu des Grabes Wäch‐
tern, und da er wie ein Großer der
Römer gekleidet war, so gaben die Wäch‐
ter ehrfurchtsvoll Antwort seinen Fragen,
bis ihre Zungen nur noch lallen konnten
und sie zuletzt in tiefen Traumschlaf
niedersanken.
Nun war die Zeit gekommen, die anderen
Brüder, die in der Nähe harrten, herbei‐
zurufen.
Mit einiger Mühe öffnete man das Grab
und nahm den Leichnam sorglichst her‐
aus. Dann legte man ihn, umbunden mit
seinen Leichenbinden, auf zwei lange
Tücher, die man mitgebracht hatte, so daß
er gleichsam auf dem einen saß, indes
das andere den Oberkörper hielt.
In monderhellter Nacht trug man sogleich
die geliebte schwere Bürde mit vieler
Mühe weit hinauf in das Gebirge, bis
zu einer Felsenschlucht, die man schon
vorher ausersehen hatte ‒ allwo ein
Scheiterhaufen tags zuvor bereitet
worden war und zwei der hohen Brüder
harrten.
Es waren aber diese Brüder vornehme
Männer aus fremdem Stamme ‒ einst
weit her vom Osten gekommen ‒, und
nach ihres Stammes Weise wurde der
teure Leichnam nun hier verbrannt,
wo man gesichert war vor jeglicher Stö‐
rung. Das Licht des Mondes dämpfte zu‐
dem jeden Feuerschein, und weit und
breit war dazumal in jener Wüstenei kein
Mensch gesiedelt, so daß man auch ein
Feuer nicht beachtet hätte, wäre nicht die
Schlucht schon Schutz genug gewesen, es
vor Entdeckung in der Weite ringsherum
zu hüten.
Als dann im lichten Frührot die Glut
erlosch, sammelten sorglich die hohen
Brüder jeden Überrest, der noch ver‐
blieben war, und trugen ihn, in Tücher
eingehüllt, auf langer Wanderung dem
Jordan zu, um dort das Letzte, das noch
von des Meisters irdischer Erscheinung
stammte, in dieses Flusses Fluten zu ver‐
senken, so wie es in ihrem Stamme Brauch
und Sitte war.
Sie blieben darauf, zurückgekehrt, noch
geraume Zeit an ihren verborgenen Orten
im Gebirge und suchten von dort aus
dann und wann die Schüler des Meisters
auf, die nach seinem Scheiden aus der
Sichtbarkeit noch in seiner
geistigen
Gemeinschaft blieben.
Zwölf Monde später aber verließen sie
dauernd die Gegenden Palästinas, wan‐
derten gen
Osten: ihrer Heimat zu ‒
nahe dem höchsten Gebirge der Welt...
Sie waren
wirklich jene «Könige» aus
Morgenland ‒ die
Priesterkönige
und
königlichen Priester ‒, die
einst den «Stern» des jungen Zimmer‐
manns aus Galiläa «fern im Morgenland
gesehen» hatten und gekommen waren,
ihn zu schulen, bis er seine Sendung
selbst erfassen konnte, auch wenn sie
nicht, wie jene spätere Sage will, schon
zu des
Kindes Wiege knieten, um ihm
ihre Gaben darzubringen. ‒
Die Sage formte nur auf ihre Art, was
einst die Wenigen, die in des Meisters
nächster Nähe waren, durch ihn selbst
erfahren hatten und später denen, die bei
ihnen Lehre suchten, in tief geheimer
Rede anvertrauten.
Sie formte es wohl altem, fernem
Vor‐
bild gleich, und dennoch wahrte sie der
Wahrheit Züge; denn wenn auch
sie‐
ben dieser hohen Brüder einst zu jener
Zeit das öffentliche Wirken ihres neuen
Bruders aus der Nähe sahen, so waren
doch nur
drei von ihnen seine eigent‐
lichen
Lehrer ‒ und
drei der Leuch‐
tenden sind jeweils nötig, soll ein
neuer
Ring der goldenen Kette ein‐
geschmiedet werden, die von den
ersten Tagen dieser Menschheit an sich
stets erneuern muß in jedem Menschen‐
alter. ‒
Der Schreiber jener alten Kunde, die
man das «
Evangelium Johannis»
nennt,
wußte von allen diesen Dingen
und redete zu Menschen, die aus ge‐
heimer Lehre vieles davon kannten.
Das Wissen um des Meisters hohe
Lehre
setzt seine Sendschrift schon
voraus,
und wenn die Lehre auch den
Wissen‐
den aus manchem Wort entgegenleuch‐
tet, so war sie doch den
Außenstehen‐
den noch immer dicht genug verhüllt.
Verhüllung aber forderte das geistige
Gesetz zu jener Zeit.
Doch auch in des
Geistes Wirken gibt
es der
Ebbe Zeiten und Zeiten der
Flut:
‒ Zeiten der
Verhüllung und der
Offenbarung.
So ist es denn heute möglich, da zu
reden, wo man vordem
schweigen
mußte.
Doch ist auch
heute keine Gefahr, daß
etwa
Unberufene dem stillen Tem‐
pel göttlicher Verborgenheit sich nahen
könnten.
Die den Weg zu
finden wissen, der zu
diesem Tempel führt, werden stets nur
die Erwählten sein, die aus
reinster
Herzensinbrunst suchen, bis ihnen
die ersehnte
Führung wird
im eige‐
nen «
Ich».
Geheimnisvoll Verborgenes wird ihnen
sich enthüllen; doch was auch immer
noch im Laufe der Jahrtausende sich
dieser Menschheit
offenbaren mag,
wird stets weit tieferes
Geheimnis in
der Ferne zeigen, und
niemals wird die
Gottheit sich dem Erdenmenschen als
Gegenstand
begrifflichen Erfas‐
sens überlassen. ‒
Nur
Bild und
Gleichnis dürfen von
der letzten Wahrheit Kunde bringen!
Wer aber solche Wahrheit nicht mehr
außen sucht; wer da erkannt hat, daß
sie nur im
Innersten des
Innern
Menschen faßbar werden kann «
von
Angesicht zu Angesicht», dem
zeigen Bild und Gleichnis
Weg und
Weise, in das Innerste des Innern zu
gelangen.
Dort kann ihm, ist er ein Berufener,
noch vieles sich eröffnen, was ich hier,
und so vor
jedem Menschenohr,
ver‐
schweigen muß: ‒ sei es, daß Men‐
schenwort die Weite dessen nicht um‐
spannt, was hier zu sagen wäre, sei es, daß
solches Wissen keinem nützen würde, der
es nicht aus dem
Innersten erlangt,
wo es allein
für ihn erfaßbar werden
kann. ‒
Was ich zu sagen habe, ist mir selbst
genau umrissen.
Ich kann nur darzustellen suchen, was
mir darzustellen
aufgetragen ist, da‐
mit das
Licht erneut die Finsternis
durchdringe.
Es sind in diesen Tagen allerorten
viele,
die nach Licht verlangen ‒
weit mehr
als je zu einer früheren Zeit ‒,
und heute ist geschriebenes Wort, das
sie allein mit Sicherheit erreichen kann,
längst nicht mehr in Gefahr, durch
Ab‐
schrift umgeformt und so
gefälscht
zu werden.
Wohl ihnen allen, wenn mein Wort zu
ihren
Herzen findet und sie der
Fin‐
sternis entreißt, damit sie auf den
Weg gelangen, den höchste Liebe
schuf, und so zur Auferstehung
in sich selbst! ‒
*
DER ALTEN Sendschrift erste
Formung wiederherzustellen,
ist auch dem Schauenden un‐
möglich, dem sich dagegen der ursprüng‐
liche Inhalt zeigt in geistigem Erschauen
seiner urgegebenen Bedeutung und
keineswegs etwa in Worten jener alten
Sprache, in denen ihn die Urschrift
dargeboten hatte. ‒ Geistiges Erschauen,
das nur bei wachen, ‒ ja fast überwachen
Sinnen erreichbar ist, erfordert von dem
Schauenden, der noch an die Gesetze
dieser Erde durch die irdische Erschei‐
nungsform gebunden ist, so unerhörte
Kräfte, um die Einstellung auf das
Erschaubare auch festzuhalten, daß über‐
dies hier auch der Wert des Resultats in
keinerlei Verhältnis stehen würde zu dem
Aufwand, den die Erreichung dieses Re‐
sultats verlangte, wenn man der ganzen
Urschrift ursprünglichen
Sinn in lük‐
kenloser Folge wiedergeben wollte. Die
Wenigen allein, die solches Schauen aus
Erfahrung kennen ‒ und nur den
noch im Erdenkleide hier auf dieser Erde
Wirkenden der «
Leuchtenden des
Urlichts» ist ein solches Schauen mög‐
lich ‒, wissen um die Kraftausgabe lan‐
ger Jahre, die da Vorbedingung ist, um
in des
eigenen Erlebens Helle zu er‐
blicken, was ein Menschengeist der Vor‐
zeit in sich trug, als er sein Werk zu for‐
men suchte.
Was so erschaut wird im
Erleben
‒ nicht etwa
von außen her ‒, muß
dann erst
neue Formung finden in den
Worten dessen, der es schaut, um so in
seiner eigenen Redeweise des
ersten
Formers
wahre Meinung aufzuzeigen,
in einer Wortform, die den Menschen
seiner Tage sich erschließen kann, selbst
wenn er dabei keineswegs darauf ver‐
zichtet, sich auch der Worte zu bedienen,
die er in den Textfragmenten noch er‐
halten sieht in ursprünglicher Ge‐
staltung.
Es würden jene, die «das Wort der
Schrift» für «göttlich» halten, nur
frevelhafte «Schriftverfälschung»
wittern, und jene anderen, die ohnedies
aus eigener Erforschung wissen, wie es
in Wahrheit um die «Göttlich‐
keit» des alten, arg entstellten Textes
steht, würden gleichwohl eine neue
Wiedergabe, die sich, ohne äußeren «Be‐
weis» für ihre Findungen, als Resultat
des geistigen Schauens zu beken‐
nen hätte, bestenfalls als Träumerei be‐
werten. ‒
Ich werde dennoch ‒ wenn auch nur im
Bruchstück ‒ manches aus dem alten
Texte hier in diesem Buche wiedergeben
müssen und werde es hier wiedergeben,
so wie es sich dem Schauenden dem
Sinne nach enthüllt. Es sei mir aber
ferne, frommen Glauben anzutasten,
der den arglos Gläubigen beglückt und
ihn ‒ ist er es wert ‒ auch in der wun‐
derlichsten Form zur Wahrheit füh‐
ren kann.
Gleich ferne liegt mir die törichte Ab‐
sicht, was ich in diesem Buche bringe,
der gelehrten Forschung zu emp‐
fehlen, obwohl ich in mir selber gute
Gründe finde, um hier auszusprechen,
daß sicherlich noch manche alte Hand‐
schrift ihres Finders harren dürfte, aus
der sich meiner Wiedergaben Richtigkeit
dereinst erweisen lassen wird...
Hier sei zuerst nun aufgezeigt, wie jene
Glaubenseiferer des neuen Kultes, denen
einst die alte Sendschrift in die
Hände fiel, mit ihrem Texte skrupellos zu
schalten wußten.
Der unbekannte Verfasser dieser Send‐
schrift hatte einst ‒ dem Sinne nach
‒ geschrieben:
«IM ANFANG IST DAS WORT, UND
DAS WORT IST IN GOTT, UND GOTT
IST DAS WORT.
ALLES HAT DASEIN NUR IN IHM,
UND AUSSER IHM IST NICHTS
IM DASEIN: AUCH DAS GERINGSTE
NICHT. IN IHM HAT ALLES LEBEN,
UND SEIN LEBEN IST DER MEN‐
SCHEN LICHT.
DAS LICHT LEUCHTET IN DER
FINSTERNIS, UND DIE FINSTERNIS
KANN ES NICHT AUSLÖSCHEN.
ES IST IN DER WELT, UND DIE WELT
IST AUS IHM GEWORDEN; ABER
DIE WELT ERKENNT ES NICHT.
ES IST IN SEINEM EIGENEN; ABER
DIE IHM EIGEN SIND, NEHMEN
ES NICHT AUF.
ALLEN ABER, DIE ES AUFNEH‐
MEN, GIBT ES MACHT, GOTT‐
GEZEUGTE ZU WERDEN: DIE
NICHT GEZEUGT WERDEN AUS
DEM BLUTE, NICHT AUS DES
WEIBES WILLEN, NICHT AUS
DES MANNES WILLEN, SONDERN
AUS GOTT GEZEUGT, AUS DER
FÜLLE DER GNADE UND WAHR‐
HEIT.»
Hier war einst der Zusammenhang durch
nichts anderes unterbrochen, und es
war lediglich Absicht des Verfassers,
durch diese Worte, die sich im engsten
Anschluß an die damals verbreitete Lehre
vom «Logos» hielten, den Getreuen, an
die seine Sendschrift gerichtet war, einen
deutlichen Hinweis zu geben, in welchem
Sinne er das nun Folgende aufgefaßt
wissen wollte.
Und dann erst begann er die Erzählung
von dem Täufer, die er bereits in den
alten Schriften vorgefunden hatte, auf
seine Weise zu verwerten, da er nicht nur
zu den Jüngern des Täufers, die
zu jener Zeit noch zu finden waren, sich
im Gegensatze wußte, sondern auch
den Seinen zeigen wollte, daß weder die
strenge Askese, die der Täufer als ein
Abgesandter einer mystischen Sekte einst
gepredigt hatte, das Heil gewähre, noch
die Wassertaufe des neuen Kultes,
der sich nach dem hohen Meister
nannte. Daneben aber wollte er dem Irr‐
tum wehren, als sei der hohe Meister ‒
wie es ältere Sage wollte ‒ erst des Täu‐
fers
Schüler gewesen, bevor er selbst
zu lehren begann.
Darum läßt er des
Täufers Jünger die‐
sen verlassen, als er selbst bekennen muß,
daß er zwar mit
Wasser taufe, jener
Jehoschuah aber mit
Geist zu taufen
wisse.
Dies nun sagten ‒ dem
Sinne nach
‒ die ursprünglichen Worte:
«ES WAR EIN MENSCH, DER NANNTE
SICH
JEHOCHANAN.
UND DIES IST ZU BETHANIA GE‐
SCHEHEN, JENSEITS DES JORDANS,
WO JEHOCHANAN TAUFTE.
JEHOCHANAN SPRACH:
ICH TAUFE MIT
WASSER; ABER
ES IST EINER IN EURER MITTE UND
IHR KENNT IHN NICHT: DER WIRD
TAUFEN MIT GEIST!
NICHT WERT FÜHLE ICH MICH, IHM
AUCH NUR DIE RIEMEN SEINER
SANDALEN ZU LÖSEN.
EINES ANDERN TAGES ABER STAND
JEHOCHANAN DA MIT ZWEIEN SEI‐
NER JÜNGER.
UND ALS ER DEN JEHOSCHUAH
VORÜBERGEHEN SAH, SPRACH ER;
DIESER IST ES!
ICH KANNTE IHN SELBST NICHT;
ABER DER MICH BEAUFTRAGT HAT,
MIT WASSER ZU TAUFEN, SPRACH
ZU MIR:
WENN DU EINEN SEHEN WIRST, ZU
DEM EIN GEIST HERABKOMMT
UND ER BLEIBET IN IHM: DER IST
ES, DER MIT GEIST ZU TAUFEN
KOMMEN WIRD.
UND JEHOCHANAN BEZEUGTE UND
SPRACH:
ICH SAH EINEN GEIST AUF IHN
SICH NIEDERSENKEN, WIE SICH
EINE TAUBE NIEDERLÄSST, UND
DER GEIST BLIEB IN IHM.
UND DIE ZWEI JÜNGER HÖRTEN
IHN DAS SAGEN UND FOLGTEN DEM
JEHOSCHUAH.»
Läge die
Urschrift heute einem Über‐
setzer vor, so könnte er vielleicht die
Form der Sätze anders wiedergeben,
vermöchte aber keinesfalls zu anderer
Bedeutung zu gelangen.
Es war dem Verfasser der alten Send‐
schrift
keineswegs daran gelegen, daß
sich die Form, in der er die Erzählung
gab, mit den Berichten deckte, die aus
ihr sich die Bestätigung zu schaffen such‐
ten, daß der Täufer in dem Meister den
«Messias» erkannt und bekundet habe.
Es fehlt hier auch vieles, das man an
gleicher Stelle in der heute überlieferten
Textgestaltung findet.
Was hier aber fehlt, ist in dem über‐
lieferten Texte Zutat der gleichen
Gehirne, die den Urtext so zu ändern
wußten, daß des Täufers schon Erwäh‐
nung geschieht in den Worten, die der
ganzen Sendschrift Auftakt bilden.
In mannigfacher Abwandlung suchten sie
den Urtext den ihnen heiligen früheren
Berichten anzugleichen.
Was in der ersten Zeit des neuen Kultes
«Abschrift» hieß, war nichts als Para‐
phrase, und jeder Schreiber, der aufs
neue Abschrift nahm, hielt es für durch‐
aus gut und richtig, den Text so zu ver‐
ändern, daß er seiner eigenen Glau‐
bensmeinung Stütze wurde.
Auf solche Weise ist der Text der ganzen
Sendschrift oftmals umgestaltet worden,
bevor der Text entstand, der aller über‐
lieferten Gestaltung nun zugrunde liegt.
Man kann bedauern, daß die Urschrift
nicht erhalten ist; allein, man darf
nicht ‒ durch seine Wünsche bestimmt
‒ das heute Überlieferte nach Möglich‐
keit zu retten suchen, sondern muß sich
klar darüber werden, daß weit mehr
davon Veränderung und Zutat ist,
als das Erhaltene ausmacht, was noch
originale Züge trägt. ‒ ‒
Nur wer die Lehre in sich aufgenommen
haben wird, die einst der hohe Meister
den Getreuen gab und die noch in dem
kleinen Kreis lebendig war, an den der
Urschrifttext dereinst erging, der wird mit
aller Sicherheit erfühlen, was noch
Ur‐
schriftprägung trägt und was da
fromme
Fälschung ist.
Solange sich nicht wohlverwahrte alte
Texte finden lassen, die der Urschrift
immerhin noch
näher stehen als das
heute Überlieferte, wird dies der
einzige Weg sein, hier zur
Klarheit zu gelangen.
*
DES hohen Meisters
reine Lehre,
die er allein nur den Ge‐
treuen gab, reicht wahrlich
weiter als die Lehren
ethischer Natur,
die er
vor allem Volke sprach, und
als jene, die man später aus der «Heid‐
nischen» Weisen Schriften nahm, um sie
in des hohen Meisters Mund zu legen. ‒
Es war diese reine Lehre nicht seines
Denkens Frucht, und nicht in frommer
Verzückung der
Ekstase hatte er sie
erlangt.
Was er zu geben hatte an die wenigen
Getreuen, die «
das Geheimnis des
Reiches Gottes» erfassen sollten,
stammte aus dem Weisheitsgut der gei‐
stigen Gemeinschaft, der er zugehörte.
Uraltes,
heiliges Wissen: ‒ jedem
derer, die es hier in diesem Erdenleben,
als der geistigen Gemeinschaft Glieder,
in sich selbst erlangen, nur in
wache‐
stem Erleben faßbar ‒ formte er auf
seine Weise und in
seiner Sprache, so
wie da
jeder der «
durch Selbstver‐
wandlung Wissenden» stets nur die
gleiche
Wahrheit künden kann, in Bil‐
dern und in einer Sprache, die ihm selbst
zu eigen wurden, auch wenn in solcher
Sprache und in solchen Bildern manches
wiederkehren mag, das alter Prägung ist.
So wußte er die Schüler, die ihm folgen
konnten, einzuführen in das Innerste des
Seins und ihnen eine Vorstellung von
Gott zu übermitteln, die sehr wesentlich
sich von der öffentlichen Priesterlehre
unterschied.
Er sprach zu Menschen, die aus keiner
hohen Schule kamen und denen es ge‐
nügte, wenn er ihnen von dem
Urlicht,
das sich selbst als
Urwort spricht, zu
sagen wußte:
«
GOTT IST
GEIST, UND DIE IHN
ANBETEN: IM
GEISTE MÜSSEN SIE
DIE WAHRHEIT ANBETEN.»
Was er den Getreuen aber unermüdlich
zu zeigen sich mühte, war der
Weg, um
in das
Reich des Geistes zu ge‐
langen, in dem «viele Wohnstätten»
sind ‒ vielerlei Möglichkeiten des Er‐
lebens ‒ je nach der Höhe der An‐
schauungsweise, zu der sich des Menschen
Geistiges, ist es einmal erweckt, zu er‐
heben vermag.
Nicht immer ist es im gleichen
Sinne zu
verstehen, wenn der Meister vom «Reiche
Gottes» spricht!
Wohl sagt er, daß das Reich der Him‐
mel im Menschen sei; allein, er weiß
auch zu sagen, daß keiner das Reich
Gottes «sehen» könne, der nicht «von
neuem geboren» werde. Hier wird
Verwirrung nur vermieden, wenn man
weiß, daß einmal nur von der Art des
Menschengeistes gesprochen wird, der
latent die Erlebnismöglichkeit in
sich enthält, durch die ihm das Reich des
Geistes Gewißheit werden kann, doch
ohne die Fähigkeit, sich in den höchsten
Regionen geistiger Welten bewußt wie
hier im Erdenleben und noch wäh‐
rend dieses Erdenlebens zu empfinden
‒ und ein andermal von dem höch‐
sten Ziele des Menschengeistes: daß er
nach diesem Erdenleben und vielleicht
erst nach einer langen Vorbereitung in
der geistigen Welt eine neue Lebens‐
form erlange, in der er erst sich selbst
im
Innersten des geistigen Reiches
be‐
wußt und wirkend erleben kann. ‒
Es sind hier
verschiedene aufein‐
anderfolgende
Zustände im Auge zu
behalten.
Der erste ist die
Erweckung des Men‐
schengeistes aus seinem Schlafe im Men‐
schentiere, wodurch er, aus der Nacht der
Nichterkenntnis erwachend,
ahnend
erfühlt, daß er
nicht von dieser
Erde ist: daß er aus einem Lebensreiche
stammt, in dem das Leben
anderer Ge‐
setze Formung ist als hier in dieser
ir‐
dischen Erscheinungswelt. ‒ Hieraus
ergibt sich als zweites dann das Entgegen‐
streben, dem
Urlicht zu, aus dem
durch des Geistes hierarchisch geordnetes
Leben stufenweise weitergeleitet, letzten
Ursprungs das Leben des Menschengeistes
in ewigem Sein sich findet.
Diesem Entgegenstreben aber kann noch
während dieses Erdendaseins Erfül‐
lung werden, indem ein «Geistes‐
funke», ein Strahl aus dem Urlicht
‒ durch alle hierarchischen Stufen gei‐
stigen Lebens herabgeleitet ‒, im Men‐
schengeiste und aus dieses Menschen‐
geistes Kräften einen geistigen Orga‐
nismus schafft, durch den sich der
Menschengeist vereinigt findet mit
diesem göttlichen «Geistesfunken» oder
«Strahl» des Urlichts, den er erkennt
als seinen «lebendigen Gott».
Nun ist ihm sicherste Gewißheit ge‐
worden, was vorher nur ahnendes Er‐
fühlen war: ‒ er ist sich seines Lebens
im Geiste und aus dem Geiste be‐
wußt!
Noch aber ist er keineswegs fähig,
auch jenes hohe Geistesreich bewußt
und handelnd betreten zu können,
aus dem er einst sich selbst durch seine
Willensneigung löste in jenem «Fall»
aus hohem Leuchten, der ihn an diese
irdische Erscheinungswelt verhaftet
hat. ‒
Hierzu ist anderes vonnöten; und wenn
er auch der Erde irdische Gestaltung
einstens nicht mehr trägt und sich in
Geistesform nach seines Körpers Erden‐
tod bewußt und lebend findet in den
niederen Regionen geistigen Lebens, so
bleibt ihm dennoch jenes höchste,
innerste der geistigen Erscheinungs‐
reiche ‒ «das Reich Gottes» im höch‐
sten Sinne ‒ so lange verschlossen, bis
er in ihm «aufs neue geboren» wird:
aus geistigem Samen neu gezeugt ‒
aus den Urwassern des
Lebens im
Geiste.
«
Geburt» in
irdische Erscheinungs‐
welt ist die Frucht der Weiterzeugung
tierischen Lebens und ermöglicht
allein Bewußtsein und Handeln in die‐
ser
irdischen Erscheinungswelt.
Wer nicht in sie
geboren wird, kann
anders nicht in sie hineingelangen: ‒ sie
ist ihm nicht erschlossen, auch wenn er
um sie wüßte.
So auch kann in keine der
geistigen
Erscheinungswelten ‒ und alles, was im
Reiche des Geistes lebt, ist sich nur er‐
faßbar als geistige
Erscheinung ‒
ein Menschengeist hineingelangen, er sei
denn
hineingeboren.
Ursprü
nglich ist nun der Menschengeist
in jenes innerste «Reich Gottes», aus
Gott gezeugt, von Ewigkeit her «geboren»,
ließ aber den geistigen, gottgebore‐
nen Organismus ‒ in diesem Bilde ge‐
sprochen ‒ im innersten Reiche des
Geistes zurück, allwo er wieder der Kraft
der Gottheit sich verschmolz, so daß eine
individuelle «Wiedergeburt» erfol‐
gen muß, soll sich der Menschengeist in
jenem «Reiche Gottes» einst be‐
wußt und handelnd finden können.
Vorher ist der Menschengeist, auch bei
höchster Entfaltung durch das Erden‐
leben, nur seiner selbst und seines
lebendigen Gottes bewußt und fin‐
det sich nach dem «Tode» des Erden‐
körpers nur in jenen niederen geisti‐
gen Welten, deren Organismus ihm
keimhaft erhalten blieb, auch nach
seinem Falle in tierische Erscheinungs‐
welt ‒ als einzige geistige Daseinsform,
die er hier noch besitzt und zu entfalten
vermag durch seine Haltung im Erden‐
leben. Von diesem höchsten und letzten
Ziele allein aber läßt der Verfasser der
alten Sendschrift den Meister sprechen:
«WENN EINER NICHT WIEDERGE‐
BOREN WIRD AUS DEM WASSER IM
GEISTE ‒ AUS GEISTIGEM SA‐
MEN ‒, SO KANN ER IN DAS REICH
GOTTES NICHT EINGEHEN.»
Und zur Bekräftigung und Verdeut‐
lichung läßt er den Meister weiter sagen:
«WAS AUS DEM FLEISCHE GE‐
BOREN IST, DAS IST FLEISCH; UND
WAS AUS DEM GEISTE GEBOREN
IST, DAS IST GEIST.»
Damit nur ja kein Zweifel sei, daß hier
die Erzeugung eines wirklichen Or‐
ganismus erfolge, wie aus dem Fleische,
so aus dem Geist...
Die einzigen Menschen auf dieser Erde
aber, denen schon
während ihres
Erdenlebens diese «Neugeburt» im Geiste
ward und die daher,
zugleich mit ihrer
Erlebnisfähigkeit in
irdischer Erschei‐
nungswelt, bewußt im innersten Reiche
des
Geistes leben und handeln, sind
des Urlichtes Leuchtende, deren
der hohe Meister aus Nazareth einer war.
‒ Nur ein solcher vermag in Wahrheit
von sich und seinen Brüdern zu sagen:
«WIR REDEN, WAS WIR
WISSEN,
UND WAS WIR
GESEHEN HABEN,
BEKUNDEN WIR.»
Oder auch jenes andere, später einer hin‐
zugekommenen Erzählung eingefügte und
dort kaum mehr kennbare Wort:
«
IHR BETET AN, WAS IHR
NICHT
WISSET,
WIR ABER
WISSEN, WAS
WIR ANBETEN.»
Dem hohen Meister gleich, muß
jeder
der im
Urlicht Leuchtenden be‐
kunden:
«ICH UND DER VATER SIND
EINES.
WER
MICH SIEHT, DER SIEHT
AUCH DEN
VATER.»
Denn eine
andere Selbstdarstellung
hat
der «Vater» im Urwort
nicht auf dieser
Erde, als den
Leuchtenden des Ur‐
lichts, den er sich als Selbstdarstellung
bereitet hat und dem er, noch während
der Leuchtende in
irdischer Erschei‐
nung lebt, die
Geistesform aus sich
erzeugte, die ihn bewußt werden ließ in
geistiger Erscheinungswelt, ohne ihn
dieser Erdenwelt zu entziehen. ‒
Er ist wahrhaftig des «
Vaters» im
Urwort «eingeborener
Sohn» gewor‐
den! ‒ ‒ ‒
Aus seinem bewußten Selbsterleben als
geistiger «Sohn» des ewigen, geistigen «Va‐
ters» im Urwort: ‒ aus seinem Bewußt‐
sein in
geistiger Erscheinungswelt ‒
kündet der hohe Meister die reine Lehre.
«WOHL
KENNT IHR MICH UND
WISSET UM MEINE
HERKUNFT;
ABER NICHT
VON MIR SELBST
BIN ICH GEKOMMEN ‒ NICHT WAS
ICH
IRDISCHER HERKUNFT NACH
BIN, BERECHTIGT MICH ZUR LEHRE
UND LÄSST MICH SOLCHERART ZU
EUCH REDEN ‒, SONDERN ES
SANDTE MICH EIN
WAHRHAF‐
TIGER, EINER, DEN IHR NICHT
KENNT.»
«WENN ICH AUCH
VON MIR SEL‐
BER ZEUGNIS GEBE, SO IST DOCH
MEIN ZEUGNIS
WAHR, WEIL ICH
WEISS, WOHER ICH KAM UND WO‐
HIN ICH GEHE.»
«JA, DER MICH GESANDT HAT, IST
MIT MIR, UND ER LÄSST MICH
NICHT ALLEIN, DA ICH ALLEZEIT
TUE, WAS IHM WOHLGEFÄLLT.»
Und in der unwiderlegbarsten Gewiß‐
heit, daß er in seiner Umgebung der
Einzige ist, der da weiß, was nötig ist,
damit der Erdenmensch sich einst «an
seinem Letzten Tage» in dieser Erschei‐
nungswelt bereitet finde zu ewiger «Ge‐
burt» in
geistiger Erscheinungswelt,
spricht er das gewaltige Wort:
«ICH BIN DER
WEG, DIE
WAHR‐
HEIT UND DAS
LEBEN. NIEMAND
KOMMT ZUM
VATER AUSSER
DURCH
MICH!»
Denn das
Geistgezeugte, das er den
«
Sohn» nennt und als das er
sich
selbst erlebt als
Leuchtender des
Urlichts, ist für
allen Menschengeist
das
Gleiche, und
in ihm allein
wird dem Menschengeiste
unvergäng‐
liches Leben in der
Geisteswelt.
Dieses Leben erlebt er selbst, und von
ihm kann er künden:
«WAS MIR MEIN VATER GEGEBEN
HAT, IST GRÖSSER ALS ALLES, UND
NIEMAND KANN ES DER HAND MEI‐
NES VATERS ENTREISSEN.»
Aber
nicht für sich selbst allein
will er im unvergänglichen
Leben sein,
und so spricht er das Wort:
«WER AN
MICH GLAUBT, DER
GLAUBT NICHT
MIR, SONDERN
DEM,
DER MICH GESANDT HAT.
ICH BIN ALS
LICHT IN DIE WELT
GEKOMMEN, DAMIT JEDER, DER AN
MICH GLAUBT,
NICHT IN DER
FINSTERNIS BLEIBE.
DENN ICH HABE
NICHT VON MIR
SELBST GEREDET, SONDERN DER
VATER, DER MICH SANDTE,
DER
HAT MIR DAS
GEBOT GEGEBEN,
WAS ICH REDEN UND LEHREN SOLL.
UND ICH
WEISS, DASS SEIN GEBOT
AUS EWIGEM
LEBEN KOMMT.
DARUM,
WAS ICH REDE, REDE ICH
SO, WIE ES MIR DER VATER
GE‐
SAGT HAT.»
Wie aber im Leuchtenden des Urlichts
bereits in dieser Zeit des Erdenlebens der
«
Vater» im «
Sohne» zur
Selbst‐
darstellung kommt, ‒
wie der Leuch‐
tende
selbst sich erlebt als «
Sohn»
des ewigen «
Vaters», des höchsten
geistigen Oberhauptes aller Leuchtenden
auf Erden,
aus dem und
in dem ein
jedes Glied dieser geistigen Gemeinschaft
lebt in absoluter
Vereinigung, so wird
auch durch ihn nur der «
Vater», der
urgezeugte
Mensch der Ewigkeit im
Urwort, erkannt in
erdenmensch‐
licher Offenbarung. ‒ ‒
«WIE DER VATER
LEBEN AUS
SICH SELBER HAT, SO HAT ER
AUCH DEM SOHNE
LEBEN AUS
SICH SELBST GEGEBEN.»
Aber gleichwie Moses in der Wüste die
eherne Schlange aufgerichtet hatte, damit
jeder, der im Glauben zu ihr aufsehe,
genesen sollte, so muß auch im Menschen
dieser Erde das Bild des «Menschen‐
sohnes», des Leuchtenden, «erhöhet»
werden über alles andere, in gläubigem
Bewußtsein der Wahrheit, daß es das
Urlicht selbst ist, das in seiner Selbst‐
aussprache als das Urwort den ewigen,
urgezeugten Menschen des Geistes
«spricht», der ewiglich in seiner Licht‐
gezeugtheit im Urwort verharrt und
«Vater» wird den Leuchtenden, damit
durch sie der Menschengeist auf dieser
Erde wieder Kunde empfange von seiner
Urheimat und von dem Wege, der zu ihr
zurückführt. ‒
«GLEICHWIE MOSES DIE SCHLAN‐
GE IN DER WÜSTE ERHÖHTE, SO
MUSS DER MENSCHENSOHN
‒ DER KÜNDER AUS DEM REICHE
DES GEISTES ‒ UND DIE KUNDE,
DIE ER BRINGT, ERHÖHET WER‐
DEN, DAMIT ALLE, DIE AN IHN
GLAUBEN, NICHT VERLORENGEHEN
‒ IN ÄONENLANGER NACHT DER
NICHTERKENNTNIS ‒, SONDERN
DAS LEBEN HABEN.»
Und nochmals, um zu zeigen, daß nur
dem
Bestätigung wird, der so den
Leuchtenden des Urlichts
vertraut, wie
jene der wundertätigen Schlange des
Moses
vertrauen mußten, die genesen
wollten, läßt der Verfasser der alten
Sendschrift den Meister sprechen:
«WENN IHR DEN MENSCHENSOHN
WERDET
ERHÖHET HABEN,
DANN
WERDET IHR ERKENNEN, DASS ICH
ES
BIN UND DASS ICH
NICHTS
WIRKE
AUS MIR SELBST ‒
ALS ERDENMENSCH, NACH MEINER
MENSCHLICHEN WILLKÜR ‒, SON‐
DERN REDE, WAS MEIN VATER
MICH GELEHRET HAT.»
Immer wieder wird betont, daß der
Leuchtende des Urlichts, in dem
die höchste geistige Erlebnisfähigkeit
in einem Menschen dieser Erde auf der
Erde Bekundung findet ‒ der die
höchste Geistigkeit dem Tiere zu
vereinen weiß ‒, nicht seine eigene
erdenmenschliche Weisheit lehrt,
sondern aus der Fülle des Erkennens
spricht, das ihm der «Vater» offenbart.
«MEINE LEHRE IST NICHT MEIN,
SONDERN VON DEM, DER MICH
SANDTE. WILL EINER NACH DES‐
SEN WILLEN TUN, SO WIRD ER
INNEWERDEN, OB DIESE LEHRE
AUS GOTT IST ODER OB ICH AUS
MIR SELBER GEREDET HABE.»
Als
Bedingung jeglicher
Bestäti‐
gung der Lehre des Leuchtenden wird
somit gesetzt, daß der Schüler nicht nur
die unermeßliche Bedeutung erkenne, die
der Tatsache innewohnt, daß ein sterb‐
licher Mensch vom innersten
Reiche
des Geistes Kunde bringen kann, son‐
dern daß er auch nach den Gesetzen des
Geistes
handelt, von denen der Leuch‐
tende nur nach dem «
Willen» seines
«
Vaters» und im
Einklang mit ihm
zu künden kommt. ‒
Doch nicht auf diese äußere Erschei‐
nungswelt der
physischen Sinne allein
beschränkt sich das Wirken des Leuch‐
tenden.
Er wirkt ebenso im innersten
Reiche
des Geistes ‒ im
Reiche der Ur‐
sachen ‒ wie auf dieser Erde, wie auch
in jenen niederen geistigen Welten,
die der Menschengeist betritt, wenn er
diese Erde verläßt, und von diesem
Wirken kündet er mit den Worten:
«ES KOMMT DIE STUNDE, UND
SCHON IST SIE GEKOMMEN, DA DIE
TOTEN (DURCH MICH) DIE STIMME
DES SOHNES HÖREN WERDEN,
UND DIE SIE HÖREN, WERDEN
LEBEN ‒ DENN SIE KANN DER
LEUCHTENDE AUFERWECKEN:
‒ KANN SIE BEREITEN ZU DER
NEUGEBURT IM GEISTE, DIE DER
VATER WIRKT.»
Doch daß man auch nicht glaube, daß er
als «Sohn» des Vaters etwa frei nach
Willkür schalte, weiß er zu sagen:
«DER SOHN KANN NICHTS AUS
SICH SELBER TUN, WENN ER ES
NICHT TUN SIEHT DEN VATER;
DENN ALLES, WAS
DIESER TUT:
AUF
GLEICHE WEISE TUT ES
AUCH DER SOHN.
NIEMAND KANN ZU MIR KOMMEN,
WENN DER
VATER, DER MICH GE‐
SANDT HAT, IHN NICHT ZU MIR
ZIEHT, DAMIT ICH IHN AUFER‐
WECKE AN SEINEM LETZTEN TAGE.»
Aber
keinem Menschengeiste kann im
Reiche des Geistes das dauernde
Leben
werden, wenn er nicht
glaubt, daß er
dieses Leben finden wird. ‒
Und von diesem
Glauben allein, der
ein selbstgewisses
Vertrauen sein muß,
hatte der Meister einst gesprochen im
Hinblick auf seine Lehre, die
alle Ge‐
wißheit aus der
Geisteswelt durch
eines
Menschen Mund
auf diese
Erde brachte:
«DIESES ABER IST DAS BROT,
DAS VOM HIMMEL HERAB KAM,
DAMIT, WER DAVON ISST,
NICHT STERBE.»
Es stand dieses Wort einst an der gleichen
Stelle, an der gesagt ist:
«WER AN MICH GLAUBT, AUS
DESSEN LEIBE WERDEN STRÖ‐
ME LEBENDIGEN WASSERS
FLIESSEN. ‒ ER SELBST WIRD
GEISTIGES AUS SICH WEITER‐
ZEUGEN IN DER GEISTIGEN
ERSCHEINUNGSWELT; DENN VOM
'LEIBE' DES GEISTGEBORENEN
IST HIER DIE REDE.»
Und von dem gleichen «Leibe» des
Geistgeborenen wußte der Meister
dort zu sagen, daß dieser «Leib» in
geistiger Erscheinungswelt so «wirk‐
lich» sei wie «Fleisch» und «Blut» in
dieser
irdischen Erscheinungsform, so
daß nur
der im Geiste bewußtes
Leben
haben könne, der dieses
geistigen
Leibes
Eigner geworden sei.
«WENN IHR DAS FLEISCH DES
MEN‐
SCHENSOHNES NICHT
ERLAN‐
GEN WERDET UND
SEIN BLUT
NICHT IN
EUCH SEIN WIRD, SO
WERDET IHR DAS LEBEN NICHT IN
EUCH HABEN.»
Alles, was nun in der heute überliefer‐
ten Gestaltung der Sendschrift an der
Stelle steht, an der das Wort vom
«Brote» sich den Worten vom «Fleisch»
und «Blute» mengt, ist spätere
Umfor‐
mung und wohlerwogene
Zutat.
Man fand das Wort von dem
geistigen
«Leibe» wohlgeeignet, den neuen
Kult
zu stützen, der aus den Kultgepflogen‐
heiten mystischer Glaubensgemeinden
entstanden war, wie sie der Orient in
jenen Zeiten allerorten kannte.
So formte man des Meisters Worte der‐
art um, daß sie von seinem eigenen,
erdenhaften Fleische und Blute zu
handeln schienen und nicht von dem, was
ihm im innersten Reiche des Geistes Trä‐
ger seines
geistigen Bewußtseins war,
wie hier auf Erden Fleisch und Blut sein
irdisches Bewußtsein trug. ‒ ‒
Man wiederholte diese eigene Glaubens‐
meinung in der Abschrift dann in man‐
nigfacher Paraphrase, indem man sie zu‐
gleich den Worten, die vom «Brot vom
Himmel» handelten, in gleicher Para‐
phrasierung eng verband.
Wohl waren später unter denen, die des
neuen Kultes Liturgie und Riten form‐
ten, manche Hocherleuchtete und «Wis‐
sende»; allein, sie hatten allbereits schon
mit Bestehendem zu rechnen und
suchten durch Auslegung umzuwer‐
ten, was sie dem Wesen nach als fremdes
Kultgut eingewurzelt fanden.
Indessen endeten die einen als ausgestos‐
sene «Ketzer», während der ande‐
ren Deutung nur insoweit angenommen
wurde, als es möglich schien, auch ohne
die aus alten Heidenkulten überkomme‐
nen Lehren zu gefährden, denen der Kult‐
kreis seinen mystischen Nimbus dankte.
Doch ist es wahrlich kein «Zufall», daß
selbst der heute erhaltene Text der Send‐
schrift allein nichts weiß von jenen
Worten der drei älteren Berichte, die sie
den Meister bei dem letzten Osterfest‐
mahl sprechen lassen und die des glei‐
chen Kultes Stütze wurden! ‒ ‒
Wie hätte doch gerade der Verfasser, dem
man die falschen Meisterworte von des
Meisters erdenhaftem Fleisch und Blut
zu unterschieben wußte: von seinem
«Fleische», das «wahrhaftig eine Speise»,
und seinem «Blute», das «wahrhaftig ein
Trank» sei, mit
denkbar feierlich‐
ster Bekräftigung jene Worte beim
Ostermahl verzeichnet, wäre
ein einzi‐
ger Ausspruch auch nur
ähnlichen
Sinnes von ihm an der gefälschten Stelle
berichtet worden!
So aber wußte er nur zu gut, daß Vor‐
stellungen alter
Heidenkulte hier ein
neues Leben in des hohen Meisters
Namen sich begründet hatten. ‒ ‒ ‒
Gerade in
diesem Punkte
schied sich
ja das
geistige Erfassen, in dem er lebte
und die Seinen festigen wollte, von der
Lehre und dem äußerlichen Kulte, die
sich um des Meisters Namen rankten und
zu der Zeit, als der Verfasser seine Send‐
schrift schrieb, schon mancherlei Erfolg
verzeichnen konnten, da sie den mysti‐
schen Kultgemeinden, die man allerorten
vorgefunden hatte, in jeder Art des Mei‐
sters Lehre
anzugleichen suchten. ‒
Die ganze alte Sendschrift ist nur zu ver‐
stehen, wenn man weiß, daß sie geschrie‐
ben wurde, um den
Gegensatz zu zei‐
gen, in dem des hohen Meisters
reine
Lehre, die zu jeder Zeit nur Wenige
erfassen konnten, zu der neuen
Glau‐
bensmeinung stand, die mehr und
mehr die Geister fesselte und nicht zum
wenigsten
darum Verbreitung fand, weil
sie das
Neue so dem
Überkomme‐
nen zu einen wußte, daß alles, was die
Zeit an mystischer Lehre bot, in ihr zu
neuer Geltung kam.
Da sich in solche Glaubensmeinung aber
manches Wort des Meisters mischte,
das auch den Schülern des Johannes
heilig war, so wollte der Verfasser die in
seinem kleinen geistigen Kreise Schwan‐
kenden durch seine Sendschrift schüt‐
zen vor der drohenden Gefahr, dem
äußeren Kult anheimzufallen. ‒
Den Zweck, den sie erfüllen sollte, hat
seine Sendschrift aber auf die Dauer
nicht erreicht.
Die letzten Nachfolger der Schüler des
Johannes mußten vor dem neuen äuße‐
ren Kulte weichen und, von dessen Gläu‐
bigen als «Ketzer» angesehen, sich ver‐
bergen, so daß schon kaum ein Menschen‐
alter später keiner mehr zu finden war,
der in der reinen Lehre lebte.
Als dann die alte Sendschrift in die
Hände frommer Glaubenseiferer des
neuen Kultes gekommen war, fand bald
dieser, bald jener Veranlassung, dem
Texte, den man guten Glaubens für
ein Werk des Jüngers Johannes hal‐
ten konnte, all das einzufügen, was ihn
nach Möglichkeit geeignet machte, in den
Versammlungen als Lehrtext verlesen
zu werden.
Die Ehrfurcht vor dem «Wort der
Schrift» hatte in jenen ersten Zeiten
des neuen Glaubens nicht die Bedeu‐
tung, die sie später erlangte.
Weit wichtiger war der Kult des
neuen Erlösergottes und die Verteidi‐
gung der Glaubensmeinung gegenüber
Juden und Heiden.
So wurden unbedenklich Texte verändert,
wie die Bedürfnisse des Kultes es ver‐
langten, der nun den
Formen alter
Mysterienkulte neue
Auslegung
zu geben suchte, und ebenso unbedenk‐
lich änderten Juden- und Heidenchristen,
aus denen der Kultkreis bestand, was
in den Berichten ihnen
bedenklich
schien vor ihren
früheren Glaubens‐
genossen.
Man glaubte immer, auf solche Weise
nur der
Verbreitung des «wahren»
Glaubens zu dienen und letzten Endes
ganz in der
Absicht der alten Ver‐
fasser zu handeln.
Fast bleibt es so ein Wunder, daß
trotz
allem doch noch der Urschrift
Spuren
da und dort erhalten blieben, wenn auch
der
ursprüngliche Sinn sehr vieler
Einzelworte heute in sein
Gegenteil
verkehrt erscheint.
Wer aber tiefer schürft und die Verschüt‐
tung wegzuräumen sucht, kann heute
noch allhier die Fundamente eines alten
Tempels finden, in dem die
reine
Lehre einst
Erfüllung fand, die der
hohe Meister,
als ein Leuchtender
des Urlichts, seinen nächsten
Schülern übermittelt hatte.
*
DER HOHE Meister, der als der
Größte aller Liebenden
über diese Erde schritt, wußte
jederzeit gar wohl, daß er die große
Liebestat, die er dereinst vollbringen
sollte, nur in seiner Todesstunde und
nur im Tode durch Menschen‐
hand vollbringen könne. ‒
So hatte er Zeiten, in denen er sich nach
der Stunde seines Todes sehnte, und
wieder andere Zeiten, in denen er mit
innerem Schauder an sein Ende dachte.
Bald wünschte er seinen Tod herbei, bald
hoffte er, noch lange Zeit zu leben, um
seinen Schülern noch recht lange beizu‐
stehen und ihnen geben zu können, was
sie vorerst «noch nicht tragen» konnten.
Die hohen Brüder, die er aufsucht in
ihrer Einsamkeit, wissen ihm in solchen
Stunden des Schauderns und Entsetzens
nur zu sagen, daß es einem «Sohne» des
«Vaters» im Urwort niemals zieme, nach
dem Kommenden zu fragen...
In solcher Seelenverfassung, sein baldiges
Ende erahnend, ohne zu wissen, wie nahe
es sei, schrieb er aus der Einsamkeit einen
eigenhändigen Brief an seine Getreuen
und übersandte ihn dem Jünger, den er
liebte, weil dieser aus allen ihn am
tiefsten verstand, aus der hellfühlenden
Liebe, die ihn ihm verband.
Durch diesen Jünger sollte der Brief den
Getreuen kundgetan werden.
Aus Niederschriften von des Meisters
eigener Hand stammt
manches Wort,
das der Verfasser der alten Sendschrift
den Meister
reden läßt;
hier aber ist
noch fast der
ganze Brieftext erhal‐
ten, auch wenn er später auseinander‐
gerissen und an erwünschteren Stellen
wieder eingefügt wurde, wie es des neuen
Kultes Glaube verlangte.
In seine
Urschrift hatte einst der Ver‐
fasser der alten Sendschrift den Text
der
Meisterworte solcherart über‐
nommen:
«NOCH EINE GERINGE ZEIT ‒ UND
DIE WELT WIRD MICH NICHT MEHR
SEHEN.
AN JENEM TAGE WERDET IHR MICH
UM NICHTS MEHR
FRAGEN KÖN‐
NEN. DOCH ICH WILL EUCH NICHT
ALS WAISEN ZURÜCKLASSEN.
ICH WERDE DEN
VATER BITTEN,
UND ER WIRD EUCH EINEN
ANDE‐
REN HELFER SENDEN AUS
DEM GEISTE DER WAHRHEIT:
EINEN, DEN DIE WELT
NICHT ER‐
GREIFEN KANN; DENN SIE SIEHT
IHN NICHT UND WEISS NICHTS
VON IHM.
IHR ABER WERDET IHN ERKEN‐
NEN; DENN ER WIRD BEI EUCH
BLEIBEN UND IN EUCH SEIN.
ER WIRD EUCH ALLES LEHREN
UND EUCH AN ALLES ERINNERN,
WAS ICH EUCH SAGTE.
NICHT AUS SICH SELBST WIRD
ER REDEN ‒ SO WIE AUCH ICH
EUCH SAGTE, DASS ICH NICHT
AUS MIR SELBER REDE ‒, SON‐
DERN WAS ER HÖRT, WIRD ER
REDEN UND EUCH KUNDMACHEN.
ER WIRD MICH BESTÄTIGEN;
DENN VON DEM MEINEN WIRD ER
NEHMEN UND ES EUCH VERKÜNDEN.
ALLES, WAS DER VATER HAT, IST
MEIN.
DARUM SAGE ICH: ER WIRD VON
DEM
MEINEN NEHMEN.
WER
IHN AUFNIMMT, DEN ICH
SEN‐
DEN WERDE, DER NIMMT
MICH
AUF, UND WER
MICH AUFNIMMT,
NIMMT
DEN AUF, DER MICH
GE‐
SANDT HAT. AN JENEM TAGE WER‐
DET IHR
ERKENNEN, DASS ICH
IN MEINEM VATER BIN.
EUER HERZ
BETRÜBE SICH
NICHT.
SEID OHNE FURCHT!
ICH HINTERLASSE EUCH IN
FRIE‐
DEN.
MEINEN FRIEDEN GEBE ICH EUCH,
DEN DIE WELT
NICHT GEBEN
KANN.»
Es ist von nichts anderem hier die Rede,
als daß der Leuchtende verspricht, seinen
Schülern nach seinem Erdentode einen
anderen Lehrer zu schicken, und zwar
einen derer aus dem hohen Kreise der
Leuchtenden des Urlichts, die nicht
mehr im Erdenkörper, sondern in gei‐
stiger Gestaltung leben, damit sie unter
seiner geistigen Leitung sich vollenden
könnten und nicht in Sorge sein müßten,
daß er von Menschen ergriffen und seinen
Schülern genommen werden könnte wie
der Meister selbst.
Ausdrücklich sagt er in den gleichen
Worten, daß auch dieser Geisteslehrer,
den sie nur in ihrem Innersten zu
hören fähig seien, gleich ihm «nicht
aus sich selber» rede und ihnen das
Gleiche künde, das sie zuvor aus seinem
eigenen Munde vernommen hätten.
Aus dem Schatz des gleichen alten
Weisheitsgutes, das jeder, der ein «Sohn»
des «Vaters» wurde, aus dem Erken‐
nen des Vaters empfängt, werde er
zu nehmen wissen und dadurch ihn, den
Meister selbst, bestätigen.
War aber der hohe Meister selbst gar
bald nach seinem Tode schon den Gläu‐
bigen des neuen Kultes zum
Gotte ge‐
worden, so mußte auch dieser
geistige
Bruder des Meisters alsbald zum
Gotte
werden. ‒
Man hatte
die
wirkliche «Dreieinheit»
nicht erkannt, die darin allein gesehen
werden muß, daß sich das gestaltlose,
unfaßbare und alles in sich umfassende
Urlicht ‒ das unendliche, unergründ‐
liche, ewige «Meer der Gottheit» ‒ ewig‐
lich selbst als
Einheit im
Urwort
offenbart ‒ das «Wort», das «im An‐
fang» ist, der immer
war und
ist und
sein wird: «Gott» in der Gottheit ‒
und daß das
Urwort aus sich selber
offenbart den «
Menschen der Ewig‐
keit» ‒ den lichtgezeugten
ewigen
Geistesmenschen, der immerdar in
ihm verharrt und weiterzeugend als
«
Vater» alle Geisteshierarchien aus sich
hervorgehen läßt, somit in
Einheit
aller
Vielheit Inbegriff, in sich offen‐
barend sich selbst in den
Zahlen des
Ursprungs, aus denen hervorgeht alle
Unendlichfältigkeit des geistigen
Lebens...
Dieses ewige
Sein des Geistes, gleich‐
zeitig
Selbstoffenbarung des Gei‐
stes und dieser Selbstoffenbarung geistige
Folge:
in Unerfaßbarkeit,
in Einheit,
in Zahl ‒
die wieder
Einheit zeugt
unendlich‐
fältig ‒, ist letzte
Wirklichkeit, mit
welchen Worten man ihr auch Bekun‐
dung geben will; denn mit dem gleichen
Rechte wäre sie auch zu bezeichnen als:
das ewige Unoffenbare,
das ewig sich Offenbarende,
das ewige Offenbarte. ‒
Stets wird aber jedes Wort der Men‐
schensprache nur ein Stammeln bleiben,
soll es des
Geistes Leben künden, das
allein sich in der
Liebe fassen läßt, die
auch den
Menschengeist, der sich der
Liebe einst
entwand, aufs neue seines
ursprünglichen
göttlichen Erlebens
fähig werden läßt. ‒
Der «
Geist der Wahrheit» aber ist
des Urwortes
Leben: ‒ das
Urlicht
selbst in seiner Unerfaßbarkeit ‒, das
sich
als Urwort offenbart und
in dem
alle Geisteshierarchien leben, die gleich‐
sam
Ton und Stimme dieses Urwortes
sind und seine ewig weiterzeugende
Offenbarung in der Geisteswelt des
Ur‐
lichts.
Auch das
niedere geistige Leben, das
dem Menschengeiste noch verblieb nach
seinem Falle aus hohem Leuchten, lebt
nur aus dem gleichen
Geiste der
Wahr‐
heit: dem substantiellen Geiste des ewi‐
gen
Urlichts, von dem der Menschen‐
geist auch schon in diesem Erdendasein
einen «
Strahl» erfassen und in seinem
eigenen «
Ich» erkennen kann als seinen
«
Lebendigen Gott».
Das
Urlicht ist
allein die ewige
Quelle alles
Lebens: das aus sich selber
Seiende!
In sich als
Sein unfaßbar für sich selbst,
«spricht» es sich aus im
Urwort, das
in
ihm allein sein
Leben hat «aus sich
selbst»...
Und weiterzeugend, offenbart sich so das
Urwort in dem
ewigen Geistes‐
menschen, der wieder «aus sich selbst»
das
gleiche Leben nur
im Urlicht
hat und weiterzeugt die Hierarchien aller
Geisteswesenheiten, die alle «aus
sich selbst» das Leben haben, da sie alle
nur des
Urlichts nähere und ferne
Offenbarung durch das
Urwort
sind, das selbst des
Urlichtes erstes,
ewiges Offenbaren ist. ‒ ‒
Die
Liebe aber, die
sich selbst im
anderen liebt, ist aller dieser Urseins‐
offenbarung innerster Impuls. ‒
Wer «
in den Geist» gelangen, wer
bewußt des
Urlichts Leben neu in
sich empfinden will, der trachte vor
allem, daß er stetig «
in der Liebe»
sei! ‒
Ihm wird man öffnen jene enge Pforte,
die zum
Leben führt; denn er weiß
anzuklopfen, er sucht auf
rechte Weise, und sicherlich
wird ihn zu finden wissen
‒ der «Paraklet».
*
SOWEIT ICH in diesem Buche Worte
des überlieferten Textes mei‐
ner Rede verflochten habe, nahm
ich sie nur auf, wenn mir die geistige
Ge‐
wißheit wurde, daß sie dem
Sinn des
Ursprungstextes noch entsprechen,
und wo dies
nicht der Fall war, suchte
ich in
meinen Worten diesem ursprüng‐
lichen
Sinn gerecht zu werden.
Da ich in diesem Buche nur die alte
Sendschrift deute, die als das «
Evan‐
gelium Johannis» gilt, so ließ ich
mit Bedacht die Meisterworte fehlen, die
ich als gutbegründet auch in den drei
früheren Berichten von des Meisters
Erdenleben kenne, obwohl sie dem, was
ich zu sagen hatte, gar oft Bestätigung
gegeben hätten.
Wer aber meinen Worten folgt, der wird
das
Nichtverfälschte in den ande‐
ren Berichten unschwer
selbst heraus‐
zufinden wissen, so wie er auch von Fall
zu Fall die
Gründe bald entdecken
wird, die in der alten Sendschrift, wie
den früheren Berichten,
Einschub und
Überarbeitung veranlaßt haben.
Es ist hier nicht zu leugnen, daß so man‐
ches Wort, das denen, die im Glauben an
die
Göttlichkeit der alten Schriften
aufgewachsen sind, einst lieb und teuer
war und ihnen wohl auch heute noch als
heilig dünkt, nur spätere
Erdichtung
ist.
Soweit sich solche Worte aber irgendwie
als
Wahrheitsträger dartun lassen,
sehe ich noch keinen Grund, sie nun ge‐
ring zu achten oder gar sie zu verwerfen.
Die späteren Bearbeiter der alten Schrif‐
ten waren ‒ will man sie als «
Dich‐
ter» werten ‒ den ursprünglichen
Schreibern oftmals weitaus
überlegen.
Sie fanden manches
Bild und manche
Sagenformung, um die Glaubens‐
meinung, der sie dienten, in die alten
Texte einzuführen, die ihnen die ur‐
sprünglichen Verfasser wahrlich hätten
neiden können. ‒
Doch ist es ein Anderes, ob man
er‐
kennen lernen will, was einst die
Ur‐
schrift bot, oder ob man fromme
Er‐
bauung sucht in eines
Dichters
Worten, der bemüht ist, seinem inbrün‐
stig geliebten Glauben eine Urkunde zu
schaffen.
Da in der alten Sendschrift, die es hier
zu deuten galt, zudem die Urschrift durch
die Dichtung
überwuchert ist und
so ein Dokument Verfälschung fand, das
sich als
einzige Bekundung jener rei‐
nen Lehre, die der hohe Meister nur den
nächsten Schülern gab, der Nachwelt
dargeboten hätte, so war es nur zu sehr
geboten, lediglich der
Urschrift un‐
verfälschten
Inhalt wieder aufzurich‐
ten, soweit der
Text herangezogen wer‐
den mußte.
Durch eine Redeform, die jeden Satz
für
sich bestehen läßt und ihm
fast ab‐
geschlossene Bedeutung gibt, auch
wenn er sich an
anderer Stelle findet
als dort, wo er
zuerst gegeben war, sah
in der ersten Folgezeit sich jede Glau‐
bensmeinung leichthin in der Lage, die
Sätze, die ihr störend waren, dem Zu‐
sammenklang des Textes zu entreißen und
sie nach Willkür dort dann einzufügen,
wo sie ihr vorzüglich dienen mußten.
Wo dann ein Wort zu finden war, das
man nicht gerne lesen mochte, dort schied
man unbedenklich als der «Ketzer» Zu‐
tat aus, was Urschriftprägung war;
und was doch zu gewichtig schien, um
ausgemerzt zu werden, dem gab man
einen Einschub oder einen Zusatz,
der den ursprünglichen Sinn ins
Gegenteil verkehrte.
Auch nahm man nur zu gerne Worte, die
der Meister einst in völlig anderem Zu‐
sammenhang gesprochen hatte, in die
bald nach seinem Tode schon entstan‐
denen Wundersagen auf, um so den
frommen Glauben an die Wundermären
zu befestigen.
Unzähliges ist
entstellt, Unzähliges in
sein
Gegenteil verkehrt, und dennoch
bleibt die Spur der
reinen Lehre noch
erhalten, dennoch leuchtet durch den
ganzen Text die hohe
Liebe, die als
Vermächtnis des Apostels auch in den
fernsten seiner nachgeborenen Schüler
noch erhalten blieb und die auch den
Verfasser zeigt als
Liebenden im Licht
der
reinen Lehre, die er den Seinen,
denen seine Worte galten,
erhalten
wissen wollte ‒
rein, wie er sie selbst
empfangen hatte ‒, unvermischt mit
Glaubensmeinungen, in denen er den Irr‐
tum nur zu deutlich sah. ‒ ‒
Von dem, was sonst noch, dieser alten
Sendschrift gleich, dem
Jünger zu‐
geschrieben wurde, den der Meister
«
liebte», weil er ihn «
in der Liebe»
fand, ist
nichts von jenem Jünger einst
geschrieben worden, und
nichts davon
entstammt der Feder des Verfassers dieser
Sendschrift.
Was man als «
Briefe» des
Jüngers
Johannes betrachtet, enthält gewiß so
manches herrliche Wort der Weisheit und
ist wahrhaftig eines Menschengeistes Be‐
kundung, der «
in der Liebe» lebte;
allein, diese Briefe wurden erst geschrie‐
ben, als die
Sendschrift, von der hier
die Rede ist, schon dem neuen Kulte an‐
geglichen worden war, und ihr Schreiber
war ein Gläubiger des neuen Kultes.
Das sogenannte Buch der «
Offen‐
barung» aber ‒ die «
Apoka‐
lypse» ‒ ist das Werk sehr
ver‐
schiedenwertiger Geister und das
Zeugnis
verschiedener Zeiten.
Es finden sich in ihm die Spuren «Wis‐
sender» neben dem mysteriösen Ausputz,
den das Buch durch Gläubige des neuen
Kultes erhielt, und den freigebigen Zu‐
taten späterer Bearbeiter.
Der einst dem Inhalt dieses Buches die
grandiose dichterische Gestaltung gab,
benutzte nur ein Material, das lange
vor
ihm schon in Fragmenten vorhanden war
als Bezeugung mystischer Gesichte.
Die
reine Lehre aber, die der hohe
Meister seinen nächsten Schülern einst
gegeben hatte und die nur jener
Eine,
den er «
liebte», ganz erfaßte, um sie
denen zu vermitteln, die zu
ihm sich
hielten, ist nur in dieser
Sendschrift
zu erkennen, die ein Späterer, der ganz
im
Geiste dieser Lehre lebte, auf‐
gezeichnet hat.
Möge das
Weisheitsgut, das diese
Sendschrift birgt, trotz aller Über‐
formung, die sie leiden mußte, den
Suchenden der kommenden Tage
nicht verloren sein!
*
ENDE
KULTMAGIE
UND
MYTHOS
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
BÔ YIN RÂ
Autorenname von J. A. Schneiderfranken
3. Auflage
Unveränderter Nachdruck der 1961 in der Kober'schen
Verlagsbuchhandlung erschienenen zweiten Auflage
Erste Auflage Verlag Magische Blätter Leipzig, 1924
© 1972, Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung in
fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Man erwarte hier nicht eine Abhandlung
gelehrten Stiles!
Was hier gegeben ist, will keine historische
Betrachtung sein.
Es ist kein Beitrag zur Altertumskunde.
.Lebendige Quellen bieten hier ihre
Wasser dar!
Leben soll aus ihren Kräften sprießen!
Leben und
waches Tun!
Verstehen soll vermittelt werden, damit
man zu
sondern wisse zwischen
hohen
Dingen und menschlicher
Machtsucht,
die sich von alters her dieser Dinge klug be‐
dient...
Und letzten Endes werde so auf wieder neue
Weise der ewig gleiche Höhenweg gezeigt, der
seine Wanderer zum
Lichte führt.
*
.Ich kenne Größeres nicht auf dieser Erde
als das Geisteswerk des Menschen!
Insonderheit dort, wo es ihm selbst zu groß
erscheint, so daß er sich Götter schafft nach
seinem Bilde, muß ich des Menschen geistiges
Werk bewundern! ‒
Nie kann es mir an hohem Werte verlieren,
so man mir sagt: ‒ «Nun endlich haben wir
erkannt, daß dieses Geisteswerk, das wir als
Göttertat verehrten, in Wahrheit vom
Menschen stammt.»
Ich weiß, daß alles Geistige auf dieser
Erde stets des Menschen bedarf, soll es für
Menschen in Erscheinung treten und ver‐
nehmbar werden...
Ja, auch des Menschen selbstgeschaffene
Götter weiß ich noch zu ehren um seinet‐
willen!
Sein Bestes sehe ich in ihnen dargestellt!
Seine eigene Größe zeigen mir seines Geistes
Geschöpfe, die er über sich selbst emporhob,
um ihnen zu dienen...
Seiner eigenen Hoheit Bild schuf er, sich
vor ihm zu beugen...
.So ist mir auch mancher hohe
Kult und
solchen Kultes weiser
Mythos noch heilig um
des Menschen willen: ‒ als ein
Werk des
Menschen.
Der
Mythos zeigt mir den
Menschen in
göttlichem Bilde. ‒
Im
Kulte sehe ich ihn
das Göttliche in
sich selbst verehren, ‒ benannt mit dem
Namen des Gottes, den er sich selber schuf. ‒
.Wahrlich: du denkst gar gering von dir
selbst, wenn du des
Menschen Werk in
jenen Höhen da er sich
Götter,
Mythos
und
Kult erschuf, verachten zu dürfen
glaubst!
Noch bist du
dir selber fremd, wenn du
des
Geistes Darstellung auf dieser Erde
suchst und dennoch verschmähen willst, was
als das
Werk des Menschen sich in solcher
Darstellung bekennen muß! ‒
.Unmündigen mußten die Weisen der
Alten weislich verbergen, daß sie selbst ge‐
staltet hatten, was sie als der
Götter Wort
verkündeten.
Die aber der
Gottheit Stimme
in sich
selbst vernommen hatten, mußten
Götter
erschaffen, sollte das
Wort in ihnen sie nicht
selbst erschrecken!
So ward die Sprache ihres Mundes
ihnen
selbst schon Bild und Gleichnis, und jene
Anderen, die sie
vernahmen, ließen Bild
und Gleichnis bilderzeugend weiter in sich
wirken. ‒
Hohe Wissende aber, die da erkannten, was
des Menschen
geistige Kraft vermag,
schufen dem
Mythos den
Kult, ‒ schufen
die hohen Formen
magischen Wirkens,
die verborgen hinter Bild und Gleichnis, des
Menschen geheimste Macht ihm dienstbar
werden ließen.
Vieles davon ist heute verschüttet, nachdem
es Jahrtausende hindurch einst des Menschen
heiligster Besitz gewesen war.
Vieles ist heute noch im Wirken, doch wird
es von denen, die seiner pflegen, kaum mehr
erkannt.
.Die aber allen Kult
verachten, da sie
bei der Genesis des
Mythos der ihn trägt,
den
Menschen am Werke fanden, sind des
irren Glaubens, letzte Erkenntnis entschleiere
Mythos und Kult als Gebilde törichten
Wahns.
Sie ahnen nicht, daß hier der Wissende zu
ehren weiß, was sie mißachten!
Sie ahnen nicht, daß sie über Tempelfunda‐
mente schreiten, in deren Mauern köstliche
Kleinodien noch des Finders harren!
Sie haben den
Menschen erkannt, wo sie
ehedem
Götter am Werke glaubten, ‒ so
dünkt ihnen wertlos nun und verächtlich,
was sie ehedem verehrten.
Nur Seltene erfühlen in sich selbst, zu welcher
Höhe sich das
Werk des Menschen erhe‐
ben kann.
Sie allein noch kennen die
Ehrfurcht vor
dem Werke, das der Mensch der Vergangen‐
heit schuf.
Sie wissen, daß keine große
Kultur bestand,
die nicht auf einem
Kulte sich erhoben
hätte, der seine Tragkraft einem
Mythos
dankte.
Sie wissen, daß Kult und Mythos sich nicht
schaffen lassen als ein
Werk der Willkür
und darum
ehren sie, was aus den Tiefen
schöpferischer Kraft des Menschen dermal‐
einst ins Dasein trat.
Noch keiner hat die tiefsten Tiefen
der Quelle dieser Kraft ermessen!
Wer aber ahnend in sich selber sucht, der
wird alsbald erkennen, daß er nur
sich
selber lästert, wenn er das Werk der alten
Weisen schmäht...
Erschauernd wird er vor dem Werk des
Menschen stehen, das ihm die
Gottheit
offenbart! ‒
*
.Fern in der Zeiten Nacht verborgen ist
uns jene grauenvolle
Not, die einst den
Menschen drängte, da er den ersten dunklen
Mythos zeugte. ‒
.Im Lichtesfeuerglanze ewiger
Liebe hei‐
misch, zu ewigem
Leuchten im Dasein,
fand sich der Menschengeist, inmitten aller
Schauer einer chaotischen Welt, auf dieser
Erde als ein gefallener Stern.
Tier unter Tieren geworden, hatte ihn den‐
noch nicht alles Licht verlassen.
Unglücklicher als das Tier, ward ihm die un‐
sagbare Einsamkeit
bewußt, in die er selber
ehe er sie kannte, sich hinausgesehnt, ‒ die
er sich selbst bereitet hatte. ‒
Und nun ertrug er nicht, wonach ihn ehedem
so sehr verlangte...
.Bildner von Anbeginn, blieb aber
Schöpferkraft ihm noch erhalten, und
selbst in seiner tiefsten Gottverlassenheit
vermochte doch das «Tier» sie ihm nicht zu
rauben.
Zu dieser seiner Schöpferkraft nahm er nun
seine Zuflucht, und so erschuf er sich im
Bilde, wenn auch dunkel nur und mannig‐
fach verwirrt, aufs neue, in den Augen‐
blicken ärgster Qual, den
Wiederschein der
Lichteswelt aus der er selbst sich ausge‐
stoßen hatte.
.Die mancherlei Gewalten der Natur, die
ihm so drohend nahe kamen und deren
Macht er stetig über seinem Haupte fühlte,
heischten Einlaß auch in seine Geistes‐
schöpfung.
So wurde denn ihr Wirken ihm zum Werke
grausamer Dämonen, deren Gunst der
Machtlose nicht anders als durch
Opfer sich
erkaufen konnte.
Was aber mild und wohltatspendend auf den
Qualverwirrten wirkte, wurde ihm zum
Werke guter, wohlgesinnter Götter, denen er
durch
Dank und
Lob sich angenehm zu
machen suchte.
.Da es der Menschen
viele waren, die
das
gleiche Erdenleben teilten, so fügte
jeder zu der Urgestaltung dieses Bildes einer
übererdenhaften Welt ein
Eigenes an Ge‐
staltung bei, bis allen nicht mehr zu Bewußt‐
sein kam, daß sie die
Schöpfer dessen
waren was nun ihren Glauben formte.
Der erste
Mythos war geboren und hatte
Macht erlangt über den Menschen! Unzählig
sind die Formen, die aus seinem Samen von
Geschlechtern zu Geschlechtern fortgezeugt,
ins Dasein traten.
In allen offenbarte sich für lange Zeit nichts
anderes als die arge
erdenhafte Not des
Menschen.
.Dann aber kamen Einige, die von hohen
Wundern zu erzählen wußten, die ihnen in
der Stille begegnet waren.
Die Hierarchien der geistigen Welt hatten
des Menschengeistes im Tiere sich erbarmt
und wollten ihm den Weg zurück zu seiner
Heimat zeigen.
Nicht anders aber war hier Erlösung zu
schaffen, als durch den Menschen selbst.
So suchten und fanden sie jene Wenigen die
sie zu Leuchtenden im Urlicht berei‐
ten konnten um durch sie den anderen
Licht zu spenden.
Im Herzen Asiens waren sie gefunden
worden und von hier aus gingen sie in alle
Welt, getreu der Sendung, die ihnen gewor‐
den war.
Unter allen Völkern tauchte plötzlich einer
der ihren auf, ‒ es entzündete ihre Rede
eine heilige Flamme in allen die sie hörten.
Was sie zu verkünden hatten aber war zu er‐
haben, als daß es unverhüllt ertragen
worden wäre.
So ging es in den Mythos ein, wie er jeweils
an dem Orte ihres Wirkens lebte. Es folgte
eine Zeit, die den Mythos zu Bild und Gleich‐
nis hehrster Weisheit erhob.
Geheimste Erkenntnis ward Unzähligen
durch ihn vermittelt.
.Das «Tier» aber hatte zu sehr schon den
Menschengeist umnachtet, so daß auch Un‐
zählige verblieben, die das Licht
nicht er‐
reichen konnte. ‒
Das Licht kämpfte und rang mit der Finster‐
nis, aber die Finsternis blieb im Siege...
Nun ward der Mythos in gar vielen Wand‐
lungen gewandelt, und was da
Licht und
Leben einst in ihm gestaltet hatten, er‐
starrte zu
lebloser Form, ‒ wurde zu
Pfeilern der Götzentempel.
.Aus tiefster Verborgenheit heraus suchten
die
Leuchtenden ‒ jeder Generation aufs
neue gezeugt ‒ an allen Orten der Erde
stets zu retten was zu retten war. Doch es
blieb in jedem Menschenalter nur eine gar
geringe Zahl, die sich von ihnen finden ließ.
Die Anderen taumelten den Weg des Wahns
dahin, dem «Tiere» und dem Dämon der
Erde mehr und mehr verhaftet, fern aller
Sehnsucht nach dem Lichte.
.In solcher stets wachsender Not, als die
Gefahr des Versinkens in grauenvollste Nacht
des seelischen Erlöschens allmählich aller
Menschheit drohte, erbarmten die geistigen
Hierarchien sich aufs neue der Gefallenen im
Erdentiere und erwirkten ihnen Hilfe aus
der Geisteswelt: ‒ sandten der Leuchtenden
einen mit einer Sendung aus, die vordem
keiner noch erfüllen mochte und die auch
nach ihm keiner mehr erfüllen könnte.
In unerfaßbarer Liebe hatte er selbst in der
geistigen Welt sich zu solcher Sendung dar‐
geboten...
Damit er fähig werde ihr zu entsprechen,
hatte er seine Liebeskraft schon im gei‐
stigen Reiche zu höchster Vollendung em‐
porgeläutert, bevor er dem «Tiere» dieser
Erde sich vereinte...
Als der Größte aller Liebenden die je
die Erde trug, vollbrachte er in seinem Tode
was er zu vollbringen übernommen hatte.
In seiner Todesstunde auf Golgatha wurde
durch ihn der Erde unsichtbare Aura
derart verwandelt, daß allen nun, die
ehrlich suchen und in sich den
Willen von
der Finsternis zum
Lichte kehren,
Erlö‐
sung werden muß, so sie mit aller Inbrunst
in sich selber darum bitten...
Es war nun
leicht geworden durch ihn, was
vor seiner Liebestat auf Golgatha die Kraft
der
Stärksten kaum erreichen konnte! ‒ ‒
Noch blieb die Finsternis zwar an ihrem Ort,
allein sie hat nicht mehr die Kraft, den
Menschen der ihr wahrhaft widerstehen
will,
wie ehedem zu binden.
Ihre
stärkste Macht ward durch jene Tat
der
Liebe eines Erdenmenschen für
immerdar
gebrochen! ‒ ‒ ‒
.Wohl hatte der große Liebende den My‐
thos seiner Zeit und seines Volkes
durch‐
lichtet.
Wohl hatte er in ihm die hohe
Weisheit
aufgezeigt und sie
gesondert von dem
Wahn der sie fast zu erwürgen drohte.
Wohl hatte er, als der Erste seiner Brüder,
die Lehre des Geistes, die er zu geben hatte,
rein und
klar vermittelt ohne sie als
Bild‐
werk einzuweben in den
Mythos, wie es jene
Früheren, die einst den Menschen lehrten,
noch für ratsam hielten.
Allein er konnte nicht verhindern, daß
nach
seinem Erdenwallen Andere
sein eigenes
Bild dem
Mythos einverwoben, ja, daß
die
Kunde seines Lebens selbst zum My‐
thos wurde. ‒
Auch in
diesem Mythos fand
ewige Weis‐
heit Gleichnis und Bild!
.Auch in
diesem Mythos aber wurde
Weisheit so von Wahn umschlungen, daß
scharfe
Sonderung nötig ist, soll nicht der
Wahn die
Wahrheit dauernd überwuchern!
Der letzte große Mythos den die
Menschheit schuf, muß sich zur
Wirklich‐
keit verklären, von der er ausgegangen ist!
.Jahrtausende diente der Mythos dem
Menschen, ihm seine Nacht zu erhellen, ‒
nun aber ist die Zeit der Lehre durch den
Mythos
erfüllt, ‒ die Zeit der Erkenntnis
aus der
Wirklichkeit ist angebrochen!
‒ ‒ ‒
Der Mensch der kommenden Gezeiten wird
den
Mythos, den die Vorzeit schuf, wie
keiner je vor ihm zu
ehren wissen, allein
er wird ihn wie das
Bild des Spiegels
werten, das ihm zwar Aufschluß gibt, will er
sein Antlitz selbst betrachten, und dennoch
keineswegs sein körperhaftes Dasein in sich
birgt.
.Die Schöpferkraft des Menschen wird
sich mählich mehr und mehr in
anderer
Weise Anreiz zur Gestaltung suchen, doch
wenn auch manches
wirkliche Geschehen
noch dem
Mythos dienen mag, so wird
man dennoch wohl zu unterscheiden wissen
zwischen
letzter Wirklichkeit des Seins
und allem was sich nur durch Bild und
Gleichnis
sagen läßt.
.Die
Macht, die einst der Mythos über
die Gemüter hatte und die er heute noch zu
halten weiß wo noch der
Glaube lebt, den
er einst formte, wird ihm in einer neuen Zeit
genommen werden, und
niemals wird sie
ihm je wiederkehren können! ‒
Des
Geistes Leben, das der Mythos nur
zu
spiegeln wußte, wird den neuen Men‐
schen selbst
erfüllen, und
in sich selber
wird er aller Wahrheit
innewerden, die
seinen Vätern nur
im Bilde durch den
Mythos nahekam.
Inzwischen aber möge der Mythos der Alten
die
Ehrfurcht allenthalben finden, die ihm,
als dem
geistigen Werke des Men‐
schen, wahrlich gebührt!
*
.Die Götter zu ehren, ihnen zu danken
oder die unholden zu versöhnen, mußte
des Menschen Trachten sein, dessen Glaube
der Mythos formte.
Nicht anders schien ihm dies möglich, als
durch äußeres Werk.
Bald aber glaubte er auch zu erfühlen, daß
bei solchem Tun die Form der Handlung
von Bedeutung sei.
Nicht jeglicher Gebrauch bei Opfer, Dank
und Lobgesang schien gleichen Wertes in
der Götter Wertung.
So sonderte er Formen der Verehrung und
des Opfers aus, die nicht der Götter Wohl‐
gefallen fanden, und übte andere Formen,
die ihm, wie er glaubte, ihre Gunst bescheren
mußten.
Eigener Wünsche Erfüllung größere Gewähr
zu schaffen, führte zu strengster Innehaltung
scheinbar sicher erprobten Gebrauchs.
Der Kult der Götter hatte seine feste Form
gefunden.
.So glaubte man sich den Himmlischen
die der Mensch im Mythos einst geschaffen
hatte, verpflichtet, bis jene ersten der Leuch‐
tenden erschienen, die den Mythos hell‐
ten.
Sie waren es, die den Kult der Götter zu‐
erst aus Banden dumpfen Aberglaubens
lösten, und ihn benutzten, um des Men‐
schen innewohnende magische Kraft zu
wecken.
Sie wußten um die Fähigkeit des Menschen,
Unsichtbares zu erregen, so daß es nach des
Menschen Willen wirken und ihm dienst‐
bar werden muß.
Sie wußten aber auch, daß nur letzte innere
Zuversicht solches Werk zum Gelingen
bringen kann, und banden so bewußt das
magische Tun an den Glauben, den sie je‐
weils fest gegründet fanden.
Als der Götter Gnade und Huld trat so in
des Menschen Bewußtsein, was er eigener
magischer Kraft zu danken hatte...
Noch war er nicht reif ‒ noch ist er es heute
nicht ‒ die Wirkung dieser hohen Kraft,
nur auf sich selbst gestellt zu er‐
proben.
.Wohl war es nicht augenblickliche
Zau‐
berwirkung die auf solche Weise erfolgte,
doch zeigte sich nun eine weitaus
gewissere
vermeintliche «Erhörung» der Wünsche.
Infolge der Durchlichtung des Mythos er‐
wuchs der Kult zu erhabenem Geschehen
und tiefste seelische Klänge wurden in dem
Gläubigen erweckt.
Die spätere Zeit des Verfalls und der Erstar‐
rung erst zerstörte auch hier das
Leben und
hegte nur noch die
äußere Form als ste‐
riles Gehäuse.
.Noch aber blieb
Erinnerung ‒ ge‐
nährt durch die
Sage ‒ an früheres segens‐
reicheres Geschehen.
Der Wunsch, die äußere Natur auch ohne
harte Arbeit zu bezwingen, ließ Legenden
wachsen, die der Ahnen «Zauberkräfte» ins
Gigantische erhoben zeigten, und die Götter,
die man jetzt nicht mehr erreichte, unter
Menschen wandelnd...
Man ahnte auch wohl, daß in Verborgenheit
noch Kulte blühten, die das Vermächtnis
alter Zeit zu hüten wußten.
Da aber die Verborgenen das ihnen Heilige
nicht profanierten, benützte allenthalben der
Betrug die Neugier um sich in Respekt zu
setzen.
Die Geschichte des
Priestertruges be‐
ginnt in jenen, noch
vorgeschichtlichen
Tagen!
Was die Geschichte
heute an alten
Kulten
kennt, stammt
allerfrühestens bereits
aus der
Spätzeit ihres Bestehens! ‒
Jahrtausende
vorher müßten der For‐
schung zugänglich sein, sollte sie sichere
Kunde über die Ausgangspunkte der alten
Kulte bringen können!
.So Gewichtiges von höchstem Werte
aber auch verschüttet wurde: ‒ ein kärgli‐
cher Rest des einst Gewesenen blieb dennoch
bis in geschichtliche Tage erhalten, und
selbst in dieser heutigen Zeit ist noch nicht
alles von dem was jene Alten kannten, von
der Erde verschwunden.
Ein in Europa vor kaum zweitausend Jahren
nur
scheinbar «neubegründeter» Kult
führt vieles davon noch heute als Erbgut mit
und weiß sehr wohl, weshalb er es vor aller
profanen Betastung schützt, während im In‐
neren Asiens ein noch weit jüngerer Kult
‒ aus guten Gründen dem in Europa einst
erblühten nur allzuähnlich ‒ nicht minder
vorgeschichtlichem Erbe
neue Form und
neue Deutung gab. ‒ ‒
.Töricht wäre es heute, einen neuen Kult
zu schaffen, der, wie die hier gemeinten,
einem
Mythos seine Tragkraft danken
würde.
Töricht vor allem: dem Mythos, der seinen
Kult noch
besitzt, einen
neuen Kult nach
Willkür zu formen.
Wer hindert die neuen Gläubigen des My‐
thos, die einst seinen Kult verließen, ihn
nun, befreit von späterer Zutat, aufs neue
so zu übernehmen, wie er einst vom Alter‐
tum, für den damals neuen Mythos umge‐
wandelt, übernommen worden war, wenn
das Bedürfnis nach einem, von ihrem
gläubigverehrten Mythos getragenen Kulte in
ihnen heute aufs neue lebendig sein sollte?! ‒
Eine heute vielleicht nicht mehr zu ferne
Zeit wird freilich des Mythos nicht mehr
bedürfen um sich ihren Kult zu schaffen. ‒
Ihr Kult wird auf dem Wesentlichsten
aller alten Kulte fußen, wird reinste Kult‐
Magie und Dienst am Innersten des
Menschen sein! ‒ ‒
Aber auch dieser kommende Kult läßt sich
nicht, aus Sehnsucht nach ihm, nach bloßer
Willkür schaffen.
Erst müssen die Kräfte im Menschen, die er
voraussetzt, allüberall in Vielen erweckt
und in lauterer Wirksamkeit sein!
Dann wird er gewißlich erstehen, aller
Hemmnisse spottend!
Längst ruht der
Samen im Schoße der
un‐
sichtbaren Erde, aus dem er, mit starkem
Schafte sprießend, dereinst zum Baume er‐
wachsen wird!
Aus seinen Früchten wird eine kommende
Kultur sich nähren! ‒
Die Sehnsucht der Vielen die ihn ersehnen,
wird mehr und mehr die Triebkraft des Samens
wecken aus dem er ersteht....
*
.Aus einem Dienste, den man gleich
dem Königsdienst, den Göttern, die man
selbst geschaffen hatte, einst zu schulden
glaubte, hatten des Urlichtes Leuchtende den
Kult zur Kult-Magie erhoben.
Noch aber durften zu selbiger Zeit nur Er‐
lesene hier um letztes Geheimnis wissen.
Noch war die Überzahl der Menschen keines‐
wegs herangereift, das Wissen um ihre eigene
Geistesmacht ohne Schaden für die Seele zu
ertragen.
So sehr bleibt stets der Menschengeist dem
«Tiere» dieser Erde, das ihm Zuflucht wurde,
unterworfen, daß auch die allermeisten Men‐
schen dieser heutigen Tage an der Seele
Schaden leiden würden, wüßten sie um ihre
Macht im Unsichtbaren.
Doch braucht die letzte Wahrheit heute
trotzdem keine Hülle, da jene, denen sie
nicht taugt, sie ihren Augen selbst verber‐
gen, mag auch im hellsten Sonnenlichte sie
vor aller Welt erscheinen. ‒
Sicherster Schutz wird ihnen durch ihren
entkräfteten Glauben!
.So läßt sich heute denn von vielen Dingen
reden, die einst die alten Weisen einem
glaubensstarken und dem Unsichtbaren eng
verbundenen Geschlecht
verbergen muß‐
ten, wollten sie es vor sich selber schützen.
Auch heute werden es nur die
Erlesenen
sein, die das Geheimnis ihrer geistigen Macht
erfahren, denn
sie allein sind
fähig, es
zu
fassen! ‒
Nur sind die Erlesenen heute reicher an
Zahl als jemals vorher in der Zeiten Folge...
Ihnen allein kann
Seelengut und
Er‐
lebniserregung werden, was hier zu Worte
wird! ‒
.Vom
Kulte sei hier die Rede, soweit er
als
Magie sich auswirkt um des
Menschen
willen!
Die
Gottheit, die des
Menschen bedarf
um sich dem Menschen zu offenbaren, heischt
wahrlich keinen Kult um
ihretwillen, allein
der Kult, der in
Magie sich auswirkt, kann
den Geist des Menschen
aus dem Schlaf
im «
Tiere»
lösen und ihm ein Reich des
Wirkens neu erschließen, das ihn erkennen
lehrt, daß ihm auch dort noch Hilfe wird, wo
alle Macht des «Tieres» ihre Grenzen fühlt.
.Das Wort «
Magie» ist sehr in Mißkredit
gekommen.
Die Charlatane aller Zeiten haben es ent‐
wertet.
Und dennoch
wirkt Magie auf allen Wegen!
Zum
Fluche wird sie allen die sie nützen
wollen, ihren
Erdentiereswünschen feil
zu sein...
Zum
Segen wandelt sich ihr Wirken, wenn
die
Liebe ihr begegnet! ‒
Darum ist alle hohe Kultmagie so
mächtig,
weil in ihr, verborgen unter manchem dich‐
ten Schleier, dennoch die
Liebe wirkt! ‒
.Von
Kultmagie kann nur die Rede sein
wenn
Viele sich zu magischem Tun in
Einem einen, und solche Einigung bedarf
der
Liebe. ‒
Hier wird das Mysterium enthüllt, das in den
Worten noch erhaltener Kultfragmente im‐
mer wiederkehrt, wenn jenes neueren Kultes
Priester die Gemeinde segnen:
«Der Herr sei mit euch!»
und wenn dieser Segen dann aus der Vielheit
stets zurückhallt:
«Und mit deinem Geiste!» ‒
.Mag auch für die Allermeisten, die ge‐
meinsam sich bei solchem Kulte finden,
längst dieser Segensspruch zu bloßem For‐
melwort entwertet sein, so bleibt er doch als
Hinweis auf die Vorbedingung aller hehren
Kultmagie bedeutungsvoll...
Hier soll in altgegebener Form die
Seelen‐
einigung sich vollziehen, durch die dem
magisch Wirkenden die Kräfte
aller die an
seinem Wirken Anteil nehmen, liebend
über‐
tragen werden. ‒
Mit dieser ungeheuren aufgetürmten Seelen‐
kraft beginnt nun und vollendet hier der
Einzelne, in sich vereinigend den Willen
Aller, das hohe magische Werk. ‒
Die
Deutung, die man diesem Werke gibt,
liegt hier
weit außer dem Bereich der
Wirksamkeit!
Was hier geeinter
Wille, glaubensstark und
in dem magischen Geschehen durch die
Liebe, die den eigenen
Glauben in dem
Anderen liebt, verbunden, heiß erstrebt, ist
durch kein «
Dogma» zu berühren! ‒
Die
Gottheit, die durch diese Kultmagie
veranlaßt werden soll, dem Menschengeiste
sich für Augenblicke innerlich, als in diese
Welt der Erdensinne nun erfaßbar einge‐
gangen, zu bezeugen, ist wahrlich aller Wir‐
kung solchen magischen Geschehens sehr
entrückt, allein der Gläubige wird dennoch
letzte
Wirklichkeit erleben.
.Der uralt heilige Kult, der hier zu neuem
Leben kam, sah in dem
Brote, das der
Mensch als Nahrung braucht, und in dem
Weine, der als Trank der Kräftigung galt,
da er der Sinne Leben steigerte, die irdischen
Substanzen, die am meisten würdig waren,
die
Gottheit in sich aufzunehmen, sollte sie
magisch sich der
Materie einen.
Zwar war es der
Mensch, der
für sich
selber diese Einigung suchte, allein: noch
sinnlich ungebrochen, konnte sie ihm nur
Erlebnis werden durch die
sinnliche
Erfahrung.
Wie anders sollte der Gott sich mit ihm
ver‐
einen, als durch
Speise und Trank, da
nur durch Trank und Speise Fremdes sich
ihm einverleiben konnte!
.Hier ist nicht zu fragen: wie etwa
Ma‐
terie durch Magie
verändert werden
könne, ‒ hier ist nur bedeutungsvoll, was
im
Bewußtsein des Gläubigen sich voll‐
zieht, der Brot und Wein in sich aufnimmt,
nicht als irdische Materie, sondern als
die ihm sinnlich faßbaren
Träger der Gott‐
heit, wie immer er sie auch
benennen
mag. ‒ ‒
Wer in den Reichen des Unsichtbaren be‐
wußt und erlebnisfähig wurde, der weiß auch,
daß sich der inbrünstig Gläubige bei solchem
Kultmahl keineswegs betrügt.
.Nicht
Brot und
Wein bewirken freilich
die
für die Zeit der höchsten Konzen‐
tration nach ihrem Genusse mögliche
«Schwingungsänderung» der eigenen Gei‐
stessubstanz, so daß sie
für diese Mo‐
mente wahrhaft
göttlichgeistiges Le‐
ben aufzunehmen fähig werden kann, son‐
dern allein die
magische Kraft, die der
Glaube aus sich erzeugt. ‒
.Noch haben nur wenige erkannt, was
diese magische Kraft vermag, wenn sie
zu‐
gleich von
Vielen ausgeht, die alle des
gleichen
Willens und des gleichen
Glau‐
bens sind. ‒
Es ist diese
akkumulierte Kraft, die
zu‐
rückströmt auf jeden
Einzelnen der des
gleichen Glaubens und Willens ist, selbst
dann, wenn er
nicht bei ihrer Erweckung
während der Kulthandlung beteiligt war. ‒
.So baut denn auf wahrlich
gut gesicher‐
tem Boden, was als ältesten Kultes Erb‐
teil heute in neuerer Gestaltung noch vor‐
handen ist und vielen derart befremdlich
dünkt, daß sie nur finstersten
Aberglauben
zu erkennen wähnen. ‒
Die
Deutung aus seinem, ihm unantast‐
baren
Mythos, die dem Gläubigen unum‐
stößlich gewiß erscheint, obwohl nur
sie
allein den Kult der Sphäre menschlichen
Irrens nahebringt, ändert nicht das Min‐
deste daran, daß
Kräfte hier zur Auswir‐
kung gelangen, die durch den Kult
erweckt,
sonst tief
verborgen im
Menschen ruhen.
‒
.Der Weckung dieser Kräfte dient die
eigentliche Kult-
Magie: eine Magie der
Zeichen, die von dem sie Ausübenden ver‐
langt, daß
sein eigener Körper nach
streng bestimmtem Rhythmus und in streng
gegebener Folge
selbst sich zu
magischen
Zeichen forme, ‒ eine Magie der
Laute,
die ebenso streng bestimmte
Lautfolgen
und solcher Lautfolgen öftere Wiederholung
fordert.
Der
begriffliche Sinn der Gebete, in
die sich diese Lautmagie verhüllt ‒
nicht
alle Gebete, die der Kult verlangt, sind sol‐
chen magischen Charakters ‒ kommt für die
erstrebte Wirkung keineswegs in Betracht.
Aus dieser
Lautmagie erklärt es sich, daß
die Hälfte des noch erhaltenen Kultes
ver‐
nichtet wäre, wollte man das gesprochene
Wort, das er fordert, nicht mehr in jener
alten Sprache sprechen, aus der er hervor
gegangen ist...
.Ob jene, die den Kult noch üben,
wis‐
sen, was sie tun, ist ebenso belanglos wie die
Deutung, die sie ihm zu geben haben, und
wie die Gründe, die sie geltend machen, wol‐
len Neuerer ihn verändern.
.Kultmagie ist keine bloße «
Sym‐
bolik»!
Kultmagie ist ein Wirken nach
strengen Gesetzen,
zur Auslösung
magischer Kräfte,
die im Menschen
verborgen sind!
.Altehrwürdig und
um Jahrtausende
älter als man zugestehen möchte ‒
vorausgesetzt, daß man es erahnt ‒ ist jener
Rest eines alten Kultes, der diesen heutigen
Tagen noch erhalten blieb! ‒ Altehrwürdig
ebensowohl in dem seit fast zweitausend
Jahren bestehenden Kulte, auf den hier vor‐
nehmlich meine Worte deuten, wie in dem
zeitlich jüngeren, den man noch im Inneren
Asiens übt! ‒ ‒ ‒
.Daneben aber sind noch gar manche
Fragmente alter magischer Kulte bei den
verschiedensten Völkern der Erde zu finden.
Oft hält man für einen Kult «auf primitiver
Stufe», was nichts anderes ist, als ein solches
degeneriertes Teilstück aus einem hohen
Kulte
vorgeschichtlicher Zeit, ‒ wie
denn auch die Völker, um die es sich handelt,
keineswegs erst am
Anfang, sondern am
ruhmlosen
Ende ihres ehedem unvergleich‐
lich höheren Geisteslebens stehen. ‒ ‒
Wie hohe
Kultur der
Vertiertheit wei‐
chen mußte, so trat dann an die Stelle hohen
magischen
Kultes, finsterer
Fetisch‐
dienst und
Zauberbrauch.
Im
Zerrbild endet, wenn der Mensch dem
«
Tiere» und damit dem Dämon dieser Erde
sich ergibt, was er einst schuf, auf daß es ihn
der
Gottheit nahe bringen sollte...
*
.Die magischen Riten der alten Kulte
sind wahrlich von Weisen geformt, die um
die Gesetze alles geistigen Geschehens wuß‐
ten.
Hier waren Wirkende am Werke die im
Geisteslicht erkannten, daß der Mensch mit
beiden Füßen fest auf dieser Erde Boden
stehen müsse, wenn er mit weitgespreiteten
Armen himmlische Gestirne in die Macht
seiner Hände zwingen wolle...
Gleichweit entfernt von selbstgeschaffener
Ekstase wie von jenem engen, erdgebundenen
Blicke der sich über seine nächste Umwelt
nicht erheben kann, erlebten sie im Innersten
die unvergleichliche hohe Einung aller
Seelenkräfte, die alles Äußere ins Innere
bringt und die kein «Außen» kennt, das nicht
der sichtbarliche Ausdruck innersten Ge‐
schehens wäre. ‒
So wußten sie ein äußeres Tun zu formen,
das Allerinnerstes erreichen mußte, um
durch dies Allerinnerste das Äußere zu
wandeln.
Den geistigen Gesetzen untertan, suchten
sie Menschen und Dinge aus
erdenhafter
Bindung zu
erlösen.
Sie lehrten äußere Kräfte so
gebrauchen,
daß Allerinnerstes,
durch sie zur Wir‐
kung angeregt, die Banden
sprengte,
die anders nicht zu lösen waren.
Selbst hohe
Magier, lehrten sie
Magie
der
göttlich höchsten Art und wurden
so zu
Erlösern ihrer im Tiere schlafenden
Brüder.
Nicht jene
irdische Erkenntnis wollten sie
vermitteln, die, als Frucht des
Denkens,
zwar
hohe Werte fördern, aber
nie zu
geistigem Erwachen tauglich machen
kann.
Ihr Wirken galt dem
geistigen Erkennen,
dem
jene Dinge sich entschleiern müssen,
die
nie dem
Denken sich enthüllen kön‐
nen, da sie dem
Schein entrückt, als letzte
Wirklichkeit im
Sein allein sich finden. ‒
.Alles
Denken menschlicher Gehirne ist
für immerdar in der
Erscheinungswelt
verankert, der die Gehirne, mögen sie auch
über rein Abstraktes fabeln, selbst als
Teile angehören.
So wie da keiner sich selbst überspringen
kann und wenn er auch der beste Springer
wäre, so kann kein Denker jemals dem Be‐
reich des Denkens ‒ der irdischen Er‐
scheinungswelt ‒ sich selbst entziehen,
und wenn er es versucht, wird er mit aller
Arbeit seines messerscharfen Denkens sich
nur selbst zum Narren haben ohne solches zu
bemerken...
Alles aber, was zu dieser irdischen Er‐
scheinungswelt gehört, ist jenes «Außen»,
dem ein Innerstes entspricht, das nie im
Denken zu erreichen ist, da alles Denken,
mag es sich auch noch so hoch erheben,
Funktion bleibt der Erscheinungs‐
welt, in ihr beschlossen und verhaftet, mag
auch der Gegenstand des Denkens an
sich selbst hoch über aller irdischen Er‐
scheinung liegen. ‒
Als Material des Denkens ist des Gegen‐
standes vages Abbild nur gegeben. Er
selbst bleibt wo er war und kann dem
Reiche irdischer Erscheinung niemals sich zu
eigen lassen.
.Der Denker kann nicht Dinge letzter
Wirklichkeit erfassen.
Er setzt für sie
Gedanken, die als
Ge‐
bilde der Erscheinungswelt
in ihr be‐
schlossen bleiben. ‒ ‒
Auch alle
Geisteswelten sind
Erschei‐
nungs-Welten, wenn auch von weit subli‐
merer Art als die Erscheinungswelt der kos‐
mischen Materie.
Und auch in ihnen kann das
Denken nie
das
Innerste ‒
die letzte Wirklich‐
keit ‒ erreichen. ‒
Wohl ist das Denken dort an
geistige Or‐
gane nur gebunden und so mannigfacher
Hemmung frei, die irdische Gehirne fesselt.
Allein auch jene
geistigen Organe sind nur
Teile geistiger
Erscheinungswelten und
was sie fassen können, bleibt in geistiger Er‐
scheinungswelt beschlossen.
Soll aber
letzte Wirklichkeit der sicheren
Erkenntnis sich enthüllen, dann gibt es nur
ein Inne-
Werden dessen, was es zu erkennen
gilt!
Nur im
Erleben ist die letzte
Wirklich‐
keit zu fassen! ‒ ‒ ‒
.Es ist dies ein
Erleben, das, der
Kraft
nach,
über allem Denken steht, der
Art
nach aber
jenseits allen Denkens. ‒
Solches
Erleben zu bewirken lehrten die
hohen Meister vorgeschichtlicher Tage einst
die reine
Magie, die sie im Kulte zu ver‐
ankern suchten.
Es wurde jene
Kultmagie der Welt gege‐
ben, die sich noch jetzt in letzten Resten auf
der Erde findet...
.Die Fundamente alter
Tempel die
einst solchen Kult am Werke sahen, haben
ernste Forscher ausgegraben.
Sie fanden auch so manches
Kultgerät,
fanden mannigfache Spuren bildgefaßter
Darstellung der alten Lehre, allein des
Kultes heiliges Mysterium ging einst mit
jenen Menschen unter, die es in ferner Vor‐
zeit als der Götter Gabe streng vor jeglicher
profanen Neugier schützten. So sorgsam war
dieser Schutz, daß aller Forschungsfleiß ver‐
geblich ist, will er aus den Fragmenten die
gefunden wurden, Schlüsse auf die Art des
einst geübten Kultes ziehen.
Nur jene letzten kultischen Reste die sich in
der Sprache Roms sowie im Innern Asiens
erhalten haben, könnten hier spärlichen Auf‐
schluß geben. ‒
Auch hier aber würde wohl allzuleicht der
rote Faden, der des Labyrinthes Ausgang
finden lassen könnte, verloren.
Nur der verliert ihn nicht, der klar erkannte,
daß die alte Kultmagie nicht Lehre als Ge‐
dankengut vermitteln wollte, sondern
Menschen zum Erleben dessen führte, was
anders nicht zu fassen ist als nur im inner‐
sten Erlebnis höchster Art. ‒
In solchem Erleben nur wird Erdenmen‐
schen jene Erkenntnis, die auch der Tod
des Erdenleibes nicht erschüttern oder gar
vernichten kann! ‒
.Nur
solche Erkenntnis aber lohnt des
Erdenmenschen Streben nach gesichertem
Erkennen!
Dem so Erkennenden wird jegliche Erschei‐
nungswelt ‒ sei es die Welt der kosmischen
Materie oder eine jener Welten
geistiger
Substanz ‒ zum
Ausdruck und zum reinen
Bilde letzter
Wirklichkeit.
Nur er wird jegliche
Erscheinung aus dem
Innersten des
Seins heraus verstehen, sei es
in diesem Erdenleben, oder in den mannig‐
fachen Lebensformen, die der Menschengeist
durchlebt, wenn er vom Körper dieses Erden‐
tieres bereits abgeschieden ist! ‒
.Uralte, aus des Menschen Erdennot ge‐
zeugte Fabeln wollen ihn bereden, daß er
nach diesem Erdenleben sogleich die volle
Klarheit in den Sphären übererdenhaften
Lichtes fände.
Der Mensch aber möge sich
fernehalten
solcher wunschgeborenen
Täuschung! ‒
Was nicht auf dieser Erde in des Erdenlebens
kurzen Tagen ihm geworden ist, wird ihm
auch
nach dem Scheiden aus der irdischen
Erkenntnisform erst einstens
werden müs‐
sen aus dem
gleichen innersten
Erleben,
das ihm auch
während dieses Erdendaseins
hätte werden können,
bevor er von der
Erde schied. ‒
Es kann ihm nichts
erlassen werden, wo
immer er sich auch finden mag, denn hier
heischt
ewiges Gesetz Erfüllung!
.Wohl kann der Menschengeist Jahrtau‐
sende in Geisteswelten glückerfüllt durch‐
leben, allein zuletzt wird ihn das gleiche
Grauen fassen, das ihn hier auf Erden faßt,
empfindet er in großen Augenblicken, daß
über aller höchsten Seelenregung noch ein
höchstes
Innerstes ihm
unerreichbar
bleibt. ‒
Dann wird er
dort wie
hier der hohen
Helfer Hände suchen müssen, soll er
ins
Innerste des Seins geleitet werden...
Er selber aber muß sich erst erlebnis
fähig
machen, soll ihm das Erlebnis
werden! ‒ ‒
Ist es ihm
geworden, so wird er zwar ver‐
bleiben in seiner geistigen Erscheinungswelt,
jedoch als ein
Wissender, den nichts mehr
trügen kann, ‒ nicht anders als wie er
hier
auf Erden gewiß die Erdenwelt nicht
ver‐
lassen wird, nachdem ihm Erkenntnis aus
dem
Erleben wurde. ‒
.Entgegen jenen Fabeln, die dem Men‐
schengeiste ein
erleichtertes Erkennen
nach dem Scheiden von dem Erdentieres‐
körper prophezeien, muß ich bekunden, daß
vielmehr dem Menschengeiste der des
Er‐
dentieres Kräfte
noch in diesem Er‐
denleben meistert, das innerste
Erle‐
ben, das allein zu der Erkenntnis letzter
Wirklichkeit verhilft, gar sehr
erleich‐
tert ist, ‒ ja daß er
ohne dieser Erde Leib
unsagbar
Schwereres erfüllen muß, will er
zu seinem unentrinnbar festgesteckten Ziele
hingelangen. ‒
.Die
Leuchtenden des Urlichts, die
da ehedem den Kult der Götter einst zur
Kultmagie erhoben,
wußten um die
Kräfte dieser Erde, die der Menschen‐
geist sich dienstbar machen kann auf diesem
Weg.
Darum vereinigten sie
die Erde dem
Himmel, ‒ darum schufen sie den
kulti‐
schen Gebrauch, der irdische Kräfte:
Zeichen,
Laut und
Ton, dazu benützt,
das
Innerste des Menschen zu erreichen,
in dem allein das heilige Erlebnis letzter
Wirklichkeit zur
Wahrheit werden
kann. ‒
.Wahrlich, der Mensch dieser Tage darf
es gar sehr beklagen, daß ihm
der Weg des
Kultes, will er sich nicht Dogmen beugen,
die er als krauses Gemächte menschlichen
Hochmuts erkennt, schon seit Jahrtausenden
verschüttet ist! ‒
Und dennoch ist ihm der Weg zum
Erlebnis
keinesfalls verschlossen.
Es ist ein
anderer Weg bereitet worden,
der über den Schutt der Tempeltrümmer hin‐
weg
ins Innerste des heiligen Landes
der Seele führt...
.In mancherlei Lehre habe ich diesen Weg
beschrieben.
Ich setzte Wegmarken für alle die ihn finden
wollen.
Die diesen Weg beschritten haben, erfahren
mehr und mehr, daß sie dem Ziele näher
kommen, und viele sind des Zieles schon
innegeworden.
Sie missen nicht mehr die
Tempel der
alten Kulte, und nicht die Förderung
durch
Kultmagie, obwohl sie, erkennend
was der
Geist erkennen lehrt, in manchem
alten Tempel wesenhaften
Geistes Spuren
fanden und wahrlich die
Magie der alten
Kulte hoch zu ehren wissen.
.Der Weg ins
Innerste des Inneren, wie
er für
alle gangbar ist zu allen Zeiten, ist
für jeden Einzelnen
verschieden, obwohl
er stets der
gleiche Weg
für alle bleibt.
Die
eigene Artung des Menschen be‐
stimmt diesen Weg, so daß jeder den
seinen
findet auf der gleichen Spur die auch der
andere geht. ‒
Am
Ziele erst wird jeder gewahr, daß er in
seiner Art den
gleichen Weg gegangen
ist wie alle anderen die das Ziel erreichten, ‒
daß keine Weise, ihn zu gehen, etwa leichter
oder schwerer ist...
Wer immer aber diesen Weg durchwandelt,
wird von
Erkenntnis zu
Erkenntnis in
sich selber schreiten, bis er, am Ziele an‐
gelangt,
sich selbst erkennt und in sich
selbst das Heiligtum gewahrt, in dem die
Gottheit wirkend sich bezeugt als sein
le‐
bendiger Gott. ‒
*
.Versunken in die Finsternis des «Tieres»,
erkannte einst der Menschengeist
sich
selbst und sein Geschick in fahlem
Bilde
und stellte dieses Bild aus sich heraus als
Mythos. ‒
Gar spärlich war dieser Strahl des inneren
Lichtes und dennoch ließ er jenes Weges
ersten Anfang finden, der den Geist des
Menschen aus des «Tieres» Banden, wieder
zu sich selber führt.
Die wenigen, die diesen Weg erkannten, fan‐
den in früher Vorzeit schon ‒ wenn auch
nur tastend und erahnend ‒ in sich empor
zu jenem
wesenhaften Lichte, das sich
niemals völlig von dem Menschengeiste
scheiden konnte, ‒ fanden des Weges
Ziel:
‒ erlebten
in sich selbst ihren
leben‐
digen Gott, auch wenn sie solches Erleben
nur irrig zu
deuten wußten. ‒
Es ist auch hier nicht die
Deutung, die des
Erlebens Wert bestimmt, sondern allein des
Erlebens
Wirklichkeit!
Die aber solchen Erlebens Wirklichkeit
nicht innewurden, schufen sich aus den
Kräften des «Tieres» ein
äußeres Licht,
und all ihr Streben war darauf gerichtet,
diesem Lichte, das die äußere Nahrung des
gehirnlichen
Denkens braucht, stets neue
Nahrung zuzuführen, so wie man das Öl auf
den Docht der Lampe gießt. Allmählich
brannte dieses Licht sodann für viele
viel
zu hell, als daß sie noch nach jenem
in‐
neren Lichte, das allein des
Geistes Weg
erhellen kann, Begehr getragen hätten...
So ging selbst das Wissen um jenes inneren
Lichtes
Dasein den allermeisten
völlig
verloren, und viele, die noch darum wuß‐
ten, achteten es mehr und mehr
gar sehr
gering, geblendet von dem grellen Schein
der Leuchte, die sie sich selbst geschaffen
hatten um die
Außendinge zu erhellen.
Die Finsternis, die ringsum sie umgab, ließ
dieser Leuchte Schein so hell erstrahlen, daß
sie nicht glauben konnten, eines anderen
Lichtes zu bedürfen...
.Auch heute sind gar viele von diesem
äußeren Lichte geblendet, so daß es ihren
Augen schier als
allen Lichtes Inbegriff
erscheint.
Jedoch die
Seele bleibt bei diesem äußeren
Lichte stets in
Dämmerdunkel und nicht
für alle Zeit läßt sich der Seele banges Rufen
überhören. ‒
So wird gar mancher doch an seines selbst‐
geschaffenen Lichtes Allgewalt im Laufe sei‐
nes Lebens irre und sucht auf oftmals wun‐
derlichen Wegen jenes
innere Licht zu fin‐
den, von dem ihm Kunde aus der Vorzeit,
und das Wissen derer, die es in sich selbst zu
finden wußten, sagen.
So mancher alte
Mythos wird befragt, ob
er nichts sagen könne von der Weise,
wie
dieses
innere Licht
erlangbar sei, und
dem Geheimnis alter
Kulte sucht man auf
die Spur zu kommen, um hier vielleicht be‐
lehrt zu werden.
.Zwar sind nun
Mythos sowohl, wie
alles, was noch an Resten alter
Kulte lebt,
erfüllt von Wissen um die rechte Art, in der
das innere Licht erfahren werden kann, je‐
doch man sucht auch hier stets nur von
außen her, im Lichte seiner selbstgeschaf‐
fenen Leuchte. ‒
So führt auch
dieses Suchen nur zu
äußer‐
lichen Dingen, und ihre
Deutung gibt
dem
Irrtum Zuwachs. ‒
.Es könnte mancher
Mythos deutliche
Fingerzeige geben, wüßte man ihn zu be‐
trachten, wie einst die Wissenden ihn be‐
trachtet wissen wollten: ‒
als Bild eines
inneren und innersten Geschehens
im Menschen selbst...
Vor allem aber kann hier jeder letzte Rest
von
Kultmagie, der noch erhalten oder
auch nur durch Berichte alter Schriften noch
erkennbar ist, die Augen öffnen, will man die
Art und Weise finden, wie das innere Licht
aufs neue zu erlangen ist. ‒
.In aller Kultmagie ist Äußeres dem Inne‐
ren
vereint und
durch das Äußere wird
Innerstes erreicht. ‒
Das Äußere ist ihr niemals
um seiner
selbst willen da!
Die kultischen Gebräuche mögen äußerer Be‐
trachtung wohl an sich
genügen: was ihre
Schönheit, ihre
Wirkung auf die Sinne,
ihre
Kraft des Ausdrucks anbelangt, ‒
allein dies alles ist nur
Mittel um das
In‐
nere des Menschen zu erreichen, damit es
fähig werde, in sich selbst das
Allerinner‐
ste in eigenem
Erleben zu erfahren. ‒ ‒
.Hier ist die hohe Lehre aufgezeigt, die
aus den Resten alter Kultmagie auch noch
dem Menschen dieser Tage werden kann!
Hier gilt es zu erfassen, daß alles
Äußere
dem
Inneren verbunden ist und darum nie‐
mals anders als nur
bruchstückweise sich
erkennen läßt, solange man es nur von
außen her beleuchtet! ‒ ‒
Hier gilt es zu erfassen, daß ein jegliches Ge‐
schehen in der
Außenwelt zurück auf die
Innenwelt wirkt! ‒ ‒
Hier gilt es zu erfassen, daß auch des Men‐
schen
Alltagsleben sich zur
Kultmagie
erheben läßt, wenn er in allem seinem Tun
bestrebt ist, auf sein
Inneres in
solcher
Weise einzuwirken, daß dieses Innere all‐
mählich zum
Erwachen kommt! ‒
.Noch sind nur Seltene sich der Verant‐
wortung bewußt, die sie für jeden leisesten
Gedanken, jedes
Wort und jede
Tat in
dieser Außenwelt zu tragen haben...
Die Allermeisten wissen nicht ‒ und manche
wollen es nicht wissen ‒ daß
Worte und
Gedanken für die Wirkung in das
Innere
des Menschen fast
gleichen Wertes sind
wie die vollbrachte
Tat, und daß sie stets
durch all ihr
Denken,
Reden oder
Tun
nicht nur ihr
eigenes Inneres in guter oder
übler Weise formen, sondern auch der Innen‐
welt der
anderen entweder zum
Segen
werden oder zum
Fluch...
.Hier möge jeder, der diese Worte liest,
sich selber fragen, ob er hinfort sein ganzes
Wirken so gestalten will, daß es ihm selbst
und allen, die in seiner Mit- und Nachwelt
leben, zum Segen werde! ‒
Nur wenn er solchen Willens ist, wird er die
Vorbedingung schaffen, die
von ihm selbst
allein geschaffen werden
kann und die von
ewigem
Gesetz gefordert wird, soll sich das
innere Licht ihm offenbaren! ‒ ‒ ‒
.Gar viele sind des eitlen Glaubens, sie
müßten «große Dinge» tun in dieser Außen‐
welt, damit ihr Wirken ihnen selbst und an‐
deren ein Heil erwirke, das meistens nur in
ihrem eigenen Wahn als «Heil»
erscheint,
‒ zuweilen aber auch, selbst schon in dieser
Außenwelt, mehr
Unheil ist als Heil. ‒ ‒
Sie achten sehr auf solches Tun, das
allen
sichtbar wird, doch sind sie weit davon
entfernt, ihr Denken, Reden oder Handeln
dort zu zügeln, wo sie es vor der Welt
ver‐
borgen glauben. ‒ ‒
So fühlen manche sich berufen, ganze Völker
zu beglücken, obwohl sie selbst nur Sklaven
ihrer eigenen Gedanken sind.
.Wahrlich, ‒ wer solcherart noch sich
selbst betört, darf
nicht erwarten, daß das
innere Licht ihm werden könne!
Wer es erlangen will, wird all sein Tagewerk
‒ sei es nun weithin sichtbar oder still ver‐
borgen ‒
verantwortungsbewußt voll‐
bringen müssen, ‒ sich selbst bewahrend
vor dem Wahn, daß
jene Taten nur zu
zählen seien, die dereinst in Chroniken ver‐
zeichnet werden. ‒
Und führte ihn sein Lebensweg zu einem
Wirken, das für
Viele in der Außenwelt
Verantwortung zu tragen hat, so lasse er
erst recht sich nicht verführen, jene
an‐
dere Verantwortung gering zu schätzen, die
ihm obliegt bei
allem Alltagstun, auch
wenn es so verborgen ist, daß nie ein Anderer
darum weiß!
.Was die Magie der alten Kulte nur für
Feierstunden zu bewirken wußte: ‒ die
Einwirkung des äußeren Tuns auf
unsichtbare Kräfte ‒ das wird dem Su‐
chenden, der jenen freien Höhenweg, den
ich ihm zeige, zu betreten weiß, zur Heili‐
gung des ganzen Erdenlebens werden! ‒ ‒
Er wird durch all sein Denken, Reden
oder Tun sich magisch wirkend wissen,
und wird gar bald erkennen, daß nichts in
dieser Außenwelt geschehen kann, das
ohne Wirkung bleiben könnte im Bereich
des Unsichtbaren.
So wird er seine Seele zum Erwachen brin‐
gen und in sich selbst erfühlen, daß ihm ‒ je
nach seines Strebens Inbrunst ‒ eine Gei‐
steshilfe nahekommt, von deren Dasein er
vordem kaum wußte, oder deren Wirken ihm
vor seinem Selbsterleben, außer aller Mög‐
lichkeit zu liegen schien, so daß er jede
Kunde, die ihm davon sagte, in das Reich
der «frommen Fabeln» wies...
Durch solche Geisteshilfe wird er sich auf
seiner Bahn alsdann geleitet wissen, bis
seine Seele so bereitet ist, daß sie des
inne‐
ren Lichtes endlich
teilhaft werden
kann...
In diesem
inneren Lichte wird er dann
sich selbst für alle Ewigkeit geborgen fin‐
den, und allen seinen letzten Fragen nach
des Menschendaseins Sinn wird unbezweifel‐
bare Antwort aus dem eigenen
Erleben
kommen...
*
.Der Menschengeist, der sich in dem un‐
gestüm heischenden «Tiere» der Erde selbst
verloren hat, bleibt dennoch für alle Zeit
seiner geistigen Urheimat verbunden, auch
wenn er nicht darum weiß.
In dichtester Verfinsterung wird ihm zu Zei‐
ten stets ein zarter Strahl des
Lichtes wie‐
derkehren, aus dem er einst sich selbst durch
eigene Willensabkehr löste. Es sind nur we‐
nige Sekunden jeweils, die ihn wie Erinne‐
rung an längstgeträumte Träume noch er‐
ahnen lassen, daß er von Ewigkeit her
An‐
deres ist als dieses «Tier» der Erde, dem er
hier sich so verhaftet fühlt, daß er ihm seinen
ewigen
Namen gab. ‒
Aus solchen wenigen Sekunden wird ihm
dann der Drang,
sich selbst im Erdentiere
wieder aufzufinden.
.Gewohnt, allein des «
Tieres» Kräften
zu vertrauen, beginnt er so sein Suchen nach
sich selbst in
gleicher Weise, wie er
die
Dinge dieser Erde zu ergründen sucht.
Notwendig muß er die Erfahrung machen,
daß all sein Suchen nach sich selbst auf
solche Art
vergeblich bleibt und nur die
Dunkelheit
verdichtet, die ihn vordem
schon umgab. ‒
Wü
rde
Hilfe ihm nicht, die
allein hier
helfen kann, ‒ die Hilfe aus der
Urheimat
des Geistes, dargeboten durch die hohen
Helfer die dazu verordnet sind, ‒ so müßte
der Mensch daran verzweifeln, jemals
sich
selbst, als den
ewigen Menschengeist,
im «Tiere» dieser Erde wieder zu finden, und
den Dämon dieser Erde ‒ den «Fürsten der
Finsternis» ‒ zu bezwingen...
.Die sanften Strahlen uranfänglichen Lich‐
tes, die ihn zu Zeiten erreichen, vermögen es
wohl, in ihm die
Sehnsucht nach dem
Lichte zu erwecken, allein: ‒ noch läßt sich
die
Fessel nicht lösen, die das «
Tier» um
den Menschengeist, der in und mit ihm lebt,
zu schlingen wußte. ‒
Noch wird sich der Mensch der
Weite seines
Geistes, noch wird er seiner Höhe und
Tiefe nicht bewußt, denn was er bis hierher
seinen «Geist» zu nennen pflegte, ist nichts
anderes als sein gedankliches Bewußtsein
um sein tierisch-irdisches Erleben. ‒
Hier aber findet er sich eingeengt in viel‐
facher Bindung, so daß er alles was nicht
gleicher Bindung unterworfen ist, als außer
sich und über sich empfindet. So schafft er
sich seinen Gott und seine Götter, auf daß
sie Träger seien dessen, was seiner Erd‐
gebundenheit sich scheinbar nicht vereinen
läßt, und noch nicht erkannt wird als des
eigenen, ewigen Wesens Inbegriff...
So schafft er sich seinen Mythos ohne vor‐
erst auch nur zu ahnen, daß er nur die Ge‐
schichte seines eigenen Daseins dar‐
zustellen weiß. ‒
So schafft er aus dem Mythos sich den Kult,
und wird sich nicht bewußt, daß hier das
Erdentier, gezwungen sich dem Menschen‐
geiste endlich zu beugen, nur eine Ausflucht
fand, um seine Herrschaft doch in dieser
Form zu wahren...
.Wü
rde der Mensch erkennen
wer er ist,
dann wäre es um des «Tieres» und des Erden‐
dämons Macht in ihm geschehen, ‒ so aber
stellt er sein Bestes
über sich hinaus und
fühlt sich nur um so mehr in des «Tieres»
und seines kosmischen Despoten Gewalt.
Die
Leuchtenden des Urlichts, die
einst den Kult zur Kult-
Magie erhoben,
suchten zwar ihre irrenden Menschenbrüder
solcherart aus dieser Macht des «Tieres» zu
erlösen, doch viel zu fest hält diese Macht
den Menschengeist gebunden, als daß er je‐
mals sich ihr ganz entwunden hätte.
Der
größte Liebende ging über diese
Erde und lehrte klaren Wortes, daß dem
Menschen «alle Gewalt» gegeben sei, des
«Tieres» und der dämonischen Kräfte
Herr
zu werden und aller selbstgeschaffenen Götter
Herrlichkeit in sich zurückzunehmen, ‒
allein man verstand nicht seine Lehre und
formte sie in solcher Weise um, daß man im
«Tiere» zwar fortan den «
Feind» erblickte,
doch einen Feind, den man zwar
foltern, aber
niemals
gänzlich überwinden könne.
Erstickt ward jegliche Regung, sich des
«Tieres» Kräfte zu
einen und als des «Tie‐
res»
Herr sich seiner zu bedienen, wie man
ein Lasttier braucht, das man zwar gut bei
Kräften hält und wohlernährt, doch sicher
dorthin lenkt, wo es dem Eigner Dienste
leisten soll...
.Die Kunde von des hohen Meisters Le‐
benstagen ward zu einem neuen
Mythos,
der alsbald auch einen
Kult zu tragen hatte,
geformt aus
Überresten alten kulti‐
schen Besitzes, denen man aus Worten die
der Meister
hell und
klar gesprochen hatte,
willkürlich
dunkle, eigener verworrener
Erkenntnis angepaßte
Deutung gab. ‒
Bedeutsam aber bleibt auch heute noch, was
so entstanden ist, da es die Reste alter
Kult‐
magie verwahrt, die sonst verloren wären.
Unzählige sind noch in heutigen Tagen nur
durch diese Reste alter Kultmagie dem
Gei‐
stigen verbunden und
Geisteshilfe weiß
sie zu erreichen, sei auch die eigentliche
Quelle solcher Hilfe ihren Augen dicht ver‐
hüllt durch jene bilderreichen Schleier, die
der Mythos ihres Glaubens, wunderlich und
arabeskenhaft verschlungen, um alle letzte
Wirklichkeit zu weben weiß...
Nicht denen, die in solcher Art Ge‐
nüge finden, gelten meine Worte!
Sie mögen zu bewahren suchen was sie haben,
und dürfen immerhin gewiß sein, daß der
Weg den ihres Glaubens Lehre sie zu gehen
heißt, zwar oftmals «Umweg» ist und sie
durch dunkle Gründe leitet, jedoch zu‐
letzt, wenn sie das Reich der bloßen Bilder
einst durchwandelt haben, das höchste
Ziel dennoch erreichen läßt, ‒ so sie auf
diesem Wege, voll des gläubigen Ver‐
langens, letztlich nach dem Geiste stre‐
ben. ‒
Anderen aber gilt meine Rede!
Jenen Anderen, die keine Kultmagie er‐
reicht, da sie der Deutung die der Kult er‐
heischt, sich längst entwachsen wissen, auch
wenn sie noch erfühlen, was wie ferner Glok‐
kenklang aus dieses Kultes Liturgien tönt,
als letztes Zeugnis längst dahingegangener
Geschlechter. ‒
.Der Weg den ich zu künden komme, läßt
den Suchenden der ihm vertraut, das Land
der
Wirklichkeit erreichen, ohne seinen
Blick durch jene Mauern einzuengen, die ein
furchtgeborener Glaube angstumschnürter
Herzen zu errichten wußte... Wer immer
diesen Weg betritt, wird
in sich selber
sichere
Führung finden, so er nur selbst
sich solcher Führung
würdig macht durch
eine
Willenswandlung, die da
alle seine
Seelenkräfte
einigt in unwandelbarem Stre‐
ben nach dem höchsten Ziele. ‒
Wer aber diesen Weg betritt, wie er auch vor‐
dem andere Wege fruchtlos zu erforschen
strebte ‒ sei es um der Neugier willen, oder
um sein
erdenhaftes Wissen zu bereichern
‒ der wird
allein gelassen werden und gar
bald des Weges rechte Spur
verlieren!
Desgleichen duldet dieser reine Höhenweg
die Füße dessen nicht, der noch das «Tier»
in sich nicht zu
bezwingen wußte, mag er
auch seiner Seele Kräfte allem Hohen dienst‐
bar machen wollen...
Hier ist kein
Paktieren möglich mit des
«Tieres» nimmersatten Trieben, und keine
Folge triebversklavten Handelns läßt sich
tilgen! ‒ ‒ ‒
.Das «Tier» im Menschen wird ihm täg‐
lich tausend gute Gründe bringen, seiner
Triebe scheinbar «gutes Recht» zu wahren.
Des «Tieres» Stimme wird mit holden Wor‐
ten schmeicheln, ‒ wird geflissentlich den
Menschen zu betören suchen, als sei «belang‐
los», was er ihm gewähre, bleibe seiner
Seele
Sehnen nur auf
Geistiges gerichtet...
Es sucht das «Tier» mit allen Listen seine
Macht zu wahren und duldet selbst
Ver‐
achtung und Verachtung seiner
Wünsche,
wenn der Mensch um diesen Preis nur sich
ihm ergibt. ‒
.Wer
aber den Weg, der ihn zur
Selbst‐
erkenntnis führen sollte, nicht im Wege
zur
Vernichtung enden sehen will, der hüte
sich, des «Tieres» Stimme zu vertrauen!
Er sei gut zu dem Tiere und wisse ihm zu
sagen: «Wahrlich, ich danke dir, du mein
Tier, daß du solcherart stark in mir bist,
allein deine Kraft sei nun allein in
meiner
Macht! ‒ Wisse: du sollst mir
gewandelt
werden, und gefügig mir fortan
dienen als
deinem
Herrn!» ‒
.Wie Donnerschlag ist solches Wort dem
«Tiere», so daß es daran
sterben muß, ‒
jedoch, wie eine ekle Raupe zwar
als Raupe
stirbt, um dann
als farbenreicher Falter
zu erstehen, so ist auch des «Tieres» Sterben
nur vonnöten, damit es zu
neuer Art des
Lebens ‒
geläutert und durchlichtet
in sich selbst ‒ gewandelt werde...
Der aber ehedem ein
Höriger des «Tieres»
war, ist dann sein
Eigner und es
dient
ihm willig aus seiner
erneuten,
hochge‐
wandelten Kraft! ‒ ‒
Im
gleichen Leibe geschah sein «Sterben»
und sein Auferstehen, und doch sind
alle
Atome dieses Leibes geistig
erneut!
.Wer solcherart das «Tier» in sich zu
wandeln weiß, den wird des «Tieres» Leben
nicht mehr hindern können.
Dem Leben des
Geistes wird es sich völlig
einen!
Wie das Gehäuse der Laute Resonanz dem
Klang der Saite gibt, so wird der
tierische
Leib dem Menschen
dienen, seines
Gei‐
stes Kraft zu voller Entfaltung zu bringen.
Es wird fürderhin nur der
Geist alle Herr‐
schaft üben!
Ausgelöscht ist des «Tieres»
Eigenwille,
der vordem des Geistes
Feind und steter
Widersacher war...
.Nun erst ist die Gefahr beschworen, die
einem Jeden stetig droht, der sich vermißt,
zur Höhe aufzusteigen, bevor das «
Tier» in
ihm
erstarb und wieder ihm
erstand, in
heilig hehrer
Wandlung hingegeben nun
des Geistes Willen! ‒ ‒
.Zwar hat es zu jeder Zeit auch Menschen
gegeben, die, ihrer Geistigkeit bewußt, zu
hohen Stufen vorgedrungen waren,
ohne des
«Tieres» sichere Eigner zu sein, allein, ‒
man lasse sich durch hohen Erdenruhm nicht
täuschen.
Kein einziger aus ihnen hat sein
höch‐
stes Ziel erreicht auf dieser Erde,
kein
einziger aus ihnen erlebte während dieses
Erdenlebens in sich selbst, in seinem Aller‐
innersten, seinen
lebendigen Gott! ‒ ‒
Wohl hat ihr Geist in herrlich hohen Worten
sich bekundet, allein sie selber blieben stets
im Zwiespalt bis zum Ende! ‒
.Wer dieser geistig Hochgelangten weise
Worte in sich aufzunehmen weiß, tut wohl,
doch wahrlich darf er nicht ihr
Leben sich
zur Richtschnur dienen lassen, wenn er zum
Vollbewußtsein seiner
höchsten Daseins‐
form im
Göttlichen gelangen will! ‒ ‒ ‒
Gar mancher Mensch, der in Verborgenheit
sein Leben lebte und dessen Name keine
Kunde nennt, hat unbeschreiblich Höheres
erreicht als auch der Größte derer, die zwar
hohe Geistesstufen zu ersteigen wußten, aber
nicht vermochten, aus des «Tieres» Fesseln
sich zu lösen...
.Nur dort, wo das «Tier»
verwandelt
und vollkommen dem Geiste
geeinigt
wurde, ‒ nur dort werden die Geheimnisse
nicht mehr nur
geahnt, sondern in klarem,
wachen, eigenen Erleben
erlebt! ‒
Solchem Erleben aber kann jede
Seele erschlossen werden.
Es bedarf dazu nicht des Glaubens an einen
Mythos, noch ist ein
Kult dazu vonnöten,
der aus einem Mythos erwuchs.
.Wird
Kult in seiner höchsten Form zur
Kult-
Magie, so läßt sich von des Erden‐
menschen
Alltagsleben sagen, daß es erst
lebens-
wert und lebens-
würdig wird, so‐
bald der Mensch erkennt, daß all sein Tun ein
magisches Geschehen auslöst, mag er
darum wissen oder nicht...
Erst dann ist die
höchste Form des Lebens erreicht, wenn
alles
Denken, Reden oder Tun
bestimmt wird
durch das Wissen um die Wirkung in der
unsichtbaren Welt des
physischen Ge‐
schehens, und weiter: durch das Wissen um
die Wirkung jeglicher
Impulse auf die
eigene
Geistsubstanz. ‒ ‒ ‒
.Von
außen her wird hier auf Erden alles
Innere erreicht!
Von
außen her allein vermag der Mensch
sein Inneres zu
formen, auf daß es fähig
werde,
Allerinnerstes dann in sich selber
zu
vernehmen!
Es gibt nichts Äußeres,
das hier ge‐
ring zu achten wäre! ‒
.Bewußtseinsfremd geworden seiner Ur‐
heimat im Geiste, findet der Menschengeist
sich nunmehr nur bestätigt durch sein Den‐
ken, Reden oder Tun in dieser
Außenwelt,
und nur
von hier aus kann er füglich auch
zurückgelangen zu
sich selbst.
Alles
Äußere muß ihm zum Mittel werden,
sein
Inneres wieder zu erreichen! Nur so
macht er von aller Außenwelt den rechten
Gebrauch: ‒ er, dem sein eigener Körper auf
dieser Erde schon «Außenwelt» ist! ‒
.Man ruft in diesen erdgefesselten Zeiten
nach dem «neuen Mythos», und man meint
im Grunde den neuen
Kult...
Nicht eher aber wird der neue Kult der
Menschheit werden, als bis
Magie in ihrer
heilighöchsten Form
alles Erdenleben
durchlichtet hat. ‒
Die geistige
Daseinswirklichkeit des
Menschen wird dann an die Stelle des
Mythos treten, und aus dem
Leben wird
die kommende
Kultmagie erstehen! ‒
*
ENDE
DAS BUCH
DER
KÖNIGLICHEN
KUNST
ENDGÜLTIGE GESTALTUNG NACH DEN
UNVOLLENDETEN AUSGABEN VON 1913 BIS 1920
BÔ YIN RÂ
IST DER DICHTER, PHILOSOPH UND MALER
JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1932
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
.Es ist Torheit, zu glauben, das Zeugnis
höchster Erfahrung der Erfahrensten einer
Rasse sei
in dem Schrifttum eines Volkes
dieser Rasse zu finden.
.Es ist noch größere Torheit, unbedenklich
anzunehmen, man brauche nur alle Texte
eines solchen Schrifttums säuberlich zu über‐
setzen, um dadurch die Lichtsplitter, die sich
in ihm verfangen haben, der eigenen Rasse,
‒ dem eigenen Volke, ‒ zu retten.
.Gewiss: ‒ solange die Erde sich um die
Sonne dreht, kam Lichtesaufgang allem Irdi‐
schen
aus dem Osten, ‒ und vom aller‐
ersten Anfang menschlicher Selbstfindungs‐
versuche an waren die erfahrensten Finder
im Osten zu finden.
.Unsäglich Weniges aber nur von ihren
Funden ging in das Werk der Völker ihrer
Rasse ein. ‒
.Geheimgut blieb, ‒ selbst für die „hei‐
ligen Schriften”, ‒ das, was jederzeit Ge‐
heimnis bleiben wird Allen, die es nicht
selbst
in sich erfahren!
.Solche
Erfahrung in der ihm gemäßen
Weise zu erlangen, soll dieses Buch den Er‐
lebenden lehren.
.Die hier gegebenen Lehren gründen in
den Felsgründen ewiger Wirklichkeit.
.Aber diese Lehren sind nicht Selbstzweck
und wollen keine „Dogmen” schaffen, son‐
dern nur nötige Erklärung.
.Erst wenn sie zu
innerer Erfahrung
führten, hat sie der Suchende sich zu eigen
gemacht. ‒
SUCHST DU DAS LICHT,
SO WISSE:
DASS DEIN WEG BEHÜTET IST
DURCH DIE LEUCHTENDEN
IM EWIGEN TAG!
.Ich will dir vom Wege sagen, den ich
selbst gegangen bin!
.Ich will den Weg dir zeigen, zu dem
ich selbst
geworden bin!
.Ich war der Sonne so nahe gekommen,
daß sie den ganzen Himmel bedeckte.
.Alles stand in Flammen, über und unter
mir.
.Ich war
Wanderer auf dem Wege ins
Licht, und ehe ich es versah, war ich
Weg
geworden ohne Wahl...
.Zum Wege geworden aber, schoß ich wie
ein Pfeil ins Ziel: ‒ verbrannte mich selbst
in der glühenden Sonne.
.So ward ich selber Glut und Leuchten.
.Mich selbst verzehre ich in meinem
Feuerlicht: ‒ wie könnte ich anderes wollen,
als daß Alles zu Licht und Feuer werde!
.Alle Sonnen brennen im selben Licht!
.Wer zur Sonne verbrannte, ist mit
allen
Sonnen vereinigt. ‒
.Du weißt nicht,
welcher Sonnen Licht
in meinem Lichte dir leuchtet!
.Ziehe nicht Grenzen der Willkür!
.Im Lichte
verschwinden alle willkür‐
lichen Grenzen. ‒
.Suche das
Licht in den
Sonnen und
die Sonnen in ihrem
Licht!
.Liebe ein wenig das
Licht in allem
Leuchten, ‒ du Suchender!
.Willst du dem Lichte
nahen, so gib
den Widerstand auf!
.Alles in dir ist noch
Widerstand!
.Alles in dir ist noch
Rede: ‒ darum
hörst du nicht...
.Alles in dir ist noch
Blick: ‒ darum
kannst du nicht
sehen....
.Gebiete dir selber Schweigen und halte
die Blicke gesammelt, damit
die Stille
Einkehr bei dir halte!
.Nur in der lautlosen
Stille vernimmst
du das ewige Wort! ‒
.Noch aber sind tausend Widerstände in
dir, die gegen ein anderes Tausend streiten.
.Noch bist du nicht frei in dir selbst!
.Noch bist du nicht wunschlos willig, mit
mir deinen Pfad zum Lichte zu wandeln.
.Der „
Anfang”: ‒
das
Ursein, ‒ zeugt
aus sich das
Urlicht, und das Urlicht zeugt
das
Wort.
.Das Wort aber hat das
Licht des Le‐
bens, und das Licht
leuchtet im Wort,
das den „
Vater” zeugt: ‒ den Urgeist‐
Menschen, ‒ in der tiefen Stille der Ewig‐
keit, die heute ist, wie sie allzeit war und
immerdar bleibt.
.Was wir dir aus dem
Wort verkünden,
ward nicht von Menschenhirnen ersonnen...
.Es ist Aufschluss der
Ewigkeit und hat
nichts mit
erdachter Erdenweisheit zu
schaffen.
.Was du hier empfängst,
ist Licht
aus dem Wort!
.Im Wort sind wir alle, denen du diese
Worte dankst,
vereint in Erkenntnis
und Bewußtsein.
.Wir schaffen geistgesetzte
Ordnung
durch das
Wort: ‒ im Chaos der Spie‐
gelbilder, die sich bedrängen und verdrän‐
gen auf der Oberfläche stetig bewegter, in
Alleräußerstes strebender Kräftewellen.
.Wenn wir
lehren, lehren wir
uns selbst
erkennen.
.Nur in
vorgelebter Lehre kann man
dir
lebendiges Licht vor Augen stellen,
ohne dich durch seinen Urglanz zu blenden.
.Willst du zum Lichte, so mußt du
glau‐
ben lernen!
.Glauben heißt:
Kraft entfalten, um
höhere Kraft zu
erwecken.
.Gläubige
Worte allein schon
können
Kraftentfaltung sein, aber in Worten
allein
sollst du nicht glauben lernen.
.Glaube ist Wille!
.Nach deinem
Glauben wird dir
ge‐
schehen wie du
gewollt!
.Wie dein Glaube, so sind deine Kräfte!
.Nur deine
eigene Kraft löst alle
hö‐
heren helfenden Kräfte für dich aus!
.Wenn du zum Lichte willst, lerne
beten!
.Wenn du betest, so bitte vor allem um
Flügel! ‒
.Siehe: es gibt Flügel, die
höher tragen
als Adlerschwingen...
.Es gibt Flügel, die dich über alle Sterne
tragen.
.Um
solche Flügel bitte, wenn du beten
willst!
.Ein jedes andere Gebet wird Lästerung,
wenn du in dir nicht auch zugleich um
diese Flügel bittest. ‒ ‒
.Wer um Flügel
bittet, dem werden
wahrlich auch Flügel
gegeben...
.Indem du fliegen
willst, werden dir
Schwingen
wachsen!
.Noch während du betest, wirst du
er‐
hoben sein!
.Und nun, du Suchender, zerstö
re die
falschen Götter, willst du dem
Einzigen,
Ewigen nahen: ‒ deinem
lebendigen
Gott!
.Dein Gott ist
in dir selbst, und
nur
in
dir selber kannst du seiner innewerden!
.Nur
in dir selber kann er sich dir ge‐
bären...
.Nur
in dir selber sich dir vernehmbar
machen!
.Du sollst keinen „Gott” suchen
außer
dem Gotte in dir!
.Du sollst keinem
anderen „Gotte”
die‐
nen wollen!
.Höre die uralten,
irrig gedeuteten
Worte!
.Höre sie
neu im Verstehen!
.Höre mit bebendem Herzen: ‒
.„
ICH” ‒ „bin der Herr!” ‒ spricht
dein Gott...
.„Du sollst keine
anderen Götter su‐
chen!” ‒
.„Du sollst dir keine
Vorstellung ge‐
stalten, um dir selber einen „Gott” zu
schaffen, der als monströses Zerrbild deiner
selbst in
nur durch dich bedingtem Da‐
sein wäre, bis du selbst dem Irdischen ent‐
schwunden bist! ‒ ‒ ”
.Hier,
o Suchender,
stehst du vor
aller Wahrheit Anfang und niemals
endendem Ende!
.Wohl dir, wenn du erkennst, was dir
die Worte dessen, dem sein Gott einst also
sprach, ‒ zu sagen haben. ‒
.Mit Absicht gab ich dir hier dieser Worte
ewigkeitsgezeugten
Sinn!
.Wir wollen einen bedeckenden Schleier
über alle Worte werfen, die in den letzten
Menschenaltern wechselnd als unsere Äuße‐
rung galten.
.Es wird so besser sein, denn Vieles braucht
zarte Schonung, was wir rücksichtslos durch‐
jäten müßten, wollten wir in aller Lehre
das, was wir zu säen wußten, von allem Un‐
kraut säubern.
.Unsere geistig „jüngeren” Menschen‐
brüder ‒ und Schwestern ‒ rechnen mit weit‐
aus
kürzeren Zeitenfolgen als wir.
.So fühlten sich manche dazu berufen,
dem Werke nachzuhelfen, das wir zu wirken
haben.
.Wie würde das Tempo unseres Wirkens
diesen „Ungestümen ohne böse Absicht” erst
mißfallen, wüßten sie, daß wir heute noch
am Anfang unseres Werkes stehen, und
kaum begonnen sehen, was ihnen längst
schon als abgetan erscheint...
.Wir streuen Samen auf gepflügtes Land.
.Es kommt auf
euch an, ob der Samen
keimen kann! ‒
.Sehet zu, daß ihr naschhaften Vögeln
wehrt die Körner zu verzehren, bevor sich
Wurzeln und Halme bilden können!
.Hütet, was man euch anvertraut!
.Es müssen viele
im Dunkel sitzen und
viele müssen
im Schatten wohnen, denn
die Tage sind
finster: ‒ sie fressen das
Licht.
.Denen aber, die auch
des Nachts wa‐
chen, wird die Sonne am mitternächtigen
Himmel aufgehen!
.Zu diesen werden Arbeiter in die Ernte
kommen um die Ähren zu Garben zu binden!
.Danach werden weißgekleidete Hirten
kommen und mit Flötenspiel ihre Herden
sammeln!
.Dann wird jeder, der Führung sucht, den
Führenden finden!
.Der Führer aber wird ihn leiten, durch die
ehernen Tore und den Wüstenweg, zu
den Höhen von Himavat!
.Dort ist die Sonne
im Lichte ertrunken
und die Erde hat ihre Schwere verloren.
.Dort ist der Himmel ewiger Feuerbrand und
alle Sterne glühen hell in seinem Licht.
.Alles, was brennreif ist, wird dort zu
Feuer
und ewigem
Leuchten...
.Vieles aber ist grün noch und wasser‐
geschwängert.
.So
widersteht es dem Brande, ‒
wächst,
verwelkt und
verfault. ‒ ‒
.Sicher ersehen die ewigen Väter des Licht‐
feuers Nahrung.
.Sterne um Sterne entzünden sie in der
leuchtenden Glut...
.Höre! ‒
Entbrennen,
Glühen,
Leuch‐
ten, oder: ‒
Verfaulen, ‒ ‒
eines da‐
von ist dein Los!
.Suchst du dem zu entrinnen, so betrügt
dich nur eigene Torheit!
.Du hast nur
die Wahl in der Hand!
.Wer seine eigene Meinung
ewiger Got‐
tesweisheit gleich zu achten wagt, der steht
dem
Werk im Wege, das wir hier auf Erden
wirken müssen.
.Er lästert das
Licht, das die Erde durch‐
leuchtet, und sündigt gegen den
Geist aus
dem er selber lebt.
.Wehe dem Menschen, der seine
Ge‐
danken solcherart frevelnd an Stelle des
Wortes setzt!
.Ehe die Welten wurden, war das
Wort
und in ihm das
Licht als des Wortes
Er‐
kennen.
.Nicht im
Denken wird dieses Erkennen
dem Menschen erfahrbar, denn das Denken
ist nur des Wortes
Diener.
.Wer immer die leuchtende Gabe des
Herrn empfangen will, der gebiete dem
Diener
Schweigen!
.Wir wirken das Werk des innersten
Ostens: ‒ das Werk des lichten Tages der
Ewigkeit.
.Wir sollen die Seelen
dem lebendigen
Lichte öffnen.
.Wer Führung sucht, die Keinen in die
Irre führt, der möge unsere Worte bei sich
im Herzen verwahren!
.Wir aber werden ihm nahe sein, auch
wenn er auf der anderen Seite der Erde lebt.
.Wir sind in dieses Erdenleben geboren
als Abgesandte der Söhne des Urlichts: ‒
der Väter des
Lichtes im Wort...
.Durch uns ward, seit Jahrtausenden im‐
mer erneut, das Licht im
Wort den Men‐
schen
menschlich erkennbar, ohne die
Augen der Sterblichen zu blenden.
.Wir leben im Fleische das Leben der
Ewigkeit.
.Wer durch uns auf den engen Pfad geleitet
wird, der zu unserem Reiche im Geiste führt,
der geht seinem eigenen
Sein im Ewigen
entgegen.
.Wir führen zu den Sternen ewigen Lebens,
die eins sind mit uns ‒ aus
wesenhaftem
Lichte
geboren ‒ im Lichte
lebend, das
von Urbeginn
war, das allzeit
ist und
nie‐
mals verlöschen kann.
.Wir sind
sehr Wenige, die wir diese
uralte
Einheit des Willens auf Erden
ver‐
körpern.
.Viele aber sind wir
mit denen, die
vor uns die gleiche Bürde trugen, ‒ mit
denen, die sie
nach uns tragen werden.
.Wir sind weder durch Volkstum und
Nation, weder durch Landessprache, noch
durch räumliche und zeitliche Entfernung
getrennt, oder jemals zu trennen, auch wenn
in jedem aus uns die irdischen Eigenschaften
seiner Rasse erhalten bleiben.
.In uns selbst beten wir an, was
durch
uns sich offenbaren will...
.Wir haben darauf
verzichtet, noch
Anderes zu sein, als
Seine Offenbarung in
der Welt der Sichtbarkeit.
.Wir sind
absolute Einheit in uns selbst,
und unser erdenhaft Verwesliches ist uns
nur
Werkzeug in der Welt des Werdens
und Vergehens.
.Wir haben uns alle nicht dazu
gedrängt,
zu werden, was wir ohne davon zu wissen,
waren, und bewußt nun
sind.
.Vor Urzeiten wurden wir erwählt, durch
die Einzigen, die erwählen
können, und
nahmen die Pflicht des Erwählten auf uns
wie eine schwere, heilige
Last.
.Jeder aus uns denkt mit Entsetzen an
den Tag zurück, der ihm das irdische Wissen
brachte um die Pflichten und Verant‐
wortungen, denen er im Geistigen schon seit
Jahrtausenden dargeboten war...
.Wo immer einer der Unseren lebt, dort
ist einer unserer geistigen Tempel.
.Keiner aus uns gibt durch sein Wort
etwa nur auf subjektivem Erkennen
allein
gegründete Lehre.
.In dem Worte des
Lehrenden sprechen
alle Wirkenden aus dem ewigen Urlicht
in Ver-
einung.
.Vergeblich würde man
einen aus uns,
von seinen geistgeeinten Brüdern je zu
sondern suchen!
.Man kann auch keinen aus uns lösen
von den Anderen durch den Tod, denn alle
leben wir
ineinander, einer den Anderen
durchdringend, ‒ ob wir nun noch im
Erdenleib sind, oder ob wir ihn abgelegt
haben.
.Wir haben Denken und Schauen über‐
stiegen und fanden das Reich der einfach‐
sten Zeichen: ‒ das Land der
Wirklichkeit.
.Dort leben, und von
dort aus
wirken
wir,
im Innersten vereint, auch wenn
Tausende von Meilen überwunden werden
müßten, wollten wir in unseren Erden‐
körpern zueinander kommen.
.Wer zu
einem aus unserem Kreise geistig
Zutritt fand, der hat einen
Tempel des
Geistes auf dieser Erde betreten...
.Wir wollen die
Herzen der Menschen
erreichen, damit die Herzen den Pfad zum
Geiste finden, der allem Denken der Gehirne
unauffindbar bleibt, solange ihn das
Gei‐
stige des Menschen nicht zu finden wußte.
.Die Auswahl leitet
geisterwachsenes
Gesetz, das nicht zu beugen, nicht zu
brechen ist.
.Keinem aus uns steht es frei, einen Je‐
den, der da kommen mag, auch in den
geistigen Bezirken sich zu vereinen.
.Der Strom muß dem Meere nahe
sein,
soll er des Meeres Schiffe schon
tragen können. ‒ So auch muß der Such‐
ende bereits
bereitet sein, zu
über‐
nehmen, was wir ihm zu geben haben.
.Einem Jeden der geistig zu uns kommt,
kann zwar auf die ihm gemäße Weise
Hilfe,
und in bestimmter Art auch
Führung wer‐
den, soweit ihm Hilfe wirklich von Nutzen
sein wird, und soweit er Führung schon
zu entdecken weiß, wenn sie auch nur seinen
Alltag lenkt. ‒
.Die Führung auf den
höchsten Höhen‐
wegen aber dürfen wir
dem nur bieten,
den wir
am Ende des Pfades durch die
Wüsten dürren Denkens finden, aus seiner
eigenen Kraft.
.Ihn allein hat das Gesetz dazu
bestimmt
die höchsten Höhen geistiger Erkenntnis
zu erreichen.
.Jeder Andere würde nur
tief zu Falle
kommen, wollten wir ihn in geistiger Füh‐
rung auf die Hochpfade geleiten, die nur
den allerwenigsten aus allen gleichzeitig
Lebenden auf dieser Erde gangbar sind. ‒
.Es liegt uns ferne, die keusche Weis‐
heit, deren erwählte Priester wir sind, vor
dem lüsternen Auge der Neugier zu ent‐
schleiern.
.Wir selbst verwirren durch geistigen Ein‐
griff alles, was
ohne oder
gegen unseren
Willen dann und wann durch
Unberufene
vernommen wurde, damit es nicht zum Scha‐
den derer führen kann, die wahllos Lehre su‐
chen wo die Wahrheit sich nicht finden läßt.
.Nach jeder Kunde, die ein Nichtgerufener
sich zu erschleichen wußte, sind wir gezwun‐
gen, die Mauer des Schweigens zu erhöhen,
die um das Heilige gezogen ist, da das Ge‐
setz des Geistes solchen Schutz
verlangt,
wir aber das Gebot
erfüllen müssen.
.Man hat euch in alter und neuerer Zeit
gar vieles gegeben, das denen
nicht ge‐
hörte, die es euch brachten.
.Lernet erwachend erkennen, wie das Ge‐
setz des Geistes solche Gaben immer wieder
zu vernichten weiß, um nicht das ursprüng‐
lich Gute zur Nahrung keimenden Unheils
werden zu lassen!
.Nur was
wir selber den Seelen geben,
verantworten wir im Geiste als unser auf‐
getragenes Werk.
.Glaubt nicht, daß ihr im
irdischen
Osten, ‒ ja selbst an den Hängen des
Himavat, wo die geheiligten „Schwäne” an
den Ufern der höchsten Tempelteiche nisten,
‒ der reinen, lichtlebendigen Weisheit
des
geistigen „Ostens”: ‒ des
Sonnen‐
aufgangs in der Seele ‒ etwa
näher
wäret!
.Nicht alles, was vom geographischen
Osten kommt, ist deshalb Licht vom Lichte
des
geistigen Ostens! ‒
.Auch der sengende Wind dürrer Speku‐
lationen, wie der Fieberhauch wüstesten
Aberglaubens, wehen vom Osten her.
.Die größte
Torheit und die höchste
Weis‐
heit finden sich im irdischen Osten. ‒
.Das
Licht aus dem innersten
geistigen
Osten aber ist
ewige,
kosmische Weisheit!
.Wir wissen
jedes Volk und
jeden Ein‐
zelnen ohne Umwege zu erreichen.
.An den so Erreichten liegt es
allein,
ob das, was wir zu geben haben,
aufge‐
nommen wird, oder zu uns zurückkehrt,
wie wenn es abgeprallt wäre an hartem
Stein...
.Suchet, und ihr werdet ‒ gefunden!
.Doch
dieses Suchen nötigt euch nicht,
auch nur aus dem Hause zu gehen. ‒
.Nur
in euch selbst sollt ihr
suchen
und nur
in eurem Allerinnersten wird
man euch zu
finden wissen.
.Glaubt nicht, daß eitle Mystagogen, die
euch in Hörigkeit haben möchten und dar‐
um ähnliche Macht sich anzudichten ver‐
stehen, jemals solches vermögen!
.Glaubt nicht, daß wir, die
allein zu
solchem Finden
fähig sind, dabei
Anderes
wahrzunehmen vermöchten, als was euch
im geistlebendigen Lebenskern auf
höchste
seelische Weise bewegt!
.Wir kennen keine Neugier, und sehen
geistig nur was
lichtempfängnisfähig ist
in euch.
.All' unser Tun ist nur darauf gerichtet:
‒
Licht zu entzünden, wo es
aufgenommen
wird.
.Hütet, was wir euch vertrauen!
.Es ist
Licht aus dem innersten Osten!
.Das Licht, das ewig
ist und ewig
sein
wird, leuchtet zwar allenthalben in der
Finsternis, aber die im Finstern Träu‐
menden erkennen es nicht.
.Siehe: ‒
noch bist
du selbst nur
dein
Traum, ‒ du, der sich selbst als
Licht
im Urwort
erkennen lernen soll! ‒
.Niemals warst du
wirklich in der
Finsternis, die du dir träumend
schaffst,
denn was du auch immer als finster emp‐
finden magst, hat in der Wahrheit keinen
Bestand.
.Du warst
Licht vom
Anbeginn, der
niemals Vergangenheit werden kann,
weil er in Ewigkeit
Gegenwart ist! ‒
.Leuchten
wollen sollst du in dir selbst,
auf daß du deine Lichtesfülle erkennst, ‒
und
erwachen sollst du aus dem Traum der
Finsternis!
.Heute noch bist du des Traumes
Sklave.
.Morgen schon kannst du vielleicht er‐
wachen, und dein Tag wird ewig sein!
.Keine Nacht wird dir dann die Fülle
des Lichtes mehr rauben können!
.Aus eigener Willenswahl: ‒ durch dei‐
nen
Glauben an die
Nacht, ‒ bist du zu
einem Traum der Finsternis geworden. ‒
.Nun sollst du deine Finsternis, in glei‐
cher Weise, durch den
Glauben an den
Tag erhellen, damit
Licht in dir werde
und dein Traum ein Ende finde.
.Nimm dich in acht vor deinen Träumen,
denn die Geister des Traumes sind herrsch‐
süchtig und tyrannisch!
.Leicht können sie dich
länger im Schlafe
halten als du schlafen müßtest, und dann
verschläfst du deinen Tag und mußt bis
zu einem anderen Tage
warten...
.Noch suchst du im Traum ‒ in leerem
starren Nichts über Wolken den
Einen,
der nur
in unzählbaren Einzelnen sich
offenbaren will.
.Siehe, ‒ Er wohnt auch in dir und
spricht:
.„
Ich bin in ihrer Mitte,
doch sie ver‐
nehmen nicht mein Wort,
denn meine
Stimme ist sanft wie ferner Vogelruf!”
.Lerne darum die Welt der
Vorstellung
scheiden von der Welt der
Wirklichkeit!
.Die
Vorstellung muß überwunden wer‐
den, aber
nicht die
Wirklichkeit der Welt,
die auch „ein Gott” nicht wirklich über‐
winden könnte...
.Suche nach der
Einfalt des Kindes
in dir, wenn du
Geistiges erkennen ler‐
nen willst!
.Meide alle
erdachte „Weisheit”!
.Fliehe die Welten, die nur dein
Denken
dir erstehen läßt, und die mit deinem letz‐
ten Hirngedanken wie ein wirrer Spuk
zerstieben!
.Verlasse die Welt der wechselnden
Vor‐
stellung, wie sie
nur in deinem Kopfe
lebt und west!
.Das ist „
die große Entsagung”!
.Das ist der Anfang des Schreitens auf
dem Pfade, bei dem der Wanderer all‐
mählich selbst
zu wahrhafter Wirklich‐
keit gewandelt wird.
.In heiliger Ordnung waltet das Gesetz
des geistigen Geschehens.
.Soll das
Licht aus dem
Wort die Her‐
zen der Menschen erreichen, so muß es zu‐
vor die Farbe der Erde zeigen.
.Wir sind nicht
das Licht, sondern des
Urlichtes Leuchtende!
.In uns wird dem Lichte der Ewigkeit
die Farbe der Erde!
.Vertraue dem Leuchtenden, der dir zum
geistigen Führer wird in dir selbst, aber
liebe in ihm allein das Licht, das ‒ ihn
durchflutend ‒ sich dir nahen will.
.Befreie deine Seele von jedem Bilde
sterblicher Formen, wenn du das
Licht
durch ihn empfangen willst!
.Was in dir wirken will, ist nicht der
Erdenmensch, durch den des Lichtes Strah‐
len dir
erkennbar werden, sondern
das
Licht im Wort.
.Nennst du den dich Leitenden: ‒ „
Mei‐
ster”, so wisse, daß nur
Einer „der Mei‐
ster” ist
in jedem aus uns!
.Wir sind, was wir sind, um euch zu
helfen.
.Nichts anderes will das Gesetz von uns.
.Wir sollen Kräfte in euch
erwecken,
durch die eure Herzen aller Finsternis ent‐
rissen werden: ‒ Kräfte, die in euch selber
sind! ‒ Kräfte, die euch
zu Bewußtsein
kommen müssen, wenn ihr sie gebrauchen
lernen wollt!
.Wir sollen euch
zu euch selber führen!
.Wir sollen das ewige
Licht des Wortes
in euch entzünden!
.Wir sollen das
Wort in euch zum Wider‐
klang bringen!
.Wir aber können
nichts für euch tun,
wenn
ihr keine Hilfe
wollt!
.Wir können euch nicht helfen, wenn
ihr nicht unerschütterlich wenigstens an
die
Möglichkeit geistiger Hilfe glaubt, so
wie ein Seefahrer glaubt, auf der anderen
Seite des Meeres festes Land zu finden.
.Wir sind
Menschen der Erde wie ihr,
und müssen wie ihr den Zoll an die Erde
entrichten.
.Wir
wirken als Menschen der Erde und
wissen Irdisches wahrlich zu
achten.
.Aber wir wissen auch um das
Voll‐
kommene, als um das ewige
Ziel, dem
alles Geistgeborene ewig
zustrebt ohne es
jemals
erreichen zu können.
.Wä
re die absolute Vollkommenheit je‐
mals
erreichbar, so würde im Augenblick
des Erreichens jegliches Leben enden, und
nur durch ihre Unerreichbarkeit gibt sie
allen Ewigkeiten stets neuen Lebensgrund.
.Vollkommen ist nur der ewig unendlich‐
fältige
Eine, der sich in unzählbarer Ge‐
staltung im
Ursein,
Urlicht und
Urwort
ewig neu als sich selbst erlebt...
.Glaube nicht irregeleiteten Schwärmern
wenn sie dir etwa sagen: es könne jeder,
der es begehrt, zum Leuchtenden des Ur‐
lichts werden.
.Es gibt leider nur allzuviele, die gerne
bereit sind, jeglichem Worte zu glauben,
wenn es nur ihre zehrende Eitelkeit be‐
tört, ‒ und die dann mit allem gierenden
Streben nicht weiter gelangen, als bis zur
Zerstörung ihrer ureigenen Lebensbahn...
.Wer nicht als Leuchtender im Urlicht
schon
geboren wird, nachdem er
seit Jahr‐
tausenden bereits
im Geiste war, was
er nunmehr auch hier
im Erdenleben
sein soll, der wird nur vergeblich jemals
zu „
werden” suchen, was er nicht vom
Geiste her längst
ist.
.Suchet nicht, was euch nicht selber sucht!
.Ihr könnt sonst gar leicht recht teuf‐
lischen Selbsttäuschungen erliegen.
.Die Menschen, denen die Natur ihre
Siegel öffnen muss, sind zu jeder Zeit so
selten, dass nur pathologische Vermessenheit
den törichten Glauben nähren kann, man
gehöre vielleicht zu dieser verschwindend
kleinen Zahl.
.Wer
wirklich dazu gehört, der weiß
es im irdischen Bewußtsein erst dann, wenn
ihm durch den Leiter seiner Bewußtseins‐
erziehung die Kräfte zum geistigen Wirken
auf Erden übertragen wurden.
.Vorher ist kein Erdenmensch fähig, die
unerhörte Belastung seines Bewußtseins,
auch nur einen Augenblick lang ertragen
zu können ohne daran zu zerbrechen, ‒
die mit dem Erlebnis der Identität des ir‐
dischen Selbsterlebens mit einem unfaßbar
weit älteren, individuell gestalteten vorge‐
burtlichen Leben im ewigen Geiste natur‐
notwendig verbunden ist.
.Der hier auf sicherem Boden fußt, weiß
sich frei von allem Geltungstrieb von Jugend
auf.
.Er hat seine Aufgabe niemals selbst er‐
sehnt.
.Im Geiste aber war er dafür bereitet
worden ehe er geboren wurde, und als er
seine Zeit erreichte, fanden die Väter
im Urlicht ihn vollendet wie man eine reife
Frucht am Baum findet.
.In seinem Erdenleben strebte er vielleicht
zu Zeiten streng nach
Weisheit, allein er
war gewiss unendlich weit davon entfernt,
geheime Kräfte sich zu wünschen.
.Wohl suchte er in Demut
Führung,
doch er erstrebte sicher nicht die Weihe, die
ihm nachmals wurde, ohne daß er vordem
darum wußte, daß sie Einzelnen im Erden‐
leben Schicksal sei.
.Selbst wenn er von Ähnlichem
hörte,
galt es ihm nur als Sagenstoff oder Gebilde
allzu erregter Phantasie.
.So ward er Meister in dem, was er ohne
es zu ahnen, von Geburt an war...
.Macht über
okkulte Kräfte, wie sie
menschliche Märchenlust geistiger Meister‐
schaft allezeit zuschrieb, galt aber jederzeit
jedem wirklichen Leuchtenden des Urlichts
nur als verächtlich und keineswegs erstrebens‐
wert.
.Ihr habt gehört, daß es Mittel und Wege
geben kann, solche abenteuerlichen Kräfte
zu erlangen?
.Es wäre wahrlich für euch besser, ihr
wüßtet von solchen Dingen
nichts!
.Den Allermeisten die danach strebten
wurden solche Kräfte
zu Schlingen, und
traurig war das Schicksal derer, die in diesen
Schlingen hängenblieben.
.Wer okkulte Kräfte
als Berufener
meistern soll, der wird in langen Jahren
der Vorbereitung durch einen Berufenen
zu ihrer sicheren Beherrschung und Abwehr
geschult. Selbst dann noch können sie ihm
zum Verderben gereichen.
.Die in harter Erziehung erlangte Macht,
durch die allein okkulte Kräfte zu
beherr‐
schen sind, verpflichtet den der Macht ein‐
mal Sicheren zu steter
Betätigung seines
Könnens, und rächt sich furchtbar, wenn
der Wille
auch nur einmal erlahmt.
.Ein Moment des Zögerns, und des Zwei‐
felns an der eigenen Macht, kehrt alle Kräfte,
denen sie gebieten kann, gegen den Be‐
schwörer, und bringt Unheil mit unüber‐
sehbaren Folgen.
.Wahnsinn und geheimnisvoller Tod sind
noch nicht die schrecklichsten Wirkungen,
die solcherart entstehen können.
.Schuld trifft dann
den, der diese Macht
in Hände gab, die nicht für sie geschaffen
waren.
.Kein wirklicher geistiger Meister würde
sich mit solcher Schuld beladen, obwohl er
wahrlich die hier Macht gewährenden Prak‐
tiken bis ins kleinste
kennt.
.Wirkliche Geistesmacht steht unbe‐
schreiblich hoch über
allen okkulten Fähig‐
keiten irgendwelcher Art.
.Der Schüler, den ein geistiger Meister
zum Sohn annimmt muß ein Mensch sein,
der vordem im Willen der Erde sich selbst
„gestorben” ist und nun im Willen Gottes
lebt, in dem er „geboren” wurde.
.Was dann der Meister tut, besteht einzig
darin, daß er aus Gott den Menschen leitet,
Gottes Wille in sich zu benützen und ihm
sich anzugleichen, was freilich oft wunder‐
same Wirkung haben kann.
.Die Erde der Menschen ist dann des
erwählten Sohnes Arbeitsfeld, und das Reich
des ewigen Willens seine Heimat.
.Wer hingegen nach okkulten Kräften
strebt und sie durch äußere Übung zu be‐
meistern sucht, ist erst in das schwüle Däm‐
merland verderblicher Wünsche und gefahr‐
voller Versuchung gelangt.
.Magie im
höchsten Sinne, als die
König‐
liche Kunst der Geistgeeinten, hat mit
diesem Dämmerland allerdings
nichts ge‐
mein!
.Die wahre Wunderkraft der Königlichen
Kunst ist nur
des Gottesgeistes nie be‐
siegbarer Wille...
.Der Mensch besitzt Anteil an diesem
Willen in sich selbst, sobald er sich un‐
widerruflich
dem Willen der Erde in sich
versagt.
.Wer aber dem
Willen der Erde
sich
entziehen will, der darf nicht glauben,
nun auch „
der Erde entsagen” zu müssen. ‒
.Weltverneinung ist Torheit!
.Weltverneinung ist der narkotische
Trank schwächlicher Seelen,
die der
Wirklichkeit entwischen zu können
glauben...
.Durch Weltverneinung wirst du gerade
am engsten
dem Willen der Erde ver‐
haftet, denn: ‒
was dich die Welt „
ver‐
neinen” heißt, ist nur
der unbefriedigte
Wille der Erde, nicht aber des
ewigen
Geistes sieghaft starker
Urkraftwille,
dem alles durch ihn im Dasein Erschienene
dienen muss, und dem
nichts widerstehen
kann. ‒
.Dem Willen der Erde kannst du dich
nur
entziehen durch
aktive eigene Willens‐
haltung.
.Der Erde aber
entsagen wollen, ver‐
langt nichts anderes von dem Entsagenden,
als
müde Passivität.
.Die
Flucht aus der Welt ist wahrlich
nicht als aktives Handeln zu werten, und
in den allermeisten Fällen ist sie nur folgen‐
schwere Auswirkung psychophysischer Stö‐
rung, vereint mit dem Trieb zu überstei‐
gertem Selbstgenuß.
.Töricht sind sonderlich alle „Ich”-Ver‐
ächter, denn sie wissen nicht,
was sie ver‐
achten.
.Wenn sie sagen: „
Bekämpfe in dir
dein
Ich!” ‒ so raten sie dir
schlecht!
.Lösche „
Ich” aus, und
Alles ist aus‐
gelöscht, ‒ denn alles
Sein und alles
Scheinen ist nur
durch „
Ich”,
für „
Ich”
gewirkt: ‒ wird
wirkend nur
in „
Ich”
empfindbar...
.Du kannst „
Ich” nicht auslöschen, wenn
du auch aus allen Kräften zu einem
Nicht‐
„Ich” werden möchtest.
.Ewig ist das
Ur-„Ich”, das ewig dich
aus sich erzeugt.
.Nicht eine Sekunde wärest du im Da‐
sein, würde diese geistige Zeugung auch nur
während einer
Millionstel-Sekunde dich
nicht im Dasein wollen. ‒
.Sage denen, die da behaupten, in ihnen
sei „Ich”
erloschen: ‒
.„Nicht
ihr seid
Nicht-„Ich”
geworden,
sondern eure Torheit glaubt nur an dieses
Unwesen eurer
Ein-
bildung!”
.„Ihr
unterdrückt zwar, was „Ich” ist
in euch, aber ihr könnt „
Ich” nicht töten!”
.„
Irrig habt ihr die Worte der Weisen
verstanden, denn der Weise ist „
Ich” von
Grund auf! ‒ Alles in ihm ist
untertan
seinem „Ich”! ‒ ”
.„
Was ihr aber
abtun sollt, ist: ‒
das
Angenommene!”
.„
Ich”
bist du, o Suchender, von
Ewig‐
keit her, auch wenn du deine eigene Iden‐
tität noch nicht in der ewigen Spirale
geistiger Aufeinanderfolge
erkennst!
.Alles, ‒ außer „Ich”, ‒
ist zeitweilig
angenommen! ‒
.Du verteidigst zwar das Angenommene,
als sei es dein
Eigentum, ‒ aber alles,
was an-
genommen ist, gehört dir nicht von
deinem Urgrund her
zu eigen!
.Alles, was
angenommen ist, wird dir
wieder
genommen!
.Unzähliges Angenommene ist dir schon
unzählige Male wieder genommen
worden...
.Dein „eigener”
Körper ist nur
an-
ge‐
nommen in dieser Welt der ‒ Annahme. ‒
.Du aber
bist „Ich”! ‒
.„Ich” ist
einmalig,
einzigartig und
unzerstörbar in
jeder seiner Emanationen!
.„
Auflösung” des „Ich” ist
unmöglich!
.Was man wohl der Kürze halber so
nennt, ist ein sehr komplizierter Vorgang
der Bewußtseinszerstörung, bei dem das
vorher „Ich”-
vereinte Bewußtsein sich
löst
vom „Ich”, und somit sein ewiges „Ich”
verliert.
.„Ich”
ist unerklärbar, denn „Ich” ist
absolute Einheit, ‒ „
Licht an sich”,
und
vollendete Klarheit.
.Scheinbare Klarheits-
Differenzie‐
rung im „Ich” ist nur Wirkung der
Bewußt‐
seinsbewegung, die du
wahrnimmst
im „Ich”.
.„Ich”
ist ewig aus Ur-„Ich”
gezeugt
und
bleibt ewiges
Zeugnis ewiger Zeugung!
.Zerstören kannst du nur
dein Bewußt‐
sein um dein unzerstörbares „Ich”. ‒ ‒
.Geistig bewußt werden aber kannst du
nur, indem dein Bewußtsein
Aufnahme
findet in „Ich”, so, wie „Ich”
im Geiste
lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit...
.Nicht anders wird der „
Vater”, nicht
anders das „
Urwort”, nicht anders das
„
Urlicht” erkannt und geliebt, als im
„
Ich”!
.Dieses aber bist du: ‒ du jedesmal
einziges „Ich”, ‒ wenn du Alles von dir
abgetan hast, was nur
Angenommenes
ist! ‒ ‒
.Suche
nicht außen, du Suchender,
was nur
im Innersten lebt!
.Nie und nimmer kannst du
außen
finden, was du suchst!
.Nie wirst du
wissen um „Ich”, wenn du
nicht vorher „Ich”
im Innersten deines
Innern gesucht und
gefunden hast!
.Du wirst „
Ich” jedoch nur dann
fin‐
den in dir selbst, wenn du
geistig nüchtern
bleibst und dein Bewußtsein nicht beirren
läßt durch Gaukelspiel, wie es
deine und
Anderer Phantasie so reichlich darzubieten
hat. ‒
.„Ich” ist nur
einmal in dir im Dasein,
‒ aber Unzähliges sucht sich in dir zu
behaupten, indem es unter diesem Namen
dir verbirgt, daß es nur Angenommenes ist.
.Wie steht es aber um die hohe Gemein‐
samkeit der geistigen Lehrer?
.Wie gelangst du zu ihnen, die dich vom
Geiste her helfend führen, wenn du „außen”
nicht suchen sollst?
.Was sollen dir diese Worte hier, die
doch von
außen her dich erreichen müssen,
wenn du nur
in deinem Allerinnersten
die Führung erwarten darfst?
.O Suchender! ‒ Diese geistige Führer‐
schaft ist dir sehr nahe und du weißt es
nicht! ‒
.In dir
wirkt sie und
in dir bist du mit
ihr verbunden, ohne die Spur der Ver‐
bindung zu ahnen.
.Du könntest im äußeren Leben auch
Tage und Nächte lang mit einem der gei‐
stigen „Meister”, wie man die Leuchtenden
des Urlichts zu nennen pflegt, in
einem
Raume
zusammen leben, und du würdest
ihn doch nicht als das, was er ist, erkennen,
denn gut hat der
eine Meister, der uns zu
geistigen Meistern
schuf, unsere Meister‐
schaft vor trübsichtigen Augen verhüllt...
.Wenn du aber
sehend unserer Geistes‐
gemeinschaft nahen willst, so achte darauf,
in dir selbst
die geistige Atmosphäre zu
erreichen in der wir leben, ‒ wir, die wir
selber sehend wurden durch das
eine ewige
Auge, dem kein irdischer Sinn entspricht.
.Nicht eher wirst du innerlich uns ver‐
nehmen, als bis zu jenem Tage, der dich
zum erstenmal in innerster wunschloser
Stille, voll
Sicherheit und vertrauender
Furchtfreiheit findet!
.Äußere Ruhe nützt dir dabei nur wenig.
.Je reicher du
beschäftigt bist in deiner
Alltagswelt, ‒ je intensiver du die
Arbeit,
die dein Tagewerk von dir verlangt, zu för‐
dern weißt, ‒ desto näher kommst du in
deinem Innern der geistigen Atmosphäre,
die uns Lebensnotwendigkeit ist, und in
der
allein die unstörbare
Stille herrscht,
die du erreichen mußt. ‒ ‒
.Du liebst vielleicht die romantische Vor‐
stellung, wir „
Löwen der Stille”, wie man
uns nannte, seien müßige Träumer, phan‐
tastische Hierophanten, oder gar „Yogis”
von der zweifelhaften Sorte, die man an den
Märkten sieht?!
.Du glaubst, die
Klar-
Augen, denen die
Mythe aller Völker erhabene Einsicht dankt,
seien wohl Priester mysteriöser Kulte in
weihrauchdurchzogenen geheimen Krypten?!
.Du kannst dich nicht lösen von der Vor‐
stellung, wir seien irgend einem irdischen
Willen dienstbar, ‒ irgend einer macht‐
erstrebenden Religion oder Weltansicht
gemeinsam verhaftet?! ‒ ‒
.Wenn du, o Suchender, jedoch auf die
Spur der
Wahrheit finden willst, dann lass'
dich nicht täuschen durch die Gaukelspiele
deiner übersatten Phantasie!
.Wisse, daß unter den geistigen Meistern,
die auf dieser Erde wirkten,
Meister des
Schwertes sind!
.Wisse, daß andere die Geschicke großer
Länder lenkten!
.Einige aus uns pflegten hohe Künste,
andere hohe Wissenschaft, und wieder andere
flohen und fliehen jede Wissenschaft, jede
Kunst.
.Einige lebten in großen Städten inmitten
des Weltgetriebes ihrer Zeit, ‒ andere aber
hausten in ferner, unnahbarer Einsamkeit,
die auch heute noch fast aller Zuflucht blieb.
.Wechselnd im Wechsel der Zeiten, fin‐
den sich in gar
verschiedenen Situationen
menschlichen Erdendaseins unsere Spuren.
.Keineswegs aber sind alle aus uns ein‐
ander in
jeglicher geistiger Hinsicht
gleich,
und jeder einzelne behält die Freiheit der
Entscheidung, ob und wie lange er auf seiner
erreichten Stufe stehen bleiben, oder aber:
ob und wann er die darauffolgende ersteigen
will.
.Alle der Unseren aber hören immerdar
den Ruf, der sie berufen hat...
.Vielleicht würde nur Weniges deiner
übersteigerten Vorstellung von dem Wesen
gotteiniger Menschen entsprechen, könntest
du einen aus uns, die man „
Meister der
sieben Tore” zur Gottheit nennt, in seiner
irdischen Einkleidung erkennen!?!
.Jedoch: ‒ das Äußere ist dem Weisen
nur gültig als notwendig irdisch geforderter
Schein, und
jeder Schein ist an sich
trüge‐
risch, ‒ auch wenn er wahrlich nicht als
bloßes „Nichts” gewertet werden darf. ‒
.Wie sollten aber die „
Wolken der
Erkenntnis” das Land befruchten kön‐
nen, wenn sie nicht ‒ in eine Welt des
Scheines gesandt ‒ als Schein im Schein
zu wirken wüßten?! ‒
.Glaube aber nicht, daß du einem aus
uns
begegnen müßtest, um sein geistiger
Schüler werden zu können!
.„Von außen her” lehrt
keiner aus uns
die letzten Dinge!
.Was ich dir hier sage, kann dir wohl
Anstoß deines Willens werden, die Wahr‐
heit zu suchen, aber alle Lehre, die ich dir
in Worten meiner Sprache geben kann,
bleibt stets nur
Weckruf an dein Inneres,
denn die Weisheit des Himavat wird
anders
„gelehrt”...
.Sie ist
tiefer gegründet, als nur auf die
Auffassungsfähigkeit der
Gehirne!
.Tiefer als
alle menschlich vergänglichen,
irdisch veränderlichen Lehren und Schulen!
.Du kannst aber nicht im Innersten dei‐
nes Innern mit den lebendigen „
Steinen
der großen Mauer” leben, bevor du ge‐
wohnt bist, in
ihrer Luft, hoch über allen
Nichtigkeiten von vermeintlicher Wichtig‐
keit, und hoch über aller bramarbasierenden
Marktschreierklugheit zu atmen.
.Wie aber der Ton auf
allen Harfen im
Saale mitklingt, wenn der Finger des Spie‐
lers die Saite
einer Harfe berührt, so klin‐
gen alle heiligen Klänge für jeden Schüler
der geistig eingeordnet wurde, nachdem
er die „Stimmung” der „
Harfen des ge‐
weihten Berges” in sich erreichte...
.Dein innerer Zustand ist der Schlüssel,
der dir die Pforte öffnet zum geheimen
geistigen Tempelraum!
.Nichts kann dir verschwiegen, nichts dir
vorenthalten werden, wenn du diesen Schlüs‐
sel
wirklich dir erworben hast, ‒ der aber
auch
nur so lange aufzuschließen vermag,
solange du in dem durch geistiges Gesetz
geforderten Zustand
verharren wirst. ‒
.Suche aber nicht etwa Klänge in dir zu
hören, Visionen zu haben, oder Worte der‐
art zu vernehmen, als wenn sie von außen‐
her zu dir gesprochen würden!
.Prüfe dich selbst und bleibe seelisch wach,
damit du nicht Wahn- und Wunschträumen
zu willen wirst, wo du die
Wirklichkeit
erkennen lernen willst!
.Suche nichts,
außer dem Zustand
innerster,
wunschlos vertrauender see‐
lischer Stille!
.In dem gleichen Grade, in dem du dich
diesem Zustand näherst, wirst du dich
Denen
nähern, die
mit dir den Weg zur Wahrheit
geleitet werden, und ebenso wirst du dich
von ihnen entfernen, wenn du versäumst,
den Zustand allerinnerster wunschloser Stille
ungestört in dir
zu erhalten.
.Keine äußere Unrast kann diese hier
gemeinte Stille stören,
die nur
durch dein eigenes Verhalten allein
bestimmt wird in dir. ‒
.Suche nicht in seelischem Zwielicht nach
den geahnten Gefährten.
.Du kannst nur teilhaben an ihrer bereits
erlangten Kraft, und du wirst dieser Stär‐
kung deiner eigenen Kräfte gewiss bewußt
zu werden vermögen, ‒ doch um die mit
dir im Streben zum Geiste Vereinten weiß
nur der, dessen Schüler du bist, wie auch
jene seine Schüler sind.
.Grüble nicht, sondern sei dir nur stets
der ehrlichen Anspannung aller deiner
dir
bekannten inneren Fähigkeiten bewußt!
.Keinen Augenblick darfst du dich
selbst aus dem Auge der Seele verlieren!
.Du könntest sonst
den Weg verfehlen,
und würdest erst nach langer Zeit gewahr,
daß du
nicht mehr auf dem Wege bist...
.Wenn du zu denen gehörst, die auf dieser
Erde ihre Zeit nicht ungenützt versäumen,
dann wird dir
schon während dieses
Erdenlebens in deinem eigenen Innern
der strahlende Tag erscheinen.
.Dann wirst du allen Gefahren entronnen
sein, denn du wirst alsdann deinen Weg
aus deiner
eigenen Klarheit
erleuchtet
sehen.
.Doch heute darf deine Sorge gewiss noch
nicht jenem Tage gelten, dem du nur in
Geduld entgegenwachen lernen sollst!
.Du weißt es nicht,
wann er dir be‐
schieden ist, und
niemand weiß es...
.Du selbst bestimmst
deine Zeit, und
mußt „deine Zeit”
erfüllen!
.Es genüge dir das Wort, das ich dir
hier zu sagen habe:
.In der vollendeten Zeit wird auch
dir die Vollendung nahen!
.Alle Ungeduld trübt nur deinen Blick
und
verzögert dadurch das Werk.
.Ewig bist du,
und dein ist die
Ewigkeit!
.Beharrlich harre aus!
.Gelassen lasse das „Angenommene”!
.Du hast es nur gut zu
verwalten!
.Es ist keineswegs dein
Besitz. ‒
.Erstrebe täglich und stündlich den hohen
Zustand innerer
Stille, mitten im Lärm der
Außenwelt!
.Erfülle dich mit gläubigem
Vertrauen
und
halte dich frei von aller
Furcht!
.So kommst du im Geiste dem nahe,
der dich geistig leiten kann, ‒
so
wirst du im Geiste die hohe Gemein‐
schaft gewahr,
aus der er dich erreicht,
‒
so kommst du endlich zu dir
selbst in deinem lebendigen Gott!
.Hüte dich aber, du Suchender, vor
deinem eigenen Wankelmut!
.Hüte dich vor den Dornenhecken der
Zweifel! ‒
.Du ahnst vielleicht die Stätte des Lichtes,
so wie ein nächtiger Wanderer durch die
Frühnebel hindurch jene Stelle am Himmel
schon ahnt, an der das Tagesgestirn bald
aufleuchten wird.
.Zwischen dir und jener Stätte aber wurzelt
das Dornengestrüpp stets sich erneuernder
Zweifel...
.So viel du ihrer auch ausrotten magst,
so viele wachsen wieder aufs neue nach.
.Versäume deine Zeit nicht mit törich‐
tem Tun!
.Niemals ‒ auch nicht in Ewigkeit, ‒
würdest du vorankommen können, wolltest
du dich vermessen, die Dornenhecken der
Zweifel erst auszuroden! ‒
.Hier hilft allein dein beharrlicher
Mut.
.Kraftvoll und sicher schreite voran, auch
wenn deine Füße aus tausend Wunden der
Eitelkeit bluten!
.Dein Fuß muß
rein sein, wenn dich
der eine ewige Meister, der da Meister ist
in jedem aus uns, die klaren kristallenen
Wegstufen betreten lassen soll, die zu den
Hallen der Anbetung im Geiste und in der
Wahrheit führen.
.„Rein” wird dein Fuß erst dann, wenn
er
in deinem eigenen Blute gereinigt
wurde...
.Tausende haben den Weg zum Lichte
gesucht und blieben in den Dornenhecken
der Zweifel hängen, weil der Suchenden
selbstische Eitelkeit es nicht zuließ, daß sie
weiterschritten, ohne die Dornen vorher
entfernen zu können.
.Du, o Suchender, sei nicht diesen gleich!
.Du bist geborgen, wenn du der ewigen
Sonne vertraust, deren Strahl dir im Lichte
meiner Worte leuchtet...
.Fühllos für alles, was dich zurückhalten
möchte, strecke du deine Hände aus nach
jenen hilfreichen Händen die du nun
vor
dir siehst!
.Schweigend folge dem dich Führenden,
der von sich sagen kann:
.„
Ich suche das Licht nicht mehr,
denn ich selbst wurde leuchtend!”
.„
Ich suche den Frieden nicht mehr,
denn ich selbst wurde Friede!”
.„
Ich suche kein Wissen mehr,
denn
ich wurde selbst unvergängliches Wis‐
sen!” ‒
.Beziehe alles Gute auf Gott!
.Wiege dich aber nicht in der eitlen
Vermessenheit so vieler, als ob Gott dir
auf jede Frage
antworten müsse.
.Frage getrost, und freue dich, wenn dir
Antwort
wird, ‒ aber
beruhige deine
Fragelust, wenn dir die Antwort nicht zu‐
fällt
noch während du fragst!
.Die Wunden, die dir die
Zweifel reißen,
sind nötig für das Wachstum deiner
Glau‐
benskraft.
.Fliehe nicht feige, was dir als Hindernis
erwächst, damit es dich festhalte bis deine
Kraft erstarkt ist zum Weiterschreiten!
.Wähne nicht, daß du berufen sein könn‐
test, für dich selbst und Andere alle Hecken
der Zweifel zu lichten, wie deine Eitelkeit
gerne dir zuraunen wird.
.Erst wenn du die Zweifel
lieben lernst,
wirst du dich vor ihnen zu hüten wissen!
.Erst wenn
kein erreichtes Ziel mehr
deinem Geltungswillen neue Nahrung
schafft, wirst du befähigt befunden, das
höchste der Ziele zu erreichen...
.Schweigen muß deine Seele lernen,
wenn das Licht ihr nahen soll!
.Schweigen wird deiner Seele
tiefster
Ruf nach Erleuchtung sein!
.Schweigend geht deine Seele dereinst
dann in das ewige Leuchten ein!
.Je besser du innerlich
schweigen lernst,
desto näher wirst du den Einsichten kom‐
men, die deine Seele ersehnt.
.Die tiefen Einblicke in die Bereiche
wahrer
Wirklichkeit öffnen sich nur
dem,
der in sich selbst zur
Ruhe kam, weil er
das innerliche Schweigenkönnen zu er‐
lernen wußte!
.Unter tausend Masken ist es aber immer
wieder deine
Eitelkeit, die deine innere
Ruhe stört durch immer neue
Fragen,
denen keine Antwort werden
kann, solange
du nicht
in der großen Stille bist...
.Erst wenn du
innerlich zu schweigen
weißt, kommst du in der Stille deiner Seele
zu der Antwort, die dich auf ewig erlöst!
.IN DEINER SEELE IST EINE KLEINE
PFORTE, ‒ KLEINER ALS EIN SON‐
NENSTÄUBCHEN.
.WER SIE DURCHSCHREITET, KANN
IN FERNE LANDE REISEN OHNE SICH
AUS SEINEM HAUSE ZU ENTFERNEN.
.DIE ÄLTESTEN ZEITEN KANN ER
AM HEUTIGEN TAGE ERLEBEN.
.NUR WENIGE ABER WISSEN SICH
SO KLEIN ZU MACHEN, DASS SIE DIESE
WINZIGE PFORTE BEWUSST DURCH‐
SCHREITEN KÖNNEN...
.Im Tempel angelangt, in dem ihm die
Weihe werden sollte, fragte der Schüler
den Meister:
.„O sage mir doch noch, du Sicherer,
dem ich so lange schon mich anvertraue,
was du vor dir selber bist in deinem
Wissen um dich selbst, ‒ du, der du alles
in dir zu bemeistern weißt und von nichts
mehr bemeistert wirst!?
.Ist das, was du bist, noch im
Menschen
beschlossen, oder hast du in dir selbst ein
Anderes gefunden, dem der Mensch nur als
Maske dienen muß? ‒”
.Und der Meister sprach:
.„
Ich bin, wie du, ein
Mensch, ‒ aber
was ich war,
bevor mir meine Mutter Leib
und Leben dieser Erde gab, das wurde ich
hier erst, nachdem ich
den Schlaf des
Menschen dieser Erde überwunden hatte.
.Dann erst wurde ich der Meister meiner
ewigen Kräfte auch hier auf Erden, als ich
den erdbedingten
Schlaf bezwingen lernte,
in dem die Menschen dieser Erde sich ihr
Leben zu erträumen trachten.
.Fragst du mich nun, was ich bin, so
kann ich dir nur sagen:
.Ich bin ‒
ich selbst, und
nur ‒ ich
selbst!”
.„Du selbst?” ‒ stammelte fragend der
Schüler...
.„Du selbst? ‒ ‒”
.„Wie soll ich das deuten?! ‒ ”
.„
Mein wissensdurstiger Schüler”, ant‐
wortete darauf der Meister, ‒ „wie vieles
hast du bereits von mir gehört, und wie
vieles könnte ich dir noch zu sagen haben,
‒ aber wie vieles muss ich dir dennoch
ewig verschweigen, wenn du es nicht
aus
dir selber dir zuerst zu sagen weißt! ‒ ‒
.Wirst du mehr um mich wissen, wenn
ich dir nun sage:
.Ich bin Herr meiner ewigen Kräfte, denn
ich bin dieser ewigen Kräfte
Selbstkraft
geworden?
.In mir sind sie nun ihrer selbst bewußt,
und in meinem Willen wissen sie sich allein
gewollt...”
.„So sage mir
von den Kräften, deren
Selbstkraft du bist, o Großbeseelter!” ‒
bat darauf der Schüler.
.Und der Meister sprach:
.„Höre, du Suchender nach dem Licht,
und verstehe in deinem Herzen!
.Wenn ihr schlafenden Menschen nach
der Weise der Erde sagt: ‒ wir sehen die
Welt durch das Auge, wir fühlen oder tasten
sie, und unser Ohr gibt von ihr Kunde,
dann redet ihr von einem kleinen
Teile
der Welt, der euch mehr oder weniger er‐
kennbar wird.
.Ich aber weiß
das Ganze und
lebe be‐
wußt in ihm...
.Ich sehe, höre und fühle
mehr wie ihr!
.Ich lebe
in der ganzen Allwelt, die
aus Welten, der euren gleich, gebildet ist
und alles, was ist, in sich umfaßt.
.Ineinander verwoben, ‒ einander durch‐
dringend, ‒ sind
alle Welten
am gleichen
Ort.
.In eurer Welt
verborgen, ‒ verhüllt
durch eurer Welt sichtbare Formen, ‒
steht die Welt der geistigen Kräfte, denen
ich Selbstkraft aus dem Geiste bin.
.Urschöpferisch, aber auch: ‒
durch
Schöpfung zerstörend, ‒ wirken diese
Kräfte.
.Ohnmächtig sind sie aus sich allein, da
ihnen alle Impulse fehlen, sich aus Eigenem
auszuwirken, aber die Selbstkraft eines Ein‐
zigen, der ‒
er selbst ‒ ist, erfüllt sie
mit Antrieb zum
Selbsterleben, und so
werden sie zu geistig gewollten Gewalten...
.Die Macht dieser Gewalten fühlen alle,
die hier auf Erden leben, ‒ Könige, wie
Bettler, ‒ Starke, wie Schwache, ‒ Reiche,
wie Arme, ‒ jedoch nur die wenigsten
ahnen, aus welchen Welten her solche Aus‐
wirkung sie erreicht.
.Fast allen ist es verborgen, weil sie nur
traumwach sind in ihren Erdenleibern,
während ihre Seelen schlafen. ‒
.Doch, höre weiter, du, der ein
Auge
der Welten werden soll!
.Verwoben und eingesenkt der Welt, die
euch
allein als die ganze Allwelt er‐
scheint, und in gleicher Weise auch ver‐
woben der Welt dieser
Kräfte des leben‐
den Feuers von denen ich hier zu dir rede,
steht eine Welt des reinen
Lichtes, das
alle Welten durchleuchtet und in sich zur
Offenbarung bringt.
.Diese drei Welten hält, ‒ in sich ge‐
bettet, ‒ sie durchströmend, und in sich
selber alle erlebend, ‒ Der Gewaltige, der
sich selbst
allein in Seinem
Namen kennt.
.Uns offenbart Er sich im Schweigen...
.Aus Ihm und in Ihm lebt jeder, der
ein sehendes Auge der Welten wurde.
.Durch Ihn ist Selbstkraft Herrin der
Kräfte des lebenden Feuers.
.Du könntest Ihn wahrlich auch ‒
Die
‒ Gewaltige nennen, denn Mann
und Weib
sind in Ihm beschlossen.
.Im Urbeginn der Wesen, die sich „Men‐
schen” nennen, war der Mensch in der
ewigen Zeugung aus dem „Vater”,
Eigner
der Selbstkraft und
Herr aller Kräfte des
lebenden Feuers.
.Doch, als die Kräfte des lebenden Feuers
das ohne Flamme brennt, dem urgezeugten
Menschen ihre Macht in allem Leben zeig‐
ten, vergaß er seiner Selbstkraft, der allein
die Kräfte des Feuers ihre Stärke, Größe
und Gewalt zu danken hatten, und ‒
fürchtete sich vor ihnen...
.Furcht ist des Menschen Urschuld,
‒ denn nur aus
Furcht vor den Kräften,
deren
Herr er war, fiel der Urgezeugte
aus dem ewigen Leuchten!
.Siehe,
du kennst nun die Ursache alles
Bösen hier auf dieser Erde!
.Nicht nur der Mensch allein ist ihm
verfallen, sondern auch alle Welten in die
der Gefallene seine Urfurcht trug...
.Bewundernd stehst du vor den „Wun‐
dern der Natur”, ohne zu ahnen, daß da
alles was du wahrnimmst, aus
deinem nun
gebannten ewigen
Geisteswillen stammt,
und weitaus
wunderbarer wäre, würde das
Reich, das du „die Natur” nennst, und dem
du selbst nunmehr verhaftet bist, dich heute
noch als seinen
Herrn erkennen kön‐
nen. ‒
.Nun müssen alle Kräfte in ihm weiter
wirken wie die Räder eines Uhrwerks, das
man einmal aufgezogen hat.
.Du allein kannst auch „die Natur”
er-
lösen, und wenn darüber noch Millio‐
nen Jahre vergehen sollten!
.Aber glaube nicht, daß dieser kleine
Stern auf dem wir hier jetzt leben, für sich
allein die Folgen deines „Falles” trägt!
.Den ganzen physisch wahrnehmbaren
Weltenraum mit allen seinen Sonnen und
Planeten, hat der Mensch, durch seinen Fall
aus dem Bewußtsein seiner Geistesmacht,
dazu verurteilt, ohne „Gott” zu sein, denn
nur
dem Menschen allein war urbedingt
einst anvertraut, was heute unsichtbare gei‐
stesferne Machtgier sich zu eigenem Herrsch‐
bereich erzwungen hat.
.Unschuldig muss, durch des
Menschen
Schuld, unzählbares Lebende leiden!
.Schuldhaft hat er über sein eigenes
irdisches Leben
gleiches Schicksal verhängt.
.Nur durch den
Menschen, der, in
Furcht verfallen, seiner urgegebenen Macht
vordem
entsagte, kann alle Kreatur der‐
einst auch wieder ihren Peinigern
entrissen
werden, die an dem unsagbaren Leid sich
weiden, das der Fall des Menschengeistes
ungewollt bewirken mußte.
.Nun höre weiter vom Schicksal des
Menschen, ‒ dem Schicksal, das nicht auf‐
gehalten werden könnte, auch wenn ihm
ursprünglich nur
einer der Menschen
allein
verfallen wäre.
.Stets neues Übel neu bewirkend, durch‐
rollt es die Zeiten aller erdmenschlichen
Generationen, und mehrt die Furcht: ‒
die Urschuld, ‒ in jedem der neuen Ge‐
schlechter.
.So sank der Mensch herab von seiner
geistigen Macht und in Gott gegründeten
Größe, bis eine vergängliche
Tierform
seinem Selbsterleben letzte Rettung bot. ‒
.Was ihr „
Urmenschen” nennt, waren
jene
Tiere, denen sich der geistgezeugte
Mensch: ‒ der „Herr der Erde”, einte,
nachdem er, durch
Furcht überwunden,
aus seiner Gotteseinung „gefallen” war...
.Dennoch hat ihn die Kraft aus der Höhe
nicht ganz verlassen!
.Aus urgegebenen Kräften lebend und
den tierischen Körper durchdringend,
ver‐
borgen dem Tiere und
im Tier verhüllt
vor sich selbst, ahnt er doch
Selbstkraft
in sich wie ein fremdes, höheres Wesen.
.Das Tier wurde
Zuflucht dem Gefallenen,
der ohne Heimat irrte, ‒ denn die Heimat
kannte ihn nicht mehr, ‒ und des Tieres
Leib ward ihm auch zur
Höhle der Er‐
lösung...
.Sobald nun
Selbstkraft in ihm zu
leuchten beginnt,
jauchzt er im Tiere, und
alle
Brunst des Tieres wird in diesem
Lichte
dunkel. ‒
.Darum verlangt er im Tiere ungestüm
nach solchem Licht, ‒ und immer mehr
treibt heischendes Begehren ihn diesem
Lichte entgegen nach jedem neuen aufge‐
nommenen Strahl.
.Einige der Wesen, die sich hier auf
Erden nun „Menschen” nennen, ‒ deren
Mut gestärkt war, da sie aus dem Geiste
her der Tierheit banges Mühen sahen, dem
sie selbst entgegengingen, ‒ strebten mit
solcher Gewalt dem Lichte zu, daß sie das
Licht bereits
vor ihrer irdischen Geburt
wieder erreichen konnten.
.Diesen wurde
Selbstkraft aufs neue
zum
Eigentum!
.Sie wurden die ersten Helfer ihrer im
Tiere schlafenden Brüder und dieser ihrer
Brüder Schwestern.
.Sie wurden die sehenden
Augen der
Welten!
.Sie beherrschen
die Kräfte des leben‐
den Feuers, die ihnen dienen mit feurigem
Eifer...”
.„
Weißt du nun, was ich bin ‒ ? ‒”
fragte nach dieser Rede der Meister.
.Und sein Schüler, wie aus einem Traume
erwachend, antwortete verwirrt, indem er
sprach:
.„Ja, Herr! ‒ Ich glaube nun zu ahnen
was du bist.
.Allein: ‒ erkläre mir doch, der du so
vieles mir schon erklärtest, ‒ war es dein
Vater, der dir solche Geisteskraft vererbte,
oder gab dir deiner
Mutter Leib die Gabe
solchen Erkennens?
.Verzeihe mir, wenn meine Frage mehr
erfragen sollte, als du mir beantworten willst!
.Du weißt, daß ich vor dir mich in Ehr‐
furcht beuge, ‒ aber mein Auge kann nicht
vergessen, daß es dich als einen Menschen
vor sich sieht, gestaltet gleich anderen Men‐
schen, und vergebens späht es danach, an
dir zu entdecken, was deines lichten Er‐
kennens leibliche Ursache ist.”
.„
Törichter!”, erwiderte der Meister, „ich
glaubte, du fragtest nach
mir! ‒ Du woll‐
test wissen,
was ich sei!?!
.Indessen hast du nach dem
Tiere ge‐
fragt, das mir hier noch zur Nahrung dient,
und verzehrt wird von mir, indem ich dieser
Welt
durch seine Kräfte lebe. ‒
.Woher ich habe, was dir meine Worte
gaben, sagte ich dir auch heute wieder.
.Allein, du
hörst nicht, was man dir
sagt, denn immer schläfst du noch den
Schlaf in dem ihr euer Leben
denkend
euch
erträumt!
.Wisse, daß meine Worte dir
Wissen
im Urlicht gaben, und daß nur, wer
Selbst‐
kraft besitzt, Wissen im Urlicht erlangt! ‒
.Nun aber, ‒ nun sage
du mir, was du
bist? ‒ ‒ denn also verlangt es das Gesetz,
daß ich an dich die gleiche Frage richten
muss, die du in diesem Heiligtum an mich
gerichtet hast.
.Was bist du?! ‒ Der du von vielem
gemeistert wirst und noch so weniges mei‐
stern lerntest! ‒ ‒ ”
.Da antwortete der Schüler:
.„Meister, du fragst mit harten Worten,
was wohl
nur du mir sagen könntest. ‒
.Ich ‒ ‒
weiß es nicht!”
.Und der Meister sprach:
.„Nie war ein Mensch so kühn wie du!
.Wie konntest du diesen Tempel betreten,
‒ diesen Tempel, der Keinen entläßt, der
meiner Frage keine Antwort weiß, ‒ wenn
du nicht einmal sagen kannst, was du bist!? ‒
.Unseliges
Nichts! ‒ Wenn du nicht
weise genug zur Antwort bist, so laß' meine
Frage wenigstens deine
Klugheit wecken,
damit diese Mauern nicht dein Verderben
sehen!”
.Kaum seiner Stimme mächtig vor Er‐
regung, und an allen Gliedern bebend, gab
nun der Schüler diese Antwort:
.„Du, der alles liebt, ‒ wie dürftest du
deinen Schüler töten lassen, nur weil er auf
deine Frage hier keine Antwort weiß? ‒ ‒
.Ich mag vielleicht wirklich
Nichts sein,
wie du ja sagst, ‒ mag auch dein Wort
verborgenen Sinn in sich beschließen. ‒”
.„
Du Tor!” sagte darauf der Meister mit
kalter Stimme und mit hartem Spott, ‒
„du bist nicht nur
Nichts in irgendwelchem
geheimen Sinne, sondern dem
allgemei‐
nen Wortsinn nach!
.Nichts sehe ich, dem ich die große
Weihe übertragen könnte, die einer von
uns dem anderen weitergibt, seitdem der
erste aus uns sie durch das Urwort aus dem
Urlicht empfing.
.Nichts sehe ich vor mir, was diese Weihe
tragen könnte, solange du noch nicht weißt,
was du bist!
.Vordem stand noch
mein Schüler hier.
.Nun
sehe ich
Nichts, und
rede zu
Nichts.”
.Da schrie der Schüler auf wie ein Fieber‐
kranker:
.„Meister! ‒ Mein Lehrer! ‒ ‒ Du
höhnst deinen Schüler!
.Du
willst mich verderben!
.Du redest, wie du nie vorher zu mir
geredet hast!
.Du
weißt, wer vor dir steht!
.Du
weißt, was ich bin!
.Du
weißt, daß ich nicht hier vor dir
stünde, wenn
ihr mich nicht
gerufen
hättet!”
.„
Was wagt mich hier zu schmähen?”
erwiderte verächtlich der Meister.
.Und der Schüler schrie so laut, daß seine
Stimme schrill von den dunklen Wänden
widerhallte:
.„ICH bin es!! ‒ ‒ Aber ich
schmähe
nicht!
.ICH,
dein Schüler!!
.ICH SELBST bin es, der ich hier vor
dir stehe!!”
.Als der Schüler diese Worte hinausge‐
schrien hatte, verließ ihn die Macht über
seine Sinne, und er sank hin wie leblos.
.Endlich, nach einem langen und tiefen
Schlafe, erwachte er.
.An dem Lager, auf das man den fast
Leblosen gebettet hatte, stand der Meister.
.Der Schüler sah um sich und erkannte
den Ort nicht mehr, denn er war nun in
den
inneren Räumen des Tempels.
.Dann erkannte er aber
den Meister,
und sah, dass sein Angesicht leuchtete vor
Freude.
.„Stehe auf”, sagte der Meister mit liebe‐
erfüllter Stimme, ‒ „stehe auf und ersteige
jetzt die erste der sieben Stufen, die dich
zum
Heiligsten des Tempels bringen.
.Dort wirst du die Kraft erlangen, der
die feurigen Kräfte
gehorchen...
.Du hast nun die
Probe der Schwelle
bestanden, denn zum ersten Male ward jede
Faser deines Körpers zum ‒
Wort! ‒
.Vorher waren nur
Kopf und
Herz
lebendig.
.Nun ist im Schrei deiner Todesangst
Alles in dir zum Leben erwacht!
.Nun ist
der Mensch im Tiere zu
sich
selbst gekommen und sein
Schlaf ist
über‐
wunden!”
.Der Schüler hörte diese Worte und wußte
nicht wie ihm geschah.
.Halb zweifelnd noch ergriff er die Hand
des Meisters und sprach:
.„O du Gütiger! ‒ Wie groß ist doch
dein Herz! ‒ Was soll ich tun, dir zu
danken?!”
.Aber der Meister schüttelte das Haupt
und sagte mit ruheerfüllter Stimme:
.„Steige die Stufen!
.Und wenn du vermagst, dieser Aufgabe
zu entsprechen, wie ihr entsprochen wer‐
den
muß, ‒ dann werde ich dich wieder‐
sehen.
.Wer
reif zum Finden ist, der
wird
hier gefunden.
.Wenn du aber
zu früh gekommen bist,
dann wirst du diesen Mauern
auch jetzt
noch nicht entrinnen.
.Lebe wohl!
.Vielleicht ‒ siehst du mich wieder!
.Noch stehst du vor dem Letzten!”
.Darauf führte der Meister seinen Schüler
schweigend durch lange und gewundene
dunkle Gänge, ‒ und schweigend verließ er
ihn, als sie angelangt waren vor den sieben
hohen Stufen.
.Allein, ‒
ohne jede Hilfe, ‒ mußte
der Schüler zu steigen versuchen.
.Fest, gesammelt, und mit eisernem Willen,
gelang es ihm, nach langewährendem, im‐
mer vergeblichen Bemühen, endlich die
Höhe der
ersten Stufe zu erreichen.
.Jede
neue Stufe war noch weit
schwerer
zu erklimmen als die
vorher erstiegene.
.Oft drohten seine Kräfte ihn zu verlassen.
.Die
siebente Stufe aber war kaum zu
ersteigen, denn sie war ‒
so hoch wie
er selbst...
.Mit seiner letzten Kraft mußte der
Schüler versuchen, über sich selbst hinauf‐
zugelangen, bis er, nach unsäglicher An‐
strengung, endlich vermochte, sich auf diese
höchste der Stufen emporzuschwingen.
.Hier zeigte endlich sich der Weg nun
frei, zum Heiligsten des Heiligtums.
.Im Heiligsten des Tempels angelangt,
fand der Schüler hier Alle, die
vor ihm
die gleichen Stufen erklommen hatten, und
unter den allhier Versammelten gewahrte er
auch den Meister, dessen Schüler er war.
.Als er ihn erblickte, wollte er dankbar
des Meisters Hände küssen, denn wohl fühlte
er, welche Veränderung mit ihm selber vor‐
gegangen war, und daß er die Kraft nun
besaß, die ihm der Meister verheißen hatte,
falls er die sieben Stufen zu ersteigen ver‐
möchte.
.Aber der
Älteste derer, die sich im
Heiligsten des Tempels gefunden hatten,
wehrte gütig ab und sprach:
.„
Wem willst du noch danken, ‒ es
sei denn
Dem, in dessen
Namen du
zu
Worte wurdest?! ‒
.Siehe,
wir Alle sind: ‒
Einer in
Einem! ‒ ‒
.In dir war, was uns zu dir rief! ‒
.In dir war, was zu sich selbst gelangen
wollte! ‒
.In dir war, was in dir vollendet
wurde! ‒ ‒
.Du lebst nun
in uns, und wir
in dir!
.Wir, ‒
Alle Einer, ‒ aber leben in
Dem, der uns eint!
.Ihn erkennend,
beten wir Ihn an
‒
in uns selbst...”
.So war der Schüler
selbst zum Meister
geworden, und nun Allen
vereint die vor‐
dem ihn geleitet hatten, da sie ihn bereitet
fanden zur
ewigen Einung, ‒ schon ehe
er hier auf Erden geboren worden war.
.„
Erkläre mir, Unsterblicher,” ‒ begann
der König, ‒ „warum die Weisheit eines
jeden Weisen eine
andere ist? ‒
.Der eine, wie der andere nennt seine
Lehre:
Wahrheit, und doch sind ihre
Lehren grundverschieden.”
.„
Sie lehren alle
das Gleiche!” ‒
sprach jener, von dem sie sagten, daß er
die große Einung erlangt habe, die jeden,
der sie erreicht hat,
all-
einig macht, so
daß er nie mehr
mit sich selbst im Streite
liegen kann, und
nie mehr zu scheiden
ist von den ewig einigen
Erkennenden
im urgezeugten Licht.
.„
Verzeihe, Großer Lehrer, daß ich dir
widersprechen muß!” ‒ erwiderte der König.
.„Ich habe
vieler Weisen Lehren ein‐
gesogen, und jede schmeckte anders.
.Der eine sprach von vielen
leiblichen
Geburten des gleichen individuellen Lebens
in
vielen, nach jedem Körperverlust erneut
entstehenden Leibern, ‒ der andere aber
wußte vielmehr von vielen
seelischen
Geburten in nur
einem,
einmalig dar‐
gebotenen Erdenleib, während eines
ein‐
zigen Lebens auf dieser Erde. ‒
.Dem einen galten Götter als
Richter, ‒
dem anderen aber stand der Mensch hoch
über allen Göttern, und nach solcher Lehre
sollte der Vollendete Göttern
gebieten
können.
.Wie willst du das alles
vereinen?! ‒ ”
.„
Es ist die Rede von
einer Wahrheit
in
allen diesen Lehren!” ‒ sagte der Weise.
.„
Wie aber können denn diese Lehren
so
Verschiedenes künden, wenn sie im
Grunde nur
eine und die
ewig gleiche
Wahrheit bergen? ‒” fragte darauf der
König.
.Und der Weise antwortete ihm:
.„
Grosser König, vernimm ein Gleichnis!
.Ein Meister saß an einem strahlenden
Tage mit seinen Schülern am Ufer des Meeres.
.Keine Welle zerriß den grenzenlosen
Spiegel, und die Kuppel des Himmels leuch‐
tete wie ein einziger Edelstein.
.Da baten die Schüler den Meister, daß
er mit ihnen in ein Boot steige, um sich
von ihnen durch Ruderschlag hinausführen
zu lassen auf die Höhe der Meeresweite.
.Der Meister bestieg das geräumige Boot,
und seine Schüler zogen die Ruder an, bis
das Land ihren Blicken entschwunden war.
.Als sie dann Ruhe hielten unter einem
ausgespannten Sonnensegel, sagte der Meister:
.„Ich will euch prüfen an euren eigenen
Worten, ob ihr schon seht, was ich euch
sehen zu lehren suche.
.Sagt mir darum, was ihr seht!”
.Da fing der erste der Schüler sein Bild
auf dem glatten Wasserspiegel und bewun‐
derte sehr, wie getreu ihn die Oberfläche
des Meeres widerstrahle.
.Der zweite sah über die Wasser und
fand ihr Ende dort, wo das Gewölbe des
Himmels sie berührte, ‒ und da er wohl
wußte, daß ihm in dieser Ferne das gleiche
Rundbild beschieden sein würde, so wurde
sein Herz ergriffen vom Erfühlen solcher
unfaßbaren Weite, worauf er denn ergreifend
in ehrfurchtsvollen Worten die Unendlichkeit
pries.
.Als nun der dritte reden sollte, sprach
dieser von dem Schwarm der Fische, die
in dem tiefen klaren Wasser das Boot
umschwärmten, und er beschrieb mit Liebe
die geschmeidigen Formen in ihrem farben‐
schillernden Schuppenglanz.
.So redeten sie alle von
anderen Dingen
und waren doch alle
am gleichen Ort. ‒
.Als nun noch der vierte vom
Lichte
gesprochen hatte, das alles umstrahle, ‒
und nachdem er, dieses Lichtes trunken,
laut, in wohlgesetzter Rede des feuer‐
glänzenden Gestirnes Lob zu verkünden
wußte, dem alles Erdenlicht zu danken ist,
‒ sahen die Schüler erwartungsvoll ihren
Meister an, denn es schien den dreien die
zuerst gesprochen hatten, gewiß, daß nur
der vierte die Antwort gegeben habe, die
der Meister erwarte.
.Und der Meister sprach:
.„Ich sehe die Sonne und sehe das Licht,
‒ ich sehe die scheinbar grenzenlose Weite,
‒ sehe die Tiere des Meeres, die den Schat‐
ten unseres Bootes umdrängen, ‒ und ich
sehe auch mich selbst in dem flüssigen
Spiegel, ‒ ‒ aber ‒ ich sehe
mehr,
und mehr als das alles will ich euch sehen
lehren!”
.„O
sage uns, was du außer dem allen
noch
anderes siehst, geliebter Lehrer!” ‒
baten nun die vier Schüler wie aus einem
Munde.
.Der Meister aber sprach:
.„Habe ich euch denn noch immer nicht
genug davon gesagt?
.Seit vielen Monden sage ich euch von
dem, was ich sehe, und ihr wißt es noch
nicht?”
.Da riefen alle:
.„Noch
nie, Meister, sind wir zusammen
auf dem Meere gewesen, und du willst uns
davon gesprochen haben!? ‒”
.„Sagte ich denn, daß ich vom
Meere
erzählt hätte, oder sprach ich nicht vielmehr
von dem,
was ich sehe!?” erwiderte der
Meister, und fuhr dann in seiner Rede also
fort:
.„Ihr habt mich auf das Meer heraus‐
gerudert, und ihr wart des Glaubens, daß
ich euch vom Meere reden hören wolle,
von der Weite der Wasser, und dem Lichte,
das sich über sie ergießt.
.Das Meer aber erzählt sich
selbst, und
alles erzählt sich selbst, was uns hier umgibt!
.Wären
tausend Schüler hier um mich
in ihren Booten, so hätten meine Ohren
tausend Erzählungen des Meeres, des Lichtes
und der Unendlichkeit vernommen, ‒ hör‐
bar geworden in der Sprache des Menschen‐
mundes...
.Aber wäre das im Palmwalde anders? ‒
.Oder auf den schneebedeckten Bergen
des Himavat? ‒
.Auch Wald und Berge erzählen sich
selbst, und ich bin nicht genötigt, euch zu
fragen, wenn ich ihre Erzählung vernehmen
will.
.Wohl aber wollte ich durch euch hören
von
dem, was ich an
allen Orten sehe,
und das dennoch zeit- und ortlos ist! ‒
.Wer
das erschaut, der vergißt darüber
die Erzählungen des Himmels und des
Meeres, der Berge und der Wälder! ‒ ‒
.Ihr sucht noch
draußen, weil euer
inneres Reich noch keine Sonne sieht und
darum finster ist...
.Wenn ihr aber eurer Reiche „
Könige”
einst geworden seid, dann muß alles, was
draußen liegt, zu euch kommen, und euch
Tribut entrichten, wann immer ihr es ver‐
langt. ‒
.Laßt also alles was draußen liegt, ruhig
sich selbst erzählen, wie es sich euch erzäh‐
len mag, und stellt keine Fragen, die euch
von draußen her vorerst ja doch nicht beant‐
wortet werden!
.Wartet,
bis ihr
Herren in euch selber
seid, auf daß man euch draußen geben
müsse, was ihr
verlangt, denn wenn ihr
als
Bettler hinauszieht, gibt man euch,
was man mag! ‒ ‒ ”
.Als die Schüler diese Rede vernommen
hatten, schwiegen sie beschämt, und jeder
bewegte des Meisters Worte im eigenen
Herzen.
.Da der Abend nahe war, suchte man
nun mit scharfen Ruderschlägen wieder dem
Lande sich zu nähern, und jeder Ruder‐
schlag wurde den Schülern zum Gelöbnis,
vor aller Frage an das, was
draußen liegt,
zuerst
die Herrschaft in sich selbst zu
erstreben.”
.„
Demnach”, sagte der König, als der
Weise seine Erzählung hier beendet hatte,
‒ „demnach möchte ich glauben, daß Ver‐
schiedenheit der Lehre nur bei denen sei,
die noch „
draußen” stehen? ‒”
.„
So ist es wohl, o König”, ‒ sprach
der Vollendete, ‒ „aber vergiß dabei den‐
noch nicht, daß jene, die von ihrem
Innen
künden, nachdem sie
Herren in sich selbst
geworden sind, doch
auch nur in
ihrer
Zunge reden können! ‒
.Wenn du die Wahrheit ganz nach
deiner
Art erkennen willst, mußt du sie selbst
in
dir selber suchen!”
.Da nun der König schwieg, erhob sich
der Weise, wie einer, der weiß, daß man
ihn nicht mehr braucht, durchschritt das
Gefolge und ging von dannen, versunken
in sein inneres Licht.
.Der König aber beratschlagte bei sich,
ob er wohl selbst ein Seher der Wahrheit
werden möchte?
.Nach einer Weile jedoch gab er seine
Gedanken auf und sprach zu sich selbst:
.„Wer weiß, ob ich die Wahrheit in mir
finden würde?!
.Wer weiß auch nur, ob sie mich nicht
längst schon verlassen hat, da sie sich von
mir verlassen sah?!
.Weshalb soll ich auch
selbst der Wahr‐
heit ins Auge sehen müssen?!
.Vielleicht wäre ich meiner Wahrheit
selbst nicht sicher, und wie sollte ich dann
wissen können, was Wahrheit sei?!
.In meinen Landen aber leben so viele
Weise, und allenthalben lehren erfahrene
Lehrer.
.Mir, dem Könige, müssen sie um ihre
reinste Erkenntnis sagen, und ich kann
annehmen, was ich mag.
.Auch meine Vorväter ließen vor sich
nur
das als Wahrheit gelten, was sie
wahr‐
haben wollten, und ich will mir die gleiche
Freiheit wahren!”
.So kam es, daß dieser König
ohne Wahrheitserkenntnis blieb bis an sein
Ende.
.Der Schüler, dessen Heimat im Abend‐
lande gelegen war, fern von dem großen
Gebirge an dessen Abhang der Meister
lebte, hatte eben die Frage gestellt nach
dem erhabenen Lehrer aus Nazareth,
und bat um Belehrung.
.„In meinem Lande”, sagte der Schüler,
„gibt es viele berühmte Lehrer, die nicht
glauben, daß Jener einst über die Erde
geschritten sei, und sie meinen, daß die
Sage seine Züge gebildet habe, ‒ ja, es
gibt einzelne die des Glaubens sind, die
Erzählungen seines Lebens seien nur ver‐
hüllte Berichte von einem Sternenmythos,
der einst den Menschen der Vorzeit heilig
gewesen sei.
.Du, o Lauterer, aber hast schon des
öfteren Worte zu mir gesprochen, die du
wohl mit Absicht den Büchern entlehntest,
die von dem Leben des jüdischen Lehrers
und seiner Lehre zu erzählen wissen.
.Du warst voll Ehrfurcht, wenn du seinen
Namen nanntest, und so ich dich recht ver‐
standen habe, steht er dir höher als
alle
anderen, die jemals den Weg der Einung
gegangen sind? ‒
.Weshalb nun finde ich dich nicht unter
denen, die sich als Gläubige des auch von
dir so hoch verehrten jüdischen Meisters
bekennen?”
.So fragte der Schüler, da er noch nicht
wußte, wer „
der Meister” in
jedem geist‐
geborenen Meister ist...
.Der Befragte aber lächelte nur gütig
und verstehend, aber er antwortete nicht.
.Da sagte der Schüler, der nun in Zweifel
geriet, ob seine Frage nicht am Ende un‐
gehörig gewesen sei, in einiger Verlegenheit:
.„Wohl hast du recht, du Gebieter über
geistige Kräfte, von denen meine Lehrer
im Abendlande mir nichts zu sagen wußten,
wenn du meine Frage bei dir verlachst!
.Wie magst du uns Menschen des Westens
voll Mitleid betrachten. ‒
.Aber dennoch bitte ich dich, du wollest
wenigstens die eine Frage deiner Antwort
würdigen: ‒
.Wäre es nicht weit besser für uns Abend‐
länder, wenn wir dieses jüdischen Lehrers
Lehre auf sich beruhen und unbeachtet lassen
würden, gleich einer Sage, die uns heute nichts
mehr zu sagen hat?
.Jede Zeit hat doch ihre zeitgerechte
ei‐
gene Weise, sich der Wahrheit zu nähern.”
.Bei diesen Worten stand der Meister still.
.Die beiden Wanderer waren jetzt auf der
Höhe angelangt, die eines Flusses Wasser
von dem eines anderen schied.
.Eine mächtige, vierkantig flächige Stein‐
säule, die aus einem einzigen Felsen vor‐
einst herausgehauen worden war, bezeich‐
nete den Ort.
.In der Schrift des Landes trug sie
in erhabener Größe tief eingemeißelt die hei‐
ligen Silben:
.OM MANI PADME HUM ‒
was da bedeutet: „Wahrhaftig! Die Lotos‐
blüte birgt das Geheimnis!”
.Unterhalb dieser Worte aber war ein
Zeichen, das den fremden Pilgern den Weg
zum Ziel ihrer Wallfahrt angab.
.„
Meinst du nicht, daß es besser wäre”,
‒ begann der Meister, so, als ob er die
Frage des Schülers, wohl in eigene Gedanken
versunken, überhört haben möchte, ‒ „wenn
diese riesengroße alte Säule hier verschwinden
würde?
.Ich habe bei den Völkern deiner Rasse
Anderes gesehen, und ich gedenke dahin
zu wirken, daß aus der großen Stadt im
Süden einer der zeitentsprechenden neuen
Wegzeiger hier heraufgebracht wird, ge‐
fällig bemalt und mit allerlei Zier versehen,
so, wie ihr Menschen des Westens sie aus
Eisen zu gießen wißt.
.Die Pilger sollen sehen, daß die Mönche
unten im Kloster nicht so weltferne sind,
dass sie nicht doch ihrer Zeit zu genügen
wüßten!
.Die längst schon der Zeit recht ungemäße
Säule mag man dann stürzen und in der
Schlucht dort neben dem Pilgerpfad zer‐
schellen lassen.
.Was hätte uns auch dieser Felsblock
heute noch zu sagen?! ‒”
.„
Du redest doch nicht im Ernst, Mei‐
ster?” erwiderte der Schüler erschreckt.
.„Zwar sieht man der Säule wohl an,
daß sie alt ist, aber sie zeigt die großen
einfachen Formen, die zu keiner Zeit ver‐
alten können, und die heiligen Silben sind
in einer Schriftform eingemeißelt, die an
Schönheit wahrlich ihresgleichen sucht.
.Wie könntest du dieses gewaltige Werk,
das von erhabenster Würde zeugt, zerstören
lassen, um an seiner Stelle eine aller Größe
entratende, barbarisch geschmacklose Tafel
aus Eisenguß aufzurichten, wie man sie
leider heute an allen Straßen sieht!?!
.Wie könnten die heiligen Silben dir
derart gleichgültig sein, daß du es ertragen
möchtest, wenn man sie auf einen solchen
erbärmlichen bunten Firnis malen wollte?! ‒
.Auch ist auf solcher Höhe, allen Stür‐
men dargeboten, dergleichen nur von kür‐
zester Dauer!
.Die Säule, aus einem einzigen Felsen
geformt von erhabener Hand, steht aber
schon mehr als tausend Jahre hier und
kann noch viele tausend Jahre hindurch
allen Pilgern, die sie schon von ferne sehen,
ihren Weg zum Tempel zeigen, ‒ und sie
selbst ist schon ein hohes Heiligtum: ‒
wahrhaft der Gottheit würdig!
.Du redest doch sicher nicht in vollem
Ernst, denn wie könnte das, was hier ent‐
gegenspricht, dir, dem doch alles mensch‐
liche Fühlen sich offenbart, auch nur einen
Augenblick lang verborgen gewesen sein?? ‒”
.Da lächelte der Meister
wieder, und
schwieg, wie er vordem geschwiegen hatte.
.Dann gingen sie.
.Schweigend wanderten sie zu Tale, ‒
den ausgedehnten Gebäuden des alten Lama‐
klosters zu, in dessen Nähe der Meister sich
zurückgezogen hatte.
.Der Schüler aber sann darüber nach,
warum wohl sein Lehrer ihn immer wieder
zu zwingen wußte, sich auf jede Frage
selbst
die Antwort zu geben, ‒ wie es nun auch
hier geschehen war, bei der Frage nach dem
Meister von Nazareth...
.Die Zinnen und Türme der Tempel‐
stadt zeichnen zarte Schattenrisse in die vom
Lichte des Vollmonds trunkene Luft.
.Die Talweite ist erfüllt von silber‐
schimmerndem Leuchten und über die
kahlen Höhen des judäischen Gebirges legt
es sich wie ein glänzender Reif.
.Wir sind ferne der Stadtmauer und vor
uns liegt ein Ölhain.
.Wie eine graugrüne Wolke schmiegt er
sich an den schroffen Absturz eines Hügels.
.Nahe der senkrechten Felswand aber hat
man eine Zeile ernster dunkler Bäume ge‐
pflanzt ‒ man kann sehen, daß Menschen‐
wille sie also setzte ‒ und nun streben
sie über die graugrüne Laubwolkenmasse
empor wie eine Schar schwarzgepanzerter
Wächter.
.Es herrscht tiefste Stille.
.Aber war es nicht eben wie eine weiße
Gestalt, dort am Rande des Ölhains, wo
lichte Schatten ihn von der Asphodeloshalde
trennen? ‒
.Doch! ‒ Es bewegt sich dort etwas!
.Ein Mensch!
.Einer im weißen Gewande tritt behutsam
hervor, hebt den Arm über die Augen, weil
ihn wohl das Mondlicht blendet, und sucht
sorglich das freie Gelände ab...
.Nahebei führt ein Weg dem Gebirge zu.
.Wie ein helles Seil, das einer achtlos
fallen ließ, liegt der Weg da.
.Man kann ihn gut mit dem Auge ver‐
folgen, bis er auf mäßiger Höhe sich zwi‐
schen vorgelagerten Felsen verliert.
.Der Späher sucht noch immer nach allen
Seiten hin, aber er findet offenbar nichts,
das ihn beunruhigen könnte.
.Jetzt tritt er wieder in die blauen Schatten
zurück und verschwindet unter den Ölbäumen.
.Was wollte er nur?...
.Aber schon sieht man wieder Weißes
aufleuchten; doch diesmal müssen es Meh‐
rere sein, denn gleichzeitig gewahrt man da
und dort zwischen den gewundenen Stäm‐
men einen weißen Fleck aufblinken und
wieder verschwinden.
.Eben tritt einer heraus ins Freie.
.Nein, ‒
noch einer!
.Sie tragen etwas.
.Es scheint eine schwere, kostbare Last
zu sein...
.Nun kommen
noch zwei, und jetzt sieht
man deutlich, daß es ein Mensch sein muß,
oder gar eines Menschen Leichnam, den die
Vier so behutsam zu bergen trachten.
.Er ist auch in Weiß gehüllt wie sie selbst.
.Was mag sich da nur ereignet haben? ‒
.Jetzt haben sie lautlos die Asphodelos‐
halde durchschritten und sind auf den Weg
gelangt.
.Nun sieht man es noch deutlicher, daß
sie einen der Ihren tragen.
.Aber es muß ein Toter sein!
.Unter seinen Knien haben sie eine lange
Zeugbahn durchgezogen, die bis über der
beiden Vorderen Schultern reicht.
.Die beiden vorderen Träger halten mit
beiden Händen das zusammengedrehte Tuch,
das über ihren Schultern liegt, und sie tra‐
gen schwere Last.
.Die zuletzt gehen, aber tragen den Ober‐
körper des Toten: ‒ fassen ihn um den
Rücken und unter den Armen.
.Sein Haupt scheint zwischen ihren Schul‐
tern gestützt zu sein.
.Es ist ein schweres Gehen für die Vier...
.Nur langsam schreiten sie voran.
.Nachdem sie schon geraume Weile ge‐
gangen sind und unseren Blicken undeut‐
licher werden, sieht man, daß sie vorsichtig
Rast halten.
.Man kann auch glauben, daß sie wieder
das Gelände spähend durchforschen; aber
auch während der Rast halten sie sorglichst
ihren Toten in der gleichen Lage, in der
sie ihn trugen seither.
.Sie müssen ihn sehr geliebt haben, als
er noch im Leben war! ‒
.So trägt man keinen, den man nicht
liebte!
.Es ist
Ehrfurcht in der Art, wie sie ihn
tragen...
.Sie sind weitergegangen.
.Nun sind sie dem Gebirge schon sehr
nahe.
.Man sieht sie nur noch als etwas Weißes,
das sich langsam fortbewegt, und wer sie
vordem nicht gesehen hatte, würde sie
schwerlich auf dem weißen Wege noch
entdecken.
.Jetzt biegen sie hinter die Felsen, die
den Weg verschwinden lassen.
.Nun sieht man nichts mehr von ihnen...
.Silberflimmernd liegt das Licht des Mon‐
des über dem Gelände.
.Es ist wieder so, als ob der Weg noch
niemals beschritten worden wäre...
.Plötzlich ein wilder Schrei ‒ von dort‐
her, wo die dunkle Baumzeile über den
Ölwald ragt!
.Dann andere Schreie ‒ ungebärdig wie
lautes Fluchen tobender Kriegsknechte ‒
und aus dem Dunkel leuchtet roter Fackel‐
schein, der sich der Stadtmauer zu, gleich
dem Getöse, rasch entfernt.
.Man sah das Fackellicht nur, solange es
die dunkle Felswand bestrahlte und die Zeile
der schwarzen Bäume.
.Dann wurde sein Schein völlig aufgesogen
im hellen Mondlicht.
.Nun war nichts mehr zu erkennen.
.Den Weg zum Stadttor hin kann man
hier nicht sehen, sonst müßte man wohl
die roten Fackeln wieder im Schatten der
Stadtmauer gewahren.
.Aber man sieht auf dem kahlen Scherben‐
berg vor der Stadt drei Kreuzgalgen auf‐
gerichtet.
.An zweien scheinen noch die Gehängten
sichtbar, aber es ist, als sei der dritte Gal‐
gen leer...
.Ja, man kann es deutlich gewahren, daß
er leer ist!
.Es ist ja so hell in dieser Nacht.
.Aber warum wurde er denn aufgerichtet?!
.Es muß doch einer daran gehangen haben!
.Weshalb der wohl abgenommen wur‐
de? ‒ ‒
.War es vielleicht jener, den die weißen
Männer davongetragen haben??
.Dann wäre er aber schnell verendet,
denn manchmal hängen sie noch tagelang
dort, fast wie tot, bis sie plötzlich wie wilde
Tiere aufheulen und man sieht, daß es mit
ihnen doch noch nicht zu Ende ist.
.Vielleicht war es einer, der nicht viel
Schmerz ertragen konnte, oder einer, der
schon fast gestorben war unter den Miß‐
handlungen der römischen Rotte, bevor sie
ihn hängten...
.Aber wie kommt es nur, daß man ihn
herunternahm? ‒
.In dem Ölhain herrscht wieder Ruhe.
.Wir wollen hinübergehen und sehen,
was dort den Grund solchen Lärmens gab.
.Jetzt ist sicher niemand mehr dort.
.Das ist ja kein Ölwald!
.Das ist ja ein offener Garten eines Reichen!
.Auf guten Wegen sind wir schon bis zu
den dunklen hohen Bäumen gelangt.
.Ist dort nicht eine Öffnung in die Fels‐
wand gemeißelt?
.Wahrhaftig! ‒ Es ist ein
Grab!
.Es ist dunkel hier, denn des Mondes
Licht wird durch die Felswand aufgehalten
und wir haben keine Leuchte.
.Da scheint es tief hineinzugehen, aber
man darf sich nicht vorwagen, will man
nicht in einen verborgenen Abgrund stürzen.
.Doch, da kommt ja
wieder eine solche
weiße Gestalt!!
.Wer mag das sein?
.Sicher der Besitzer des Gartens!
.Aber was macht er nur zur Nachtzeit
hier??...
.„
Seid ihr solche, die
den suchen, den
man hier begraben hatte?!”
.„Nein, wir wissen von keinem, der hier
begraben sein soll, ‒ wir sahen nur, wie
vier Männer, gleich dir gekleidet, einen
Toten aus diesem Garten trugen, dem Ge‐
birge zu, und wir hörten dann hier großen
Lärm und sahen Fackelschein.”
.„So bewahrt als euer Geheimnis, was
ihr sehen durftet, ‒ ‒ aber wisset:
der,
den ihr hinaustragen saht, ist zwar seiner
Marter erlegen, aber dennoch
lebt er!”
.„Wir sahen vordem, daß an einem der
Galgen auf dem Scherbenberge keiner mehr
hängt, und muß doch einer dort gehangen
haben. ‒ Ist es etwa der gewesen, von dem
du sprichst?!”
.„
Der war es! ‒ Und er ist mein
Bruder! ‒ Und die ihr ihn tragen saht,
waren
meine und
seine Brüder! ‒”
.„O, warum wurde er dann gerichtet?!
‒ Du siehst wahrhaftig nicht aus, als wenn
du eines Räubers und Mörders Bruder
wärest! ‒ ‒”
.„
Weil er die Menschen aus dem Tode
löste,
und weil die ewig Toten Rache
heischten!”
.„Das sind uns ferne Worte, seltsam zu
hören, aber du redest so, daß man dir
glauben muß.
.Weshalb aber war der
Lärm, den wir
vordem hörten? ‒”
.„Das waren die Wächter, die wir in
magischen Schlaf bannten, um unseres Bru‐
ders Erdenleichnam holen zu können, der
für kurze Zeit in diesem Grabe ruhte, auf
des reichen Freundes Bitte, die der Mächtige
in dieser Stadt gewährte.
.Sie sollten das Grab bewachen, und als
ich sie erweckte, so als ob ich des Weges
gekommen sei und nicht wüßte, weshalb
sie hier schliefen, zündeten sie ihre Fackeln
an, fanden das Grab geöffnet und leer.
.Darum ihr wüstes Schelten!
.Nun suchen sie in der Stadt nach denen,
die das Grab geöffnet haben könnten und
möchten den Leichnam finden.
.Ich aber bleibe hier, um die Freunde
und Schüler des Bruders zu trösten, wenn
sie kommen werden, vor seinem Grabe zu
klagen.
.Ich bleibe hier, um ihnen zu sagen, daß
er lebt!”
.„
Aber wir sahen doch, wie deine Brü‐
der seinen
Leichnam von dannen trugen!”
.„Dennoch
lebt er, dem dieser Leichnam
Kleid und
Hülle war, solange er Kleid
und Hülle brauchte um denen, die nur
Kleid und Hülle sehen, den
Geist zu offen‐
baren! ‒”
.„Wenn du Wahrheit redest, so sage auch
uns denn, wo dieser Lebende zu finden ist,
denn du redest wie von einem, den man
suchen möchte, und müßte man auch wan‐
dern bis an der Erde Grenzen! ‒ ‒”
.„
In euch selbst!”
.Und während wir verwundert uns an‐
sahen, nicht wissend, was diese Worte be‐
sagen wollten, war der Weißgekleidete von
uns gegangen ehe wir es bemerkten, und
als wir nach ihm riefen, erhielten wir
keinerlei Antwort...
.Erst in späteren Tagen wurde uns Licht
gegeben und wir
sahen den Lebenden und
wir erfaßten seine hohe Lehre und er war
von da an
in uns selbst!
.Während der Weißgekleidete da zu den
Fragenden gesprochen hatte, warteten zwei
seiner Brüder in einer nicht allzufernen
Felsenschlucht im Gebirge auf jene anderen
vier, die den Leichnam des Bruders brachten.
.Die Wartenden hatten Holz und Reisig
herbeigetragen und hochgeschichtet, so daß
der Leichnam darauf ruhen konnte.
.Nun sahen sie die Träger herannahen
und eilten den Ermüdeten entgegen, um
ihnen tragen zu helfen.
.Erschüttert ‒ in worteloser Ergriffen‐
heit ‒ hoben die sechs Männer den Leich‐
nam des Bruders, dessen Werk
vollbracht
war, auf den Holzstoß und übergaben ihn
der am Steine entzündeten Flamme...
.Von der Ferne her konnte man kaum
eine leise Rauchspur gewahren, die sich
mählig über dem Gebirge verzog, als schon
die Strahlen des ersten Frührots die Höhen‐
rücken färbten.
.Der wahrhaft
Auferstandene aber hatte
alles so
gewollt, und seine Brüder hatten nur
getan nach seinem Geheiß.
.Es sollten seines Erdenleibes modernde
Reste nicht die
Auferstehung hindern,
die er in der Seinen
Seelen sich bereitet
hatte. ‒ ‒
.Er aber war nun von allem gelöst, was
nicht des
Geistes war an ihm, und frei
geworden, war er nur mehr seiner geistigen
Gestalt bewußt, ‒ nicht wissend mehr die
Unbill, die dem Erdenleibe widerfahren war.
.Selbst auferstanden in seiner Geist‐
gestalt, ist er seit jenen Tagen in der Geistes‐
sphäre dieser Erde in erhöhtem Leben,
allen Auferstehung, die in
Tat und
Leben
seiner Lehre wahre Jünger sind. ‒
.So lebt er mitten unter den Seinen wie
er einst verheißen hatte: ‒ „
bis ans Ende
der Welt!”
.Als ich angelangt war vor dem Hause
der Weisen des Lichtes, begann ich an die
Pforte zu pochen, wie einer der da mit Be‐
rechtigung Einlaß begehrt, ‒ aber niemand
kam, der geöffnet hätte.
.Da überfiel Traurigkeit meine Seele, und
ermattet schlief ich ein vor der Schwelle.
.Als ich nach wüsten, angstvollen Träumen
erwachte, stand ein Mann vor mir, der ein
Lasttier mit sich führte, und das Tier war
beladen mit geflochtenen Rohrkörben voll
frischen Brotes.
.„
Was willst du hier, Fremdling”, sprach der
Mann zu mir.
.„Weißt du nicht, daß diese Pforte sich
keinem öffnet, der nicht zuvor aus ihr her‐
ausgetreten ist?”
.Ich aber erwiderte:
.„Wehe mir, wenn deine Worte Wahr‐
heit künden, denn ich komme weiten Weges,
da mich der Meister also gehen hieß zu
denen, die in diesem Hause wohnen, damit
ich aufgenommen werden könne in den
Kreis ihrer Gemeinsamkeit.”
.Da sprach der Mann zu mir:
.„Auch ich gehöre zu denen, die in diesem
Hause wohnen, und dein Verlangen ist
meinem Geiste wohlbekannt, ‒ allein, ich
sage dir: ‒
Keiner ist je über diese
Schwelle geschritten,
der nicht vorher
gestorben wäre!
.Findet er sich nach seinem Tode in die‐
sem Hause wieder, dann geht er fortan un‐
gehindert ein und aus.
.Willst du also sterben um zu uns zu
kommen, dann mag dich dieses Tier als
einen Toten über die Schwelle tragen!”
.„
Wie sollte ich nicht sterben wollen”,
war meine Antwort, ‒ „wenn ich anders
nicht in eure Gemeinsamkeit gelange?! ‒
.Töte mich eilends, auf daß ich über die
Schwelle komme, denn ich weiß, daß jen‐
seits dieser Pforte mein Tod beendet ist!
.Bist nicht auch du vormals gestorben,
ehe du durch diese Pforte gelangtest, und
stehst nun doch lebend vor mir?! ‒”
.„
Es geschehe dir nach deinem Willen”,
antwortete der Mann, und allsogleich fühlte
ich, wie mein Körper leblos wurde: ‒ wie
mein Wissen um mich selbst erschauerte...
.Aber ehe ich noch erkannte, daß ich
gänzlich meinen Leib verlassen hatte, fand
ich mich seltsamerweise wieder als eines
der Brote, die in den Rohrkorbbeuteln waren.
.Ich wollte rufen, aber ich konnte nicht.
.Es war nicht anders, als wenn man aus
schwerer Traumnot rufen möchte und es
nicht vermag.
.Ich wollte entfliehen, aber das Brot war
mein Leib geworden und bewegte sich nicht.
.Da ermattete mein Bewußtsein, und so
muß man mich wohl in das Haus und auf
die Tafel gebracht haben, wo ich mich bald
darauf, neben anderen Speisen vor der
Schüssel des Ältesten der Weisen liegend,
wiederfand.
.Nicht lange lag ich so ‒ immer noch
wie in einem schweren dumpfen Traume ‒
als ich die Stimme des Ältesten der Weisen
vernahm, die da sprach:
.„Gesegnet und geheiligt sei dieses Brot,
das Nahrung werden will dem ewigen Geiste!
.Ewig sei es im Ewigen Nahrung der
verhüllten Gottheit!”
.Nach diesen Worten brach er das Brot,
das ich selber war, entzwei, und ich fühlte
den Riß durch meinen Leib hindurch, als
wenn man meine menschliche Gestalt zer‐
teilt hätte.
.Bebend vor Schmerz schien mir Ver‐
nichtung nun gewiß, und ich ersehnte sie
als Erlösung, denn der Gewalt, der ich aus
freiem Willen mich dahingegeben hatte, war
nicht mehr zu entfliehen.
.In immer mehr Bissen zerbrach der
Älteste das Brot, um allen seinen Brüdern
davon zu geben, und in jedem der Bissen
war ich selbst lebendig.
.Mein Wissen um mich selbst umnachtete
abermals...
.Doch nicht lange sollte diese Umnach‐
tung währen, denn bald schon entstand um
mich eine Klarheit, die ich noch nicht kannte,
so hell auch vordem einst jenes Leuchten
war, in dem mich der Meister die Dinge
der drei Welten sehen lehrte, ehe er mich
den Weg zu dem Hause der Weisen er‐
wandern hieß.
.Auch fand ich mich plötzlich wieder in
einem menschlichen Leibe und wußte kaum
zu fassen, daß ich nicht mehr ein Brotring
war, von jener Form des Brotes, wie ich
sie in den Rohrkorbbeuteln gesehen hatte,
die das Lasttier vor der Pforte trug.
.Und siehe: ‒ ich sprach, ‒ und was
ich sagte, waren Worte des Ältesten der
Weisen...
.Sein Leib war der meine geworden, und
mein Geist von dem seinen nicht zu trennen.
.Als aber die Weisen: ‒ seine Brüder,
‒ bemerkten, was sich ereignet hatte, sprach
ihr Sprecher, in dem ich den Mann erkannte,
der mich vordem vor der Schwelle fand:
.„Jubel sei in unserem Kreise, denn es
ist uns ein neuer Bruder geboren, und du,
o Ältester, der die ewige Kette der Leuchten‐
den schmiedet, ‒ du hast mit dem Hammer
den offenen Ring zum Glied der Kette
geschlossen!”
.„
Ihr sagt es!
.Diese, deine Worte künden meine An‐
kunft.”
.So sprach
ich nun aus dem Munde des
Ältesten der Weisen.
.„Als Speise bin ich euch gekommen um
in eurem Geiste geboren zu werden.
.Doch, nun gebt mir meinen Mantel wie‐
der, damit ich nicht in eines Anderen Kleid
hier bei euch bin, während der Andere sich
verborgen hält!”
.Auf meine Worte hin verließen die
Weisen ihre Sitze an den Tischen, und ge‐
führt von dem Ältesten, dem mein Geist ge‐
eint war, zogen sie alle hinaus vor die Pforte.
.Da aber lag mein Erdenleib leblos und
starr wie tot.
.Der Älteste jedoch neigte sich über ihn,
und sprach überaus leise, so daß es mehr
wie ein Anhauchen war, diese Worte:
.„
Du bist ich!
.Diene dir in mir und mir in dir nun
aus diesem, deinem Erdenleibe!
.Du bist nun geboren als Speise dem
Leben des Lichtes, das alles ernährt!”
.Als er diese Worte ausgesprochen hatte,
fühlte ich, wie mein Empfinden aus dem
Erdenleibe des Ältesten auszog, während
mein Geist dem seinen vereinigt blieb.
.Zugleich aber fand sich mein Bewußtsein
wieder in dem Leib in dem ich vor die
Pforte gekommen war, und doch war es
nicht mehr ganz der gleiche Körper von
ehedem...
.Es war etwas in ihm
verwandelt wor‐
den, und ich konnte jetzt
im Inneren
meines Leibes die Dinge der drei Welten
sehen, so, wie ich vordem nur im Äußeren
durch das äußere Auge sah.
.Nachdem ich mich nun erhoben hatte,
empfingen mich die Weisen, wie einen auf
den man lange gewartet hat, in überschweng‐
licher Freude.
.Und als sie den Neugewordenen durch
die Pforte ins Innere des Hauses führten,
begann der Älteste, in Gottheit trunken,
eine Weise zu singen, deren Worte sich
also fügten:
.„Lebe der Liebe, zur Nahrung dem Lichte!
‒ Lehrend Erleuchteter, leuchte der Welt!”
.Und der Chor der Weisen, die mir nun
zu Brüdern gegeben waren, ließ sich ver‐
nehmen im Wechselgesang:
.„Lerne im Lichte dein Leuchten erkennen!
‒ Lebe der Liebe und leuchte der Welt!”
.In meiner Seele aber war das geistige
Erkennen aller derer, die um mich ver‐
sammelt waren.
.Ich fand sie alle mir
vereint, und war
in jedem von ihnen bewußt geworden, wie
ich es vordem nur in mir selber war...
GOTT LEBT IN DER
FREUDE, ‒
NICHT IM LEID!
DES LEIDES
SKLAVEN SCHUFEN
SICH DEN „
LEIDENDEN” GOTT!
DEIN LEID SOLLST DU DIR
DIENSTBAR MACHEN, DAMIT ES
DEINER FREUDE KNECHT
UND
HELFER WERDE!
.Frage nicht nach
Gott!
.Überlasse
die Frage nach Gott den Gott‐
losen und den Götzendienern!
.Du zweifelst mit guten Gründen, wenn
du Zweifel hegst, daß Gott
unvernehm‐
bar sei.
.Wir jedoch wissen, daß Gott keinem
antworten wird, der Ihn
in Frage stellt!
.Wir wissen, daß Gott den Lärm der
Frager scheut...
.Wer aber weiß, ob er Gott nicht
ver‐
nähme, wenn er nur Gottes Sprache
hören
lernen würde?! ‒
.Dazu bedarf es der Stille!
.Alles Schaffende bleibt in der Stille.
.Bereite der Stille in dir eine Stätte, ‒
auf daß Gott dir zum Freunde und Haus‐
genossen werden kann!
.Zur großen
Stille sollen diese Worte
deine Seele leiten.
.Wir werden dir hier eine Weile
vom
Menschen reden.
.Vom
Menschen aus müssen wir zu Gott
gelangen, sonst bleibt uns Gott in Ewigkeit
ein Fremder!
.Wir wollen Gott nicht
in der Trübsal
des Herzens suchen, denn uns erzeugte
Gottes
Wille zur Freude! ‒
.Wir wollen Gott nicht für dich durch
Fragen erkunden, denn auch in der leise‐
sten
Frage lärmt schon der Zweifel...
.Wir lehren Gott
in der Stille finden:
‒ im Willen zur
Freude!
.Von denen, die aus den Ängsten ihres
Herzens nach der Gottheit lärmen, kehren
wir uns bewußten Willens ab, denn wie
könnten wir sonst mit dir in die Stille ge‐
langen.
.Wir müssen
allein sein mit dem Men‐
schen, den wir in die Stille bringen wollen.
.Der Mensch, der
Gott vernehmen lernen
will, muss erst
sich selbst vernehmen
lernen...
.Sich selbst muß er zu
beantworten
trachten!
.Er muß sich selbst zu stummer
Frage
werden, und seine
Antwort ist dann
laut‐
lose Tat.
.Mit diesem, sich selbst erhörenden Men‐
schen nur
können wir in die große
Stille
kommen!
.Mit ihm
können wir die Wege wandeln,
auf denen allein Gott zu
er-
hören ist...
.Nur dem, der sich selbst vernehmen
lernte, kann die Lehre gelten, die wir hier
formen.
.Am Ufer des Meeres sah ich eine Mutter
sitzen mit ihrem Kinde.
.Das Kind spielte im Sande mit Muscheln
und bunten Steinen.
.All sein Spiel aber war ein
Wählen
und
Verwerfen.
.Sind wir nicht selbst derart spielende
Kinder?! ‒
.Wir
wählen und
verwerfen, und trei‐
ben es so durch Jahre und Jahrzehnte,
bis wir zum Ende rüsten.
.Ist nicht der gleiche Trieb das Treibende,
der jenes Kind mit Muscheln und Steinen
spielen ließ?! ‒
.Hier wollen wir verweilen!
.Wir werden an dieser Stelle den Sonnen‐
aufgang sehen.
.Weshalb sollten wir um die Erde reisen
durch die Nacht, der Sonne nachzulaufen?
.Schon haben wir den Menschen gefun‐
den, der selbst sich Frage, selbst sich Ant‐
wort ist.
.Wählen und
Verwerfen ist sein Tun.
.Du wirst den Menschen nie bei etwas
anderem finden!
.Freilich wird er dir große Gründe nennen,
wenn du ihn fragst,
weshalb er das tut.
.Der Mensch belügt sich aber nie so sehr,
als wenn er selbst
die Gründe seines Tuns
ergraben will...
.Aus
gleicher Tiefe quellen die Impulse
für das Spiel des Kindes wie für
alle Tat. ‒
.Hier wie dort ist im tiefsten Grunde
der Wille zur Freude zu finden!
.Letzte Lösung wird er vielen Rätseln.
.All deine Gedanken und Taten sind
deine „Muscheln” und „bunten Steine”.
.Nach deinem
eigenen Werte wirst du
wählen und
verwerfen. ‒
.Bald wirst du erkennen, daß
vieles „ver‐
werflich” ist, da es zu
bleibender Freude
nicht taugt.
.Aber gar viele „bunte Steine” schichtest
du doch zu Haufen, und dein Auge erfreut
sich an ihnen für einige Zeit.
.Dann aber wirst du des Spielens müde.
.Du lernst
Werte unterscheiden.
.Edelsteine möchtest du finden und
echte
Perlen, ‒ nicht nur leere Muscheln
und bunte Kiesel...
.Zuerst entfällt dir der Mut.
.Du siehst deine erste Freude an deiner
Erkenntnis sterben. ‒
.Umdüstert streift dein Auge über den
Sand.
.Doch siehe: ‒ dort
leuchtet etwas
zwischen den Kieseln!
.Eilend wirfst du deine bunten Steine
beiseite um jenes Leuchtende zu erlangen.
.Du findest deinen ersten
Edelstein!
.Von diesem Tage an bist du weise ge‐
worden!
.Du wirst nicht mehr an Kieseln deine
Freude finden, die nur glänzen solange sie
das Meer umspült.
.Von heute an wirst du vieles verwerfen
von dem, was deinem Auge reizvoll er‐
scheint, und wirst nur nach dem wenigen
suchen, das
dauernd leuchtet.
.So verlangt es der Wille zur Freude:
.Freude ohne Enttäuschung,
.Freude ohne Unterlass,
.Freude ohne ein Ende!
.Du wirst nun fragen:
.„Wenn diese Lehre die Wahrheit birgt,
woher dann ‒ das
Leid? ‒”
.Und ich antworte dir:
.Leid ist der
Freude Bedingnis und
Unterpfand!
.Alles im Kosmos lebt aus polaren Gegen‐
sätzen.
.Klein und
groß,
nieder und
hoch,
Leid und
Freude,
Lüge und
Wahrheit,
Schwäche und
Kraft, ‒ daraus
lebt alles
Leben!
.Ohne das
Leid könnte die Freude nicht
zu sich selber kommen, denn alles Tren‐
nen und Teilen schafft
Leid: ‒ Trennung
und Teilung aber ist
vonnöten, damit
Freude sich in allen Formen offenbaren
kann, die ihr unendlichfältig verschiedenes
Wirken braucht, aus dem alles Leben sich
erhält.
.Aber dein
Wille zur
Freude wird dich
im
Leid die
Lüge sehen lehren und dir
so das Leid
ent-
werten.
.Leid und Freude brauchen einander,
aber Leid und Freude
bekämpfen auch
einander ohne zum Frieden zu gelangen.
.Leid wie Freude wollen deine Kräfte
an sich ziehen.
.Leid wie Freude wollen durch dich
ge‐
wertet werden.
.Soviel du der
Freude Wert
beimessen
wirst, soviel Wert
entziehst du dem
Leid,
‒ bis es dereinst zum willigen
Diener
deiner Freude wird! ‒
.Ich rate dir gewiß nicht, allem Ungemach
feige zu entfliehen!
.Der Wille zur Freude will den Menschen
oft durch trübe Schicksalschluchten zu hellen
Höhen führen...
.Aller Sieg braucht Kampf.
.Kampf heißt: Wunden
erleiden und
Wunden
schlagen!
.Leid wird
dir durch
Andere kommen
und
du wirst Ursache werden für der
An‐
deren Leid.
.Hüte dich aber in deinem Willen zur
Freude, auch an den
Wunden dich zu er‐
freuen, die du im Kampfe schlagen mußt!
.Du sollst dein Leid in Fesseln legen,
wenn es dich nutzlos leiden macht.
.Wo aber dein Leid
zum Kampfe for‐
dert, dort sollst du dir den Sieg
erkämpfen!
.Alles Leid ist
Lüge!
.Alles Leid geht dereinst unter in der
Wahrheit!
.Das Leid ist nichts Bleibendes!
.Nur die
Freude ist
ewig, weil sie der
Ewigkeit
entstammt!
.Alles Leid ist dein
Gegner und
Wider‐
part!
.Alles Leid mußt du binden und zum
Dienen zwingen, damit die Freude frei sei
und herrsche!
.Du sollst jedoch dein Leid nicht
hassen!
.Hass ist die Farbe der
Ohnmacht.
.Der Wille zur Freude aber wird dich
die Liebe des Siegers lehren!
.Im Willen zur Freude wird dir alles
leicht.
.Du hast des Lebens wirkensgewaltigste
Macht zur Seite!
.Auch einer, der dem
Leide Zuwachs
schafft, strebt heimlich nach
Freude...
.Sein Wille zur Freude ist zwar
ge‐
fesselt, und dennoch bleibt er Quelle der
Kraft.
.Wille zur Freude zeugt alle Tat!
.Wille zur Freude erhält alles Leben!
.Wähle du selbst, ob, als betrogener
Kämpfer, du dem Leide
dienen willst, ‒
oder ‒ als Sieger ‒ das Leid
überwinden?!
.Du kannst nur dann unterliegen, wenn
du vor dem Leide
Furcht bezeugst!
.Zum
furchtlosen Sieger aber will dich
der Wille zur
Freude vollenden!
.Du findest den Willen zur Freude am
Werk in allem Dasein.
.Form und
Maß will der Wille zur
Freude, damit die Freude
geboren werden
könne aus der
Liebe.
.Liebe ist Streben nach
Einigung alles
Ent-
zweiten!
.Liebe allein zwingt Haß zum Dienste!
.Liebe
vereinigt alles
Entgegen-ge‐
setzte!
.Aus der
Liebe allein kann
Wille zur
Freude die Freude
zeugen!
.Wille zur Freude ist
männlicher Wille,
‒ er bedarf der
Gebärerin: ‒ der
Liebe! ‒
.Ohne
Liebe wäre der Wille zur Freude
wie ein ruheloser Verdammter...
.Liebe erst gibt ihm Ziel und sichere
Richtung.
.Liebe schafft Ausgleich zwischen gegen‐
sätzlichen Polen.
.Liebe ordnet alles Kleine dem Großen ein.
.Liebe einigt Wert und Unwert nach
ewigen Gesetzen in umfassender Einheit.
.Jeder Unwert ist ihr lieb um des Wertes
willen, dem er dienen muss, ‒ denn es
gibt keine
isolierten Werte und Unwerte
im Bereich der Wirklichkeit.
.Ungleichen Ranges,
bedingen doch Wert
und Unwert immerdar einander.
.Alles was
wachsen will, muß Wert und
Unwert zu
vereinen streben.
.Alles Lebendige braucht
Vereinigung
ungleicher Teile in der
Liebe.
.So nur erwächst das Bleibende!
.Du siehst die Menschen sterben und
du fragst:
.„Wo ist hier nun
das Bleibende?! ‒”
.Frage lieber:
.„Wo ist hier
das Vergängliche?!”
.Die liebsten Menschen sah ich sterben,
und
nichts Vergängliches konnte ich finden.
.Betrachte, was zurückblieb von allen,
die auf dieser Erde lebten, und du wirst
nur
neue Einigung der Teile gewahren,
soweit dein äußeres Auge sieht!
.Wer will dir dort, wohin dein Erden‐
körperauge
nicht zu sehen weiß, etwa
Ver‐
gängliches zeigen??
.Dorthin, wohin zu sehen es
nicht taugt,
sah es auch damals nicht, als die dir nun
entrückten Menschen noch deinen Sinnen
faßbar waren.
.Deine Sinne hatten ehedem dir nur ge‐
zeigt, daß da etwas Bestimmtes sei, von dem
dir nur
die Wirkung auf deine Sinne
Kenntnis gab.
.Glaubst du nun das
vernichtet, was du
voreinst
seiend wußtest, als es noch
auf
deine Sinne wirken konnte, ‒ dann bist
du wahrhaftig nur ein „
Sklave” deiner
Sinne! ‒
.Auch alle
Totentrauer entstammt nur
dem Willen zur Freude, der sich in Ohn‐
macht findet, das zurückzuholen, was ihm
als Anlaß der Freude entschwunden ist.
.Trügerisch betört dich diese Trauer, will
sie dir den Glauben an das Dasein derer
nehmen, die dein körperliches Auge nicht
mehr sehen kann, weil es nur
Körper‐
sinnenfälliges zu sehen tauglich ist.
.Dich selbst kannst du betrauern, weil
du einer
Täuschung erlegen warst!
.Nur was die Sinne deines Körpers be‐
rührte, hattest du für das Seiende gehalten...
.Nun mußt du sehen, daß die vergängliche
Freude am
Sinnenfälligen des Men‐
schen etwas sehr wesentlich anderes ist,
als die
bleibende Freude
am Menschen
selbst.
.Nun mußt du erkennen lernen, daß alle
„Sichtbarkeit” nur
unsichtbarer Wirk‐
lichkeit zeitliches Zeugnis ist.
.Alle Wirklichkeit wirkt aus dem
Un‐
sichtbaren!
.Willst du die
Wirklichkeit des
Men‐
schen finden, so wirst du sie nur
im Un‐
sichtbaren, durch
dein Unsichtbares er‐
reichen können! ‒
.Du darfst der Sichtbarkeit zwar
vieles,
aber
nicht alles glauben!
.Du mußt die Sichtbarkeit als Gegenpol
deines Unsichtbaren erkennen lernen!
.Wir könnten nicht in diesem Dasein
uns erleben, ohne den ins Äußere streben‐
den Willen zum erdensinnenhaften Sicht‐
barsein.
.Unsichtbar
wirkender und sichtbar
ge‐
wirkter Wille sind in uns zeitlich vereint.
.Noch nähern wir uns nicht der geist‐
gesetzlich bestimmten Bedingung zu
blei‐
bender Einung beider Willenspole.
.Erlösung vom Zuviel, ‒
.Ergänzung des Zuwenig: ‒
nichts anderes ist in Wahrheit der „Tod”,
der unser Unsichtbares aus dem Sichtbaren
löst.
.Nicht mehr
gehemmt durch sichtbare
Formen, werden wir dennoch auch in der
Sichtbarkeit leben und wirken: ‒ ein jeder
als Ganzes, bewußt seiner selbst nun aus
dem allewigen Ganzen...
.Weil ihr „
Außen” ein „
Innen” wurde,
‒
dein „Innen” aber noch mit deinem
„Außen”
ringt, ‒ darum findest du keinen
Weg zu denen, die du: „
die Toten”
nennst. ‒
.Es
gibt zwar einen Weg zu ihnen, aber
nur wenige Menschen sind jeweils im Leibes‐
leben, die diesen Weg gefahrlos betreten
können.
.Er beginnt im Äußeren und führt durch
die innersten Hallen der Natur, bevor er
sein Ziel erreicht.
.Der Mensch, der ihn betreten will, muß
selbst diesen Weg
erleuchten, sonst ver‐
irrt sich der Wandernde in den Labyrinthen
die zu „durchwandern” sind.
.Nacht und Verwirrung umfängt ihn dort,
bis er selbst in Nacht und Verwirrung
untergeht.
.Irrsinn ist dann das Ende!
.Alle, die
gefahrlos diesen Weg betreten
können, ‒
meiden ihn.
.Alle könnten die Wahrheit meiner Worte
bezeugen.
.Du kannst
dich selbst kaum in deinem
„Innen” erkennen, ‒ wie dürftest du hoffen,
die zarten Stimmen der Entrückten dort
zu vernehmen!?!
.Es bleibt aber gänzlich unnütz, etwa im
„Außen” nach
Beweis für etwas zu suchen,
was nur im allerinnersten „Innen” zu fin‐
den ist.
.Ewiges Leben ist Ruhe und Tat.
.Ruhe und Tat sind in ewigem Wechsel
wie Ebbe und Flut, im ewigen Meere inner‐
sten Geschehens.
.Ewige Ruhe wäre wirklicher
Tod!
.Ewige Tat wäre wirkliche
Verdammnis!
.Ruhe und Tat in Freude vereinigt,
sind
seliges Leben!
.Du deutest irrig deine Sehnsucht, wenn
du nach „ewiger Ruhe” zu verlangen glaubst.
.Deine Sehnsucht will
ewige Freude in
Ruhe und Tat!
.Freude ist menschliches Fühlen
göttlicher Vollkommenheit!
.Darum sollst du dem Willen zur Freude
Macht in dir geben!
.Du kannst
nie zuviel nach Freude
verlangen!
.Und was
jetzt dir an bleibender Freude
gegeben wird, kann
niemals dir wieder
genommen werden...
.Allüberall stellt Natur ihre Wegzeiger
auf.
.Die Menschen tollen daran vorüber wie
tanzende Kinder...
.Ihr solltet besser auf die Wegzeiger
ach‐
ten lernen! ‒
.Noch strebt ihr nach
Lust, und laßt von
Gelüsten euch verzehren, indessen allein
nur die
Freude ins dauernde Leben führt...
.Gott ist in der
Freude!
.Freude ist
klares Licht!
.Lust und
Gelüste sind
schwelender
Brand!
.Der Wille zur Freude ist
Wille zu Gott!
.Erkenne dich selbst: ‒
.Schlafender Wille warst du,
bevor
der eine Pol in dir zur
Sichtbarkeit
drängte.
.Träumender Wille bist du noch jetzt!
.Mehr und mehr aber wirst du zu
wa‐
chem Willen werden, bis du dereinst in
Freude und Klarheit alles in dir lebendig
durch-
willst.
.Alle Gesetzestafeln sind durch den Willen
zur Freude errichtet.
.Du selbst bist Wille zur Freude und
folgst nur eigenem Gesetz, wenn du in der
Freude
zu dir selber kommen willst und
in Freude
zu Gott!
.Alles, was
bleibende Freude bewirkt,
wird dir dienen.
.Alles, was
bleibender Freude nicht
dient, muß dir schaden.
.Du selbst bist dein Richter, und dein
Richterspruch ist deine
Tat!
.Du kannst dich selbst für lange Zeit
„verdammen”, und kannst dich durch dein
Tun zur höchsten „Seligkeit” erheben...
.So
lange du aber auch irren magst, ‒
du
mußt zuletzt, und wenn es auch nach
Äonen wäre,
dir selber folgen!
.Sobald du dich selber
erkennst, wirst
du im Lichte der Gottheit dich
finden.
.Noch strebst du hinaus in ein leeres,
starres Nichts.
.Noch spähst du nach tausend Zielen
irgendwo „da draußen”...
.Dereinst aber mußt du erfahren, daß
du nur
selbst dir zum Ziel werden sollst,
im Willen zur Freude an dir selbst.
.Du hältst in deiner Hand die Macht,
dich zu
binden und dich zu
lösen!
.Noch bist du deiner Macht dir nicht
bewußt.
.Du erwartest „außen”, was nur im
Inner‐
sten geschieht.
.„Außen” und „Innen” aber
werden dir
zu
Einem werden, wenn du
dich selbst
erst im Willen zur Freude
erkennst!
.Lange hatte man dich belehrt, daß „Trüb‐
sal des Herzens” und „Zerknirschung” dich
Gott nahe bringen könnten.
.Du hattest diesen Lehren vertraut, und
nun
fürchtest du dich auf dem Wege zu
dir selbst und zu deinem Gott.
.Fürchte aber nichts,
als was dich
fürchten machen will!
.Du wirst furchtlos in der
Kraft der
Freude schreiten, sobald du
dich selbst
im Willen zur Freude
willst.
.Im Willen zur Freude wirst du
ewi‐
ges Leben erleben!
.Im Willen zur Freude offenbart sich
dir dein
lebendiger Gott!
.Im Willen zur Freude wird sich Gott
dir dereinst
auf ewig einen!
.Dann wirst du erkennen, daß es nur
düstere
Götzen waren, die vordem dich
der Freude an dir selber, als der Ur‐
quelle deines
Willens zur Freude, fernzu‐
halten suchten!
.Dann wirst du entdecken, daß es ‒
Angst war, was dich nicht zu deiner Freude
kommen ließ!
.Dann wirst du erfahren, daß dein Sein
dir nur
sicher ist,
wenn du dich an dir
selber freuen kannst!
.In heiliger Freude dir ewig
selber ge‐
schenkt, wirst du auf ewig im
Willen zur
Freude sein!
WAS DIE SO WENIGEN, MIR IM GEISTE
.VEREINTEN,
ABER DURCH BLUTÜBERTRAGENES
.DENKEN
URALTER FORM VERPFLICHTETEN,
.MEINER BRÜDER,
HEUTE NOCH SO
VERBORGEN
.HALTEN,
DASS SIE NUR HART UND VIELFACH
.GESCHULTEN
NACH LANGER PRÜFUNG
SPARSAMEN EINBLICK GEWÄHREN,
DAS DURFTE ICH
ALLEN MENSCHEN
.OFFENBAREN,
DIE MEINE WORTE ERFASSEN.
ALLE BEDENKEN WURDEN ENTKRÄFTET,
DIE SOLCHE KÜNDUNG AUFHALTEN
.WOLLTEN, ‒
BLEIBT DOCH VERHÜLLT AUCH DAS
.OFFENBARE,
ALLEN, DIE SELBST NOCH NICHT
.SEHEN KÖNNEN.
WISSEND ABER MIED ICH WESTLICHE
.WEISE:
„WIRKLICHKEIT”
DAS NUR ZU
.NENNEN,
WAS DAS
GEHIRN DAFÜR HÄLT. ‒
DENN ICH BIN EINGEFÜGT
EWIGER
.ORDNUNG
UND BEFOLGE GESETZE
.ÜBERZEITLICHER ART.
ENDE
DAS BUCH
VOM
LEBENDIGEN
GOTT
gegründet 1816
KOBER`SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
4. Auflage
Unveränderter Nachdruck
der 1927 erschienenen Neuausgabe
(Anm.: Erstausgabe 1919)
©
1971 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Es lese keiner dieses Buch,
der
fromm und gläubig ist!
.Es lese keiner dieses Buch,
der nie
an Gott gezweifelt hat!
.Dieses Buch ist geschrieben für
solche
Menschen, die in harten inneren Kämpfen
ihren Gott
erringen wollten, aber ihn nicht
fanden...
.Dieses Buch ist geschrieben für Alle, die
in den Dornen der
Zweifel hängen...
.Diesen wird es helfen!
.Diesen wird es ein Wegzeiger sein!
.Uralte Weisheit ist es, die ich hier ver‐
künde.
.Die Wenigen, die jeweils sie empfinden
konnten, hielten sie seit alter Zeit
geheim.
.Nur selten, nur zu gewählter Stunde und
nur in dunklen Symbolen durfte in früheren
Tagen der Welt davon gesprochen werden.
.Nun aber ist die Zeit gekommen,
deut‐
licher davon zu reden, nachdem durch Un‐
berufene
verzerrte Bilder dieser Weisheit in
der Welt verbreitet wurden und verbreitet
werden.
.Im „
innersten Osten” wurde beschlos‐
sen, den lange und sorglichst vor profanen
Augen gehüteten, „heiligen Schrein” nun den
Menschen des Westens zu öffnen.
.Der ihn hier öffnet, ist dazu ermächtigt.
.Noch aber verlangt man
strenge Prü‐
fung von den Suchenden, und keiner kann
den Tempel
betreten, wenn er nicht vorher
die Prüfung
besteht. ‒
.So läßt sich denn vorerst nur
aus der
Ferne zeigen, was der Würdige dereinst
er‐
fassen und
begreifen soll...
.Was sich von den Geheimnissen des Tem‐
pels
sagen läßt, will ich euch sagen!
.Wollt ihr sie
ergründen, dann müßt ihr
Sorge tragen, sie im eigenen Innern zu
er‐
leben!
.Sie offenbaren sich wahrlich
nur dem,
der
mit allen Kräften sich ihr Erfassen
er‐
ringt! ‒
.Mit dem „
Lesen” meiner Worte werdet
ihr
wenig errungen haben...
.Was hier
Wort wird, muß
willige Her‐
zen finden; ‒ Herzen, die es
aufzunehmen
und in sich zu
behalten wissen, sonst ist es
vergeblich Wort geworden! ‒ ‒
.Keiner aber kann etwa
ein Urteil fällen
über Wert oder Unwert des Vernommenen,
bevor er sich der vielverlangenden Prüfung
unterzog, die ihm geboten ist, wenn er den
Tempel
selbst betreten will. ‒
.Nur denen, die
im Innern dieses Tempels
sind, ist hier die Urteilsbildung
möglich!
.Ich kann hier nur
von außen zeigen, was
sich dereinst
im Innersten des also Belehr‐
ten offenbaren soll.
.Damit es sich offenbare, ist ein lange
dauernder, hoher
Wille vonnöten, und nur
wer diesen Willen in sich erzwingt, darf auf
Bestätigung meiner Worte in sich selber
hoffen.
.Er findet den Weg zu seinem
lebendigen
Gott!
.Er findet in sich selbst das Reich des Geistes
und seine hohen Gewalten!
.Sein Gott wird in ihm selbst „
geboren”
werden!
.Es liegt mir ferne, „
Beweise” zu führen.
.Ob meine Worte
Wahrheit künden, müßt
ihr
selbst erproben!
.Nur
in euch selbst wohnt jener stille
Richter, der euch bekräftigt, was mein Wort
in euch erregt...
.Meine Beweise könntet
ihr nicht ver‐
stehen, denn ihr seid nicht die Wege ge‐
gangen, die ich einst mühevoll durchwandern
mußte! ‒
.Hier gibt es auch keine „
allgemein gül‐
tigen” Beweise!
.Hier findet ein jeder den für ihn bündigen
Beweis nur
in sich selbst! ‒ ‒ ‒
.Ich gebe euch auch keine „
Wissenschaft”
und verkünde euch keinen „
Glauben”.
.Ich zeige euch nur was sich zeigen
läßt,
von der
Weisheit des „
innersten Ostens”,
vom hohen Geheimnis des
Tempels der
Ewigkeit!
.Möge euch mein Wort ermuntern zum
endlichen
Erwachen zu euch selbst, denn
noch weiß
keiner aus euch, ‒
wer er ist!
‒ ‒ ‒
.Segen und
Kraft aber werde
allen, die
guten Willens und
starken Wollens sind!
.Es kam eine stille Kunde schon in alten
Zeiten einst von Sonnenaufgang her nach dem
Abendlande und stellte in der Bilderweise
frommen Christenglaubens
eine wunder‐
same,
geistverbundene Gemeinschaft
wissend Wirkender vor Augen, ‒ die
Menschen des Abendlandes aber
wußten
nicht zu deuten, was sie solcherart er‐
reichte. ‒ ‒
.Der
Sage Schleier wob sich um den „
hei‐
ligen Gral” und seine hehre „Ritterschaft”..
.Ein trosterfülltes
Wissen ging in dunkler
Mythe unter, ‒ wurde frommer Dichtung
sagenhafter Hintergrund. ‒
.Da geschah es jedoch in unseren Tagen,
daß in phantastisch aufgeputzten Berichten
abenteuerlicher Mystagogen vor aller Welt
gesprochen wurde
von verborgenlebenden
Geheimniskundigen im inneren Orient,
obwohl die Mär wider Willen zugleich be‐
zeugte, daß ihre Künder zwar
vom Dasein
der Verborgenen erfahren, aber keinen je ge‐
sehen hatten, ‒ ansonsten man
niemals
hätte vermeinen können, gewisse
Wunder‐
fakire und
seltsame Heilige denen man be‐
gegnet war, seien Glieder jenes geistigen
Kreises...
.Weil aber im
Nichtbewußten vieler
Seelen letzte dunkle
Ahnung sich erhalten
hat von einer möglichen geistigen Verbun‐
denheit mit einem irgendwo auf dieser Erde
noch verborgenen, gottesgeisterfüllten Heilig‐
tum, so fanden sich bald zum Glauben Geneig‐
te, die solche Verbindung zu erlangen hofften.
.Leider suchten sie
auf falschen Wegen,
und auf diesen Irrtumswegen suchen sie noch
jetzt. ‒ ‒
.Aus Wissensbrocken die am Wege lagen,
türmten sie ein wunderliches Scheinwerk auf
und nannten es die „
Wissenschaft” vom
Geiste, ‒ ahnungslos dem Wahn verfallen,
daß wahres Wissen um den Geist der Ewigkeit
erlernbar sei wie irdische Verstandeswissen‐
schaft.
.Sie leben als Asketen, um sich, wie sie
meinen, zu „vergeistigen”, ‒ versenken sich
in mitternächtigdunkle Giftmoraste einer
„Mystik” die aus der Fieberatmosphäre tro‐
pischheißer Dschungel stammt, ‒ spüren
allenthalben leidenschaftbetört nach alten oder
neuen Anweisungen um „
okkulte Kräfte”
zu erlangen, ‒ und glauben, daß sie sich auf
solche Weise
Jenen nähern könnten, die für
alles dieses
nur ein mitleidsvolles Lä‐
cheln,
voll Verzeihung und Verstehen,
übrig haben. ‒ ‒
.Keiner mag die Felsensteige betreten, die
zu den im Sonnenlichte strahlenden Firnen
des „großen Gebirges” führen, und alle laufen
dahin auf breiten, staubigen Straßen, nach
den längst entweihten Wallfahrtszielen dump‐
fer Täler...
.Viele träumten sich schon
auf dem Wege
zu den nüchternklaren Lenkern im Reiche der
Seele, und nun durchsuchen sie die Wälder,
um ‒
einen „
Heiligen” zu entdecken...
.Andere wieder glauben, die
religiösen
Lehren östlicher Völker seien
identisch
mit der Weisheit jener stillen und verborgenen
Lenker...
.So sagen sie sich denn mit Recht:
.„Auch bei uns hat es in alten Zeiten Seher
und Weise gegeben, auch wir haben
unsere
heiligen Bücher aus der fernen Vorzeit!
.Das Göttliche aber ist allerorten gleich!
.Weshalb nur sollten wir, des
Westens
Söhne, nun unser Heil allein
im Osten su‐
chen?! ‒”
.Sie reden
wahr, ‒ denn, wenn es sich
allein um
Jenes handeln würde, was man
allerorten, frommen Herzens, in sich fühlen
lernen kann, ‒ wenn es hier nur um jene
Lehren aus der Vorzeit ginge, die im Morgen‐
lande noch die Glaubensvorstellungen mit‐
bestimmen, ‒ dann fände jeder Suchende
Befriedung aus sich selbst und in den weisen
Lehren die ihm seines Volkes Seher und Ver‐
künder hinterlassen haben.
.Aber Weisheit und Wirken jener stillen
Lenker haben nur weniges zu tun mit den
Lehren der östlichen Völker, und die verbor‐
genen geistigen Helfer führen
weiter, als nur
zu
jenen Himmeln, die jede Zeit als Ausdruck
ihres frommen Sehnens sich erschuf. ‒
.Die Hüter des Urzeiterbes aller Mensch‐
heit sind die mächtigsten Schützer alles
Gei‐
stigen im Menschen, und sind zugleich
des
Erdenmenschen wahrhaftigste Freun‐
de,
voll Verstehen und voll Rat. ‒
.Seit den ältesten Zeiten haben sie Brüder
entsandt, nach allen Ländern der Erde, um
geistige Strahlungspunkte zu bilden, wo
sie vonnöten waren.
.Aus allen Völkern haben sie im Laufe der
Zeiten sich ihre geistigen Söhne und Brüder
erwählt, wie geistiges Gesetz sie wählen hieß.
.Allen aber, die sie so erwählten, wurde
eine Stätte mitten in Asien zur geistigen Hei‐
mat, zu der den Zutritt keiner findet, der etwa
kommen möchte, ohne geladen zu sein.
.Die wenigen, die dort seit Urzeittagen
schon zusammen leben, kommen niemals
sichtbar in die Welt des äußeren Getriebes.
.Dazu verordnen sie nur
jene ihrer gei‐
stigen Söhne und Brüder, die geistiges Gesetz
zu „
Wirkenden” bestimmte.
.Sie selbst sind lediglich die treuen Hüter
eines geistigen Schatzes, den der Erdenmensch
einst
vor dem Falle in die Welt der physischen
Materie
besaß.
.Sie
schaffen jene Macht, aus der die
Wirkenden zum Wohl der Erdenmenschheit
handeln.
.Ist es nicht
äußerste Torheit, zu glau‐
ben, diese hohen Lenker seien „
Buddhisten”
oder „
Brahmanen”, ‒ „
Lamas”, „
Pun‐
dits”, oder gar „
Fakire” !?! ‒
.Man glaube aber auch nicht, man habe es
hier etwa mit „
Gelehrten” einer okkulten,
sogenannten „
Wissenschaft” zu tun!
.Was solcherart vermutet wird, ist alles
arger Irrtum!
.Die Leuchtenden des Urlichts sind
vor allem „
Schaffende”.
.Die „Ältesten” oder die „Väter” haben
den „Durst nach Wissen”
nie gekannt und
konnten ihn nicht kennenlernen...
.Ihre „Söhne” im Geiste und ihre „Brüder”
zugleich, aber haben alles „Wissenwollen”
längst verlernt.
.Sie wollen alle auch gewiß nicht etwa die
Welt zu den Lehren morgenländischer Mystik
und Philosophie bekehren.
.Ihnen allen ist es gleich, ob du an die
Bibel „glaubst”, an den
Koran, die
Veden,
oder an
Buddhas Lehren.
.Wohl aber finden sie in
allen diesen Glau‐
benskreisen immer wieder Menschen, denen
sie
Helfer und
geistige Führer zu sein ver‐
mögen, auch wenn die Beschützten und Be‐
ratenen oft keinerlei Bewußtwerden der hier
nötigen Vorgänge in sich erleben...
.Die
Leuchtenden des Urlichts wollen
dir nicht
Glaubenslehren geben, sondern
dir
die „
Brücken”
bauen, die dich, den
tierverhafteten Menschen dieser Erde, ‒ mit
dem substantiellen Geistesreiche verbinden.
.Sie stehen aber ferne
jenen Lehren, die
den Menschen in
Ekstase peitschen wollen,
damit er dann, ‒ der
Sinne nicht mehr
mächtig, ‒ Macht zu haben wähne, das
Gött‐
liche zu sich herabzuziehen. ‒
.Sie wissen wahrlich auch, daß man im
Denken niemals
das erkennen kann, was
allen Denkens Vorbedingung ist und
über
allem Denken lebt. ‒
.Sie lächeln, hören sie von jenen, die sich
selber für verkappte
Götter halten.
.Sie werden aber jedem unsichtbar zur
Seite stehen, der
seinen Gott in sich
emp‐
fangen will. ‒
.Sie sind die wahren Hohenpriester, die den
Kelch des Segens jedem Pilger reichen, der
aus der tiefsten Inbrunst seines Herzens
Gott
in sich verlangt. ‒ ‒ ‒
.Siehst du nicht ein, daß es sich hier um
anderes handelt, als jene sonderbaren, vor‐
geblichen Wissenden „okkulter Wissenschaft”,
von denen
dort geredet wird, wo man aus
aller Völker mystisch dunkler Lehre ein Ra‐
gout sich zubereitet hat, und diese Speise
„
Gottesweisheit”, ‒ „
Theo-
sophia” be‐
nennt?! ‒ ‒
.Du wirst mit
solcher „Gottesweisheit”
armer Irrender und Selbstbetörter, mit allem
„
Üben”,
Meditieren,
Fasten, ‒
bei aller
Reinheit deiner Taten und Gedanken, ‒
mit einem Wissen über Dinge die man nicht
zu wissen braucht, ‒
noch nicht um eines
Haares Breite jenem Ziele näherkom‐
men, das du durch deines Herzens tiefstes
Fühlen als
das Hochziel aller deiner Wün‐
sche ahnen kannst! ‒ ‒
.Du wirst vielleicht
ein Narr, vielleicht für
dich und andere
ein „
Heiliger”, ‒ doch
niemals kommst du so zu
deinem Gott!
.Wenn du nur finden willst, was jederzeit
du
ohne Geisteshilfe in dir selber finden
kannst,
dann brauchst du wahrlich deine
Blicke
nicht zum „
hohen Osten” hinzu‐
wenden!
.Die von
dort aus dich leiten, ‒ auch wenn
sie mit dir im gleichen Lande leben mögen,
oder gar im selben Hause, ‒
die haben
an‐
deres zu geben! ‒
.Sie können in dir etwas
schaffen, das du
nicht selber in dir schaffen
kannst...
.Etwas, das in dir Wurzel faßt, und dem
du Nahrung wirst...
.Etwas, das du
noch nicht hast und
nie‐
mals aus dir selber haben
könntest! ‒ ‒
.Auch
die Leuchtenden des Urlichtes
haben es gewiß nicht
aus sich selber. ‒
.Sie geben dir nur
wieder, was einst
dein
eigen war, bevor du es durch deinen Drang
in diese Welt der physischen Materie
ver‐
lieren mußtest. ‒ ‒
.Die „
Ältesten” der Brüder haben es
niemals verloren, da sie dem tiefen Fall in
dieses Menschentier der Erde nie verfallen
sind...
.Sie kennen nicht den Tod, und leben,
so wie vor Jahrtausenden, auf dieser Erde hier
in unzerstörbarer Gestaltung aus den Kräf‐
ten reinster
Geistsubstanz.
.Sie waren
nie mit einem Körper, dem der
Tiere gleich, vereint wie
du und
ich.
.Sie aber schufen sich in Menschen die vor‐
einst gefallen waren und zu ihrer Zeit dem
Tiere dieser Erde sich vereinen mußten,
auf
geistigen Planen ihre „
Brüder”, damit
diese, dann in die Erdenwelt geboren, wirken
konnten, was allhier
nur dann zu wirken ist,
wenn man
im Erdentiereskörper lebt...
.So bereiten sie auch heute
zukünftige
„Brüder” für eine
kommende Zeit.
.Der Ort ihres Wirkens
auf dieser Erde
aber ist seit der Urzeit, als die ersten
Tier‐
menschen Träger des
Geistmenschen wur‐
den, ‒ dort, wo das höchste Gebirge der Erde
sich erhebt, ‒ unzugänglich jedem, den sie
nicht geistig selbst in ihre Mitte führen.
.Hier ist in Wahrheit „
die Hütte Gottes
bei den Menschen” dieser Erde!
.Hier reicht das
Reich des Geistes, durch
die Kräfte reinster Geistsubstanz, herein in
dieser Erde physisches Geschehen!
.Von
hier aus gehen
Strahlen reinster
Geistsubstanz zu allen, die auf dieser Erde
wohnen! ‒
.Ich sehe aber nur allzuviele Menschen
dieser Erde
noch vergeblich nach dem
Geiste suchen, da sie auf
falschen Wegen
schreiten.
.Ich kann diese Vielen nur zur
Umkehr
mahnen, denn
das wirkende Licht aus dem
„
innersten Osten” dürfte sie schwerlich er‐
füllen können, wenn ihre Augen weiter
ge‐
blendet bleiben von den mancherlei Lich‐
tern aus allen Zeiten, ‒ den Leuchtern und
Nachtfackeln, mit denen der in Tierheit ge‐
fallene Mensch sich selbst seinen Weg zu er‐
hellen suchte. ‒
.Wahrlich,
nur wer
ungeirrt durch das
Lichtergefunkel der Erde nach „
Osten” blickt,
der findet auf hohen Bergen
lebendiges Licht!
.Wer es
gefunden hat, dem wird es
leuch‐
ten auf seinem Wege, bis er sein
Ziel er‐
reicht, ‒ ‒ bis er
sein Ziel
erreicht! ‒
.Mit dem Namen „
Weiße Loge” hat man
den Kreis der geistigen Helfer im allgemei‐
nen Sprachgebrauch zu bezeichnen versucht,
und somit sei diese Bezeichnung auch hier
beibehalten, trotzdem die so Benannten sie
nur
gelten lassen, aber
keineswegs sich
selber also nennen.
.Ihre
völlige Abschließung von der
äußeren Alltagswelt mag zu rechtfertigen
scheinen, daß man den Begriff der „
Loge”,
aus der Freimaurerei her bekannt, auf ihre
rein geistige Gemeinschaft übertrug.
.Es handelt sich hier um die
eigenar‐
tigste Vereinung auf diesem Planeten, und
es findet sich unter Menschen
keine wie
immer geartete Gemeinschaftsform, die Ver‐
gleichsmöglichkeiten, und sei es auch nur im
übertragenen Sinne, zu bieten hätte.
.Die Glieder dieser
Ver-
einung kommen
sich nur
in den allerseltensten und wich‐
tigsten Fällen äußerlich, körperlich, nahe
und sie schreiben sich auch fast niemals Briefe.
.Dennoch stehen sie
in unausgesetzter,
geistiger Verbindung,
in stetem Aus‐
tausch der Gedanken,
ja in absoluter
seelischer Gemeinsamkeit....
.Diese Vereinung besitzt
keine äußeren
Gesetze.
.Ein jedes ihrer Glieder ist dem anderen
gleichgestellt, und doch kennt jedes Glied
seine ihm vorbehaltene Stelle, bedingt durch
die Verschiedenheit der geistigen Sonderart
des Einzelnen.
.Alle aber unterordnen sich freiwillig ei‐
nem gemeinsamen geistigen „
Oberhaupte”.
Dieses „
Oberhaupt” wird
nicht „
ge‐
wählt” und
nicht „
ernannt”, und doch
wird niemals eines der Glieder der Verei‐
nung im Zweifel sein,
wer dieses „Ober‐
haupt” sei. ‒
.Die „Aufnahme” in diese Gemeinschaft
kann weder rechtmäßig erworben, noch er‐
schlichen oder erzwungen werden.
.Verborgene geistige Gesetze und durch sie
bewirkte besondere Anlage der menschlichen
Natur geben
allein den Ausschlag, ob ein
Mensch zur „Aufnahme”
bestimmt ist, und
keine Macht der Welt kann in solchem Falle
seine „Aufnahme” verhindern.
.Die Aufgenommenen aber verpflichtet
kein Gelübde,
kein Versprechen...
.Sie selbst sind sich Gesetz und Norm!
.An keinen äußeren Zeichen,
keiner
gemeinsamen Besonderheit der Lebens‐
weise sind die Glieder dieser geistigen Ge‐
meinschaft zu erkennen.
.Sie selbst aber, mögen sie auch von An‐
gesicht sich völlig fremd sein,
erkennen ein‐
ander, ‒ und zwar
ohne „Zeichen, Wort
und Griff”, ‒ sobald es nötig wird, einander
auch im äußeren Leben zu begegnen.
.Ihrer ganzen Art nach
muß diese Ver‐
einung als solche der Außenwelt
verborgen
bleiben, und doch stehen viele Einzelne und
selbst ganze Völker zuweilen unter ihrem gei‐
stigen Einfluß...
.Kein Weg des Aufstiegs zu höheren, über‐
materiellen Zielen wurde je betreten, ohne
daß eines der Glieder der Vereinung, oder
diese als Ganzes, die unwahrnehmbare Füh‐
rung übernommen hätte. ‒ ‒
.In den allermeisten Fällen wissen und
ahnen die geistig Beratenen
nichts von die‐
sem unsichtbaren
Ein-
fluß, dem sie ihr Be‐
stes danken.
.Wo aber
Spuren geistigen Erwacht‐
seins sich finden, dort wird der Einfluß gei‐
stiger Hilfe wohl
gefühlt, ‒ doch wird er
fast immer, sei es aus Unkenntnis oder be‐
wegt durch abergläubische Vorstellungen, auf
überweltliche Mächte zurückgeführt...
.Die poetische Vorstellungswelt aller Zei‐
ten und Völker dankt solchem irrigen Deuten
immerhin eine Fülle ihrer Gestalten. ‒
.Der Aberglaube war noch immer ein
Freund der Dichter, denn die nackte Wahr‐
heit ist zu streng und einfach, als daß sie sich
bereit finden könnte, sich mit den üppigen
Draperien der Phantasie des Poeten umklei‐
den zu lassen.
.Nicht minder wurde irriges Deuten ge‐
fühlter geistiger Hilfe, die aus dem stillen
Kreise der „
älteren Brüder” auf Erden
kam, Anlaß zur Bereicherung
religiöser
Sagenwelt. ‒
.Von Zeit zu Zeit aber wurde Einzelnen
das Dasein und Wirken der
unsichtbaren
und doch
an reale Erdenmenschen ge‐
bundenen Gemeinschaft
bewußt, ‒ doch
Andere
verschütteten die aufgezeigten Spu‐
ren wieder mit
Zweifeln aller Art, so daß
zuletzt nur das Raunen der Sage da und dort
bezeugte, daß man vor Zeiten wohl einmal
mehr von diesen Dingen wußte, ‒ daß
manche Menschen hier
Bedeutsames erfah‐
ren haben
mußten...
.In unseren Tagen erhielten dann
allzu
schwärmerisch veranlagte Seelen
Kunde
von dem Dasein der Gemeinschaft, aber
deren einfaches geistiges Sein und Wir‐
ken genügte der farbenreichen Einbil‐
dungskraft dieser Enthusiasmierten so
wenig, daß sie es für nötig hielten, ihre Be‐
richte mit seltsamster Zutat zu schmücken, und
die „älteren” (‒ weil
geistig älteren ‒)
Brüder der Menschheit zu
Halbgöttern,
oder mindestens
großen Zauberern, her‐
auszuputzen, die alles, was moderne Wissen‐
schaft erst zu ergründen sucht, „
längst wis‐
sen” sollten, und gar freigebig mit allen
Wunderkräften ausgestattet wurden, von
denen je exotische Märchendichter träumten.
.Man hat offenbar hier
in guter Absicht
gefehlt und wollte den Zweck die Mittel hei‐
ligen lassen, indem man die erahnten Unzu‐
gänglichen
hoch über alles Menschentum
hinaufzusteigern suchte, wobei man sich
bestätigt sah, durch recht geschmacklose Fa‐
kirwunder, die man denen, die sie verübten,
gläubig als Beweis ihrer Zugehörigkeit zur
„
Weißen Loge” anrechnete...
.Die aber mit diesem Namen
gemeint
sein sollten: ‒ die wahren
Leuchtenden
des Urlichts, ‒
die Priester des Tem‐
pels der Ewigkeit auf dieser Erde, ‒
lehnen freilich allen phantastischen Aufputz
mit unerbittlicher Entschiedenheit ab.
.Sie wissen, daß sie
Menschen gleich an‐
deren Menschen sind, nur durch
ein hö‐
heres geistiges „
Alter” befähigt, ihre Stel‐
lung im Stufenbau der geistigen Hierarchie
auszufüllen und ihren Mitmenschen
Geistes‐
kräfte zuzuleiten, deren
Lenker sie sind,
‒
nicht deren Erzeuger!
.Die
Wirklichkeit zeigt aber trotzdem
ein weitaus würdigeres, weitaus
erhabene‐
res Bild, als es die farbenlüsternste
Phanta‐
tasie sich jemals ausmalen könnte....
.Das stille Wirken der Glieder der Ver‐
einung umfaßt alle Gebiete
geistiger Ent‐
wicklung in der Menschheit.
.Durch ihre Hände laufen Fäden, die oft‐
mals bei den Äußerungen höchster mensch‐
licher
Schöpferkraft, höchster menschlicher
Machtentfaltung enden...
.Sie versetzen
wirklich Berge ohne ein
Glied eines Fingers zu rühren, denn ihr Wille,
durch reinste Geisteserkenntnis gelei‐
tet und
völlig von allem persönlichen
Wünschen gereinigt, steht hinter so man‐
chem Willen, der
andere Gehirne und Hände
benutzt und bewegt! ‒
.Für
Fakirkünste aber ist im Wirken
der „älteren Brüder” der Menschheit
wahr‐
lich kein Raum!
.Sie arbeiten lediglich auf rein
geistige
Weise an der Verwirklichung des unermeß‐
lichen Entwicklungsplanes, den ein ewiges
kosmisches Gesetz der Erdenmenschheit vor‐
gezeichnet hat, und ihre Arbeit kennt
kein
persönliches Sonderinteresse, aber auch
keine Bevorzugung Einzelner, auch
wenn sie aus den idealsten Motiven heraus
erfolgen könnte. ‒
.Wer grobe „
Wunder” sucht, der wird
sie hier nicht finden!
.Die
tatsächlichen Geschehnisse im
Wirken der „älteren Brüder” mögen zuwei‐
len dennoch wahrhaft „
wundersam” sein,
aber je mehr sie solche Bezeichnung etwa ver‐
dienten, desto sicherer bleiben sie äußeren
Augen verborgen. ‒
.In den Einflußkreis dieses geistigen Wir‐
kens aber tritt
jeder Erdenmitmensch, dem
es ernsthaft am Herzen liegt, seine in diesem
Erdendasein
höchstmögliche geistige
Entfaltung zu erreichen.
.Je
reiner sein Wille ist, ‒
je freier
bereits
von selbstsüchtigen Wünschen, ‒
desto
klarer wird
Geistiges in ihn
ein‐
fließen können, und desto stärker wird er
diesen
Ein-
fluß ehestens in sich empfinden.
.Unzählige empfinden ihn,
ohne zu
ahnen,
woher er kommt...
.Ein jeder Mensch kann zu gelegener Zeit,
wenn gewisse
übersinnliche Vorausset‐
zungen gegeben sind und keine
zu starken
Widerstände in der physischen Welt beste‐
hen,
übersinnliche Erfahrungen machen.
.Am besten dazu veranlagt sind die
aller‐
einfachsten Naturen und ‒
die Künstler,
sofern es sich bei diesen um
ursprüngliche
Begabungen, ‒
echte Schöpferische, ‒
wirklich „
Begabte des Herzens” handelt.
.Das innere „
Empfangen” einer
schöp‐
ferischen Idee, ‒ einer
echt künstleri‐
schen Vor-
stellung, ‒
ist an sich schon
eine Art „
übersinnlicher Erfahrung”. ‒
.Dennoch aber besteht
ein himmelwei‐
ter Unterschied zwischen jeder Art
künst‐
lerischer „
Inspiration”, oder gelegent‐
licher
höherer übersinnlicher Erfahrung,
wie sie jeder Mensch erleben, und wie sie
eine besonders geeignete Natur in stärkster
Erlebensmöglichkeit kennen kann, und
der
Art des übersinnlichen Erfahrens die von
den Wenigen geübt wird, denen
das Erb‐
gut des Geistesmenschen wahrlich
mehr
ist, als ein Gegenstand der Befriedigung des
Wissenstriebes, ‒ die es sich vielmehr
nur darum anvertraut wissen, damit sie ihren
„jüngeren” Brüdern von hohen Bergen her
die Wegsignale geben können.
.Ich rede hier
nicht etwa von dem, was
die Welt unter „
Mystikern” versteht!
.„
Mystik”
und die „
Königliche Kunst”
der wahren, im Reiche wesenhaften Geistes
allein als solche gewürdigten „
Eingeweih‐
ten”, sind
sehr verschiedene Dinge!
.Dem
Mystiker ergeht es ähnlich wie
dem
Künstler...
.Ihm, wie jenem, wird „Inspiration” aus
einer ihm unbekannten Sphäre, in die er
nie‐
mals selbstbewußt und mit wachen Sin‐
nen einzutreten vermag.
.„Es” packt ihn, überwältigt ihn, und er
wird
Sprecher dieser unbekannten Kraft,
oder er
erlebt nur ihre Einwirkung im
„
wortelosen Schauen”.
.Dem im Reiche substantiellen Geistes
„
Geweihten”, dem wahren „
Eingeweih‐
ten der
königlichen Kunst”, dem Sohne
und Bruder der „
Leuchtenden des Ur‐
lichts”, ‒ ‒ ergeht es sehr wesentlich
anders!
.Er lebt,
bewußt seiner selbst,
stets
und ständig in den
drei Welten, die sich
in der Welt der Wirklichkeit
vereinigt fin‐
den, als
Welt der physischen Materie,
Welt der übermateriellen,
aber substan‐
tiellen Seelenkräfte, und
Welt des sub‐
stantiellen,
reinen Geistes.
.Er ist
nie und nimmer in
Ekstase,
noch in irgendwelchen Zuständen der
sogenannten „
Trance”, und er ist
ferne
allen mysteriösen Praktiken, denn nie‐
mals könnte er sonst dem Kreise seiner gei‐
stigen Brüder und hohen Väter zugehören.
.Während er seine Erfahrungen in
über‐
sinnlichen Regionen sammelt, bleibt er in
allen drei Welten
seines Seins bewußt,
und so ist denn auch sein Bewußtsein in die‐
ser, allen Menschen im klaren Wachen gegen‐
wärtigen,
äußeren Sinnenwelt
keinen Au‐
genblick dabei auch nur im mindesten
ver‐
dunkelt.
.Sein Erkennen „äußerer” Dinge ist ‒ im
Gegenteil ‒
erweitert und zu
jener Klar‐
heit erhoben, die seinen Blick ins Über‐
sinnliche erfüllt...
.Während er auf
übersinnlichem Plane
mit seinen geistigen Brüdern „
spricht”, ‒
und
sie mit
ihm „Besprechung” pflegen, ‒
ist er imstande, den geringsten Vorgang in
der ihn umgebenden
materiellen Welt zu‐
gleich
nicht minder klar zu sehen und zu
empfinden, wie das, was allein mit
Geistes‐
Sinnen wahrgenommen werden kann.
.Es tritt keine „Verengung”, sondern viel‐
mehr eine fast unendliche
Erweiterung des
Bewußtseins ein...
.Vieles von dem, was
in der Welt des
wesenhaften Geistes, die wieder
unzähl‐
bare „Welten” in sich umschließt, „
gespro‐
chen” wird, kann niemals mit Worten einer
menschlichen Sprache bezeichnet werden, ‒
aber dennoch ist es klare „Sprache”, in Rhyth‐
mus und Form, voll Sinn und Wahrheit, so
daß es wohl möglich wäre, geeignete Worte
menschlicher Sprachen dafür zu finden,
nicht
aber: ‒ zugleich mit diesen Worten die gei‐
stige
Ein-
sicht zu vermitteln, die alles im
substantiellen Geiste sogleich
von allen Sei‐
ten her erkennen läßt. ‒
.Das, was demnach in Worte einer mensch‐
lichen Sprache „übersetzt” werden darf, ist
bestimmt durch
die individuelle Sonder‐
art des wirkenden Bruders, sowie durch die
Zeit, in der er wirkt, den
Kulturkreis, der
ihn auf Erden umgibt.
.Alles aber, was er mitteilen wird, ent‐
spricht unter allen Umständen stets der lau‐
tersten
Wahrheit, ‒ ist ungetrübte Eröff‐
nung absoluter
Wirklichkeit, wie sie
allen
„Eingeweihten der Königlichen Kunst”
je‐
derzeit gegenwärtig vor Augen steht,
be‐
freit von allen den unzähligen
Täuschungs‐
möglichkeiten und Fehlerquellen des
Forschens in der
physisch-
materiellen
Welt. ‒
.Für „
Spekulationen” und philosophi‐
sche Spitzfindigkeiten des menschlichen,
erd‐
gebundenen Denkens ist in den Welten
der substantiellen Welt des Geistes kein Platz!
.Es wird ja
nicht, ‒ wie im
verstandes‐
bedingten,
irdischen Erkennens-
Ver‐
such, ‒ eine „Wahrheit” aus der anderen
„
erschlossen”!
.Alle Wahrheiten stehen im Reiche sub‐
stantiellen, reinen Geistes als
Wirklichkei‐
ten vor dem Schauenden! ‒ ‒ ‒
.Scheinbare „
Widersprüche”, wie sie die
Unfähigkeit zur Nachprüfung so beflissen in
den Bekundungen der wahren „Eingeweih‐
ten” aller Zeiten stets zu finden suchte, er‐
klären sich schon allein durch
die Art der
übersinnlichen Anschauungsweise, die da alle
Dinge stets
von allen Seiten zugleich er‐
kennen läßt, wobei der Verkündende jedoch
bald die
eine, bald die
andere „Seite”
allein
zeigen
muß, will er seinen,
nicht auf gleiche
Weise schauenden Mitmenschen einigermas‐
sen verstehbar werden, ‒ ‒ handelt es sich
doch nur zu oft um Dinge, bei denen jeder
Vergleich „
auf beiden Seiten hinkt”, da
nichts Irdisches die
Ähnlichkeitsentspre‐
chung mit dem darzustellenden
Substan‐
tiell-
Geistigen aufweist. ‒
.Die lokale Färbung der Redeweise, in der
ein Bruder der „
Leuchtenden des Ur‐
lichts” seine Bekundungen gibt, ist dagegen
stets
von seinem persönlichen Ermessen
abhängig, wird durch Pietät gegenüber sei‐
nen früheren Lehrern, durch eigene Neigung,
oder durch Gründe der formalen Gestaltung
bestimmt.
.Wenn auch das Herz Asiens noch heute,
wie vor Jahrtausenden, die irdische Stätte
des Tempels substantieller Geisteskräfte in
sich birgt, so ist es doch keinem der Brüder,
die diesen geistigen Mittelpunkt auf unserem
Planeten als
ihre wahre irdische Heimat
betrachten, etwa geboten, sich in seiner Ver‐
kündigung der religiösen und philosophi‐
schen Begriffe des Orients zu bedienen.
.Benutzt ein Glied dieses Kreises aber, als
Mensch des
Abendlandes, dennoch
die
Redeweise der Völker des Sonnenauf‐
gangs, so geschieht das
aus freier Wahl,
‒ aus Vorliebe für
die Poesie des Orients,
‒ aus Liebe zu gewissen Redebildern, die
Geistiges
besser vermitteln als abendländi‐
scher Sprachgebrauch, ‒ und schließlich auch:
um unvergeßbarem Erleben sein origi‐
nales Kolorit zu belassen...
.Auch der höchstentfaltete der wirkenden
Brüder ist
ein Mensch und seines Menschen‐
tums von Herzen froh, ‒
nicht etwa frei
von menschlicher Neigung, ‒
kein dem
Irdischen abgestorbener Asket, ‒ ‒
auch wenn so manche
Fanatiker der Ver‐
neinung alles Erdenhaften dies keineswegs
verstehen können, da sie des
Bannes nicht
mehr ledig werden, der sie an ihre, aus der
Unter-
Welt erhaltenen Glaubens-Lehren
bindet...
.Welcher liebend-fühlende Mensch aber
würde nicht Neigung zeigen, von
den Din‐
gen seiner Liebe in
jenen Formen gerne
zu reden, in denen ihm vor Zeiten gütige Leh‐
rer einst zum
erstenmale davon sprachen!?
.Leicht könnten jedoch die gleichen Dinge
auch
in völlig anderer lokaler Redeweise
vorgebracht werden, ohne irgendwie an
Wahr‐
heit zu verlieren.
.Gefährlich ist nur „
Übersetzung”
durch Unberufene. ‒
.Es ist viel schwerer als sich mancher träu‐
men lassen mag, etwa einen, in
christlicher
Gewandung einherschreitenden Satz eines
wirklichen „Eingeweihten”
unter einen in‐
dischen Turban zu bringen, oder in der
Weise
Chinas Gedachtes in
europäische
Denkform umzugießen! ‒ ‒
.Vielfach aber müssen Begriffe aus den An‐
schauungswelten
der verschiedensten Völ‐
ker sich
vereinen, soll eine geistige Wahr‐
heit, die abendländischem Denken
ferne‐
liegt, dennoch dem Abendländer
erfaßbar
werden. ‒
.Möge sich
kein Suchender je durch solche
freie Verwendung der Darstellungsmit‐
tel etwa verleiten lassen, zu glauben, es sei
der Verkündung Absicht,
jene religiösen
oder philosophischen Lehren zu propa‐
gieren, aus deren
Begriffsschatz aufgenom‐
men wurde, was sich
brauchbar zeigte,
zur
Förderung der Erkenntnis urewiger
Wirklichkeit! ‒ ‒
.Es ist bekannt, daß menschliche Gemein‐
schaften, die ihren Mitgliedern
alltagsferne
Ziele zeigen, den Gebrauch haben, innerhalb
ihres Kreises den
Alltagsnamen der Zuge‐
hörigen
aufzugeben und ihnen „neue”,
an‐
dere Namen zu verleihen.
.Woher dieser Gebrauch
ursprünglich
stammt, und daß er hinaufreicht bis in
Ur‐
zeittage, dürfte aus dem Nachfolgenden deut‐
lich werden...
.Auch sei hier nicht ohne Grund erinnert
an jene Worte der
Genesis:
.„Und es soll
dein Name nicht fürder
mehr
Abram sein, sondern
Abraham sollst
du heißen...”
.Desgleichen:
.„Du sollst nicht mehr
Jakob heißen, son‐
dern
Jisroel soll
dein Name sein...
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.„
Der Name” eines individuellen geistigen
Wesens ist etwas durchaus
Anderes als die
von äußeren Umständen abgeleitete Bezeich‐
nung, die Volksgebrauch und Landessprache
dem Erdenmenschen zuteilt. ‒
.Auch der Erdenmensch
ist eine geistige
Individualität, aber er kennt, mit sehr we‐
nigen Ausnahmen, die zu jeder Zeit anzutref‐
fen waren, „
seinen Namen” noch nicht. ‒
.Erst wenn er
seiner substantiellen
Geistigkeit bewußt geworden ist, weiß
er auch „
seinen Namen”.
.So ist der „
Name” eines wirklichen, im
Geiste „
Eingeweihten”, der früher oft sehr
geheim gehalten wurde, da man fürchtete,
ihn zu „
entweihen”, wenn er in aller Munde
käme, denn auch wahrlich
keine willkür‐
liche Benennung, wie der „bürgerliche”,
sogenannte Name, der einem Wohnsitz der
Ahnen, einem Beruf oder einer Eigenschaft
ferner Vorfahren, und zuletzt noch der Will‐
kür der Eltern seine Formung verdankt! ‒
.Er wird dem „aufgenommenen” Sohne
und Bruder zuteil durch die „
Ältesten” der
Brüder, und bezeichnet in der von den „
Brü‐
dern auf Erden” gebrauchten „
Buchsta‐
ben-
Sprache” jene Kräfte, die im geistigen
Sein des Bruders zur Auswirkung kommen...
.Seine „tragende” Kraft aber ruht in
gewissen „
Buchstaben”, so daß sich der
Wirkende auch mit
anderen Worten „
nen‐
nen” könnte, sobald nur diese „
Buchsta‐
ben”, die seine „
Kosmische Zahl”, ‒ sei‐
nen
urgeistig-
ewig vorhandenen,
sub‐
stantiell-
geistigen „
Namen” bilden, darin
enthalten wären...
.Es ist also immer noch eine, wenn auch
an sich schon geheiligte
Hülle um den „
Na‐
men”
der ewigen Geistgeltung gebreitet,
den
keiner „
aussprechen” kann, ‒ auch
wenn er die tragenden „Buchstaben”
kennt,
‒ außer
dem Einen, der
selber dieser
„Name”
ist... ‒
.In seinem „
Namen” ist der Bruder ein
„
Wort”
im Urwort: ‒ als
des Urwortes
Selbstaussprache in einer individuel‐
len,
ihrer selbst bewußten,
substantiel‐
len,
geistigen Form...
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Von „
wissenschaftlichen Forschungs‐
methoden” um
Geistiges zu erforschen,
weiß man in der Vereinung der „
Brüder auf
Erden” begreiflicherweise so wenig, wie bei
ihren geistigen „
Vätern”, die nie aus dem
Urlicht „gefallen” sind.
.Die Weisheit des wirklichen Geistgeweih‐
ten besteht nicht in einer Ansammlung und
steten Vermehrung dessen, was er auf irdische
Verstandesweise „
weiß”, sondern
im Besitz
gewisser heiliger Kräfte, durch die er das
Wissensobjekt jederzeit in
Wirklichkeit,
‒ „an sich”, ‒ erkennen kann.
.Sein Ansammlungswissen, in
weltlicher
Weise gewonnen, ist durchaus
unwesentlich
für ihn und nur
in den seltensten Fällen
mit geistiger Weisheit
vereinbar.
.Je
mehr er dergleichen besaß, desto
schwerer wurde ihm voreinst, als er noch
„Schüler” war,
das Überwinden der kau‐
salen Schwierigkeiten, das jeder berech‐
tigten „Einweihung” vorangehen muß...
.Man darf nicht nach „
Gründen” fragen,
wenn man diese „
Schulung” bestehen will,
die dem Berechtigten zuletzt
die Pforte öff‐
net, die
keine irdische Gelehrsamkeit ihm
jemals öffnen könnte. ‒ ‒
.Der wirkliche „Eingeweihte” verkündet
auch
niemals ein Wissens- oder Glaubens‐
„
System”.
.Ihm liegt die
Wirklichkeit der Dinge
in der geistigen Welt
ausgebreitet vor
Au‐
gen, und lehrend, redet er stets nur von die‐
ser
Wirklichkeit, die
kein System des
Denkens oder
Glaubens je in sich ein‐
schließen könnte. ‒
.Solche „
Systeme” sind, soweit sie auf
Dinge des
geistigen Reiches übergreifen,
immer nur
sekundäre Gebilde
anderer
Gehirne, die sich der Bekundungen eines
in
Anschauung und durch Selbstverwandlung
Wissenden bemächtigt haben.
.Angebliche „
Erforscher höherer Wel‐
ten”, die mit „
wissenschaftlicher” Auf‐
machung ihrer „
Forschungsergebnisse”
prunken, darf man
beileibe nicht etwa als
geistig „
Eingeweihte” werten!
.Alle derartigen „
Forscher” im „
Okkul‐
ten” sind nichts anderes als betrogene Skla‐
ven ihrer eigenen
plastischen Phantasie,
‒ einer äußerst verhängnisvollen und ge‐
fährlichen Kraft im Menschen, die, wenn sie
zur Tätigkeit gewaltsam angeregt wird, ihr
armes Opfer
alles gestaltet sehen läßt,
was es ihr selbst vorher in Gedanken, Wün‐
schen und Befürchtungen, ‒ oft unbewußt,
‒
als Modell vorhielt. ‒
.Auf diese Art sind alle die monströsen
„
Wanderungen auf höheren Ebenen”
und Darstellungen „
höherer Welten” ent‐
standen, die so manchem „
Geistesforscher”
und „
Geheimlehrer” unter seinen Anhän‐
gern den Ruf eines geheimnisvollen „
Se‐
hers” verschafft haben, wobei noch im Ein‐
zelnen zu untersuchen ist,
was als bewußte
Zutat und Ergänzung sich herausstellt,
und meistens gar leicht erkennen läßt. ‒
.Da diese Gebilde der „plastischen Phan‐
tasie”
durch seelische Ansteckung leicht
übertragbar sind, so glauben die Anhänger
und Schüler solcher „Propheten” und Sek‐
tengründer, sie hätten sich geistig
selbst von
der
Wahrheit der Offenbarungen ihres
„großen Lehrers” überzeugt, so bald es ihm
in der mysteriösen „
Geheimschulung” ge‐
lang,
seine eigenen Schöpfungen ins Be‐
wußtsein der Schüler
zu übertragen, ‒
nicht viel anders, als wie jeder geschickte
Hypnotiseur sein Experimentierobjekt
al‐
les sehen und
erleben lassen kann, was
etwa erwünscht erscheint. ‒ ‒
.Eine spätere
Rettung solcher Getäusch‐
ten ist
nahezu unmöglich.
.Unzählige sind auf diese Weise zu
gutgläubigen Selbstbetrügern,
Unzäh‐
lige zu hoffnungslos Betrogenen ge‐
worden!
.Wenn ich von allen diesen Dingen
hier,
wo von den Möglichkeiten übersinn‐
licher Erfahrung die Rede ist, klar und
deutlich
spreche, so geschieht es deshalb,
um jedem ehrlich Suchenden die Kriterien
zu
sicherem Urteil zu bieten.
.Ich rede von Dingen, die keines Schleiers
bedürfen, und
muß zugleich reden von
solchen Dingen, die
entschleiert werden
müssen,
im Interesse der die Wahrheit
als Wirklichkeit suchenden Seelen.
.Mögen meine Worte
nicht vergeblich
gesprochen sein!
.Möge man doch begreifen lernen, daß
niemals einer der Menschen, die
vollbe‐
wußt im substantiellen,
reinen Geiste
leben, die
Weisheit des Lichtes, die er
seinen Mitmenschen darstellt,
durch „
wis‐
senschaftliche”
Begründungsversuche
entweihen kann. ‒
.Was der im Geiste „Eingeweihte” lehrt,
ist zur
Prüfung durch
Tat und
Hingebung
bestimmt!
.Was er als Botschaft seinen „jüngeren”
Brüdern, den Seelen der mit und nach ihm
auf Erden lebenden Generationen, ‒ mögen
es Männer oder Frauen sein, ‒ zu
geben
hat, soll
nicht gedanklich zerspalten,
sondern
seelisch nacherlebt werden, da‐
mit die zahllosen Suchenden ihren Weg zum
Geiste finden, ‒
ihren Weg zur Wirklich‐
keit!
.Alle großen Dinge verlangen
Mut und
Glauben! ‒
.Ehedenn du „
am Kreuze” hingest, kannst
du nicht „
auferstehen”! ‒ ‒
.Ehedenn du
glauben wirst, kann dich
die „leuchtende Wolke” nicht durch das
„trockene” Meer geleiten!
.Du
hast gar vieles in dir zu
überwin‐
den, und mehr noch wirst du überwinden
lernen müssen, willst du auf deinem Wege
vorwärts schreiten...
.Das Meer wird drohen, dich zu verschlin‐
gen, und die Wüste wird dir keine Nahrung
geben, ‒ dennoch darfst du
nicht einen
einzigen Augenblick in Zagen und Zwei‐
fel stehen bleiben, sobald du diesen Weg
zu dir selbst und deinem Gott in dir ein‐
mal betreten haben wirst. ‒
.Wie schwer das ist, wirst du erst sehen,
wenn du auf diesem Wege
bist!
.Aber fürchte dich nicht!
.Du bist auf diesem Wege
nicht allein...
.Alle jene
geleiten dich, die
vor dir die‐
sen Weg beschritten haben!
.Auch sie mußten durch alle Gefahren
voreinst
hindurch!
.Nicht einem von ihnen wurde der Weg
etwa
leichter als dir!
.Nun aber sind sie eingegangen zum „ge‐
lobten Lande”...
.Nun haben sie der Mühen
Ziel erreicht,
und von „heiligen Bergen” her senden sie dir
Hilfe und
Kraft. ‒ ‒ ‒
.Von
jenen,
die im höchsten Lichte ihres
Gottes
sonnenhaft erstrahlen, die
götter‐
gleich, als
eine Einheit,
eine Sonne aller
Sonnen, allen Sonnen, allen Welten, leuch‐
ten ‒ ‒ bis herab zu denen, die auf dieser
Erde
geistgestaltet leben, und endlich de‐
nen, die hier
noch das Kleid des Erden‐
tieres tragen, durchfließt
ein Strom
des
substantiellen Geisteslichtes alle Weiten
und einigt die von ihm Erfüllten zu erhaben‐
ster Gemeinsamkeit. ‒ ‒
.Auf der dir nächsten,
tiefsten Sprosse
dieser „Himmelsleiter” aber stehen
jene Hel‐
fenden, die
dir die Hand zur Hilfe bieten
können, wenn du ihre Hilfe
willst...
.Sie lassen
keinen je
allein, der durch die
Nacht des Grauens sich den Weg zu bahnen
strebt, nach jenem friedvollen, stillen, hohen
Tempel, darin
sein Gott sich
in ihm selbst
‒
aus Licht zu Licht ‒ „
gebären”
kann. ‒
.Sie senden aber ihre Hilfe
nicht etwa
von außen her, denn
tief in deinem In‐
nersten sind sie mit dir
verbunden, sobald
du mutvoll deinen Weg beschreitest, ‒ den
gleichen Weg, den
jeder, der zu
seinem Gott
fand, einst durchwandern mußte, und den auch
sie, die dir nun helfen wollen, voreinst gehen
mußten, obwohl ihr Geistiges schon durch
Jahrtausende hindurch bereitet worden war
zu klarster geistiger Erkenntnisfähigkeit. ‒
.Wer nicht
aus diesen einer ist,
kann
dir nicht helfen, auch wenn er Wunder über
Wunder wirken könnte...
.Es werden viele falsche Lehrer deine
Straße kreuzen, ‒ „Lehrer”, die
selbst sehr
der Belehrung bedürften, ‒ und viele
stolze Sprecher werden dir mit ihrem „
Wis‐
sen” prahlen.
.Du wirst gar manchem selbstgerechten
„
Heiligen” begegnen, der sich in
Eitelkeit
verzehrt, und es für
große Tat hält, andere
zu seiner „
Heiligkeit” und angemaßten
„Würde”
zu verführen.
.Es werden dich die wunderlichsten „
Hie‐
rophanten” schrecken, die jeden, der sich
ihnen naht, zu blenden suchen durch die krau‐
sen, glitzernden und unheimlichen Zeichen,
die sie selbst in wirrem Wahn, mit falschem
Gold, auf ihre „Zaubermäntel” hefteten...
.Wenn du der Vorsicht
einmal nur ent‐
raten wirst, kannst du auch allzuleicht
in
mancherlei verborgene Garne laufen, und
selten nur kommt einer, der sich fangen ließ,
dann wieder heil aus solchen Vogelsteller‐
schlingen...
.Nur
stete Achtsamkeit kann dich vor
der Gefahr
bewahren!
.Sei auf der Hut vor allen denen, die ihre
vorgebliche „Gottesweisheit”
wie das Wis‐
sen um die Dinge dieser Erde lehrbar und
erlangbar glauben!
.Sei auf der Hut vor allen, die mit „
Wun‐
derkräften” deinen Sinn betören wollen!
.Es gibt noch vieles, auch in dieser schein‐
bar „aufgeklärten” Zeit, was dir sehr „
wun‐
dersam” erscheinen kann, und wahrlich sind
im Menschen wahre Wunderkräfte tief ver‐
borgen, doch
niemals kann der Geist der
Ewigkeit sich selber so zur Frage wer‐
den,
daß er sich durch „
Wunder”
zu
„
beweisen”
suchen würde...
.Zeigen wirklich sich an einem Menschen
wundersame Kräfte, so ist dies nur Beweis
dafür,
daß diese Kräfte
existieren, ‒
nie‐
mals aber ein „Beweis”, daß dieser Mensch
im Geistigen „
bewußt zu atmen” weiß, und
von der
Wahrheit, die in
Wirklichkeit
gegründet ist,
gewisses Zeugnis bringen
kann! ‒ ‒
.Solche Bezeugung läßt sich nur erprüfen
durch
das „
Wunder”
der Erkenntnis, das
sie
in der Seele wirkt, und
nichts darf dir
als
Wahrheit gelten, was nicht
in deinem
Allerinnersten Bestätigung erfährt, so‐
bald du
die Voraussetzung erfüllt hast,
die dich zur Erlangung der Bestätigung
be‐
rechtigt. ‒ ‒
.Hü
te dich auch vor jener Torheit, die da
glaubt,
durch die Besonderheit der Lei‐
besnahrung oder irgend eine
Fakirpraxis
sei es möglich, sich in „höhere Geistigkeit”
hinaufzuessen und
hineinzuatmen!
.Die Leuchtenden des Lichtes,
das die
Welten durchleuchtet, werden wahrlich
niemals dir zu
solchen Mitteln raten!
.Sie werden auch
niemals von dir fordern,
daß du dich
sonderst von deinen Neben‐
menschen um dich
geheimen,
sinnbetö‐
renden Zeremonien oder
mysteriösen
Gebräuchen ‒ hinzugeben!
.Sie werden dir niemals „
geheime Grade”,
seltsame
Titel oder „
Würden” verleihen,
durch die nur
Eitelkeit genährt, und
ein
lächerlicher Dünkel in dir erzeugt werden
könnte....
.Nur was in dir
Wirklichkeit wurde, da
du es selbst dir
er-
wirktest, hat vor ihren
Augen
Geltung und
bestimmt ihnen deine
„
Stufe”! ‒
.Du wirst sie auch nicht mit Schauspieler‐
gesten
auf Rednertribünen finden, und
nicht
auf den Märkten vor vielem Volke. ‒
.Sie werden dir vielmehr ihre Hilfe nur
in Worten geben, die du
in der Stille bei
dir erwägen kannst, ‒ unbeirrt durch ver‐
fängliche Rednerkünste...
.Sie werden dir helfen in
innerem Wirken,
und werden sich niemals
zu zeigen suchen!
.Es ist
nicht nötig, daß du sie
erkennst,
wenn du ihnen etwa begegnest!
.Es ist
nicht nötig, daß du sie
im Erden‐
kleide findest!
.Sie finden
dich und wissen dir zu
helfen,
auch wenn du nie die Helfer ahnen magst!
.Sie wirken wahrlich mit
anderen Mitteln
als jene eitle Toren, die ihre Anhängerschar
mit geheimnisvoller Geste und hohlen, tönen‐
den Rednermätzchen zu ködern trachten. ‒
.Sie werden auch
niemals einen
Tribut
für ihre Belehrung und Führung fordern oder
erwarten, und
würden eher mit dir den
letzten Heller teilen,
als daß sie für
ihre Hilfe von dir einen halben Heller
nehmen würden.
.Was sie an
Geistigem zu geben haben,
ist
des Geistes Gut, und keiner derer, die
es geben
können, würde jemals
Erden‐
werte dafür tauschen wollen...
.Nur „
Arbeit”,
die
des Leibes irdische
Erhaltung vorbedingt, hat Anrecht, erden‐
haften Gegenwert zu fordern.
.Wer Augen hat, zu sehen, und Ohren, zu
hören, der schütze sich selbst vor Gauklern
und Usurpatoren!
.Leicht wird er sie erkennen!
.Die Leuchtenden des Urlichts aber
sind
schwerer zu finden.
.Du wirst sie kaum entdecken unter an‐
deren Menschen in dieser Erde Kleid, und
nichts Absonderliches wird sie dir ver‐
raten, denn sie lieben
die Stille und schätzen
die Verborgenheit...
.Sind sie gezwungen,
in der lauten Welt
zu leben, so werden sie gewiß von allen an‐
deren Redlichen, die da ihr Erdenwerk be‐
treiben, nicht zu unterscheiden sein!
.Wohl dem,
der ihnen vertraut! ‒ ‒
.Doch nun, o Suchender, wollen wir
zu‐
sammen in die Stille gehen, und ich will dir
den
Anfang des „
Weges” zeigen!
.Sammle dich in dir selbst und höre mir
zu, nachdem du nun gewiß bereitet bist, das
was ich weiterhin dir jetzt zu sagen haben
werde
wachen Sinnes zu verstehen!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Zuerst, o Suchender, wirst du vieles
ver‐
gessen müssen! ‒ ‒
.Man gab dir
eine falsche Vorstellung
von „
Gott”, und so erstickte man in dir mit
eitler Lehre jenen
Keim, aus dem in deiner
tiefsten Seele heiligen Gewässern sich die
„
Lotosblüte” einst entfalten sollte, in der
das
Licht, das
ewig dich erleuchten soll,
„
geboren” werden kann...
.„
Der Geist,
der über den Wassern
schwebte” erfüllt die unendlichen Räume,
aber du kannst ihm
nicht anders nahen, als
nur ‒
in dir! ‒ ‒ ‒
.Nur wenn er
in dir, ‒ als
dein Gott,
‒ aus Licht zu Lichte sich gestaltet, wirst
du von seinem stillen Walten Kunde geben
können. ‒
.Die
seine Unendlichkeit ergründen
wollen, irren
sehr...
.Sie glauben,
Dem, den
alle Weltenräume
nicht umfassen können, in Vermessenheit
zu nahen, und ahnen nicht, daß sie
ein Zerr‐
bild schufen, das
sie nun
beherrscht. ‒
.Wir aber wollen nun in dich aufs Neue
den Keim jener ewigen „
Lotosblume” ver‐
senken...
.Vielleicht ‒ wird sie aus deinen Kräften
nunmehr Nahrung finden! ‒
.Wenn ihre Blüte dann
entfaltet ist, wird
sich der
Geist, der
aus sich selber sich er‐
zeugend,
aus sich selber lebt, in dich her‐
niedersenken und als
dein Gott in dir „ge‐
boren” werden, ‒ ‒ als
dein in dir
leben‐
diger Gott! ‒ ‒ ‒
.Nicht eher weißt du von „
Gott”!
.Glaube jenen nicht, die dir von
dem
Gott ihrer Träume berichten: ‒ von einem
Gott, der sich in schwüler
Ekstase finden
läßt! ‒
.Was
so gefunden werden kann, ist nur
eine „
Fata-
morgana” der inneren Welt!
.Du kennst noch
den Reichtum nicht,
den deiner
Seele Weiten in sich fassen! ‒ ‒
.Hier gibt es „
Kräfte” und „
Mächte”,
denen du
Anbetung darbringen würdest,
gleich dem Propheten vor dem brennenden
Busch, wenn ich sie dir sichtbarlich zeigen
könnte. ‒ ‒ ‒
.Deine Seele ist
ein unermeßlicher
Ozean, und noch keiner hat
seine Tiefen,
keiner
die Wunder des Meeres der Seelen‐
kräfte ergründet! ‒ ‒
.Du denkst an deine
Seele wie an
eine
lichte Hülle, und glaubst allein
dich selbst
in ihr zu finden...
.Doch deine Seele ist
wie ein Meer aus
Myriaden mit latenter Macht erfüllten
Meerestropfen, ‒ oder
wie eine leben‐
dige Wolke,
gebildet aus Myriaden kraft‐
erfüllter Wesen, ‒ und du sollst aller die‐
ser Wesen
Herr und
Meister werden. ‒ ‒
.Sobald sie in dir nicht
ihren sicheren
Herrscher erkennen, wirst du, betäubt von
ihrer, dich beängstigenden Kraft, zu
ihrem
Sklaven werden. ‒
.Sie
müssen dir
dienen, wenn du sie
be‐
meistert hast, ‒ aber sie werden dich durch
die seltsamsten Gaukelspiele stets
am Nar‐
renseil führen, wenn du dich in falscher
Demut
vor ihnen beugst.
.Sie brauchen
einen starken Willen, um
sich unter ihm zu
einen...
.Bevor du sie nicht in
einem Willen
ge‐
einigt hast, wirst du in deiner Seele nie
die
Ruhe finden, die allein das
Erblühen der
heiligen „Lotosblume” bewirken kann. ‒ ‒
.Nicht eher auch wirst du in dir, durch
deiner Seele Kräfte, Kunde erlangen von je‐
nem stillen
Geister-
Reiche, das nur durch
deiner Seele
willenseins geeinte Kräfte dir
erkennbar,
fühlbar, ‒ ja zuweilen selbst
erschaubar und
erhörbar werden kann, ‒
weil es
in dir, wie
allerorten, durch die
gleichen Kräfte lebt...
.Nicht eher auch wirst du von
dem, der
dich
aus dem Geiste leitet,
ein sicheres
Zeichen erhalten, ‒ nicht eher die hohen
geistigen Lenker,
des Urlichts Leuchtende,
in dir
erfühlen..
.Darum strebe,
o Suchender, vor allen
Dingen danach, in dir
einen festen,
klaren
Willen zu dir selbst zu gründen!
.Du mußt
dich selbst bejahen, wenn du
im Geiste
Bejahung durch den Geist er‐
fahren willst!
.Du findest
dich, und
in dir deinen
Gott,
allein in deinem „
Ich”! ‒ ‒ ‒
.Trachte
mit heiterer Freude und
in
stiller Gelassenheit danach,
dich in dir
selbst voll Ruhe zu behaupten, und wende
dein Auge ab von allen inneren
Bildern, die
dein aufgereizter, noch nicht selbstgeeinter
Sinn dir zeigen möchte!
.Du mußt
in Freude und
voll Vertrauen
erst völlig
zu dir selber kommen!
.Bevor du in dir selber dich gerundet und
von allen Seiten abgeschlossen hast, ‒ wie
ein Meer das sich selbst begrenzt, ‒ wie eine
Wolke, die sich selbst zu ballen weiß, ‒
wirst du vergeblich deine Seele
zu besitzen
suchen, denn deiner Seele Kräfte geben sich
nur dem
zu eigen, der ihrer Ehrfurcht wahr‐
haft
würdig ist...
.Glaube aber nicht, daß du dieses Ziel je‐
mals erreichen könntest, wenn du stets
tatlos
in äußerer Ruhe verharrst!
.Du mußt
als Mensch der
Außenwelt, in
die du nun einmal geboren bist,
zu wirken
trachten
Tag für Tag, wie
alle äußere Natur
stets wirkt und immer neue Formen bildet,
wenn du
den Willen also in dir
stählen
lernen willst, daß deiner Seele Kräfte
ihm
gehorchen können! ‒ ‒
.Kein Ding der Außenwelt ist so gering,
daß es dir nicht
zum Lehrer werden könnte!
.Aus jeglichem Erleben kannst du
Lehre
ziehen, und keine Tätigkeit ist so verächtlich,
daß du nicht aus ihr
zu lernen hättest! ‒
.Vor allem aber mußt du deine flüchtigen
Gedanken bannen lernen, und sie vermögen,
sich auf
einen Punkt jeweils
zu sammeln.
‒ ‒
.Nicht die Einöde der Wüste, und
nicht
das Leben unter den wilden Tieren der
Dschungel sind deinem Vorhaben etwa gün‐
stiger, als
das Getriebe einer volkreichen
Stadt,
in der du tätig deinem Gewerbe
obliegst! ‒ ‒ ‒
.Wenn du auch im lautesten Lärm noch
bei dir selber bleiben lerntest, wenn du in
absoluter Sicherheit deinen
Gedanken und
deinem
Willen in dir
gebieten kannst, wenn
deine
Wünsche nur kommen und gehen, wie
du selbst sie kommen und gehen
heißt, ‒
dann erst beginne den ersten Versuch,
dei‐
ner Seele Kräfte in dir zu einen! ‒ ‒
.Du wirst
auch dann noch mancherlei
Widerstreben in dir finden...
.Lange noch wirst du deinen nun gefestig‐
ten Willen dennoch
vergeblich gebrauchen,
um alle die widerstrebenden Kräfte deiner
Seele unter ihn zu beugen. ‒
.Jede einzelne Seelenkraft wird deinen
Willen nur
für sich selbst besitzen wollen,
und keine wird sich willig
deinem Willen
als Besitztum geben...
.Du wirst dies verstehen, wenn du dir klar
zu machen weißt, daß
jede deiner Seelen‐
kräfte, ‒ obwohl du sie alle als in dir ver‐
wobene „
Eigen-
schaften” betrachtest, ‒
ein selbständiges Seelenwesen ist, begabt
mit
eigenem Willen und dem Drang,
nur
sich selbst zur Darstellung zu bringen, und
sei es auch auf Kosten
aller anderen Seelen‐
kräfte. ‒ ‒ ‒
.Du darfst nur niemals
mutlos werden bei
deinem oftmals noch
vergeblichen Ringen
um die Oberherrschaft deines
eigenen Wil‐
lens über die
vielen Willen, die in deiner
Seele
nur sich selber wollen! ‒
.Niemals darfst du dir selbst
mißtrauen! ‒
.Niemals darfst du
die Freude deines
Herzens und
deine stille Gelassenheit
verlieren! ‒ ‒
.All dein Ringen ist nur eine stete
Probe
deiner
Geduld und deiner bereits erworbe‐
nen
Kraft im eigenen
Willen...
.Wisse aber, daß du in solcher Art am Ende
sicher einst
zum Sieger werden wirst!
.Ein Tag wird erscheinen, an dem du wahr‐
lich
die hohe Freude des Siegers glück‐
erfüllt
in dir erleben wirst!
.Dann ist der Keim der „Lotosblume”
auf‐
gegangen, und in den heiligen Tempeltei‐
chen, die kein
irdisches Auge je erblickt,
wird das
Geistesauge deines unsichtbaren
Führers, ‒ die Alten nannten ihn: deinen
dich schützenden „
Engel”, ‒ eine
Knospe
über der unbewegten, geheimnisreichen Was‐
serfläche erschauen...
.Er wird seine Gefährten rufen in heiliger
Freude, und eine Schar erwählter Wächter
wird von diesem Tage an die heiligen Wasser
behüten.
.Ein Wunder ist geschehen!
.Ein Wunder, das
ein Erdenmensch voll‐
brachte, ‒ denn leichter ist es, einen wüten‐
den Elephanten an einem dünnen Hanfseil
durch das Gedränge des Marktes zu führen,
als die
vielen Willen der
Seelen-
Kräfte,
die eines Menschen „
Seele”
bilden, unter
den
einen Willen
dieses Menschen zu ei‐
nen! ‒ ‒ ‒
.Nun aber muß das gedämpfte Licht des
Tages mit seinen weichen Strahlen die Knospe
umfluten, damit sie sich einst zu voller, pran‐
gender Pracht der
Blüte entfalten kann.
.Hohe, hundertjährige Bäume umgeben den
geheimnisreichen Tempelteich und schützen
die zarte Knospe vor den brennenden Pfeilen
der Sonne, die vorerst noch das kaum erstan‐
dene Gebilde alsbald versengen und vernich‐
ten müßten...
.Hohe Tempelmauern halten den Glutwind
aus der Wüste ab...
.Nun, o Suchender, beginnt für dich
eine
neue Tätigkeit!
.Doch
dieses Tun will nun wirklich auch
äußere Ruhe und
stillste Versenkung.
.Du wirst aber das, was du nun tun sollst,
nach der Arbeit deines Tagewerks verrichten
können, vielleicht ihm auch
vorher die stil‐
len Morgenstunden widmen...
.Jetzt ist für dich die Zeit gekommen, da
du leise und zart
nach innen fragen und
alsdann
nach innen hören lernen sollst.
.Du kannst nicht still genug dabei
sein!
.Was sich in dir
verbirgt und bald
ent‐
hüllen soll, wird nicht
bei dem lauten Re‐
den der Gedanken gefunden. ‒ ‒
.Es ist in deines Herzens Mitte, doch du
vernimmst noch nicht sein Wort, denn seine
Stimme ist sanft wie ferner Vogelruf...
.Scheuche sein Wort nicht von dir!
.Achte auf den leisesten Laut!
.Du kannst sein Wort gar leicht in dir
überhören, wenn du nicht
Stille in dir zu
erhalten weißt! ‒
.Es antwortet dir im Anfang auf deine
stillen Fragen so leise, daß selbst der zarteste
Windhauch seine Stimme in dir verweht. ‒ ‒
.Eines Tages aber wirst du dann doch seine
Stimme
hören und von
jeder anderen in‐
neren Stimme
unterscheiden lernen.
.Nicht so, als ob
von außen gesprochen
würde, wirst du die Stimme vernehmen!
.Auch
nicht mit Worten deiner Lan‐
dessprache wird sie zu dir sprechen, und
nicht in irgend einer anderen Men‐
schensprache dieser Erde! ‒ ‒
.Und doch wird das, was die Stimme dir
zu sagen hat, dir
weit verständlicher sein
als
alles, was du je, von Kindheit an,
durch
Menschenmund, in
Menschensprache,
hörtest! ‒ ‒ ‒
.Nun wirst du dieser Stimme
folgen
müssen...
.All dein Weiterschreiten auf dem Pfade
wird allein
durch deine Treue vorbereitet.
.Allmählich wirst du erkennen lernen,
daß jetzt dein Wille dir nicht mehr nur nach
der Weisung
deiner erdenhaften Ein‐
sicht dient, sondern daß du ihn, ganz un‐
vermerkt, bereits nach hoher
Geistes‐
Unterweisung, ‒ nach dem Willen jener
„Stimme”, ‒
umzulenken weißt...
.Tiefer und tiefer wirst du in das Ge‐
heimnis deiner Seele tauchen.
.Je mehr du
erkennen wirst, desto mehr
wirst du noch im Verborgenen
ahnen. ‒ ‒
.Dankbar und
sorgsam verwahre
auch
das kleinste Erlebnis, das du im Seelischen
erfährst, denn: ‒ deine
Dankbarkeit für
Weniges wird dir am ehesten des Erlebens
Fülle bringen! ‒ ‒ ‒
.Du wirst zuletzt
ein Reich der inneren
Wunder schauen, davon dir heute
keine
Schilderung auch nur
ein Ahnen bringen
könnte!
.Es werden Dinge in dein Leben treten, die
heute dir „
Unmöglichkeiten” heißen, ‒
und
heute wahrlich noch
mit Recht! ‒ ‒
.Als
größtes aller Wunder aber wird es
dir erscheinen, daß alles dieses dann
in
deine Macht gegeben ist, ‒ daß du nicht
in Ungewißheit warten mußt auf Erfüllung
deines Sehnens, da es sich stets alsdann
mit
aller Sicherheit durch
seine eigene
Kraft erfüllt...
.Bist du bis hierher
treu als Befolger
der inneren Räte befunden, dann wird die
„Lotosblüte” im geistigen Tempelteich sich
allmählich mehr und mehr
erschlossen
haben.
.Du wirst dann gar bald schon, oder doch
in nicht mehr ferner Zeit, jenen Tag erleben,
an dem die völlig eröffnete Blüte auf den
Wassern
leuchten wird, durchglüht von
einem Lichte, das gewiß nicht von der Sonne
dieser Erde kommt...
.Siehe, der Tag ist erschienen, o Suchen‐
der, an dem
dein Gott sich als
dein Gott
nun
in dir selber offenbart, ‒ in deinem
„
Ich”! ‒ ‒ ‒ ‒
.Er wird
in dir, und du wirst
in ihm
„
geboren”...
.Geheimnis bleibt, auch für den
Schau‐
enden im Geiste, was sich geistig solcherart
vollzieht. ‒ ‒
.Noch aber wirst du gewiß des
inneren
Führers nicht entraten können, aber auf
neue Weise wirst du nun mit ihm vereinigt
sein...
.Schon wenn die
Knospe der „Lotos‐
blüte” erschienen ist,
kann es sich fügen,
daß du
den geistigen Lenker vor dir
im
magischen Bilde erschauen magst, falls du
die Eignung in dir trägst zu solchem
Schauen.
.Er ist es nicht selbst!
.Es sind gewisse „
magische”
Kräfte
deiner Seele, die er durch
seinen Willen
zu
seinem Bilde formt.
.Sei dankbar, wenn dein „Berater” solcher‐
art sichtbar sich dir zeigen kann, ‒ wenn er
aus seinem Bilde dich belehrt, so daß du ihn
zu hören glaubst!
.Doch sorge dich nicht, wenn du auch
niemals in diesem Erdenleben sein Bild als
äußere Erscheinung erblickst!
.Nur in seltenen Fällen ist es
möglich
für ihn, sich dir im Bilde darzustellen, und
er wird
nur dann solche Möglichkeit
be‐
nutzen, wenn es
zu deinem Heil gereicht
und dich nicht
in Versuchung bringen
kann,
deiner Seele „
magische”
Kräfte
sodann um
anderer „Bilder” willen
zu
mißbrauchen...
.Besser, du siehst das Bild des Führers
niemals vor dir, als daß
sein Gebrauch
deiner Seelenkräfte
Ursache würde, sie
will‐
fährig zu machen, auch für
täuschende
Gewalten! ‒ ‒
.Du wirst seine Leitung um so sicherer
in
deinem Innersten erfühlen, und was du
nicht im Äußeren
erschauen kannst, wird
sich zutiefst in dir ‒
be-
greifbar dir zu
eigen geben...
.Nun aber, ‒ nachdem
dein Gott in
dir „
geboren” wurde, und du
in ihm, ‒
wird sich dein geistiger Berater, in Verei‐
nigung mit deines Gottes Stimme und mit
dir, nur in dem
höchsten Leben seines
Geistes offenbaren.
.Du wirst ihn
völlig identisch mit dir
glauben, solange er bei dir ist...
.Er wird dich
nicht mehr
lehrend
führen, sondern
sich selbst dir eröffnen,
und du wirst
selbst aus seinem Schatze inne‐
ren Lebens
nehmen, was dir noch fehlt. ‒ ‒
.Über dem allen aber wird die Sonne
göttlicher Freude leuchten, und alles
Ringen um Licht und Erleuchtung, wie es
einst dich verzehrte,
bevor du auf dem Wege
warst, wird dir nunmehr wie einstig erlittene
„Qual der Hölle” erscheinen. ‒
.Du siehst vor dir eine
Ewigkeit, deren
tiefste Tiefen
immer Tieferes erahnen
lassen, und weißt, daß du,
mit deinem
Gott vereinigt, durch die tiefsten ihrer
Wunder ewig weiterschreiten wirst.
.Wenn du dich
hier in dieser Außen‐
welt gewahrst, in Leid und Erdenfreude,
wirst du nach wie vor nur
einen Erden‐
menschen finden, ‒ und dennoch wird dein
Geist in deinem
Gott hoch über alles Erden‐
menschliche hinauf
erhoben sein, denn
deine Seele ist ein „
Reich” der
Ewigkeit
geworden: ‒
ein Himmel in den Him‐
meln! ‒ ‒ ‒
.Dies, o Suchender, ist des „Weges” Lauf,
‒ des Weges, den du beschreiten und durch‐
wandern mußt, willst du zu
deinem Gott
gelangen!
.Der „Weg” ist
in dir selbst, ‒ in deinem
eigenen „
Ich”!
.Dies ist der Weg, der dich allein zu deinem
höchsten Ziele führt: ‒ zum „
Erwachen”
in der Geisteswelt!
.Bist du
hier nicht bereits in ihr „
er‐
wacht”, so wirst du „
drüben”, nach dem
Ende dieses Erdenlebens, lange „
weiter‐
schlafen” bis man dich erwecken
kann, ‒
aus Träumen, die du selber dir geschaffen
hast und die dich
durch Aeonen dann
in
ihrem Banne halten können. ‒ ‒ ‒
.Nun höre, was dir noch zu raten ist!
.Vom Tage an, der dich entschlossen findet,
diesen „Weg” zu wandern, wirst du dir einen
starken Stab zur Reise schneiden müssen.
.Du findest dann „das rechte Holz”, wenn
du
die Kraft des Wortes, wie sie sich in
jeder Menschensprache offenbart, erfühlend
zu entdecken weißt! ‒
.Wähle dir Worte, die
zu deinem Her‐
zen sprechen, ‒ Worte von denen du „
er‐
faßt”, „
erhoben” und „
durchdrungen”
wirst!
.Schaffe dir
eine kleine Zeit in jedem
Tage, und, wenn es sein kann, schaffe sie dir
zur immer gleichen Stunde, ‒ eine Zeit,
in der du dich dem
Geiste dieser Worte in
Betrachtung
zu vereinen suchen kannst,
ohne durch
äußere Pflichten dabei
gestört
zu werden.
.Behalte ein Wort, das dich „
erfaßte”
dann für lange Zeit zu deiner „stillen Stunde”
als eine Übungsaufgabe für dein
Denken,
gleichwie ein Flötenspieler stets die gleiche
Weise immer wieder „übt”, bis er der Töne
höchste Reinheit dafür fand. ‒ ‒
.Du wirst in diesem Buche viele Worte
finden, die dir zu solcher „Übung” deines
Denkens taugen können.
.Andere gab ich an
anderen Orten.
.Doch mußt du nicht etwa an
meine Worte
dich verhaften!
.Der Menschheit „
heilige Bücher” sind
der Worte
voll, die dich „
ergreifen” und
zu sich „
erheben” können. ‒
.Dichter und
Weise haben solche Worte
wahrlich
in Fülle gegeben!
.Gefahr ist nur: daß du in solchen Worten
zugleich
die falsche Lehre findest, die Un‐
verstand, oder allgemeines Überkommen,
ge‐
wohnheitsmäßig ihnen unterlegt. ‒ ‒
.Darum rate ich dir, im Anfang doch
lieber
Worte aus meinen Schriften dir
zu wählen, wenn du dich meiner Belehrung
nun vertrauen willst.
.Beginne damit, daß du, wie ich dir
schon sagte, zuerst
im „
Denken” den Grund
solcher Worte zu ergründen suchst!
.Dann aber versuche an ihnen eine Weise
des Denkens zu finden, die „
wortlos” ist!
.Ruhe nicht, bis du, in „wortelosem” Er‐
fassen, dir den tiefsten
Sinn der gewählten
Worte ganz
zu eigen weißt!
.Präge sie
deinem Auge ein,
gelöst von
anderen Worten, geschrieben in klarer
Schrift deiner eigenen Hand!
.Fühle die Worte deiner Wahl als ob es
deine eigenen Worte wären!
.Versuche in dir den Geisteszustand des‐
sen zu erzeugen, der diese Worte erstmals
niederschrieb!
.Suche
dein inneres Ohr zu erwecken,
indem du der Worte
Klang im Innersten
zu „
hören” versuchst!
.Wenn du in allen diesen Formen des Er‐
fassens
sichere Erfolge zu verzeichnen
hast, dann gehe weiter, ‒ aber ‒
erst
dann! ‒ auch wenn es
gar lange währen
sollte, bis du soweit bist. ‒
.Ich warne dich davor, „
schnellfer‐
tig”
weiterzuschreiten!
.Wohl mag es dir so scheinen, als wenn
du „
in wenigen Stunden” dies alles errei‐
chen könntest...
.Vielleicht auch wirst du schon heute, da
du meine Weisung empfängst, bereits des
Glaubens sein, solcher Übung des Erfassens
keineswegs mehr zu bedürfen...
.Viele, die einst den Pfad betreten woll‐
ten, blieben
am Anfang schon liegen, weil
sie also dachten! ‒ ‒
.Es wird hier
mehr verlangt, als du
im ersten Augenblick wohl vermuten möch‐
test!
.Man muß nur oft vieles
in ähnlichen
Worten sagen, was an sich
sehr verschie‐
den ist. ‒
.Nicht was die Dichter „
Sprachempfin‐
dung” nennen, wird hier von dir verlangt,
wenn auch ein Mensch, gewohnt der Sprache
Klang und Rhythmus zu empfinden und der
Worte Wert zu fühlen,
schon auf halbem
Wege ist, die hier gestellte Aufgabe
zu ver‐
stehen...
.Hast du aber alles, was hier verlangt
wird,
wirklich erreicht, dann wird
eine
neue,
große Erweiterung deines Emp‐
findens,
ein weitaus wacheres Erleben
deines Daseins dir die Sicherheit geben,
daß du
geschützt vor jeder Selbsttäu‐
schung bist.
.Dann schreite weiter, ‒ du, der
das
höchste aller menschlichen Ziele erstrebt!
.Nun mußt du jene Worte
in dir selbst,
mit deinem ganzen Sein,
zu fühlen
suchen!
.Nun müssen jene Worte
in dir selbst
le‐
bendig werden! ‒
.Nicht nur deine
Seele soll vom „Geist”
der Worte nun
durchdrungen sein, son‐
dern
dein Erdenleib muß jetzt
in jeder
Faser jene Worte
fühlen lernen! ‒ ‒
.Die Worte müssen mit dir, ‒ mit deiner
Seele und deinem Leibe, ‒ zu
einem Sein
verschmolzen werden! ‒
.Dein Erdenkörper muß
zum Körper
der gewählten Worte werden, als ob
nichts anderes in ihm lebendig wäre. ‒ ‒
.Die Kräfte deiner Seele, bereits
in dei‐
nem Willen straff
geeint, müssen nun sich
auch
den Worten, die du wähltest,
einen,
und
du mußt
als Bewußtsein dieser Worte
dich empfinden! ‒ ‒ ‒
.Dann aber hast du
Großes errungen auf
deinem Wege!
.Du wirst zum erstenmale nun erfahren,
was das „
Leben” ist, das
dich, wie
alles
Lebende bewegt! ‒ ‒
.Es wird dir sein, als seiest du
auf einer
neuen Erde, ‒
in einer neuen,
nie ge‐
ahnten Welt...
.Du wirst erkennend innewerden, daß alles,
was die Menschen auf der Erde „
Wach‐
sein” nennen, nichts anderes ist, als tiefer,
dumpfer
Schlaf und wirrer
Traum.
.Hier schon kann ein klares Erschauen
der geistigen Welt beginnen, wenn die von
Anbeginn in dich gelegten Kräfte solches
erlauben, und wenn du ein Mensch
des
Schauens, nicht einer
des begrifflichen
Erfassens bist. ‒
.Bist du jedoch, nach deiner
Eigen-Art,
nur dann „im Bilde” wenn du das, was du
erkennen willst, „
be-
greifen” kannst, dann
wirst du kaum zum „
Schauen”, wohl aber
zum be-greifbaren
Erleben kommen...
.Zu einem
neuen Menschen wirst du
ge‐
wandelt sein, und
ein Bewußtsein deiner
selbst wirst du errungen haben, das deinem
gegenwärtigen Bewußtsein
kaum ver‐
gleichbar ist!
.Wie die strahlende Sonne des hellen
Mittags in ihrem Lichte einer kleinen Öl‐
Lampe Licht verschwinden läßt, so wird in
einem
neuen Bewußtsein aufgehen und ver‐
schwinden, was du noch heute dein „
Be‐
wußtsein” nennst...
.Du wirst dann wissen, warum der Weise
vom „
Leben”, als vom „
Lichte” der Men‐
schen redet, und wirst der vielgedeuteten
Worte herrlichen Sinn verstehen:
.„
Im Anfang ist das
Wort, und das Wort
ist
bei Gott, und Gott
ist das Wort...”
.„In
ihm hat alles
Leben, und
sein Le‐
ben ist der Menschen
Licht.”
.„Und das Licht
leuchtet in der Finster‐
nis, und die Finsternis
kann es nicht aus‐
löschen.” ‒ ‒ ‒
.Der diese Worte niederschrieb,
der
wußte
wohl was er sagte, und
auch du wirst
es wissen, wenn du an diesem Punkte deines
Weges angelangt sein wirst...
.Doch, ‒ „das Himmelreich leidet Ge‐
walt, und nur die Gewalt brauchen, reißen
es an sich!” ‒
.Ohne Bezwingung deiner Ungeduld,
ohne ausdauernde Übung deiner Kräfte,
wirst du niemals Erfolg erwarten dürfen.
.Glaube aber
nicht, daß
ein wildes Er‐
zwingenwollen, oder daß
krampfhafte
Anstrengung dich deinem Ziele näherbrin‐
gen könnte!
.Nicht so ist dieses Wort gemeint!
.Stets muß dich eine Stimmung voll
hei‐
terer Gelassenheit und
stiller Freude
umfangen, und alle deine Sorge muß darauf
gerichtet sein, mit unsagbarer Behutsamkeit
jenes zarte,
innere Vernehmen zu errei‐
chen, von dem ich vordem sprach.
.Es kostet
mehr „Gewalt”, dich so „
im
Zaum” zu halten, als manche
heroische
und
weithin sichtbare Tat dich kosten
würde...
.Wenn du aber alles wohl erwogen hast,
was ich dir sagte, und fortan
tun willst, was
gefordert wird, dann kann ich dir
die Sicher‐
heit geben, daß
auch du dereinst zu
jenen
gehören wirst, die
das Geheimnis des
„
Himmelreichs” in sich
erfahren dürfen.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.So beginne denn deinen steilen Weg!
.Möge
unermüdliche Ausdauer dich
bis ans Ende geleiten!
.Hohe Hilfe wird dir allezeit nahe
sein...
.Blicke
nicht zurück auf das Leben voll
Leid und Freuden, Schuld und Verdiensten,
das
hinter dir liegen mag!
.Wisse auch, daß
es
gleichen Wertes für
deine Aufgabe ist, ob
alle Erdengelehr‐
samkeit dein eigen wurde, oder ob du
unter den Unwissenden der Geringste
bist! ‒ ‒
.Suche nicht dich
abzusondern von den
Menschen, und glaube nicht, daß
seltsame
Lebensart, der Art des Lebens deiner Zeit
und deines Landes fremd, dich etwa
fördern
könne.
.Noch weniger kann dir
die Art deiner
Nahrung nützen oder schaden auf deinem
Wege,
wenn sie nur deinen Körper ge‐
sund und
bei Kräften hält.
.Willst du
das Fleisch der geschlach‐
teten Tiere meiden, dann meide es, und
willst du
dem Weine entsagen, dann entsage
ihm, aber bilde dir nicht etwa ein, du seiest
nun dadurch ein „reinerer”, oder gar „höher‐
stehender” Mensch geworden! ‒ ‒
.Das Gleiche gilt von
der sinnlichen
Liebe zwischen Mann und Weib. ‒
.Erniedrige dich nicht zum bloßen
Tiere, und
halte deine gebändigten
Triebe stets in starker Hand, damit sie
niemals gegen deinen Willen
dich unterwer‐
fen können, aber
beflecke nicht durch
Lästerung ein Mysterium, das du erst
„
rein” verstehen kannst, wenn du bereits
zu den
Erwachten im Geiste gehörst! ‒
‒ ‒
.Nicht ohne tiefste Gründe ergründet zu
haben, sprachen die Priester ältester Kulte
die Symbole der Zeugung
heilig, ‒ und
wahrlich: sie verehrten
anderes darin, als
nur ein Bild der ewig zeugenden Natur...
.Enthaltung aber ist dir
nur dort ge‐
boten, wo deiner Triebe unbezähmte Gier
zur
Ursache des Unheils für dich selber
oder andere werden könnte. ‒ ‒
.Enthaltung ist nötig von allen
Lastern,
da sie dein hohes Streben zum Geiste alsbald
behindern und zuletzt
ersticken müßten.
.Vermeide
alles, was dich oder andere
schädigen könnte!
.Vermeide auch jeden lieblosen
Ge‐
danken!
.Liebe dich selbst! ‒ Denn, wenn du
dich selbst nicht lieben kannst, wirst du
deinem „Nächsten” wahrlich
wenig Gutes
antun, wenn du ihn „liebst” ‒
wie dich
selbst. ‒ ‒
.Gehe selbst deinen
eigenen Weg, aber
lasse auch jeden Anderen
seinen eigenen
Weg durchwandern, ‒ auch wenn
seine
Ziele
ferne hinter dir liegen! ‒
.Du
weißt nicht,
wann eines Anderen
Stunde kommt, und
du hast kein Recht,
ihn
vor seiner Stunde im Schlafe zu stören...
.„
Erwecken” würdest du ihn doch nicht
können, denn
keiner entrinnt dem
Schlafe,
bevor seine Stunde kam. ‒
.Ist aber seine Stunde
nahe, dann wird er
selbst dich um Belehrung bitten. ‒ ‒ ‒
.Dann erst
darfst du sie ihm geben!
.Dann erst werden dir auch die
Leuch‐
tenden des Urlichts mit ihrer Kraft
zur
Seite stehen und deine Hilfe
wirksam
unterstützen. ‒ ‒
.Du bist
nicht berufen,
aus dem Geiste
her zum Geiste zu führen, und die dazu
berufen
sind, werden
niemals andere
nötigen, sich ihrer Führung zu vertrauen!
‒ ‒ ‒
.Gehe du
in heiterer Stille deinen
Weg zu dir selbst!
.Dein Weg zu dir selbst wird dich in
deinem Seelenreiche zu deinem
geistigen
Berater führen, und
er wird dich in dir
zu deinem höchsten Ziele leiten...
.Dein Weg zu dir selbst ist ‒
dein
Weg zu Gott!
.Niemals kannst du zu
Gott gelangen,
wenn du ihn nicht findest,
wie er ist ‒
in
dir selbst! ‒ ‒ ‒
.Nun aber will ich dir noch einige Worte
geben, die dich des geistigen Reiches Wirken
auf der Erde, und noch manches Verborgene
erkennen lassen werden, wenn du, guten
Willens,
Geistiges erkennen willst.
.Ich will einige Kränze an die Wände
deines Hauses hängen.
.Kränze aus jenen Blumen, die ich auf mei‐
nen höchsten Wegen fand und an meines letz‐
ten Weges Ziel, in meinem blühenden Garten.
.Zerpflücke mir die Kränze nicht,
und lasse jede Blume
dort, wohin
ich sie
verflochten habe! ‒
.Du kannst sonst
die eine, große
Wirk‐
lichkeit nicht rein erfassen, die alle Worte
dieses Buches dir zu künden kommen...
.Du kannst sonst nicht
das Geheimnis
deuten, das hier in stillen Worten sich ent‐
hüllt: ‒ das Geheimnis
des göttlichen
Lebens im Erdenmenschen, ‒ das hohe
Mysterium vom
lebendigen Gott! ‒ ‒ ‒
.„
En sôph”, „
das Seiende aus sich”
ist „
Geist”, der
Alles in sich faßt.
.Die Kräfte des Universums aber sind
„
Ursachen” vieler „
Wirkungen”, und das
verführte euch, nach einer
ersten Ursache
zu suchen.
.Doch
nie hat es
eine „
erste Ursache”,
nach eurem Sinne,
gegeben! ‒
.Ewig
gestaltet sich „
Gott” aus dem
Chaos
der Elemente des Seins! ‒ ‒ ‒
.Nichts ist hier „
Ursache” und nichts ist
„
Wirkung”!
.Nur der freie, bewußte
Wille des Geistes
gestaltet
sich selbst für sich selber zu ‒
„
Gott”! ‒ ‒ ‒
.Chaotisch wirken die Elemente des
Seins, dort, wo sie,
aus Ursein hinaus‐
geschleudert, sich bezeugen, als die tief‐
sten, schöpfungsträchtigsten Gewalten der
Urnatur.
.Dort sind sie drang- und triebhaft tätig,
ohne Eigenbewußtes in ihrer Wirkung. ‒
.Dort stehen sie noch
auseinander, und
jedes einzelne behauptet nur
sich selbst.
‒ ‒
.Aus solcher Selbstbehauptung des Ge‐
schiedenen jedoch ergibt sich
Pol und
Ge‐
genpol, und damit ‒
Anziehung, die im
Verlaufe unermeßbar langer Erdenzeit so‐
dann die
Sammlung vorbereitet...
.Im Seelischen des Erdenmenschen
wird dann die
Vereinung aller Urseins-Ele‐
mente wieder
Wirklichkeit, wenn
Men‐
schenwille sie
erstrebt. ‒ ‒ ‒
.Was in deinem Herzen tobt und drängt
nach
Gestaltung, ‒ was dich ständig be‐
wegt und in Unrast erhält: ‒ dieses jagende
Streben, irgend etwas
erreichen zu müssen,
‒ ‒ darin erkenne die Auswirkung jener
Urseinskräfte, die sich in dir erneut und
nun individuell bestimmt,
vereinen wollen!
.Noch aber drängen sich in diesen Ele‐
menten, die sich
in der hohen Form,
die
dein Bewußtsein braucht, als deine
See‐
lenkräfte offenbaren, gar
viele Willen an
dich heran...
.Noch findest du
dich nicht im
gebieten‐
den Willen, der alle die andern in sich zu
vereinen weiß...
.Alles was in dir
nach Außen hin „
Ich”
sagt, und was du
im Innern als „
Ich” emp‐
findest, ist meist noch der
vielen Willen
einer, die sich
im Geistesfunkenlichte
deines Selbst-
Bewußten einen sollen...
.Erst im
bewußten Sein kann
göttli‐
ches Bewußt-Sein sich in Urseinselementen
neu
bezeugen!
.Von grauenvoll ‒
im Unsichtbaren,
wie im Sichtbaren ‒ erregter
Urnatur
bis hin zur
Einung im Bewußtsein eines
Erdenmenschen (und es gibt
gar viele
„
Erden”!) führt der Weg der Urseinsele‐
mente
zurück,
hinauf, zu
gottbewußtem,
„neuem”
Sein. ‒ ‒
.Was du jedoch
von außen her betrach‐
test und „
Naturkraft” nennst, ist nichts
als
Wirkung, nichts als
Wiederspiege‐
lung und
Zeugnis gegenseitiger Beein‐
flussung der Urseinselemente, ‒ aber
kei‐
neswegs mit diesen selbst
identisch! ‒ ‒ ‒
.Was du die „
Wirklichkeit” des sicht‐
baren und unsichtbaren
Universums nennst,
ist
nur insofern „wirklich”, als es lediglich
die
Wirkung urgegebenen Seins,
in Ur‐
seinselementen auf verschiedener For‐
mungsstufe, als
Erscheinung darstellt.
.Das Universum „
ist”, soweit
die Ur‐
seinselemente „
sind”, ‒
nicht aber „
aus
sich selbst”!
.Ihr redet noch von einem „Gott”, ‒
dem „
Schöpfer”
aller Dinge, der eine un‐
endliche Welt sich zu Ehren „
erschuf”, sich
zu Ehren „
erhält”.
.Doch
solche Gottesvorstellung und Welt‐
daseinserklärung war nur
entschuldbar in
der
Vorzeit, die noch nichts von alledem
kannte, wodurch sich
heute Urseinselemente
in der
Auswirkung bezeugen, und wahr‐
lich eurem
Denken schon zum Anlaß wer‐
den sollten, die alten Vorstellungen auszu‐
löschen. ‒
.Sie
jetzt noch
beibehalten wollen, ist
zu gleichen Teilen
Torheit, wie
Läste‐
rung! ‒ ‒ ‒
.„
Gott”
ist nur allein
der Schöpfer sei‐
ner selbst in allem was da „
ist”, und alles
wahrhaft „
Seiende” ist
Sein von
seinem
Sein! ‒ ‒ ‒
.„
Gott” ist allein der Zeuger
seiner selbst
und
nicht, in eurem Sinn,
der Menschen
und der Dinge Schaffer! ‒ ‒ ‒
.Aller Sonnen und Welten gestaltende
Kräfte sind
Formen des Geistes, ‒
Ur‐
seinselemente, ‒
die sich in Zeit und
Raum erleben und so in Zeit und Raum
zeiträumliche Formen kristallisieren, ‒
‒
zeitweilig nur
Erscheinung, und je‐
weils
bedingt durch den Raum...
.Urseinselemente aber werden
immer‐
dar aus dem Ursein ausgeschleudert
und
kehren immerdar zu ihm zurück.
.So war es von Ewigkeit her,
und so
wird es in Ewigkeit bleiben!
.Stetig die Wirkung wechselnd,
bezeu‐
gen sich Urseinselemente: ‒ bald
Erschei‐
nung, bald der Erscheinung
Zerstörung
bewirkend.
.Sie selbst aber „
sind” von Ewigkeit zu
Ewigkeit,
wie immer sie auch ihre Wir‐
kungsweise wechseln, und sie werden
von keinem „gewirkt”...
.Es hat
nie einen „
Anfang” gegeben,
und nie kann ein
Ende dieses urewigen
Le‐
bens sein!
.Das ganze, weite, formengeschwängerte
Universum, mit aller seiner Sichtbarkeit und
seinem dir Unsichtbaren, ‒ ist nur
der
Wogenspiegel eines
ewigen,
geistigen
„
Meeres”, aus dem sich in eigener Kraft
die Wolke der
Gottheit erhebt! ‒ ‒
.„Gott”
bedingt das Universum, und
das Universum
bedingt „
Gott”!
.Das „
Perpetuum mobile”, das
Weise
und
Narren zu
erfinden hofften,
ist be‐
reits vorhanden und kann nicht
ein zwei‐
tesmal „erfunden” werden...
.Alle, die nach seiner „Er-findung” streb‐
ten,
ahnten nur, ‒ wenn auch pygmäenhaft
verkleinert, ‒
das Sein des unermeßli‐
chen „
Ganzen”, ‒ ‒ das Sein dessen, das
da „
ist”
aus sich selbst,
ohne „
Anfang”
und
ohne „
Ende”, das ewige „
Leben”,
‒
im Kreislauf des Seins! ‒ ‒ ‒
.Du suchst noch einen Gott in
unbe‐
grenzten Fernen. ‒ ‒
.Siehe aber, ich sage dir:
.Bevor dein Gott in dir „
geboren”
ist,
wie du in ihm,
wirst du ihn nir‐
gends finden!
.Ehedenn
dein Gott
dir „geboren” ward,
wirst du
vergeblich alle unendlichen Räume
durch deinen tiefsten Schrei nach Gott erbe‐
ben lassen...
.Man sagte dir, der Erdenmensch
sei ein
verhüllter „Gott”, und müsse nur zu der Er‐
kenntnis seiner selbst gelangen, um sich für
alle Ewigkeit
als „Gott” zu
finden.
.Die also zu dir sprachen, waren wahrlich,
weiter als sie wußten,
fern von Gott!
.Nicht du bist Gott, jedoch
in dir allein
auf dieser Erde, kann sich dein Gott
gestal‐
ten, und
dann bist du mit deinem Gotte so
verbunden, wie
Wort und Sinn im Lied
vereinigt sind! ‒ ‒
.Nichts wird alsdann dich je von deinem
Gotte
trennen können!
.In aller Ewigkeit wird er
in dir „
leben‐
dig” sein! ‒ ‒ ‒
.Darum
suche Gott
nicht mehr
in un‐
endlichen Weiten, und
nicht in einer
unnahbaren Welt,
hoch über allen Ster‐
nen! ‒
.Solange du Gott noch
suchst, ist dir
dein
Gott noch nicht „
gestaltet”!
.Sobald er dir einmal „
geboren” wurde,
kannst du ihn nicht mehr suchen. ‒
.Nichts ist
weniger vonnöten, als das
„
Suchen nach Gott”!
.Aber
suche in dir den Weg zu finden,
auf dem dir Gott
entgegenkommen kann!
.Suche dann alles in dir
zu bereiten, da‐
mit
dein Gott sich dir vereinen kann!
.Siehe,
der
Wille des ewigen, allumfassen‐
den Geistes „
will” dich und „
lebt” in dir,
auf daß er einst in dir
sich selbst als
dein
Gott „gebären” könne! ‒
.„
Advent”, ‒
die Zeit der Vorberei‐
tung, ‒ sei hinfort in deiner Seele, denn
siehe: du bist „Bethlehem”, und in dir soll
dein König erscheinen, der dich
erlösen
kann, ‒ ‒ der
allein dich
er-
lösen kann!
‒ ‒ ‒
.Tätig sollst du sein und
wirken auf
deinem Wege, wo immer zu Tat und Wir‐
ken
Kraft und
Begabung sich in dir finden.
.Wenn du dereinst
mit deinem Gott in
dir vereinigt bist, wird
all dein Leben
nur ein
Tun und
Wirken, ‒ ja
du selber
wirst nur Tun und Wirken sein! ‒ ‒
.„
Gott”
ist ein lebendiges Feuer!
.In ihm wird alles
zerstört, was tatlos
fault und
erstarrt. ‒ ‒
.Der Wille des Geistes kann sich in dir
nicht als
dein Gott „gebären”, wenn du
nicht
tätig bist, als
wäre dein Gott schon
vereint mit dir...
.Dein Gott wird
ein Gott der Kraft
und der Wagnisse sein, und nicht
ein
Dämon der kraftlosen
Wünsche, der zeh‐
renden
Ängste! ‒ ‒ ‒
.Tätiges Wirken möge
deine Liebe
finden
zu jeder Zeit, wie auch der
Geist in
Ewigkeit
sich selber wirkt in steter Tat!
.Wie willst du hoffen,
deinem Gott dich
zu vereinen, solange
deine Liebe sich von
ihm
entfernt?! ‒ ‒
.Du kannst nur zu
dir selbst gelangen
in deinem Gott, wenn du bereit bist,
wir‐
kend deinem Gott dich zu vereinen, denn
‒
der lebendige Gott ist
nicht ein Gott
der
Träumer und
Phantasten!
.Nur in
erwachten Seelen kann er sich
„gebären”...
.Sein Licht ist
viel zu hell, als daß es
Dämmerseelen je vertragen hätten. ‒ ‒
.Einige deiner Seele Kräfte zu ho‐
hem Tun!
.Vollende, was immer du auf Erden hier
vollenden
kannst, und
wirke, soweit du es
vermagst!
.So wirst du
deinem Gott in dir, ‒ dei‐
nem
lebendigen Gott, ‒ von
Furcht be‐
freit,
dereinst begegnen können.
.Du wärest nicht im Leben, wäre „Leben”
nicht als „
Tat” des
Geistes in dir wirkend...
.„
Ewig” ist dein Leben nur, weil alle
„
Tat” des ewigen Geistes
ewig,
wie er sel‐
ber ist. ‒
.Zeitlich aber bist du als
die zeitliche
Erscheinung dieser Erdenwelt, und also
ist es
Erdenpflicht für dich, allhier im
Zeitlichen
das Zeitliche zu wirken, so wie
du selbst im Ewigen gewirkt wirst ewiglich
durch Ewiges! ‒ ‒ ‒
.Nur im steten
Wirken kannst du dich
als
bewährt erweisen, und in der
Tat mußt
du dich selbst
bereitet haben, wie es hohe
Führung von dir fordert, soll
dein Gott
sich in dir selbst „gebären” können.
.Die von den letzten Dingen wirklich
wußten, haben noch allezeit den „
Hei‐
ligen” in seiner
Eitelkeit und
falschen
Demut lächelnd
verachtet, aber sie wissen
auch zu sondern zwischen eitlen Tugend‐
bolden und
den wahren Großbeseelten,
die man zuweilen „
heilig” sprach...
.Stolze Menschen wollen sie finden, die
erhobenen Hauptes zu leben wissen, ‒
nicht dürftige Bettler vor den Toren
göttlicher Herrlichkeit, ‒
nicht jäm‐
merliche Büßerseelen!
.Menschen wollen sie finden, die das
Leben
zum Kunstwerk zu gestalten wissen,
‒
nicht solche,
die sich dem Leben
beugen,
wie das Lasttier seiner Last!
‒ ‒
.Wen
Schuld und
Sünde aus seiner
Bahn zu werfen
fähig sind, der ist
nicht
wert, den Preis des Siegers zu erringen! ‒
.Wer
den großen Sieg erkämpfen will,
der darf sich nicht mit Sorge plagen, weil
der Staub des Alltags dabei
sein Gewand
beschmutzt...
.Wer stets bestrebt ist,
Flecken aus
seinem Mantel zu putzen, der wird
sein
höchstes Ziel gar bald
aus dem Auge
verloren haben...
.Ich rate gewißlich keinem, sich im
Schmutz zu wälzen, ‒ aber ein jeder, der
zum Ziele will, muß
achtlos werden gegen
den Staub des Alltags und
die kleinen
Flecken, womit er sein Gewand auf seiner
Wanderung bedeckt.
.Dein Fuß wird ständig an der gleichen
Stelle kleben, und niemals wirst du deinem
Schritt vertrauen, läßt du dich durch die
Fehler, die du niemals ganz vermeiden
kannst, auf deinem Wege
stören. ‒
.Der „
Heilige” aber ist einem Menschen
gleich, der sich selbst die Sehnen durch‐
schnitt, und nun
als ein Lahmer am Wege
liegt, jedoch mit offenen Augen
träumt: ‒
zu
fliegen. ‒
.Ach, daß du mir
lieber noch in
Schuld
und
Sünde bis an die Schultern waten möch‐
test, als daß ich je dich in Gefahr erblicken
müßte, zu einem solchen „
Heiligen” zu
werden! ‒ ‒
.All deine beste Kraft geht dir ver‐
loren, willst du dem „
Heiligen” gleichtun,
und vor allem dich „
von Fehlern frei”
zu halten suchen...
.Du
kannst deine Kräfte nicht gebrau‐
chen, wenn es deine stete Sorge ist,
jeden
Fehler zu vermeiden, denn wo immer du
wahrhaft
tätig bist, wirst du zugleich auch
in
Fehler und
Sünde fallen,
ohne es zu
wollen. ‒ ‒
.Wie aber
der Marmorstaub in des
Bild‐
hauers Werkstatt gewiß nicht
seines Bild‐
werks Wert verringert, so wird auch dein
„
Ich”, das du aus „
rohem Stein” hervor
zu formen suchst, auf keinen Fall
an Wert
verlieren durch den „
Staub” und „
Schutt”,
der ringsum liegen bleibt, bis endlich deine
klare Form herausgemeißelt ist.
.Vergiß der Werkstatt „
Staub” und
„
Schutt” und denke stets nur an das
„
Werk”, das du aus deinem Dasein formen
sollst, zu hoher Schönheit und zu ewigem
Bestand! ‒ ‒
.Und
bist du
tief gefallen, wo du
nicht
fallen wolltest, so
erhebe dich eilends
und vergiß, daß du jemals zu Fall gekommen
warst!
.Aber
selbst dann auch, wenn
dein
Wille dich zu Falle brachte, sollst du keine
andere Sorge kennen, als dich
augenblick‐
lich wieder
zu erheben!
.Unnütz ist deine „
Reue” nach dem Fall,
‒ aber dein kraftvolles
Erheben kann dir
zu dauernder Sicherheit verhelfen, die
den
neuen Fall
vermeiden lehrt...
.Wahrlich,
besser schreitet
der voran, der
die Kraft zur Erhebung nach dem Falle
in sich weiß, als
jener, der, in steter
Ängst‐
lichkeit, jedes Straucheln achtsam
ver‐
meiden möchte! ‒ ‒
.Dir kann auf deinem Wege nichts zum
Schaden gereichen, außer der
Furcht vor
den hemmenden Kräften der
Schuld, ‒ und
diese
hemmenden Kräfte wieder, werden
allein aus deiner Furcht geboren. ‒ ‒
.In
Liebe schreite dahin, und
frei von
Furcht, ‒ doch möge deine Liebe nie die
Kräfte untergraben, die du zum
Wider‐
stande brauchst!
.Sei immerdar
gütig gegen
alles was lebt,
aber ‒ „
Güte”
gegen den Tiger ist
ein
wohlgezielter Schuß, denn auch, was du
vernichten mußt, sollst du
nicht leiden
machen! ‒ ‒ ‒
.Frei muß auch deine
Güte und
Liebe
sein, oder sie wird dir zum
Laster werden!
‒ ‒
.Frei ist nur,
wer sich selbst befreit!
.Kein äußerer „Gott”, wie du ihn über
Sternen dir erträumst, kann jemals dich be‐
freien! ‒ ‒
.Doch: ‒
hilfst du dir selbst,
so hilft
dir auch dein Gott, ‒ ‒ dein Gott, der
in dir selber sich dereinst „gebären” will! ‒
‒ ‒
.Du hast dir
selber deine
Gespenster
geschaffen, und
nur du selbst wirst sie
ver‐
nichten können!
.Vieles gilt dir noch als „
Schuld” und
„
Sünde”, was solche Lästerung wahrlich
nicht verdient, ‒ und manches nimmst du
leicht, und siehst darin gar
deine „
Tu‐
gend”, obwohl es dir
Versuchung zum
Verderben ist...
.Du sollst „Versuchung” niemals
suchen,
aber du sollst auch nicht, dem „
Heiligen”
gleich, dein Auge also
bannen, daß es aller‐
orten
nur „
Versuchung”
sieht. ‒ ‒
.Erhobenen Hauptes gehe deinen Weg,
und wisse: ‒ daß du
am besten stets be‐
hütet bist, wenn du
dir selbst vertrauen
kannst! ‒ ‒ ‒
.Kein „
Fall” und „
Fehler” kann dich
dann in deinem Schreiten hindern, bis du
dereinst, mit hoher Kraft gestärkt,
dein
Ziel, das
in dir selber ist,
erreichen wirst!
.Aber ich warne dich, und rate dir: ‒
.Eher noch suche
Schuld und
Sünde, ‒
doch
hüte dich vor dem Willen zur
„
Heiligkeit”!
.Bisher wurde in den Worten dieses Bu‐
ches fast nur von
jenem „Unsichtbaren” ge‐
sprochen, das
deine Seele ist und in deinen
Seelenkräften sich entfaltet, sowie von jener
hohen
Geisteswelt, der du
entstammst,
und die du
wiederfinden mußt, willst du
zu
Gott gelangen und den
Frieden finden,
den dir die Außenwelt nicht geben kann. ‒
.Es ist aber noch von einem
anderen
„Unsichtbaren” zu reden: ‒ von einem Un‐
sichtbaren, das dich
von außen her umgibt,
wie
alle Dinge und Gestalten
materieller
Sichtbarkeit...
.Dieses „Unsichtbare” ist ein gar wenig
gekannter
Teil dieser
physisch-
materiel‐
len Welt, und ist zugleich der unvergleich‐
bar
größere Teil...
.Über
dieses „Unsichtbare” muß zuerst
auch
der geistige Führer schreiten, wie
über eine Brücke, wenn er
dich, den annoch
Unbereiteten erreichen will, denn noch
bist du nicht fähig, ihn
aus der Einheit
deiner Seelenkräfte zu vernehmen, so, wie
du
später ihn erkennen sollst, ‒
in Gott.
‒ ‒
.Er kann vorerst allein von diesem „
un‐
sichtbaren Außen” her dein
Inneres er‐
reichen!
.Es gab
jederzeit Menschen, die dieses
„
unsichtbare Außen” mit aller Sicherheit
erkannten.
.Für die Erreichung
ihres höchsten
Zieles war und ist solches Erkennen
ohne
jeden Wert.
.Sie „sehen”
mehr wie Andere, ‒ so wie
du, wenn du durch ein
Fernrohr blickst,
die „Ringe” und die „Monde” ferner Sterne
sehen kannst, derweil ein Mensch, der nur
mit bloßem Auge sieht, nichts anderes ge‐
wahrt als einen hellen Punkt...
.Ihr „Sehen” ist an einen
physischen Or‐
ganismus gebunden, der im Menschen der
Gegenwart nur selten so „entwicklungsfähig”
ist, daß ihn der Mensch gebrauchen kann.
.In Menschen
alter Zeiten war dieser Or‐
ganismus oft weit
stärker ausgebildet, und
auch in
späteren Menschen wird er wieder
sich entfalten, nachdem sie selbst Gewähr zu
schaffen wußten, daß er ihnen nicht mehr
zum Verhängnis wird...
.Die Entwicklung solcher, dem Alltags‐
leben
nicht notwendigen, physischen Or‐
gane vollzieht sich, nach Art der
Wellenbe‐
wegung, bald mit größerer, bald mit gerin‐
gerer Intensität, innerhalb der gesamten Art.
.So erlischt auch die Fähigkeit, das Un‐
sichtbare dieser physisch-materiellen Welt
mit Sicherheit zu erkennen, oft bis zum letz‐
ten Rest, um dann, zu anderen Zeiten, wieder
allenthalben in Erscheinung zu treten.
.Es handelt sich um
rudimentäre Or‐
gane des Menschentieres der Urzeit, die
nur
denen zum Segen gereichen, die
see‐
lisch vorbereitet sind, von der damit ge‐
gebenen Fähigkeit den
rechten Gebrauch
zu machen.
.Die Menschen, in denen der Organis‐
mus für die
Wahrnehmung des äußeren
Unsichtbaren
völlig entwickelt ist, sind
daher immer auch begabt mit gleichsam „
er‐
fahreneren” Seelenkräften, die schon in
vielen Menschen der Vorzeit wirksam waren.
.Wo immer mit diesem „
Sehenkönnen”
im physischen Unsichtbaren zugleich der
Drang nach
höherer Erkenntnis sich ver‐
bunden zeigt, dort wird der also Begabte
auch in diesem
unsichtbaren Teil der irdi‐
schen Welt
nicht zur Beute des
Irrtums
werden, sondern
gütige Berater und
be‐
sorgte Helfer aus dem Reiche wesenhaften
Geistes finden, die ihm das
Verstehen des‐
sen, was er wahrnimmt,
erleichtern.
.Ist er erst völlig „
wach” geworden, dann
kann es selbst möglich sein, daß er durch
höhere „Erwachte”
Macht über Kräfte
dieser unsichtbaren Welt erhält, um
mit‐
zuwirken am Entwicklungsplan der Erden‐
menschheit, wie er seit Jahrtausenden von
des Urlichtes Leuchtenden gefördert wird.
.Meist werden
nur wenige unter den
„Kundigen des Unsichtbaren” gefunden, die
solcherart „brauchbar” sind.
.Es wäre aber zu wünschen, daß alle Men‐
schen, die den Organismus zum Erfahren
des physisch Unsichtbaren irgendwie, ‒ sei
es schwach oder stärker, ‒ in sich fühlen,
ihn sorglichst beobachten und vor allem Miß‐
brauch bewahren wollten...
.Vielleicht könnte mancher Keim unter
sicherer Pflege zum Gedeihen gebracht, und
segensreich wirksam werden. ‒
.Es sind viele „
Arbeiter im Weinberg”
nötig, und die Menschheit dieser Tage würde
vieles gewinnen, wenn ihr wieder
kundige
Helfer und Lehrer erstehen könnten, die
auch im
Unsichtbaren dieser physischen
Welt
auf sicheren Wegen zu wandeln
wüßten...
.Nicht das „
Experiment” mit Medien
und Somnambulen bringt hier Aufschluß,
sondern nur die
Eigenerfahrung der
or‐
ganisch Befähigten! ‒
.Alle Ehre wissenschaftlichem Forschungs‐
eifer, ‒ allein durch die sogenannten „meta‐
psychischen” Experimente, die, wie schon
ihre Kennzeichnung sagt, von
falscher Vor‐
aus-
setzung, ‒
irrigem Vor-
Urteil aus‐
gehen, ‒ zieht man nur
die Schmarotzer‐
kräfte des physischen Unsichtbaren heran.
.Diese „Schmarotzerkräfte” des unsicht‐
baren Teiles der physischen Welt, sind We‐
sen, die,
dem Anschein nach, den Kräften,
aus denen sich die
Seele auferbaut, sehr
ähnlich sind, jedoch beileibe nicht etwa mit
„Seelenkräften” verwechselt werden dürfen.
.Es wäre
die gleiche Verwechslung, wie
wenn man
die Grimassen der Affen an
den Gitterstäben ihres Käfigs, mit der geist‐
voll durchgebildeten
Darstellungskunst
großer Menschendarsteller auf der
Schaubühne verwechseln wollte...
.Die Wesen
des unsichtbaren Teiles der
physischen Welt, mit denen man es zu tun
hat bei „metapsychisch” genannten Experi‐
menten, wie nicht anders dort, wo man in
weihevoller Stimmung glaubt, mit abgeschie‐
denen
Menschenseelen zu verkehren, sind
gewiß nicht ohne eine Art „
Bewußtsein”,
und sie „
wissen” oft
mehr als ihre Be‐
frager, ‒ aber nur dunkel und traumhaft sind
sie ihrer selbst bewußt, so daß sie kaum, nach
menschlicher Art, moralisch zu verurteilen
sind, wenn sie sich jeweils
für das ausgeben,
was man in ihnen zu sehen
vermeint, was
man in ihnen zu finden
glaubt. ‒ ‒
.Sie wollen vor allem
Bestätigung ihres
Daseins finden, und um diese zu erlangen,
sind sie
zu allem bereit, was ihre Macht
nicht übersteigt, gehen aber auch weiter und
suchen Macht noch
vorzutäuschen, wo ihre
Macht
zu Ende ist...
.Es bindet sie
keine „
Pflicht” und
kein
„
Gewissen”!
.Dein
Untergang bereitet ihnen
gleiche
Lust, wie dein
Erstarken, wenn sie
ihr
Dasein nur,
durch ihre Einwirkung auf
dich, an dir
bestätigt finden. ‒
.Wehe dem Menschen,
den diese We‐
sen bereits „
besitzen”!
.Sie saugen ihm das Mark des Lebens aus
wie Vampire, denn sie
müssen sich von
seinen Kräften „nähren”, wenn sie ihm zu
Diensten stehen sollen. ‒
.Wenn er nicht selbst sie
von sich schüt‐
teln kann, wird er der
Sklave ihrer dunk‐
len Triebe werden, bis seine Seele selbst da‐
bei „erstirbt”, da ihre Kräfte nach und nach
von ihm
sich lösen, ‒ wonach dann, wenn
der Erdenkörper sich zum letzten Schlafe
niederlegt, sein einstiges Bewußtsein in
Ver‐
nichtung endet, ‒ ‒ dem einzigen
wah‐
ren, weil
ewigen „Tode”, der dem Erden‐
menschen wirklich drohen kann. ‒ ‒ ‒
.Die
wenigsten Menschen
wissen mit
Gewißheit um die truggeschwängerte Na‐
tur dieser Wesen, die man
schwer benen‐
nen kann, da in der Sichtbarkeit sich
kein
Vergleichsbild findet.
.Es sind die unsichtbaren Wesen, durch
deren Kraft der
Fakir seine „
Wunder”
wirkt, ‒ und da man sie
nicht kennt,
staunt man
den Fakir an, wenn je ein
echter, dieser Unterweltverhafteten, sich
zeigt...
.Diese Wesen „können”
vieles, was dem
Menschen auf der Erde
niemals möglich
sein wird, solange er allein aus
eigenen
Kräften wirkt.
.Sie „
sehen”
deine Gedanken,
besser,
als du selbst sie kennst, ‒ und
deine
verborgensten Vorstellungsbilder kön‐
nen sie vor deinem Auge
sichtbar werden
lassen...
.Sie können, vorübergehend,
Formen
und Stoffe bilden,
so greifbar wie jedes
andere Erdending,
wie jeder dir be‐
kannte Stoff, ‒ denn diese Wesen sind die
unsichtbaren Wirkweber der physischen Ge‐
staltung, die aller sichtbaren Erscheinung
unsichtbare Fäden knüpfen...
.Sie können sich
in Menschenformen
hüllen, von Menschen, die schon längst nicht
mehr auf Erden leben, ‒ denn
jede Form,
die hier auf Erden einmal „
wurde” ist in
der Sphäre dieser Wesen so erhalten, wie ‒
beispielsweise, wenn der Vergleich auch hinkt
‒ etwa die galvanische Matrize, aus der man
jederzeit einen neuen Abguß nehmen kann.
.In
Wirklichkeit ist die „Matrize” hier
ein unsichtbares,
hauchzartes Gebilde:
‒ ein Lamellensystem, das die mathematisch
genaue Wiedergabe sämtlicher inneren und
äußeren Formen darstellt, die einst einen
Menschenkörper bildeten.
.Dieses, für gewöhnlich auf engsten Raum
in sich selbst zusammengezogene Gebilde
wird unter entsprechenden Bedingungen
gleichsam „aufgefüllt” mit den physischen
Kräften, die normalerweise den Erdenkör‐
per des „Mediums” erhalten.
.Das „Medium” muß während der Zeit
einer solchen Manifestation in jenem bewußt‐
losen Zustand verbleiben, den man unter
dem Namen „Trance” kennt.
.Der entstandene Scheinkörper ist wäh‐
rend seiner, auch im allergünstigsten Falle
überaus kurzen Darstellungszeit, das Wir‐
kungsfeld der
Tierseele des bewußtlosen
„
Mediums”, wobei diese Tierseele zugleich
unter einer Art Hypnose gehalten wird
durch jene unsichtbaren Wesen der physi‐
schen Welt, die sich in dem erzeugten
Scheinkörper manifestieren.
.Wenn ein solches Phantom sogar
zu spre‐
chen vermag und ganz in der Weise seines
verstorbenen Urbildes spricht, so ist das um
nichts verwunderlicher als das Sprechenkön‐
nen eines auf normale Art inkarnierten Men‐
schen, denn auch in dem Scheinkörper sind
für die Dauer seines Bestehens alle Organe
in solcher Form wieder physisch dargestellt,
wie sie voreinst in seinem Urbilde in Er‐
scheinung waren, ‒ genau, selbst in Bezug auf
etwaige Deformierungen oder sonstige Mängel.
.Es wird, so hoffe ich, wohl kaum nötig
sein, hier noch zu sagen, daß
diese zurück‐
bleibende Form im unsichtbaren Phy‐
sischen, mit dem sie ehemals bestimmen‐
den Menschen
nicht mehr zu tun hat, als
die abgeworfene Schlangenhaut mit dem
Reptil, das ihrer sich entledigte. ‒
.Nicht umsonst bin ich hier auf Vor‐
gänge eingegangen,
deren bloße Darle‐
gung mir schon
widerwärtig ist. ‒ ‒
.Ich will dich in der Lage sehen, Vor‐
gänge, die
dich verwirren könnten,
selbst
überprüfen zu können!
.Du sollst, wenn sich Erstaunliches vor dir
ereignen mag, dich nicht aus Unkenntnis
düpieren lassen!
.Nicht, was dir in den hier bezeichneten
Bezirken an
Betrug begegnen kann, ist als
„Gefahr” zu werten...
.Das
Echte dieser Art allein birgt
wirk‐
liche Gefahr! ‒ ‒
.Ich warne dich hier aus gesicherten Grün‐
den! ‒
.Auch in
dir können jene Wesen, wenn
du je ihre Auswirkung kennenlernen solltest,
eine Beute wittern...
.Sie finden, ‒
allzuoft nur, ‒ solche
Beute
an denen, die, statt ihren Höhenweg
zur
Einigung der Seelenkräfte und zu
ihrem
Gotte zu beschreiten, nach „
okkul‐
ten”
Kräften streben, ohne jenen Grad der
Einsicht schon erlangt zu haben, der nötig
ist, damit
ein wahrer Geistgeeinter unter
ihren Menschenbrüdern sie
in langen
Jahren strengster Vorbereitung lehren
könne, die hier gemeinten Wesen und ihre
unheimlichen Kräfte
zu bemeistern.
.Selbst dann noch schwebt jeder, der sie
ohne Not
erregt und
nützt, in ständiger
Gefahr, ‒ und keiner derer, die einst zur
Erprobung ihrer Kräfte dieses Reich des un‐
sichtbaren Physischen bezwingen lernen
mußten, wird jemals
länger in ihm ver‐
weilen, als es
der bittere Zwang einer
„
Aufgabe” von ihm
erheischt. ‒ ‒ ‒
.Alle,
die den hier in diesem Buche von
mir aufgezeigten Höhenweg betreten haben
und betreten werden, stehen in ihrem Inner‐
sten alsobald in naher
Verbindung, auch
wenn in der Außenwelt sie Tausende von
Meilen trennen sollten...
.Solche „Verbindung” kommt auf zwiefa‐
che Weise zuwege: ‒
Zuerst durch gegen‐
seitige Anziehung der Strahlungen, die durch
in sich bestimmte, menschliche Willens‐
zentren
als Strahlen-„
Wirbel” in gewissen,
höheren Regionen des
unsichtbaren Phy‐
sischen, ungewollt und unbewußt, erzeugt
werden, und dort
alles Gleichartige in
Konnex bringen.
.Dann aber
durch direkte Influenz‐
wirkung der Seelenkräfte, die nur der
Gleichrichtung der in ihnen gegebenen
Willens-Strebungen bedürfen um sogleich,
und praktisch unabhängig von Raum und
Zeit, miteinander verbunden zu sein.
.Doch, es ist menschliche Art, sich auch
im
Reiche der äußeren Erden-
Sinne erkenn‐
bar und nahe sein zu wollen, sobald man
durch Einstellung auf
das gleiche Ziel sich
einander zugehörig fühlt...
.Vielen
stärkt es auch
Mut und
Glauben,
wenn sie auf dem „Wege” von Zeit zu Zeit
mit Weg-Genossen
reden können...
.Und es gibt auch noch Gründe
höherer
Art, die oft
Gemeinsamkeit in sichtbarer
Nähe recht wünschbar machen. ‒
.Der Weg zum geistigen Leben will oftmals
leichter sich erschließen, wenn zwei, die ihn
betreten haben,
auch im Äußeren verbun‐
den sind, und so ihn
miteinander wandern
können.
.Darum wird jeder, der zur Belehrung in
diesen Dingen das
Recht und die
Kraft er‐
hielt, das Wort des hohen Meisters von Na‐
zareth wiederholen müssen: ‒
.„Wo zwei oder drei in meinem '
Namen'
versammelt sind, dort bin ich
mitten unter
ihnen!”‐
.Doch
niemals seien es
mehr als „
zwei
oder drei”, die sich,
zum gemeinsamen
Austausch ihrer seelischen Erfahrun‐
gen durch das Wort der äußeren Sprache,
jeweils zusammenfinden!
.Aus guten Gründen wird
diese kleine
Zahl gefordert!
.Jede
größere Gruppe seelisch Verbun‐
dener kann
nur dann zu segensreicher Wir‐
kung kommen, wenn sie, ‒ was
Redeaus‐
tausch über seelische Erfahrung anbe‐
trifft, ‒ in sich
gegliedert bleibt als
eine
vielfache „
Zwei-
und Dreisamkeit”, und
jede solche „
Zelle”, gebildet aus Zweien
oder Dreien, darf stets nur
aus dem distink‐
testen Gefühl persönlicher Zusammen‐
gehörigkeit sich bilden, so daß ‒ auch
ohne
besonderen „Schwur” ‒ ihre
Unzerstör‐
barkeit von Anfang an
gesichert ist. ‒ ‒ ‒
.Die Suchenden sollen sich jedoch
niemals
zu einer „
Gemeinde” zusammenschließen,
denn keine Gemeinde ist möglich
ohne Glau‐
bens-
Zwang, und
nichts verträgt die see‐
lische Entfaltung
weniger, als irgend einen
äußeren
Zwang. ‒ ‒
.Eine jede „
Gemeinde”
bildet nur
den Leichenzug ihres toten Glaubens!
.Solange der Glaube lebendig und wirkend
schafft, erduldet er für bemessene Zeit auch
noch die nagende Krankheit einer „
gläubi‐
gen Gemeinde”, ‒ aber dann wird er, welk
wie eine Blume über die der Meltau kam,
in sich zusammensinken, und die ihn als
„Gemeinde” am
Leben zu erhalten meinten,
werden selbst
sein Grab ergraben haben. ‒
‒ ‒
.Es wird aber vielen
von hohem Nutzen
sein, wenn sie, sei es einzeln oder im Anschluß
an gleichgerichtete Gruppen,
jeweils zu
„
Zellen”
von Zweien oder Dreien ver‐
eint, von jenen Dingen
miteinander reden
können, die sie auf ihrem Wege zum Lichte
erleben oder
erschauen.
.Wenn es sich fügen läßt, dann sollen diese
zwei- oder dreisam Vereinten
möglichst im‐
mer zur gleichen Stunde zusammenkom‐
men um ihre innere Erkenntnis miteinander
zu teilen!
.Es liegen auch in tiefsten Geistestiefen
gewiß keine Gründe, die ein „
Verbot” be‐
gründen könnten, daß
viele solcher
Zwei‐
oder
Dreiglieder-
Zellen untereinander
in
äußerer Verbundenheit stehen, solange
nur solche Verbundenheit nicht zur „
Ge‐
meindebildung” mit ihrem
Glaubens‐
zwang und ihren
Glaubensartikeln ent‐
artet. ‒ ‒
.Dann erst würde
äußere Vereinigung
die innere
zerschneiden!
.Ob du aber nun
ein-
sam deinen Weg
durchwandern willst, oder
mit einem,
und
auch zwei Weggefährten, ‒ stets sollst du
wissen, daß
ein verborgener Tempel dich
mit
allen vereint, die ihren Weg wie du be‐
reits beschritten haben. ‒ ‒ ‒
.Die Leuchtenden des Urlichts sind
dieses Tempels wahrhaftige „
Priester”, und
jeder Suchende, der seinen „
Weg” in sich
verfolgt, steht unter ihrer sicheren
Führung,
auch wenn sein Inneres noch vorerst
ohne
eigene Leuchte ist, und er die ihn leitende
Hand noch
nicht erkennt...
.Es wird hier
kein Glaube von dir ge‐
fordert an eine
Hilfe, die du
nicht erpro‐
ben könntest.
.Wir fordern
nur: ‒ den Glauben
an
dich selbst, weil er auf deinem Wege dir
unerläßlich ist...
.Wenn du
diesen Glauben dir errungen
hast, und stetig auf dem Wege
neu erringst,
dann wirst du gar bald meiner Worte
Wahr‐
heit in dir selbst
erfühlen!
.Die Entdecker neuer Erdteile
glaubten
in ihren Herzen, die gesuchten Lande hinter
weitgebreiteten Meeren
zu finden, und sie
fanden das, woran sie glaubten. ‒
.So auch sollst
du von dir selber glau‐
ben, daß du
die Kräfte in dir trägst, die
dich einst befähigen werden, die heiligen Wun‐
der des
verborgenen Tempels auf dieser
Erde staunend
in dir selber zu erleben...
.Es ist dir vonnöten, an deine eigenen
Kräfte zu
glauben, weil dein Glaube eben‐
diese Kräfte in dir selbst
ent-
binden, aber
auch
in Fesseln schlagen kann...
.Wozu du dich nicht vorher
fähig glaubst,
das wirst du nachmals schwerlich
können! ‒
.So auch wirst du aller
Hilfe aus dem
un‐
sichtbaren Tempel unerreichbar bleiben
bis zu jenem Tage, der den felsenfesten
Glau‐
ben in dir findet,
daß du die Kräfte in dir
trägst, diese Hilfe zu
erlangen. ‒ ‒ ‒
.In beiden Reichen dieser physischen Welt:
‒ dem sichtbaren, wie dem unsichtbaren, ‒
trägt jede
Tat auch ihre
sichtbaren wie ihre
unsichtbaren Folgen. ‒ ‒
.Jeder
Willens-
Impuls, jeder
Gedanke
und jedes
Wort ist hier als „
Tat” zu werten....
.Du bleibst
verhaftet an die
Folgen
deiner Tat, bis du deiner
Seele Kräfte
ge‐
eint, und dich mit ihnen
Gott vereinigt ha‐
ben wirst. ‒ ‒
.Dann erst wirst du deiner Taten
Folge
vernichten können, soweit du sie vernich‐
ten
willst.
.Vor undenklichen Zeiten
warst du einst
mit deinem Gott
vereinigt, als ein rein
gei‐
stiger „Mensch” in
geistiger Gestaltung,
einverwoben dem
All-
Leben wesenhaften,
substantiellen „Geistes”.
.Auch alle die weiten Reiche des
unsicht‐
baren Teiles der
physischen Welt, ‒ ein
unermeßliches Gebiet des Universums, ‒
waren dazumal
deinem wirkenden Willen
erschlossen, und du warst ihr
Beherrscher...
.Ein Feld des Wirkens war dir offen, das
vom
reinsten Geistigen hinaus in
immer
dichtere Gestaltung reichte.
.So bist du bis an die Grenze gelangt, wo
unsichtbares Physisches sich zu
erdensinn‐
lich sichtbarem Materiellen verdichtet.
.Du hast
die schreckenerregenden
Mächte des ewigen Chaos am Wirken ge‐
sehen, ‒ die
Rückprallkräfte des abso‐
luten,
starren und lavadichten „
Nichts”,
‒ und bist
ihrem Groll gegen alles „
Sei‐
ende” erlegen...
.Niemals hättest du ihnen aber erliegen
müssen, wärest du nicht vorher, im Taumel
deiner Macht, von
deinem Gotte ‒
ab‐
gefallen. ‒ ‒
.So warst du
hilflos geworden und hattest
deine höchste
Macht verloren.
.Nun
mußtest du zur Beute der niederen
Kräfte werden, die, ‒ stets in den Bereich der
Rückprallwirkungen des absoluten „
Nichts”
gebannt, ‒ in steter „
Feindschaft” alles zu
ver-
nichten, alles
dem „
Nichts”
gemäß
zu wandeln suchen, was aus den Sphären ewig
reinen
Seins zu ihnen eindringt: ‒ in ihre
dunkle Wirkungs-Zone „fällt”. ‒ ‒ ‒
.Auch
die Kräfte, die du ehedem
be‐
meistern konntest, und mit denen du gar
leicht die dir nun „feindlichen” Gewalten so
bezwungen hättest, daß sie sich zu
ehrer‐
bietigen Dienern deines Willens umgewan‐
delt hätten, waren dir
zu groß,
zu vielver‐
mögend geworden...
.So überkam dich
Furcht vor deinen
ei‐
genen, einst
beherrschten Kräften, und
aus der
Furcht vor ihnen kam dir das Ver‐
langen nach einem
neuen,
anderen Leben,
in den Reichen
materieller Greifbarkeit,
den Reichen dieses,
physischen Sinnen faß‐
baren Universums, das jene ängstigenden
Mächte dem, der nicht die hier gezogene
Schranke bricht,
verhüllt. ‒ ‒ ‒
.Dein
Wille war aus dem hohen
Leuch‐
ten gefallen, und
wollte nun mit dir
in die
Welt der physischen Materie...
.Du warst in der „
Welt der Ursachen”
heimisch, ‒ doch deine Furcht trieb dich in
die „
Welt der Wirkungen” hinaus. ‒ ‒ ‒
.Das ist
die Wahrheit in den Sagen von
einem „
Paradiese”, und vom „Sturze” des
Menschen durch einen „
Sündenfall”! ‒
‒ ‒
.Vor diesem Sturze hast du dir bereits dein
„
Karma”, wie der Orient
den Ursachen‐
stammbaum eines jeden Erdenmenschen‐
schicksals nennt, ‒ geschaffen,
durch den
„
Grad”
deiner „
Abkehr”
von deinem
Gott, ‒ durch den „
Grad” deines tollen
Taumels, der dich in dir selbst einen „
Gott”
sehen lehren wollte. ‒ ‒
.„
Eritis sicut Deus..... ”
.Die Zeit, da du in diese Erdenwelt ge‐
boren werden solltest, sowie
die Abstam‐
mungslinie in der es geschah, und
deines
Erdenlebens Schicksalswege, hast du dir
selbst bestimmt, als du aus einem
Herr‐
scher durch deines Gottes Kraft in der
Geisteswelt, zum
Sklaven niederer Ge‐
walten wurdest, in einer Welt, die jeder
Tat
auch ihre „
Folge” gibt und geben
muß, da
sie selbst nur Wirkens-
Wiederspiegelung
ist, und ohne Macht, die Kette des Gesche‐
hens in ihrem Bereiche willentlich zu be‐
enden.
.Auch daß du auf
diesem Planeten hier
geboren wurdest, ist Folge der Artung deiner
ersten Tat
in dem Bereich der Zwanges‐
folge, ‒ denn wahrlich: ‒ es gibt
un‐
zählige, von „Menschen” und auch
äußer‐
lich dem Erdenmenschtiere ähnlichen We‐
sen, bewohnte Planeten im unermeßlichen
Raum, und du hättest auch auf einem
an‐
deren dieser Weltkörper deinen Tierleib fin‐
den können.
.Alle die Menschenwesen auf den bewohn‐
ten Planeten anderer Sonnensysteme sind in
gleicher Weise einst aus dem Leuchten „ge‐
fallen”, wie du!
.Es gibt weitaus
glücklichere und tief
unglücklichere unter deinen fernen, ma‐
teriell verkörperten Gefährten...
.Du darfst sie dir freilich nicht
in mon‐
strösen Gestalten vorstellen, denn die Form
des Erdenmenschtierleibes ist
nicht aus
einer Willkürwirkung nur auf
unserem
kleinen Sonnentrabanten entstanden, sondern
durch gesetzliche Gegebenheiten bestimmt,
die
für das ganze, unermeßliche, physisch‐
materielle Universum gelten, und letzten En‐
des ‒
geistigen Ursprungs sind...
.Der „
Fall”
des Menschengeistes aus rei‐
ner, substantieller Geisteswelt in die Einwir‐
kungszone des absoluten „Nichts”, geschah
nicht etwa nur in einer fernen Urzeit, son‐
dern ereignet sich
immerdar seit Ewigkei‐
ten und in alle Ewigkeit, wie denn auch der
physisch materielle Kosmos in all seinem ste‐
ten Werden und Vergehen dennoch
als Gan‐
zes urewig,
zugleich mit dem Reiche ewi‐
gen Geistes als dessen ‒ „
äußerste Gegen‐
wirkung” besteht und bestehen wird...
.Immerdar aber gibt es auch einige wenige
Geistmenschwesen, die dem „Falle”
nicht
erliegen und ihren Gott in sich
nicht „ver‐
lieren”.
.Ich sprach schon von ihnen, als von den
„
Ältesten”, oder den hohen „
Vätern” der
Leuchtenden des Urlichts, und du sollst nun
hier wissen, was dir zwar auch schon dein
eigenes
Ahnen sagen könnte: ‒ daß sich das
geistige Mühen dieser Nichtgefallenen, wie
ihrer durch sie erzogenen „Söhne” und „Brü‐
der” um die
Er-
lösung der
in Tierheit
verstrickten, dem Lichtkreis der Geistes‐
welt
Ent-
fallenen durchaus nicht etwa auf
unsere Erdenmenschheit
allein erstreckt...
.Auf
allen bewohnten Planeten des uner‐
meßlichen Universums sind diese im bewuß‐
ten Leben des substantiellen Geistes verblie‐
benen Helfer zu finden, und für
jede dieser
Welten erziehen sie sich aus den jeweils Ge‐
fallenen ihre geistigen „Söhne” und „Brü‐
der”, durch die sie auch hier auf dieser Erde
dich nun zu erreichen suchen und aus deinen
Nöten ziehen wollen.
.Dein Ziel ist keineswegs, einer ihrer
„Söhne” und „Brüder” zu werden, denn da‐
zu wäre es jetzt
zu spät, da solche Eignung
sich schon
alsbald nach geschehenem
Fall, nur durch
freien Willens-
Impuls
der Einzelnen ergibt, und alsdann „Erzie‐
hung”
durch Jahrtausende erfordert, bei
ebensolanger
Zurückhaltung vor der Ein‐
körperung in einen physisch-materiellen
Menschtierkörper...
.Man will nichts anderes von dir, als daß du
heute, an deinem Erdentage, zur Erkenntnis
kommen mögest,
woher du ausgegangen
bist und wohin du
zurückkehren kannst.
‒ ‒
.Man will dir den „Weg” zu dieser Rück‐
kehr zeigen.
.Man will dich zurück zu
deinem Gotte
führen, mit dem du dich erneut
vereinen
sollst. ‒ ‒
.So tief du auch gefallen bist, so sind doch
jene Kräfte, aus denen sich, ‒ von ihrer
chaotischen Wirkungsform bis zu ihrer
höchsten Darstellungsart, ‒
unablässig
die Gottheit selbst gestaltet, in einer
sehr hohen Wirkungsform in dir am Werke..
.Immer noch blieb auch ein „Funke”
gei‐
stigen Bewußtseins, wenn auch deinem Ge‐
hirnbewußtsein noch nicht verschmolzen, in
dir verborgen zurück, als hoher
Lenker die‐
ser Kräfte, ‒ und: ‒ als
dein „
Gewissen”...
.Du kannst diesen „
Funken”
nie ver‐
lieren,
wie tief du auch noch in deinem
Erdenleben sinken könntest!
.Selbst wenn du
seelisch ihm „
erstor‐
ben” bist, muß er verhüllt dennoch in dir
verharren, bis zu deinem letzten Atemzug...
.Er ist es auch, und
nur er allein, der dein
„
Karma” kennt...
.Du kannst dieses „Karma”
verbessern
oder
verschlechtern, ‒ nur ‒
auslö‐
schen kannst du es
nicht eher, als bis du
die
vielen Willen in dir
geeinigt hast, die
jetzt noch in dir chaotisch nebeneinander
wirken. ‒ ‒
.Wenn sie sich alle in dem Funkenlichte
geistigen Bewußtseins, das dein wahrer, sub‐
stantieller,
ewiger „Menschengeist” in dir
ist, ‒
vereinen, dann wird
dein Gott aus
Geist in dir „
geboren”, und dann bist end‐
lich du
befreit von deinem „
Karma”, ‒
von
deiner Urtat Folgenkette, ‒ als ein
neu zurückgekehrter
Mensch der Ewig‐
keit. ‒ ‒ ‒
.Wohl dir,
wenn dies hier auf Erden
schon dir gelingt!
.Gelingt es dir
nicht, dann wirst du,
auch
nach dem Ablegen dieses Erdenkörpers,
nicht eher zu
dir selbst in deine „
Ruhe”
kommen, als bis du deine Ruhe
in deinem
Gott gefunden hast,
geeinter Seelenkräfte
bewußt und
ihr all-
einiger Wille gewor‐
den...
.„
Dort” aber kann es gar
lange währen,
bevor du soweit bist, denn alsdann kannst du
dein „Karma”
nicht mehr verändern,
nicht
verbessern, ‒ und
eher wirst du
keines‐
falls dann
ewiges Licht in dir erleben, als
bis auch die letzte Folge deiner Ur-
Tat
sich
erschöpfen konnte. ‒ ‒ ‒
.Indische Weisheit warnt den Menschen,
kein „
neues Karma”
zu schaffen, ‒ und
wahrlich ist solche Warnung
wahrer Er‐
kenntnis Frucht!
.Du sollst nur wissen, daß die Mahnung
dich allein vor
üblem Karma warnen will! ‒
.Nicht eher kannst du im Reiche des sub‐
stantiellen Geistes deine
Er-
lösung finden,
als bis der letzte
erdverhaftete Impuls der
einstmals von dir ausging, sich erschöpfte.
‒ ‒
.So suche denn mit allen deinen Kräften
dich
noch während deines Erdenlebens
deinem Gotte zu vereinen, um aus
sei‐
ner Kraft die Kette deines „Karma”
zu
durchschneiden, damit sie nicht einst
durch Aeonen dich
gebunden hält...
.Wer die gestaltenden Kräfte in dieser
Erscheinungswelt der physischen Materie ein‐
mal
in ihrer furchtbaren Macht und in
der
unfaßbaren Einfachheit ihres uner‐
bittlichen Willensstrebens erkannte, ‒ den
flieht allsobald die
Oberflächentäu‐
schung, als ob das sinnlich faßbare All nur
„
die Harmonie des Geistes” sichtbarlich
verkörpere. ‒ ‒
.Betrachte die
Schlupfwespe, die ihre
Eier
in den Leib der lebenden Raupe
legen muß, damit die jungen Wespen durch
den qualvollen Tod der Raupe zum Leben
kommen, ‒ und du wirst für alle Zeit
geheilt
sein von solchem Täuschungsglauben! ‒
.Die Sinnenwelt ist
Wirkung geistiger
Urkraft in der
geistigen Welt.
.Um aber als
geistige Welt in geistige
Erscheinung zu treten muß die eine ewige
Urkraft sich in unendlichfältigen
Aspekten
ihrer selbst
in sich reflektieren, und, in
jedem solchen Aspekt als Urseins-
Element
erstanden, sich jeweils in ihm solcherart
be‐
haupten, daß
jedes eine Element
nur sich
selber auszuwirken sucht, so daß ihm
alle
anderen Urseinselemente gleichsam
leere
Formen sind, weil es sich selbst als Urkraft
nur in sich selber kennt.
.Jeder Aspekt der geistigen Urkraft: ‒ je‐
des „
Urseinselement”, ‒ wird somit
Ur‐
sache, daß auch die Erscheinungsform seiner
Auswirkung in der
physischen Region
den Trieb erhält,
nur für sich selber zu
leben und alle andere Erscheinungsform zur
Erhaltung eigenen Daseins zu verbrauchen.
.In jedem Urseinselement ist Urkraft
un‐
zerteilt, möge es Ursache
niederster oder
höchster Erscheinungsform in seiner
Aus‐
wirkung sein.
.So kommt es, daß auch jede
physische
Kraft, jede
physische Erscheinungsform
sich
zu behaupten sucht, als sei
nur ihre
eigene und
keine andere Existenz gewollt.
.Die winzige
Zelle behauptet
nur sich
selbst, auch wenn sie zeitweilig
gezwun‐
gen ist, mit Milliarden ihrer Art gemeinsam
einem
höheren Formwillen dienstbar zu
sein, dem ihr Dasein wieder
nur insofern
von Wert ist, als er sie
braucht und
ver‐
braucht zur
Behauptung seiner selbst.
‒ ‒
.Das
physisch-sinnlich sichtbare Univer‐
sum ist
der äußerste Gegenpol geistigen
Seins.
.Das „
Leben”
des Geistes
bedingt un‐
endlichfältige
geistige Gestaltung
in ihm
selbst,
in Urseinselementen, und deren
Auswirkung wieder
bedingt zuletzt die
gleichsam „erstarrte”
physische Erschei‐
nungsform: ‒ unendlich „
ausgedehnte”
Geisteskraft in einem Zustand des
Gebannt‐
seins, der relativen
Ohnmacht, des
Ge‐
bundenseins in starr bestimmten Form‐
willen...
.Aus dieser ihnen
ungemäßesten Form
der
Ausdehnung und
starren Gebannt‐
heit in äußerste Spannung aber
erheben
sich diese Geistkräfte wieder infolge mäch‐
tigster Anziehung aus der Region
höchster
Geist-Seinsform zu neuen,
weniger dichten
und starren Formen, bis sie, in unzählbaren
Wandlungen, immer freier werden von Aus‐
dehnungsspannung und schließlich sich em‐
porgerissen fühlen
in ihren Ursprungs‐
zustand im innersten Geistesleben...
.Was wir aber
physisch-
sinnlich wahr‐
zunehmen vermögen, sind
nicht die Zu‐
standsformen der Urseinselemente, sondern
nur die durch sie erzeugten
Kraftwir‐
kungsresultate...
.Innerlich wahrnehmbar jedoch werden
uns die
Urseinselemente in einer
sehr
hohen Zustandsform, als ‒ unsere „
Seelen‐
kräfte”...
.Dies ist der
ewige, ‒ ewig sich
er‐
neuende ‒ Kreislauf des „
Lebens” im sub‐
stantiellen, aus sich selbst „seienden”
Geiste!
.Sich selbst zur „Nahrung” werdend, senkt
er sich in sich hernieder, um sich wieder zu
erheben und aufzunehmen in seine höchste,
jeder starren Formspannung freie Wesen‐
heit. ‒ ‒
.Nur durch dieses „
ewige Leben”
kann
sich „
Gott” im Geiste gestalten, ‒
im gei‐
stigen „
Menschen”. ‒ ‒ ‒
.Wä
re der
Grashalm am Wege nicht,
und nicht der
Wurm, der an des Grases
Wurzel frißt, so wärest auch
du nicht, und
es wäre
der Geist nicht und nicht
Gott im
Geiste!!
.Wäre die
Mikrobe nicht, die vielleicht
morgen beginnen mag, deinen Körper zu
zerstören, ‒ dann wäre auch
dein Körper
nicht, und nicht
deine Seele, und nicht
der
Geistesfunke, der sich in dir erlebt!!
.Dann aber wäre auch nicht der
Wille des
Geistes, der einst in
deinem Geiste als
dein
Gott gestaltet
war und nun
aufs neue sich
zu deinem Gott in dir „gebären” will!!
.Doch
so sehr auch die Kräfte im physi‐
schen Universum gegeneinanderwüten in
ihrem Selbstbehauptungsdrang, so kennt Na‐
tur doch keinen „
Haß”. ‒
.Es ist töricht, den menschlichen Haß dem
Instinkte der Tiere zu vergleichen, die andere
Tiere zu vernichten streben, weil sie, ‒ wie
jede Form in deren
Darstellung sich Ur‐
seinselemente erleben, ‒ allein nur
sich
selbst behaupten wollen.
.„Haß” dagegen ist eine Äußerung
mensch‐
licher hilfloser
Ohnmacht!
.Nur in Übertragung
menschlicher
Empfindungsweise lassen sich Äußerungs‐
formen des Angriffstriebes gereizter Tiere
mit dem Namen „
Haß” belegen, und un‐
schwer läßt sich erkennen, daß jeder im Irr‐
tum ist, der die gleiche Empfindung, die man
beim Menschen Haß nennt, etwa bei Tieren
zu finden glaubt.
.Selbst in die
unsichtbaren Bereiche
der physischen Welt hat der
Mensch den
Haß gebracht, denn auch seine ärgsten an‐
deren
Feinde im physischen Unsichtbaren
vermögen nicht das Gefühl des
Hasses zu
empfinden, und ihr dem Menschen feind‐
liches Bestreben geht aus
sehr wesentlich
anderen Motiven hervor...
.Die
furchtbarsten Unholde im physi‐
schen Unsichtbaren waren ehedem
Erden‐
menschen, die sich durch ihr Erdenleben
selbst „
gerichtet” haben.
.So hoch sie ehedem sich geistig erhoben
hatten, so tief sind sie unter den Erbärm‐
lichsten der Erdenmenschen nun gesunken.
.Aeonen können vergehen bevor sie end‐
lich in
Vernichtung enden dürfen, ‒ doch
vorher suchen sie
zu sich herabzuziehen,
was immer ihrem Haß
erreichbar wird...
.Auch diese unsichtbaren
Selbstgerich‐
teten werden nur durch das Empfinden
ihrer
Ohnmacht zu ihrem grauenvollen Haß
erregt: ‒
.Macht aber ist
die erhabenste
Besiege‐
rin des Hasses...
.Der
Mächtige und seiner Macht
Bewuß‐
te,
liebt seine Macht, und sie macht ihn all‐
mählich auch zu einem
Liebenden.
.Liebe aber
duldet keinen Haß!
.Je mehr die Menschheit in ihren Einzel‐
gruppen die man „Völker” und „Nationen”
nennt, zum Bewußtsein ihrer
Geistesmacht
erwachen wird, desto mehr wird auch der
Haß verschwinden, denn der seiner Macht
Bewußte,
beneidet keinen anderen Mäch‐
tigen um seine Macht, ‒
Neid aber ist nur
allzuoft des Hasses höllischer
Erwecker...
.Alle
Kriege haben den
Haß zum Vater,
und der taugt
nicht zum Krieger, der
nicht
zu hassen weiß. ‒ ‒
.Ihr ruft noch: „Krieg dem Kriege!” ‒
‒ doch ich rate euch, lieber zu rufen:
.„
Verachtet sei hinfort der Haß!”
.Nur wenn
der Haß verächtlich wird,
kommt auch die Zeit, die euch
den Krieg
verachten lehrt! ‒ ‒ ‒
.Erst wenn euch Jeglicher
verächtlich
ist, der noch
durch Menschen-
Massen‐
mord entscheiden lassen will, was
Grund
und
Gegengrund vor dem Verstand der
Rechtlichen entscheiden sollte, ‒
erst dann
wird sich der Mensch der Erde seiner „
Men‐
schenwürde” rühmen dürfen!
.Wohl werden in den Meinungen der Men‐
schen immer
Gegensätze sich ergeben, denn
auch hier steht
Wille gegen
Wille, und
je‐
der Wille will allein
sich selbst behaupten.
.Aber
im Menschengeiste ist der Wille
fähig, sich auch im
anderen Willen
wieder‐
zuerkennen, und somit kann der Mensch
bewußt den
Ausgleich suchen, der den
Frieden wahrt durch
Zucht des Willens,
der dann nicht mehr
sich allein nur, son‐
dern auch den
anderen Willen will. ‒ ‒ ‒
.Bevor jedoch nicht
jeder Einzelne den
Haß in sich
vertilgte, wird dieser Weg der
Willenszucht der Menschheit immer
nur auf
kurze Strecken gangbar bleiben. ‒
.Die Folge werden immer wieder
Kriege
sein,
bis auch die letzte Spur des Hasses
keine Stätte mehr in einem Menschen‐
herzen findet. ‒ ‒
.Alle
anderen Triebe zum Kriege lassen
sich bei gutem Willen
überwinden, die
Wogen des
Hasses aber werden auch den
besten Willen in ihre Strudel und Abgründe
reißen...
.Gegensätze und
Wettkämpfe zwi‐
schen Grund und Gegengrund ent‐
wickeln mancherlei Kräfte und fördern flies‐
sendes Leben, ‒ doch müssen sie wahrlich
nicht zum
Kriege führen, so wenig wie je‐
mals
der Sieger im Spiel seinen überwun‐
denen Gegner
erschlagen muß. ‒ ‒
.Ein jeder Erdenmensch aber, der den
Haß
in sich zu vernichten sucht, führt damit den
einzigen „
gerechten” Krieg, ‒ den Krieg
der
Menschenmordkriege einst
unmög‐
lich machen wird! ‒ ‒ ‒
.Doch auch der Mordkriege endliche
Überwindung durch den Menschengeist kann
nicht bewirken, daß sich die Gegenkräfte,
die in aller physischen Natur am Werke
sind, zu
gleicher Strebensrichtung einen
könnten, denn solche Einung wäre die
Ver‐
nichtung dieses ganzen äußeren Uni‐
versums...
.Das Reich des „ewigen
Friedens”, das
so viele edle Menschen in der Zeiten Folge
heiß ersehnten, wird uns Menschengeistern
erst beschieden sein, wenn wir, ‒
nach die‐
sem Erdenleben, ‒ uns erneut in jenem
Lichte finden,
das alles ewig in sich eint,
was einst mit ihm vereinigt war. ‒ ‒ ‒
.In allen religiösen Lehren der Welt fin‐
det sich im
Kern: ‒
die letzte Wahrheit,
‒ wenn dieser Kern auch oft gar wunder‐
liche Hüllen trägt...
.Müßig,
eitel und
belanglos ist es, dar‐
über zu streiten,
wo etwa die Wahrheit noch
am reinsten sich erkennen lasse.
.Wer alle Hüllen sorglich zu
entfernen
weiß, der wird in
allen echten „Religionen”
zuletzt die große Lehre finden
vom ewigen
Geistesmenschen, der einst
mit seinem
Gott vereinigt war und
von ihm ab-
ge‐
fallen ist, weil er
in seinem „
Ich”
von
seinem Gott sich löste. ‒
.Ein „Weg” wird ihm verkündet, der ihn
wieder aufwärts führt, um schließlich
seinen Gott
aufs neue wieder zu erlan‐
gen, in sich selbst, im eigenen „
Ich”. ‒ ‒
.Da diese Lehre aber viel zu
geistig und
viel zu
einfach ist, als daß sie dem in kom‐
plizierten Sinnenkult versunkenen Menschen
leichthin faßbar wäre, so band er selbst die
wunderlichsten Ranken um diese letzte, tief‐
ste Wahrheit und Erlösungslehre, bis er vor
lauter Rankenwerk, voll von Früchten ange‐
maßter Wichtigkeit, zuletzt
die Wahrheits‐
lehre selbst nicht mehr zu
finden wußte.
‒ ‒
.Er
ahnt zwar noch, daß
hinter diesem
Rankenwerk und seinen aufgeblähten Früch‐
ten voreinst einmal
die Wahrheit sichtbar
war, und darum hängt er noch mit zähem
Eigensinn, den er „
seinen Glauben”
nennt, an all den
Rankenformen, mit de‐
nen er die Wahrheit vormaleinst
verhüllte,
‒ von denen er sie völlig
überwuchern
ließ...
.In vielen hohen Lehren alter Religio‐
nen wird man auch immer wieder auf gar
mancherlei Weise verhüllte Kunde finden,
von einigen
Geistesmenschen, die
nicht
dem Fall ins Finstere erlegen sind, und ir‐
gendwie auf dieser Erde wirken, als hohe
Helfer ihrer Brüder in der Finsternis, um
sie aus ihrer Erdentierheitsfessel wieder zu
er-
lösen...
.Die alten religiösen Sagen wissen zu be‐
richten, wie diese Geisteshelfer ihrer Men‐
schenbrüder dann und wann auch
sichtbar
in Erscheinung traten, oder wie sie unter
den „Gerechten” ihre Abgesandten wählten,
die
ihrerseits in ihrem Erdenumkreis dann
das „
Licht” verbreiten sollten unter denen,
die in Finsternis sich ängsteten...
.Es fällt gar oft das Wort von
einem
Heiligtum auf hohen Bergen, ‒ vom
Berge des Heils, und von den „
heiligen”
Bergen, von denen her
Hilfe komme...
.Wohl sind nun zwar solche und noch gar
manche andere hochbedeutsamen Worte in
den heiligen Büchern aller alten Religionen
zu finden, allein
man weiß nicht mehr
was sie uns sagen wollen, faßt sie
als alle‐
gorische Redebilder, oder bestenfalls als
symbolisch gemeint, und deutet so das
Deut‐
liche zu selbsterzeugtem
Irrtum aus. ‒ ‒
.Aber die Weisheit aller alten Religionen
entstammte
ursprünglich nur der Beleh‐
rung des Menschen
durch seine geist‐
verbliebenen hohen Brüder im ewigen
„
Lichte”...
.Ihre, aus Erdenmenschen erwählten
„Söhne” und „Brüder” im Geiste haben
die eine Wahrheit voreinst
in den ver‐
schiedensten Formen zu fassen gesucht,
um
jeder Sonderart des Erdenmenschen in
der ihr
gemäßen Weise das „
Licht” zu
bringen...
.Ihre helfende Kraft hat alle diese Ver‐
kündungen
getragen...
.Hier ist die
eine „Urquelle” aufgedeckt,
aus der
alle alten, echten Religionen der
Erdenmenschheit stammen! ‒ ‒ ‒
.Wo aber sind dieser Religionen
heutige
Lehrer, die noch
wissen, was sie mit den
Worten alter Texte sagen??! ‒ ‒
.Aber auch
heute noch leben wie ehedem
die hohen
Geisteshelfer: ‒ unsere nicht‐
gefallenen Brüder, ‒ auf der Erde,
geist‐
gestaltet in urewiger Geistsubstanz,
und auch heute weihen sie wie vor alten
Zeiten in die Dinge geistigen Geschehens
und in die letzte urgegebene Wahrheit ein,
wen sie nach seinem Falle aus dem Lichte
alsbald willens fanden, ihnen „Sohn” und
„Bruder” dereinst zu werden in der Sicht‐
barkeit...
.Der Erdenmensch ist
viel zu tief gefal‐
len, als daß er
ohne Zwischenstufe den
höchsten, nie gefallenen Geisteshelfern
noch erreichbar wäre. ‒ ‒
.Darum vor-bereiten sie
die Menschen‐
geister, die ihnen nach der irdischen Geburt,
im Erdenleib verkörpert, solche „Zwischen‐
stufe” bilden können...
.In ihnen und
durch sie wirken jene
höchsten Helfer, damit die Menschheit die‐
ser Erde niemals ohne ihre Hilfe bleibe. ‒
‒ ‒
.Es hat
keine Zeit gegeben, in der solche
helfende, wirkende Brüder im irdischen
Leibe
nicht vorhanden gewesen wären.
.In allen Völkern waren sie zu finden.
.Wer Ohren hat, zu hören, der wird so
manches Wort aus allen Zeiten vernehmen,
das „Fleisch und Blut” nicht hätte offen‐
baren können...
.Wer zur Wahrheit gelangen will,
höre
auf solche Worte!
.Sie werden ihm manches Geheimnis deu‐
ten, ‒ und manche Hülle entfernen, die sei‐
nem Erkennen noch letzte Weisheit verbarg.
‒ ‒
.Es kostet auch wenig Scharfsinn nur, die
falschen Propheten, die auf den Märkten
schreien und doch so kläglich Weniges zu
sagen haben, von den stillen Wirkenden,
den Brüdern der Leuchtenden des Urlichts,
zu unterscheiden.
.Wo eine
neue Sekte, die sich auch stolz
eine neue „
Religion” nennen mag, auf ir‐
gendwelchen alten Tempeltrümmern aufge‐
richtet wird, dort dürft ihr wahrlich
nie‐
mals wähnen,
die Leuchtenden des Ur‐
lichts könnten hinter solchem Tun verbor‐
gen sein! ‒
.Weit eher könnt ihr die Fürsten des Ab‐
grunds im Unsichtbaren dieser physischen
Welt: ‒ die Hörigen und Vasallen des „Für‐
sten der Finsternis”, bei solchen Gründun‐
gen am Werke glauben, auch wenn eitel
„
Liebe” gepredigt wird und viele salbungs‐
volle, „große” Worte weithin schallen...
.Was aber die
Wirkenden des Lichtes
euch zu geben haben, kommt heute, da ihr
euch vor „Religionen” und vor alledem, was
ihr so nennt,
kaum mehr erretten könnt,
gewiß nicht als „
neue Religion” zu euch!
.Es ist jedoch die
gleiche Wahrheit, die
in dem tiefsten Kern der
alten,
echten Re‐
ligionen schlummert. ‒ ‒ ‒
.Man schält euch nur die
Hüllen ab von
diesem Kern, und zeigt euch, was ihr längst
als „Religion”
nicht mehr zu deuten wißt,
in
neuen,
deutbar klaren,
eurer und
der
Folgezeit gemäßen
Bildern, so daß ihr
wieder euch in Ehrfurcht neigen könnt, vor
dem, was alle echten Religionen
in sich
bergen. ‒ ‒
.Die „
nackte”
Wahrheit kann euch auch
kein Leuchtender des Urlichts zeigen!
.Die müßt
ihr selbst enthüllen in der
Stille, ‒
in euch selbst. ‒ ‒ ‒
.Nur
in euch selbst kann höchstes Wun‐
der sich in
Wirklichkeit bezeugen!
.Nur im eigenen „
Ich” könnt ihr einst
wiederfinden, was ihr
vor eurer Erdenzeit
verloren habt! ‒ ‒ ‒
.Ihr seid nicht nur die mit höherer In‐
telligenz begabten
Tiere dieser Erde, als die
ihr euch betrachtet nach eurer äußeren Na‐
tur und eurer Geschichte. ‒ ‒
.In euch ist
Tieferes und
Höheres ver‐
borgen. ‒
.Ihr seid gewohnt,
euch selbst zu meinen
in dem Wörtchen „
Ich”.
.Noch aber wißt ihr nicht,
was „
Ich”
ist
in euch selbst, ‒ ‒ denn „
Ich” ist
unend‐
lich und
in unzählbaren Stufen wachen
Seins erlebbar...
.Jede solche „Stufe” wird
in aller Ewig‐
keit stets eine neue, höhere Erlebnisstufe
über sich gewahren...
.Jede solche „Stufe” sieht unzählbar viele
Stufen
unter sich, hinab,
in tiefste Tiefen
eingebaut...
.Ihr aber lebt
noch
wie die Tiere,
die
das „
Ich”
nicht in sich tragen, ‒ wenn
auch euer Leben wohl mit „
Wissenschaft”
und „
Kunst” verbrämt, und euer Dasein
mit
Genuß schon reichlich
übersättigt ist.
.Wenn ihr
euch selbst einmal
erkennen
werdet, dann könnt ihr nur mit
Grauen und
mit
Schaudern noch der Tage euch erin‐
nern, die ihr heute arglos und gar leichten
Sinnes lebt, als ob
in ihnen alles Sein für
euch
allein beschlossen wäre...
.Ich weiß, daß Viele diese Worte lesen
werden, denen eine Welt darin sich offenbart,
die ihnen
allzufremd erscheint, und die ihr
eigenes, mit Scharfsinn aus-
gedachtes, oder
eigensinnig wahr-„
geglaubtes” Weltbild
stört, so daß sie feindlich von sich weisen,
was ‒ „nicht ganz von ohngefähr” ‒ sie hier
erreicht.
.Daß sie ihr feindlich gegenübertreten
mögen, wird jedoch die
Wirklichkeit wohl
schwerlich hindern, so zu
bleiben, wie
sie einmal
ist und immer
war und
sein
muß. ‒ ‒
.Man möge sich nicht täuschen!
.Hier redet kein Phantast, der seine Eksta‐
senträume schildert!
.Hier redet kein Poet, der seine Gesichte
beschreiben will!
.Was hier gegeben wird, ist sichere
Füh‐
rung, und jedes Wort ist in tiefster
Wirk‐
lichkeit gegründet!
.Wer diese Wirklichkeit bislang noch nicht
erkennen konnte, kann sie erkennen
ler‐
nen, und der „Weg” zu solcher, alles
an‐
dere „Erkennen” weithin
überragenden
und
in sich einbeziehenden Erkenntnis
ist ihm hier gezeigt. ‒
.Jeder aber wird guttun, von allem An‐
fang an damit zu rechnen, daß die in diesem
Buche von so mancher Seite her durchlich‐
teten
Urdinge geistigen Geschehens,
Wirk‐
lichkeiten sind, ‒
viel „
wirklicher” als
alles, was der Sprachgebrauch des Alltags
„wirklich”
nennt, ‒ und daß sie ihre Wir‐
kung
ständig üben, auch wenn der Erden‐
mensch noch
nichts von ihnen weiß, ‒
auch wenn er
nicht ihr Wirken anerkennen
möchte...
.Gewiß wird das für manchen, der hier
nun von diesen Dingen hört, auch
Konse‐
quenzen nach sich ziehen, allein, er nutzt
ja nur
sich selber, wenn er die „Wirklich‐
keit”
an sich erkennen lernt und daraufhin
gewiß nicht mehr im Zweifel bleibt, daß das,
was er bisher sein „Weltbild” nannte, eben
nur
ein Trugbild war, auch wenn es ihm
sehr „wahr”
erschien, da er dem
Außen‐
Schein vertraute, ‒ auch wenn er seines
Denkens Spiegelungen schon vom
Inner‐
sten heraus
erleuchtet glaubte. ‒ ‒ ‒
.„
Stillstand ist Rückschritt” sagt ein
Sprichwort, ‒ aber in Wahrheit ist Stillstand
viel
schlimmer als Rückschritt, denn auch
Rückwärtsschreiten kann
zu neuen Wer‐
ten führen, die niemals der erlangt, der zu
gemächlich oder auch zu eigensinnig ist, sei‐
nen „Standpunkt”
aufzugeben um des Su‐
chens willen. ‒ ‒
.Wer aber den
Rückschritt fürchtet, hat
zugleich auch allen Grund, dem
Fortschritt
nur
mit einigem Argwohn zu vertrauen...
.Es gibt keinen unbegrenzten Fort‐
schritt hier auf Erden!
.Alle menschliche Entfaltung ist
dem
Gesetze der Wellenbewegung unterwor‐
fen! ‒
.Die Menschen dieser heutigen Tage haben
vieles Wissen und Können
verloren, das
einst ihre fernen Vorahnen „
unverlierbar”
glaubten, ‒ und dort, wo jene Ahnen nur
sehr weniges wußten, nur
sehr weniges
konnten, hat man heute
hohes Wissen und
Können erreicht.
.Nur duldet die Natur kein Stille‐
stehen!
.„O, daß du
warm wärest, oder
kalt ‒
Da du aber
lau bist, will ich dich
ausspeien
aus meinem Munde!”
.So hat das ewige „Gesetz” noch zu allen
Zeiten gesprochen, und auch heute hat es seine
Worte nicht geändert...
.Wer geistig im Dunkel bleibt, der hat
noch nicht
den Willen zum Licht!
.Er „
möchte” wohl im Lichte sein, von
dem er Andere reden hört, ‒ allein er
will
noch nicht!
.Sobald er wahrhaft
will, ist auch der
„Weg”
bereits beschritten, der zum Lich‐
te führt! ‒
.Ist dir des Geistes Licht ein „
Wert” für
den du
alle deine Kraft zum Einsatz brin‐
gen willst, dann wirst du
sicher auch dem
Lichte dereinst
nahen können!
.Solange freilich noch dein geistiges Auge
unter einer dichten Decke liegt, wirst du un‐
möglich „sehen” können!
.Dein
Wille nur, ‒
nicht dein
„
Wunsch”, ‒ kann diese dicke Decke
ent‐
fernen! ‒ ‒
.Wenn du den
Willen zum Lichte in dir
trägst, wirst du gewiß zum Lichte
gelangen,
‒ ob du ihm nun als Mensch der kühlen
Vorsicht, oder als ein heiß Erglühender dich
nahen magst. ‒ ‒
.Nur
halbes Wollen führt dich
nicht
zum Ziel!
.Es ist in allen Weltenräumen und über
allen Sternen
kein äußerer Gott für dich
erreichbar, der deine lahmen Bitten hören
würde...
.Du mußt
dir selber helfen
wollen,
willst du, daß
dein Gott, der nur
in dir
selber dir erreichbar ist, dir hohe
Hilfe
sende, nach der urbestimmten Ordnung die
in ihm geordnet ist! ‒
.In deinem „
Ich” ist alles
Sein beschlos‐
sen, und allen
Schein erschaffst du dir nur
selbst und unbewußt
aus Kräften deines
„
Ich”. ‒ ‒ ‒
.Du hast dich selbst
vor deiner Erdenzeit
von deinem Gott
getrennt, als du ihn nicht
mehr in deinem „Ich”
erkanntest, weil du
dich selber suchtest, wo ‒
dein Gott allein
zu finden war...
.So wurde „
Gott” dir ein „
Anderer”
und
du ihm „
fremd”. ‒ ‒ ‒
.Nun spaltest du dein „
Ich” für deine
Vorstellung, und es scheint dir ein „
höhe‐
res” wie ein „
niederes” „Ich” in dir ver‐
borgen, da du
den Umfang deines ungeteil‐
ten, unteilbaren einen „
Ich” nicht kennst. ‒
.Es ist jedoch
kein „
höheres” und
kein
„
niederes” Ich in dir, aber in deinem
einen
„Ich” ist
alle Unendlichkeit verborgen,
und es umfängt die
tiefste Tiefe, wie die
höchste Höhe in der Geisteswelt...
.Du selbst mußt wählen, ‒ und du
„
wählst” hier nur durch
Tat, ‒
was du
dir selber
offenbaren willst in deinem
„
Ich”...
.In deiner eigenen Unendlichkeit, ‒ im
Mittelpunkte des von deinem „
Ich” um‐
faßten
Seins, ‒ wird dir aufs neue dann
dein Gott „geboren” werden! ‒ ‒ ‒
.Auch dann wirst du
zuerst ihn noch als
anderes Sein empfinden, bis du sodann er‐
kennst, daß er
dich selbst in deinem
ganzen ungeteilten „
Ich”
umfaßt. ‒
‒ ‒
.Ihr glaubt an euren „
Fortschritt” und
bemerkt nicht, daß ihr euch zumeist im
Kreise dreht. ‒ ‒
.Ruhelos seid ihr bestrebt, alles zu
zer‐
fasern, alles zu
zersplittern, alles zu
zer‐
spalten, ‒ und da sich gewiß nicht leug‐
nen läßt, daß ihr auf solche Weise manches
Wissen euch erworben habt, so scheint es
euch gewiß zu sein, daß euer Tun dereinst
zur Lösung aller Rätsel dieser sinnlich faß‐
baren Natur euch führen müsse.
.Aber: ‒ alles Zerspaltene wird sich ins
Unendliche weiter zerspalten, alles Zersplit‐
terte ins Unendliche weiter zersplittern las‐
sen, und immer wieder werdet ihr entdecken,
daß sich aus dem, was ihr in seine letzte Fase‐
rung zerfasert glaubt, noch neue Fasern lö‐
sen lassen...
.Hier ist die Grenze eures Forschens nur
durch erdenhaft bedingtes Unvermögen,
wei‐
ter zu zerspalten,
weiter zu zersplittern,
wei‐
ter zu zerfasern, festgesetzt. ‒
.Der Zwang des Aufhörenmüssens be‐
stimmt eure Forschungsresultate!
.Ich weiß wahrhaftig, was die Menschheit
solcher Art des Forschens
dankt, und ferne
liegt es mir, die Weise eures Denkens hier
etwa zu schmähen.
.Allein, ‒ ich sehe auch
die Schatten‐
seite solchen Tuns und sehe, daß ihr euch
durch eure Forschungsresultate
blenden
laßt, wodurch ihr einer
anderen und wahr‐
lich
wichtigeren Art des Forschens mehr
und mehr euch selbst entrückt...
.Ihr habt auf eure Weise Staunenswertes
schon
entdeckt, Bewunderungswürdiges
er‐
funden.
.Das aber sollte euch nun nicht verführen
zu dem allzusicheren
Überglauben, daß
sich so auch einstens zur Erkenntnis kom‐
men lasse, in Bereichen die
für alle Ewig‐
keit mechanischer Zerlegung spotten
und
mit keinem Instrument zu fassen
sind. ‒ ‒
.Wenn euch die kleinsten Teilchen eines
physischen Gebildes endlich faßbar wurden,
so ist gewiß die Möglichkeit errungen, daß
der Verstand nun aus mechanischen Gege‐
benheiten seine Schlüsse ziehen, und daß so
letzten Endes sich Bedeutsames für unser
äußeres Erdenleben finden, entdecken und
er-finden lassen kann.
.Jedoch des so enträtselten Gebildes
ur‐
sprünglichste Wesenheit ist euch so
fremd
geblieben wie zuvor. ‒ ‒
.Alle Anerkennung eurer Arbeit und den
Resultaten, die sie reifen lassen kann; allein
‒ dem „
Ding an sich” seid ihr
nicht nä‐
her, auch wenn ihr alle Dinge dieser Sicht‐
barkeit in ihren allerkleinsten
Teilchen,
und dieser Teilchen wundersame
Anord‐
nung erkennt, ‒ wenn ihr
um jede Wir‐
kungsweise dieser Teilchen
wißt und ihre
Kräfte so zu
dirigieren lernt, daß sie nach
eurem Willen wirken müssen...
.Nicht unter dem Mikroskop ist das „Ding
an sich” zu finden, und niemals wird ein
Fernrohr euch verraten, was ein fernes Welt‐
gebilde „in sich selbst zusammenhält”. ‒
‒ ‒
.Der Trieb zum Forschen ist euch einge‐
boren und erheischt Befriedigung.
.Ihr habt jedoch nur
das feinere „
Tier”
an euch mit der Arbeit des Forschens be‐
traut, und laßt
die hohen Kräfte eurer
Seele, die euch hier dienen könnten, acht‐
los in euch im Dämmerdunkel, ohne sie zu
entwickeln...
.So baut sich das „feinere Tier” nun seine
Denkvehikel und sichtbaren Instrumente,
um euer Denken und Forschen ins Unend‐
liche zu
verbreitern, ‒ doch eure Resul‐
tate führen nur zu neuen
Fragen, vor denen
ihr dann ratlos stehenbleiben müßt...
.Wohl aber gab es
in der
Vorzeit Men‐
schen, denen
eure Art zu forschen nur als
Torheit galt, und die mit ihren höchsten
und in sich geeinten Seelenkräften,
ohne
euren Apparat die letzten, tiefsten Fragen
lösten. ‒ ‒
.Sie fanden hin zum Grunde aller
Gründe, ‒
doch ihr ‒
verbreitert nur
die Oberfläche. ‒ ‒ ‒
.Ihr wißt von allen Dingen klug zu sagen,
wieso sie also sind wie sie sich zeigen,
wes‐
halb ihr Wirken einmal sich
ergibt, ein
andermal
versagt, und manches Andere
mehr, ‒ doch niemals dringt ihr zu den
letzten Gründen vor, denn was ihr „Gründe”
nennt, sind immer nur die
Wirkungen von
Ursachen, und
hinter diesen liegen erst
die wahren
Gründe, die keiner von euch
aus Erfahrung kennt...
.Die Kräfte der Seele aber, ‒ wenn ihr
sie aus eurem „
Ich” heraus
beherrschen
lerntet, wie sie beherrscht sein
wollen, ‒
werden euch
auch die letzten Gründe er‐
hellen, denn sie sind mit ihnen
gleicher
Art, wenn auch
nicht gleicher
Wirkungs‐
form...
.Erweisbar wird
diese Art von „Grün‐
den” freilich
jenen nur, die
selbst bereits
der Seele Kräfte zu gebrauchen wissen, ‒
während
eure Beweise immerhin
leichter
zu erlangen sind, obwohl sie auch
nur dem
verstehbar werden, der die Voraussetzungen
sich erworben hat, auf denen die Beweise
eurer Art beruhen.
.Jede
Kraft wird nur
entwickelt durch
Betätigung.
.Wenn ihr daher
eurer Seele Kräfte nicht
schon in kleinen Dingen anfangs zu
benüt‐
zen wißt, werden sie niemals so erstarken,
daß sie euch ihre hohen Wunder offenbaren
können.
.Es gibt hier vieles zu erkennen, was
wahrlich lohnen würde, daß ein Mensch sein
Leben lang, und wenn es hundert Jahre hier
auf dieser Erde währen sollte, darum dient...
.Doch müßt
ihr erst
einfach werden wie
die letzten Dinge selbst es sind, bevor sich
das Einfachste euch
entschleiert...
.Ihr seid im Denken
viel zu kompli‐
ziert geworden, als daß ihr
ohne „umzu‐
lernen”,
Wirkliches im tiefsten Sinn
er‐
fassen könntet. ‒ ‒ ‒
.Hier möge euch die allen zugängliche ir‐
dische Erfahrung Belehrung bieten:
.Vieles erschien euch vor noch nicht lan‐
ger Zeit als „
wüster Aberglaube”, ‒ bis
euer eigenes Forschen euch erkennen ließ,
daß solchem Aberglauben doch
ein Erken‐
nen zugrunde lag, das
euch vorher
ver‐
schlossen war, während
sehr einfach
denkende Gehirne es zu
erreichen wuß‐
ten. ‒ ‒
.Jeder wird Beispiele genug zur Verfügung
haben, so daß ich es wohl unterlassen kann,
hier solche aufzuführen.
.So ist auch vieles
heute noch in
Sage
und
Mythe, im Glauben der Völker, und
selbst in manchem ausgesprochenen „
Aber‐
glauben” des Volkes verborgen, was einer
späteren Zeit dermaleinst
als reifste Er‐
kenntnis zutagetreten wird. ‒
.Daß es heute noch
nicht von
denen er‐
kannt wird, die es „wissenschaftlich” auf
ganz anderen Wegen
suchen, liegt an der
ungeheuerlichen Kompliziertheit unse‐
res landläufigen, „berufsmäßigen”
Denkens,
das sich zu
einfachen Vorstellungen nicht
mehr bequemen
will, weil es sich nicht mehr
dazu bequemen
kann, ohne den
allergröß‐
ten Teil seiner einstigen Schulung, ‒ und
sei sie auf einer „
Volksschule” nur erfolgt,
‒ zu
vergessen. ‒ ‒ ‒
.So sind denn viele Dinge äußerem For‐
schen oft wie „
versiegelt”, und
mühsam
nur wird
weniges davon erkannt. ‒
.Den
Kräften der Seele aber, sofern sie
genugsam
entwickelt sind, kann
nichts
von alledem
verborgen bleiben.
.Es steht bei euch, ob eure Enkel erst in
späteren Tagen, und
gezwungen sich den
Tatsachen die ihr erkennen
könntet, beu‐
gen sollen, oder ob ihr ein Wissen ihnen
hinterlassen wollt, das sie
nicht erst
berich‐
tigen müssen...
.Auch jede,
in Sage und Aberglaube
versunkene Wahrheitskunde stammte
in
ihrem Ursprung einst von Menschen, die
ihrer
Seele Kräfte zu
gebrauchen wußten,
aber das innere Dunkel in denen, die
nach
ihnen kamen, ließ diese
nicht mehr erfas‐
sen, was gegeben war, so daß die ursprüng‐
liche
Wahrheit bald mit wildem Unkraut
wirrer Tagesträume überwuchert war, und
nun kaum noch aus der Überwachsung rein
hervorzulösen ist. ‒
.Beharrliches und vertrauensvolles Suchen
in der Seele wird aber jedem Suchenden
den
gleichen Brunnen öffnen, aus dem einst
die
Weisen ferner Vorzeit in sich schöpften,
so daß er alsdann mit aller Klarheit
in sich
besitzt, was unter der Überwucherung des
Aberglaubens kaum noch zu erkennen ist,
was ihm aber dann, aus
eigenem Wissen her
erkennbar wird. ‒ ‒
.Doch,
ohne beharrliches Suchen im eige‐
nen
Innern, ‒ mit
gleichem Mute und
gleicher Ausdauer geführt, wie ihr heute
noch nach
Außen sucht, ‒ wird euch
nie‐
mals offenbar werden können, was jene
Kräfte
vermögen, die
in euch selbst ver‐
borgen sind. ‒ ‒
.Ihr seid Bewahrer höchster „
Wunder‐
kräfte”, ‒ derweil ihr euch im Äußeren
bemüht um dürftigen Gewinn!
.Die hohen Kräfte des Erkennens, auf die
ich hier den Sinn zu lenken suche, sind in
jedem Menschen, ‒ allein sie schlafen einen
tiefen Schlaf, bis sie der Eigner in sich selbst
erweckt und
seinem Willen eint...
.Die meisten Menschen rüsten sich zum
letzten Schlafe, ohne je auch nur
geahnt zu
haben,
welche Schätze ihre Seele ihnen
bot...
.Wohl dem, der ihre Kräfte des Erkennens
noch zur rechten Zeit in sich zu wecken weiß!
.Er wird
sein wahres Leben hier schon
auf der Erde finden und sein Unsterb‐
liches schon hier im Sterblichen erken‐
nen. ‒ ‒ ‒
.Das aber ist aller geistigen Belehrung
Endzweck, denn was sollte es nutzen, hier
von
Geistigem zu reden, das uns ewiglich
erhalten bleibt, ‒ wäre dieses Geistige der
inneren Erlebensfähigkeit des Erdenmen‐
schen so entrückt, daß er es während seines
Erdenlebens doch nicht fassen könnte! ‒ ‒
.Nur
das, was hier
im Irdischen uns
schon
Erlebnis wurde, kann uns geleiten,
und uns
neues Leben deuten, wenn wir dieses
Irdische dereinst
verlassen werden!
.Wir stehen hier vor dem dunklen Tore,
durch das die Menschen schreiten müssen,
wenn sie dauernd von der Erde scheiden.
.Vieles wurde dir
verheißen, und vieles
wurde dir
angedroht, was hinter diesem
Tore liegen soll.
.Ich weiß nicht,
welcher dieser Lehren
du deinen Glauben schenken magst?
.Alle aber werden, ‒ durch alltägliche Er‐
fahrung gezwungen, ‒ in dem einen Punkte
einig sein, daß niemals du
in diesem dei‐
nem heutigen Erdenkörper wiederkehren
kannst, sobald du ihn einmal verlassen hast. ‒
.Viele sagen dir, du würdest
wiederkom‐
men in einem
neuen Leibe, zu einer
spä‐
teren Zeit, und sie haben sich herrliche „Re‐
geln” erdacht, nach denen sich die
Zeit
deiner Wiederkehr in einen Erdenleib be‐
stimmen soll.
.Andere lassen dich mit dem Tode deines
Erdenleibes
auf immer vernichtet sein, da
sie dem
Augen-
Schein allein vertrauen, der
ihnen nach dem Tode eines Erdenmenschen
nur eine starre „
Leiche” zeigt, und daneben
nichts aus dem sie schließen könnten, daß
dieser Mensch noch irgendwie
im Leben sei.
.Es irren
beide Glaubensweisen!
.Du selbst kehrst schwerlich wieder, aber
niemand weiß, wie viele deiner
Seelenkräfte
du dereinst,
mit dir vereinigt, dir
erhal‐
ten kannst, wenn du aus diesem Erdendasein
scheidest.
.Die du hier dir nicht
geeinigt hast, wirst
du
verlassen müssen, gleich dem Körper
dieser Erde, und so wie dieses Erdenleibes
dann aus ihrer zeitweiligen Form gelösten
Kräfte alsbald in
andere Lebensformen über‐
gehen, so werden auch die von dir zurückge‐
lassenen
Seelenkräfte sich einen anderen
Bereich ihrer Wirksamkeit suchen in einem
Erdenmenschen.
.Auch in dir sind heute viele Seelenkräfte
am Werke, die einst in
anderen Menschen,
vor deiner Erdenzeit, wirkten.
.So könnte man die Erdenmenschen mit
Fug und Recht unterscheiden, in „
seelisch
Jüngere” und „
seelisch Ältere”, je nach
der Zeitdauer, die ihre Seelenkräfte bereits
in früheren Menschen am Werke sah...
.Unter den Menschen, die heute zu glei‐
cher Zeit auf Erden leben und die gleiche
Anzahl Jahre zählen seit ihrer irdischen Ge‐
burt, gibt es viele mit weit „
jüngeren”
Seelenkräften als sie der Mehrzahl eigen sind,
und ebenso nicht wenige mit weitaus „
älte‐
ren” Seelenkräften...
.Jeden dieser Sonderfälle wird man schon
im äußeren Leben daran erkennen können,
daß der betreffende Mensch überraschend
anderes empfindet als die größte Zahl seiner
Mitmenschen und Altersgenossen, ‒ daß er
gleichsam aus seiner Zeit „
herausfällt”,
und entweder Neigungen zeigt, die einer
kaum vergangenen Zeit entsprochen haben
würden, oder solche, die
einer lange zu‐
rückliegenden Kulturepoche gemäß sich
auszuwirken suchen, was nicht ausschließt,
daß
beide Arten in der
ihrem Erdenleben
gegebenen Zeit durchaus
dieser Zeit
gemäß
zu wirken, und ihr oft
hohe Werte zu ver‐
mitteln wissen...
.Die Fülle der Kräfte, die jeweils deine
„Seele” bilden, wechselt immerdar, solange
du im Erdenleibe lebst.
.Bald sind es
mehr, bald
weniger See‐
lenkräfte, die in dir wirken...
.Du wirst auch kaum einen von dir als
„
seelisch nahestehend” empfundenen
Menschen durch den Tod für diese Erden‐
zeit verlieren, ohne ein „
Erbe” seiner See‐
lenkräfte zu empfangen, ‒ denn
außeror‐
dentlich selten sind
jene Menschen, die
alles, was sie an Seelenkräften in sich zur
Wirkung kommen sahen,
in sich geeint,
und
selbst vereint mit ihrem Gott, in ihr
nachirdisches Leben mit „hinüberneh‐
men” können...
.Die meisten, der Erde „Sterbenden”,
lassen ein reichliches „Erbe” zurück. ‒
.Fü
r das
geistige Auge ist deine „Seele”
eine leuchtende,
lebendige „
Wolke”,
aus unzählbaren strahlenden „
Punk‐
ten”: ‒ deinen Seelen-
Kräften, ‒ gebildet,
und diese Lichtwolke ist
in steter Verände‐
rung, solange du auf Erden lebst...
.Aber nicht
die gewaltige Fülle deiner
Seelenkräfte macht den „Reichtum” deiner
Seele aus, sondern
die Einigung der in dir
tätigen Seelenkräfte in deinem „
Ich”, in
deinem geistgezeugten
Willen. ‒ ‒
.Du wirst dir
nur jene Seelenkräfte
zu
dauerndem Besitz erhalten, die du in dir
geeinigt haben wirst, wenn deine Stunde
des Abschiedes von diesem Erdenleben
kommt...
.Hast du dich nicht
auf Erden hier mit
deinem Gott
vereinigt, dann wirst du auch
nach deines Erdenkörpers Tod noch
nicht mit ihm vereinigt sein!
.Du wirst dann als „
Ich” im allumfassen‐
den Geiste leben,
in deiner substantiellen
geistigen Form, und je nach dem, was du
im Erdenkörperleben dir an
Geistigem er‐
wirktest, wird diese Form gebildet sein, und
wirst du Macht besitzen, in ihr dich auszu‐
wirken...
.Unter hoher Leitung wirst du weiter‐
schreiten auf deinem „Wege”, bis sich der‐
einst
dein Gott in dir gestalten kann...
.Aber es wird alsdann die Zeit bis zu die‐
ser Vereinigung wie eine „
Ewigkeit” er‐
scheinen, denn auch im geistigen,
erdenkör‐
perfreien Sein gibt es ein Entsprechendes,
wie hier die Empfindung des Raumes und der
Zeit...
.Es fehlt dir dann jedoch die Macht, dein
dir verbliebenes Seelenkräftereich, in dem,
und durch dessen Auswirkungsgegebenheiten
allein dein geistiges
Erleben möglich wird, ‒
weiterhin nach deinem Willen
zu wandeln..
.Du mußt mit dem, was du dir während
deines Erdenlebens an Seelenkräften
zu ei‐
nen wußtest, nun
ewig dich bescheiden...
.Dennoch wird
niemals ein menschliches
„
Ich”, auch wenn es
noch so arm an See‐
lenkräften einging in das Leben des
Gei‐
stes, um in ihm seinen „Weg” zu
Gott zu
vollenden,
auch nur die leiseste „
Sehn‐
sucht”
empfinden, wieder
zurückkehren
zu können in das
Erdenkörperleben, ‒
einerlei, was es in ihm zurücklassen mußte...
.Aber
es gibt ein solches, verändertes
Wiederkommen, ‒ jedoch nur in drei be‐
sonderen Fällen:
.Für
jene, die es
als Folge ihres üblen
Wirkens im Erdenleibe zu erdulden ha‐
ben...
.Für
solche, die
ihren Erdenleib am
Weiterleben und Erleben hinderten, da
sie vermeinten, durch den Tod sich einer un‐
ertragbar erscheinenden Qual, oder irgend‐
welchen Nöten, entziehen zu können...
.Und endlich für
solche, deren Erden‐
lebenszeit
zu kurz war, als daß sie schon ir‐
gendwelche Seelenkräfte sich im Willen hät‐
ten vereinen können, so daß sie unfähig
bleiben müßten, geistiges
Erleben zu er‐
reichen, würde ihnen die Möglichkeit zur
Erlangung von Seelenkräften, wie sie das
Erdenleben allein zu bieten hat, nicht ein
zweitesmal geboten...
.Der gleiche Grund ist auch entscheidend
für
die beiden ersten Kategorien, allwo
entweder ein „
Ich” in Frage kommt, das
auch in
ausreichendem Erdenleben
kei‐
nerlei Seelenkräfte sich zu
einen vermochte,
da das
Tierhafte seines Trägers auf Erden
solchen Willen
erstickte, ‒ oder ein „
Ich”,
das alle, ihm schon geeinten Seelenkräfte
preisgab in dem Moment, in dem es dem
Gedankenzwang erlag, seinen irdischen
Träger, als seinen, ihm zur Zeit gegebenen
Selbstdarstellungs-Organismus,
vernichten
zu müssen...
.Den Menschen, für die ich diese Beleh‐
rungen hier niedergeschrieben habe, mag es
genügen, nun zu wissen, daß sie
nur durch
eigene Schuld dahin gelangen können, die
Nöte des Lebens im tierhaften, allen phy‐
sisch-materiellen Einwirkungen ausgesetzten
Erdenleibe ein
zweitesmal erdulden zu
müssen...
.Daß aber die
allzufrüh durch unerbitt‐
liche physische Gesetze um ihren
irdischen
Selbstdarstellungs-
Organismus gebrach‐
ten Menschengeister ihn ein
zweitesmal,
‒ und wenn
auch dies durch physische Ge‐
setzauswirkungen
umsonst gewesen
wäre,
selbst
mehreremale wiedererlangen kön‐
nen, was gegebenenfalls auch für
die bei‐
den ersten Kategorien zutrifft, ‒ wird je‐
der, der nun zu ahnen beginnt, was das Er‐
denleben für die „Rückkehr” des einst „ge‐
fallenen” Menschengeistes bedeutet, nur als
die notwendige Auswirkung der
Liebe, die
alles Geistige, auch wenn es
tief gefallen
ist,
umfaßt, in seinem Herzen
voll Dank
empfinden können...
.Möge jeder, der diese Worte liest, sie in
sich bewahren, und stets mehr und mehr
alsdann erkennen lernen, daß ihm
sein Er‐
dendasein die unerhörte
Macht verleiht,
sein weiteres Schicksal selbst zu be‐
stimmen!
.Wie diese Macht auf rechte Weise zu ge‐
brauchen ist, wird in diesem Buche gezeigt.
.Es sorge sich aber keiner um die der Erde
Gestorbenen, die „hinübergingen”
ohne be‐
reits in ihrem Erdenleben soweit gelangt zu
sein, daß sich
ihr Gott in ihnen „gebären”,
‒ daß sie sich mit den ihrem „
Ich” geein‐
ten Seelenkräften
ihrem Gotte vereinen
konnten!
.Auch sie umfaßt wahrlich die ewige
Liebe!
.Sie finden an
allen, die jemals zur Ver‐
einigung mit ihrem Gott
gelangten, ihre
getreuesten Helfer, denn alle Seelenkräfte
„berühren” sich im Reiche des substantiellen
Geistes, und was die Geeinten in Gott auf
Erden schon
erlangten, und was sie im
Geiste
erlangen, das „leiten” diese Kräfte
weiter auch zu ihnen, denen ihr Gott
noch
nicht im „
Ich” „geboren” ward! ‒ ‒ ‒
.Zugleich aber wird diese Hilfe geleitet
durch
die Niegefallenen, die im Reiche
des Geistes in gleicher Weise die einst ge‐
fallenen Menschengeister
zurück ins Ur‐
licht führen, wie schon hier auf Erden,
wo immer sie dem
Willen zur Rückkehr
begegnen...
.Strebe
du danach,
dein höchstes Ziel
schon hier auf Erden
zu erreichen, aber
ängstige dich nicht um
jene, die es hier
noch nicht erreichen konnten!
.Du kannst ihnen jedoch auch
deine Hilfe
bieten, wenn du
voll lebendiger Liebe
ihrer gedenkst! ‒ ‒ ‒
.Sie alle werden einst
in ihrem Gott mit
dir vereinigt sein....
.In dir wirst du, ‒
vereint mit
deinem Gott, ‒ einst
allen bewußt ver‐
einigt sein,
die du umfassen kannst in
deiner Liebe! ‒ ‒ ‒
.Ihr lebt in einer Welt, der „
Geistiges”:
‒
Verstandesarbeit ist.
.Was diese Welt als „
Geist” bezeichnet,
ist
Begriff und
Denken, ‒ oder gar: ‒
die
Virtuosität, durch schnell gefundenen
Gedanken das Entlegene in frappierenden Zu‐
sammenhang zu bringen. ‒
.Dem „Geiste” aber, der als
substantielle
Wirklichkeit die Welt durchleuchtet, ist
alles, was die Menschen dieser Tage „Geist”
benennen, ‒ nur bloßes Werkzeug irdisch‐
allzuirdischen Erkennens...
.Die Welt in der ihr lebt, weiß nur noch
von dem „
Werkzeug”, und glaubt in ihm
das „
Werk” zu haben. ‒ ‒
.So wurde euch der „
Geist der Welt”
zum Blender eures „
Seelen-Auges”!
.Es wird
schwer sein, ihm, der euch nun‐
mehr
beherrscht, und hinführt, wohin
er
euch führen will, noch
Widerstand zu lei‐
sten! ‒ ‒
.Der Geist, der selbstbewußt in seinem
eigenen Lichte lebt, ist nichts Verschweben‐
des, nichts, was sich nur im frommen Glauben
fühlen läßt.
.Er ist nicht nur so „wirklich”, wie ein
Baum, ein Stein, ein Berg, ‒ ein Blitz, der
aus der Wolke niederfährt, sondern
in ihm
allein kann unser irdischer Begriff der
„
Wirklichkeit” erst seine irdisch nicht
zu findende
vollkommene Entsprechung
fassen...
.Wenn schon
kein Ding von
relativer
Wirklichkeit durch eines Menschenhirnes
Vorstellung von ihm
an sich verändert
wird, ‒ wie wollt ihr wähnen, daß die
ab‐
solute Wirklichkeit nach eurem Wahn sich
wandeln könne!?!
.Die Bilder eurer Vorstellung berühren
nicht einmal das kleinste Erdending
im
Grunde seines Daseins, und so auch läßt
der Geist der Ewigkeit sich wahrlich nicht
von dem berühren, was ihr als „
Geist”
be‐
nennen möget, solange ihr sein
substan‐
tielles Sein noch nicht
in euch erfassen
könnt...
.Ihr werdet nun
heute vielleicht und
in
dieser Stunde die Wahrheit meiner Worte
zu erkennen glauben, ‒
morgen aber schon
betört euch wohl aufs neue der „Geist”
die‐
ser Welt. ‒
.Ihr werdet ihm heute
entrinnen wol‐
len, um den
wirklichen Geist zu suchen,
aber ich fürchte, ‒
morgen schon werdet
ihr wieder vom „
Geist”
der Gehirne ge‐
blendet sein. ‒ ‒
.Ihr werdet
heute wohl vom Sein des
substantiellen Geistes etwas zu
erahnen
glauben, ‒ aber schon
morgen befällt euch
doch wieder
Kleinmut und
Zweifel, und
ihr gebt die Mühe auf, zu suchen, was ihr
heute fast schon „greifbar” glaubtet. ‒ ‒
.Noch immer habt ihr so gehandelt,
wenn einer euch vom Geiste sprach, der
von dem Geiste,
der das All durchleuch‐
tet, reden
durfte, da er in ihm lebte, und
der daher
aus eigenem Erfahren ihn
bezeugen konnte. ‒
.Vielleicht aber, ‒ gibt es
doch einige
unter euch, die
ernstlich bereit sind, alle
ihre Kräfte einzusetzen, um eines Tages
selbst die
Wirklichkeit von der ich rede,
in ihrer unsagbar erhabenen und gewaltigen
Einfachheit zu
erfassen?! ‒
.Zu
denen will ich mich wenden, denn
nur
ihnen können meine Worte von Nutzen
sein. ‒
.Euch, die ihr entschlossen seid, dem
„Geiste” der Gehirne fürderhin
nur noch
zu geben was
das Seine ist, damit er nicht
um
das Erkennen urewigen,
wesenhaf‐
ten Geistes euch betrügen könne, ‒
euch sage ich nun hier erneut, damit ihr es
in eure Herzen hämmert:
.Geist ist nichts Erdachtes!
.Geist ist nicht die Kraft des Denkens!
.Geist ist substantielles,
aus sich sel‐
ber seiendes,
lebendiges Licht!
.Alle Unendlichkeiten sind erfüllt von
diesem Geiste und alles lebt aus ihm, aber
der Erdenmensch kann ihn nirgends finden,
außer: ‒
in sich selbst. ‒ ‒ ‒
.In euch selbst
ist und
lebt er, seiner selbst
bewußt, wie er im unendlichen All
seiner
selbst bewußt das All durchlebt!
.Er ist nicht
in euren Gehirnen allein,
oder
nur in euren „
Herzen”!
.Der Körper des Erdenmenschen ist zwar
tierischer Art, aber dieses Tierische birgt
geheimnisvoll in sich einen
geistigen Or‐
ganismus...
.Ihr selbst seid „
Tempel” des Geistes, und
in jedem Glied an euch, wie
in jedem
inneren Organ steht ihm
ein heiliger
Schrein auf unsichtbarem Altar...
.Bevor ihr daher nicht
im ganzen Kör‐
per, von den Zehen bis zum Scheitel,
euch
selbst empfindet, werdet ihr niemals
den
Geist empfinden können, nie vermögen,
mit
eurem Gotte euch zu einen!
.Dieses Selbstempfinden, durch den gan‐
zen Körper, der in sich ein Heiligtum des
Geistes birgt, muß eure vornehmlichste Auf‐
gabe sein, und sie ist bereits in allem einbe‐
griffen, was ich bisher zu sagen hatte, wenn
auch
in anderer Weise davon die Rede
war. ‒ ‒
.Hier will ich
im besonderen davon
sprechen!
.Ihr müßt
bewußt zu werden trachten,
nicht nur im
Gehirn, ‒
nicht nur im
„
Herzen”!
.Bewußtsein lebt in euch vom
Inner‐
sten bis zum
Äußersten eures Körpers, ‒
ja selbst in jeder seiner
Zellen, ‒ allein es
ist noch nicht vereint mit eurem
Selbst-Be‐
wußtsein...
.Doch wenn ihr
wollt, und
standhaft
bleibt in eurem Streben, dann könnt ihr nach
und nach in jedem Teil des Erdenleibes das
ihm eigene Bewußtsein finden und eurem Ich‐
Bewußtsein so vereinen, daß ihr dann
nicht
mehr ‒
nur im Kopfe, und
da selbst
doch nur
im Gehirn, ein wenig um
euch
selber wißt. ‒ ‒ ‒
.Hütet euch aber, eure
Nerven zu er‐
regen und zu überreizen, ‒ denn
diese Art
„Bewußtsein” eures ganzen Leibes kennt ihr
alle längst schon
viel zu gut! ‒
.Wer nicht bei jedem Fortschritt auf dem
Wege seelisch
ruhiger und
klarer wird,
der geht nicht den
richtigen Weg! ‒ ‒
.Wollt ihr zum Ziele kommen, dann müßt
ihr
in völliger Ruhe des Körpers und
der Seele,
der Nerven und der Gedan‐
ken, ‒ euch in jedem Atom eures Körpers
in eurer
Seelen-Natur, als „
Seele” dieses
Atoms zu empfinden trachten, um
die Ur‐
Seelenkraft euch zu
einen, die
in und
mit
ihm euch gegeben ist...
.Es sind keine seltsamen „Übungen” zu
verrichten und keine gewaltsamen Anstren‐
gungen sind hier nötig, oder gar nützlich!
.Ruhiges
Empfinden durch den gan‐
zen Leib, so oft ihr dazu Neigung fühlt,
und eure Zeit es euch erlaubt, euch solchem
Empfinden ungestört hinzugeben, wird euch
nach Wochen oder Monaten die ersten Früchte
zeigen.
.Vergeßt aber nicht, daß ihr nur
euch
selbst in jedem Körperglied, und
nicht
etwa
das Glied als solches empfinden ler‐
nen sollt! ‒ ‒
.Wenn ihr euch so dann von innen und
außen, von unten bis oben, „
selbstempfin‐
den” könnt, dann werdet ihr staunen, und
mit Dankbarkeit in hoher Freude in euch
fühlen,
was dieses Erdenleben
ist, das euch
bis heute noch so „unvollkommen” er‐
scheint...
.Euer ganzer Leib aber wird eine uner‐
ahnte
Erneuerung dabei erfahren.
.Wem Glieder seines Leibes
fehlen, der
wisse, daß jedes Glied
in geistiger Substanz
vorhanden ist, auch wenn es nie im Äußeren
vorhanden
war, ‒ und daß in gleicher Weise
jedes Glied in seiner
geistigen Gestalt vor‐
handen
bleibt, auch wenn es im Äußeren
vom Körper
abgetrennt wurde.
.Im
geistigen „Leibe” gibt es keine Ver‐
stümmelung!
.Im
geistigen „Leibe” ist jeder Menschen‐
geist Sammelpunkt aller Schönheit, die er
seiner „
Seele” geben kann, in der sich der
Geistesleib „
erlebt”, ‒ und die im Geiste
zu „sehen” vermögen, erschauen in ihm nur
das, was
durch Seelenkräfte Gestalt ge‐
wonnen hat, nicht aber irgend einen Mangel
der physisch sichtbaren, durch
materielle
Einwirkung bestimmten Erscheinungsform...
.Seid ihr nun an diesem Punkte angelangt,
und
empfindet ihr euch selbst
im Ganzen
eures Leibes
als ein Ganzes, dann werdet
ihr wahrhaftig auch den Leib
zu ehren wissen,
als das Äußere des „Tempels”, der in sich
das allem Außensinn verhüllte heilige Myste‐
rium geistigen Lebens birgt, wie es
allein
der Menschengeist auf seiner Rückkehr
in das Licht aus dem er einst sich löste,
er‐
langen und
erleben kann...
.Nun aber muß es sich dennoch erst zeigen,
ob schon die Seele jene Reife erlangte, die
es dem geistig „älteren” Bruder, der sie er‐
schaut, auch möglich macht, ihr zum Leiter
und Führer zu dienen. ‒
.Ohne ihn würde
schwerlich einer aus
euch
hier im Erdenleben schon zum Be‐
wußtsein im allumfassenden Geiste ge‐
langen, auch wenn schon der „Leib” des
Geistes im Erdenkörper bewußt empfunden
wird!
.Keine eurer Mühen geht verloren,
aber aller Mühen
Siegespreis wird euch
erst dann zuteil, wenn ihr
den Höhenweg
beendet habt, der euch nur
findbar ist
unter
innerer geistiger Führung...
.Immerhin aber wird euch vieles schon
auch durch die eigene
Beharrlichkeit
allein erreichbar.
.Sobald ihr euch durch den ganzen Erden‐
leib in eurem
geistigen Leibe empfinden
lerntet, beginnt ihr, ohne daß es eines be‐
sonderen Wollens bedürfte, den Geist in
euch und im ganzen All ‒ zu „
atmen”, und
vielen ward damit schon solches Glück zu‐
teil, daß sie für lange Zeit dabei verweilten,
erkennend, daß sie
höherem Erleben vor‐
erst noch nicht gewachsen waren...
.Nehmet aber unbesorgt, was man euch
geben wird und vertrauet dem
Gesetz des
Geistes, das keine
Willkür kennt und stets
nur
euer Bestes bewirkt!
.Der Weg zum „
innersten Osten” liegt
gangbar vor euch hingebreitet, und
euer wa‐
ches Wollen nur bestimmt, ob man euch
bald auf ihm gewahren wird...
.Die Lande des „innersten Ostens” aber
umfassen
viele Wohnstätten, und jedem
ernstlich Suchenden wird dort
seine Wohn‐
statt zuteil, ‒ niemals eines
Anderen Stätte..
.Hier herrschen nicht minder bestimmte
Gesetze des Geschehens, wie in der Außen‐
welt. ‒ ‒
.Auch kein
Leuchtender des Urlichts
kann sie beugen!
.Er kennt nur ihre Art und Wirksamkeit,
und all sein Trachten ist, die Menschen, die
zu seiner Zeit der Erdball trägt, wie die einst
kommenden Geschlechter, zu ihrem
Glück
‒ zu ihrem
höchsten Ziel zu führen. ‒
‒ ‒
.Dazu dient seine Verkündigung!
.Dazu hilft ihm
das geistige Gesetz, dem
er aus allen seinen Kräften
dient...
.Er wirkt aus dem
Geiste, der das
Ur‐
Seiende ist, und er wirkt nur
aus der Kraft
des Geistes...
.Aus dem ewigen substantiellen Geiste
aber gestaltet sich „
Gott”, ‒ wie ein „De‐
stillat” des Geistes, ‒ in jedem Menschen,
der mit Inbrunst seinem Gott entgegenstrebt,
und in Geduld den Tag erwartet, der ihn so
vorbereitet findet, daß sein Gott sich in ihm
selbst „gebären” kann. ‒ ‒ ‒
.Gott ist Geist, ‒ jedoch: ‒
des Gei‐
stes höchste Selbstformung! ‒
.Sich selber formend aus sich selbst,
offenbart sich
des Geistes höchste Seins‐
form ‒ als „
Gott”! ‒ ‒ ‒
.Wähle du, o Suchender,
für deine
ersten Schritte schon den Pfad
des wahr‐
haften Lichtes, sonst wirst du dereinst dich
leicht verleiten lassen, den schlimmen Pfad
der schillernden Schlange zu betreten,
wenn du an den Fuß des „großen Gebirges”
gelangst, dahin man zur Not auch auf
Schleichpfaden kommen kann, statt auf
dem Pfade, den
die Leuchtenden des Ur‐
lichts durch die Wüste bahnten. ‒ ‒
.Du
kannst diesen Pfad des wahrhaften
Lichtes
gleich zu Anfang wählen, wenn du
alle
niederen „
Wünsche” von deinem
großen und reinen Wollen zu
entfernen
weißt. ‒
.Wirst du aber „
den edlen Pfad der
Weisheit”, der dich hinauf zu den hellen
Firnen führen soll,
auch dann noch „wäh‐
len”
können, wenn du, mit „
Wünschen”
beladen, am Ende des Weges durch die Wüste,
steile Felsenhöhen vor dir siehst, und nun
keuchend nach dem letzten Ziele spähst?? ‒ ‒
.Wisse, daß dann das Licht der Wahrheit vor
dem Auge deiner Seele
nur wie ein fernes
Leuchten durch den Nebel dringt, und daß
dir der Höhenpfad zu diesem Lichte alsdann
„
unendlich” erscheinen wird!
.Nebenan aber führt der „
Pfad des Irr‐
tums” zu einem flimmernden, gleißenden
Lichte
in nächster Nähe.
.Dieses „Licht” aber ist
der trughafte
Glanz der „
Schlange”, deren Leib, ‒
in
vielen Farben schillernd, ‒ den Erdball
umspannt...
.Wehe,
wenn du ihr verfällst!
.Sie wird dich locken durch das verführen‐
de, ununterbrochene Zucken der schimmern‐
den Schuppen ihres Hauptes, und wenn du,
wißbegierig, nahe genug in ihren Bereich
gelangtest, wirst du ihr Beute zum Fraße
werden. ‒ ‒ ‒
.Kannst du, mein Freund, die
Wahrheit
ahnen, die hier, als Symbol verschleiert sich
dir nahen will?!
.Wohl dir, wenn du Symbole wahrhaft
„
deuten” lernst!
.Sie werden dir
tiefe Dinge sagen!
.Dinge, die sonst meist
unsagbar bleiben
müßten!
.Dinge, die niemals sich
in ihrer Nackt‐
heit zeigen würden! ‒ ‒
.Ich will es aber versuchen, hier
auch Jene
zu erreichen, denen Symbole annoch „dun‐
kel” sind.
.So höre denn
andere Worte, aber wisse,
daß sie
gleiche Wahrheit meinen!
.Wenn du, o Suchender, zum erstenmale
den Drang in dir empfindest, die Schleier zu
lüften, hinter denen du ahnend die Wahrheit
fühlst, dann wird dir immer ein „Führer”
nahe sein aus jener Welt des Lichtes, die ewig
deine Heimat werden soll.
.Du wirst die Nähe dieses Führers fühlen,
ohne recht zu wissen,
was dein Gefühl be‐
wegt...
.Unwillkürlich wirst du dem Führer
fol‐
gen. ‒
.Du bist dann auf dem „Pfade”, der durch
die „Wüste” führt..
.Die „Wüste” aber wird aus den Sand‐
körnern gebildet, die das äußere Schein-Er‐
kennen der Erdenmenschenhirne schuf. ‒ ‒
.Jahrtausende schufen daran!
.Mitten durch diese „Wüste” haben hohe
Meister, ‒ kundige Wegebauer, ‒ einen fe‐
sten Damm gebaut auf dem sich sicher schrei‐
ten läßt...
.Ringsumher lagern die allzeit veränder‐
lichen Sanddünen äußerlichen Gehirn-Er‐
kennens: ‒ stets wechselnd in ihren Linien,
‒ unsicherer Grund dem Fuße, der sie be‐
tritt...
.Der Pfad aber auf dem Damme, den die
„Leuchtenden” der Seele schufen, ‒ ist
Fels. ‒
.Du fühlst
Sicherheit!
.Mutvoll schreitest du voran.
.Lange Zeit wirst du geduldig weiter‐
schreiten müssen, bis du an jene bedeutsame
Stelle gelangst, allwo der Felsdamm durch
der „Wüste” Sand dann das „große Gebirge”
erreicht und damit zu Ende ist...
.Nun mußt du dich
entscheiden, denn
vor dir liegen
zwei Pfade, die du zuerst nicht
recht zu trennen wissen wirst.
.Bald wirst du dem einen, bald dem an‐
deren dich anvertrauen wollen. ‒ ‒
.Der
eine aber führt zu den
Gipfeln,
der
andere ‒ in
die abgründigen
Schluchten und verborgenen Klüfte
der Berge...
.Du allein hast die
Wahl, wohin du
dich wenden willst!
.Sicherlich aber wirst du sogleich
den
Pfad zu den Gipfeln vom Pfade des
Abgrunds unterscheiden können, wenn
deine Füße
vorher schon
gewohnt waren,
festen „
Fels” unter sich zu fühlen, denn
schlüpfrig und ohne Fußruhe ist der
Pfad zur Unterwelt...
.Schon auf dem Pfade über den Felsen‐
damm, werden unsichtbare Dinge dir ihr Da‐
sein zu erweisen suchen.
.Noch aber kannst du nicht unterscheiden,
wer da
Lenker ist, der Kräfte, deren Wir‐
kung du erkennst. ‒
.Noch glaubst du hinter
allen unsichtba‐
ren Kräften
gleichen Willen. ‒ ‒
.Wisse aber, daß die
niederen Reiche
des Unsichtbaren auch
niedere Lenker
haben!
.Wisse, daß
Meer und Land nicht so scharf
geschieden sind, wie die niederen erdensinn‐
lich nicht faßbaren Kräfte, die an der „
Welt
der Materie” gestaltend und zerstörend wir‐
ken, von den hohen,
im höchsten Lichte
erkennenden Mächten des
Geistes!
.Die Lenker in den
niederen unsicht‐
baren Reichen sind die furchtbarsten
Feinde
deiner Seele.
.Nicht weil ihr Wille deiner Seele
scha‐
den will, gleich dem haßerfüllten Willen der
Vernichtungsverdammten, die einst Erden‐
menschen voll höchster Erkenntnis waren
und
erneut dem „Fall” ins Finstere erlagen,
‒ sondern nur durch
Kräfte der An‐
ziehung, denen du schwer widerstehen
kannst, wenn dich nicht hohe Geistesmächte
wirksam
isolieren. ‒ ‒
.Wenn du Bereiche streifen wirst, die der
niederen Lenker Einwirkung erfahren,
dann wird sich zeigen
wer du bist. ‒
.Suchst du allein
nach höchster,
ewiger
Klarheit, dann wird dich der Führer, der
ja ein Lenker
höchster Kräfte des
Geistes
ist, schützend isolieren
können.
.Du wirst unter solchem Schutz dann auch
mit Sicherheit den Pfad zu wählen wissen,
der dich zu reinster
Lichterkenntnis führt.
.Du wirst dann
zum Leben im ewigen
Lichte der hohen Firnen des Geistes ge‐
langen. ‒ ‒
.War es dir aber
um niedere Künste zu
tun, ‒ wolltest du nur „
Okkultes” erfor‐
schen, um
deinen Wünschen neue Kräfte
zu Dienern zu geben, dann wirst du unver‐
merkt der Hand des Führers
entgleiten...
.Allein gelassen mit deiner schwachen
Kraft, wirst du eine Beute der Anziehungs‐
kräfte werden, die auf dich einwirken aus
dem Bereiche der niederen Lenker in den
dunklen Abgründen der ewigen Geburt der
Materie. ‒
.Du wirst ‒ vielleicht ‒ „
okkulte
Kräfte” erlangen, besonders wenn du
strenge sexuelle Abstinenz zu üben weißt und
nur von Vegetabilien lebst, aber
wehe dir
und allen die dir verfallen, ‒
wenn du
solche Kräfte erlangst! ‒ ‒
.Jene niederen Lenker sind die „
Schaf‐
fenden des Grundes”, und die
Zerstörer
alles dessen, was sich
über den Grund, den
sie festigen,
frei erheben will.
.Wähne nicht, daß sie dich die Geheim‐
nisse des Schaffens lehren könnten, wie so
mancher törichte „Zauberlehrling” es erwar‐
tet! ‒ ‒
.Sie werden sich nur gierig
deines Wil‐
lens bemächtigen, denn alle Gewalten im un‐
sichtbaren Kosmos brauchen
menschliche
Agenten, wenn sie auf
menschliche in‐
karnierte
Willenszentren wirken wollen,
‒ ‒ und nur
als Zerstörender wirst du
ihnen dienen, auch wenn du
aufzubauen
meinst.
.Die
hohen Lenker können die Seele des
Erdenmenschen ebensowenig mit ihrer Ein‐
wirkung erreichen, wie die
niedersten,
wenn ihnen nicht
menschlich inkarnierte
Willenseinheiten dazu die „Brücke” schla‐
gen...
.Vielleicht ahnst du hier, was die Lehre
von dem „
Sohne Gottes” besagen will, der
„
Mensch werden” mußte, um seine Men‐
schenbrüder „
erlösen” zu können?! ‒ ‒ ‒
.Die Wirkungsweise geistiger Gewalten,
‒ sei ihre Wirkung nun von den
höchsten
oder den
niedersten unsichtbaren Lenkern
ausgelöst und
in ihrer Art bestimmt, ‒
kennt
kein zeitliches,
kein örtliches
Hindernis.
.Heute noch wirken durch
hohe wie
durch
niedere Lenker einst ausgelöste und
bestimmte Gewalten in der Seelenwelt des
Erdenmenschen, obwohl diese Gewalten
schon vor vielen Hunderten, ja
Tau‐
senden von Erdenjahren, den Weg zu
den Herzen fanden, ‒ durch einen mensch‐
lichen Agenten...
.Wo auch ein solcher lebt oder lebte: ‒
die geistige Gewalt, die durch ihn zur Wir‐
kung kam, wird
alle erreichen, die in ihr
ähnlichen Schwingungen vibrieren, mögen
die solcherart Prädisponierten auch auf des
Erdballs anderer Seite wohnen, oder erst in
einer zukünftigen Generation geboren wer‐
den...
.Während es aber ein sicheres Kennzei‐
chen
hoher geistiger Lenkung ist, daß die
durch sie erregten geistigen Gewalten nur
unter sorglichster Wahrung der
Freiheit
im Menschen wirken, ‒ wie sie ja auch den
Erdenmenschen, der als „Brücke” dient,
zum freien
Herrn der Kräfte, die durch ihn
wirken, vollendet, ‒ so kann man die
nie‐
deren Lenker stets daran erkennen, daß
alles was durch sie zur Wirkung kommt,
den Beeindruckten zu
binden sucht, so daß
er zum
Sklaven dieser niederen Lenker
wird, auch wenn sie ihn im
Wahn erhalten,
„Herr” der durch sie erregten Gewalten zu
sein...
.Das Ende dessen, der
ihnen als „Brücke”
dient, ist „Auflösung” in qualvoller Nacht! ‒
.Die aber „Brücken”
der hohen Geistes‐
lenker sind, bilden eine ewige, königliche
Gemeinschaft des
Lichtes im Geiste, denn
in jedem aus ihnen ist ein „
Stern” entzün‐
det worden, der, aus reinster Lichtkraft des
Geistes gebildet, ewig den Seelen der Erden‐
menschen leuchtet...
.Eine eitle, erklügelte Lehre, die dich zum
Glauben verleiten will, daß der Mensch
in
ungezählten Erdenleben sich immer hö‐
her entfalte, weiß dir auch zu sagen, daß die
„Brücken”, die
sich selbst erbauen, da‐
mit die höchsten Geisteslenker über sie hin
zum Erdenmenschen gelangen, nichts anderes
seien, als Menschen, die unzähligemale schon
das Erdenleben erlebten, nur jetzt
am höch‐
sten Ziele ihrer Entfaltung angelangt, das
einst
auch jeder andere Mensch der Erde
einmal erreichen müsse.
.Glaube nicht solchen törichten Worten!
.Du könntest sonst nur allzuleicht
ein
Opfer der Täuschung werden, ‒ und aus
einem vermeintlichen, „zukünftigen Meister”
würde dann ein armer betrogener Sklave
seiner Eitelkeit! ‒ ‒
.Nicht jedem Erdenmenschen ist die
Bürde auferlegt, die
nur die Wenigen tra‐
gen müssen, die voreinst, bald nach ihrem
Fall aus hohem Leuchten, voll Erbarmen für
die Mitgefallenen, sich dargeboten haben,
Mithelfer hoher Geisteslenker zu werden, ‒
„Brücken” und Brückenbauer zugleich, ‒ im
Dienste ewiger Liebe..
.Nur der kann hier die „Meister”-Prüfung
bestehen, der schon des Brückenbaues Mei‐
ster war
im Geistigen, und lange schon
vor
seiner Inkarnierung in den Erdentieres‐
körper...
.Wissend wird er „Brücke” und des
Brückenbaues Meister dann als Mensch der
Erde erst an jenem Tage, an dem er der
leuchtenden Gemeinschaft seiner geistigen
Brüder nahen darf ‒ als einer, der
auch
hier im Irdischen seine „Meisterprüfung”
bestanden hat. ‒ ‒ ‒
.Dann ist der „
Sohn” der hohen geistigen
„
Väter” zu ihrem angenommenen geistigen
„
Bruder” geworden, als ein
Leuchtender
des Urlichts...
.Aber
ein jeder Erdenmensch, wer es
auch sei, kann „
leuchtend” werden
im
geistigen Licht,
in ewiger Freiheit, ‒
auch wenn er das Licht empfängt, wie ein
Planet der eine Sonne umkreist.
.Im Reiche des Lichtes „neidet” keiner
dem anderen seinen Wirkungskreis, den ihm
der eine,
ewige „
Meister”
aller Meister‐
schaft vertraute...
.Jeder, der in dieses Reich gelangt, ist
ein
Vollendeter, frei in sich selbst, ‒ und je‐
der weiß, daß ihm Vollendung nur erreichbar
war
in seiner Eigenform. ‒ ‒ ‒
.Es ist nur Folge deiner erdgezeugten
Nichterkenntnis, wenn du etwa nach
einer Form der geistigen Vollendung strebst,
die
nicht aus
deiner Individualität heraus
gefordert ist...
.Was soll es
dir nutzen, eine Art der Vol‐
lendung zu erreichen, die
einem Anderen
vorbehalten bleiben muß?! ‒ ‒
.Auch wenn du die
höchste Form der
Vollendung fändest, die ein Erdenmensch
erlangen kann, und es wäre
die deine
nicht, so hättest du
umsonst gestrebt, dich
zu vollenden...
.Nur als Vollender
dessen, was nur
dir
allein gegeben ist: ‒ nur als Vollender
deiner selbst, gelangst du einst in jenes
ewigliche
Licht, aus dem du ewig
leuchten
sollst! ‒ ‒ ‒
.Hier will ich vom lebendigen „
Lichte”
reden: ‒ dem
ewig unertötbaren „
Leben”,
das alles Menschensein durchflutet!
.Ich will
das Licht der Herzen euch
zeigen, das in euch
lebt und euch
erleuchten
kann! ‒ ‒
.Ihr alle, die ihr des Lebens
Sinn erfassen
möchtet, wart auf den Wegen die zum
Irrtum
führen,
zu lange schon „
Suchende”. ‒
.Ihr sollt zu „
Findern” werden, wenn ihr
dem Worte eines Finders vertraut! ‒
.Ihr seid Könige,
die ihr Reich nicht
kennen! ‒ ‒
.In euch selbst ist dieses „Reich”, das
eure Augen stets
vergeblich zu erspähen
suchen, wenn ihr es
außen sucht! ‒ ‒ ‒
.Ihr fragt ohne Antwort, und dennoch
fragt ihr immer wieder: ‒ „
Wo ist das
Land,
das uns verheißen wurde?!”
.„Sind wir
zu Ende, wenn es
hier zu
Ende geht, oder kann
nach diesem Ende
unser Selbstsein
weiterleben?! ‒ ”
.Sehet: ‒ die
vor euch also fragten, sind
in euch, in eurem inneren „Reiche”, und
könnten euch da
Antwort geben, wenn
ihr
nicht
taub geworden wäret im Lärm der
Außenwelt. ‒ ‒ ‒
.Eure eigene Seele ist das „Reich der
Geister”, die ewig
mit und
in euch leben
werden! ‒ ‒ ‒
.In euch selbst umfaßt ihr die Un‐
endlichkeit...
.In euch lebt, was
war, was
ist, und was
werden wird...
.„
Allgegenwart ist euer
Sein, ‒ ‒ doch
ihr seid an das „
Da-Sein” noch verhaftet, und
gegenwärtig nur, wo ihr dem
niemals
Kommenden
entgegen wartet! ‒ ‒
.Ihr glaubt noch, das Reich des Friedens
sei ein fernes Land in Sternenweite, derweil
es
in euch lebt und
ihr in ihm...
.Jeder, der dieses Reich in sich
er-
langte,
ist für ewig dieses Reiches „
König”! ‒ ‒
.So, wie
ihr alles Menschenwesen in
seinem ewigen Geistesleben dort
finden
werdet, so werdet
ihr selbst dort
gefun‐
den, in allen, die dieses Reich in sich
er‐
langten.
.Es ist
ein einziges Reich der Geister,
aber
jedem, der Unzähligen, die es in sich
fanden, „
gehört” dieses Reich als unge‐
schmälerter
Besitz, ‒
jeder ist dieses Rei‐
ches ungehinderter „
König”, und sein Reich
ist „
Ewigkeit”, ‒ nicht anders, als ob er,
aus allen Unzählbaren,
allein des Reiches
„König” wäre, das jeder nur als „das Reich”
seiner Seele besitzt...
.Ihr könnt das Reich der Geister
nicht
er-langen,
außer euch selbst! ‒
.In euch ist es
allein für euch
erreich‐
bar. ‒ ‒
.Wollt ihr „
außen” suchen, so
müßt ihr
der Täuschung verfallen, denn alles, was außer
der Ewigkeitswelt des innersten „
Ich” sich
finden läßt, ist nur ‒ vergängliches „Bild”:
‒
zeitweiliges Erleben, ‒ wie das Erleben
dieses todbegrenzten Erdenlebens...
.Dort,
wo die Seele
bei sich selber ist,
im „
Ich” geeint und von ihm geleitet, wird
erst das „Reich”, das
ewig währt, gefunden.
‒ ‒
.Dort gibt es
keine Täuschung mehr!
.Dort nur allein ist „Ewigkeit”
Besitz! ‒
.Euer „
Ich” allein ist dieses „Reiches”
unbeschränkter Besitzer! ‒ ‒ ‒
.Unendlich an Zahl sind die „Könige”
dieses Reiches, und
jeder, dem es „König‐
reich” geworden, ist in sich
vereint mit al‐
len anderen die hier wohlberechtigt ihre
Krone tragen, ist der
Eine, in dem
Alle
herrschen...
.Nicht nebeneinander, sondern
mit‐
einander,
in-
einander leben alle, die hier
ewig leben!
.So, wie ihr auf Erden von einem Menschen
sagt, er „lebe” sein Leben, wenn er es, gut
oder ungut, tätig genießt, ‒ so ist denn auch
hier alles „leben” ein
Tun, und „Leben”
nicht nur Bezeichnung eines
Seins-
Zu‐
standes. ‒ ‒
.Hier ist „
Leben”: ‒ das „
Licht”, aus
dem der Geistige
leuchtet, ‒ aus dem er
„
lebt”! ‒ ‒ ‒
.Ihr selbst seid „
eingewoben” der ewi‐
gen Welt der Geister, und euch durchflutet
aller ewigen Geister „
Leben”, ohne daß ihr
darum wißt! ‒ ‒ ‒
.Ihr fühlt euch noch in eurem „
Ich”, ‒
als das ihr vorerst nur
im „
Hirnreflex”
euch
spiegelhaft empfindet, ‒ als unver‐
bundenes „
Einzelsein”. ‒
.„
Lebendiges” jedoch ist stets
vereint
mit
allem Leben!
.Es gibt auf Erden nichts, und
nichts
im ganzen All, und
nichts im Geiste, was
sein „
Leben” hätte, was
zu „
leben” fähig
wäre, ‒ nur für sich
allein! ‒ ‒
.Ein
jedes „
Einzelsein” ist letzten En‐
des wahrhaft
alles Sein! ‒ ‒
.Auch wenn es
nicht erkenntnisfähig ist,
darum zu wissen! ‒
.„
Er-
lösung”
kann ein
Einzel-
Sein nur
finden, wenn es im
All-
Sein sich erlebt,
er‐
löst von allem
anderen „Einzel-Sein”.
.„
Er-
lösung” wird euch darum
nur, wenn
ihr in eurem „
Ich”; ‒ im „
Ich” das
ewig
euch erhalten bleiben soll, ‒ empfinden
lernt, daß
alles „Ich” sich nur in diesem,
eurem „Ich” euch gibt, ‒ euch ewiglich
sich
selbst ergibt: ‒ sich selbst
vereint!
.In euch: ‒ im „
Ich” der
Ewigkeit, ‒
ist alles „
Leben”, und in diesem
Leben
findet ihr
allein die wahrhaft „
Ewigen”:
‒ die
ewig Lebenden! ‒ ‒ ‒
.Längst
hättet ihr sie schon
gefunden,
wenn ihr nicht immer, eigensinnig und be‐
tört,
nur dort nach ihnen suchen würdet,
wo sie
nimmermehr zu finden sind!
.Umsonst sucht ihr euch einzudrängen
in die
unsichtbaren Reiche dieser
Außen‐
welt! ‒
.Noch eher könnte einer derer, die im
Ewigen leben, euch in der
Sichtbarkeit,
bei hellem Sonnenlicht, „erscheinen”, als
daß er euch im
unsichtbaren Physischen
begegnen könnte...
.In
das, was
in euch selber „ewig” ist,
müßt ihr euch zu versenken wissen, wollt
ihr
denen euch bewußt vereinen, die be‐
reits
im ewigen Leben sind! ‒ ‒ ‒
.Nur wenige Menschen des „Westens”
ahnen
die Wahrheit, wenn sie von
den
„
weisen Männern des Ostens” hören, von
denen alte Überlieferung in stillen Kreisen
edler Wahrheitssucher spricht, ‒ und unter
denen, die hier dunkel
ahnen um was es sich
handelt, sind wieder
nur Allzuwenige, die
sich
törichter Vorstellungen enthalten
können, sobald sie ihrer „Ahnung”
bild‐
hafte Gestalt zu geben suchen. ‒ ‒
.Im Osten, im Herzen Asiens, wurde das
Messer des Gedankens am schärfsten ge‐
schliffen.
.Hier aber waren auch schon vor Jahr‐
tausenden die Großen, die
über allem Den‐
ken
den klaren Weg zur Wahrheit fan‐
den, der Wahrheit, die nichts anderes als
absolute Wirklichkeit ist, und nichts zu
tun hat mit gedanklichen Erkenntnisbildern,
in denen man gemeinhin das, was man „die
Wahrheit”
nennt, zu haben glaubt.
.Unter hoher Leitung fanden jene er‐
sten der „
Brüder auf Erden” Weg und
Ziel...
.Seitdem unterweisen sie und ihre Nach‐
folger die Suchenden, die dazu „
reif” be‐
funden werden,
im Geiste durch den
Geist.
.Sie haben „
den heiligen Schutzwall
des Schweigens” um ihre Vereinung ge‐
zogen, und
nur der findet „Zutritt” zu ihnen,
den sie im Geiste als „
reif” erkennen,
ein
Erkennender im Geiste zu werden.
.Sie wissen, daß ihre Gabe denen nur von
Nutzen ist, die das Ende ihrer Mühen auf
dem „Pfade” nahe vor sich haben. ‒
.Allen aber senden sie aus ihrer Mitte
helfende Lehrer, und sie sandten sie zu
aller Zeit...
.Im Westen wie im Osten fanden sich stets
solche „wirkende Brüder”.
.An keinem äußeren Zeichen sind die
Glieder der hohen Vereinung erkennbar.
.Sie allein nur erkennen, wer zu ihnen
gehört. ‒
.Ihr geistiges Wesen ist tief verborgen vor
den Augen der Menschen.
.Keiner der hier Gemeinten wird jemals
versuchen,
eine Gemeinde um sich zu
scharen.
.Keiner hat jemals solche Gemeinden be‐
gründet oder „gestiftet”!
.Was als „Gemeinde” in der Welt entstand
und sich auf die Stimme der „Brüder auf
Erden” oder gar ihrer hohen „Väter” im
Lichte berufen hat, war immer nur
das Werk
noch ungereifter Seelen, die durch
zu
früh entfaltete innere Sinne fähig wurden,
einiges aus dem Kreise des innersten „Ostens”
zu vernehmen, wie Lauscher, die an
Schlüssellöchern horchen, und ohne daß
ihnen die Kräfte gegeben waren, auch das
Erlauschte nun in rechter Art
zu deuten. ‒
.Sehr selten nur trat einer der Brüder
persönlich und mit klarem Bekenntnis seiner
Artung vor seine Mitmenschen im Getriebe
äußerer Welt, und für jeden der es tat, wurde
dieser Schritt zu einem bitteren Opfer..
.Wo solche Opfer nicht
unbedingt von‐
nöten sind, sollen sie vermieden werden.
.Daher die Verborgenheit, aus der heraus
die „weisen Männer des Ostens” wirken. ‒ ‒
.Daher die Verschwiegenheit in die sich
jedes Glied dieses Kreises hüllt, solange seine
Aufgabe ihm nicht
den Zwang auferlegt, sei
es in symbolischer Umschreibung, sei es in
deutlicheren Worten, seine geistige Art
zu
bekennen, die auch wahrlich
nicht leicht
sich bekennen läßt...
.Die hohe Gemeinschaft der Leuchten‐
den, von der uralte Tradition ehrfürchtiger
Wahrheitssucher als den „weisen Männern
des Ostens” spricht, ist allein durch
geisti‐
ges Gesetz gebunden.
.Ihre Glieder kennen keine Gelübde der
Askese und keine „Ordens”-Schwüre.
.Die Entfaltung der geistigen Kräfte hängt
nicht von solchen Dingen ab.
.Was aber durch das „Gesetz”
verlangt
wird, dem diese Kräfte gehorchen, das ist
weit mehr als härteste Askese und das
strengste Büßerleben...
.Es müssen viele Vorstellungen aufgege‐
ben werden, die zwar auf an sich richtigen
Prämissen beruhen, aber nur die
niederen
Kräfte am Menschen berühren, wenn man
wissen will, was ein „Eingeweihter” dieser
Vereinung in Wahrheit ist. ‒
.Jeder aber,
der es ist, wird euch erken‐
nen,
unbeirrt durch eure irrtümlichen Vor‐
stellungen.
.Sein „Lehren” tönt auch nicht eurem
äußeren Ohr, ‒ selbst wenn ihr ihn „per‐
sönlich” kennen solltet. ‒
.Die Mitteilungen, die ein Geistgeeinter
etwa in der Sprache seines Landes gibt, ma‐
chen nicht sein „Lehren” aus...
.Sie sollen euch nur „Fingerzeige” sein,
damit ihr ihn, oder was seiner Art ist, wieder‐
findet
in euch selbst: ‒
in eurem Inner‐
sten.
.Auch seine äußeren Worte aber wollen
empfunden, nicht „erklärt”, nicht gedank‐
lich zerfasert werden!
.Wenn ihr jedoch zu seinen „Jüngern”
werden könnt, dann wird er
in eurem eige‐
nen Herzen zu euch „reden”...
.Er wird aber
niemals eure Sinne durch
die Reize schwüler Ekstase zu umnebeln su‐
chen, ‒ sondern
neben euren
irdischen
Sinnen wird er neue,
geistige Sinne in euch
eröffnen.
.Ihr werdet zuerst sein „Lehren” verneh‐
men, ohne zu wissen, ob es der Freund und
Führer eurer Seele ist, oder ob ihr selbst das
seid, was in euch „spricht”. ‒ ‒
.Ein gewisses, reines, neues Fühlen jedoch,
das sein „Lehren” begleitet, wird euch aber
in Bälde sagen, daß mit „geweihter” Stimme
in euch „gesprochen” wird: ‒
durch un‐
mittelbares Erzeugen innerer Klarheit,
‒
ohne Worte der Sprache des Mundes. ‒
‒ ‒
.Dieses,
oft ganz unvermutete,
ganz
unerwartete Empfangen eines klaren inne‐
ren Erhellens geistiger Dinge, ‒ das so sehr
alles überstrahlt, was logisches
Denken
sonst gewohntermaßen uns an „Klarheit”
bringt, ‒ mag euch immer ein sicheres Zei‐
chen sein, daß echtes geistiges „Lehren” sich
in euch bezeugt...
.Geistiges „
Lehren” ist kein „Überzeu‐
genwollen”, sondern
ein unmittelbares
Aufhellen dessen, was vorher im Dunkel
lag. ‒ ‒ ‒
.Ein Menschenbruder „spricht” so in euch,
der
nicht mehr die Schallwellen der
Luft dem Ohre des Leibes senden muß,
wenn er empfängliche offene Herzen, die ihm
vertrauen, „lehrend” erreichen will...
.Vielleicht werdet ihr im Anfang noch
nicht alles „
verstehen” können, was auf
diese Weise sich in euch ereignet, denn man
kann sehr wohl etwas in absoluter Klarheit
erkennen, ohne imstande zu sein, das Er‐
kannte vor sich selbst
gedanklich aufzu‐
lösen. ‒
.Bleibet
ruhig in solchem Falle und „zer‐
grübelt” euch das Klare nicht!
.Lernet vor allem die Stimme, die in euch
„spricht”
unterscheiden von den falschen
„Stimmen” eurer aufgeregten Phantasie! ‒
.Bleibet nüchtern und still, als ob es gel‐
ten würde,
Längstgewohntes in euch zu
beobachten!
.Die Stimme des „Lehrenden” ist im Be‐
ginn der „Führung” so leise, wie ein ganz
zarter Gedanke, ein kaum wahrnehmbares
Fühlen.
.Aber der Führer im Geiste spricht kein
„Wort” in seiner geistigen „Sprache”, von dem
nicht ein sehr präzise unterscheidbares „
Ge‐
fühl”
der Gewißheit ausginge, das schwer
beschreibbar ist, aber mit aller Sicherheit
von jedem sofort erkannt wird, der es auch
nur ein einzigesmal erlebte...
.Kein eigener „Gedanke”, und sei er noch
so hoher Art, kann jemals dieses „Fühlen”
erzeugen, das
der Geist erzeugt,
in dem und
durch den der
geistig Lehrende wirkt...
.Je mehr die
Sicherheit wächst, mit der
ihr seine „Stimme”
unterscheiden lernt
von allem was
nicht seines Wesens ist, desto
klarer wird sie in euch „sprechen” können.
.Dann wird eines Tages „
die große Stun‐
de” kommen, in der
auch euer letzter,
leiser Zweifel euch
verlassen haben wird!
.Werdet aber nicht ungeduldig, wenn ihr
nicht gleich das erste der Ziele in euch er‐
reichen könnt!
.Ihr wißt nicht, ob ihr schon „
reif” genug
wurdet, um die „Lehre” mit Nutzen zu emp‐
fangen, und hier trägt
der „
Lehrende”
al‐
lein Verantwortung für alles was er gibt...
.Manchem wird die Gewißheit
eher, man‐
chem
später kommen, jedoch sie kommt
ge‐
wiß, wenn ihr in Ruhe euch dem geistig
„Lehrenden” vertraut!
.Vergeßt auch nicht, daß wahre „Weisheit”:
‒
Wirklichkeitserkenntnis ist, und daß
sich der wahren Weisheit Lehrer nur der
Wirklichkeit bedienen, wenn sie lehren, ‒
der Wirklichkeit, die
nicht etwa
das Kom‐
plizierteste im Sein, sondern an sich
das
Allereinfachste ist! ‒ ‒ ‒
.Es gibt
Gedankenkräfte, die stets zu
täuschen suchen, da sie selber nur aus Täu‐
schung
leben...
.Der
geistig Lehrende ist
ferne ihren
Regionen!
.Nie wird er auch von Anderem euch zeu‐
gen, als von Dingen des
Geistes, Dingen
der
Seele, Dingen der
Ewigkeit...
.Ihr werdet durch ihn erkennen,
wer ihr
seid, und was der Mensch „an sich”, ‒
in
Wirklichkeit, ‒ im Kosmos bedeutet!
.Ihr werdet, wenn ihr dem
vertraut, der
euch in euch „belehrt”,
sicher werden wie
er
selber sicher ist!
.Seine
eigene Sicherheit wird er, der
Sichere, euch überlassen. ‒ ‒ ‒
.Ihr sollt aber niemals innerliche
Fragen
stellen,
bevor „
die große Stunde der Ge‐
wißheit” kam.
.Tut ihr es dennoch, so werdet ihr sicher
jenen
täuschenden Gedankenkräften er‐
liegen. ‒ ‒
.Macht euch auch keine Vorstellung von
der Gestalt und Art des Menschen, in der
euer geistiger Lehrer hier auf Erden leben
mag, und wenn ihr einen Menschen
kennt,
von dem ihr
wißt: ‒ er ist ein Geistgeeinter,
so hütet euch, nun allsogleich zu glauben,
es müsse nur
dieser, euch
bekannte Geist‐
geeinte, nun auch
euer geistiger Lehrer sein!
‒ ‒
.Ihr braucht nicht zu wissen,
wer aus dem
Kreis der
Leuchtenden des Urlichts euch
geistig lehrt, und die es
wissen, werden es
euch nicht sagen...
.Gebietet eurer
Phantasie, damit sie euch
nicht bei wachen Augen am
Gängelbande
irrer Träume führe! ‒ ‒
.Das außenmenschliche Leben des geistig
Lehrenden ist seine
eigene Angelegenheit,
und er will nicht, daß man
den Geist in
dem er wirkt, mit
seiner erdenhaften Er‐
scheinung verwechsle. ‒
.Er will nicht, daß seine „Schüler” der
„
Persönlichkeit” Verehrung zollen, die
nur
der Geisteskraft gebührt, aus der sie
wirkt. ‒ ‒
.Er „lehrt” allein die „
Weisheit”, die
man „
Wahrheit” nennt, und die
in Wirk‐
lichkeiten sich dem „Schüler” offenbart...
.Er „lehrt” sie nur
im Geiste, ‒ durch
die
Kraft des Geistes.
.Dabei ist jedem, der auf solche Weise
lehren darf, zugleich bewußt und nur zu
sehr empfindbar, daß allein
die Unvoll‐
kommenheit der Darstellung des Ewig‐
Wirklichen
als Werk des Erdenmenschen
sich erweist, ‒ und jeder Leuchtende im Ur‐
licht wird die Ehrung, die man etwa
seiner
irdischen Persönlichkeit entgegenbringen
mag, alsbald „verbrennen” auf dem ewigen
Altar, dem er als einer der berufenen Prie‐
ster dient. ‒ ‒
.Einfach wie der Urgrund sind die letz‐
ten Geheimnisse der
Natur.
.Trenne nicht durch die Willkür deiner
Gedanken, was
aus der gleichen Wurzel
keimt, und du wirst
allenthalben die
glei‐
chen Gesetze finden...
.Man lehrte dich aber eine
zweite Welt
erbauen, eine Welt ohne Grund und Ursache,
und dieses Erbauen des
Nichtseienden
aus dem
Nichts nannten deine Lehrer: ‒
„
Glauben”. ‒ ‒
.Nicht von
dieser Art „Glauben” soll hier
die Rede sein, wenn ich dir
vom Glauben
spreche! ‒
.Nicht
dieser Glaube ist nötig zur Selig‐
keit deiner Seele! ‒ ‒
.Wir wollen aber dein Empfinden öffnen
für
eine ewige Kraft, die in dir
lebt, und
stetig
in lebendiger Bewegung, stetig
schaffend, deines
Willens Kräfte in ge‐
formte Wirkung faßt. ‒
.Glaube ist
Gestaltungskraft im Geiste!
.Glaube schafft die
Form, durch die das
Wirken deines Willens sich
bestimmt!
.Glaube ist die Wirkungsform des
Willens!
.Du kannst nicht wahrhaft
wollen, ohne
zu
glauben, ‒ denn
ungeformter Wille
ist eine
zerfließende Kraft und wird als
solche ohne Wirkung
vergeudet. ‒ ‒
.Sobald du aber deinem Willen
eine feste
Form durch deinen
Glauben schaffst,
wird er
zur mächtigen Gewalt und wan‐
delt selbst die scheinbar festgefügten Ketten‐
glieder äußeren Geschehens derart um, daß
sie wie Wachs sich
ändern nach deiner
Glaubensform...
.Deine Seele schmachtet, solange du
nicht glauben kannst, und sie wird dich
selbst zum
Aberglauben verführen in ihrer
Not! ‒ ‒
.Deiner Seele „
Leben” ist
Wille, und
aller Wille will seine feste Form gewin‐
nen, in der er zur
Wirkung kommen kann.
‒ ‒
.Wenn du erst
fühlen wirst, was „Glaube”
wirklich ist, dann wirst du wahrlich glau‐
ben
können...
.Dein Glaube ist das Modell, nach dem das
flüssige Erz deines Schicksals sich formt. ‒
.Dein Glaube braucht absolute
Freiheit!
.Du selbst allein bist deines Glaubens
Norm! ‒ ‒ ‒
.Dir zum Bilde formt dein
Glaube dei‐
nen
Gott, wie er deine
Götter formte...
.Ungeformt ist Göttliches in seinem
un‐
ergründbaren Sein...
.Geformt nur wird es dir
ergründbar.
‒ ‒
.Dir
offenbart es sich
in dir nur in
deiner Form!
.Darum kannst du
deinen Gott nicht
deinem Bruder zeigen, denn
er kann
dei‐
nen Gott
in Ewigkeit nicht schauen...
.Er sieht die
gleiche Gottheit, aber ge‐
formt nach
seinem Bilde...
.Du glaubst noch, deinen Bruder zu
dei‐
nem Gott
ver-
führen zu können, aber wenn
er sich verführen
läßt, wird er „
ein Bild”
anbeten und
seinem Gotte entfremdet
werden. ‒ ‒ ‒
.Unendlichfältig offenbart sich der
Eine, und wehe denen, die Ihm auch nur
eine einzige
Seiner Formen streitig machen
wollen!
.Im gleichen Augenblick, in dem du
dei‐
nes Gottes inneres Bild einem anderen
Menschen schamlos
enthüllst, hast
du dei‐
nen Gott
verloren! ‒
.Glaube
nicht, daß unter allen Tausenden,
die sich um
einen von ihnen allen hochge‐
lobten
Gottesnamen scharen, auch nur
zwei wahrhaft Gläubige sind, die in diesem
Namen
Gleiches glauben! ‒ ‒
.Der Glaube selbst aber kann sich eines
jeden Gottes- oder Teufels- Namens be‐
dienen...
.Die formende Kraft des Glaubens,
die deinen
Willen bestimmt, ist die allei‐
nige Ursache aller „
magischen”
Wirkung.
.„
Weiße” und „
schwarze” Magie grün‐
den
in der gleichen Kraft!
.Wie die Weltkraft, die der Blitz dir
kündet, dem Menschen dienstbar wird, sobald
er sie
in Form zu bannen weiß, ‒ wie sie
sich binden läßt und aufbewahren in Metallen
und Gefäßen, ‒ so läßt sich auch die Kraft
des
Willens, der durch den Glauben seine
Formung fand,
in Gebilde der Materie
binden...
.In allen Kulten und bei allen Völkern
findest du den Glauben an „geweihte” Dinge,
denen hohe Kräfte eigen seien.
.Du
spottest dieses Glaubens und nennst
ihn „
Aberglauben”.
.Wenn du nur die
Fabeln damit treffen
willst, die sich um solche Dinge wie ein wu‐
cherndes Geranke schlingen,
dann bist du
wohl
im Recht, ‒ doch hüte dich, die
Wirk‐
lichkeit, die hier verhüllt ist, zu mißachten!
‒ ‒ ‒
.Ein jeder Gegenstand, den du mit
deinem, durch den Glauben klar geformten
Willen selbst „
geladen” hast, ist ein „
Ta‐
lisman”, und solcher „Talismane”
Wir‐
kung hast du
oft genug erfahren, auch
wenn dir niemals zu Bewußtsein kam, was
Ursache der Wirkung war, und du im Traum
nicht daran dachtest,
daß du dich selbst
mit „
Talismanen”
rings umgeben hast...
.Der Gegenstand ist freilich nur der
Träger und
Bewahrer einer
an sich freien,
‒ nun
in ihn gebannten Kraft. ‒ ‒ ‒
.Ihm eignet sie nicht selbst!
.Dein
Glaube formte deine
Willenskraft
und lenkte sie, meist
ohne dein Verstandes‐
wissen, hin auf jenen „
Träger”, der sie nun
bewahrt, bis sie sich ausgegeben hat. ‒ ‒ ‒
.Dein
neuer Glaube aber „lädt”
erneut
den „Talisman”, auch wenn du ihn als sol‐
chen
nicht betrachtest...
.Ein jedes Ding, das du gebrauchst, damit
dir dies und das
gelinge, obwohl das Ding
zu deinem Tun
nicht unbedingt vonnöten
wäre, ‒ ist
ein „
Talisman”, auch wenn du,
„aufgeklärt” des „
Aberglaubens” spottest,
hörst du von Menschen, die dergleichen Dinge
vollbewußt und steter Wirkung
sicher, zu
gebrauchen pflegen. ‒ ‒
.Du ‒ bist nur
unbedacht, ‒ doch Jene
„
wissen”!
.Ein Gleiches sind die
Götterbilder!
.Der
Fetisch in der Hütte eines Wilden,
wie das hohe
Kultbild der Athena. ‒
.Das Bild des Heiligen im hohen Dom,
wie auch das „
Gnadenbild” der alten Klo‐
sterkirche. ‒
.Sie alle sind „
Träger” konzentrierter
Willenskräfte von gar
vielen Menschen,
die
durch den Glauben ihren Willen
formten und
in das Bildwerk einzusen‐
ken wußten, ‒ ja auch
in arme materielle
Überreste, die in Wahrheit, oder nur ver‐
meint, von einem „heiligen” Menschen stam‐
men. ‒ ‒ ‒
.Der
Glaube derer, die vor diesen Din‐
gen
beten, ist es wieder, der die hier gebun‐
denen Kräfte „
löst”. ‒
.Darum kann
keiner diese Kräfte
lösen,
der
nicht an sie
glaubt, ‒ denn nur der
Glaube schafft die hohe
Spannung dei‐
ner Willensströme, die jene gehäuften, und
im Glauben klar
geformten Willenskräfte
zwingt, in
deinen Willen einzuströmen und
mit ihm vereint,
nach deinem Wunsch zu
wirken. ‒ ‒ ‒
.Wir aber wollen nun dich nicht etwa ver‐
führen, die „Talismane” aller Kulte zu ge‐
brauchen.
.Wir wollen dir nicht etwa nahelegen, daß
du die hohe Kraft der Götter- oder „Gnaden‐
bilder” an dir selbst erproben sollst, ‒ ob‐
wohl du diese Dinge
frei erhalten mußt von
deinem
Spott, wenn du in Wahrheit
das
Gesetz erkennen willst, dem sie Verehrung
danken. ‒
.Dieses „
Gesetz” allein sollst du erken‐
nen, und was es dir an Möglichkeiten bietet,
sollst du
deinem Leben
dienstbar machen
lernen. ‒ ‒
.Du bist
nicht jederzeit in
gleicher
Willenskraft, ‒ doch, wenn du in den Zeiten
deiner Stärke dir
Bewahrer deiner Kräfte
schaffst, dann wirst du in der Zeit der
Schwäche wahre „
Wunder” an dir selbst
erleben...
.Ein jedes Ding, das du
zu gebrauchen
liebst, oder das dich Tag für Tag
umgibt
kann dir zum
Träger und
Verstärker
deiner
Willenskräfte werden, und du ver‐
magst es dann, in Stunden, die dich
nicht
auf deiner Höhe finden,
die Kräfte „
auszu‐
lösen” aus dem selbstgeschaffenen Bewahrer,
die du zu solchen Stunden
brauchst...
.Vorzüglich aber eignen sich
die Dinge
hoher Schönheit als Bewahrer!
.Was schon
sein eigenes Dasein hoher
Formkraft dankt, wird dir am besten
ei‐
gene geformte Kraft in sich
erhalten. ‒ ‒
.Umgib dich mit
solchen Dingen, die
du täglich neu in hohen Stunden füllen und
erfüllen
magst mit jener Art geformter Wil‐
lenskraft, die dir
vonnöten ist in Stunden
deiner Schwäche!
.Trage solche Dinge immer
bei dir, wo‐
hin du dich auch begibst! ‒
.Glaube, daß du
deine beste Kraft
diesen Dingen
übertragen kannst, und
daß du sie wieder von ihnen zurückerlangst,
sobald du sie benötigst!
.Wahrlich, ‒
solcher Glaube ist
kein
„
Überglaube”!
.Du ahnst noch nicht, wie „
wirklich”
deine Willenskräfte sind, und
welche
Macht du in den Händen hast, wenn du den
Willen durch den Glauben „
formen”
lerntest! ‒ ‒
.Zerstöre aber deinen Glauben nicht durch
eitle Reflexionen: ‒
wie dergleichen „psy‐
chologisch zu erklären” sei?! ‒ ‒
.Wenn einer dir von „
Autosuggestion”
hier reden mag, so
lass'
dich nicht betören!
.Mit solchen Worten ist hier
nichts „er‐
klärt”!
.Man setzt da nur ein neues
Wort, und
kann die
Wirkung, die auf hohen
Kräften
ruht,
damit gewiß nicht fassen. ‒ ‒
.Natur wirkt
ihrer Art gemäß und wartet
nicht, ob du ihr Wirken auch „
erklären”
kannst! ‒ ‒ ‒
.Wie
wir die Dinge sehen, erfährst du in
diesen, meinen Worten.
.Ob wir
die Wahrheit reden, kannst du
nur erfahren, wenn
du selbst die
Probe
unternehmen willst. ‒ ‒ ‒
.Wisse,
o Suchender, daß für ein jedes
Zeitalter
andere „magische” Kräfte notwen‐
dig sind, und lasse dich nicht beirren, wenn
du nicht zu jeder Zeit die
gleichen, wunder‐
samen Kräftewirkungen gewahrst!
.Die hier zu „
ordnen” haben, was zu ord‐
nen ist, lenken den „Strom” jeweils in
jene
Kanäle, die das Land dort, wo es
am dürr‐
sten ist, befruchten...
.In
diesen Tagen sollst du daher
keine
andere „magische” Wirkung erwarten, als
die „Magie” des
Wortes. ‒ ‒ ‒
.Das
Wort, im „magischen” Sinne aufge‐
faßt, ist aber die
höchste der „magischen”
Kräfte...
.Es werden Zeiten kommen, da man, ‒
durch die Kraft des
Wortes allein, ‒ Dinge
verrichten wird, die an „Wunder” grenzen...
.Ja: ‒ „
Wunder”
wird man im Worte
wirken! ‒ ‒ ‒
.„Wunder”,
viel wunderbarer als alles,
was die alten Zeiten „Wunder”
nannten!
.Es werden Tage erscheinen, an denen man
Werke
durch das Wort zu wirken wissen
wird, zu deren Gestaltung heute noch tausend
Hände und gewaltige Maschinen nötig sind...
.Noch sind die Menschen
ferne diesen
kommenden Gezeiten. ‒
.Noch weiß man das
Wort nicht
zu „
spre‐
chen”! ‒ ‒ ‒
.Dennoch regt sich auch in dieser dunklen
Zeit bereits das Wort, denn des Menschen
Bahn ist an der Schwelle eines jener „lichten
Höfe” angelangt, die auch in tiefster Nacht
zuzeiten Hoffnung geben...
.Sieh um dich, und wohin du auch blickst,
wirst du die magische Kraft des
Wortes in
ihren Vorboten, ‒ in ihren
Zerrbildern
sogar, ‒ erblicken!
.Es zeigt sich so dem Menschen, daß das
Wort denn doch noch
anderes vermag, als
nur Verständigung von Hirn zu Hirn zu brin‐
gen. ‒
.Wenn du weise bist, dann
achtest du
auf solche Zeichen!
.Achte auf das Wort! ‒ ‒ ‒
.Man lehrte dich lange schon das Wort
verachten.
.Nur den
Sinn solltest du zu ergründen
suchen.
.So hat man dich daran gewöhnt, vor allem
„
verstehen” zu wollen, ‒ du aber hast die
kostbarste Gabe des Herzens: ‒ deinen ein‐
zigen „okkulten”
geistigen „Sinn”, ‒ das
Fühlenkönnen der Dinge dabei verloren...
.Wenn du diesen „okkulten” Geistes-Sinn
wiedererlangen möchtest, dann bereite
dich, Worte nicht nur ihrem „Inhalt” nach
zu
verstehen, sondern suche Worte, Wort‐
klang und Formung stets zu
erfühlen! ‒ ‒
.Siehe,
es ist
Gesetz, und nicht Willkür,
was Worte zu magischen Kräften werden
läßt, ‒ was
höchste „
magische”
Kraft
in die Form des
Wortes, in die
Elemente
der Worte band, so daß es Worte: ‒
Worte
menschlicher Sprachen, ‒ gibt, die
ei‐
nen Berg ins Wanken bringen könnten,
würde die in ihnen gebundene Kraft
be‐
freit...
.Es gibt Worte, denen dein „Verstehen”
machtlos gegenübertritt, und dennoch
sprichst du sie nicht aus, ohne daß sie „ma‐
gisch”
deine Seele formen, obwohl du sie
keineswegs zu „sprechen” weißt in
jener
Weise, in der sie
alle ihre Kraft aus sich
befreit sehen würden...
.Ich könnte dir wundersame Dinge von
solchen Worten sagen, aber du würdest mir
unmöglich
glauben können.
.Gläubig wirst du hier nur durch
Er‐
fahrung werden! ‒
.Bedenke, mein Freund: ‒
Alles im
Kosmos hat seinen Rhythmus und seine
Zahl! ‒ ‒
.Auf
Zahl und
Rhythmus gründet sich
alle „Magie”! ‒
.Wer diese beiden
finden kann, der hat
selbst den „Schlüssel”, der diese Pforte
öffnet...
.Für
ihn schreibe ich
nicht.
.Es ist aber auch keine Gefahr vorhanden,
daß ein solcher diese Worte zu Gesicht be‐
kommen würde.
.Zu wenige sind es, die den „Schlüssel”
fanden, und diese Wenigen lesen nur
ein
einziges,
ewiges Buch, dessen „Worte”:
Leben, dessen „Sätze”:
Geschehen sind.
‒ ‒ ‒
.Ich kann dir auch niemals
Rhythmus
und
Zahl des Kosmos „
erklären”.
.Ich will dich nur lehren, des
Wortes zu
achten, damit du
im Worte finden mögest,
was du zu dieser Zeit
vergeblich in
anderer
Form zu finden trachten würdest.
.Achte genugsam auf das
Wort, und du
wirst in Bälde
Wahres von
Falschem unter‐
scheiden, soweit es
die Dinge des Geistes
betrifft.
.Alle geistige Weisheit schreitet dir ent‐
gegen
im Rhythmus der Ewigkeit.
.Alle letzten Dinge tragen
kosmische
Zahlen an der Stirnbinde, wenn sie im Ge‐
wande des
Wortes erscheinen. ‒ ‒ ‒
.Die da vermeinen, daß der „
Sinn” eines
„heiligen” Buches, ‒ eines Buches, das ein
„
Wissender” schrieb, ‒ dir schon sein
Letztes,
Tiefstes und
Un-
erhörtestes
enthülle, ‒ ‒ sie irren
sehr...
.Mag dir der „
Sinn” auch Tiefen des
ewigen Grundes erhellen, ‒ die
letzten
Dinge, und
ihr verborgenstes Geheimnis
mußt du aus der
Art, der
Form, dem
Klang,
der
Geltung der
Worte „erfühlen”...
.Glaube nicht, daß es jemals auch nur
einem, der „Rhythmus und Zahl” beherrsch‐
te,
gleichgültig war, auf welche Weise er
das Wort zu Worten stellte! ‒ ‒ ‒
.Dichter mögen allein nach
Schönheit
streben, ‒
Seher geben den Worten
ewigen
Klang! ‒ ‒ ‒
.Der „
Seher” ist
auch dann noch zu
erkennen, wenn er
Dichter ist, und in dem
Dichter kann der „
Seher” nicht verborgen
bleiben, ist er hinter Dichtungsworten im
Versteck. ‒ ‒ ‒
.Wenn du nun Worte
erfühlen lernen
willst, dann kann dir
jedes Wort deiner
Sprache zum Lehrer werden...
.Suche aber nicht nach „
Bedeutung”,
wenn du diesen Weg beschreiten willst!
.„Bedeutung”
läßt sich nicht lange ver‐
hüllen, ‒ sie
will sich dir zeigen. ‒ ‒
.„
Höre” in dir die Worte, von denen du
lernen willst!
.Du
wirst alsbald sie „hören”, als ob sie
ein Anderer spräche, und das soll dir das
erste Zeichen sein, daß du auf sicherem Wege
bist, ‒
das Sprechen der Worte selbst
in dir vernehmen zu lernen, denn das Wort
hat wahrhaftig die Kraft,
sich selbst zu
sprechen...
.Auch
das Wort der Ewigkeit „erklärt”
sich selbst, wenn du es „hören” lerntest,
‒
in dir! ‒ ‒ ‒
.So scharf auch dein
Verstand „ver‐
stehen” kann, ‒ du darfst ihn dennoch nie‐
mals in des
Wortes Rede mischen. ‒
.Du sollst das
Wort der Ewigkeit in dir
lebendig werden lassen, auf daß es so dir
seine letzte Weisheit zeige...
.Doch glaube nicht,
ein Spiel zu treiben,
dessen man sich freut am ersten Tage, und
das man dann gelangweilt unterläßt! ‒ ‒
.Soll dir die Lehre wirklich nützen, dann
mußt du
jeden Tag beharrlich üben, bis der‐
einst
der Tag erscheint, an dem das Wort in
tiefsten Schauern
sich selbst in dir erlebt...
.Dann wirst du erst durch die
Erfahrung
wissen,
was das Wort zu sagen hat! ‒ ‒ ‒
.Dann werden sich dir viele Tore öffnen,
vor denen du jetzt fragend, ohne Einlaß ste‐
hen magst. ‒ ‒
.Dann wirst du manches Buch „verstehen”,
das heute dir noch dunkle Rätsel birgt. ‒ ‒
.Ich sage dir nicht zuviel...
.Gehe zielsicher ans Werk!
.Die
Zeit ist diesem Werke
günstig! ‒ ‒
.Du kannst
vieles erlangen, wenn du ohne
zu fragen
ein weniges wagen willst. ‒ ‒ ‒
.Doch vergiß nicht:
Du treibst kein
müßiges
Spiel!
.Nur deine stete
Beharrlichkeit wird
dich zum
Siege führen! ‒ ‒ ‒
.Es geht eine Sehnsucht durch die Welt,
‒ ein zehrendes Verlangen, ‒ und eine
jede Seele, die nicht gänzlich verhärtet und
des Keimens unfähig geworden ist, fühlt sich
ergriffen.
.In Strömen heißen Menschenblutes ver‐
sank jene müde Skepsis, die ehedem zum
„guten Tone” zu gehören schien.
.Man „darf” wieder an Dinge glauben, die
nicht durch „Experimente” zu erweisen
sind, und wird nicht mehr verlacht, wenn
man zur Einsicht kam, daß Unsichtbares uns
umgibt und auf uns
einwirkt, auch wenn
wir es
noch nicht enträtselt haben...
.Das „Wunder” will wieder Wirklichkeit
werden, und das Reich des Glaubens weitet
seine Grenzen.
.Menschen, die, gleich seelischen Verstei‐
nerungen, regungslos blieben allem Geisti‐
gen gegenüber, wurden unter den dröhnen‐
den Hammerschlägen wutverzerrter Dämo‐
nen zu wahrhaft „Lebendigen”, und die
Masse der träge Schlafenden ist bereits un‐
ruhig geworden. ‒
.Jeder neue Tag darf ihr seelisches Er‐
wachen näher glauben...
.Die Erwachten aber werden Antwort
heischen von denen, die sie so lange im
Schlafe hielten, und sich verächtlich von
jenen „Führern” wenden, die ihren Fragen
frömmelnd „Grenzen” ziehen wollen, weil
ihre eigene Antwortfähigkeit versagt. ‒ ‒
.Die Menschheit ist bereit geworden, end‐
lich sich
als Teil der Erde zu erkennen...
.Sie mag nicht mehr von Wolkensitzen
ihrer Götter träumen, und es naht der junge
Tag, an dem sie, ‒ wohl zum erstenmale,
‒ den Sinn der Worte in sich selbst emp‐
finden wird, die einst ein Gottmensch zu
ihr sprach:
.„Das Reich der Himmel ist
nahe herbei
gekommen.” ‒ ‒ ‒
.Denen, die sich des Gesalbten „Diener”
nennen, gefiel es jedoch,
eine Mauer auf‐
zurichten, ‒ wie sie meinten: ‒ „zum
Schutze” derer, die nach des hohen Mei‐
sters Wort, das Reich der Himmel
in sich
selber tragen...
.Menschen, die niemals das hier so klar
verheißene „Reich” in sich erlangten, warfen
sich auf Grund geglaubter Zaubervollmacht,
die ihren Machtwahn vor dem eigenen Ge‐
wissen sanktionieren mußte, zu Beherrschern
der Seelen ihrer Mitbrüder auf.
.Sie verbauten ihnen das Tor des Himmels,
wie es in ihnen selbst vermauert war, und
schufen alles, was auf
Wirkliches zielte, be‐
flissen
um, so daß nur
Symbole und
For‐
meln übrigblieben, bei denen sich vom Reich
der Himmel
träumen läßt, ‒ denn sie wuß‐
ten gar wohl, daß man ihrer nicht bedürfe,
um das „Reich” zu
finden.
.Töricht sind alle, die da hoffen, die Mauer
seelischer Einkerkerung würde doch dereinst
dem Ansturm der Seelen
weichen müssen!
.Zu fest ist diese Mauer durch den Mörtel
menschlicher Machtsucht in sich verbunden!
.Zu viele werden auch jederzeit die Mauer
um sich fühlen
wollen, als daß sie jemals
ihnen genommen werden dürfte. ‒ ‒
.Zu lange schon an Sklaverei
gewohnt,
würden sie
untergehen als Freie! ‒
.Wohl werden sich im Laufe der Jahrtau‐
sende
die Formeln und Symbole ändern,
die
vor der Mauer aufgerichtet sind, damit
sie denen, die von ihr umschlossen wohnen,
nicht als
Kerkermauer zu Bewußtsein kom‐
me, ‒ allein,
die Mauer selbst wird
blei‐
ben, solange auf der Erde noch die
Macht‐
begier im Menschen auf die Seelenangst im
Nebenmenschen rechnen kann, ‒ und an
diesem Bollwerk,
fest gefügt aus Drohung
und Versprechen, zerschellt ein jeder, der
es vor der Zeit von innen oder außen her
durchbrechen möchte...
.Aber es
gibt eine Möglichkeit,
ohne
die Mauer zu durchbrechen, ihrem starren
Zwang zu entrinnen...
.Denen, die
dem Erwachen nahe sind,
werden
Flügel wachsen, und sie werden sich
hoch erheben über den Bannkreis der
Mächte, die sie so gerne in Schlaf und Traum
erhalten hätten...
.Wir sehen die Zeit des Erwachens nahe!
.An uns ist es, den Flug der zur Freiheit
Erhobenen
zu lenken, bis er die schnee‐
bedeckten, im Sonnenglanze erstrahlenden
Höhen des „
Himavat”, ‒ des „großen Ge‐
birges”, ‒ erreicht. ‒ ‒ ‒
.Es ist jedoch
viele Hilfe nötig, denn es
wird
ein großes Erwachen kommen.
.Wir wollen, daß auch
kein einziger
der Erhobenen
sich verfliege und endlich
todesmatt in einer Wüste niederfalle...
.Wir selbst aber können nur
den großen
Flug des ganzen Zuges der Befreiten len‐
ken, und die uns helfen wollen, sollen
die
Verflogenen suchen, damit sie nicht, von
trügerischen Zielen geblendet, die
Rich‐
tung des Fluges dauernd verlieren. ‒ ‒
.An alle,
die selbstlos helfen wollen,
ergeht der Ruf!
.Wer uns
in seinem Herzen sich
ver‐
pflichten will, die Irrenden zurückzuleiten,
der kann und darf uns
Helfer sein.
.Es ist jedoch nur
weise,
liebereiche
Hilfe nötig, und keiner kann uns als
Helfer
dienen, der sich den Irrenden
aufdrängt
mit seiner Hilfe. ‒ ‒
.Auf rechte Weise helfen, heißt: dem
Irrenden
voranzufliegen, so daß er
ohne
Überredung, durch sein
eigenes Erkennen,
wieder seine rechte Richtung finde! ‒
.Eure Hilfe mag wenig „
zu sehen” sein,
‒ aber
ein jeder aus euch zahlt
eine
Schuld von Äonen her zurück, wenn auch
nur
eine Seele durch ihn
zum Ziele ge‐
leitet wird. ‒ ‒ ‒
.Ferne aber mögen uns alle bleiben, die
mit Emphase ihre Hilfe anbieten um
sich
selbst dadurch in Wert und Rang vermeint‐
lich
über andere zu erheben!
.Ferne mögen uns auch
alle aufdring‐
lichen Wichtigtuer bleiben!
.Wer hier Helfer sein will, muß frei sein
von jeder Selbstgefälligkeit!
.Er muß seine Hilfe darbieten wo sie von‐
nöten ist, ohne von seiner Hilfeleistung zu
reden...
.Wir wollen weder seinen Namen wissen,
noch von seiner Hilfe hören!
.Im Reiche des Geistes allein soll die
hilfreiche Tat
gewertet werden, und nur im
Geistigen soll man den Helfer „
kennen”!
‒ ‒
Einmal wie tausendmal
schenkt sich der Eine,
der ewig Schenkende,
und bleibt
doch immer
Sich Selber Besitz. ‒
Er ist nicht
teilbar,
der Ewig
Eine!
Wenn Er sich schenken will,
schenkt Er sich
ganz. ‒
So oft Er auch immer
Sich Selbst verschenken mag,
so oft hat Er
restlos
Sich Selber verschenkt
und bleibt
doch
Sein eigen;
denn nicht
nur einmal
besitzt der
Eine,
der ewig Schenkende,
Sich Selbst. ‒ ‒
Unendlichfach
Einer
besitzt Er sich Selber
unendlichfältig. ‒
So wie Er
einig ist
stets in sich Selber,
unendlichfältig
und doch stets
Einer ‒,
so sind wir „Leuchtenden”
in Seinem „Lichte”
alle vereinigt:
als
Vielheit nur
Eins.
Großer Schenkender ‒,
des Lichtes Ursprung ‒,
Du selbst das „Licht”!
Du kennst keine „Sünde”
außer der einen:
Deines Willens,
der allzeit schenken will,
nicht achten.
Du willst nur
offene Hände;
empfangsbereite,
offene Herzen;
Hände,
die freudig nehmen;
Herzen,
die deine Gaben
willig empfangen.
Du gibst dem Einen
und gibst dem Andern
unendlichen Reichtum,
und Keinem mangelt
des
Andern Geschenk.
Wer
Dich erkannte,
Du Großer Schenkender,
der weiß nichts von
Neid.
Mehr als er tragen kann,
hast
Du zu schenken,
und
niemals endet
Dein ewiger Reichtum. ‒
Wer nie
genug hat
an Deinem Geschenke,
der ist Dir am liebsten ‒;
ihm schenkst Du
Dich selbst.
Du kannst ja schenken,
allen schenken,
und niemals
wirst
Du ärmer sein
für
Den,
der Dein Geschenk
verlangt. ‒ ‒ ‒
Ewiger!
Großer Schenkender!
.Vor nunmehr neun Jahren erschien „
Das
Buch vom lebendigen Gott” zum ersten‐
male im Druck und hat sich seit dieser Zeit
zahllose Freunde, die dankbare Schüler sei‐
ner Lehren wurden, in aller Welt erworben.
.Hier liegt nun der
Neudruck vor, be‐
sorgt nach einer
neuen Niederschrift.
.Der
Inhalt der ersten Fassung blieb
unverändert.
.Für vieles aber wurde neue
Form der
Darstellung gewählt, da sich allmählich zeigte,
daß dieses oder jenes Wort der
ersten Fas‐
sung
eine Deutung zuließ, die ihm
ferne‐
bleiben muß.
.Anderes erwies sich mit der Zeit als
all‐
zuknapp umrissen, so daß
die weitere
Ausführung des Aufgezeigten angebracht
erschien, ‒ und endlich wurde
jedes Wort
erneuter Prüfung unterzogen,
um jede
Möglichkeit zu irrigem Verstehen aus‐
zuschließen.
.Der innere Zusammenklang des Gan‐
zen erheischte ferner eine Änderung
der
Reihenfolge der Kapitel, und eine Satz‐
anordnung, die das Wesentliche
einpräg‐
samer für das Auge macht, da ich in allen
meinen Schriften geistig zu dem Leser
„
spreche”, und daher auf typographische
Behelfe sinnen muß, die ihm
den Klang
der Rede innerlich erwecken können. ‒
.Ich danke allen,
die mir zeigten,
was
noch der Verdeutlichung bedürftig war,
denn ‒
anders wird ein Satz empfunden,
kennt man das, was er besagen will
aus
eigener Erfahrung, als wenn das Mitge‐
teilte
nacherlebend vorzustellen ist in
einer Seele, der noch die Erfahrung mangelt.
.Die aber glauben, ihren Scharfsinn auf‐
bieten zu müssen, um in meinen Worten
etwa „
Widersprüche” zu entdecken, mö‐
gen lieber bedenken, daß doch
auch mir
wohl nicht entgangen sein dürfte, was ihnen
als so gewichtiger Fund erscheint. ‒ ‒
.Heilsamer dürfte es für sie sein, das, was
sie als „Widerspruch” empfinden, für sich
selber
aufzulösen, aus der Erwägung her‐
aus, daß ich doch wahrlich meine Gründe
dafür haben mußte, wenn ich zuweilen Worte
stehen ließ, aus denen
scheinbar Widerspre‐
chendes sich leichthin
konstruieren läßt,
solange man noch nicht erfaßt, was man er‐
fassen sollte...
.Ausdrücklich aber sei nun hier auch aus‐
gesprochen, daß ich
die neue Nieder‐
schrift,
die hier gegeben ist, nunmehr der
ersten Fassung dieses Buches
übergeord‐
net sehen will, da diese
neue Fassung sich
zur früheren etwa verhält, wie ein in allen
seinen Teilen ausgebauter Dom zu seinem
Rohbau, dem noch die gemalten Fenster und
die Statuen der Altäre fehlten...
.So wird nun „
Das Buch vom leben‐
digen Gott” in seiner vervollkommneten
Form und neuen Gewandung gewiß auch
allen denen noch
Bereicherung zu bieten
haben, die es
längst schon in seiner
ersten
Fassung
kennen.
.Daß hier ein Buch gegeben wird, wie es
die Welt in diesen Tagen wahrlich
braucht,
bezeugen heute dankbar
viele Tausende,
die durch seinen Inhalt
Kraft und
Hilfe
fanden...
.Segen,
Licht und
Gewißheit wird es
Allen bringen, die es ohne
Vor-Urteil zu
lesen wissen, und
in sich aufzunehmen
willens sind!
.Im Spätherbst 1927.
ENDE
LEBEN
IM
LICHT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASEL 1934
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
Mich selber
zu mir selber
Zu bekennen: ‒
Hier mit mir Lebenden zu sagen,
Daß ich
anders bin als sie: ‒
Zu sagen, daß ich bin
Was ich nun einmal
bin
Seit Ewigkeiten,
Und aus dem
Ewigen zu zeugen
Für des Menschen Ewigkeit, ‒
Vermochte ich erst dann,
Als ich, gedrungen,
Den Widerspruch des
Irdischen
In mir bezwungen.
Nachdem ich harte Jahre
Mit mir selbst gerungen,
Ist endlich Überwindung
Mir gelungen,
Und
mußte mir gelingen,
Sollte ich mein Werk vollenden,
Noch ehe es der Zeit gelang,
Mein Irdisches zu
enden.
*
Ich erhebe nicht „Anspruch”
Zu sein, was ich bin,
Denn ich
bin es!
Unabhängig von
meinem Meinen, ‒
Unabhängig von
anderer Meinung.
Aber das, was ich bin,
Könnte ich nicht sein
Wenn ich nicht allen Geltungsdrang
Des Irdischen an mir
Dem
Ewigen dahingegeben hätte.
Was ich bin, kann keiner sein,
Der noch etwas „sein” will
Vor sich selbst und denen,
Die mit ihm
die Zeit erfahren.
Ver-west sein muß der
Wahn,
Wo der Wahrhaftige, Urewige
Sich selbst im Erdenmenschen
Wesenhaft erfahren lassen soll.
*
„
Bist du der Wiedergekehrte?”
Nein!
Ich bin der Erstmalsgekommene.
Kein Lichtbringender kehrt wieder,
Auch wenn im Irdischen er
Seine Wiederkehr wähnen würde.
Was wiederkehrt wechselnden Welten
Ist einzig das
Urwort,
Das im Urlicht
Aus dem Ursein strahlt.
Das Urwort,
In dem alle „Worte” wesen
Die es ewig aus dem Ewigen
Sich selbst zu „Söhnen” zeugt: ‒
Als „Vater” ewig ihnen
geeint, ‒
Ewiges
Leben zeugend den Gezeugten.
So nur wird es in Irdischen
Die sich vor Ewigkeiten dargeboten,
Erdenhafte Offenbarung, ‒
Faßbar Kommenden und Zeitvereinten.
*
Ich weiß euch nicht zu sagen,
Wann es war, ‒
Und wüßte ich es euch zu künden,
Würde irdischer Begriff versagen,
Dieser Zeitbestimmung
Sich noch zu verbünden.
Ich weiß euch nur zu sagen
Daß im Weltenraum kein Stern ist,
Der zu jener Weltenzeit bestand,
In der sich meine Seele mir,
Dem ewig Leuchtenden, verband,
Mit dem sie heute sich
vereinigt findet,
So, daß
ein Leben, Fühlen und Erfahren
Mich, den Irdischen, und meine Seele
Nun mit mir, dem Ewigkeitsgezeugten,
Unlösbar vereint im Geistigen verbindet.
Nur was an mir
Aus Irdischem entstanden,
Bleibt in der
Erde Bann
Und der Verwesung Banden.
*
Ich bin in mir stets
Einer
Und doch
Zwei, ‒
Und, einsgeworden,
Sind wir Beide
Drei, ‒
Denn jeder ist:
er selbst
Und
der, dem er
geeint,
Und allzugleich auch der,
Der
Beide in sich eint.
Im Irdischen
Kann dort, wo
Einer ist
Nicht auch ein
Zweiter sein, ‒
In jedem Leuchtenden jedoch
Schließt
Einer in sich selbst
Nicht nur den
Anderen,
Sondern in gleicher Weise
Beide in der eigenen
Einheit ein.
*
Ich bin kein „Seher”,
Der an seine „Schauung” glaubt,
Und kein Verzückter,
Dem sein Nervenrausch
Das Urteil raubt.
Ich bin kein Dichter,
Der ‒ zu nichts verpflichtet ‒
Sich eine „Überwelt”
Nach Lust und Kunst errichtet.
Ich bin kein Denker,
Der sich eine Welt erdenkt,
Wie sie sich denkgerecht
Erdachter Meinung schenkt.
Ich stehe immerdar
Im
ewigen Erleben,
Und meine Worte wollen Kunde geben,
Von Wahrheit, die nur Ewig-
Wirkliches ge‐
. staltet: ‒
Und Wahrheit
bleibt,
Wenn auch der Leib erkaltet,
Wenn kein Gedanke mehr das Hirn bewegt,
Das solcher Wahrheit Wissen
Liebend einst gehegt.
*
Wenn ich hier zu euch spreche,
Spricht zu euch
Der
Geistgezeugte,
Und Künder ist ihm hier
Der Erdgebeugte,
In dem die Seele sich
Allhier gefunden,
Die sich vor Ewigkeiten
Mir im Geist verbunden.
Doch sind nun ewiger
Und erdenhafter Offenbarer
Hier nicht mehr zu trennen,
Wo sich in gleichem
Liebenden Erkennen
Urirdisches der
Seele,
Und die Seele
Göttlichem vereint,
Und Beides
ewigliche Einheit meint.
So, wie seit aller
Ewigkeit
Der Geistgezeugte,
So bin ich heute in der
Zeit,
Der Erdgebeugte.
*
Ich bin nicht „Weg” euch, wie der Strom,
Der aus den Bergen drängt
Und Weg wird allen Schiffen,
Die das Meer erreichen wollen!
Ich ward euch Weg
Aus
Erde und aus
Stein, ‒
Doch
denen nur erkennbar,
Die aus sich allein
In sich, zu ihrer Zeit,
Als Weg mich finden sollen.
So ist mir selber
Keine Wahl gelassen: ‒
Ich kann nur Weiser ihrer Schritte
Werden,
jenen Suchenden
Die in sich selber mich
Als
ihren Weg
erkennen,
Und lichtbereiten Herzens
Meine Worte
fassen.
*
Soll ich euch „Weg” sein,
Muß ich seelisches Erleben
Urtief in eurem Innersten
Bewegen, und zu Ewigem erheben.
Soll ich euch „Weg” sein,
Müßt ihr selbst euch
An mir „finden” lernen,
Und dürft euch
Von euch selber
Dennoch nicht entfernen.
Soll ich euch „Weg” sein,
Müßt ihr
selber „gehen”,
Wie ich euch gehen
lehren muß,
Will ich im Licht euch sehen.
Soll ich euch „Weg” sein,
Muß ich euch indessen
Von Herzen bitten,
Niemals zu vergessen: ‒
Daß es so töricht wäre,
Wie im Maß ver-messen,
Wenn ihr erwarten wolltet,
Hier schon zu erleben,
Was nur dem Leuchtenden
Im Licht gegeben,
Um alle, die sein Wort erreicht,
Erneut zum Ewigen
An sich emporzuheben!
*
Nicht um im Wahn euch zu erhalten,
Als könne Worte-Wissen
Sein gestalten, ‒
Nicht um Bekenntnistafeln aufzurichten,
Und nicht um flacher Neugier zu berichten, ‒
Bin ich berufen, euch im Geisteslicht zu
.zeigen:
Die ewige
Gestaltung Gottes,
Die nur dann erfaßbar wird,
Wenn ihr die Seele ehrerbietig
Naht im tiefsten Schweigen.
Mein Wort will euer Fühlen
Wahr empfinden lehren,
Und als ein Wahrbild
Göttlicher Entfaltung,
Falscher Gottesdeutung wehren.
Was ich im Ewigen
In Gott erfahren,
Soll euch vor Götzendienst
Und Schuld bewahren. ‒
In allen Formen
Former und Gestaltung,
In allem Leben
Zeugung und Erhaltung,
In
Einheit bergend
Aller
Zahlen Fülle
Ist Gott sich selber Inhalt
Und des Inhalts Hülle.
Der Ewig-Eine
Setzt sich selbst
Im „
Raum” die „
Zeit”,
Und bleibt doch ewig
Selbst die
Ewigkeit.
*
Ursein
Ist
Weib-Sein
Und
Mann-Sein.
Weib-Sein
Und Mann-Sein
Ist alles
Aus Ursein
Seiende
In myriadenfach
Verschiedener Vermischung.
In Gott
Nur
Mann-Sein glauben
Ist wahrheitsferner Glaube!
Gott ist Weib-Sein
Wie Mann-Sein!
Der „Vater”
Ist Vater
Als
weibliche
Wie
männliche
Urewigliche Selbstgestaltung:
Beider Pole ewige Einung.
*
Der „Vater”
Ist im „Ursein” einbeschlossen,
Das sich als „Urlicht”
In das „Urwort” ausgegossen,
Aus dem der Vater,
Selbstgezeugt, sich selber lebt,
Und jeden in ihm „Leuchtenden”
Zum
Urlicht in sich selbst erhebt.
In gleicher Weise
Leben alle
ineinander,
Die im Vater
Aus dem Vater leben,
Und allen ist im Vater
Sein, und
Licht, und
Wort gegeben.
*
Ewig
Einer
In sich selber
Ist der Vater!
Doch faßt er
zwiefach sich:
Denn er ist „Weib” in sich und „Mann”, ‒
Und
allzugleich ist er, ‒
Als „Sein” und „Licht” und „Wort”, ‒
In
dreigestaltiger Entfaltung
Selbst sich selber eigen.
So ist er gleicherweise auch
Die großen
Vier:
Die viergestaltig gleichen
„Lenker” geistiger Impulse,
Geistigen Geschehens, ‒
Gleichwie er
zehnfach in sich selbst
Die aus ihm wirkenden
Urgeistigen „Gewalten” ist,
Die aller Formung Former sind, ‒
Und zwölf der „Väter”:
Aller Offenbarung Gründer,
Deren jeder in der
Einheit
Selbst der Vater
bleibt, ‒
Sich selbst ‒ dem Ewig-Einen ‒
Eigenhafte Selbstbezeugung,
Und in geistiger
Gestaltung
Geistig leibhaft „einverleibt”.
Aus dieser
Selbstbezeugung aber
Gehen alle „Leuchtenden” hervor,
Die in der Zeiten Folge,
Folgend ihrem „Lenker”,
Zu den Menschen dieser Erde finden,
Und hier die Lichtbestimmten
Wieder mit dem Licht verbinden.
So findet Vielheit
Sich zurück zum Ewig-Einen
Der alle Zahl setzt in sich selber,
Um unendlichfältig, ‒
Ewig in Erneuung, ‒
Brennend in den höchsten Liebesgluten,
Selbst sich selber zu vereinen.
*
Sich selbst Gesetz
Und nur sich selbst verpflichtet, ‒
Als „Ur-Sein”: dunkeltiefste
Nacht,
Die sich als „Ur-Licht”
lichtet, ‒
Als „Ur-Sein”: hartes
Schweigen,
Das als „Ur-Wort” von sich selbst
berichtet, ‒
Hält in sich selbst der Ewig-Eine
Alle Macht umschlossen,
Und hegt in sich
Was ihr in Ihm entflossen.
Wo sich jedoch das Innere
Erstarrt nach
außen kehrt,
Hat Gottes Allmacht selbst
Sich manche Macht
verwehrt, ‒
Im Reiche
irdischer Gestaltung,
Und in
irdischem Geschehen,
Muß diese Macht nun
Irdischem erstehen.
In allem urgesetzten Werden und Vergehen
Lenkt die im All versenkte,
allgeschenkte Macht
Der körperhaften Formen Trieb und Streben,
Und sie allein gebietet über Tod und Leben.
*
Die sich verwegen
„Wissend” nannten,
Wußten euch zu sagen,
Daß dieser Erde
Zeitlich wechselnde Gestaltung
Wahn der Wähnenden:
Trugbild der Sinne sei.
Wer aus der Sinne Macht
Sich nicht befreien könne,
Werde nie und nimmer
Von der selbsterzeugten
Erdbedingten Täuschung frei.
Die solches lehrten,
Waren wahrlich ihrer Sinne
Sklaven!
Denn, wer noch
Furcht hegt
Vor der Sinne Macht,
Ist seiner Sinne noch nicht
Wahrhaft
mächtig
Und gewiß noch nicht
Im
Über-Sinnlichen erwacht.
*
Mit gutem Recht
Wird Wirkliches,
Das Erdensinnen nicht erfaßbar ist,
Als „Übersinnliches” bezeichnet.
Doch darf man,
Will man sich nicht täuschen,
Auch nicht etwa glauben:
Was Körpersinne nicht erfassen können,
Könne
ohne sinnesgleiche Fähigkeiten
Geistig wahrgenommen werden!
Mit gutem Rechte
Dürfte man von „Übersinnen” sprechen,
Spricht man von jenen
geistigen Organen,
Die im ewiglichen Geiste
Gleiches wirken,
Wie körperhafte Erdensinne
Hier in irdischen Bezirken.
*
Allem
irdisch-sinnlichen Erfahren
Setzt das
Vorstellungsvermögen
Des Erfahrenden die Grenzen.
Grenzen, die keiner überschreitet,
Der sie in seiner Vorstellung
Sich selber zog.
Die Sinne können ihm nur geben,
Was der selbstgefügten Vorstellung
Entsprechend sich erweist,
Und füglich ihr sich fügt.
Ihr
Fremdes bleibt ihr
unerkennbar,
Und alle Kraft der Erdensinne
Bringt es dem Erfahrenden nicht nah'.
So auch im Geistigen!
Auch da kann
übererdenhafter Sinne Kraft
Die Grenzen niemals überschreiten,
Die ihr jeweilen
Vorstellungen setzen,
Und immer wird die Seele nur erfahren,
Was sich den Vorstellungen
fügen kann,
Die sie sich selber voreinst fügte.
Alles Andere nimmt sie nicht wahr.
Im Geiste
weiterschreiten
Heißt: ‒ der Seele Vorstellungen
wandeln,
Und die sie wandeln wollen,
Wissen hier zu
handeln, ‒
Wissen die dunklen Mächte zu bezwingen,
Die in der Seele um die Seele ringen.
Wer in sich selbst
Um
Hilfe bittet,
Wird sie in sich selbst erlangen,
Und in der Seele
Vorstellung um Vorstellung empfangen,
Bis seine
geistgewirkten „Sinne”
Nicht mehr Hinderung
In ihm erfahren,
Und endlich in ihm selbst
Das Ewig-Wirkliche gewahren.
*
Auch mit dem besten Willen
Wißt ihr nicht mehr
Gott zu finden,
Weil euren Sinn
Die selbstgezeugten
Wie die nachgeformten
Vorstellungen binden.
Nur allzuviele Menschen
Haben solcherart verlernt,
Gott in sich selbst zu
suchen,
Derweilen andere schon lange
Allem Suchen fluchen.
Ihr müßt die
Vorstellungen,
Die euch binden,
In euch selber überwinden, ‒
Nicht eher dürft ihr hoffen,
Gott in euch zu
finden!
*
Viele, die Gott erfragten,
Hätten Ihn längst gefunden,
Wären die arg Verzagten
Nicht durch die Angst gebunden.
Sie hörten stets verkünden,
Den „Rächer” aller Sünden,
Und wissen doch beladen
Sich selbst mit Sündenschaden.
Sie glauben sich verloren
Und zum Verderb geboren.
Sie fürchten sich gerichtet
Durch Den, der alles sichtet.
So flehen nun die Armen
Für sich nur um „Erbarmen”,
Und wagen nicht zum Leben
In Gott sich zu erheben.
Erst muß der Angstfluch schwinden
Ehdenn sie endlich finden:
Den, der die Liebe selber ist
Und keinen Liebenden vergißt...
*
Gott
findest du erst dann
In dir,
Wenn du dich vordem
Selbst in Gott
verloren...
Bevor dir solches
Wach in Gott geschah,
Bleiben der Seele „Sinne”
Noch dem Traum verschworen.
Erst dann vermag dein Gott
Sich in dich einzusenken,
Wenn es dir selbst gelang,
Dich selber ihm zu schenken.
Hast du dich dargebracht
Und dich in Gott verloren, ‒
Dann wird in heiliger Nacht
Dein Gott in dir „geboren”.
*
Wie wir im Irdischen
Den Raum
Nur in der
Zeit erfahren,
So wird im Ewigen
Dem liebenden Gewahren
Das zu Erkennende
allraumhaft kund.
Raumhaft ist jedes Wort aus Gottes Mund!
Auch alle „Zeit”
Ist hier im Raum gebunden
Und wird von aller Seele
Raumumfaßt empfunden.
Doch läßt sich ewiges Erfahren
Nicht in Worten
Einer Erdensprache schildern,
Und die es dennoch
Darzustellen suchten,
Konnten nur in Bildern
Und dunklen Zeichen
Anzudeuten trachten,
Was die allein erfahren,
Die in Gott erwachten.
*
Wie
irdisches Erkennen uns erwächst
Aus der Beobachtung durch Körpersinne, ‒
Aus Gedankenschlüssen,
Die in Gleichungsworten und Begriffen
. gründen, ‒
So wird im
Ewigen urgründende Erkenntnis
Ewiglich erlangt als
raumhafte Erfüllung
Lichtbereiten Seelenraumes.
Doch solche Offenbarung wird erst Seelen,
Die den Erdenleib
verlassen haben.
Auf Erden wird sie nur den Geistgezeugten,
Die, gleich mir, zwar hier im Erdenleben
. stehen,
Aber dennoch hier, als ihrer Artung Folge,
So wie ich, das Ewige, Unendliche
Im eigenen Seelenraum,
Im eigenen Liebeslichte sehen.
Euch aber, ‒ denen ich hier niederschreibe,
Was euch und Kommenden als Erbe bleibe, ‒
Ist geistig
andere Erfahrungsweise zugeteilt,
Solange ihr noch hier im Irdischen verweilt!
*
Leben im Licht
Läßt sich nur in Bezirken,
Die Licht-erzeugt
Und Licht-gestaltet sind,
Erwirken.
Hier hält der „Raum”
In sich die „Zeit” umschlossen,
Und alle Zeit
Ist in den Raum ergossen.
Und aller Raum
Ist ungetrenntes Leben
Im Licht gelebt:
Ihm liebend hingegeben.
Erfahrung und Erkenntnis
Einen sich im Sein
Und gehen raumgestaltet
In die Seele ein,
Die selber Raum ist,
Der in sich
Die Zeit verwahrt,
In der das Licht sich, ‒
Raumgestaltet, ‒ offenbart.
*
Im „Licht”
Das aus dem Urlicht quillt
Und wie das Urlicht,
„Raum” ist als Gestaltung,
Wandeln alle seelischen Impulse
Allsogleich sich selbst zu krafterfüllten
Lichtbelebten Raumgebilden,
Die in gegenseitigem Durchdringen
Ineinanderwirken:
Sich erkennen und erfahren,
Und dennoch ihrer Formen
Sprechende Gestalt bewahren.
Hier sind nicht mehr
Gehirngedankenformen aufzufinden,
Wie sie das irdische Erkennen braucht
Um das Erkannte im „Begriff” zu binden.
Hier wandelt sich die Seele selbst
In das Erkannte,
Das vordem sie auf Erden
Zu erkennen meinte,
Wenn sie einen Namen nannte...
*
Die Seele kann ein Meer sein,
Aber auch ‒ ein Tümpel,
Verjaucht, und angefüllt
Mit irdischem Gerümpel...
Ist sie ein Meer,
So hält sie, gleich den Meeren,
Sich selber immerfort bewegt und rein.
Ist sie ein See,
So wird in gleicher Weise
Sie selbst sich Klärung
Durch lebendige Bewegung sein.
Und auch als Teich
Kann sie sich selber klären,
Mag das nach Stürmen
Auch recht lange währen.
Ist sie jedoch ein Tümpel,
Gibt sie allem Abfall Raum,
Verwest als trüber Pfuhl
Und ‒ fühlt es kaum.
*
Die Seele kann ein Dom sein,
Aber auch ‒ ein Stall, ‒
Ein enger Pferch ‒
Und auch ‒ ein Weltenall...
Durch alles, was sie geben kann,
Und was sie nimmt,
Wird ihr die innere Gestalt,
Und wird ihr Fassungsraum bestimmt.
Was ihrem Raume
nicht entspricht,
Muß sie gelassen
lassen, ‒
Nur was er in sich faßt,
Kann sie in Wahrheit „fassen”.
Zum Segen aber wird der Seele
Alles, was den Raum ihr
weitet,
Und wieder Segen
Durch sie selbst verbreitet.
Doch muß sie ständig auf der Hut
Vor
Neid und
Haß und
Härte sein,
Denn Neid, wie Haß und liebelose Härte
Engt jeder Seele Raum bis zur Vernichtung ein.
*
Sie sind gegangen,
Wie sie gekommen.
Hatten gegeben,
Hatten genommen,
Und konnten doch
Nichts Erdgehöriges behalten,
Wenn sich im mählig wachsenden Erkalten
Der Erdenleib selbst
irdisch Seelischem
Nunmehr verwehrte,
Das vordem ihn gestaltet und erhalten,
Und sein irdisches Erfahren mehrte.
Nur was der
geistgezeugten
Seele sie allhier gewonnen,
Ist ihnen
nicht
Im Todeslicht zerronnen,
Und was aus ihrer Zeit
Sie mitgenommen haben,
Ist die
Gestaltung
Die sie selbst der Seele gaben.
*
Die ‒ erdentrückt ‒
Doch noch in „Zeit”-bedingten Banden,
Die seelische
Erlösung
Noch nicht in sich fanden,
Sind keineswegs in sich
Auf
gleicher Stufe,
Und keineswegs erreichbar
Gleichem Rufe.
Die einen sind auch weiterhin
Verloren im Erleben ihrer Erdenzeit,
Die anderen, ‒ dem Lichte
näher, ‒
Finden sich schon weit
Von alledem entfernt,
Was sie einst irdisch lebten,
Und ferne allen Zielen,
Die sie einst erstrebten.
Sind so die einen
Nah' dem reinen Lichte,
So sind die anderen
Noch in der Erde Dichte!
*
Die, deren sichtbare Gestaltung ‒
Durch jeder Erdenzeugung zubestimmte
Wandlung alles Wandelbaren ‒
Nun nicht mehr sichtbar,
Nicht mehr körpersinnlich fühlbar ist,
Sind dennoch, seelenraumhaft,
Uns, die wir sie wahrhaft lieben,
Weit näher als sie waren,
In der Seele Raum verblieben.
Selbst, wenn sie auch zuerst,
In anderseitigem Erfahren,
An erdenhaften Irrtum,
Erdenhaften Tagestraum gebunden,
Noch nicht zu ihrer wahrhaften
Erlösung aus dem ihnen nun
Nicht mehr Gemäßen hingefunden,
So lehrt sie doch alsbald
Das raumhafte Erleben ihrer Seelen,
Alles Seelische das noch im Erdenleibe
Lebt, nun ‒ in sich selber ‒ finden,
Und sich den in der „Zeit” Gefesselten
In deren Seelenraum verbinden.
*
Nicht das Erleben
Einer gleichsam zeitentrückten „Zeit”
Ist Ewigkeitserleben!
„Ewiges Leben” ist:
Das auch in jeglicher Sekunde ‒
Wollte man
zeithaft deuten ‒
Ewigkeitserfüllte Leben
Geistgezeugter Geisteswirklichkeit.
Gar viele sind den gleichen Weg gegangen
Um durch das Tor der „Zeit”
In
raumhaftes Erleben zu gelangen,
Und dennoch waren sie
Noch lange nicht bereit,
Sich an der Hand der Helfer zu erheben,
„Ewiges Leben” zu empfangen
Und fortan zu leben...
Erst als sie alle Erdenziele aufgegeben,
Fanden auch sie an ihrer Helfer Hand
„Ewiges Leben”.
*
Erst, wenn die erdentrückte Seele
Nichts mehr in sich findet,
Das sie ‒ im Bösen wie im Guten ‒
Noch an irdisches Erleben bindet,
Vermag sie sich zum Lichte zu erheben
Und sieht im Ewigen
Ihr erdgelebtes Leben
Nun lichtgelöst,
Und frei von erdenhaftem Streben,
Als klares Wahrbild
Sich zurückgegeben.
Hier erst geschieht
Geheimnisreiche Wendung: ‒
Hier offenbart sich jeder Seele
Ihre geistgelenkte Sendung...
In lichtdurchlohtem Seelenraum
Erlebt die Seele hier,
Nun aus der Liebe leuchtend,
Ihre ewige Vollendung.
*
ENDE
DAS BUCH
DER
LIEBE
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1931
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHANDLUNG
BASLE 1931
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
Dieses Buch erschien in seiner ersten Ausgabe
bereits im Jahre 1922.
.In einer Zeit, in der des
Hasses schlamm‐
durchwühlende Wellen aller Menschheit Flu‐
ren schänden, soll dieses Buch dir von der
Liebe reden!
.Du,
der
sich selbst erleben will, sollst
hier die höchste
Freiheit finden!
.Die
Freiheit, die deine Seele braucht,
wie deine Lungen
Luft zum Atmen brau‐
chen, kann dir nur die
Liebe geben, und
ohne Liebe stirbt in dir der
Lebenskeim,
aus dem du dir erstehen sollst zu einem
Wachstum, das in sich kein Ende kennt. ‒
.Hier wird die Rede sein von einer
Kraft, die geistig alle Kräfte dieser Erde
meistert, ‒ von einer Kraft, die nur die
wenigsten in sich erleben, da sie zwar vieles
kennen, was sie „Liebe”
nennen, jedoch,
zu leicht befriedigt, sich damit begnügen,
ohne ihre eigene tiefste Tiefe zu ergründen,
in der sich erst die Kraft der Liebe ihnen
offenbaren könnte.
.Nur
der aber, der
in sich selbst seine
tiefste Tiefe ergründet, wird dort auch die
Be-
gründung jener weisen Liebeslehren
finden, die ihm der heiligen Bücher alte
Texte aufbewahren, ‒ wie sie wohl jeder
„kennt”, soweit die Worte dieser Bücher
ihn erreichten, doch die nur selten einer
im
Geiste erfaßt, da keiner ahnt, daß ein
Gesetz in diesen Lehren Offenbarung wird,
dem auch der Mächtigste sich beugen muß,
will er trotz aller Macht, nicht früher oder
später ‒ an sich selbst ‒ zerschellen. ‒
.Wüßte man, was die
Liebe in Wahrheit
ist, dann hätte
längst das Antlitz dieser
Erde sich
gewandelt, und alles Leben
hätte längst sich stets erneuter Qual ent‐
wunden. ‒ ‒ ‒
.Die Worte
göttlicher Weisheit, die
von dieser
Liebe handeln, sind heute noch,
wie ehedem,
verhüllt in dichte Schleier,
und selten nur gelang es einem Seltenen,
für sein Erkennen diese Hüllen aufzuheben.
.Was er erkannte, war dann nicht mehr
jene „Liebe”, die er
vordem zu erkennen
glaubte, denn er gewahrte eine
Urgewalt,
die ihre Schauer ihm durch Mark und Kno‐
chen sandte, ‒ die ihn erbeben ließ in
innerstem Erleben und ihn zum
Herrscher
machte, wo er vordem
Sklave war! ‒
.Von
solcher Liebe soll dieses Buch dir
Kunde bringen!
.Zu
dieser Liebe soll es deine Seele
leiten!
.Aus
dieser Liebe
lebt, der hier zu dir
von dieser Liebe spricht!
.Nur wer aus
dieser Liebe
lebt, der
Liebe
kundig aus
Erleben und
Erfah‐
rung, sollte von der Liebe Zeugnis geben
dürfen...
.Nur er
kann wirklich von der unerfaß‐
lich hohen Kraft, um die es sich hier han‐
delt, reden.
.Es gab so manchen, der sich in der
Liebe glaubte, weil er nicht
hassen konnte.
.Doch dieses
Unvermögen ist noch lange
nicht Gewähr dafür, daß man die
Liebe
kennt!
.Haß ist der
Gegenpol der Liebe, ist
die
gleiche Kraft in ihrer
Umkehr, ‒
und wer nicht
fähig ist, zu hassen, obwohl
er längst erkannte, daß nur
Torheit sich
dem Haß
ergibt, der wird auch niemals
diese Liebe in sich finden, von der
Paulus,
wahrhaftig ein Liebender, zu sagen wußte:
.„
Wenn ich mit Menschen-
und
Engelszungen redete,
und hätte die
Liebe nicht,
so wäre ich gleich einem
tönenden Erz oder einer klingenden
Schelle.” ‒ ‒ ‒
.Er wird auch gewiß den Sinn jener Sage
nicht begreifen, die von dem
Shakya‐
Muni, dem indischen Buddha, zu erzählen
weiß, daß einst ein Feind des Weisen einen
wutentbrannten Elefanten seinem Weg ent‐
gegenjagte, worauf der Erleuchtete, zu aller
Staunen, jenes Tier bezwang, so daß es zit‐
ternd vor ihm niederkniete, da er der
Liebe
Kräfte ihm entgegensandte, die er in sich
trug...
.Sowohl die indische Sage, wie das Wort
des den Christus Jesus predigenden „Völker‐
lehrers”
Paulus läßt den Tieferschürfenden
erahnen, daß wahrlich hier doch nicht nur
von
Gefühlstrunkenheit die Kunde geht,
‒ daß hier vielmehr die hohe
Kraft allein
verherrlicht werden soll, die, wie ich ein‐
gangs sagte: ‒ aller Erdenkräfte geistige
Herrin ist! ‒
.Verschieden ist die
Form der Offen‐
barung dieser Kraft im Erdenleben.
.Du findest sie in jeder Pflanze, jedem
Tier, und aller Gattungstrieb ist ihrer All‐
gewalt Bezeugung...
.Doch findest du sie so erst auf der
tief‐
sten Stufe ihres Wirkens und du wirst
hier gewiß nicht auch zugleich ihre
höchste
Wirkungsart erkennen, obwohl auch hier
schon weitaus
mehr zutage tritt, als du bis‐
her vielleicht erspähen konntest. ‒ ‒ ‒
.Hä
ttest du jemals, obwohl es dir wahr‐
lich nahe liegen müßte, ‒ in dieser
tief‐
sten Form der Liebe schon die
Schöpfungs‐
schauer entflammter Gattungstriebe dir zum
Zeugnis dienen lassen, dann wärest du längst
schon zu der Erkenntnis gelangt, daß solche
Urgewalt gewiß auch
mehr vermag, als
aus dem Irdischen das Irdische zu zeugen! ‒
.Du hättest längst zugleich erkannt, daß
diese
Schöpfungsschauer auch der
höch‐
sten Form der Liebe eignen müssen, und
wärest wohl gewiß dem holden Irrtum nicht
erlegen, der da bewirkt, daß dir ein sänftig‐
lich
Gefühl der Zuneigung und
from‐
mer Weichheit schon zu genügen scheint,
um, nach dem Worte jenes Liebenden, keine
„klingende Schelle” und kein „tönendes
Erz” zu sein. ‒
.All das, was der hier bezeichnete wahre
Liebende noch weiter von der Liebe
Be‐
kundungsweise sagt, sind nur
die Zei‐
chen, die der Liebe
folgen werden, dort,
wo sie in
höchster Form sich offenbart. ‒
.Du aber hast diese
Zeichen für die
Liebe selbst gehalten und mühst dich nun,
die
Zeichen hervorzubringen, die dir
von
selbst zu eigen werden würden, hättest du
die
Liebe! ‒ ‒ ‒
.Ich werde dich von manchem
Irrtum
heilen müssen, will ich dich der Liebe
fähig
machen...
.Noch bist du verstrickt, von früher Ju‐
gend an, in tausendjährigen Wahn!
.Die dich einst
lehren sollten, hatten
selbst es nicht anders gehört als sie es dir
weitergaben.
.Es wäre arge Torheit, wolltest du ihnen
zürnen!
.Sie gaben
dir, was man
ihnen gegeben
hatte, so wie nun
ich dir gebe, was man
mir einst gab, bevor ich selbst zu schöpfen
wußte mit mir zugehörigem Gefäß.
.Vielleicht wirst du erkennen, daß es aber
doch
nicht gleichen Wertes ist, aus
wel‐
chen Brunnen die Becher der Lehrenden
schöpfen! ‒
.Wenn du die Lehren, denen ich in mei‐
nen
anderen Büchern
Formung schaffen
durfte, bereits kennst, dann wirst du wis‐
sen, daß mir
tiefste Felsenquellen
fließen, aus denen noch alle geistige Weis‐
heit quoll, die jemals diese Erde befruchtet
hat.
.Wohl dir, wenn die „
lebendigen”
Wasser
dieser Quellen dich erquicken
werden!
.Wohl dir, wenn du nicht „Ärgernis”
nimmst an meinen Worten, obwohl ich ge‐
zwungen sein werde, dir zu zeigen, daß
wahrhafte Geistes-Offenbarung
ewig währt,
und sich zu jeder Zeit den Offenbarenden
zu schaffen weiß!
.Ich wäre gewiß nicht, der ich bin, wollte
ich zu entwerten suchen, was in den reli‐
giösen Lehren der Vorzeit von Meines‐
gleichen stammt.
.Und alles in
allen diesen Lehren der
ferneren und näheren östlichen Welt, was
wirklich das Kennmal des
Geistes der
Ewigkeit aufweist, ward voreinst gegeben
durch die Offenbarung Derer, von deren
Art ich bin.
.Meine „Abstammungsreihe” reicht frei‐
lich beträchtlich weiter als die biologische
Ahnentafel des Erdenmenschen, der mir als
Instrument: ‒ als irdisch nötiges Vehikel
dient...
.Und ich rufe dich nur auf, hinfort zu
sondern, was
Geistesgut ist, wie es die
Geistgeeinten, die nur zu seltenen Zeiten
dieser Welt sich offenbaren,
allein zu geben
wissen, ‒ und was steriler, hirngeblähter
Menschenmeinung zugehört in jenen
alten Schriften alter Völker, deren Worte
dir in Bausch und Bogen als geheimnisvoll
verehrungswürdig gelten.
.Wie du die alten Worte
unterscheiden
lernen kannst, sollst du durch mich erfahren!
.Ich lehre dich hier als der einzige aller
mir Gleichgearteten, der heute in der Öffent‐
lichkeit wirkt, ‒ und als der einzige Erden‐
mensch, der heute von sich sagen darf, daß
er nur ewigkeitsgezeugtem
Geistesgut das
Behältnis des Wortes formt.
.Wenn hier der
Liebe Lichtkraft deinem
Schauen sich enthüllen soll, so ziemt es sich
mit Fug und Recht, daß wir zuerst des
größten Liebenden gedenken, unter allen,
die auf Erden jemals Menschenantlitz trugen.
.Du magst dich selber zu ihm
bekennen,
oder jenen Glaubensformen
fernestehen,
die auf seiner Lehre Grund im Laufe der
Jahrhunderte erwachsen sind und Spuren
seiner Lehre oft nur noch in
widerspruchs‐
erfüllten Lehrgebilden aus den Trüm‐
mern alter Tempel bergen; ‒ doch wirst
du schwerlich teilnahmslos an ihm vorüber‐
gehen können, wo immer seines
Lebens
Bild dir seine Lehre offenbaren mag.
.Gewiß, ‒ die Kunde seines Lebens ist
gar mannigfach
verschüttet und du wirst
wenige Worte heute noch
in ihrer Rein‐
heit dort zu finden hoffen dürfen, so, wie
sie einst der hohe Meister zu den Seinen
sprach.
.Doch, selbst
in der Verschüttung
leuchtet noch genug des
Echten auf, und
wenn du innerlich dich selbst bereitet hast
zur Fähigkeit,
das Echte auszusondern,
wird der Schutt der alten heidnischen
Kulte, wird das Meinungswerk der alten
Schreiber der Berichte, gewiß nicht mehr
das
wahre Bild des Meisters dir verfälschen
können.
.Du mußt nur unbefangen
prüfen lernen,
was man dir darzubieten pflegt als schein‐
bar „gleichzeitliche” Bezeugung eines Men‐
schenlebens, das seiner Mit- und Nach‐
menschheit ein Rätsel blieb bis auf den
heutigen Tag...
.Da man nicht wagte, die alte Kunde
anzutasten, in der die Lehre, die des Meisters
Mund einst gab, schon in den allerersten
Zeiten
fremde Formung fand, war allem
Glaubenswahn, der diese Lehre sich in
sei‐
ner Weise
deuten wollte, freie Bahn ge‐
geben, so daß es heute ein vergeblich Mühen
ist, die Glaubensmeinungen, die so ent‐
standen, um dieser Lehre letzte
Wahrheit
zu befragen.
.Du wirst hier
tiefer schürfen müssen,
wenn du
finden willst, und wenn du dann
gefunden haben wirst, kannst du auch
wirklich der vertrauten Glaubensmeinung,
die von früher Jugend an dich führte,
erst
jene Tiefe geben, die
Be-
gründung
bietet.
.Es sei mir ferne, dir zu raten, deinem
Glaubenskreise zu entfliehen, und irrig
würdest du die Lehre deuten, die ich künde,
wenn du etwa vermeinen solltest, daß ich
einen
neuen Glaubenskreis zu stiften wil‐
lens sei!
.Es mangelt uns wahrlich nicht an guten
Glaubensformen, so sehr es auch an
wahrhaft „
Gläubigen der Tat” in den
heutigen Tagen mangeln mag!
.Nichts liegt mir ferner, als der töricht‐
eitle Wunsch, die alten Glaubensformen
nun um eine neue noch zu mehren!
.Ich will, und
muß jedoch nach binden‐
der urgeistiger Verpflichtung,
allem Glau‐
ben die
Ver-
tiefung bringen, deren er be‐
darf, mag er des eigenen Wertes noch so
sicher, sich auch den „
einzig wahren”
Glauben nennen...
.Was die durch mich geformte Lehre dir
zu geben hat, wirst du im Grunde
aller
Religionen wiederfinden, wenn du
einmal
es
erkanntest, ‒ ‒
dort, wo
deines
religiösen Glaubens Formen dir
altver‐
traute Helfer sind!
.Uralte Weisheit gibt sich so dir kund,
und aller „Glaubensgründe” tiefster
Ur‐
grund wird dir offenbar. ‒
.In ihm ist
jede Glaubensform verwur‐
zelt, aus welchem alten oder neueren Mythos
sie sich auch ihre Symbole formen mag!
.Sei nicht vorschnell zufrieden in einem
Urteil, das dir von anderen
ein-
gegeben
ward, so daß es dir nun als
aus dir selbst
erstanden erscheint!
.Vertraue dir selbst, wenn du hier zur
Urteils-
Fähigkeit erwachen willst! ‒
.Nicht was andere sagten, darf dich irren,
wenn
du selbst der Wahrheit nahen
möchtest!
.Nur in deiner
eigenen Wahrheit kannst
du das Licht der
Wahrheit unterscheiden
von
Truglicht und
Täuschungswahn! ‒
.So laß uns denn nach dem Bilde des
Meisters suchen, soweit es jene Kunde noch
enthüllen kann, die, „menschlich-allzu‐
menschlich”, Heiligstes mit eigener Meinung
mischte!
.Jehoschuah, der Meister von Nazareth,
will sich selbst hier durch mein Wort dir
offenbaren...
.Suche, unbeirrt durch Vorurteile oder
fremde Meinung, zu erfühlen, was ich dar‐
zustellen habe!
.Der weise Lehrer, der da sein Land
durchzieht, ist
Jude und will zuerst nur
von
Juden verstanden sein. An dieser Wahr‐
heit kann auch manisch-irrer Rassenhaß in
aller Ewigkeit nichts ändern, wie immer
man versuchen mag, den größten Sohn des
Judenvolkes seinem Stamme abzusprechen!
.Er
muß, als Jude, aus dem Geistes‐
schatze
seines Volkes schöpfen, soll das
Gut
uralter Weisheit faßbar werden für
die Menschen, denen
er zum Lehrer wer‐
den wollte. „Den Kindern Israels” fühlt er
sich ursprünglich
allein gesandt, und in den
Synagogen sucht er seiner Lehre Wahrheit
zu erweisen „durch die Schrift”: ‒ die alten
religiösen Bücher orthodoxen Judentums.
.So aber war schon, ‒ notgedrungen, ‒
eines ersten Irrtums Keim gelegt, indem
die Hörer ihn
als Lehrer ihres Glaubens
zu verstehen suchten und jedes Wort, das
aufrecht und
gerade sie erreichte, sich
nach den eigenen verschlungenen Auffassun‐
gen ihres Väterglaubens
bogen.
.In stetem Mühen sucht er solchem Irr‐
tum zu
begegnen, doch ist er selbst in
seinem geistigen Erleben viel
zu fern
schon ihrer
Enge, als daß er noch den Grad
der „Taubheit” seiner Hörer fassen könnte.
.Die Klage, daß dieses Volk ihn nicht zu
„hören” wisse, ist gar oft in seiner Rede.
.Er
flucht dem Volke, das nur „Ohren
hat um
nicht zu hören”, damit es selbst
in sein Verderben renne.
.Und als das Ende seines Lebens, ‒ lang
schon vorgeahnt, ‒ ihm wirklich naht, bricht
all sein hoher Mut zusammen in bitterer
Klage, und er ‒
beweint Jerusalem, da es
in seinen Tagen
nicht erkannte, was er
seinem Volke bringen wollte...
.Die Wenigen, die er sich dennoch aus‐
erlesen hat, müssen oftmals harte Worte
hören um ihrer Herzensenge willen, und
selten nur vertraut er ihrer Fassungskraft.
.Mitunter möchte er sich selbst bereden,
als ob die äußerlich so treu Ergebenen ihn
doch nun wahrlich recht verstanden haben
müßten, um dann, erfüllt von Schmerz und
Mitleid, wiederum zu sehen, wie
weit
entfernt von seiner Lehre diese Herzen
waren. ‒
.So zieht er durch die Gaue Palästinas,
‒ redet in den „Schulen”, ‒ den ländlichen
Synagogen, ‒ um die Spur der Weisheit in
den alten
Schriften aufzuzeigen, ‒ redet
vor dem
Volke in des
Volkes Sprache, um
die
Herzen zu erwecken, vertraut den
Freunden das
Geheimnis seiner Sendung
an, das sie nicht deuten können, weil sie
viel zu sehr befangen sind in völkischen
Messiasträumen ‒ und wird von
allen,
außer jenem, „den er liebte” ‒
nicht ver‐
standen.
.Er spricht von seinem „
Vater”, und sie
glauben, daß er von
ihrem Stammesgotte
rede, obwohl er diesem „Gott der Rache”,
der „zu den Alten” sprach, mit aller Deut‐
lichkeit den Dienst verweigert, ja dessen
vermeintliches „Gebot” aus Geisteskraft
vernichtend, lehrt: ‒ „
Ich aber sage
euch...”
.Er spricht von seiner hohen
Sendung,
und sie wähnen, er wolle ihres Erden‐
reiches
äußere Herrschaft neu errichten,
obwohl er ihnen längst verkündet hatte,
daß
er eines Reiches König sei, das „
nicht
von dieser Erde” Macht seinen ewigen Be‐
stand empfange.
.Er spricht von dem, was in ihm „
Fleisch
und Blut” geworden war und lehrt
Ver‐
körperung des Geistes, ‒ doch sie ver‐
stehen, daß sein
Leib, den ihm die Erde
einst gegeben hatte,
ihre Erdenspeise
werden müsse.
.Jene Armen, die er von Gebresten heilen
konnte, aus der
Heilungskraft, die seinem
Erdenkörper eigen war und kaum die
Geistigkeit
berührte, die er als sein
wesen‐
haftes Sein erkannte, ‒ vertrauten ihm
als ihrem Helfer, doch sie ahnten nicht,
daß er die gleiche physische Hilfe hätte
spenden können, auch wenn er geistig
nicht
gewesen wäre, der er
war...
.Will man es ihm verdenken, wenn sein
Erdenhaftes einer schwachen Stunde Beute
wurde, so daß er den
Hosannahrufen
traute, die ihm
Erdenmacht versprachen,
‒ daß ihm solche Macht verlockend nahe
schien, auch wenn
er sie nur den
Seelen
nutzbar machen wollte?! ‒
.Hier ist die kurze Schuldverstrickung,
der selbst dieses Leben nicht entgehen
konnte, denn
keiner, den die Erde je ge‐
tragen hat, bleibt frei von
Schuld!
.Wohl
suchte er geradezu, um seiner
höchsten geistigen Aufgabe willen,
den Tod
durch Menschenhand, weil er in
sol‐
chem Tode nur
das Letzte geben konnte,
was
nur er zu geben hatte; ‒ doch wahr‐
lich war ihm dieser Tod
zu früh gekom‐
men und es bedurfte höchster Kraft, ihn
willig hinzunehmen, so daß er aus tiefster
Seele seinen „Vater” bitten konnte, er möge
noch das Schicksal anders wenden, ‒ „wenn
es möglich” sei. ‒
.„Vieles” glaubte er seinen Schülern einst
noch sagen zu können, was sie zu jener Zeit,
wie er deutlich sah, „noch nicht tragen”
konnten...
.Als aber ein Bote der
Lichtgemein‐
schaft, der er angehörte, in jener angst‐
erfüllten Nacht zu Gethsemane ihm endlich
zeigte, daß sein Weg, so wie er ihn
sich
selbst gestaltet hatte, auch durch den
„
Vater” aller derer, die in dieser Licht‐
gemeinschaft wirken, nicht mehr abzulenken
sei, ‒ da kehrt er
in sich selbst zurück um
sich im
Priesterkönigtum des Leuch‐
tenden zu finden, und geht als
Held den
letzten, schweren Gang, belastet mit dem
Holz des Kreuzesgalgens. ‒
.An diesem Martergalgen, der dann später
einem uralt-heiligen Zeichen längst ver‐
gangener ehrwürdiger Kulte
neue Deutung
gab, erfüllte er das letzte Liebeswerk ‒
Geheimnis allen, die ihn dort umstanden,
‒ und
noch Geheimnis allen, außer selte‐
nen Sehern, bis auf den heutigen Tag!
— — — — — — — — — — — — —
.Möge keiner wähnen, daß dieser
Tod
an sich dieses
letzten Liebeswerkes In‐
halt war!
.Hier ist ein Mysterium, das ich an anderer
Stelle schon, mit Scheu nur, zu enthüllen
wagte, ‒ und nur, weil Pflicht es mir ge‐
bot...
.Wer es erfassen kann, der fasse es!
.Hier ward ein
Geisteskraftstrom allem
Menschengeist erschlossen durch die
Liebe,
die dieses Buch dir kündet, ein Kraftstrom,
der nur durch das Opfer eines allgewaltig
Liebenden erschließbar war. ‒
.Hier wurde der „Gott” der
Rache, ‒
der ärgste Dämon der Unsichtbaren im
physischen Kosmos, ‒ von einem Erden‐
menschen überwunden
durch die absolute
Austilgung jeglicher Racheregung: ‒
ein Werk, das nur der höchsten Form ur‐
geistiger
Liebe möglich werden konnte...
.Was dir die alte Kunde noch berichtet
von dem, was
nach dem Tode des größten
Liebenden sich dann ereignet haben soll,
ist, wenn du es
geschichtlich fassen woll‐
test: ‒
Mythe, doch diese Mythe schließt
in sich die tiefste
Wahrheit ein.
.Wohl ist der Meister aus dem Grabe
„
auferstanden”; ‒ es hätte ihm dabei
sein
Erdenleib jedoch wahrhaftig nichts
mehr nützen können. ‒
.Wohl war der „
Jüngling in weißem
Gewande” keine Täuschung schreckerfüll‐
ter Frauen, ‒ jedoch beachte auch die weiter
weisende Spur der Wahrheit, die der Schrei‐
ber jener alten Kunde nicht vertilgen konnte,
‒ die ihm sichtlich unerkennbar und un‐
verständlich war, ‒ und die er dennoch
gegen seinen Willen niederschreiben mußte,
so sehr er sich auch dann bemüht, sie wie‐
der zu verwischen: ‒
.Zwar waren es
nicht die
Schüler des
hohen Meisters, die den Erdenleichnam
holten, so daß mit gutem Grunde der
Chronist behaupten konnte, hier sei ein
irriges „
Gerücht” erhalten.
.Allein der Meister war in seinen Erden‐
tagen oftmals, fern von anderen Menschen,
in der Einsamkeit der Berge auch noch
anderen begegnet, die
nicht aus seinem
Volke, aber
Seinesgleichen waren, vereint
mit ihm in jener
Lichtgemeinschaft, der
er Bruder, ‒ der er geistig einverwoben
war...
.Als er die drei aus seinen Zwölfen einst‐
mals mit sich nahm auf den Berg, wo er
zu „beten” pflegte, und sie ihn dann in
der „Verklärung” seiner
Geistgestalt er‐
blicken durften, da glaubten die Getreuen,
als sie zwei Männer in weißen Gewändern
neben ihrem Meister sahen, dies müßten
sicher zwei der
alten Propheten sein, ‒
„Moses” und „Elias”, ‒ so daß der Meister,
als er voll Enttäuschung ihren Irrtum sah, ‒
verbot, den anderen davon zu reden. ‒ ‒ ‒
.Er sah, daß all sein Lehren nicht ver‐
mochte, sie aus der
Enge ihres Stammes‐
glaubens zu befreien, und daß es nur Ver‐
wirrung stiften würde, wollte er den Irrtum
klären. ‒
.Doch, jene „Männer in weißen Gewän‐
dern” und der „Jüngling”, den die Frauen
noch im Grabe fanden, waren sich nicht
fremd, und da sie keinen Kultus um des
hohen Bruders
Leichnam entstehen sehen
wollten, so taten sie, was man nach ihres
Landes Sitte mit dem Erdenüberrest des
Menschen auch noch heute zu tun pflegt:
‒ ‒ sie übergaben ihn der verzehrenden
Flamme, nachdem sie alles dafür an wohl‐
gewählter, vor aller Störung geschützter
Stelle vorbereitet hatten...
.Ich spreche hier, belehrt von
dem, der
von sich wahrlich sagen durfte, daß er bei
den Menschen bleibe, „bis an das Ende der
Welt”, ‒ belehrt von
jenen, die ich meine
hohen Brüder nennen darf, und die in jener
Nacht einst
selbst die Wächter tief in
starren Schlaf versenkten, um des Bruders
eigenem Willen, der zugleich der ihre war,
mit Umsicht zu entsprechen. ‒
.Wohl weiß ich, daß mich viele hier der
Selbsttäuschung zeihen werden, ja daß noch
Schlimmeres von „blinden Blindenleitern”
meinen Worten selbstgerecht als Anwurf
werden mag.
.Es ist das Kennmal verkrüppelter Seelen,
jede Lebensbekundung zu verneinen, zu
deren Aufnahme ihnen die geistigen Organe
fehlen!
.Wohl weiß ich, daß ich hier an Dinge
rühre, die gar manchem als „
unantastbar”
gelten, ‒ allein des größten Liebenden Er‐
lösungslehre wird durch die
Wahrheit
wahrlich
mehr verklärt, als durch den älte‐
sten, gewohnheitsmäßig weiterüberlieferten,
unbewußten frommen
Trug, ‒ der über‐
dies nicht mehr länger Trug bleibt, sobald
man ihn als
Dichtung wertet, die nur
der Wahrheit ein symbolisches Gewand zu
weben suchte...
.Auch jene
Massenerweckung, die
dann am „Pfingstfest der Juden” zu Jeru‐
salem sich ereignete, war nicht imstande,
alle Hüllen von den Seelen derer zu ent‐
fernen, die nun an den Meister
glaubten,
da sie ihn nach seinem Erdentode wieder‐
holt „gesehen” hatten.
.Zu enge Bindung war um diese Seelen,
als daß der „
Geist der Wahrheit”, den
der Meister einst verheißen hatte, sie aus
sich vollenden konnte.
.So hatte
Paulus, dieser wahrhaft
Lie‐
bende, den man den „Heidenapostel” und
„Völkerlehrer” nennt, gar harten Stand, als
er, der
wirklich einst in tiefsten Schauern
den „
Geist der Wahrheit” in sich erlebte,
und dann
wußte, wer der hohe Meister
war, ‒ jenen allzu eng Gebundenen be‐
gegnete, die sich die
Schüler des „Gesalb‐
ten” nennen durften! ‒
.Und doch war auch der zum Christus‐
verkünder gewordene frühere Pharisäer‐
schüler nicht von allem Vor-Urteil frei ge‐
worden und mengte guten Glaubens manches
Alte, ihm Vertraute, in der Folgezeit des
Meisters Lehre bei, obwohl er
weitaus
klarer sah als jene andern, die sich die
„Boten” einer Lehre nannten, von der einst
der Meister selbst als von der „
frohen
Botschaft” sprach. ‒
.Recht
unfroh ist leider die Lehre aus‐
gefallen, die im Laufe der Jahrhunderte
zur Macht über die Seelen gelangte, auf
das Meisterwort von der „frohen Botschaft”
gar selbstgerecht gestützt! ‒ ‒
.Johannes aber, den der Meister nach
dem Wort der alten Kunde „
liebte”, hielt
sich
in der Stille und die Stillen hielten
sich zu ihm.
.Nur
er besaß, was einst
der Meister
selbst mit eigener Hand ihm
nieder‐
schrieb, und spät erst ließ er Wenige,
die ihm würdig schienen, davon Abschrift
nehmen.
.Hätte Jesus wirklich, wie man gemein‐
hin glaubt,
nur mündlich gelehrt und
nichts niedergeschrieben, so wäre wahrlich
auch nicht ein einziges von ihm ge‐
formte Wort auf uns gekommen! ‒ ‒
.Die Urschrift wie das Nachgeschriebene
sind dann, wie ich schon anderen Ortes sagte,
durch jene selbst vernichtet worden, die
in diesen
Meisterschriften ihren höch‐
sten Schatz besaßen, aus Furcht, das
Heilige
könne dereinst
Entweihung finden.
.Auch
dieses Faktum ist mir nur er‐
wiesen, durch die mir im Urlicht geistig
Vereinten, die
allein hier „
wissen” kön‐
nen, doch mag es sein, daß spätere Ge‐
schlechter hier auch noch auf textliche und
andere Spuren stoßen, die dann auch
äußer‐
lich die Wahrheit meiner Worte offenbaren
werden, denn in geistigem Schauen sehe ich
solche Fragmente und Textstücke noch im
Bereiche der Erde, wenn ich auch nicht den
Ort, an dem sie ruhen, zu bestimmen weiß...
.Gewisse Spuren sind ja
für alle weit‐
hin sichtbar in jenem Teil der alten Kunde,
der eben jenem Einen
zugeschrieben wird,
den einst der Meister „liebte”. ‒
.Die Unzulänglichkeiten dieses Teils der
alten Kunde werden leicht verstehbar, wenn
man weiß, daß ihr Verfasser, der dem Schüler‐
kreis des Johannes nahestand, auf den „Mei‐
sterschriften”
fußte, und nur damit
ver‐
binden wollte, was er sonst noch an Über‐
liefertem und Legendärem, bruchstückhaft,
besaß.
.Von dem, was man dem Schüler
zu‐
schreibt, den der Meister „liebte”, ist
freilich
nichts von dessen Hand geschrie‐
ben, allein die Art der Schriften, die man
seinen Namen tragen ließ, ist nicht gar
weit von dem entfernt, was er geschrieben
haben
könnte, ‒ hätte er geschrieben.
.Doch, alle diese Fragen sind nur
denen
wichtig, die von
außen her erfassen möchten,
was sich
nur im Innersten erfassen läßt. ‒
.Diese allein auch sind es, die danach
fragen, wer einst dem hohen Meister
Lehre
gab, und die mit willigem Gehör so manche
Mär beachten, die zu erzählen weiß, daß
Jesus in der Zeit, von der die Kunde
schweigt, in
Indien gewesen sei, ‒ und
anders wieder: daß er in
Ägypten sich
vollendet habe.
.Nichts von dem ist wahr!
.Wohl suchte einst sein irdischer Vater
in
Ägypten, wo man dazumal das Hand‐
werk lohnte, Arbeit, um die Seinen zu er‐
halten und mit dem übrigen Erlös zurück‐
zukehren in die Heimat, so wie dies heute
noch die Handwerker Italiens und anderer
Länder halten, jedoch zu jener Zeit war
der, dem später seine
Lichtnatur sich
zeigte, noch ein
Kind, und wirklich noch
nicht reif, um die Vollendung seines Irdi‐
schen zu finden, wie sie Vorbedingung ist
für jeden, der sein Leuchten im Urlicht
irdisch bewußt erleben soll.
.Nach
Indien aber brauchte er seine
Schritte wahrlich nicht zu lenken, denn was
„
aus Indien” ihm kommen mußte,
kam
zu ihm, und jenes wundervolle Bild der
„Weisen aus dem Morgenlande”, der
Prie‐
sterkönige, die „seinen Stern” erblickten
und ihm ihre Gaben brachten, ‒ ward nur
zurückdatiert in frühe Kindheit, weil hier
den Schreibern selbst nur dunkle Kunde
wurde, und weil es so dem Wunderbaren,
das sie mit des Meisters erster Kindheit
schon vermählen wollten, besser diente.
.Daß
Geistiges aber
nur im Geiste
faßbar werden kann, war den frommen
alten Chronisten ein eben so ferner Ge‐
danke, wie den Wundersüchtigen unserer
Zeit, obwohl doch der Meister Gott nur „
im
Geiste” suchen hieß. ‒
.Im Äußeren war naturnotwendig in des
Meisters Kinderjahren
nicht das mindeste
des „Wunderbaren”.
.Er war ein Kind wie seine Spielgenos‐
sen, und als er Kraft genug besaß um bei
dem schweren Handwerk seines Vaters mit‐
zuhelfen, lernte er das Handwerk, so wie
jeder Zimmermann, dem in jener Zeit
außer dem Hausbau auch noch mancherlei
andere Holzbearbeitung oblag.
.Die
innere Entfaltung aber
blieb
geheim, wie sie bei
jedem bleibt, der
gleicher Geistesartung ist, und was diese
geistige Entfaltung für sich verlangte, hin‐
derte in keiner Weise äußeres Tun.
.Der so als Erdenmensch seine
Geistes‐
macht erfassen lernte, die längst vollendet
war, bevor ihm seiner Mutter Leib das Kleid
der Erde geben konnte, war auch kein Ab‐
seitssteher wo das
Leben rief, denn nie‐
mals hätte er sein hohes Ziel erreicht, wenn
er dem Leben
fremd geblieben wäre.
.Er war ein
Handwerksmann, bis ihm
die Stunde kam, die ihn zu
anderem rief,
wo er alsdann erweisen konnte, daß er
besser als die „Schrift-
Gelehrten” in der
„Schrift” zu „
lesen” wußte, ‒ ohne sie,
wie jene, einst „gelernt” zu haben.
.Die Fakirwunder, die ihm die Chronisten
überbürdet haben, hat er
nie gewirkt, ‒
jedoch ist manches „Wunder”, das ihm zu‐
„geschrieben” wurde, ein tief gehaltvolles
Symbol, und so: voll
Wahrheit, während
seine angeborene
Kraft der Kranken‐
heilung ihn zu mancher Tat befähigte,
die wohl für seine Umwelt großes „
Wun‐
der” war, aber nicht das mindeste zu tun
hatte mit seiner geistigen Sendung.
.Daß er
sich selbst auf seine „Wunder‐
zeichen” je berufen hätte, um so den Glauben
an sein
Wort zu fordern, ‒ heißt ihn, der
wirklich
wußte, was
des Körpers, was des
Geistes ist, in unerhörter Weise
schmä‐
hen, ‒ ‒ und nur naive Nichterkenntnis
konnte jene Worte, in denen er angeblich
auf seine Wunder verwies, ihm zu eigen
geben, in der Erwartung, dadurch der Lehre
des Meisters äußerliche Bestätigung zu ver‐
schaffen.
.Es wurde so
unsäglich an seiner Lehre
gesündigt um des
Menschenfischfangs
willen, und noch heute wirken diese Sünden
törichter Verbreiter der arg entstellten Lehre
fort, und ist kein Ende dieser Irreführung
abzusehen!
.Möge es mir gelingen, hier doch ein
Weniges
aufzuhellen, für alle, die noch
„
guten Willens” sind!
.Die
Glaubensnot der vielen, die des
Meisters Lehre nur in der
Entstellung
kennen und durch die neuere
äußere Er‐
forschung jener alten Kunden stets auf
neue
Zweifel hingeleitet werden, ist wahrlich
längst in solchem Maße unerträglich, daß
endlich eine Klärung nötig wird, die nur
von denen zu erwarten war, die
selbst
den Künder dieser Lehre,
lebend ihrem
Kreise einverwoben, ‒ kennen,
dem
Kreise, von dem er
ausging: gesandt vom
„
Vater”, und dem er
wiederkehrte, als
sein Erdenwerk
vollbracht erschien!
.Von
hier aus nur kann der
Gegen‐
wart und der
Zukunft manchen „Rätsels”
Lösung werden, und auch die
Wissenschaft
wird in solcher Einstellung ihres Suchens
einst zu
finden wissen, was sie finden
kann, um solche Lösung
denen dann ge‐
recht zu machen, die nur erfassen können,
was sich „
greifen” läßt. ‒
.Alle über das bloße irdische Tierdasein
des Menschen hinausreichenden Fragen der
suchenden Menschheit werden dereinst ihre
Antwort finden, nachdem man mehr und
mehr das Wirken der geistigen Hierarchie
erkennen lernte, deren bedeutendster und
wichtigster Abgesandter der Meister von
Nazareth war...
.Wie fälschlich sind doch alle beraten,
die in
dieses Weisen hoher Lehre das
schwächliche
Gefühl empfohlen glauben,
das man so gemeinhin „
Menschenliebe”
nennt! ‒ ‒
.Ihren Beratern ward es oftmals schwer,
des Meisters Handeln, wie es die Berichte
künden,
so zu
deuten, daß die Deutung,
ihrer Meinung nach, zu Recht bestehen
konnte. ‒
.Da gibt es Dinge, die
nicht recht pas‐
sen wollen, will man den sanften Säusel‐
bold, den fromme Kanzelrede schuf, in die
Berichte strecken...
.Der
Krafterfüllte, der, trotz aller Ver‐
schüttung reiner Kunde, dort noch lebt,
will sich gar schwer den süßlichen Bildern
ähnlich finden lassen, die dünner Glaube
sich nach
eigenem Ausmaß, hold und
schwächlich ausersann...
.So manches Wort der „Schrift” läßt sich
mit solchen Bildern nur vereinen, wenn
ausgeweitetes Gewissen dieses „Schriftwort”
sich nach eigenem Bedürfnis in „
Er‐
klärung” umfälscht, bis selbst das
Wenige
geschwunden ist, das die Verschüttung frü‐
her Zeit noch übrig ließ. ‒
.Blasphemisch würde solchem süßen
„Schrift”-Erklärer der Gedanke dünken, der
hohe Meister könne je in seinem Leben
jene Kraft der Liebe in sich selbst emp‐
funden haben, die zwar sein „Diener”, mag
sie ihm nach seines Glaubens Meinung nun
„erlaubt” sein oder nicht, sehr wohl im
eigenen Fleische fühlt, ‒ doch „sündhaft”
nennen muß, da er von ihrer
Göttlich‐
keit nichts ahnt!
.Blasphemisch dünkt es ihm, daß
diese
Form der Liebe
gleicher Kraft entströmen
soll, die jene
höchste Form der Liebe
schafft, wie sie in des hohen Meisters Leben
Lehre ward und
Tat, ‒ die ihn zu
jener
Liebestat erkraften konnte, durch die der
Priesterkönig, der er war, am
Kreuzes‐
galgen alle Menschheit krönte!
.Und doch, mein Freund, wirst du
die
Liebe, die der Meister kannte, nimmer
finden, wenn du in dir nur süßliche
Ge‐
fühle weckst und deine
Menschenfreund‐
lichkeit gepaart mit
Mitleid, ‒ „Liebe”
nennst! ‒ ‒
.Schlecht paßt zu diesem
Schwächebild
vermeinter „
Liebe”: der von Verachtung
des Verächtlichen erfüllte Meister, der sich
im Gefolge der Seinen
Stricke dreht,
das
Händlervolk der Tempelschänder aus‐
zutreiben, ‒
der für der Wechsler
Gold nur einen Fußtritt hat, und
der
die Priester seines Volkes jene bösen
Worte hören läßt,
die sie in ihrer Rach‐
sucht nimmermehr vergeben konnten!
.Um solches Tun der eigenen
Unbe‐
rufung anzuähneln, mußte das Wort vom
„göttlichen Zorn” erfunden werden, und
man entblödete sich nicht, dem „
Vater im
Himmel” des hohen
Meisters jene
Laster
anzudichten, die, verängstigender alter Prie‐
sterlehre nach, einen düsteren
Stammes‐
gott erfüllten, den einst der hohe Meister
geistig niederschlug mit seinem gewaltigen
Wort:
.„
Ich aber sage euch...!”
.Ach nein, ‒ wenn du die
Liebe in dir
Wirklichkeit und
Leben zeugen sehen
willst, dann mußt du wahrlich
andere
Wege gehen, als jene, die man dir zu zeigen
wußte!
.Kannst du denn nicht verstehen, daß
die Kraft der
Liebe sich auf ihrer
höch‐
sten Stufe keineswegs in
schwächerer Be‐
kundung zeigen wird, als dort, wo sie in
niederer Form schon all dein Sinnen,
Tun und Trachten steigert, so daß du oft
Fesseln sprengst, die vorher nie dir lösbar
schienen?!? ‒
.Nur, wenn du etwas in dir suchst, das
auch in
höchster Geistigkeit die
gleichen
Kräfte weckt, und
alles meistert,
was
dich sonst in Banden hält, wirst du die
Liebe, die der Meister
lebte, in dir finden
können! ‒ ‒
.Dann erst wirst du die
Freiheit der
„
Kinder des Lichtes” erlangen und jenen
„
Frieden,
den die Welt nicht geben
kann”!
.Du darfst in den Worten der alten Kunde
auch nicht neue „
Gebote” sehen!
.Glaube mir und lasse dich nicht durch
Verschüttung täuschen: ‒
der Meister hat
niemals das Wort „
Gebot” gebraucht,
und
niemals hat er „
Gebote” gegeben!
.Selbst das „Gebot” der
Liebe, das die
Kunde meldet, hat er
nie geformt!
.Allenfalls hat er gelegentlich aus der
„Schrift”
zitiert:... „Du sollst deinen
Nächsten lieben, wie dich selbst!” ‒ wenn
er orthodoxen Fanatikern seines Volkes
zeigen wollte, daß auch er ihr „Gesetz”
sehr wohl kenne...
.Seiner Schüler gewohnte Bindung durch
„
Gebote” und „Gebote
halten”, hat die
Umformung seiner Räte in Gebote bewirkt!
Nicht anders konnten sie seine Räte
ver‐
stehen, es sei denn als „Gebote”!
.Sie brauchten, alter Observanz des Juden‐
tums getreu,
Gebot, ‒ ‒ und
Strafan‐
drohung für
Verletzung des Gebots! ‒
.Wenn der Meister nun vom
Seligwer‐
den sprach, so formten sie sich frei nach
seiner Rede ein „
Rezept” zum Selig‐
werden! Man brauchte, ihrer engen Mei‐
nung nach, nur die „Gebote” zu halten, um
des Erfolges „in
jener Welt” dereinst sicher
sein zu dürfen.
.Nicht anders, wie heute unklare Köpfe
glauben, Licht und Sicherheit des Erken‐
nens sei durch irgendwelche mysteriöse
„
Übungen” erlangbar, die in bedenk‐
lichen Traktätchen immer wieder angeprie‐
sen werden.
.Was nun jene alte Kunde aber auch
schon in ihrer
allerersten Niederschrift
an Echtem allein enthielt, war doch nur
Nachklang von des Meisters Lehre, und
allerbestenfalls Erinnerungsbericht aus da‐
mals schon jahrzehntelang vergangenen
Tagen...
.Es ist wahrhaftig
lästerliches Unter‐
fangen, den
Geist der Ewigkeit für solche
Aufzeichnung
verantwortlich zu machen,
bei der
die Schreiber selbst, in
alter
Götterlehren Wahn, der ihre Zeit in
neuer Abart durchschwirrte,
schon be‐
fangen, und
längst noch nicht gelöst
von eines argen
Stammesgottes Hörig‐
keit, des Meisters schwach noch in Er‐
innerung zurückgerufene Lehre aus
eigener
verschwommener Erkenntnis
neu zu for‐
men suchten, und gar nicht merken konn‐
ten,
wie sie fälschten! ‒ ‒
.Niemals hat der hohe
Meister seinen
Schülern „
Gebote” gegeben, sonst wäre er
nicht der hohe Leuchtende gewesen, der
er
war und
ist und
ewig bleiben wird!
.Seine Lehre war ein „
Wohl dir!” und
„
Wehe dir!” ‒ wie
aller Lehre, die seine
Brüder: ‒ seine im Reiche des Geistes ihm
geeinten Mitarbeiter sind...
.Er wußte
seligzupreisen und wußte
zu
verdammen, aber ferne lag es ihm,
jemals zu „gebieten”!
.Dazu wußte er, als ein
Leuchtender
des Urlichtes, denn doch wahrlich viel zu
gewiß, daß durch „Gebote” niemals
Segen
werden kann, ‒ und daß das
Heil nur zu
erlangen ist, wenn man aus
freier Wahl
danach verlangt.
— — — — — — — — — — — — —
.Wirst du
so des Meisters Lehre aus der
alten Kunde dir zu
retten suchen, dann
wirst du freilich vieles
streichen müssen,
was dir lieb und wert geworden war von
Jugend auf! Manches andere wirst du dir
dennoch wohl verwahren können, gerade
weil du es als fremde Zutat erkanntest.
.Hüte dich, damit du nicht
Allzuvieles
als irrig tilgen wirst!
.Du darfst beileibe nicht etwa modernen
Rationalismus als Probierstein wählen!
.Warte erst eine gute Weile, bis dir der
wahre
Sinn meiner Worte
eigene Be‐
stätigung weckte!
.Ich gab dir alle Kriterien der
echten
„Worte des Herrn”!
.So höre auch weiter noch das Folgende:
.„
Kyrios” = „
Herr”, redet man auch
noch heute allerorten, so man
griechisch
spricht, jeden Menschen an, der nicht ge‐
rade ein Bettler ist!
.„
Kyrie eleyson” fleht der Bettler, der
an der Straße sitzt, zu dem Vorübergehen‐
den hinauf.
.Das möge dich belehren, damit du nicht
aus falscher Scheu das Wort: „
Der Herr”,
in jener alten Kunde, irrig deutest und ihm
einen Sinn gibst, den es erst lange nach
des Meisters Tod im werdenden neuen Kult
erhielt.
.„
Rabbi” sagten seine Schüler zu dem
Meister, und auch
dieses Wort könnte irrige
Deutung bewirken, führt diesen Titel in
der Öffentlichkeit doch heute nur einer, der
wohlbestallter Prediger einer Synagoge ist.
.Ich darf dir aber sagen, daß man auch
heute noch dem frommen Schriftbewan‐
derten in der jüdischen Gemeinde, mag er
auch im Alltag Handel oder Handwerk
treiben, den Ehrennamen „
Rabbi” gibt!
.Nicht anders führte ihn
der Zimmer‐
mann, der den Seinen „die Schrift auf‐
schloß”, da er ein
Meister des hohen
Leuchtens war, ein Glied der
Licht‐
gemeinde hier auf Erden, von der dir
wohl auch Kunde ward als von der „
Weißen
Loge”, ‒ eine Bezeichnung, die erst in
neuerer Zeit entstand, und von mir nur
beibehalten wird, da sie bildhaft brauch‐
bar ist!
.Die seine Brüder sind, ‒ ihm völlig
geeint in Geistvereinigung wie er ihnen, ‒
nennen ihn: „
den großen Liebenden”,
da keiner
vor ihm jene
große Liebestat
vollbrachte, der er aus
freiem Willen sich
zum Opfer weihte, ‒ da keiner
nach ihm
jemals eine Tat vollbringen kann, die nur
vergleichbar seinem Liebeswerke wäre,
durch das die
Geistes-„Aura” dieser Erde
sich
verwandelte für
alle Zeiten und für
alle Erdenmenschen, so daß seitdem allen
Menschen geistige Regionen zugänglich wur‐
den, die vorher nur wenige Einzelne in
unerhörter Selbstbezwingung erreichten.
.Ich bin mir wohl bewußt, daß meine
Worte dir nicht
sagen können,
was die
Liebe
ist, die Leben wurde in dem
größ‐
ten Liebenden, den je die Erde trug...
.Ich kann dir nur zeigen, wie du die
Spur dieses
Lebens finden kannst, trotz
aller
Verschüttung, unter der die Kunde
liegt, die von diesem Leben dir berichten
will.
.Möchtest du dieses Lebens
Lehre rein
in deinem
Innersten empfinden, wo sie
allein in ihrer Kraft empfangen werden
kann, damit der Meister in dir einen würdi‐
gen Schüler fände!
.Aber wisse, daß auch alles, was
ich dir
hier geben darf, der
gleichen Quelle ent‐
stammt, aus der einst
Jehoschuah, als
Leuchtender des Urlichts, schöpfte!
.Es gibt
kein Wort, das der „große
Liebende” von sich einst sprach, das
ich
nicht in
gleicher Weise von mir sagen
dürfte, wenn es nötig wäre...
.In
einem nur muß auch ich vor ihm
voll Bewunderung mich beugen, und wie
ich wahrlich um dieses eine
weiß, so weiß
ich auch, daß
keiner meiner Brüder ist,
der hier
nicht ehrfurchtsvoll vor ihm sich
neigen müßte.
.Dieses Eine aber ist das
Maß der Liebe,
die in
ihm und
seinem Wirken zur leben‐
digen Entäußerung kam!
.Aus seiner
Liebe wird auch
dir das
Leben werden, wenn du
erfassen kannst,
was ich in allen meinen Schriften dir zu
künden komme!
.Wohl dir, wenn du an meinen Worten
dich nicht „
ärgerst”, da der Mann, von
dem ich hier rede, vielleicht auch dir zum
„
Gotte” ward, wie er es Unzähligen in
ihrer eigenen oder von anderen vermittel‐
ten Vorstellung wurde, obwohl ihm in seinen
Erdentagen kein Wort scharf genug gewesen
wäre, um solche Vergötterung von sich weg‐
zuweisen! ‒ ‒
.Ich rede aber hier
nicht etwa von dei‐
nem, durch die erdenhaften, hirnerzeugten
Meinungen Unzähliger in den letzten zwei
Jahrtausenden aufgerichteten „Gotte”, dem
du den
Namen des großen Liebenden gibst,
wie deine blickbeschränkten, angstgetriebe‐
nen Lehrer dich geheißen haben.
.Ich rede
allein von dem
geistgeeinten
Erdenmenschen, der nach seines Erden‐
leibes Marter und Tod,
entgegen seinem
Willen, solcher allzumenschlich begrenzten
Gottgestaltung gesuchtes Vorbild wurde...
.Bis in seine tiefsten Wurzeln ist mir das
menschliche Drängen vertraut, sich Götter
zu gestalten nach Menschenebenbild, und
ich ehre gewiß mit dir die hohen Menschen‐
formen, die im Verlaufe der Jahrhunderte,
deinem glaubenstreu, nach menschlichem
Ermessen dargestellten Anbetungsbilde die‐
nen mußten.
.Allein: ‒ ich bin auch untrennbar ver‐
eint mit der Geisteswesenheit des histori‐
schen
Menschen, der so ungewollt
Ursache
wurde, daß dieses Anbetungsbild in seinem
Namen aufgerichtet werden konnte.
.Dieser Geisteswesenheit Stimme und
Zeugnis zu geben, ist mir geboten durch
die geistige Struktur des Lebens, das mich
aus sich gebar wie es sie einst in einem
Menschenleib geboren hatte...
.Ich kann die Zeit erwarten, der diese
Worte weder als Vermessenheit, noch als Aus‐
druck psychischer Trübung gelten werden!
.Sage nicht, du habest die
Liebe, so‐
lange du noch Sorge trägst
um dich selbst!
.Den „Lilien des Feldes”, ‒ die im Orient
wild über weite Strecken wachsen, ‒ und
den „Vögeln des Himmels” gleich, darfst du
die Sorge um dich selbst nicht mehr
kennen, wenn du der
Liebe fähig werden
willst, in ihrer
höchsten Form!
.Solange dich noch die gemeine angst‐
genährte
Sorge um dich und
dein Erden‐
schicksal quält, ‒ die nichts anderes als
offenkundiger Mangel an Vertrauen zum
Ewigen ist, ‒ weißt du wahrlich noch nichts
von der
Liebe, die einst der hohe Meister
lehrte, ‒ der
Liebe, die allein dir die
Frei‐
heit geben kann. ‒ ‒
.Du versklavst
dich selbst deiner Sorge
und kannst doch bei allem Sorgen
nichts
dadurch
gewinnen!
.Die göttlichste Kraft aber ruht
un‐
genutzt in dir, da du sie
nicht zu ge‐
brauchen weißt!
.Du „liebst” vielleicht „aus ganzem
Herzen” alle, die dir „teuer” sind, die du
nie in diesem Erdenleben
verlieren möch‐
test, und du hast dich wohl gar zu einer
„allgemeinen Menschenliebe” überredet, ‒
ja du „liebst” die
Tiere und die
Pflan‐
zen, „liebst”
alles, was du erblicken magst?
.Du wirst erstaunt sein, wenn ich dir
sage, daß du
trotz alldem, schwerlich schon
in der Liebe lebst!
.Die
Sprache deines Landes kann dich
hier belehren, denn du pflegst von einem,
den du auf deine Weise „liebst” zu sagen:
„
Ich habe ihn gern.” ‒
.Auf das „
Haben” kommt es dir bei
deiner „Liebe” an und auf ein
Wohl‐
gefühl bei diesem „Haben”, ‒ sei es auch
nur ein „Haben” durch Sehen und Hören,
oder durch bloßes Bewußtsein, daß ein
nahe oder ferne weilender Mitmensch dir
zugehöre! ‒ ‒
.Die
Liebe aber, von der des „großen
Liebenden” Lehre redet, die
Liebe, von der
dieses Buch hier dir künden soll, ist eine
geistige und zugleich auch irdisch, allem
Leben einverwobene urweltliche
Kraft, die
dich so durchströmen muß, wie dich die
niedere Form der
gleichen Kraft durch‐
strömt in alles überwindendem Erschauern,
wenn du die Liebesflammen
deiner Erden‐
tierheit in dir brennen fühlst! ‒
.In dieser „
irdischen” Liebe
begehrst
du noch, denn hier will die
Liebe den
Gegenstand der Liebe; ‒ in ihrer „himm‐
lischen” Form aber wird sie
sich selbst
zum Gegenstand, so daß hier jedes
Be‐
gehren dich
verläßt! ‒
.In der „
irdischen” Form der Liebe
ist stets ein
Ver-
langen, ein
Daneben‐
langen, ‒ ein
Greifen nach
außen und
ein
Heranziehen; ‒ in ihrer „himm‐
lischen” Form jedoch wird sie inneres
Leuchten, ein
Strahlen und
Wärme‐
geben, ‒ ein
Überströmen aus dem
In‐
nern über alles Äußere...
.Diese
hohe Form der Liebe erst wirkt
alle wahren
Geisteswunder innerer Er‐
weckung, läßt alles das „
von selbst” in
dir werden, um das du dich noch mühst,
es zu erlangen, im Glauben, irgend eine
mysteriöse Methode, irgend ein „Training”
könne es dir eines Tages bringen!
.Deine
Menschenfreundlichkeit aber,
und dein
geistiges Besitzverlangen, das
du „Liebe” nennst, können dir freilich
niemals die
Kraft zu eigen werden lassen,
die in wörtlichster Wahrheit „
stärker ist
als der Tod”! ‒ ‒
.Alles, was du bis jetzt mit dem Worte
„Liebe” zu bezeichnen pflegtest, wenn du
nicht nur an die
tiefere Stufe der Liebe
dachtest, in der sich die Leiber begehren,
‒ alles das wird erst wahrhaft
vollendet
werden, wenn du selbst
erfüllt bist von
der
Urfeuerkraft der Liebe!
.Deinem ganzen
Sein wird alsdann
ent‐
strömen, was du
jetzt noch mit mancher
Mühe zu verwirklichen suchst! ‒
.Was dir heute noch „
Pflicht” und
„
Tugend” heißt, wird dann die selbstver‐
ständlichste
Erfüllung deines Daseins
werden! ‒
.Du kannst auch die Urfeuerkraft der
Liebe nicht in dir entflammen, ohne in
einemfort ihre
Strahlen aus dir zu
er‐
gießen, und alles, was dir nahekommt,
wird dieses stete Strahlen empfinden.
.Was ehedem nur Widerstand oder An‐
griff war, wenn es dir begegnete, wird dann
dir entgegenkommen, um sich mit dir aus
freien Stücken zu verbünden!
.Eine innere
Umkehr aber wird von dir
verlangt, willst du zu einem
Sonnenfeuer
höchster Liebeskraft
entbrennen. ‒
.Ohne diese bewußte Umkehr, ohne solche
dauernd festgehaltene neue Einstellung dei‐
nes Strebens, wirst du gewiß nicht in die
Liebe gelangen!
.Du wirst dich wandeln
wollen müssen,
willst du dich verwandelt sehen! ‒ ‒
.Bisher warst du
auch im Geistigen
ein
Verlangender, ‒ aber man kann dir
hier nur
geben, was du noch
nicht be‐
sitzest, einerlei, um was immer du bitten
magst, und ob du um deinen geistigen
Besitzstand weißt, oder nicht. ‒
.Du aber
besitzest bereits, wenn auch
ohne dein Wissen, in dir die hohe Kraft
der
Liebe, von der ich rede, so daß man
sie dir nicht erst zu
geben braucht, und
es kommt nur auf
dich an, ob du sie
gebrauchen willst, damit sie sich dir offen‐
bare! ‒
.Du mußt zur „
Sonne” werden wollen, ‒
zur „Sonne”, die
aus sich selber leuchtet,
‒ ‒ und sobald du diesen Willen dauernd
hegst, wirst du mehr und mehr im Feuer
höchster Wirkungsweise der
Liebe erglühen!
.Noch hast du zu viel
Furcht vor diesem
Entbrennen!
.Deine törichte Angst, dich etwa zu ver‐
lieren, hält dich von dem Wagnis zurück,
das du wagen solltest!
.Du fühlst in dir wohl
eine mäßige
Wärme, nennst sie „die Liebe”, und läßt
dir gerne daran genügen, ‒ nur wunderst
du dich dann, daß dieser schwachen Wärme
Strahlen nichts
in dir und nichts
nach
außen hin vermögen, ja daß sie auch in
deinem Erdenschicksal
völlig machtlos
bleiben! ‒
.Du ahnst noch nicht, zu welcher
Strah‐
lungskraft du gelangen
könntest, wenn
du dich selbst zur „
Sonne” wandeln woll‐
test, statt träge nur von
anderen Sonnen
erwärmende oder stärkende geistige Strahlen
zu erwarten!
.Alles in dir muß fortan
geben wollen,
wenn du das Höchste, das
in dir selber
ist, aus dir
empfangen willst! ‒ ‒
.Mag dir auch nur ärmlich
wenig schei‐
nen, was du vorerst
zu geben hast, so
wird doch selbst dieses Wenige schon völlig
genügen, um dich zum „
Strahlen” zu
bringen, wenn nur dein Wille intakt bleibt,
mehr
geben zu wollen als von anderen
zu
erwarten!
.Von einem indischen Fürsten wird
berichtet, daß er einst einen Yogi fragte,
welches die Empfindungen eines Vollende‐
ten seien? Der Yogi aber sagte darauf, man
habe ihn ebenso einst nach den Gefühlen
eines Liebenden gefragt und er habe nur
antworten können:
.„
Wenn du ein Liebender bist,
wirst
du es wissen.” ‒
.So kann auch
ich hier von der
höch‐
sten Form der
Liebe, als einer ewigen,
urweltlichen
Kraft nur immer
in Bildern
reden, denn ich kann dir ebensowenig diese
„
himmlische” Liebe in Worten
erklären,
wie ich dir jene
andere Form der Liebe
in Worten faßbar machen könnte, die man,
da sie nur allein im
Erdendasein sich
auswirkt, die „
irdische” Liebe nennt. ‒
.Du mußt in beiden Fällen dich von der
Liebe
entflammen lassen, wenn du
wissen
willst,
was die Liebe in ihrer ans
Physi‐
sche gebundenen, oder in ihrer höchsten
geistigen Form in Wirklichkeit ist!
.Wie du als ein erdenhaft Liebender die
„
irdische” Form der Liebe in dir trägst,
auch
dann, wenn ihre Glut zur Zeit dich
nicht entbrennen läßt, so ist auch
jeder‐
zeit, obwohl sie dir noch nicht bewußt
ward, zugleich die „
himmlische” Form
der gleichen Kraft in dir, die über dieses
Erdendasein weit hinaus in Wirkung tritt,
und dir auf Erden eine
Götterfreiheit
gibt, weil
alles sich ihr beugen muß, was
dir begegnen kann. ‒ ‒
.Von
solcher Liebe und ihrer Allgewalt
sprach einst der hohe Meister aus Nazareth,
und
er selbst nahm
alle seine Kraft aus
dieser
Liebe...
.Von solcher Liebe sprach jener Liebende,
der des Meisters Lehre größter Verkünder
ward, wenn er von sich selbst sagt: „Hätte
ich die
Liebe nicht, so wäre ich
tönendes
Erz nur, oder gleich einer
klingenden
Schelle!” ‒ Beides gibt wohl
Klang,
wenn es von außen
angestoßen wird, doch
fehlt ihm inneres
Leben, das den Klang
aus sich heraus erzeugen könnte. ‒
.Die Liebe, von der wir hier reden, aber
wirkt stets aus sich selber,
ohne Anstoß
von außenher!
.Wie lange noch soll sich der Mensch der
Erde
dieser Liebe verschließen?! ‒
.Wenige nur haben um sie
gewußt, ‒
wenige nur wurden ihr zum
Gefäße, ‒ aus
all den Geschlechtern, die je dieser Erden‐
sonne Licht empfingen.
.Die Kräfte der
äußeren Erdnatur
lernten längst den Menschen als
Herrscher
kennen, jedoch in seinem
inneren Bereich
begnügt er sich in schwächlichen Versuchen,
mit seinen Kräften zu
paktieren, da er die
hohe Kraft in sich nicht
kennt, durch die
er nicht nur
Herr der Innenkräfte sei‐
ner physischen Natur geworden wäre,
‒ sondern auch nach
außen hin der höch‐
sten Wirkung mächtig, ‒ würde auch nur
ein größerer Teil der Erdenmenschheit ge‐
meinsam sich in dieser Kraft ver-
einen...
.Wo jemals Seelen
aus dem Dunkel
fanden, wo jemals
hohe Tat geschah, um
durch Jahrhunderte zu leuchten, wo je das
Tier im Menschen sich dem
Geistesmen‐
schen unterwerfen mußte, dort war diese
hohe Kraft
im Einzelnen erwacht und
konnte in die Vielen überströmen um sie
zu entflammen. ‒
.Immer wieder aber haben die so Ent‐
flammten alsbald das himmlische Feuer wie‐
der
erlöschen lassen, weil sie
zu träge
wurden, ihm aus Eigenem neue Nahrung
darzubieten...
.Auch diesen dunklen Tagen irren Hasses,
die den „Gott der Rache” wieder mächtig
werden ließen, dem
der große Liebende
aus Nazareth einst seine Macht
entwin‐
den lehrte, ‒ diesen Tagen babylonischer
Verwirrung der Gehirne, ‒ tarantel‐
süchtiger
Vernichtungswut aus Schöpfer‐
wille, ‒ diesen Tagen, die wie
Hammer‐
schläge einer Hölle irrer Teufel auf die
arme Menschheit niederfallen, um in
Bar‐
barenchaos, um in
Unrathaufen zu ver‐
wandeln, was einst
Geisteslicht im Siege
über Tierheitsdumpfheit
auferbaute, wird
erst ein
Ende angesetzt, wenn die Gewalt
der
Liebe dieses Ende bringt. ‒ ‒
.Der schwelende
Brand, der heute seine
schwarzen Schwaden erstickenden Gift‐
rauches über Länder und Meere schickt, ist
nicht mit den Schlagwörter-Wasserfällen
großgebärdiger
Sprecher zu löschen! ‒
.Das grüne Laub, das nun verschwelt,
wollte
Sonnenwärme, ‒ doch da es keine
„
Sonne” fand in diesen Tagen, ward es in
seinem Sehnen nach Licht und Wärme
unterirdischer Feuerbrände Beute.
.Wohl dem, der hier nicht vor sich selbst
bekennen
muß: ‒ „
Auch ich war einst‐
mals einer derer,
durch die der junge
Wald,
der hier in einem Welt-
Wald‐
brand vernichtet wird,
um seine Son‐
nenwärme sich betrogen fühlte!”...
.Hier ist nicht zu „
löschen” mehr, was
in sich selbst verglimmen muß; ‒ aber
man
täusche sich nicht: ‒ ‒ die
Sehn‐
sucht nach Licht und Wärme wird auch
die Herzen
derer nicht verlassen, die die‐
sem Brande
nicht zum Opfer fallen, denn
ihr ward
urgrundtiefer Wille Wecker,
und keine Macht der Erde wird verhindern,
daß sie sich
erfüllt!
.Diese Sehnsucht verlangt nach strahlen‐
den „Sonnen”, die im Erwärmen und Leuch‐
ten nicht müde werden. ‒
.Sie wird zu unterscheiden wissen, und
alles ablehnen, was nicht aus der
Liebe
strahlt!
.Was jetzt verschwelt, ist gewiß
ver‐
loren, und
mit ihm teures Gut, das einst
der Menschheit eigen war, allein das wieder
neu ersprossende junge Grün der Erde wird
nicht ein
zweites Mal vernichtet werden,
wird
nicht aufs neue
unter-irdischen
Feuers lüstern erlangter, leckerer Fraß!
.Auch
hier sind wahrlich
hohe Hüter
am Werk, auch wenn sie
nicht verhindern
durften, daß
Vernichtung fand, was
in
sich selbst den
Willen zur Vernichtung
trug, ohne darum zu wissen...
.Die hohen Hüter, die hier wirken, wer‐
den weislich jedes neue junge Grün vor der
Vernichtung Feuer
zu bewahren wissen,
und werden, als des Menschen wahre Freunde,
voll Verstehen und voll Rat, die knochen‐
klappernden Gerippe, die gleich ungeheuren
Fledermäusen, in faltenweiten Mänteln vor
der Sonne schwirren, mitleiderfüllt zurück
in ihre
Gräber senden, so daß das
Licht
der Ur-Sonne ewigen Geistes endlich
alle
Wärme seiner Strahlen allem Leben
spenden kann. ‒
.Aus dieser Ursonne nur strömt alle
Strahlungskraft den einzelnen geistigen
„Sonnen” zu, die diese Erdenmenschheit
braucht, wie die Schwärme der Wandelsterne
des Firmamentes ihre Myriaden Sonnen‐
feuer brauchen, um in geordneter Bahn
sich selbst zu erhalten...
.Nicht vor dem „
Untergang” des Abend‐
landes ist die Menschheit angelangt, wie
manche wähnen, sondern sein späterer höch‐
ster
Aufstieg fordert die Opfer, die der
wache Mensch des Abendlandes heute zu
beklagen hat!!!
.„
Wer Ohren hat zu hören, ‒
höre!”
— — — — — — — — — — — — —
.Die
Zeichen dieser Zeit sind wahrlich
anders zu deuten, als klügelnde Skepsis,
akrobatengleich mit Gedankenkugeln jon‐
glierend und der Menge Beifall heischend,
sich erträumen läßt!!!
.Hier ist „Geduld und Glaube der Heili‐
gen” vonnöten!
.Nicht solcher, die sich „heilig” dünken,
weil sie nach Art der schleichenden Ge‐
würme sich aus jeder Schuldverstrickung
wanden, sondern jener, wahrhaft das
Heil
erahnenden
Erdenhaften, die noch zu
aller Zeit das „
Salz der Erde” waren! ‒
.Schon
unsere Enkel werden diese Tage
der
Wahnverblendung, die sich ihrem
Ende zuneigen, mag auch das endliche
Ende noch gar fern erscheinen,
nicht mehr
kennen.
.Sie werden kaum in sich noch
ein Ver‐
stehen finden für den Krankheitszustand
der Gehirne, die heute toller Tänze Tanz‐
plan sind, weil sie in der Verstrickung
dunkler Mächte, denen sie sich selbst er‐
gaben, der
Torheit Tür und Tore offen
ließen, als sei „
der Mensch” nur das arme
Erdentier, ‒ viel ärmer noch, als alle
andern Tiere dieser Erde, ‒ als das er sich
empfindet,
solange er nicht weiß, daß er
des
Geistesmenschen Pforte zur Erlösung
darstellt.
.Erst dieses Wissen aber bringt Gewiß‐
heit, daß ihm die höchste Form der
Liebe
allein die unerhörte Macht verleihen kann,
dieser Erde Angesicht derart zu
verwan‐
deln, daß alle Trübsal, die der Mensch auf
Erden fand, ‒ daß
Krankheit,
Not und
Jammer von der Erde
schwinden muß,
wie jene Ungeheuer schwanden, die einst
das frühe Menschentier erst
floh und dann
besiegen lernte! ‒ ‒
.Wir alle, die wir heute dieser dunklen
Tage Todesschatten über unsern Häuptern
lasten fühlen, sind
die Totengräber einer
alten Zeit und sind zugleich
die Zeugen‐
den des neuen Lebens, das diese Erde
einst be-leben soll! ‒ ‒ ‒
.Von
uns allen wird alle Menschheit, die
noch dieser Erdball tragen soll,
Verant‐
wortung verlangen, wenn jenes kosmische:
„Es ist vollbracht!”
durch alle jene Sphären tönen wird, die Zu‐
fluchtsort dem
Geistesmenschen wurden,
nachdem
er selbst sich einstens aus der
Gottheit
losgelöst, und
ungeahntem
Schicksal sich als edles
Treibgut über‐
geben hatte! ‒
.Wir alle sind es, die der Erde Antlitz
wandeln werden, oder seiner Wandlung
Hemmung bleiben, wenngleich erst
spä‐
tere Geschlechter
Frucht erernten können,
die der Saat entspricht, die
wir der Erde
anvertrauten! ‒ ‒
.Doch glaube nicht, daß wir nicht
selbst
schon unsrer Tat
Erfüllung sehen könn‐
ten, auch wenn nur
Blühen uns erst wer‐
den mag, wo Spätere die
Früchte ernten
werden!
.Je eher wir uns selbst zu wacher
Tat
ermannen, desto gewisser werden wir aus
dieser
Tat, die eine
Tat des Herzens ist,
die
Blütenknospen sich erschließen sehen,
die einst den Nachgeborenen zu
Früchten
werden!
.Ein
unerfaßlich Großes hat das Schick‐
sal
unserm Willen anvertraut in diesen
ernsten Tagen, und ‒ wahrlich: „
es ist
eine Lust,
zu leben” in solcher Zeit, ‒
für jeden, der seines
Eigenlebens Wert
für alle Zukunft kommender Geschlechter,
in
Wachheit und Verantwortung zu
wer‐
ten weiß!
.Wo sind sie denn, die
Toren, die
einst glaubten,
ihrer Hirne Werk erhalte
ewigen Bestand!?! ‒
.Dahingeschwunden wie der letzte
Bettler, dessen Namen keine Kunde meldet,
erstirbt ihr Werk in einer neuen Zeit,
die sie, bei aller Trunkenheit des Wissens,
nicht erahnen konnten, die sie nicht kom‐
men sehen konnten, weil sie glaubten,
ihres
Denkens Helle leuchte allen kommenden
Geschlechtern. ‒
.So sind auch
heute unter uns noch gar
manche eitle Toren, die sich weise wähnen
und in der großen Geste weiser Wissender
ihr Wohlgefallen finden.
.Nicht alle
wissen, daß sie täuschen, und
mancher glaubt, er sei der
Wahrheit Die‐
ner, ‒ jedoch gebar die Zeit in diesen
Tagen der
Entwertung aller Werte allzu‐
viele, die kein „
Gewissen” mehr zu hin‐
dern weiß, wo ihres
Wähnens Wahn
sie
selbst erfaßte, so daß sie
Tausende durch
ihre Lehre ins Verderben ziehen,
berauscht
durch ihre Macht,
die Seelen zu ver‐
wirren, und
eitelkeitumnebelt durch
die Zahl der Hörigen,
die ihren Fahnen
folgen. ‒
.„Es werden aber
falsche Gesalbte und
falsche Propheten kommen...”
.Achtet auf solche Zeichen der Zeit und
rettet euch selbst vor der Verstrickung in
teuflische Netze, aus denen nur selten einer
wieder entfliehen kann!
.So wie du dich keinem
Quacksalber
anvertrauen wirst, wenn es um deines
Erdenleibes Leben geht, so darfst du dich
auch nicht jedem mit der
Seele übergeben,
der dir sagen mag, er wisse
deiner Seele
Leben zu erhalten!
.Wenn du auch nur
in wenigem dich
sicher fühlst, so trägst du doch in dir be‐
stimmt eine Sicherheit,
Gefahr zu wittern,
die
nie dich verlassen wird, sobald es
dei‐
nes armen Erdenleibes Erhaltung gilt!
.Die
gleiche Sicherheit besitzest du zwar
auch, wo es sich um deiner
Seele Leben
handelt, doch da du deine Seele
verlieren
kannst,
ohne des
Erdenleibes Leben ein‐
zubüßen, so achtest du kaum mehr der War‐
nungszeichen, die dir im Innern werden,
wenn der
Seele Leben in Gefahr zu kom‐
men droht! ‒
.So wie jedoch, wenn du auch nur leid‐
lich urteilsfähig bist, in dir alsobald ein
Mißtrauen sich aufbäumt, falls dir in des
Leibes Not ein
Unberufener sich naht,
so wirst du in gleicher Weise „Warnung”
fühlen, wird dir in deiner
Seelennot ein
Lehrer sich erbieten, der
selbst der Lehre
wahrlich
bedürftiger sein mag als
du, der
ihn zu Hilfe rief, da du von keiner anderen
Hilfe wußtest! ‒ ‒
.Du bist darum mitnichten etwa
ent‐
schuldigt, wenn du dich
irrenden Leh‐
rern anvertraust, denn dir gab
Urnatur in
deinem Gefühlsvermögen die
Kraft der
Unterscheidung, und es ist nur deine
eigene
Lässigkeit, wenn du nicht alsbald
erkennst, daß du einer „
Seelenführung”
dich ergabst, die selbst
zu-
recht geführt zu
werden nötig hätte! ‒
.Du mußt in diesen ernsten Tagen dop‐
pelt
Vorsicht walten lassen, da du nun
durch meine Worte weißt, daß ungezählte
kommende Geschlechter durch dich
ge‐
fördert, aber auch ‒
gehindert werden
können!
.Das Urfeuer der Liebe will in dir
Leben werden, damit
sein Leben, aus
dir
weiterzeugend,
neues Leben einst gestalte,
‒ hier, in den Herzen der auf dieser
Erde sich ihre
ewige Form erkämpfenden
Menschen.
.Wenn du nicht
selbst aus der
Liebe
zu
Leben wurdest, wie willst du
neuen
Lebens Ursprung werden? ‒
.Darum mußte ich dir, soweit das Worte
vermögen, hier zeigen, was die Liebe
ist, ‒
die Liebe, von der alte Kunde redet, die
dir von
Liebenden im
höchsten göttlichen
Sinne, zu berichten weiß. ‒
.Darum mußte ich dir jenes „
größten
Liebenden”
Leben enthüllen, der einst die
gewaltigste Tat der Liebe zu vollbringen
wußte.
.In seiner
Liebe letzter Vollendung löste
siegessicher er jene starre Fessel, die, seit der
Bindung durch die allererste Einkehr
gei‐
stesmenschlicher Gestaltung in die Form
des
Erdentieres, alles Menschsein hier auf
Erden eisenstark umwunden hielt! ‒
.Er aber gab auch die Lehre:
.„
Wer mein Schüler sein will,
der
folge mir nach.” ‒
.Lächerlich töricht sind jene Träumer,
die da glauben, sie brauchten nur in äußeren
Allüren dieses
Urgewaltigen vermeint‐
liche Gebärde nachzuahmen, um sich als
seine Jünger, seine „Schüler”, wie die Schrift
in Wahrheit sagt, von ihm erkannt zu wissen.
.Würden sie
ahnen, wer er
war und
ist,
dann würden sie wahrhaftig ihre Torheit
fahren lassen. ‒
.Du aber, zu dem ich hier rede, ‒ sei du
nicht
auch eines solchen Wahns gehorsamer
Höriger!
.Du bist nun wahrlich genugsam belehrt!
.Wenn du des
Zimmermanns, der des
Urlichts Leuchtender war, wie der, dem
diese Worte Formung danken, dich wahr‐
haft
würdig willst erweisen, dann sei bereit,
die hohe
Liebe in dir zu erwecken, die
dich
verzehren muß, will sie
dich selbst
zu einem neuen
Sein verwandeln!
.Dann erst wirst du
wahrhaft sein
Schüler, sein Jünger sein!
.Dann erst wird er dich in
seiner Liebe
wissen, so wie er sich selbst in seines
„
Vaters” Liebe wußte! ‒
.Dann erst wird er dich als einen
derer
anerkennen können, die der „
Vater” liebt,
weil sie in des Vaters „
Sohn” Vollendung
fanden...
.Dann erst wird
Jehoschuah, der
Zim‐
mermann aus Nazareth, von dem die alte
Kunde dir erzählt, und der dir
entfremdet
ward durch alter Göttersagen Hörige, ‒ die
ihn der
Menschheit viel
zu nahe gewahr‐
ten, so daß sie ihn mit ihrem Götterwahn
drapierten, ‒ ‒ dann erst wird er dir
nahe
kommen, und
dann erst wirst du in
Wahr‐
heit sagen dürfen:
.„
Ich weiß, daß mein
Erlöser lebt!”
‒ ‒ des
Menschen-„Sohn”, der einst den
Seinen bestätigen durfte, daß er bei ihnen
bleibe „bis ans Ende der Welt”!
— — — — — — — — — — — — —
.Aus der Urfeuerkraft der
Liebe allein
ist es möglich, ein solches Versprechen
auch
einzuhalten! ‒
.Wohl ist es dem in sich Vollendeten
ein unbeschreiblich hartes, dauernd dar‐
gebrachtes Opfer, sich nach dem Tode des
Erdenkörpers in einem Zustande zu erhal‐
ten, in dem er irdisch-eingeengtem mensch‐
lichem Erfühlen noch erreichbar bleibt...
.Aber man darf sich unter diesem, mir
und den mir Artgemeinsamen wohlbekann‐
ten Verharren im Fühlfelde erdenmensch‐
licher Bewußtseinsreichweite gewiß nicht
ein mysteriös umwittertes „Wunder” vor‐
zustellen suchen!
.Es handelt sich um nichts anderes, als
um eine geistgesetzlich genau begründete
Be‐
wußtseinsfixierung, ‒ weit über die Ver‐
brauchsdauer des irdischen Menschenkörpers
hinaus, ‒ bis zum letzten Vibrieren seeli‐
schen Suchens im Bereiche dieses Planeten.
.Daß hier kein geringes Opfer gebracht
wird, ergibt sich schon aus der Notwendig‐
keit, in einem selbstgestalteten, zwar erden‐
sinnlich unwahrnehmbaren, und doch der
unsichtbaren
physischen Welt noch ein‐
geordneten Körper ‒ als dem Bewußtseins‐
träger ‒ zu verbleiben...
.Solcher Bewußtseinsfixierung aber ist zu‐
gleich
naturgeboten: alles seelische
Leid
der ganzen Menschheit
mitempfinden zu
müssen, und nur die Urfeuerkraft der
Liebe
vermag es, solches Miterleiden allen mensch‐
lichen Leides dem selbstgebundenen Bewußt‐
sein des Leuchtenden ertragbar zu machen,
bis auch der letzte seiner irdischen Menschen‐
brüder einging ins Licht.
.Die in der heutigen Zeit diese Worte
lesen, sind sehr verschiedener
Glaubens‐
lehren Kinder, und schwer sind ihre Herzen
jenem
einen Hochziel zuzulenken, aus
dem der
Liebe lösend lichte Strahlen ewig
sich ergießen in die Welt der Seelen, ‒
be‐
freiend was
gebunden war, um dann zu‐
rückzukehren in den
Urborn aller Liebe,
der Liebe
spendet, da er selbst nur Liebe
ist. ‒
.So mancher selbstgerechte „
Gläubige”
mag sich finden, der, lächelnd, solcher Lehre
sich
hoch enthoben dünkt, in seiner hyp‐
notischen Selbstberuhigung, daß nur sein
Herdenglaube allein „der wahre Glaube”
sei...
.Und
andere, die längst
kein Glaubens‐
band mehr bindet, werden gegen blinden
Argwohn sich zu wehren haben, als sei die
Lehre, die mein Wort hier kündet, nur
Auf‐
erstehung alten Menschheits-
Wähnens,
umgeformt in
neuen Glaubenswahn, der, ‒
wenn es also wäre, ‒ gewiß nur neues
Dunkel um die Seelen breiten würde.
.Ich aber gebe hier dem
einen wie dem
andern nur die
Be-
gründung seines
eige‐
nen Erkennens, ‒ denn letzter
Grund
fehlt allem
Glauben, der seiner Lehren
tiefste Fundamente nicht erreicht, und
alles
Wissen ist nur dann
gegründet,
wenn es in Felsentiefen ankert, die der
Ewigkeit ihr Dasein danken...
.Erlösungslicht ist jene hohe
Liebe,
die mein Wort in dir entzünden will, ob du
nun gläubig fromm nach
alter Satzung
leben magst, oder
selbst dir
deine Satzung
setzest! ‒
.Und wenn von jenem „
großen Lieben‐
den” ich zeuge, den eine enge Glaubens‐
meinung sich
allein erstanden glaubt, trotz‐
dem in ihren
Taten oft genug sein Bild als
Schild des
Hasses diente, so ist mein Zeug‐
nis seines
eigenen Willens Werk, da er in
letzter Liebestat vor seinem Erdentode
alle
Menschheit weihte, und
allen zum „Er‐
löser” ward aus einer Bindung, die nur ein
Liebender zu lösen wußte, der
alle, die
auf Erden in der Liebe lebten,
übertraf,
an
Liebesfeuerkraftentfaltung! ‒
.Er, der
sich selbst in Lichtvollendung
einst
der ganzen Menschheit gab, nach‐
dem er vorher nur dem Volke, dem sein
Erdenleib entstammte, die Erfüllung brin‐
gen wollte, ist
allen, die ihn rufen, nah,
und läßt sich finden, wenn du ihn in seiner
Liebe suchst, ‒ magst du die
alten For‐
men üben, die so manche hohe
Weisheit
in sich bergen, der du wahrlich, wenn dein
Geist sie dir enthüllt,
Verehrung zollen
darfst, ‒ ‒ magst du, nach deiner Artung,
solchen Formen
fremd dich fühlen und
nur aus deines Herzens Grund in
deiner
Weise ihn zu rufen wissen! ‒
.Mit denen, deren
Lichtkreis er
ver‐
eint war, ehe ihm der Erde Leib einst
wurde, lebt er
im geistigen Bereich der
Erde in aller
Wirklichkeit der
geistigen
Gestaltung, die ihm ward, als seine Seele
sich zurück in seines „
Vaters” Hände gab!
— — — — — — — — — — — — —
.Ich sagte dir auch schon, soweit es sag‐
bar wird, in einem anderen Buche, daß
dieser „
Vater”
aller Leuchtenden des Ur‐
lichts, der ewig aus dem
Urwort licht‐
gezeugte
Geistmensch ist, selbst „Wort”
im „Wort” und „Gott bei Gott” ‒ der
große „
Alte”, der im „
Anfang” ist, ‒
der selbst des
Urworts erste
Selbstgestal‐
tung darstellt, der „
Mensch der Ewig‐
keit”
in seiner ersten Zeugung ewig‐
lich verharrend.
.In alter Lehre wird er als der höchste
aller „Engel” aufgefaßt, ‒ die „
Krone”
jener
Hierarchie der Geister, die in den
Leuchtenden des Urlichts hier auf Erden
sich die „
Brückenbauer” schuf für jene
„große Brücke”, die den Erdenmenschen
aus dem Reich des
Tieres leitet, so daß er
seine
Geistesheimat wiederfinden kann,
der er sich vor Aeonen einst entwand! ‒
.In jedem Leuchtenden des Urlichts ist
dieser „
Vater”, ewig weiterzeugend seinen
„
Sohn”, den Leuchtenden, ‒ in Wahrheit
eines Wesens mit dessen Lichtnatur, der
dieser Erde Leib nur
äußeres Vehikel ist,
um erdenhaft zu wirken, was
der Erde For‐
mung braucht, soll es im Erdenmenschen‐
leben in Erscheinung treten! ‒
.So konnte in Wahrheit der Meister von
Nazareth seinen Schülern sagen: „
Wer mich
sieht,
der sieht auch den Vater”, ‒ und
„
Niemand kommt zum '
Vater'
denn
durch mich”: ‒ durch das,
was in mir
Leben ist, als des „Vaters” geistgezeugter
„Sohn”...
.Hilfreiche Helfer sind dir so in dein
Erdendasein gegeben, ‒ stets deinem
Geiste
nah, wenn du sie geistig in der
Tat zu
„rufen” weißt! ‒ ‒
.„Nicht wer: Herr, Herr! zu mir sagt,
wird in das Reich der Himmel aufgenom‐
men, sondern wer den
Willen meines
Vaters tut,” ‒ wer diesen Willen in sich
fühlt, und ihn in seiner
Tat erfüllt! ‒
.Dein bloßer
Wunsch wird dir nichts
nützen; ‒ du wirst durch dein ganzes
Ver‐
halten in deinem Leben, durch dein Tun
und Wirken „rufen” müssen, und mancher
arme Unbeachtete, der nur in Treue seiner
Hände Werk verrichtete, hat oftmals besser
„gerufen” als so mancher Erhabene, der
alle tiefen Schriften kannte und sich längst
für würdig hielt, daß ihm ein Helfer nahen
„müsse”, damit er so vor sich und anderen
noch mehr „Erhabenheit” erhalte! ‒ ‒
.Des Menschen Verstand hat ein
Fern‐
rohr ersonnen, in dem ein System ver‐
schiedener Gläser und Spiegel verborgen ist,
die allesamt in ihrer weisen Anordnung
bewirken, daß weiteste Weite dem Auge
ganz nahe und körperhaft erscheint.
.Wenn du ein solches Fernrohr benützen
willst, dann wirst du durch die kleine Linse
allein zu blicken haben, die der Verfertiger
dafür bestimmte, daß sie zunächst deinem
Auge sei.
.Du wirst dann die Strahlen des Lichtes
der Außenwelt in
solcher Art erhalten,
daß das
Ferne dir
nahe kommt, und du
unterscheiden kannst, was dein bloßes Auge
niemals unterschieden hätte.
.So auch kannst du im
Geistigen allein
das
Göttliche erfassen, wenn du dich zu‐
nächst
an jene wendest, die ewiges Urlicht
selbst dazu
bereitet hat, dir seine Strah‐
len zu vermitteln! ‒
.Du wirst dann in dem Leuchtenden
nur
das Göttliche zu sehen bekommen, und
er selbst wird dabei
verschwinden, so
wie du ja auch, wenn du durch jenes Fern‐
rohr blickst, gewiß
die Linse an sich nicht
siehst, sondern den Gegenstand der Ferne,
den du suchst. ‒
.So wie dir aber die Linse des Fernrohrs,
die deinem Auge am nächsten ist,
für sich
allein gewiß nicht viel helfen könnte, wären
nicht in dem Fernrohr
andere Gläser und
gewisse Spiegelsysteme enthalten, so würde
auch der
Leuchtende dir
nicht helfen
können, wäre nicht jene
hohe Hierarchie
des Geistes noch zwischen ihm und dem
innersten
Ursein Gottes, das es zu fassen
gilt! ‒
.Du blickst gleichsam
durch alle Reiche
dieser geistigen Hierarchie
hindurch in die
innerste Gottheit hinein, wenn dir ein
Leuchtender des Urlichts sich aus seinem
Geistigen heraus offenbart. ‒
.In diesem Bilde kann dir manches Wort
des Meisters aus Nazareth verstehbarer wer‐
den und du wirst auch so
unterscheiden
lernen, was er
von sich aus, als
Erden‐
mensch seiner Zeit, einst sprach, ‒ oder
wo er in anderen Momenten völlig
ver‐
schwindet und dich nur
das Innerste
der Gottheit, das
Ur-
Wort hören lassen
will, ‒ ‒ denn was in dem obigen Bilde
nur vom
Sehen gilt, kannst du dir leicht
auch aufs
Hören übertragen denken...
.Und nun ein
anderes Bild, um dir
Anderes zu klären:
.So wie aus einem Brunnen mit vielen
Ausflußröhren stets aus
jeder Röhre das
gleichgeartete Wasser der einen Quelle
quillt, die er umfaßt, wie aber die
eine
Röhre, durch
ihre Form bedingt, dem
Wasserstrahl eine
andere Formung mit‐
geben kann, als die andere, die wieder
an‐
dere Form erteilt aus
ihrer Eigenformung
her, so wird dir auch jeder
Einzelne die‐
ser
Lichtgemeinschaft, aus der ich rede,
stets die
gleiche Weisheit, die
gleiche
Lehre geben, auch wenn sie äußerlich, der
Eigenart des Lehrenden entsprechend, sehr
verschiedene
Formung zeigen mag.
.Dies zu beachten wird dir sehr nötig
sein, damit du auch in der
verschieden‐
sten äußeren Formung stets
die eine ewige
Wahrheit finden lernst, die sich
in jede
Eigenart des Formers fügen kann, und
dennoch niemals
ihre Art verändert. ‒ ‒
.So wird dir denn in aller Lehre, der ich
Wort verleihen darf, gewiß nichts anderes
zuteil, als was der Lehre des
Jehoschuah,
des „
großen Liebenden”, entströmte, und
du wirst hier verschiedene Art zu lehren,
aus
gleicher Quelle Speisung finden sehen...
.Ja du wirst dieses „
großen Liebenden”
gewaltig Wort, so wie es dir,
selbst noch
aus der Verschüttung, leuchtet, erst wahr‐
haft
deuten lernen, wenn du
meine Lehre
kennst, und meine Lehre wirst du in den
letzten Tiefen erst
verstehen, wenn
seine
Art dir so erkennbar wurde, wie du sie
erkennen
mußt, willst du sein Bild dir
nicht durch alter Zeiten Zutat so
entstellen
lassen, daß wenig übrigbleibt, was noch an
ihn,
so wie er war und ist, erinnert! ‒
.Es ist dem Menschen dieser Zeit, als
der ich heute hier zu wirken habe, wahr‐
lich schwer, der Wahrheit eine Gasse zu
bereiten und
tausendjährige Verdunke‐
lung zu lichten, ‒ doch
schwerer wird es
mir wahrhaftig, alle äußere schützende Um‐
hüllung zu lösen und meines
Geistes‐
lebens Sein in nackter Nüchternheit den
Geierblicken darzubieten, die unabwendbar
sind, wo
Wahrheit sich enthüllt auf dieser
Erde, bevor die hohe
Liebe alle Seelen in
wahrer
Liebeslichtglut hell erstrahlen
läßt. ‒ ‒
.Die allerbitterste und schwerste
Pflicht
ward hier erfüllt, und keiner kann die
Kämpfe ahnen, in denen Innerstes hier
mit dem Außenmenschen, als der ich hier
auf Erden lebe, ringen mußte, um das Be‐
kenntnis zu sich selbst ihm abzuzwingen. ‒
.Gewiß wäre die Lehre, die durch mich
der Menschheit werden sollte, in keinem
Punkte
weniger der Wahrheit Zeugnis,
wenn ich von mir, als einem
Zugehöri‐
gen der geistigen Vieleinheit, aus der auch
einst der „
große Liebende” die Lehre
nahm, mit keinem Wort gesprochen hätte.
.Doch heischte hier
Notwendigkeit Er‐
füllung, und wahrlich wäre auch ein steter
Eiertanz und ein Versteckenspiel entstanden,
hätte ich sagen wollen, was ich sagen
mußte,
ohne dabei der eigenen
Urteilsmöglich‐
keit, ‒ des
urgewissen Wissens aus mir
selbst, ‒ als der gegebenen
Vorbedingung
meiner Lehre zu erwähnen.
.Es wird zu viel des
Dunkels, das die
Seelen lange irrte, durch dieses Bekennt‐
nis
licht und
klar, als daß hier meinem
Wunsche Entsprechung hätte werden dürfen,
sorglichst meiner eigenen Art Geheimnis zu
verbergen.
.So mußte ich hier innerster Verpflich‐
tung dienen, die mir nicht abgenommen
werden konnte.
.Jedoch nicht
allen meinen Brüdern ist
solche Selbsteröffnung Pflicht, und nur wo
Liebe es
erheischt, unzähligen Mitmen‐
schen dadurch zu dienen, wird solche Pflicht
dem Bruder auferlegt.
.Wer würde denn auch, und sei es um
alle Schätze der Erde, sich jemals bereit fin‐
den lassen, dieserart sein Allerinnerstes dar‐
zubringen,
ohne härteste, unabänderliche
Geistespflicht!? ‒
.Was ich in meiner Schriften Wort der
Welt zu geben habe, wird noch
fernsten
Zeiten leuchten, da längst in sich erschöpft
sein wird, was heute sich
gefährdet sieht
durch solche Lehre, oder aber sich im Rechte
glaubt, sich selbst ihren Forderungen ent‐
ziehen zu dürfen!
.Wie jener „
große Liebende” so
muß
auch
ich bekennen: ‒ ich lehre wahrlich
nicht „
aus mir selbst”, ‒ aus meiner
irdischen Erschauung, sondern was der
„
Vater”, dem ich in der
Liebe diene,
mir
übergeben hat,
das gebe ich
euch! ‒
.Was ich lehre, ist nur in Worte gefaßte
Darstellung ewigen und ewiggültigen Ge‐
schehens, das mir jederzeit, sobald ich mich
in ihm bewußt finden will, gegenwärtig ist...
.Die Fähigkeit, das einzige Urgewisse
solcherart zu erfassen, ist das heilige Erb‐
gut aller derer, die des „
Vaters” licht‐
gezeugte „
Söhne” sind!
.So lehre ich euch aus der Fülle des
„
Wortes”, wie mich der „Vater”
lehren
heißt und verkünde euch
Erlösung in der
höchsten
Liebe!
.Wohl denen, die meine Lehre nicht nur
lesen, sondern sie
in sich zur
Auswir‐
kung gelangen lassen, so daß sie
ihres
Lebens Sinn erhellen und
ihre Tat be‐
fruchten kann!
.Sie werden aus
Leben und geistiger
Tat
alsbald auch in die
Liebe gelangen, und
in der Liebe entbrannt, dereinst zu
ewigem
Leuchten!
.Dieses Leuchten aber aus dem Urlicht,
ist dein unvergängliches
Ziel, und damit
du es dereinst erreichen wirst, suche ich
allen Schutt, der dich noch anfüllt und im
Dunkel hält, aus deinem Innern zu ent‐
fernen...
.Glaube mir, oder glaube mir nicht, ‒
nur
handle nach meinen Worten und
ver‐
halte dich folgerichtig ihrem Sinne
gemäß, damit du in dir selbst zu geistiger
Erfahrung kommst und dann nicht mehr
abhängig bist von der Bestätigung oder
dem Zweifel deiner selbstgesponnenen Ge‐
danken!
.Es ist wahrhaftig nicht Überheblichkeit,
wenn ich dir sagen muß, daß mir so wenig
an deiner Zustimmung liegt...
.Wie du jetzt, ‒
bevor du zu geistiger
Erfahrung kamst, ‒ über die hier durch
mich vermittelte Lehre urteilen magst, hat
nur insofern Bedeutung, als dein Urteil
dich zum
Handeln nach meinen Anweisun‐
gen bewegen, aber auch ‒ davon abhalten
kann.
.Der Wahrheit meiner Worte aber kann
dein Urteil weder etwas zufügen, noch etwas
nehmen.
.Nicht dein Verstandesurteil, sondern nur
deine
Liebe kann diese Wahrheit dir er‐
reichbar werden lassen! ‒
.In urgewaltigem Drang offenbart sich
Liebe schon in ihrer irdisch
niederen
Form, und hier schon zeigt sie sich als
Schöpferkraft, so daß älteste Kulte be‐
reits in dieser
niederen Form der Liebe
letztes Geheimnis zu finden hofften. ‒
.Bis auf die heutige Zeit sind solche Kul‐
te erhalten, und irreleitende Lehren haben
das verderblichste Wähnen asiatischer Ge‐
heimsekten auf düsteren Wegen neuerdings
aufgegriffen, damit es auch im
Abendlande
Verbreitung fände. Leider hat es
weitere
Verbreitung gefunden, als die „aufgeklärte”
Öffentlichkeit der westlichen Weltstädte heute
noch ahnt! ‒
.Verhängnisvolle
Zerstörungskräfte,
ausgesandt aus nachtschwarzen Tempelgrüf‐
ten teuflisch fanatisierter Asiaten,
suchen
so ihre Opfer in der weißen Rasse!
.Das törichte Verlangen nach „geheimen
Kräften” und verborgener Macht über die
nicht in gleicher Art „eingeweihten” Neben‐
menschen, ist dabei der beste Kuppler.
.Die armen Betörten aber fühlen weder,
daß sie
an unsichtbaren Gängelbanden
hängen, noch ahnen sie, daß sie ihr Tun
einem Ziele zutreibt, das sie wahrhaftig
nicht erstreben möchten, würden sie es
kennen.
.Sie glauben der
Lösung des
Rätsels
aller Rätsel auf der Spur zu sein, und
lassen sich von selbstbetrogenen „Adepten”
sagen, auf diesem Wege werde
göttliche
Freiheit winken, während sie nur der Schar
der höllischen „
Hunde des Abgrundes”
harmlos entgegenlaufen, denen schon die
Lefzen triefen vor Gier, ihre Seelen zerreißen
zu können, so wie sie
jene bereits zerrissen
haben, die diesen Arglosen heute als macht‐
erfüllte Meister ihres
teuflisch verwirrten
Glaubens dünken. ‒
.Wohl waren
Phallus und
Yoni seit ur‐
alten Zeiten heilige Symbole, und beide
Gegenpole bilden der tiefsten Mysterien hei‐
lige Anker im Erdenleben, doch ‒ wer hier
suchen möchte, bevor man
ihn sucht, der
hüte sich wohl, daß er nicht die Wirkungs‐
region verwechsle, und statt der „heiligen
Anker”:
schlüpfrige Schlangen aus der
Tiefe hole!
.Es gibt wahrlich
kein Gebiet okkulter
Kräfte, das so der
Täuschung Raum ge‐
währt, wie der Bereich des
Sexualmyste‐
riums!
— — — — — — — — — — — — —
.Wehe denen, die hier zu
finden glau‐
ben was sie suchen! ‒
.Sie werden im
besten Fall ihre
som‐
nambulen Kräfte wecken, die ihnen
jedes
Trugbild gerne gewähren, das ihr Wähnen
nährt, bis sie, in solcher Verstrickung sich
„
wie die Götter” wähnend,
zu spät, und
unerlösbar geworden, einst in Verzweiflung
entdecken, daß sie der „
Schlange des Pa‐
radieses” Gehör gegeben hatten. ‒
.Wer auf
diesen Wegen sich weiß, der
reiße sich eilends los von
allem, was
ihn an diese Wege binden mag, denn
die
Gefahr ist unnennbar groß! ‒
.Wer aber nicht
alles, was ihm lieb war,
nötigenfalls verlassen kann um des „
Him‐
melreichs” willen, der ist wahrhaftig des
„Reiches”
nicht wert, und wird nicht hin‐
dern können, daß er hinausgeschleudert wird
„
in die äußerste Finsternis”, ‒ wenn
nicht zu
dauernder Vernichtung, so doch
zu
äonenlanger dumpfer
Qual im
Wissen
um die eigene Schuld!
.Alles, was hohe und oft dunkle Worte
von jenem
Geheimnis sagen, das
irdische
Zeugungskraft und ihre
Organe umgibt,
wird
erst dann in
Wahrheit erfaßt, wenn
man weiß, daß die hier verborgenen Kräfte
sich in ihrer
segenbringenden Form nur
dem
Vollendeten des Urlichts ergeben,
und nur als ungesuchte
Folge der Vollen‐
dung!
.Allerdings verhält sich die dem wahr‐
haft Berufenen mögliche geistige Lösung die‐
ser Kräfte zu dem, was da in gewissen „eso‐
terischen” Zirkeln vorgeht, wie höchstent‐
wickelte Chemie zu dem absurden Treiben
wahnwitziger Sudelköche. ‒
.Wer
nicht zu den geistig Vollendeten
gehört, die,
ehe sie auf Erden geboren
wurden, höchste „Meisterschaft” erlangten,
der bleibe hier allem Suchen
fern, denn
was er zu finden
vermeint, wird er hier
niemals finden, und was er finden
kann,
würde ihn nur zur
Beute dunkler Ge‐
walten werden lassen, der seit der Urzeit
Tausende und
Abertausende in die Netze
gerieten, oft noch für geraume Zeit in die‐
sem Erdenleben angestaunt als wahre „Adep‐
ten”, und ihren Vernichtern so als
Köder
dienend für weitere Vernichtungsopfer! ‒
.Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß
ich hier
alle geheimgehaltenen „Methoden”
kenne, die solche vermeintliche „Geistes‐
kräfte” entfesseln können.
.Ich kenne jedoch auch das
Schicksal
derer, die sie entfesselt
haben, und darum
wird mir die Pflicht der
Warnung, ‒ für
alle, die sich warnen lassen wollen. ‒ ‒
.„
Wer Ohren hat zu hören,
der höre!”
.Die es angeht, werden kaum den Vor‐
wurf erheben dürfen, ich hätte
nicht deut‐
lich genug bezeichnet, was ich lieber
nicht
deutlicher noch bezeichnen
will. ‒
.Euch allen aber, die ihr nach
Licht und
Erleuchtung sucht, und nicht euch trü‐
gerischen
Täuschungskräften übergeben
möchtet, denen nichts anderes zugänglich
wird, als was
in eurer Körperzellen
Ahnenreihe aufgespeichert wurde, ‒
euch allen will ich hier der Liebe
Schöpfer‐
kräfte am Werke zeigen, so wie sie euch
zuteil werden können ohne jegliche Gefahr:
‒ in jener hohen „himmlischen” Bekundung
ewiger Liebe, die lebendes
Licht in euch
gießt und
leuchtendes Sonnenfeuer,
gleichwie sie in „
irdischer” niederer Form
nur den Brand der Sinne entfacht,
um eure
Art zu erhalten und euch
ahnen zu las‐
sen in dieser Glut, daß sie auch wahrlich
Höheres vermag. ‒ ‒
.Auch in der
niederen Form der Liebe
ist wahrhaft
Göttliches zu finden, für alle,
die bereits erkannten, daß
diese und die
höchste Form der Liebe
eines Wesens
sind und nur in ihrer
Wirkungsart ver‐
schieden...
.„Okkulte Kräfte” werden allerdings in
der „irdischen” Liebe
nicht von solchen
gesucht, ‒ wohl aber können sie in ihr,
wenn
seelisches Empfinden leibliche Ver‐
einung
überhöht, die ersten
Ahnungs‐
schauer finden, die sie empor zu
höchster
Form der Liebe leiten, ‒ dorthin, wo sie
„
himmlisch” wird, da sich ihr Wirken über
dieses Erdenleben hoch hinauferhebt,
über
die fernsten Sterne hoch empor, bis in
das reine Lichtreich
ewiger Gestaltung, das
nur denen sich erschließt, die „
reinen Her‐
zens” sind.
— — — — — — — — — — — — —
.Doch
muß dir
nicht auf Erden „
irdi‐
sche” Liebe werden, um zu der höchsten
„himmlischen” Form der
gleichen Kraft
zu gelangen!
.Wohl sollst du gewiß die „
irdische”
Form
nicht fliehen, wenn sie dir nahen will
in
seelischer Überhöhung, ‒ in wahr‐
haft heilig gehaltener Ehe, ‒ doch wenn
du sie
nur als bloße Befriedigung
leibli‐
chen Begehrens finden könntest, dann rate
auch ich dir
zur Enthaltung, obwohl ich
wahrhaftig weit, weit von jenem Wahn mich
weiß, als sei Enthaltung von „irdischer”
Liebe der geforderte Preis für höchste see‐
lische Entfaltung. ‒
.Lieber aber noch sollst du
mit wachem
Willen auf eine Erdenglückesmöglich‐
keit verzichten, als daß du in
tierhafter
Brunst das heilige Feuer
entweihst. ‒ ‒
.Die höchste, „
himmlische” Form der
Liebe kann sich dir enthüllen, selbst in
deinem nüchternsten Tagewerk, und gar
mancher saß schon am
Webstuhl oder ging
hinter dem
Pfluge her, dem sie in all seiner
Einfalt
zu eigen ward, während andere sie
auf hohen Kanzeln verkünden konnten
ihr Leben lang,
ohne sie jemals in sich
selbst zu finden. ‒ ‒
.Selbst dort, wo du wahrhaftig nur in
Mühsal
werkeltäglich Tun zu treiben
glaubst, kann sie in dir sich
schöpferisch
entfalten...
.Weit stärker noch empfindet sie wohl ein
jeder am Werke, der sich zu
schöpferischem
Tun berufen weiß: ‒ der selbst
gestaltend
formt, wozu der Geist ihn treibt.
.Kein großes Werk echter
Kunst ist hier
auf Erden je entstanden, ohne die
Schöpfer‐
kraft der Liebe, die den Formenden er‐
füllte!
.Doch wäre es wahrlich ein enger Irrtum,
wollte der
Künstler allein sich solcherart
begnadet wähnen!
.Es gibt gar vieles Tun in diesem Erden‐
leben, bei dem in
anderer Art, auf weniger
sichtbare Weise, der
Liebe Schöpferkraft
den Wirkenden erfüllen muß, soll seines
Lebens Werk die höchste
Weihe tragen!
.So manches Tun, das recht
ferne dem
Bereich der hohen
Kunst sich auswirkt,
kann in höherer Betrachtungsweise der
glei‐
chen Urgesetze Offenbarung zeigen, und
den
gleichen schöpferischen Drang ver‐
langen, der sich im Werk des
Künstlers
nur in
augenfälligerer Art bekundet.
.Es gibt
kein Erdenwirken für den Men‐
schen, das nicht der Liebe hohe
Schöpfer‐
kraft aus seiner Enge Fessel
lösen könnte!
.Doch, willst du die Schöpferkraft der
„himmlischen” Liebe in ihrer
wundersam‐
sten Auswirkung erkennen, dann mußt du
selbst dich ihr
als Material der Formung
überlassen!
.Vergeblich wirst du
aus dir selbst
heraus versuchen,
deine höchste Form
zu finden, solange du nicht willig durch der
Liebe Schöpferkraft
dich wandeln lassen
willst!
.Vergeblich wirst du Tag um Tag an dir
zu feilen und zu schleifen suchen, solange
du die Schöpferkraft der „
himmlischen”
Form der Liebe hinderst,
aus dir selbst
das Götterbild zu formen, das den Geist
in dir
verkörpert zeigen soll!
.Aus
deiner Formkraft Auswirkung
al‐
lein kann es sich
nie gestalten, so sehr
auch die ewige
Schöpferkraft der Liebe
deines Wirkens Kräfte, die sie selbst dir
gab,
zu ihrem Werk bedarf! ‒
.Du sollst gewiß
nicht müßig sein, und
deine
Eigenkräfte können nur durch stete
Übung so erstarken, daß sie der hohen
Schöpferkraft der Liebe wahrhaft
Werk‐
zeug werden bei der Formung deiner selbst;
‒ allein du wirst das Werkzeug nur der
geistigen
Meisterschaft höchster Liebe an‐
vertrauen dürfen, willst
du dich selbst in
höchster Form erstehen sehen!
— — — — — — — — — — — — —
.Auch
dann noch wird, solange du auf
Erden leben magst, gar manches
Äußere
der höchsten Formung sich nicht stetig
fü‐
gen wollen und du wirst immerfort das
Werkzeug
tauglich halten müssen, damit
die hohe Form, die dir verliehen ward, nicht
wieder
schwindet, und nur ein Torso übrig
bleibt, der
schmerzvoll ahnen läßt, was
hier einst schon gestaltet war...
.Noch ward auf dieser Erde keiner je
vollendet durch die
Schöpferkraft der
Liebe, dem nicht des Erdenlebens nimmer
ruhende Zerstörungskräfte seine hohe Form
bedrohten, und wenn du etwa glaubst, die
Leuchtenden des Urlichts seien hier wohl
aller Sorge ledig, ‒ so lasse dir sagen, daß
auch sie, wie
jeder, der des
Tieres Leben
seinem
Ewigen zu
einen sucht, sich stünd‐
lich
wach erhalten müssen, wollen sie nicht
aus dem hohen Leuchten fallen, wie ein
Stern, der plötzlich in den Abgrund fährt,
und dort zerstäubt in seine Uratome!
.Es sind solche Fälle zwar
überaus selten,
aber sie sind immerhin
möglich.
.Im äußeren Leben wird aus einem sol‐
chen Gefallenen dann ein furchtbarer
Fana‐
tiker der Bosheit: ‒ ein Mensch, der
„über Leichen geht”, und seinen größten
Selbstgenuß darin findet, alles allenthalben
zu
zerstören, an dessen
Aufbau er einst
beteiligt war...
.Es bleibt daher immer ein unerhörtes
Wagnis für jeden im Geiste dazu Vorberei‐
teten, die Berufung zur Einung des Geist‐
menschen mit dem Menschentiere freiwillig
anzunehmen, denn sein Erdenweg ist, weit
mehr als der aller anderen Menschen, von
zahllosen unsichtbaren Gefahren umdroht.
.Du wirst daher auch in dem
Leuchten‐
den des Urlichts einen
Menschen-Bruder
sehen lernen müssen, der, ‒ wahrlich allem
Erdenmenschenfehlen
nicht entrückt, ‒
zu
kämpfen hat wie du, um aus dem Kampf
des Lichtes mit der Finsternis hervorzugehen
als ein
Sieger, wenn einst sein Erdenlauf
vollendet ist!
.Daß
man dich lehrte, jenen hohen Leuch‐
tenden, den wir den „
großen Liebenden”
nennen, als sündelosen „
Gott” und aller
Fähigkeit zur Schuld
entrückt, zu werten,
‒ das hat dein Urteil
tief umnachtet,
und dich dann
weit zurückgeschleudert
in ein Reich der
Ohnmacht und
Erbärm‐
lichkeit, in dem dich
jene gerne halten
möchten, die
nur so sich ihrer
Macht er‐
freuen können, deiner Seele auferlegter
Sklavenarmut als die
Herren ihres
Schicksals zu erscheinen. ‒
.Wohl sind
nicht alle, die dir solche be‐
denkliche Lehre geben, ihres Tuns
bewußt.
.Die meisten wähnen, ‒ dich zu deinem
Glücke, dich zu ewig wahrem
Heil zu
führen.
.Sie ahnen heute kaum mehr die
Ver‐
derblichkeit des bei ihrem Tun zutage‐
tretenden Menschenhochmutes, der durch
Jahrhunderte hindurch längst zur Gewohn‐
heit ward, und glauben
wirklich deiner
Seele Heil gefährdet, sobald du ihren Leh‐
ren
dich entziehen willst, weil dir in dei‐
nes Herzens tiefster Wahrheitsahnung end‐
lich doch der
Irrtum solcher Lehre offenbar
geworden war. ‒
.Ich
bitte dich, wolle solche selbst um‐
nachtete Lehrer nicht den Irrtum ihrer
Lehre entgelten lassen, der sie in über‐
wiegender Zahl doch wirklich nur „guten
Glaubens” folgen!
.Sie würden dich gewiß auch auf
besseren
Wegen gut zu leiten wissen, sobald
sie
selbst die besseren Wege gefunden hätten,
denn sie erfüllt, ‒ weit häufiger als du
vielleicht glauben möchtest, ‒ doch auch
der hohe Wille,
dir zu helfen! ‒
.Keiner aber, der
wahrhaft Sorge trägt
um deine
Seele und deiner Seele ewiges
Heil, wird dir verweigern, einen Weg zu
prüfen, den du
ohne ihn gefunden hast,
denn längst kennt er ja die schwere Bürde
der
Verantwortung, die ihm sein Amt
einst auferlegte! ‒
.Nur der, den Hochmut treibt, und der
da fürchtet, seine
Macht durch deine Kennt‐
nis zu verlieren, wird dir „entrüstet” einen
Schwall von Worten hoch „von oben her”
entgegenschleudern, ‒ wird dir
tausend
„
Gründe” nennen, dich zur
Rückkehr in
das abgesteckte Weideland des
ihm so teuren
Pferches zu bewegen, ‒ nur den
einen nicht,
der ihn im Tiefsten treibt: ‒ dich
dort
zu halten wo du standest, bevor die
Wahr‐
heit aus der
Liebe dich erreichen konnte. ‒
.Ein solcherart um seine
Macht Besorgter
ist denn auch wahrlich aller
Schöpferkraft
der Liebe längst
entrückt!
.Ihm darfst du
nicht in seine
Labyrinthe
folgen, die
er und
seinesgleichen klug
ersannen,
für alle, die sich ihrer
Macht
entwinden möchten, ‒ einer Macht, die
denen, die sie üben,
köstlich dünkt, ‒
auch wenn sie
selbst, die also „Mächtigen”,
in ihres Herzens Grund gar wohl
erkennen,
daß ihre Macht nur in der
Nichterkennt‐
nis ihrer Sklaven sich begründet. ‒ ‒
.Die solcher Machtlust
Rausch einmal
genossen haben, sind fürderhin
verloren
für die Stimme der
Wahrheit, sind
ver‐
loren für der Wahrheit unerbittlich fixierte,
geistige Voraussetzungen...
.Doch sollst du auch den für die Wahr‐
heit Verlorenen gewiß nicht zürnen, wenn
du der
Liebe Schöpferkraft zu deiner
eigenen, höchsten Formung dich überlassen
willst!
.Du würdest sonst ein
Hemmnis schaf‐
fen, das deiner Eigenformung
schwere Schä‐
digung bewirken müßte! ‒ ‒
.Du,
den nach
Licht und
Leuchten
verlangt, ‒ ‒ lerne
Barmherzigkeit üben
auch gegen
jene, die dich am liebsten in
ihrem
Dämmerdunkel halten möchten!
.Sie haben es meistens
nicht selbst ver‐
schuldet, daß sie also
werden mußten, wie
sie heute
sind, ‒ und
allzu schwer ist es für
viele, sich furchtlos
Fesseln zu entwinden,
die oft für sie
die einzige Errettung vor
dem Sturz in noch weit
tiefere Verfinste‐
rung bedeuten, für sie, die nur zu sehr in
allen Fasern fühlen, daß nur die feste
Fes‐
sel ihnen
Halt verleihen kann. ‒ ‒
.Für viele dieser blinden Blindenführer
ist auch die Angst vor dem Versiegen der
Ernährungsquelle Grund genug um dem er‐
kannten Irrtum weiterhin zu dienen, dem
sie nur zu gern entsagen würden, wüßten
sie, wovon sie fernerhin leben sollten, mit
denen, die bislang ihre Pfründe leidlich
ernährt.
.Der „Sünde” längstvergessener Geschlech‐
ter dargebrachte
Opfer hat die Menschheit
heute nun in den Nachkommen zu beklagen,
und
neue Schuld nur würde sie zur alten
häufen, wollte sie die armen Engumfesselten
entgelten lassen, daß sie der
Vorzeit starre
Banden noch tragen! ‒
.Die noch die Arme regen
können, wer‐
den jedoch
mit einem Male, und
ohne
daß einer der Ihren
fehlen würde bei dem
Werke, die Welt in
Erstaunen setzen!
.Sie werden in aller Stille den Tag sich
bereiten, an dem sie ihre Banden
sprengen
werden, ‒
ohne Altgeheiligtes zu verletzen!
.Sie werden „den Greuel der Verwüstung
an heiliger Stätte” nicht mehr dulden und
werden neu das Heiligtum errichten!
.Sie werden denen nicht mehr glauben,
die ihnen sagen:
da und
dort ist der „Ge‐
salbte”, und werden gar manche, die „in
seinem Namen” kamen, ihres Ruhmes ent‐
kleiden!
.Sie werden wahrlich
nicht zerstören,
und
dennoch wird das Abgelebte sich
er‐
neuern, weil sie die
alte Form erst mit
der Fülle allen
Lebens, das sie fassen kann,
durchlichten werden! ‒ ‒
.Noch ist der Tag, an dem solches begin‐
nen wird, gewiß nicht zu bestimmen, ‒
doch daß er dereinst erscheint, ist so sicher
wie das Erscheinen eines neuen Tages nach
dunkelschwangerer Nacht!
.Lasse deinen Lehrern
Zeit zum
Suchen,
und wenn sie
gefunden haben, oder gar
gefunden
wurden, werden sie dich ‒ oder
erst deiner Urenkel Kinder ‒ gewißlich
anders leiten als sie heute es vermögen. ‒
.Die besten unter ihnen bekennen
selbst,
daß auch sie noch
suchen, was sie einst
gefunden glaubten, als sie voll heiliger
Begeisterung sich zu der Bürde ihres Amtes
drängten. ‒
.Glaube auch nicht, du fändest je in ir‐
gendeiner
anderen Gemeinschaft dieser Er‐
de, auch wenn sie tief sich in die ausgetra‐
genen Mäntel alter Mystik hüllen mag, und
dir mit vielbedeutsamer Gebärde kündet,
daß
sie nur allein urgründiges „Geheim‐
nis” hüte, ‒ der lichten Wahrheit flecken‐
lose Spur!
.Wohl sind auch da gar manche ernste
Sucher an der Arbeit, um in den Hierogly‐
phen alter Tempelüberreste jenes
Wort zu
suchen, das sie einst erlösen könne.
.Aber auch
hier ward längst schon allen
Kundigen bekannt, daß
neue Wege sich er‐
öffnen müssen, soll die ernste Schar der
Sucher nicht in
dunklen Krypten sich ver‐
lieren, die stets aufs neue endlich „
Licht”
verheißen und doch den mühsam Tastenden
am Ende seines Weges in
Enttäuschung
stürzen lassen, es sei denn, daß die hohle
Geste eines „Wissenden” ihm schon genüge,
‒ daß er beirrt, und keinen Ausweg mehr
erlangend, sich wohlgefällt in einer „Würde”
Schein, ‒ des guten Glaubens der Betörten
froh, die ihn am Ziele wähnen...
.Hier sucht so mancher schon nach sehr
bedenklichem
Ersatz, da man den
Gold‐
schatz, den das Innerste des Heiligtums
verbirgt, ‒ des hehren
Bauplans seiner
hohen Hallen nicht mehr kundig, ‒ für
unauffindbar hält.
.Begierig werden alle okkulten
Kloaken
durchwühlt nach dem, was nur auf sonnen‐
überstrahlten
Gipfeln dem Mutigen erlang‐
bar wäre...
.Aber auch hier wird die
Erneuerung
kommen durch die
Schöpferkraft der
Liebe in ihrer höchsten, „
himmlischen”
Form, obwohl hier manche neuerbaute
Sei‐
tenhallen schon unterwühlt von jener
nachtgeborenen Lehre sind, die im Bereich
der
erdgebundenen Form der Liebe letzte
Lösung aller Rätsel sucht...
.Wen es
angeht, der wird mich
verste‐
hen, und wem von
fremden Dingen hier
die Rede ist, der wisse, daß ich diese letzten
Worte nicht für ihn geschrieben habe.
.Was ich in diesem Buche gebe, soll
Allen
Licht auf ihre Wege bringen, und jeder
suche hier, was
seinem Wege dienen kann!
.Es wird
keiner vergeblich suchen, und
jeder wird das
Seinige finden können!
.Die
Schöpferkraft der Liebe aber
wird allen das zu
Licht und
Leben werden
lassen, was ich hier nur in
Worte formen
durfte, um denen, die in diesen Tagen im
Dunkel sind, des
Lichtes Spur zu weisen,
auf der das
Leben sich in
Glück und
Freu‐
de strahlenhell
entfalten kann. ‒
.Freilich verlangt aber alle
Ernte vor‐
herige
Saat, und so wirst du, mit dem ich
hier rede, gewiß nicht nur durch die vor‐
übergehende Beschäftigung mit meinen Wor‐
ten zu Frucht gelangen, sondern nur durch
entschlossenes
Wirken im Sinne meiner
Lehre!
.Die mit mir aus dem „
Vater” leben in
der
Liebe, erachten diese Zeit bereitet, sol‐
che Lehre zu empfangen.
.Nur weil auch ich die Not der Zeit er‐
kenne, ließ ich mich zu dieser Niederschrift
bewegen.
.Ich gab auch hier
kein Wort, das einer
meiner hohen Brüder nicht zu billigen ver‐
möchte, und
sie allein nur sind imstande,
hier zu werten, ob ich dem Auftrag, der
mir wurde, so entsprach wie mir
geboten
war, ‒ ob ich nur lehrte, wie der „
Vater”
mich lehren hieß. ‒ ‒
.Ich aber trage jegliche Verantwortung
für jedes meiner Worte!
.Möchten die Menschen, denen hohe Fü‐
gung, ‒ die sie „Zufall” nennen, ‒ dieses
Buch zu eigen gibt, durch meine Worte sich
zur
höchsten Liebe leiten lassen!
.Möchte das
Licht, das, laut jener from‐
men Sage, einst den Hirten „bei der
Nacht‐
wache” wurde, die Herzen
aller erreichen,
die heute in der Finsternis dieser Zeit sich
noch wach erhalten, und möchte es so den
Frieden bringen nach diesen kampfdurch‐
tobten Tagen, für alle, die noch voll „
guten
Willens” sind!
.Die hohe
Schöpferkraft der Liebe
wird alsdann die so Erwachten lehren, dem
Leben neue
Form zu schaffen!
.Sie werden ferne sein dem Wahn, daß
nur aus
Trümmern sich der
Menschheit
hoher Tempel auferbauen lasse, und jeder
wird
sich selbst zum „Baustein” weihen,
sobald er erst erkannte, daß das höchste
Heiligtum des
Lebens nur aus
Lebendi‐
gem errichtet werden kann!
— — — — — — — — — — — — —
.Ich habe in diesem Buche gewiß nichts
unbesprochen gelassen, was dir zu wissen
nötig, oder auch nur nützlich ist, und wo
ich in seiner ersten Fassung noch Fragen
offen fand, erhielten sie hier, in des Buches
definitiver Gestaltung, ausreichende Ant‐
wort.
.Ich wende mich nicht an romantische
Schwarmgeister irgendwelcher Bereiche der
Wundersucht, ‒ und nicht an die zahl‐
reichen Leute, denen die Wirklichkeit wesen‐
los erscheint, weil sie nur das selbstgeschaf‐
fene Flimmerbild ihrer eigenen phantasti‐
schen Träume noch zu sehen vermögen.
.Dieses Buch ist, wie
alle meine Bücher,
für
reife,
nüchterne Menschen geschrie‐
ben, ‒ für Menschen, die, in stiller Arbeit
an sich selbst, mithelfen wollen an der
geistigen Umgestaltung einer Welt, deren
Antlitz nur durch die höchste
geistige
Form der
Liebe aus den Verzerrungs‐
krämpfen zu lösen ist, in denen es nahezu
zur Maske irren Schreckens erstarrte.
.Nur dann, wenn die Erkenntnis aufzu‐
glühen beginnt, daß die Form des mensch‐
lichen Zusammenlebens auf dieser Erde
durch die Arbeit des Einzelnen an sich
selbst bestimmt wird und nur in sehr
bedingtem Maße von außen her zu beein‐
flussen ist, darf man sicher sein, sich auf
dem Wege zu befinden, auf den ich die mir
Vertrauenden zu leiten suche.
.Es ist der
einzige Weg, der aus der
Wirrnis dieser Tage hinaus und hinauf
zur Klarheit wertbestimmender Überblicke
führt, und zugleich der einzige Weg, der
den verirrten Einzelnen in sich den
Frie‐
den finden läßt, nach dem alle noch nicht
völlig verhärteten Herzen so heiß verlangen.
.Tierhafte
Kampflust wird sich dann
nicht mehr
ungezähmt, als Zerstörungs‐
faktor inmitten menschlicher Gemeinschaft
austoben können, sondern, zu
geistiger
Wehrhaftigkeit
sublimiert, die Vielheit
der Einzelnen fähig machen, alle Angriffe
niederer planetarischer Gewalten auf die
eigene Seele
in sich selber zurückzuweisen,
‒ im sicheren Bewußtsein der
einzigen
Kraft, die alle auf Erden drohenden, glück‐
zerstörenden Triebkräfte siegend bezwingt!
ENDE
MEHR LICHT
NOCHMALS DURCHGESEHENE,
TEILWEISE VERÄNDERTE AUTHENTISCHE
LETZTAUSGABE
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
3.Auflage
Unveränderter Nachdruck
der 1936 erschienenen Letztausgabe
© 1968 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Schüler AG, Biel (Schweiz)
UM DEN BEDINGUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM BÜRGERLICHEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
IN MEINEM EWIGEN SEIN HINGEGEN IMMER DER
WAR UND BLEIBE, DER DIESE BÜCHER ZEICHNET
BÔ YIN RÂ
Dieses Buch ist aus einer Sammlung ehe‐
dem schon einzeln veröffentlichter Ab‐
handlungen hervorgegangen, die in erster
Form verbunden, bereits im Jahre 1921
herausgekommen war. Einzelne, den Sinn
schärfer bestimmende Veränderungen wur‐
den durch den Neudruck endgültig er‐
möglicht.
.Mittlerweile habe ich mit dem Buche
„Hortus conclusus” mein geistiges Lehr‐
werk abgeschlossen, wobei ich auch dem
Ganzen die symbolische Bezeichnung über‐
ließ, die Name seines letzten Bandes wur‐
de. Was ich in den zweiunddreißig orga‐
nisch vereinten Lehrgaben dieses Ganzen
hinterlasse, ‒ und somit auch das hier vor‐
liegende Buch, ‒ würde aber eine sehr
unzulängliche Betrachtungsweise erfahren,
wollte man es ausschließlich als „schrift‐
stellerische Produktion” auffassen. Wenn
auch das ganze Lehrwerk nicht vorhanden
wäre, hätte ich ihm nicht seine sprach‐
liche Formung geschaffen, so ist doch sein
Inhalt mit mir selbst: ‒ mit meinem blei‐
benden Sein aus dem ich lebe, ‒ identisch,
und nicht nur „Hervorbringung”, nicht
Werk irdischen Gestaltungsdranges! Bis
zu meinen Tagen sind unter allen Völkern
der Erde noch keine zehn Erdenmenschen
im zeitlichen Dasein gewesen, die sprach‐
liche Identität ihres eigenen ewigen Seins
mit irdischem Empfindungsgute herzustel‐
len vermochten. Wer es konnte, der durfte
freilich jederzeit mit allem Rechte sagen:
„Himmel und Erde werden vergehen,
aber meine WORTE werden nicht ver‐
gehen!” ‒ Auch was in den „Vor-” und
„Nachworten” meiner Lehrtexte zu fin‐
den ist, gehört noch zumeist zu diesen
„Worten” und darf nicht von dem, was es
umschließt, gesondert werden!
Wie man Edelsteine, die längst ihre end‐
gültige Gestalt erhalten zu haben schie‐
nen, zuweilen neu schleifen läßt, damit
sie mehr Licht widerzustrahlen vermö‐
gen, so ist der Inhalt dieses vorliegenden
Buches aufs neue „geschliffen” worden,
und Keiner, der die vormalige Gestaltung
kannte, wird heute daran zweifeln kön‐
nen, daß die neue Schleifung das vorhan‐
dene kristallene Material zu der ihm wahr‐
haftig entsprechenden, erhöhten Geltung
gebracht hat. Ich kann das Buch nur in
dieser ihm neu zuteil gewordenen Ge‐
staltung innerhalb meines nun abge‐
schlossenen Lehrwerkes gelten lassen. Das
betrifft insbesondere auch jene Kapitel,
die um der allseitigen Klärung willen,
neue Bezeichnungen erhalten mußten.
.Viele meiner Worte waren in Vorspann‐
dienste genommen worden, wo sie keines‐
falls angeschirrt werden wollten, so daß
es mir zur Pflicht wurde, sie hinfort vor
jeder Verkennung und irrigen Verwen‐
dung zu schützen, obwohl solcher Schutz
‒ weiß der Himmel ‒ unnötig sein sollte,
da ich niemals den geringsten Zweifel
daran aufkommen ließ, daß ich keinerlei
menschlicher Institution diene und gei‐
stig von keiner menschlichen Ideologie
abhängig bin. Es handelte sich in jedem
einzelnen der zweiunddreißig Abschnitte
meines geistigen Lehrwerkes ewigkeitsbe‐
stimmt darum, mir selbst einen Sprach‐
körper zu gestalten, in dem ich anderen
aufnehmbar werden könne. Mag auch
mein geistiges Leben im Laufe kommen‐
der Jahrhunderte Unzähligen auf geistige
Weise zu ihrem Eigenbesitz werden, so
wird es doch jedem Einzelnen jeweils un‐
geteilt gehören: ‒ substantiell einver‐
schmolzen seiner eigenen ewigen geisti‐
gen Substanz.
Es gibt Zeiten der Menschheitsgeschichte,
in denen der Mensch der Erde sich gänz‐
lich von seiner geistigen Urheimat ver‐
lassen fühlt, ja diese Urheimat auch nur
noch ahnend zu erglauben nicht mehr
fähig ist.
.Hinwiederum aber gibt es andere Zei‐
ten, in denen viele Sucher aus aller Mensch‐
heit sich wieder hin zum
Geistigen wen‐
den, dunkel fühlend, daß auch
der Mensch
auf dieser Erde des Geistes Erbe für sich
erlangen
könnte, aber nicht mehr
des
Weges bewußt ist, der zum wesenhaften
Geiste führt. So sucht man und tastet im
Dunkel, ‒ zwar
bemüht, diesen Weg zu
finden, aber auch jedem Irrweg blind ver‐
trauend, wenn er nur seltsam und ge‐
heimnisvoll erscheint.
.Hier gilt es „
mehr Licht” in das ver‐
wirrende Dunkel zu bringen, denn Un‐
zählige irren planlos zu solchen Zeiten in
den Labyrinthen der Spekulation umher,
oder laufen vermeintlichen geistigen „Füh‐
rern” nach, die ihre Anhänger nur zu sich
selbst und ihrer eigenen Torheit ver-führen.
Wir stehen inmitten einer solchen Zeit
des Suchens nach dem Geiste, auch wenn
zugleich noch allenthalben der brüske
Tiermensch billige Triumphe feiert.
.Es wäre unverantwortlich, wollte man
sagen, daß nur „Sensationsbedürfnis”, eitle
Neugier und hochmütiger Drang nach Er‐
weiterung ihres Wissens alle Suchenden
leite, die da heute trotz aller Gegenströ‐
mung dem Lichte des Geistes zustreben.
.Es wäre töricht,
jene Suchenden gering‐
zuschätzen, die in den Formen
alter Reli‐
gionen den roten Faden zu finden hoffen,
der sie aus den dunklen Irrgängen philo‐
sophischer Spekulation heraus, zu wahrer
Erkenntnis führen könne.
.Es gibt
gar manche Möglichkeit, dem
Dunkel zu entrinnen, und wer ihm zu ent‐
rinnen
vermag, der soll nicht fragen, ob
es auch „noch andere” Wege gäbe, zum
freien Ausgang zu gelangen, wenn nur
sein Weg ihn wirklich zum Lichte leiten
konnte.
.Unter den Suchenden in heutiger Zeit
gibt es aber schon zu viele, die bereits
müde des Suchens sind, weil
jeder Weg
der von ihnen eingeschlagen wurde, sich
als
Irrweg erwies, und weil
jeder vorgeb‐
lich geistige „Führer”, dem sie blindlings
vertrauten, sich schließlich als ebenso
un‐
wissend und
des Weges unkundig zeigte,
wie die von ihm geführte Schar.
.Für
diese so zahlreichen unter den Su‐
chenden schreibe ich in
erster Linie, als
einer, der nur von Dingen redet, die ihm
vertraut sind, wie sie nur selten einem
Erdenmenschen vertraut werden
können.
Jene andere Art der Suchenden aber, die
bereits
gefunden zu haben
glaubt, wird
hier einen
Prüfstein erhalten, der
untrüg‐
lich Echtes von Täuschendem scheidet.
Die einzelnen Abhandlungen dieses Bu‐
ches sind für sich gesondert entstanden und
gesondert lesbar.
.Sie wurden jeweils geschrieben, um vie‐
len Fragenden gemeinsame Antwort zu er‐
teilen, da meine Zeit und Kraft schon da‐
mals nicht ausgereicht haben würde, um
jede persönliche Frage auch gesondert zu
erörtern. Die Themen ergaben sich aus
den Fragestellungen. Es mußte daher auch
manches erwähnt werden, was ich
ohne
wirklich begründete Anfrage gewiß nicht
der Erörterung für wert erachtet haben
würde. Auch die unvermeidbaren Wieder‐
holungen sind durch die Art der Anfragen
gerechtfertigt.
.Aber alle Kapitel dieses Buches sind
dennoch, wie das nicht anders sein kann,
aufs engste im Geistigen verbunden, und
bilden in ihrer Gesamtheit eine Grundlage,
auf der jeder Einzelne in
seiner Art
mit
Sicherheit weiterbauen kann,
stets auf
festen Fundamenten fußend.
.So dürfte es denn kaum einen Leser ge‐
ben, der nicht aus dem hier vorliegenden
Buche reichsten Gewinn zöge: ‒ dem es
nicht wirklich „
mehr Licht” zu bringen
imstande wäre. Allerdings wird sich der
nach Einsicht Verlangende darüber klar
werden müssen, daß wirkliche Einsicht in
die Geheimnisse geistigen, unzerstörbaren
Lebens nicht durch ein neues religiöses
oder philosophisches Lehrsystem zu er‐
langen ist. Daher wird der Suchende in
meinen Schriften kaum je einem soge‐
nannten „Lehrsatz” begegnen, der sich
systematisch einem anderen anschließen
möchte. Ich zeige vielmehr dem Suchen‐
den das Geistige, dem er zustrebt, von den
verschiedensten Gesichtspunkten her in
immer wieder neuen Bildern, seinem Füh‐
len vertrauend und sein eigenes Urteil an‐
rufend, damit er aus dem so Vielfältigen
sich die innere Gewißheit selber verschaffe,
die jede Seele sich nur selbst zu geben
vermag. Es liegt mir nicht das geringste
an der Zustimmung des Verstandes, die
ich etwa bei einem Aufnehmenden meiner
Worte finde. Ich will ihm lediglich die
innere Verfassung erreichen helfen, in der
allein ihm offenbar werden kann, was das
Dunkel um ihn her seiner Seele verbirgt!
.Es wäre total verkehrt, in meinem Lehr‐
werk „Lehrsätze”, ‒ also: formgefaßte
und nur in dieser Formung allein gültige
Behauptungen aufspüren zu wollen. Man
wird nur dann zu der von mir in diese
Zeit gebrachten Lehre gelangen, wenn
man jedes der einzelnen Lehrstücke auf
die eigene Seele wirken läßt, indem man
in jedem zuerst nur mein ewiges geistiges
Sein zu empfinden sucht. Hat man dieses,
mein ewiges, wahres „Sein” endlich emp‐
funden, so wird man auch aus ihm heraus
alle „Antwort” in sich selbst erlangen,
nach der man begehrt, und zugleich die
Gewißheit ihrer unumstößlichen Wahrheit
als Zeugnis ewiger Wirklichkeit.
.Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, daß
man in persönlicher Unterredung mit
mir vielleicht mehr Aufschlüsse erlangen
könne, als in den von mir gestalteten
Lehrschriften zu finden sind. Wer mit mir
spricht, der steht meiner körperlichen
vergänglichen Erscheinung gegenüber, ‒
nicht mir, für den ihm ja alle Wahrneh‐
mungsorgane fehlen! Ich kann ihm wohl
antworten über das Vehikel des mir zeit‐
begrenzt dargebotenen Gehirns, aber es
ist ganz unmöglich, mir in seiner Gegen‐
wart die Sprachgestaltung zu schaffen,
durch die ich substantiell in ihn einzu‐
gehen vermag. ‒ Dazu gehört Einsamkeit
und absolute Isolation von Schwingungen
anderer Gehirne: ‒ unvorstellbar inten‐
sive Konzentration!
Ein Präludium
Es geschehen Zeichen und Wunder in
unseren Tagen, und der Geist fährt wie ein
Sturmwind über die Erde hin, aber die
Menschen dieser Erde liegen im tiefen
Schlafe und sind nicht wachzurütteln.
.In ihren
Träumen suchen sie das
Wun‐
der und verschlafen darüber des Wunders
Wirklichkeit.
.Aber selbst in ihren Träumen suchen sie
nur das Zeichen der
Finsternis und wür‐
den Schrecken und Angst erdulden, könn‐
te das Zeichen des Lichtes sie im Traume
erreichen.
.So fabeln die einen, im Traume lallend,
von einer
Begründung des ihnen liebge‐
wordenen
Glaubens durch ihre
Wissen‐
schaft, indes die andern allen
Glauben
durch ihr Wissen
überwunden wähnen.
.Keiner aber ahnt, daß wache
Wirklich‐
keit, von seinen Träumen unberührt, we‐
der gedankliches
Wissen noch
Glauben im
Sinne eines Fürwahrhaltens braucht, um
Wunder und Zeichen zu gebären.
.Keiner ahnt, daß Wunder und Zeichen
ihn umgeben, während er sich, im Traume
suchend, unruhig wild im Schlafe wälzt.
Wären zu allen Zeiten nicht wenigstens
einige
Wenige gewesen, die gewaltsam
ihrem Schlafe sich entrissen, dann wäre
auch für die Anderen kein
Erwecken mög‐
lich, und in ihren Träumen müßten sie
dem Allbewußten entschwinden wie ein
Traum.
.So aber fanden Fürsten des Lichtes we‐
nigstens
einige wache Augen und Ohren,
denen sie des Lichtes
Zeichen deuten,
denen sie das
Wort des Lichtes künden
konnten, und diese wenigen Erwachten
sind die
Einzigen, die euch auch heute,
an diesem eurem Tage, aus dem Schlafe
rütteln können, wenn ihr erwachen wollt,
und euer Schlaf nicht schon des Todes
bleierne Umhüllung ist.
Wer diese Worte liest, wenn auch in tie‐
fem
Traum befangen, der suche in sich
Erinnerung in seinen tiefsten Schächten!
Vielleicht wird dort, in trübem Dämmer‐
licht, sich noch ein Kleinod finden, das
ihm als teurer Fund den reichen Schatz
gleichwie in ferner Ahnung zeigt, den
einst auch
er besaß!
.Wer aber so in Schlaf gebunden ist, daß
er auch diesen letzten
Schimmer der Er‐
innerung an
waches Vor-Sein nicht mehr
in sich finden kann, der lese diese Worte
nicht, denn ohne Macht, ihn heute seinem
Schlafe zu entreißen, könnten sie ihm nur
die liebsten, altgewohnten Träume stören,
die ihn ergötzen bis zu einem unerwünsch‐
ten Tage, der ihn dann doch erkennen las‐
sen muß, daß alles vordem so „Leibhaf‐
tige” nur Traum und Irrung war.
.Soll ich euch mehr als leere Worte ge‐
ben, dann muß ich manchem heißgelieb‐
ten Traum ein Ende setzen.
.Soll ich euch wirklich aus dem Schlafe
lösen, dann darf mein Wort sich nicht vor
harter Rede scheuen.
.Soll ich euch heute zu euerem Tage
erwecken, dann muß ich alle matten,
müden, schlafbeschwerten Worte eurer
erträumten Erlöser und Heilande mei‐
den.
Auch ich war einst, ‒ wenn auch nur von
außen her, ‒ dieser traumgeborenen Hei‐
lande träumender Schüler, bevor man
mich wachgerüttelt hatte und ich alsdann
erkannte, daß nur ein
einziger „Hei‐
land” uns von Urzeit an geboren ist, den
nie die süße Moderluft des Traumes ahnen
läßt.
.Wohl kamen euch Stimmen Rufender
in eure Wüsten, wohl wurde der
eine Hei‐
land der wachen
Wirklichkeit zu allen
Zeiten von einer „Jungfrau”, ohne Zeu‐
gung, geboren, allein der tosende Ton des
Muschelhorns, das alle zu ihm rief, die
starker Künste Könner werden sollten,
war euch viel zu rauh und wild, und störte
eurer Träume Spiel.
.So habt ihr die Urweltklänge, die sein
Odem neu und wieder neu ertönen ließ,
zu einer sanften, süß-verführerischen
Schäfermelodie gewandelt, damit sie woh‐
lig euch in neue Träume wiege.
.Hinter Jedem, den ihr „Heiland” und
„Erlöser” nennt, stand einer, der es
wirk‐
lich war, weil jeder, der von euch so Be‐
nannten in Wahrheit jenen
einen,
ewigen
Heiland in sich trug, und aus Schlaf und
Traum erwacht, „
des Menschen Sohn” in
sich vollendet hatte! Doch eure phantasti‐
schen
Bilder dieser Großen, die ihr nun
im Träumen ehrt und lobt, sind
Werke
eurer Träume: ‒ wesenlos und Schatten
gleich. ‒
Ob ihr euch Gottes
gläubige oder Gottes‐
leugner nennt: ‒ in beiden Fällen redet
ihr von einem „Gotte”, den ihr selbst
er‐
träumt, von einem „Gotte”, den ihr
nicht
mehr träumen wollt.
.Ihr treibt den lächerlichsten Götzen‐
dienst und träumt, den „einen”, wahren
Gott zu „
kennen” und zu „
ehren”. ‒ Ihr
leugnet euren Gott, und schafft euch
neue
Götter, die
nicht weniger Gebilde eurer
Träume sind. ‒
Nicht einer aus euch ahnt
in seiner Traumbenommenheit, daß aller
Streit, den ihr um Gott und Nicht-Gott
führt, nur wesenloses Nichts dem wesen‐
losen Nichts entgegenstellt.
Aber so, wie hinter euren erträumten Er‐
lösern und Heilanden ein
wirklicher „Hei‐
land” steht, so ist auch euer
Gottestraum
bedingt durch eine
Wirklichkeit, die eurer
Träume Maß verachtet.
.Auch ich, der ich heute wachend zu
euch rede, lag voreinst in euren Gottes‐
träumen, habe euren „Gott”
geglaubt und
habe ihn
geleugnet, bis ich, ‒ erwachend
in meinem Ewigen, ‒ sah, daß nie ein
Traum, dem unbewußten Traum des Er‐
denmenschen gleich, die Größe des
leben‐
digen Gottes faßt.
.Mit Donnerworten möchte ich euch aus
dem
Schlafe erwecken, um euch der laut‐
losen Stille des ewig wachen Lebens der
Wirklichkeit zuzuführen, in der
allein
der „lebendige Gott” in euch geboren
werden kann!
.In euch, ‒ in
dir und in
dir, ‒ muß er
sich selbst im irdischen Bewußtsein
ge‐
bären können, damit er euch erfahrbar
sei! ‒
.Nicht
im All und nicht
außer dem All ist
er von dir für dich zu finden, bevor er
nicht in
dir ‒ und in
dir allein für
dich
leibhaftig ‒ geboren wurde!
.Du lästerst
deinen lebendigen Gott, ob
du nun den „Gott” deiner Träume
glaubst,
oder ob du ihn träumend
leugnest!
.Du lästerst das ewige Sein,
das einzig
Wirkliche, das sich in dir zu
deinem le‐
bendigen Gotte formen will und
dessen
Form du bist, indes du dich im Traume
für „Das Werk seiner Hände” nimmst!
Vom Winde gejagten Vögeln gleich hat
eure Vorstellung von „Gott” eine Sphäre
erreicht, weit
jenseits aller wachen
Wirk‐
lichkeit. Ihr habt euch träumend einen
„Gott” erdichtet, der nur ein
intellek‐
tueller Fetisch ist. ‒ Der Wilde schafft
sich einen „Gott” aus einem Baumklotz,
den er mit dem Messer formt, bis er zu
seiner Seele spricht. Ihr aber schuft euch
euren „Gott”
im Denken aus Gedanken!
‒ Er „muß” vermeintlich so sein wie ihr
ihn haben wollt, und wenn ihr, selbst im
Traum, entdeckt, daß
niemals Wirkliches
aus eurem Götzen redet, dann gebt ihr
doch die Vorstellung nicht auf, daß „Gott”
nur
so, wie
ihr ihn
selbst gestaltet habt,
sein Dasein haben
könnte, ‒
wäre er im
Dasein.
.Ihr wißt nicht, daß der lebendige
Geist,
soll er des Erdenmenschen „
Gott” sein,
den
Menschen, der aus ihm hervorgeht,
braucht, „nach seinem Bilde” sich zu for‐
men. Das
ungeformte Meer des Geistes
wollt ihr fassen, und es entgleitet, indem
ihr es zu halten wähnt, euren Händen!
.Einst sagte euch einer: „
Der Geist er‐
forscht alles, auch die
Tiefen der
Gott‐
heit! ‒ ” Ihr aber erdreistet euch in euren
Träumen, auch den
Geist zu erforschen, ‒
gebt ihm wünschenswerte Attribute, und
nennt ihn, eurer Weisheit froh, in aller
vermeintlichen Ehrfurcht ehrfurchtslos:
‒ euren „
Gott”!
.Die ihn leugnen, bleiben
dennoch ihrem
Wahn verhaftet, denn ihr
Leugnen ist
Wahn, wie der anderen träumender
Glau‐
be. Gedanken
schaffen den Götzen, und
Gedanken
zerstören den Gedachten, ohne
die
Wirklichkeit auch nur von ferne zu
berühren.
Wahrlich, eine
Wirklichkeit ist
Ursache
dieses Wähnens der Träumenden, aber sie
wäre nicht Wirklichkeit, könnte
Traum‐
wahn sie jemals betasten.
.Unnahbar wie der Blitz, der von Wolke
zu Wolke überspringt, blendend wie die
Sonne am Mittag und sogleich wieder in
Nacht gehüllt, ist jenes Wirkliche
ewig
lebendig, und
wirkend sich selbst in sei‐
ner gewaltigen Macht und Größe.
.Aber es ist unendlich ferne eurer Vor‐
stellung vom „Geiste”, ‒ unendlich ferne
jeder Vorstellung von „Gott”, die hier auf
diesem Erdball „Religionen” schuf.
.Und doch: ‒ wenn je ein „Gott” den
Gläubigen erhört, mag dieser Gläubige
nun: Brahma, Allah, „Vater”, „Herr” und
„Heiland”, Christus oder Buddha rufen,
so ist es einzig
jene Wirklichkeit, die ihm
Erhörung schafft. ‒
.Nur wirklich
Erwachten wird sie
offen‐
bar.
.Nur denen, die den Schlaf und seine
Träume
für immer verlassen haben, gibt
sie sich zu
erkennen.
.Nur wer erwacht, mit
wachen Sinnen
seinen Gott
vernehmen kann, darf hoffen,
daß er in ihm selbst
das Wort des Lebens
spreche.
.Solange du noch glaubst, in deinen
Träu‐
men der Gottheit zu begegnen, mußt du
es dulden, daß dich deine selbstgeschaf‐
fenen Götzen äffen und du ihr Spielball
wirst.
Glaube nicht, diese Götzen seien
macht‐
los, wie du selbst dir erscheinst! ‒
.Du
selbst hast sie mit Macht begabt und
weißt es nicht!
.Noch ahnst du nicht, daß du mit Macht
begaben
kannst, und daß gerade darin
deine Macht besteht, daß über Mächte du
gebieten kannst, die
weitaus mächtiger
sind als du...
.So hast du dir Götzen erdacht, und den‐
kend sie mit Macht begabt durch deinen
Glauben!
.Ihr spottet des
Glaubens oder wollt ihn
durch
Wissenschaft stützen, aber ihr wißt
noch nicht, daß euer Glaube
mehr ist als
das,
was ihr glaubt!
.Im
Glauben ist euch eure
höchste Kraft
gegeben, weil ihr durch den
Glauben
Mächte euch zu
Dienern machen könnt,
die urgewaltig wirken, wo sie
durch
den Glauben frei von ihren Fesseln wer‐
den.
.Ihr könnt diese Mächte zum
Dienen
zwingen durch den Glauben, und könnt
sie zwingen, euch zu
quälen, ja euch zu
vernichten!
.Durch das, was ihr von eueren selbst‐
erdachten Götzen
glaubt, habt ihr sie
reich begabt mit
Macht, ‒ und wahrlich,
diese Macht ward nicht zu eurem
Segen,
denn ihr glaubt euch eure Götzen
selbst
zu Kerkermeistern!
.In unserer Zeit ward euch oft gesagt,
daß Gedanken „Dinge” seien, „wirklich”,
wie die greifbare „Wirklichkeit” der Din‐
ge dieser Erde, doch ich sage euch, eure
Gedanken sind wahrhaftig
mehr als die
„Dinge” dieser Erde, ‒ sind Kräfte: ‒
einzielige Bewußtheiten, denen
nichts auf
dieser Erde zu vergleichen ist, ‒ erfüllt
mit gierigem
Lebenswillen, dem
ihr durch
euer Denken Nahrung schafft!
.Aus solchen Kräften habt ihr eure Göt‐
zen gebildet und sie durch euren Glauben
mit der Macht begabt, euch Gutes oder
Böses anzutun nach ihrem Willen.
.Ihr sagt: „Wen Gott lieb hat, den züch‐
tigt er,” ‒ und euer „Gott”, ‒
von euch
geschaffen aus einzieligen Bewußtseins‐
energien, ‒ ist durch euch selbst
ge‐
zwungen, euch zu
quälen, je brennender
ihr das Vorstellungsbild, das ihn formte,
liebt...
.Ihr könnt aber den Gott eurer Träume,
den Milliarden seit ferner Vorzeit schufen,
nicht von heute auf morgen vernichten,
auch wenn ihr stolz verkündet: „Gott ist
tot!”
.Er wird euch immer wieder zeigen, daß
er noch am Leben ist, sich nährend von
Unzähligen, die ihn aufs neue
erdenken,
und seiner Macht gewaltig, die ihm täglich
neuer
Glaube gibt.
.Er spottet eurer Traumes-Übermen‐
schen-Herrlichkeit und läßt euch ruhig
rufen: „Gott ist tot!” ‒ derweil sein Le‐
ben
auf Jahrtausende gesichert ist, durch
tausendjährig wiederholten Glauben.
.Nicht eher werdet ihr euch seiner Macht
entwinden, als bis für euch der Tag er‐
scheint, der euch dem Schlaf und Traum
entreißt.
Aber noch seid ihr des Traumes Sklaven!
.Noch liebt ihr den Traum, der euch den
Tag verbirgt, und haltet ihn für waches
Leben.
.Ihr ahnt noch kaum, daß selbst die
Träume eurer Erdennächte
näher sind
dem wirklich wachen Leben, als das, was
ihr die Wirklichkeit des lichten Tages
nennt...
.Noch
liebt ihr allzusehr die Enge eurer
Träume, gleichwie der Vogel, der im Kä‐
fig aus dem Ei entschlüpfte, nicht ent‐
flieht, auch wenn die Türe seines Kerkers
offen steht.
.Der Vogel fühlt sich darin
heimisch,
weil er nur die Stäbe seines Bauers, die
ihm die Freiheit rauben, kennt und liebt,
und ebenso fühlt ihr euch nur heimisch
in eurem
Wissen von den Dingen, die ihr
gut zu wissen glaubt.
.Es ist euch un-
heim-lich, aus den Ker‐
kerwänden dieses
Wissens hinaus zu flie‐
hen in jene freie, wache Welt der
Wirk‐
lichkeit, die
jenseits allen Wissens ist, ‒
die nur erfährt, wer selber in ihr:
wirklich
wird, und also zu sich selber kommt, be‐
freit von aller Qual des
Wissen-
Wollens.
.Redet euch dann aber wahrhaftig einmal
einer, der davon reden
kann, von dieser
Welt der
Wirklichkeit, die ihn umgibt, ob‐
wohl er selbst auch noch das Traumreich
kennt, in dem ihr lebt, ‒ sofort seid ihr
bereit, mit tausend Fragen ihn zu über‐
fallen, deren Antwort euer
Wissen mehren
soll, doch selten nur will einer alles
Wissen
seinen
Träumen schenken, und
wirklich
werden in der von ihm vielleicht schon ge‐
ahnten Welt der
Wirklichkeit...
.Hier aber liegt der Schlüssel in tiefem
Schachte verborgen, seit Ewigkeit gehütet
von den „Müttern”!
.Wer nicht hinabsteigt zu ihnen, wird
ihn nicht erlangen.
.Wer nicht das Wissen seines Traumes
seinem
Traume überläßt, und mutig auf
sich selbst verzichtend, sich ins
Unge‐
wußte, niemals seinem
Wissen Unterwor‐
fene wenden will, der wird, in
seinen
Träumen vermeintlich
wissend, ewig
su‐
chen können, ohne je zu
finden, was er
sucht.
.Er liebt seinen Traum zu sehr, als daß
ihm jemals ein machtvoller Wille zum Er‐
wachen erwachsen könnte.
.Euer
Wissen-
Wollen ist es, das euch
vom
Erkennen ferne hält! ‒ Euer
Wissen‐
Wollen ist es, das euch nicht
erwachen
läßt! ‒
.Euer
Wissen-
Wollen ist es, das euch zu
Sklaven eurer Götzen macht, wie immer
ihr sie auch mit Namen nennen mögt!
.Solange ihr aber einem selbstgeschaffe‐
nen
Götzen aus „
Gedankentrieben” un‐
terworfen seid, auch wenn ihr ihn „den
einen, wahren Gott” zu nennen pflegt,
kann niemals lebendiger Geist sich selbst
in euch zu eurem „
lebendigen Gott” ge‐
bären.
Bevor der „lebendige Gott” in dir gebo‐
ren ist, mußt du notwendigerweise ein
„gottloser Götzendiener deiner Traum‐
welt” sein.
.Bevor der „lebendige Gott” in dir ge‐
boren ist, bist du lebendig tot, und ahnst
noch nicht in deinen kühnsten Träumen,
was dein
Leben in Wahrheit
ist, ‒ dein
Leben, das du, träumend, längst zu ken‐
nen glaubst.
.Bevor der „lebendige Gott” in dir ge‐
boren ist, muß das „Wissen” deiner
Traumwelt dich am Gängelbande führen,
und alles, was dir
wahrer scheint als frü‐
heres Bedünken, ist nur
neuer Irrtum,
neuer Traum, ‒ nur gültig für die Welt
deines Traumes innerhalb
ihrer Bereiche.
.Dein
Wille zum Erwachenwollen nur
kann dich aus deinen Träumen reißen,
und denen, die bereits erwachten, helfen,
dich aus deinem Schlafe zu befreien.
.Nur in
erwachten Seelen kann der „le‐
bendige Gott” sich selbst aus „Geist und
Wasser” gebären. (Zu „wissen”, was die‐
ses Wort besagt, wird nicht von dir ver‐
langt. Wenn du es jedoch
erfahren willst,
wirst du
zuvor erwachen müssen!)
Noch
möchtest du nur erwachen, allein
du
willst noch deine Träume
weiter träu‐
men!
.Noch bindet dich die Traumwelt, die
dich seit der Jugendzeit umgab.
.Noch fesseln dich der
Andern Träume
allzusehr, und du wagst es nicht, deine
eigenen Wege zu beschreiten, denn dich
schreckt die
Einsamkeit, durch die du
unermüdlich wandern mußt, wenn du die
neuen Gefährten der Welt der
Wirklich‐
heit dereinst erreichen willst.
.Doch all diese Hemmnisse wirst du
überwinden müssen, willst du jemals zur
Klarheit des wachen Tages gelangen.
.Ich rate dir: fasse noch
heute, während
du diese Worte liest,
den festen Willen,
dich nicht mehr länger dem gemeinsamen
Schlafe deiner Schlaf- und Traumgenossen
hinzugeben!
.Ich rate dir: fasse
heute noch den festen
Willen, alles aufzubieten, um im Lichte
meiner Lehre deine Träume als solche zu
erkennen!
.Ich rate dir: überlasse dein ganzes bis‐
heriges „
Wissen” in Ruhe der
Traum‐
welt, die es dir gab, gebrauche es ruhig
weiter, soweit du auch weiter mit Träu‐
menden verbunden bleibst, doch erwarte
nicht mehr von
ihm die Lösung der letzten
Fragen, die das Menschenherz bewegen!
Und ich rate dir ferner: mißtraue jedem
in frommen Formeln sich genügenden
Massenglauben, wie dich gar mancher in
deiner Traumwelt noch immer erreichte,
‒ besonders wenn er dich durch
Ängsti‐
gung gewinnen will! Mißtraue mehr noch
denen, die da allen Glaubenswahn der
Träumenden in einem alles vermischen‐
den neuen Glaubenswahn vereinigen wol‐
len!
.Mißtraue jenen, die durch neue vor‐
gebliche „Wissenschaft” den alten Glau‐
ben ihrer Träume übertünchen!
.Suche dich loszureißen von jeder Vor‐
stellung, die
andere Träumende in deine
Träume brachten, auf deine Frage nach
den letzten Dingen!
.Wohl steckt in jedem Glaubenswahn
ein Körnchen
Wahrheit, wie auch den
Träumen deiner Erdennächte oft ein
äußerliches Geschehen oder ein körper‐
licher Zustand ihre Auslösung schafft, aber
gerade
wegen dieser wenigen wahnver‐
hüllten
Wahrheit kann dir jeder Glau‐
benswahn der Traumwelt, in der du seit‐
her dich „
wachend” glaubst, zum Ver‐
hängnis werden und dich verleiten,
Wahn
um der Wahrheit willen für
wahr zu
nehmen!
.Hüte dich, was du nun zu erlangen
strebst: ‒
die Wahrheit des lichten Ta‐
ges der Wirklichkeit, ‒ durch dein
Den‐
ken erschließen, oder nach den dir be‐
kannten Denkgesetzen überprüfen zu
wollen!
.Was du nun erlangen willst, steht
über
dem Denken, und du kannst erst,
wenn
du es erlangtest, dein Denken zu ihm er‐
heben!
.Was du nun erlangen willst, mußt du
selber
werden: es kann dir niemals durch
die Formen deiner seitherigen Versuche,
die Wahrheit zu erfassen, sich erschließen.
Dein erstes Beginnen muß darauf gerich‐
tet sein,
eine weite Leere in dir zu schaf‐
fen, damit das
Neue, das dich erfüllen soll,
auch
Raum in dir finde.
.Erwarte nicht, daß sich von heute auf
morgen das Neue zeigen werde!
.Es sind
Jahre, ‒ vielleicht Jahrzehnte,
‒ vielleicht ‒ durch deine Art bedingt:
‒ noch längere Zeiten nötig, bis du so be‐
reitet bist, daß man dich aus dem Schlafe
reißen
kann, ohne dich zu gefährden.
.Nur dein beharrlicher Mut kann dich
führen am Anfang deines Weges.
.Wenn du aber ernsthaft bestrebt bist,
dich aus den Fesseln deiner Träume und
der Traumwelt der Andern zu lösen, dann
werden dir, schon nach weniger Zeit, die
Dinge, die du jetzt noch träumend zu er‐
kennen meinst, bald diese, bald jene
an‐
dere Seite zeigen und dich so belehren,
daß du bereits auf dem rechten Wege bist.
.Glaube nicht, daß plötzlich die er‐
träumten Wunder, die man in deiner bis‐
herigen Traumwelt für Zeichen der Er‐
weckung hält, dein Leben erfüllen werden!
.Es
werden Zeichen und Wunder auf
deinem neuen Lebenswege geschehen,
aber ich zweifle sehr daran, daß du sie
bemerken wirst, bevor sich „das dritte
Auge” auf deiner Stirne geöffnet haben
wird...
.Es ist auch
nicht nötig, daß du sie vor‐
dem bemerkst.
.Gar mancher war dem Erwachen nahe
und fiel zurück in Schlaf und Traum, weil
er dem geheimnisreichen Wunderweben
über seinem Wege noch nicht gewachsen
war und sich betäuben ließ durch wunder‐
same übermächtige Stimmen.
Je nüchterner und von Romantik freier
du deine Straße wandelst, desto besser!
.Du sollst nichts erwarten und nichts er‐
streben, außer dem
Einen: ‒ aus deinem
Schlafe, ‒ aus der Traumwelt der An‐
dern, ‒
erwachen zu wollen!
.Je stärker und konzentrierter dich in
stetem Gleichmut nur dieser
eine Wunsch
beseelt, desto eher ist Hoffnung vorhan‐
den, daß man dir
helfen kann, und man
muß dir helfen, denn niemals würdest du
allein das Werk vollbringen, auf welcher
hohen Stufe irdischen Erkennens du auch
immer als Mensch der Traumwelt dieser
Erde stehen magst.
.Halte es nicht für „Ungerechtigkeit”,
daß
du erreichen sollst, was andere
noch
nicht erreichen!
.Ich spreche zu dir, als zu einem, der
dem Erwachen
nahe kommen
kann in
diesen Tagen, ‒ auch wenn er um sich
her nur Träumende gewahrt in ihren be‐
drückenden angstbedrängten Träumen.
Kannst du noch nicht erwachen, dann
werden dir meine Worte ohnehin unver‐
ständlich sein und vorerst unverstehbar
bleiben. Du wirst dann erst zu
späterer
Zeit, ‒ vielleicht erst nach Jahrtausen‐
den, ‒ in
anderer Daseinsform einen ähn‐
lichen Weckruf hören und ihn dann auch
verstehen
können!
Was in der Traumwelt dieser Erde als
„ewige Gerechtigkeit”
gesucht, und allzu‐
oft nur,
nicht gefunden wird, ist eine
bloße Forderung traumgerechter Gebun‐
denheit.
.In jener Welt der
Wirklichkeit, die
euch wie mich umgibt und die ihr nie‐
mals sehen könnt, solange ihr
im Schlafe
träumend sucht, herrscht eine unleugbar
gesicherte
Gerechtigkeit, die aber euren
Augen erst faßbar wird, wenn
ihr zu Wirk‐
lichkeiten wurdet in der Welt der Wirk‐
lichkeit!
.Dann erst werdet ihr sehen, daß Vieles,
was ihr jetzt in eurem Traum als „Gött‐
liche Gerechtigkeit” erwartet, in schauer‐
licher Weise
ungerecht zu nennen wäre,
würde es sich so, wie ihr es hofft, erfül‐
len...
.Und Vieles, was euch heute als schreien‐
des
Unrecht in der „Weltordnung” er‐
scheint, wird dann seine unerschütterbare
Gerechtigkeit euch zeigen, denn
nicht
erst
nach dem Tode des Erdenleibes be‐
ginnen die Wirkungen in die Strandreiche
der geistigen Welt: ‒ die letzten und
un‐
erbittlichsten Folgen erdgezeugter Im‐
pulse!
Sucht nicht vorweg zu erhaschen, was
euch gerechterweise
erst dann zu eigen
werden kann, wenn ihr den „Preis” dafür
entrichtet habt in jahrelanger treuer
Ergebenheit!
.Jede
Erfüllung in der Welt der
Wirk‐
lichkeit kann nur als Folge genau be‐
stimmter,
erfüllter Gesetze euch gegeben
werden.
.Hier läßt sich nichts umgehen und
nichts auf billigere Weise „erhandeln”!
‒ Die euch das Erstrebte
erschleichen
helfen wollen, sind eure erbärmlichsten
Feinde, viel grausamer noch, als jeder
ehrliche Feind, der euch auf eurem ge‐
raden Wege jemals begegnen kann. ‒
.Traut keinem Wort, das euch
schnell
und
ohne harte Zucht zu Erkennern zu
machen verspricht!
.Traut keinem Lehrer, der euch „Me‐
thoden” lehrt, durch die ihr mit den
Mitteln eurer Traumwelt euch zu Geister‐
sehern bilden sollt!
.Traut nicht den Kundgebungen, die
man von weiblichen wie männlichen Som‐
nambulen und „Medien” in den Anfällen
ihrer Nervenkrisen erhalten kann!
.Traut keiner Lehre, die das höchste
Vorrecht des Menschen abhängig macht
von der Art seiner leiblichen Speise oder
von fakirhaften „Übungen”.
.Alles das führt euch nur zu
neuen Träu‐
men und senkt euch
noch tiefer in den
Schlaf, dem ihr entrinnen wollt!
Wer wirklich erwachen will, der
glaube
an sich selbst!
.Wer wahrhaft, als ein „Auferstandener”
die Welt der Wirklichkeit betreten will,
der prüfe,
allein mit sich, in seinem
Her‐
zen meiner Worte
Wahrheit, und handle
dann beharrlich nach der Lehre, die ich
ihm verkünde!
.So wird er Herr seines ewigen Schick‐
sals werden!
.So werden sich ihm die Pforten der
Tempel lichten Erkennens öffnen, die ihm
heute noch verschlossen sind, weil nur der
in sich selbst Erwachte
in sich selber die
Schlüssel zu ihnen findet.
.Geistige Helfer werden ihm jederzeit
geistig nahe sein, so oft er ihre Hilfe
braucht!
.Sie werden ihm aber immer nur dort
allein zu helfen vermögen, wo es um
sein geistiges Erwachen geht, und um
die durch sein Erwachen bedingte, ewig‐
gültige Selbstformung seiner Seele.
.Unnütz und sinnwidrig wäre hingegen
jedes Vertrauen auf geistige Hilfe, wo
immer des Erdenmenschen eigene Kräfte
ausreichen und von ihm gebraucht werden
wollen, um sich in Tat und Wirken entfal‐
ten zu lernen.
.Den, der des Schlafens müde geworden,
sich seiner eigenen Kräfte erinnert, wird
man am ehesten im Geiste zum Erwachen
bringen können!
Es gibt auf dieser Erde eine kleine An‐
zahl rein geistig verbundener Männer, ‒
einen im Ewigen statuierten Konvent, ‒
der schon Jahrtausende hindurch in stiller
Verborgenheit wirkt und doch auf geisti‐
gen Wegen ‒ ohne das gesprochene oder
geschriebene Wort ‒ alle Menschen zu er‐
reichen vermag, deren innere Seelenkul‐
tur durch eigene Arbeit an sich selbst so‐
weit gefördert wurde, daß die Strahlen
geistigen Lichtes, die von dieser, nur aus
dem ewigen Geiste her wirkenden verbor‐
genen Gemeinsamkeit ausgehen, ihre Her‐
zen erfüllen können.
.Dem Menschen der westlichen Welt mag
das verwunderlich und aller Zweifel wert
erscheinen, während der Orientale ‒ dem
auch ihm verborgenen geophysikalisch be‐
stimmten metaphysischen Kraftfelde des
geistigen Wirkens dieser Gemeinsamkeit
räumlich näher ‒ eher an dem Dasein der
Sonne zu zweifeln geneigt wäre, als daß er
zweifeln könnte an dem, was jeder Unter‐
richtete dort über das Wirken jener Weni‐
gen weiß und des öfteren auch selbst er‐
fahren hat.
.Auch im Abendlande hüteten Menschen
in stiller Verborgenheit ‒ schon seit den
Tagen der
Edda ‒ inneres Wissen um sol‐
che geistige Wirklichkeit. Wenn sie auch
nicht überall so klar zutage trat, wie in der
Sage vom
heiligen Gral und seiner Ritter‐
schaft, so war doch das ganze abendländi‐
sche Mittelalter erfüllt von hoher Kunde
aus einem erhabenen Kreise Gottesverein‐
ter, so daß dieser Kunde Spuren in Sage,
Volksglaube und Poesie allenthalben auf‐
zufinden sind.
.In neuerer Zeit war es ein ausschließlich
religiös eingestellter Kreis mystische Tra‐
dition Erforschender, der von den „
weisen
Männern des Ostens” wußte, und seit
einem halben Jahrhundert sprechen soge‐
nannte „theosophische” Bücher von „
Ma‐
hâtmas” und deren Gemeinschaft in einer
„
weißen Loge”, wenn auch die Wenigen,
die man unter diesen Namen zu kennen
meint,
sehr ferne den
Lehren solcher Bü‐
cher stehen, und
weder eine Freimaurer‐
loge oder einen ähnlichen Zirkel,
noch
eine geheime Gesellschaft bilden, sondern
eine rein
geistige Gemeinsamkeit sind, ‒
mit
keiner anderen Menschenvereinigung
irgendwie vergleichbar.
.Gerade der Kunde von „theosophi‐
scher” Seite aber verdanken die Glieder
dieser geistigen Gemeinsamkeit einen my‐
steriösen Ruf, den sie niemals selbst ver‐
ursacht haben, und in dem sie nur ein ver‐
ächtliches,
phantastisches Zerrbild ihrer
selbst zu erkennen vermögen.
.Man hat aus ihnen eine Art von Zaube‐
rern gemacht, oder man stellte sie als
Halbgötter dar, angefüllt mit einem natur‐
wissenschaftlichen „Wissen”, das ihnen in
Wirklichkeit ganz gleichgültig ist, ‒ man
begabte sie großzügig mit göttergleicher
Allwissenheit, in Bezug auf die Gescheh‐
nisse der Erde, und verschrieb ihnen eine
fast unumschränkte Macht über Geist und
Materie.
.Man glaubte sich zu alledem berechtigt,
denn es hatten sich zu Beginn der Bewe‐
gung, die zum erstenmal im Abendlande
von „Mahâtmas” als bestaunenswerten
Übermenschen sprach, gewisse Dinge zu‐
getragen, seltsam genug, um von Unwissen‐
den auf „Halbgötter” zurückgeführt zu
werden, und man glaubt in hypnotischer
Gebundenheit, die Urheber jener Begeb‐
nisse und die „weisen Männer des Ostens”
seien identisch miteinander.
Die wirklichen „Mahâtmas”, wenn man
mit diesem in Indien als Ehrentitel viel‐
gebrauchten und abgegriffenen Worte
noch weiterhin auch Angehörige des Krei‐
ses im ewigen Urlichte Leuchtender die
sich in einem Erdenmenschendasein offen‐
baren, bezeichnen will, haben aber nie‐
mals „geistige Bewegungen” ins Leben
gerufen, oder Vereinigungen zu gründen
versucht, indem sie mit Fakirkünsten
und vorgeblicher wissenschaftlicher All‐
wissenheit auf die Menschen einzuwirken
suchten.
.Sie betrachten das ungestüme Wissen‐
wollen westlicher Wissenschaft als eine Art
geistiger „Vivisektion” und sehen den
Wissenstrieb des Menschen nur dort in ge‐
ordneten Bahnen, wo er den Umkreis sei‐
ner durch das erdenmenschliche Dasein
normalerweise bedingten Erfahrungswelt
nicht überschreitet.
.Ihr geistiges „
Wissen” ist
ganz anderer
Art: ‒ ist eine
absolute Gewißheit der
Seele in geistigen Dingen, und hat mit
wissenschaftlicher Erkenntnis
nicht das
allermindeste zu tun.
.Zwar ist es ihnen erdenmenschlich er‐
wünscht, daß, wer zu ihnen gehört, auch
einen verstandesmäßigen Einblick hat in
die irdischen Gebiete, die mit dem Ver‐
stande zu fassen sind: ‒ sie erwarten also,
daß jeder der Ihrigen einigermaßen über
die Allgemeinbildung seiner Zeit und sei‐
nes Volkes verfüge ‒ aber dem
strengen
Sinn ihrer rein geistig bestimmten Ge‐
setze nach könnte auch jeder Hirte, der
nicht einmal seinen Namen zu schreiben
vermag und fern aller Kultur aufwuchs,
einer der Ihrigen sein, vorausgesetzt, daß
er dazu
geboren ist, denn der „Meister”
wird nicht „gemacht”, so wenig, wie man
aus einem künstlerisch Unbegabten ein
künstlerisches Genie
machen kann.
Es erübrigt sich eigentlich, zu betonen,
daß ein „Meister” des hehren Kreises, den
die groteske „Theosophie” der letzten
Jahrzehnte als „Weiße Loge” bezeichnete,
‒ ein
wirklicher „Mahâtma”, ‒ in des
Wortes wahrer Bedeutung: ein „
Groß‐
beseelter”, oder: eine „
Große Seele”, ‒
an jedem Orte der Erde geboren werden
kann, nicht etwa nur in Indien, China
oder Tibet, und daß es an sich völlig gleich‐
gültig ist, ob er in
früheren oder in
spä‐
teren Lebensjahren in Konnex mit dem
Zentralpunkt „aller Brüder auf Erden”
kommt, ob er
als Jüngling oder
als Greis
die Spiralen der geistigen Schulung durch‐
läuft, die ihn eines Tages erwachen läßt
als legitimen Nachfolger und Erben eines
dahingegangenen Meisters, der auch wei‐
terhin bei der Erde bleibt, dergestalt, daß
er nun sich mit dem Geiste seines Nach‐
folgers
vereinigt und ihm so seine bereits
vollendete Meisterschaft überträgt.
.Erst
dann ist der zum Meister
Geborene
auch
de facto „Meister”, erst dann ist er
sich seines
Priestertums „nach der Ord‐
nung des Melchisedek”
bewußt. ‒
.Im Laufe seiner Entwicklungsjahre hatte
er vorher die verschiedensten Phasen ok‐
kult-geistiger Möglichkeiten zu durchlau‐
fen, so wie das Kind im Mutterleib alle
Stadien der Lebewesen durchläuft, die
unterhalb der Stufe des irdischen Men‐
schen liegen.
.Auf diese Weise stand der noch Un‐
vollendete auch einmal an einem Ent‐
scheidungspunkte, der es ihm freistellte,
zum
Fakir oder zum geistigen
Meister zu
reifen. ‒
.Er hatte Kräfte in sich entdeckt, die es
ihm bald leicht gemacht haben würden,
die unerhörtesten scheinbaren „Wunder”
zu vollbringen, und die
Versuchung, auf
der Stufe des Fakirs zu
verharren, war
groß für ihn. Dadurch, daß er die Kraft
besaß, dieser Versuchung zu
widerstehen,
bezeigte er sich als einer der überaus sel‐
tenen, wirklich
Erwählten, aber er hatte
damit auch auf die okkulten Fakirkräfte
seiner Natur
ein unverletzbares Siegel
gedrückt, durch das sie für alle Zeiten
ge‐
bunden bleiben, falls nicht der im sub‐
stantiellen reinen Geiste verharrende, ur‐
heilige „Älteste”
der Brüder auf Erden
dem späteren Meister geistig erlaubt, die‐
ses Siegel zu
entfernen, was aber nur in
vielen Jahrtausenden vielleicht
einmal ge‐
schieht, und nur im Dienste einer Mission,
die auf gar keine andere Weise zu erfüllen
wäre.
.Um aber durch die Beihilfe eines wirk‐
lichen Meisters eine „Bewegung” ins Le‐
ben zu rufen, wie sie von der Begründerin
der „Theosophischen” Gesellschaft unter
Berufung auf ihre
vermeintlichen „Mei‐
ster” ausging: ‒ um die von jedem Fakir
und jedem Zauberer-Lama verlachten al‐
bernen spiritistischen Tassen- und Brief‐
kunststückchen ausführen zu können, die
sich in der Nähe dieser abnormen Frau an‐
geblich abspielten, wird diese Erlaubnis
natürlich
nie und nimmer gegeben! Ich
hoffe, man wird meine Ironie
verstehen! ‒
.Es ist fast unbegreiflich, daß ernsthafte
Männer von den berichteten Phänomenen
völlig überwältigt, allen Ernstes zu dem
Glauben gelangen konnten, eine nicht nur
ethisch hochstehende, sondern auch ganz
im
geistigen Leben des Kosmos wurzelnde,
rein geistige Gemeinschaft gäbe sich zu
derlei Firlefanz her, nur um ihre „Souve‐
ränität über die Naturgesetze” auf solche
triviale Weise zu zeigen.
Die Kräfte, über die ein geborener und
in seinem Irdischen zur Vollendung ge‐
langter Leuchtender des Urlichts auf die‐
ser Erde verfügt, ‒ ein
wirklicher „Mei‐
ster” der geistigen „weißen Loge”, ‒
wenn wir diese nun einmal geläufig ge‐
wordene Bezeichnung, trotzdem sie rein
willkürlich ist, als Notbehelf beibehalten
wollen ‒ würden sich schwerlich eignen,
um damit
äußere Phänomene zu bewir‐
ken, durch die er in Konkurrenz mit dem
erstbesten entwickelten Fakir zu treten
vermöchte.
.Im äußeren Leben auf dieser Erde ist
jeder wirkliche geistige Meister den
glei‐
chen Naturgesetzen unterstellt, wie alle
übrigen Menschen, und hat längst frei‐
willig darauf verzichtet, die Kräfte zu ge‐
brauchen, durch die er als erklärter oder
geheimer Fakir in den Ruf eines Wunder‐
täters hätte gelangen müssen.
.Um den Preis dieses Verzichtes hat er
allerdings eine Kraft erlangt, die, wie die
Königin in einem Bienenstock, unzählige
andere Kräfte unter sich vereinigt, die
alle durch sie
nur dem Willen des Mei‐
sters dienen, und allen
anderen zum
Ver‐
derben gereichen müßten.
.Diese hohe Kraft und die ihr unterge‐
ordneten Kräfte wirken zwar zurück bis
in die äußere physisch-sinnliche Erschei‐
nungswelt, obwohl ihr
Ursprung hier
nicht mehr wahrgenommen wird, allein
die Wirkungsebene, auf der diese Kräfte
durch einen wahren geistigen Meister
in
Tätigkeit gesetzt werden können, ist allen
verschlossen, die nicht wie er als Leuch‐
tende des Urlichts
geboren und in jahre‐
langer Schulung vollendet wurden.
.Nur
unbewußt reicht jeder Menschen‐
geist auf dieser Erde in jene hohe Sphäre
hinein, und so ergibt sich die Möglichkeit,
von dorther alle Menschen zu erreichen.
Während aber bei den meisten Menschen
eine Inspiration in jener Sphäre völlig
wirkungslos bleibt, weil ihre höheren
geistigen Organe in einer Art Totenstarre
verharren, gibt es doch auch in jedem
Zeitalter eine große Anzahl, bei denen die
geistigen Organe höherer Art bereits in
Tätigkeit sind, auch wenn diese Tätigkeit
von dem Gehirnbewußtsein des irdischen
Menschen noch nicht registriert wird.
.Diese
Vorgeschrittenen, die durch
eige‐
ne Arbeit an sich selbst bereits eine Art
spontaner, unwillkürlicher Tätigkeit ihrer
höheren geistigen Organe erzielten, bil‐
den, ‒ obwohl
auch sie es in ihrem irdi‐
schen Gehirnbewußtsein
nicht wissen, ‒
die eigentliche Gemeinde derer, die den
geistigen Einfluß der „Meister”, der im
Urlicht Leuchtenden, erfahren.
.Bewußt wird dieser Einfluß erst dann,
wenn die höheren geistigen Organe eines
solchen Menschen genügend entfaltet sind
und wenn der Wille, aus der Latenz er‐
wacht, die Inspirationen, die er aus seinem
höheren Geistesbereich empfängt, stets so
ehrlich durchzuführen bestrebt ist, daß
die Gefahren, die einen Unvorbereiteten
beim Erwachen der höheren geistigen Or‐
gane bedrohen, bei ihm als ausgeschaltet
gelten können.
.Es ist nur ein
Schutz, den die Natur den
Hilflosen gewährt, da ja Menschen nicht
mit völlig erwachten höheren Geistes‐
organen zur Welt kommen, wenn sie die
Bedingung stellt, daß diesem Erwachen
erst
eine jahrelange ausdauernde Arbeit
an sich selbst vorausgehen muß, und daß
der zum Erwachen Dringende nicht wirk‐
lich zum Erwachen kommt, bevor er die
Prüfungen bestand, die seine moralische
Widerstandskraft gewährleisten.
.Wäre das
nicht, dann würden die höhe‐
ren geistigen Organe des Menschen, die
seine
höchste Glückseligkeit bedingen,
ihm nur dazu dienen, in absoluter Ver‐
zweiflung und Hoffnungslosigkeit
sich
selbst geistig zu
vernichten, ohne daß der
Verzweifelnde auch nur ahnen würde,
wo‐
zu er sie gebrauchte.
Man glaube aber auch hinwiederum nicht,
daß jene, die zwar noch nicht „erwachten”
und dennoch schon den geistigen Einfluß
der „Meister” empfangen, diesen Einfluß
in gar keiner Weise empfinden könnten.
.Wohl
wird er
empfunden, aber man
ahnt seine
Ursache nicht und deutet zu‐
meist auf eine platt rationalistische Art,
oder befangen in abergläubische oder reli‐
giös gefärbte Vorstellungen, was man le‐
diglich dem Einfluß der „älteren Brüder”
auf hochgeistiger Ebene zu danken hat.
.Dieser Einfluß besteht nicht, wie man
meinen könnte, in der Eingebung beson‐
derer Ideen aus der Erkenntniswelt der
geistigen Meister, wenn auch ein solcher
Einfluß bei höher entwickelten Indivi‐
duen nicht absolut ausgeschlossen ist, son‐
dern er erstreckt sich zumeist lediglich auf
eine
Kräftezuleitung, ‒ auf geistig
ver‐
anlaßte Hilfe, ‒ die den betreffenden
Menschen in den Stand setzt, durch seine
geistigen höheren Organe solcher Dinge
innezuwerden, die in der Richtung seiner
eigenen höheren Impulse liegen.
Es wurde gesagt, daß die Meister „jedes
Volk und jeden Einzelnen” geistig zu er‐
reichen wissen, aber wenn auch schon
ganze Völker unter ihrem lange dauernden
Einfluß standen, so geschah dies nur, weil
diese Völker auffallend viele
Einzelne her‐
vorgebracht hatten, die in den Einflußbe‐
reich der Meister des Lichtes auf hoher
geistiger Ebene zu gelangen vermochten.
Man kennt auf seiten dieser
rein geisti‐
gen Gemeinsamkeit weder Vorrechte noch
Vorurteile in Bezug auf „
Volk”, „
Nation”
oder „
Rasse”, insoferne es sich um Auf‐
nahmefähige geistigen Lichtes handelt.
Man hat es immer nur mit den
Einzelnen
zu tun, aus denen alle diese irdisch ge‐
trennten Menschenkomplexe gebildet
sind.
Die Zugehörigkeit zu
Rassen und
Völkern oder zu deren
Parteien ist auf
jener hohen geistigen Ebene, auf der die
Leuchtenden im Urlicht wirken, nicht nur
durchaus belanglos, sondern auch in kei‐
ner Weise mehr wirksam oder auch nur
erkennbar! Hier herrscht
wirklich eine,
‒ allerdings
rein geistige, ‒ „
allgemeine
Bruderschaft” derer, die in diesen gehei‐
ligten Bereich
gelangen konnten. Alles
Destruktive bleibt ihm schon
aus eigener
Abneigung fern und wäre ihm
niemals
assimilierbar.
Jedoch
gibt es in diesen hohen geistigen
Sphären nur insoweit „
Freiheit”, als sie
durch die
Einordnung in die
Bindungen
des kosmischen Gesetzes sich erringen
läßt, während es niemals eine „
Gleich‐
heit” gab noch geben wird, denn in die‐
sen Regionen herrscht allein das Gesetz
der
Hierarchie, ein Gesetz, das jedem
Einzelnen mit unerbittlicher Notwendig‐
keit die ihm vorbehaltene Stelle anweist.
Der gotische Dom ist das vollkommenste
Abbild dieser hierarchischen, kosmischen
Ordnung! Während die
Mauersteine nach
Tausenden zählen, verringert sich schon
die Anzahl der Steine, die zu
Pfeilern
brauchbar sind, und der
Fialen des Tur‐
mes werden weniger und noch weniger,
bis zuletzt
ein einziger Stein die
Kreuz‐
blume bildet.
.So
verschiedenwertig aber alle diese
Steine auch sein mögen, so sind sie doch
alle zur Harmonie des Ganzen von glei‐
cher
Notwendigkeit, und hierin
allein
kann man einen Ausdruck der „Gleich‐
heit” sehen. Es herrscht eine
absolute
Unterordnung, von der Kreuzblume und
den weithin sichtbaren Fialen des Tur‐
mes an bis zu den verstecktesten Stei‐
nen der Fundamente, die keine andere
Aufgabe haben, als das ganze Gebäude zu
tragen.
.Nicht anders ist es in der geistigen Welt,
deren ewige Harmonie nur durch die un‐
beirrbare Wirkung des hierarchischen Ge‐
setzes gesichert ist.
.Wenn wir das Bild des gotischen Domes
im anderen Sinne beibehalten wollen, dann
ist die verborgene geistige Aufgabe der
Leuchtenden im Urlicht, als Meister des
Tempelbaues, gewissermaßen: ‒ geistige
Hilfeleistung bei der „
Steinmetzarbeit”
der einzelnen an sich selbst arbeitenden
„Steine” die Hilfe
brauchen bei ihrer
Selbstformung. ‒ Es wäre jedoch nutzlos,
daß sich ein geistiger, lebendiger „Stein”
beklagen würde, weshalb er nicht zu einem
Pfeilerstein oder einer
Turmfiale werden
könne, während er vielleicht nicht zu ent‐
behren ist als einer der vielen Mauer‐
steine, die das Gewölbe des Domes nach
außen stützen.
Das „Wissen” des wirklichen Meisters der
kosmischen Baukunst, dem die ewigen
Baupläne vorliegen, ist ein absolut sicheres
Seelenwissen, kein Erschließen und kein
Errechnen, kein Wissen im Sinne einer
irdischen
Wissenschaft.
.Ein Beispiel möge das verdeutlichen. ‒
Jeder Mensch mit gesunden Augen weiß,
daß er bei geöffneten Augenlidern zu se‐
hen vermag.
.Der Vorgang, den wir „Sehen” nen‐
nen, ist aber, wissenschaftlich betrachtet,
äußerst komplizierter Art, und es gehört
eine Menge Denkarbeit dazu, ihn soweit
zu begreifen, wie er gedanklich erfaß‐
bar ist.
.Die Meister halten es in diesem Falle
mit dem allernaivsten Menschen oder dem
Kinde...
.Sie wollen nicht mehr und nicht weniger
als sehen
können, und es genügt ihnen zu
„wissen”,
daß sie sehen.
.Die
irdisch-
wissenschaftliche Untersu‐
chung dieses Vorganges ist für ihre über‐
materielle Welt in jeder Weise belanglos,
aber sie wäre darüber hinaus noch aus‐
gesprochen
schädlich und in höchstem
Grade
verwerflich, denn da hier Tätigkeit
und Untersuchung der Tätigkeit nicht wie
im irdisch-wissenschaftlichen Prozeß des
Erkennens zu trennen sind, so würde
durch die Untersuchung
die Tätigkeit
selbst unmöglich gemacht.
.Mit anderen Worten: auf rein geistigem,
überweltlichen Gebiet läßt sich nur
bei
vollkommenster Naivität absolut sichere
Erfahrung gewinnen, und sehr vieles, was
irdischer Wissenschaft so wichtig erscheint,
daß sich gläubig-fromme Wissenschafter zu
der Hoffnung verstiegen, es müsse wohl
im „
Jenseits” auf alle ihre Fragen „
rest‐
lose Aufklärung” geben, wird auf
gei‐
stiger Ebene nicht nur als wissens
unwert,
sondern als
verderblich betrachtet.
.Man sieht dort in jeder analytischen
Wissens-
Sehnsucht nichts anderes als
das
Unheil, das den Menschen aus dem „
Pa‐
radiese” jagte: ‒ man sieht darin einen
Ausdruck der
Unvernunft, die nicht bes‐
ser handelt, als ein Mensch, der ein Uhr‐
werk, um seinen geheimen Mechanismus
zu ergründen, in scharfe Säuren legen
würde, damit es, in Atome aufgelöst, ihm
Aufschluß gäbe.
.Man weiß in jenen Sphären, daß jedes
analytische Wissen-Wollen zur
entgegen‐
gesetzten Richtung führt, gegenüber dem
kosmischen Gesetz, das aus Kräftepunkten
im Chaos
Formen werden läßt, deren wirk‐
liche Erklärung sich erst in
höchsten gei‐
stigen Formen findet. Man weiß dort, daß
jede
höhere Form die
niedere durchleuch‐
tet, daß aber alles Schließen vom Niederen
aufs Höhere, auch wenn es in gewissen
Grenzen befriedigende Resultate zu ge‐
währen scheint, dennoch ein
trügliches
Erschließen darstellt.
.Dies ist auch der Grund, weshalb es
keinem wirklichen geistigen Meister ein‐
fallen wird, dem Alltagsgeschehen seiner
Zeit, die für seine Zeitbegriffe stets nur
ein winziges Zeit-
Atom bedeuten kann,
mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als für
sein persönliches irdisches Leben gerade
unumgänglich nötig ist.
Atavistische okkulte Überbleibsel, wie
„Hellsehen” und ähnliches, sind bei sei‐
ner von Geburt an gegebenen Artung von
vornherein ausgeschlossen.
.Es gibt kein untrüglicheres Zeichen für
einen „falschen” Meister, mag er auch gu‐
ten Glaubens sich für einen geistigen Mei‐
ster
halten, als wenn man etwa von ihm
weiß, daß er „Hellseher” ist.
.Jeder Hellseher sieht nur,
bestenfalls,
verborgene Dinge, die in den Bereich
der unsichtbaren
physischen Welt fallen.
Glaubt er
Geistiges zu sehen, dann ist er
lediglich den Spiegelungen irdisch ent‐
standener Vorstellungsbilder erlegen, die
wie eine Fata Morgana von tausend und
aber tausend Bildern, die
physische, nor‐
malerweise unsichtbare Aura dieses Pla‐
neten erfüllen.
.Es gab auch noch niemals einen wirk‐
lichen echten geistigen „Meister”, der in
irgendeiner Hinsicht etwa „
allwissend”
gewesen wäre! Alles, was abergläubische
Schwärmer oder gewissenlose Betrüger in
dieser Hinsicht zu jeder Zeit zu verbreiten
wußten, gehört in den Bereich der Fabel.
.Würde ein wirklicher geistiger Meister
in Dingen des irdischen Lebens unge‐
wöhnlichen Scharfsinn bekunden, so läge
das lediglich begründet in seiner
persön‐
lichen menschlichen Begabung, denn nie‐
mals würde er in diesen Dingen okkulte
Hilfe in Anspruch nehmen können, ohne
das bindende Gesetz zu durchbrechen,
mit dessen
absoluter Anerkennung aus
freiem Willen er steht und fällt. ‒
Auch ein geistiger „Meister” kann, soweit
sein Irdisches in Frage kommt, noch „
fal‐
len”, aber auch
er nur kann als Irdischer
die einzige „
Sünde” begehen, für die es
„
keine Vergebung” gibt ‒ „
die Sünde
gegen den heiligen Geist”, ‒ die in sei‐
nem Falle widerstrebendes, überhebliches
Ignorieren Dessen in ihm ist, was durch
ihn sich offenbaren will. Er verschwindet
dann aus der geistigen Welt, lautlos, wie
ein erloschener Stern versinkt im Welt‐
raum. Sein Name ist ausgetilgt aus dem
„Buche des Lammes”, das „sieben Siegel”
trägt.
.Gewiß kann das
Ewige eines solchen
Verbrechers im Geistigen niemals mit sei‐
nem geistigen Selbstmord
vernichtet wer‐
den, aber sein
Individualbewußtsein löst
sich in Jahrtausende dauerndem Zerset‐
zungsprozeß allmählich auf im allgemei‐
nen
planetarischen Bewußtsein, und sein
letztes individuelles Wissen um sich selbst
sagt ihm nur, daß er
sich selbst verurteilt
hat, in qualvolle Nacht zu versinken.
.Er ist „
Luzifer”, der gestürzte Leuch‐
ter, der vor dem Throne des Ewigen stand,
und es ist wahrlich
keine „Erfindung
herrschsüchtiger Priester”, daß es, so‐
lange die Erde Menschen tragen wird,
eine „
Hölle” gibt, daß dieser Planet um‐
geben ist von einem Heer von „
Teufeln”,
die nichts anderes sind, als gefallene „
Got‐
tessöhne”, die nach ihrem Fall nicht Ruhe
finden können, bis der Abgrund des Chaos
den letzten Funken ihres Bewußtseins
verschlingt.
.„Der Teufel aber geht umher wie ein
brüllender Löwe und sucht, wen er ver‐
schlingen könne.” ‒
.Unter lebenden Menschen auf dieser
Erde haben sich diese Gefallenen Helfers‐
helfer verschafft, indem sie ihre Jünger
mit allen Fakirkünsten vertraut machten,
denen sie selbst einst abgeschworen hatten.
.Sie erhalten sie in dem Wahn, sie seien
nicht „gefallen”, sondern über ihre ehe‐
maligen Brüder emporgestiegen, sie wüß‐
ten jetzt, daß deren selbstauferlegte Bin‐
dung an ewige Gesetze frommer Trug sei.
Alles, was auf Erden als teuflisch, böse
und gemein gilt, erklären sie ihren Schü‐
lern als erlaubt, und so erhalten sie bis
auf den heutigen Tag im Innern Asiens ein
satanisches Zerrbild der geistigen Gemein‐
schaft des Lichtes, ‒ einen Pfuhl schauder‐
hafter Greuel, dessen giftige Miasmen alle
niedrig stehenden Menschenrassen ver‐
seuchen, die aber auch auf der westlichen
Erdhälfte nicht wenige unbewußte Opfer
fordern. Hierher gehören auch die über
ganz Asien und andere Erdteile verbreite‐
ten Geheim-Bünde, Bruderschaften und
geheimen Sekten, denen der Mensch aus
religiösen Gründen als ein Nichtseinsol‐
lendes gilt, die aber charakteristischer‐
weise in erster Linie die Ausrottung des
weißen Menschen anstreben.
Ich weiß wohl, daß sich so mancher Leser
noch mehr gegen
diese Mitteilungen sträu‐
ben wird, als gegen
das, was ich von
der nun einmal so bezeichneten „
weißen
Loge” sagte.
.Er wird hier den „Aberglauben alter
Religionen” in neuem Gewande wittern.
.Aber die Lehrer der alten Religionen,
die Priester der alten Kulte, waren zum
großen Teil „
Wissende”, und so verhält
sich die Sache
umgekehrt, indem jene al‐
ten Darstellungen ein mehr oder weniger
verschleiertes Wissen um die
Wirklichkeit
bergen.
.Ich trage hier nicht Phantasien vor und
erzähle keine Märchen! Ich spreche nur
von
Tatsachen, die nicht dadurch aus der
Welt zu schaffen sind, daß man ihre Tat‐
sächlichkeit
leugnet.
.Des wirklichen geistigen Meisters unbe‐
streitbares Vorrecht gegenüber anderen
Menschen ist eine
absolute Erfahrungs‐
sicherheit in rein geistigen Dingen und
seine Macht, auf hoher geistiger Ebene
Be‐
dingungen zu schaffen, durch die in nie‐
deren geistigen Sphären bis herab zu der
unsichtbaren
physischen Aura dieses Pla‐
neten nach Möglichkeit Unheil
verhütet
wird.
.Der Kampf gegen seine ehemaligen Brü‐
der, die in ihrem „Falle” alles mit sich
reißen möchten, was sie erreichen können,
ist eine seiner vornehmsten Aufgaben.
.Da aber dieser Kampf
niemals angrei‐
fend, sondern stets nur durch
Verhinde‐
rung der Anschläge geführt werden kann,
wird die Aufgabe in demselben Maße er‐
leichtert, in dem es gelingt, Menschen auf
die Gefahr
aufmerksam zu machen.
.Die Menschen der heutigen Zeit würden
aber niemals die Gefahren, die sie unsicht‐
bar umdrohen, ernst zu nehmen vermö‐
gen, solange der ganze geistige „Meister”‐
Begriff derart ungeklärt und problematisch
bleibt, wie das bis jetzt der Fall war.
.Solange dem gesunden Menschenver‐
stand noch zugemutet wird, an „Meister”
zu glauben, die auf dieser Erde leben und
gleichzeitig als Halbgötter über dem Le‐
ben des Menschen stehen, solange man
noch an „Mahâtmas” glauben soll, die je‐
den indischen Fakir noch an Trivialität
ihrer Produktionen überbieten, solange
man gar in der Bruderschaft der Leuch‐
tenden eine „Große Schule der Natur‐
wissenschaft” sehen soll (die natürlich un‐
endlich „mehr” weiß als alle Vertreter der
Naturwissenschaft an unseren Hochschu‐
len!), solange kann man es keinem ernst‐
haft Denkenden übelnehmen, wenn er nur
ein mitleidiges Lächeln für die Kunde von
einer solchen Gemeinschaft bereit hat.
.„Geheimnisvoll am lichten Tag” bleibt
trotzdem Vieles, was den vollendeten ech‐
ten geistigen Meister angeht, und man hat
nicht nötig, seine Existenz mit bedenk‐
lichen mysteriösen Schleiern zu drapieren.
Im äußeren Leben ist er
ein Mensch wie
jeder andere und darf niemals seine rein
geistigen Möglichkeiten zur Erhöhung sei‐
nes äußeren menschlichen Lebens miß‐
brauchen.
.Er ist auch keineswegs etwa infolge sei‐
ner Geistigkeit ein menschliches „
Genie”
oder gar ein „
Heiliger”.
.In seinem äußeren Menschenleben wer‐
den ihn nur
sehr geübte Augen zu erken‐
nen vermögen.
.Hier ist er
ein Mensch und nichts weiter!
.Erst auf
geistiger Ebene beginnt seine
„Meisterschaft”, und daß er, als ein irdi‐
scher Mensch, es vermag,
gleichzeitig in
beiden Regionen bewußt zu sein und auch
in der
geistigen Welt
handelnd aufzu‐
treten,
das dankt er dieser Meisterschaft,
die ihm
angeboren ist, und seinem mensch‐
lich gefestigten Willen, der ihn vom einem
gewissen Tage an befähigte, die Spiralen
geistiger Schulung bis zur
Vollendung auf
geistigem Gebiete zu durchlaufen, trotz
aller äußeren und inneren Gefahren und
Hindernisse.
.Geheimnisvoll im
äußeren Leben, ‒
und zwar auch für die Beteiligten selbst, ‒
bleibt
die ständige geistige Verbindung
zwischen einzelnen Meistern, mögen sie
auch an den entgegengesetzten Enden der
Welt leben, und die Verbindung
aller
Meister mit ihrem
verborgenen irdischen
Zentralpunkt im Innern Asiens. Aber kein
wirklicher Meister würde hier jemals den
Schleier lüften, auch wenn es ihm möglich
wäre, und alle die schönen Erklärungen
okkultistischer Bücher, alles Heranziehen
des Allerweltsbegriffes „Telepathie” kön‐
nen niemals die „Methode” einem Men‐
schen begreiflich machen, der sie nicht
selbst auszuüben
imstande ist. Einem sol‐
chen aber genügt es völlig, daß er sie aus‐
üben
kann, und er wird niemals in Ver‐
suchung kommen, sie, und sei es auch nur
für sich selbst, „wissenschaftlich” erklären
zu wollen.
.Allen anderen aber möge es genügen,
zu wissen, daß ein
wirkliches Glied der
„weißen Loge”: ‒ also ein wirklicher
Leuchtender des Urlichtes ‒ auch
durch
Wort und Schrift niemals etwas in Bezug
auf
rein geistige Dinge lehren wird, ohne
völlige Übereinstimmung mit seinen Brü‐
dern und mit seinem wie ihrer aller geisti‐
gen Oberhaupt im ewigen Urlicht.
.Nur für
geistige Dinge besitzt ein
geistiger „Meister”
absolute Gewißheit!
In allen anderen Angelegenheiten und
menschlichen Wissenszweigen hängt seine
Glaubwürdigkeit lediglich von seiner Er‐
fahrung und seinem alltäglicherweise er‐
lernten Wissen und Können ab. ‒
.Möchten diese Erläuterungen dazu die‐
nen, in den geistigen Augen der Menschen
meiner Zeit einen „blinden Punkt” aus‐
zutilgen, der die Ursache ist, daß jedes
Weltbild lückenhaft bleiben muß, wie sehr
es auch im übrigen logisch gefügt und har‐
monisch vollendet erscheinen mag!
.Möge einigen, die „
das Licht” zu
suchen
unternehmen, das Vertrauen erleichtert
werden, daß ihr Weg behütet ist ‒ „
von
den Meistern des lichten Tages”, den Bau‐
meistern am Dome der Menschheit, denen
der
Meister aller Meister die Maßeinheit
des „
Ecksteins” zu eigen gab, der
alle gei‐
stige „Maßgerechtigkeit” in sich enthält!
THEOSOPHIE
UND PSEUDOTHEOSOPHIE
ZUR GESCHICHTE
EINER WORT ‒ ENTWERTUNG
Wenn es den Menschen der westlichen
Welt in ihrer Gesamtheit einmal
möglich
würde, die mancherlei
Narkosen abzu‐
schütteln, die ihnen jede dauernde, klare
Selbstbesinnung rauben, dann müßte ein
Schauder des Entsetzens sie ergreifen bei
der Erkenntnis der grauenvollen Finster‐
nis, die sie umgibt in Bezug auf
geistiges
Wissen.
.Zwar herrscht auf dieser Erdhälfte an‐
geblich das „Christentum” und seine An‐
hänger fußen auf den Schriften der vier
Autoren, die man die „Evangelisten” nennt,
die Bringer der „frohen Botschaft” und
des Lichtes zur Erleuchtung der „Hei‐
den”...
.Nun lassen aber die Schreiber dieser
„Evangelien” ihren hohen Meister also
sprechen zu seinen Jüngern:
.„
Euch ist es
gegeben, die Geheimnisse
des Reiches der Himmel zu
erkennen, den
anderen wird alles nur in
Gleichnissen,
damit sie sehen und
doch nicht sehen,
hören und
nicht verstehen!”
.Ein hartes und furchtbares Wort, wenn
alle Menschen ‒ wie man so gerne meint
‒ „vor Gott gleich” wären, wenn „die
andern” demnach etwa ein
Anrecht hät‐
ten, in
gleicher Weise „die Geheimnisse
des Reiches Gottes” zu ergründen?! ‒
.Aber die heiligen Bücher, auf denen
alle christliche Lehre sich aufbaut, wissen
nichts von dieser „Gleichheit vor Gott”.
‒ Sie unterscheiden mit Schärfe und
Deutlichkeit: „Kinder
dieser Welt” und
„Kinder des
Lichtes”. ‒
.Sie lassen ihren Meister davor
warnen,
daß man „das Heilige den Hunden” vor‐
werfe und „Perlen vor die Schweine”
schütte... Vergleiche, die gewiß deutlich
genug sind, um ihn nicht in der Meinung
befangen zu zeigen, alle Menschen seien
„vor Gott gleich”!
.Die alten Berichte über sein Leben und
Sterben lassen ihn
schweigen auf die Frage
des Pilatus:
wer er sei; doch denen, die
erkannt hatten, was „Fleisch und Blut
nicht offenbaren” konnte, gibt er in Ho‐
heit die
Bestätigung und spricht zu ihnen:
.„Ihr nennt mich
Meister, und ihr habt
recht, denn
ich bin es!”
Wo sind nun aber in den vier Schriften,
die man die „Evangelien” nennt,
die Worte
zu finden, die dieser Meister
allein zu sei‐
nen Vertrauten, zu den von ihm
Auserle‐
senen, gesprochen hätte??
.Es finden sich zwar Worte, die auf
eine den
Jüngern allein bekannte Lehre
schließen lassen, aber die
Lehre selbst
wird man vergeblich suchen.
.Die Kirche Roms ist gewiß nicht im
Unrecht, wenn sie die Lehre des Meisters
von Nazareth nicht nur auf dem „
Schrift‐
wort”, sondern auch auf der „
Tradition”
begründet sehen will, allein: ‒ ist diese
„Tradition” nicht längst
verschüttet und
entstellt, ‒ auch wenn wirklich vielleicht
noch da und dort die letzten
Spuren ihres
Daseins bis in diese Tage reichen?
Man sagt, der Meister der Evangelien
habe keinerlei
schriftliche Aufzeichnung
gemacht und hinterlassen.
.Es steht jedermann frei, mir Glauben zu
schenken oder nicht, wenn ich sage, daß
auf diesem kleinen Planeten Menschen
leben, die mit
aller, jede sonstige Gewiß‐
heit übersteigenden Sicherheit wissen,
daß der Meister von Nazareth
Aufzeich‐
nungen seiner
geheimen Lehren hinter‐
ließ: ‒ daß die letzten davon noch bis zur
Zeit der Christenverfolgungen existierten
und in Rom von getreuen späteren Jün‐
gern vernichtet wurden, um sie nicht in
die Hände der „Heiden” gelangen zu las‐
sen, ‒ sowie, daß im „
Johannes”-
Evan‐
gelium große
Teile dieser eigenhändi‐
gen Schriften auszugsweise
wiedergegeben
sind, soweit sie in verhüllter Sprache spre‐
chen und als
mündliche Worte in den Text
verarbeitet werden konnten.
.Die dieses wissen, wissen auch, daß die
eigenhändigen Schriften des Meisters in
mancher
Abschrift verbreitet waren, und
daß Auszüge daraus sich auch noch in an‐
deren Schriften fanden,
außer dem auf
uns gelangten Evangelium, das den Namen
„Johannes” trägt.
Damit erschöpft sich das Wissen dieser
Wenigen, soweit es sich auf den Meister
der Evangelien bezieht, durchaus nicht;
aber auch sie sind, wie die ersten seiner
Jünger, einem Gesetze verpflichtet, das
sie als Geheimnis wahren läßt, was nicht
allen gegeben werden kann. ‒ Auch reden
sie zu „den andern” nur in „Gleichnissen”
und verhüllenden Symbolen. ‒
.Sie sind die mit jeder Generation er‐
neuerten Bewahrer eines heiligen Schat‐
zes, der durch sie auf diesem Planeten
erhalten bleibt: ‒ die wahrhaften „Ritter
des heiligen Gral” der Sage, ‒ Aus‐
übende eines geistigen Dienstes zu dem
nur
sehr wenige Menschen in jeder Ge‐
neration befähigt sind, da nur
sehr wenige
jeweils dazu geboren werden.
.Man muß aber „
dazu geboren” sein,
wie ein Mensch dazu geboren sein mußte,
Mozart, ein anderer,
Beethoven zu sein,
und ein Mensch, auch nicht durch allen
Fleiß der Welt etwa ihresgleichen „wer‐
den” könnte.
.Die hier nun gemeinten Männer ‒ un‐
ter denen in Jahrtausenden nur selten
einer
europäischen Blutes zu finden war ‒
sind zu jeder Zeit die
einzigen, die jenes
geheime „Wissen” in höherem oder auch
geringerem Grade besitzen, das der Mei‐
ster der Evangelien besaß, und
er besaß
es
nur, weil er
einer aus ihnen war. Er
wußte aber auch, daß es einen „Andern”
gab, dem er, in gleicher Weise wie seine
geistigen Brüder,
alles verdankte, und
von dem er ehrfürchtig selbst bekannte,
daß dieser „größer” sei als er, der von
ihm sprach. ‒
.Er
konnte den Seinen bei ihm „Woh‐
nungen” bereiten, und er hat sie bereitet,
ja
er selbst lebt in seiner geistigen Form
noch heute unter denen, die seines „Va‐
ters” Söhne sind, denn diese, dem ewigen
Geiste eingeborenen Menschen sind auch
nach dem Vorgang, den man den Tod
des Körpers nennt, im freien Besitz ihrer
Kräfte und nicht, wie „die andern”, den
Gesetzen des Planeten unterworfen.
.Sie sind die einzigen wahren geistigen
„
Meister” auf dieser Erde, die
Leuchten‐
den des Urlichtes, die lebendigen Träger
des ewigen „
Christos”-Geistes, die Trans‐
formatoren ewiger, göttlicher Weisheit in
erdenmenschliches Erfassungsvermögen...
.Wem das unglaublich erscheint, oder wer
seinen frommen Kirchenglauben dadurch
in Gefahr sieht, der möge es bezweifeln;
er wird aber an der ihm unbekannten
Tatsache nichts zu ändern vermögen.
.Die Tausende aus allen „christlichen”
Glaubensgemeinschaften, die in ihrer in‐
neren Seelenkultur über das eifernde Kir‐
chentum hinausgelangten und die wirk‐
liche
Gegenwart ihres Meisters zu fühlen
glauben,
huldigen keinem Wahn!
Man hüte sich aber, wie ich schon sagte,
vor der Annahme, die Leuchtenden des
Urlichtes,
unter denen der Meister von
Nazareth noch heute in seiner Geistes‐
form auf dieser Erde lebt, seien etwa
gleichzusetzen mit den „Meistern”, von
denen gewisse, „theosophisch” genannte
Schriften zu erzählen wissen, oder gar mit
der schon erwähnten „Großen Schule der
Naturwissenschaft”, die in Amerika kre‐
iert wurde und den Stempel der Unecht‐
heit, neben allen hochtönenden, moralisch
tuenden Erklärungen ihres mittlerweile
entlarvten Erfinders für jeden Sehenden
an der Stirne trägt!
.„Es werden
falsche Christi und
falsche
Propheten kommen, die Zeichen und
Wunder tun, daß sie auch die
Auserwähl‐
ten verführten, so es möglich wäre.” ‒
.„Die Kinder
dieser Welt sind aber
in ihrer Art
klüger, als die Kinder des
Lichtes.” ‒
Die „
Söhne des Lichtes”, die wirklichen
Vertreter der „
Theo-
Sophia” auf dieser
Erde, sind wahrhaft „Wissende”, aber die‐
ses Wissen ist
anderer Art als das Wissen
irgendeiner
Wissenschaft.
.Allem berechtigten Zweifel entgegen
muß ich bekennen,
daß es ein solches ge‐
heimes „Wissen” für sehr Wenige auf die‐
ser Erde
gibt!
.Es ist ein „Wissen”, das auf
Gewißheit
durch Betätigung gegründet ist und zu
dem keiner kommt, der nicht
von Geburt
an die Fähigkeit mitbringt,
es praktisch
auszuüben, denn es ist kein Wissen „
von”
etwas, kein Wissen „
über” etwas, sondern
besteht nur in einer permanenten
Tat: ‒
in einem bewußten, lebendigen
Einswer‐
den mit dem Gegenstand des Wissens
selbst.
.Der indische Weise Patânjali sagt dem
Sinne nach etwa: „So wie Wasser die
Form
eines Gefäßes, in das man es schüttet, es
ausfüllend,
annimmt, so nimmt der Geist
des Yogi die Form des Dinges an, das er
wissend durchdringen will!” (Daß er nicht
etwa die „Yogis” an Straßen und Tempel‐
pforten meint, versteht sich von selbst!)
.Der Zustand derer, die dieses „Wissen”
sich erwirken können, läßt sich bezeich‐
nen mit den Worten: „
durch Selbstver‐
wandlung wissen”.
.Es gibt
außer diesem geistigen „Wissen”
eine „
Lehre”, die nicht in Worten „ge‐
lehrt” werden kann, ‒ die niemals in
einem Buche niedergeschrieben werden
konnte, weil auch sie einzig der Selbster‐
fahrung zugänglich ist, ‒ und die seit den
ältesten Tagen des zum
Menschentum er‐
wachten Menschentieres, von Meistern,
die „durch Selbstverwandlung wissend”
waren, durch
geistige Übertragung wei‐
tergegeben wurde.
.Auch zum Empfang dieser geheimen
„
Lehre” muß man von Natur aus geeignet
sein, aber es sind immerhin doch
mehr
Menschen zum Empfang
dieser Art von
Belehrung geeignet, als zum Wissen durch
Selbstverwandlung geboren.
.Es gibt ein innerstes, geheimes Reich
des Geistes und geistiger Gewalten, in der
geistigen Region unseres Planeten, dem
alle, die auf Erden leben, ihr
Bestes dan‐
ken!
.Es gibt ein ewiges
Vorleben vor dem
Eintritt des Menschengeistes in diese Welt
der Sichtbarkeit, und es gibt ein ewiges
Fortleben nach dem „Tode” des Erden‐
körpers!
.Es gibt geistige „Wunder”, die jedes
orientalische Märchen noch in den Schatten
stellen und doch Wirklichkeiten sind!
.Aber, was über alle diese Dinge in Wor‐
ten menschlicher Sprache gesagt werden
kann, und was durch eine erhabene Hier‐
archie geistiger Wesenheiten vom „Ur‐
licht” herab bis zu den „Leuchtenden”
auf Erden und durch sie in die Kanäle
menschlicher Sprachen floß, ist
unsagbar
wenig gegenüber dem, was der „
durch
Selbstverwandlung Wissende” seiner
Er‐
fahrung verdankt, der von sich sagen
darf, wie der Meister der Evangelien:
„Alles, was der
Vater hat, ist
mein!” ‒
„Ich aber, und der
Vater ‒ sind Eins!”
Die Gemeinsamkeit der Wenigen, die
„durch Selbstverwandlung wissend” sind,
ist die Darstellung des ewigen „
Christos”
auf dieser Erde, und der Meister der
Evangelien ist einer der höchsten Söhne
dieser geistigen Gemeinsamkeit der Leuch‐
tenden des Urlichtes, die allein den „Va‐
ter”
kennen und also tun können, wie der
„Vater” sie lehrt.
.Die Kirchlichen seiner Zeit nannten
den geistigen Meister aus Nazareth einen
„Fresser und Weinsäufer”, denn sie konn‐
ten es nicht verstehen, daß ein Mensch,
der „aus Gott” sei, also mit den „Sün‐
dern” lebe, ohne die Gaben dieser Erde
zu mißachten.
.Sie wußten nichts davon, daß in ihm
„Das Reich der Himmel”, in dem er gei‐
stig lebte, ‒
nahe herbei gekommen war,
mitten in dieses Leben der Erde, und die
Erkenntnis des Kephas-Petrus war ihnen
fremd: „Herr, zu wem sollten wir gehen?
‒
Du hast
Worte des Lebens!”
.Aber der „Gottessohn” der Evangelien
dachte
niemals daran, seine menschliche
Persönlichkeit als die
einzige Trägerin
dieser Sohnschaft auf der Erde zu be‐
trachten.
.Erst seine späteren Ausleger haben seine
Worte derart mißverstanden, und in
ihrem
Sinne gedreht und verdeutelt. ‒
.Unzählig sind die Irrtümer, die aus der
Nichterkenntnis des
Christos-
Mysteriums
stammen, und mancher irrigen Lehre hätte
man leichtlich wehren können, verstünde
man das Wort: „
Ich bin die Tür; so jemand
durch mich eingeht, der wird selig wer‐
den.” ‒
.So aber wird der „Stein, der zum Eck‐
stein gesetzt ist, von den Bauleuten ver‐
worfen” und die Menschen suchen auf
falschen Wegen, da ihnen der Weg, der
„
Wahrheit” ist und „Leben”, nicht gang‐
bar erscheint.
In unseren Tagen erschien es der Welt als
ein Gebot der Gerechtigkeit, daß das Weib
dem Manne
gleichgestellt werde, und die
Mahnung eines echten geistigen Schülers
seines Meisters, ‒ eines Schülers, der sein
Wissen durch „
geistige Übertragung” er‐
halten hatte, ‒ das Weib solle „schwei‐
gen”: ‒ es solle
nicht lehren in der Ge‐
meinde, da es
weder durch „geistige Über‐
tragung” noch „durch Selbstverwandlung”
wissend werden
kann, wurde als „veraltete
und unwürdige Auffassung vom Wesen des
Weibes” verlacht und verächtlich befunden.
.Mit dem ganzen Vollgewicht seiner ver‐
pflichtenden Erkenntnisbürde muß aber
jeder, dem durch „geistige Übertragung”
oder durch Selbstverwandlung „Wissen”
ward, trotz aller in heiliger Ehrfurcht vor
dem „Wesen des Weibes” begründeten
Verehrung der Frau, die Worte des Paulus
bestätigen, die auch
heute noch zu Recht
bestehen und ihre Gültigkeit auch in Jahr‐
tausenden
niemals verlieren können!
.Man hat nicht umsonst in Indien das
Linga und den
Phallos im alten Hellas
zu allerheiligsten geistigen Symbolen er‐
hoben, ‒ und selbst die Menschen, die
auch nur wenig über das
exoterische Wis‐
sen der alten asiatischen Kulte hinaus zum
höheren
Verstehen kamen, haben doch er‐
kannt, daß man gewisse geheime, hohe
geistige Kräfte
nur dann besitzen kann,
wenn man als Erdenmensch ‒ in natura ‒
besitzt, was diese Symbole darstellen.
Zwitterbildungen waren noch immer,
selbst von den äußerlichsten „Mysterien”
ausgeschlossen, und das Weib hatte stets
nur zu den Vorstufen allgemeiner Beleh‐
rung Zutritt, während nur der Mann zum
„Eingeweihten” werden konnte, obwohl
man auch Frauen wahrlich jederzeit gerne
gab, was sie zu tragen vermochten. (De‐
generierte Mysterienverbände, die bereits
Frauen aufnahmen, konnten das nur, weil
das wirkliche Mysterium von ihnen ent‐
weiht, und ihnen daher längst entzogen
worden war!) Alle höchsten Mysterien in
des Wortes erhabenstem Sinne, ‒ in wel‐
cher Form sie auch in der bisherigen
Menschheitsgeschichte aufgetreten sein
mögen, ‒ sind im Grunde reine, geistige
Sexualmysterien, und „Kundalini”, die
geistgewandelte Zeugungskraft, ist nicht
umsonst den Indern heilig als die höchste
der Yogikräfte, ‒ wenn auch die solcher
Wandlung Kundigen nicht unter den Yogis
zu suchen sind, die der Reisende sieht.
.Alle
geistige Kraftbetätigung braucht
korrelative
körperliche Organe, um über‐
haupt in diesem Erdenleben in Erschei‐
nung treten zu können.
.Ein weiblicher geistiger „Meister” ist
ein Widerspruch in sich selbst, weil eine
Frau die körperlich-geistige
Vorausset‐
zung nicht mitbringen
kann, die sie das
„
Wissen-
Können” eines geistigen Mei‐
sters
praktisch erwirken lassen würde, ‒
denn das verlangt die ausgeprägte und un‐
versehrte
männliche sexuelle Artung! ‒
.Die Frau kann als
Somnambule, als
Seherin geboren sein, aber
niemals kann
aus ihr eine „Initiierte” werden.
.Ihre geistig
höchste Stufe erreicht die
Frau ausnahmslos erst in
nachirdischen
Zuständen durch ihre Verschmelzung: ihre
Einswerdung mit einem
männlich-pola‐
ren, in Göttlichkeit verklärten Menschen‐
geiste, der sie
in sich selbst, in geheimnis‐
voller Vereinung, ‒ wie in einem Taber‐
nakel geborgen, in Liebe eingehüllt, ‒
durch die Unendlichkeit der geistigen
Sphären trägt.
.Man betrachte nur einmal die mancher‐
lei
Männertypen der Evangelien, von dem
Meister angefangen, bis zum entferntesten
seiner Jünger, und vergleiche mit allen
diesen Männern und ihrem machtvollen
Wort, ‒ nachdem sie zur Reife gelangten,
‒ die
Frauengestalten, die in den Evan‐
gelien geschildert werden, um zu begrei‐
fen, in welcher Stellung
allein die Frau
einen Platz finden kann, wenn das
Chri‐
stos-
Mysterium des Mannes ihr Dasein
wirksam berühren soll.
.Die beiden Pole des Geschlechtes sind
ewiger Natur und reichen bis ins Innerste
des
Urlichtes hinauf.
.Niemals war eine Frau, wie populäre
Afterweisheit orakelt, „in einer früheren
Inkarnation” ein
Mann, niemals
könnte
sie „in einer späteren Inkarnation” zum
Manne
werden!
.Was heute auf Erden „Mann” ist, war
immer, auch vor Ewigkeiten,
männlich‐
polarer Art in
ursprünglicher Geistnatur,
und was heute auf Erden als „Weib” lebt,
war ewig
weiblich-geistiger Artung aus
dem
weiblichen Sein in der Gottheit her,
die da „Mann” ist
und „Weib”!
.Die absurde Annahme, die Polarität der
Geschlechter sei nur im
Physischen be‐
gründet und könne
wechseln, verrät eine
absolute Unkenntnis der primären Ge‐
setze des Geistes, in dem alle polare Ge‐
schlechtlichkeit, auch die in der ganzen
nichtmenschlichen
physischen Welt sich
auswirkende,
von Ewigkeiten her ge‐
geben ist.
.Daß manche Frauen „lieber Männer
sein” möchten, liegt nur in ihrer
weib‐
lichen Geistesnatur begründet.
.Wären sie jemals Männer „
gewesen”,
so wäre dieser Wunsch ihnen fremd.
.Das, was überdies in normalen Fällen
allein „reinkarniert”, sind lediglich die
nicht saturierten niederen
Seelenkräfte,
die im Seelenkomplex neuer Menschen
immer wieder auftreten, bis der
Impuls,
durch den sie in einem früheren Men‐
schen
geformt wurden, endgültig er‐
schöpft ist.
.Sie können freilich von Männern auf
Frauen und von Frauen auf Männer über‐
tragen werden, aber
ohne die bestimmte
Sexualität ihrer jeweiligen Träger zu ver‐
ändern.
.Jeder Mensch jedoch ist eine völlig
ein‐
zigartige Emanation des mit Individualisie‐
rungswillen „geladenen” ewigen Geistes,
männlicher
oder weiblich-polarer Span‐
nung, ‒
obgleich im Manne auch Weib‐
liches und im Weibe Männliches lebt, ‒
und ein Mensch, der hier auf Erden seinen
Lebensweg vollendet hat, kehrt unter nor‐
malen Umständen
niemals als ein späterer
Mensch auf die Erde zurück.
.Die Fälle
abnormaler Art, in denen tat‐
sächlich „Reinkarnation” in dem plumpen
Sinne exoterischer Lehre eintreten
kann:
‒
Selbstmord,
Tod im frühen Kindesal‐
ter oder
auf gänzlich vertierter geistiger
Stufe ‒ sind für die Regel kaum von Be‐
lang und müssen jedenfalls hier insofern
außer betracht bleiben, als auch bei ihnen
niemals eine Änderung der von Ewigkeit
her gegebenen Geschlechtspolarität ein‐
treten
kann.
Was man heute „Theosophie” zu nennen
beliebt, sagt über diese Dinge freilich
an‐
deres aus, und die gläubigen Bekenner mo‐
derner „Geheimlehren” werden in mei‐
nen Worten einen Angriff auf ihr liebstes
Dogma sehen.
.Aber ‒ ‒
wer ‒ hat diese „Geheim‐
lehren” der Welt in so reicher Fülle ge‐
geben??
.Gehen nicht
alle diese Lehren, geht
nicht
alle diese angebliche „Entschleie‐
rung” geheimer Weisheit, die seit nahezu
einem halben Jahrhundert so manche Ge‐
müter bannte, von einer
Frau aus?
.Einer allerdings in gewissem Sinne „ge‐
nialen” Frau, die manches an echter Weis‐
heit zu erfassen wußte, von dem, was ihr
durch ihre somnambule Veranlagung zu‐
kam, die aber leider auch genötigt war,
sich von
männlichen Kräftebeherrschern
aufs ärgste seelisch
mißbrauchen zu lassen,
weil sie solchen Kräften, als Frau, einfach
nicht gewachsen sein
konnte, und die man
schließlich, von autoritativer Seite her, in
die Irre führen lassen mußte, weil sie
sonst, ohne die Tragweite ihres Handelns
zu ahnen, zu einer „Gefahr für die Welt”
geworden wäre.
.Es war leider eine
Frau, deren Ehrgeiz
hier zu geben
suchte, was nur einer derer
hätte geben
können, die „durch Selbst‐
verwandlung wissend” sind, was aber ein
solcher
niemals in der von ihr gewünsch‐
ten Form gegeben haben
würde.
Man sagt nun: „Sie war ja nur ein Werk‐
zeug in der Hand ihrer „Meister”, denen
sie hingebend diente!”
.Gewiß! ‒ Das ist leider nur allzu
wahr,
und eben darum wurde ihre, in einer Mi‐
schung von Überheblichkeit und blindem
Vertrauen dargebotene Gabe ‒ ein Danaer‐
geschenk!
.In ihren Schriften finden sich Bruch‐
stücke wirklicher, ewiger Weisheit, ara‐
beskenhaft durchschlungen mit dem Aber‐
glauben aller Jahrhunderte und aller Zo‐
nen.
.In ihren Schriften finden sich Ahnungen
höchster Erkenntnis, umwallt von einem
Nebelbrodem scheinbaren „Wissens”, das
aus Grüften düsterster menschlicher Ver‐
irrung stammt, von denen, die es ihr ga‐
ben, für „heilig” gehalten, weil es nur
unter Preisgabe des Heiligsten, das der
Menschengeist besitzt, zustande kam.
.In ihren Schriften finden sich Spuren
uralter Geisteswege, überwuchert von ‒
parodierten ‒ Erklärungsversuchen, die
man ihr gab, um sie zu narren.
.Die
Quellen ihrer Inspirationen sind
äußerst verschiedenwertig, und dem ent‐
spricht bei ihr das jeweils Gegebene.
Die unglückliche Frau mußte ja, ‒ wie
wenn sie eine Art lebender „Telefunken‐
station” gewesen wäre, ‒ infolge ihrer
abnormen somnambul-medialen Veranla‐
gung
alles aufnehmen, was sie aus aller
Welt und darüber hinaus erreichte.
.Es fehlte ihr, als
Frau, die niemals die
erforderliche Gegenprobe auszuführen im‐
stande sein konnte,
jede Möglichkeit ei‐
gener sicherer Kontrolle der
Quellen.
.Vertrauensvoll glaubte sie an die „über‐
ragende Weisheit”, die ihr unter anderem
von einer Seite übermittelt wurde, die
noch heute ein absonderliches Vergnügen
daran findet, „das Wissen der Westlichen”
zu
parodieren, ‒ die noch heute bei „spi‐
ritistischen Sitzungen” und wo sie sonst
eines medial veranlagten Europäers hab‐
haft werden kann, zu diesem Zwecke alle
okkulten Künste spielen läßt, ‒ was frei‐
lich denen, die dieses Gebiet menschlicher
Betätigung nicht aus
über-sinnlicher Er‐
fahrung kennen, recht wunderlich und
unglaubhaft erscheinen mag, obwohl sie
vielleicht selbst schon, geistigerweise, Op‐
fer derartiger Menschen wurden, ohne es
zu ahnen.
.In völliger Passivität verfiel sie den Be‐
einflussungen einer anderen, über ganz
Asien verbreiteten und am tiefstem in ein‐
zelnen Gegenden Tibets wurzelnden Ge‐
heimsekte, deren
religiöse Pflicht es ist,
alle ihr reichlich bekannten okkulten Mit‐
tel aufzubieten, um Europäer zu schädigen
und, wenn möglich, zu vernichten.
.Daneben gingen Einflüsse edler Schwär‐
mer, die sie aus jenen Banden zu
retten
suchten, aber
selbst nur
Talmi statt
Gold
zu geben hatten, und die noch überdies
bedenklich an ihr handelten, indem sie
ihr Beeinflussungsobjekt gerne in dem
Glauben ließen, gewisse
andere Manifesta‐
tionen
physischer Art, die diesem sehr im‐
ponierten, rührten ebenfalls von
ihnen
her, die dann unbedenklich solche Mani‐
festationen für
ihre Zwecke
benutzten.
Die gequälte Frau war nur allzu geneigt,
in kritikloser Eitelkeit
alle Manifestatio‐
nen auf die denkbar
höchste und
edelste
Quelle, deren
Vorhandensein sie auf som‐
nambule Weise in
Erfahrung gebracht
hatte, ‒ mit der sie aber
nie in Berührung
kam, ‒ zu beziehen.
.Es war oft ein wahrer Hexensabbat der
verschiedenwertigsten okkulten Einflüsse
auf das erregbare Gemüt dieser beklagens‐
werten Frau konzentriert, und hätte Herr
Hodgson etwas von den
wirklichen Vor‐
gängen um sie geahnt, dann wären die
„
Proceedings of the Society for Psychical
Research” um einige Nummern reicher,
die in der ganzen Welt an Interessantheit
kaum ihresgleichen fänden. So aber konnte
er nur ihre äußeren
Täuschungsversuche
aufdecken. (Siehe genannte Berichte!)
.Nun sagte ich aber schon, daß man noch
außerdem von
autoritativer Seite her
ge‐
nötigt war,
auf eine indirekte Weise alle
Mitteilungen an jene Frau
verwirren zu
lassen, die sich auf gewisse Dinge bezo‐
gen, deren Geheimhaltung für jeden da‐
von Wissenden strengste Pflicht ist, will
er nicht, daß dem schauerlichen Reich‐
tum an Zerstörungs-Erfindungen, über
den die westliche „Kultur”-Menschheit
verfügt, noch die entsetzlichsten okkult‐
geistigen Spreng- und Auflösungskräfte
beigefügt werden. ‒
.(Wie Feuer und Elektrizität als wohl‐
tätige Diener des Menschen fungieren,
aber auch alles dem Menschen Wertvolle
vernichten können, so wirken jene Kräfte
in der Hand verantwortungsvoller
Berufe‐
ner zum
Segen der Menschheit, während
sie
allen anderen, auch wenn dies gegen
ihren Willen ist, zu
Vernichtungskräften
werden.)
.Man wird begreifen, daß aus allen die‐
sen Einflüssen und Gegeneinflüssen nichts
anderes resultieren
konnte, als das mit den
wunderlichsten Schlingpflanzen durchwo‐
bene Urwald-Dickicht, das in den Schrif‐
ten und den Berichten über das Leben der
merkwürdigen Frau sich weithin ausbreitet.
Aus den seltsamen Orchideen und betäu‐
bend duftenden Dschungelblumen dieses
tropischen Urwaldes sind nun aber die
Kränze gewunden, die man seit den
Erdentagen dieser seherischen, unglück‐
lichen Somnambule in Ehrfurcht auf den
Altären des Tempels der „Meister” opfern
zu müssen meinte...
.Auf den Lehren dieser, für äußere Au‐
gen so abenteuerlich mysteriösen Frau
baut sich schlechthin
alles auf, was seit
ihrer Zeit den Namen „
Theosophie” für
sich usurpierte.
.Männer, die durch ihre
eigene som‐
nambule Veranlagung sich zu dieser Frau,
zu ihren Schriften oder den Berichten
über ihr Leben hingezogen fühlten, unter‐
lagen den
gleichen Einflüssen wie sie,
und „bestätigten” nun in ‒ wie sie es
nannten ‒ „geisteswissenschaftlicher For‐
schung” ‒ was ihre in unterweltlichen
Feuerbränden glühende Prophetin ver‐
kündet hatte.
.Frauen hochsensitiver Veranlagung und
erfüllt von reinster Begeisterung, lebten
sich derart in die Vorstellungswelt ihrer
berühmten Vorgängerin ein, daß sie bald
alles „sehen” lernten wie
Frau Helena
Petrowna Blavatskij es gesehen wissen
wollte, und daß jeder leise Zweifel an
irgendeiner Behauptung, die durch ihre
Autorität gestützt war, ihnen wie ein Ver‐
brechen gegen alle geistige Wahrheit er‐
schien.
.So wurde schließlich ein Boden ge‐
schaffen, auf dem die verschiedensten gei‐
stigen Parasiten nur allzu üppig gedei‐
hen konnten, und ihre Entzündungsherde
durften sich ungehindert immer weiter
ausbreiten, denn es war ja nur allzu leicht,
jede noch so abstruse Lehre entweder
durch die in den Schriften der „Dienerin
der Meister” aufgefundenen Aussprüche
zu stützen, oder aber sie als neuestes Er‐
gebnis der „geisteswissenschaftlichen For‐
schung” auszugeben.
Besonders die
letzte Methode tat immer
ihre Wirkung, denn „geisteswissenschaft‐
liche Forschung” ‒ das klang dem an
die exakt-wissenschaftlichen Forschungs‐
methoden der Naturwissenschaft gewohn‐
ten Abendländer so
vertrauenerweckend,
daß er sich ohne weiteres von beson‐
ders geschickten Begriffs-Jongleuren „For‐
schungsergebnisse” vorführen ließ, die
nur, ‒
bestenfalls, ‒ in der
Selbsthypnose
der „Geistesforscher” zustande gekommen
waren, und nun den Anlaß zu verhängnis‐
vollen, durch mancherlei Nebenmittel ge‐
förderten
Kollektivhypnosen boten...
.Jeder, der die Geschichte der anglo‐
indischen „theosophischen” Bewegung
und ihrer Auswirkungen auch nur einiger‐
maßen kennt, wird unschwer Beispiele
finden, auf die sich meine Worte bezie‐
hen.
.Daß sich diese Bewegung auch in
Indien
ausbreiten konnte, spricht nicht sehr zu‐
gunsten der Urteilskraft moderner, halb‐
europäisierter Inder. Allerdings läßt sich
das Urteilsvermögen vieler
Europäer ge‐
wiß
nicht höher einschätzen, die jedem
Phantasten, ja jedem geschäftstüchtigen
weltbereisenden asiatischen Gaukler, in
Scharen nachlaufen, wenn der vermeint‐
liche „Seher”, „Meister”, „Yogi”, oder
wie immer er sich nennen mag, nur einen
exotischen Kaftan oder Ähnliches trägt,
und etwa gar noch möglichst dunkler
Hautfarbe ist. ‒
.Wer es vermag, die Schriften der
Be‐
gründerin dieser Bewegung nicht nur mit
gläubigem Staunen und ehrfurchtsvoller
Befangenheit zu lesen, ‒ wer es wagt,
diese Schriften auch einmal
kritisch durch‐
zuprüfen und wer die Berichte über das
Leben der Verfasserin ebenso kritisch zu
betrachten unternimmt, der wird gar bald
imstande sein, alles, was ich über die
Quellen ihrer Inspiration sagte, selbst be‐
stätigt zu sehen. Er wird auch bald ent‐
decken, daß ein seinerzeit Aufsehen er‐
regender Versuch, die unglückliche Frau
als das Opfer
europäischer Okkultisten
darzustellen, auf völliger Unfähigkeit be‐
ruhte, die Dinge, wie sie
wirklich lagen,
durchdringen zu können.
.Ich glaube nicht, daß ich bei halbwegs
Urteilsfähigen noch genötigt bin, Rechen‐
schaft abzulegen über die Quelle
meines
Wissens in dieser Sache.
.Nach allem, was ich bis jetzt darlege,
mag man mir zwar den Glauben versagen,
wenn man dazu nach Überprüfung dessen,
was sich leicht überprüfen
läßt, noch
den zweifelhaften Mut finden sollte, aber
daß ich, meiner Verantwortung wohl be‐
wußt, aus einer
absoluten Wissensgewiß‐
heit spreche, dürfte wohl auch denen
nicht ganz entgangen sein, die es für ihre
Zwecke lieber gesehen hätten, diese Worte
wären niemals geschrieben worden.
.Auch
ich hätte sie lieber
nicht geschrie‐
ben und mein Wissen still für mich be‐
halten, wenn ich nicht zu ihrer Nieder‐
schrift
verpflichtet wäre.
.Ich spreche in völliger Übereinstim‐
mung mit denen, die Frau
Blavatskij zwar
auf somnambule Weise
ahnte, mit denen
sie in Verbindung zu sein
glaubte, mit
denen sie aber
niemals in irgendeiner
„
okkulten”
oder auch nur der äußer‐
lichsten Verbindung war.
.Unsere Kenntnis der Dinge gründet sich
nicht auf irgendwelche äußeren Beobach‐
tungen, sondern ergibt sich aus einer Wahr‐
nehmungsart, vor der es keine Schleier
und Hüllen geben
kann, so dicht sie auch
selbst unseren
äußeren Augen gezogen
erscheinen mögen.
.Im Namen derer, die „durch Selbstver‐
wandlung wissend” sind und deren stille,
verborgene geistige Gemeinschaft schon
viele Jahrtausende überdauert hat, erkläre
ich, daß
Frau Helena Petrowna Blavatskij
irrte, als sie glaubte, jemals mit einem
aus uns
in direkte okkulte oder äußere
Berührung gekommen zu sein, und daß
sie
keine Ahnung hatte,
wer ihre Inspira‐
toren in Wirklichkeit waren, die Inspira‐
toren der Lehren, die sie selbst mit dem
Namen „Theosophie” zu belegen für gut
fand, durch die willkürliche Benennung
der von ihr gegründeten Gesellschaft, die
vor dieser Umtaufe eine sehr wesentlich
andere Bezeichnung getragen hatte und
sich offen: „spiritistisch” nannte.
Die von ihr verkündeten Lehren sind ein
Mixtum compositum der heterogensten
Vorstellungen aller Zeiten und Völker,
vermehrt durch persönliche Zutaten der
Herausgeberin und ihrer äußerlich helfen‐
den englischen und anderen westlichen
Freunde, und haben mit wahrer „Theo‐
sophie”, so wie das Wort seit manchem
Jahrhundert verstanden wurde, seit es
durch den Apostel Paulus Verbreitung
fand, so wenig gemeinsam, daß es eine
Begriffsfälschung darstellt, sie mit die‐
sem Namen zu bezeichnen.
.Echte „Theosophie” vermag es wohl,
sich in die verschiedensten religiösen Ge‐
wänder zu hüllen, aber niemals kann ein
zusammengeflickter Mantel aus den Über‐
resten der Priestergewänder aller Reli‐
gionen seinen Träger mit „Theo-Sophia”:
‒ mit Gottes-Wissen oder Gottes-Erken‐
nen ‒ begaben.
.Man mag Lao-tse, die großen indischen
und tibetischen Religionslehrer, den Apo‐
stel Paulus und den Verfasser des „Jo‐
hannes”-Evangeliums ebenso als Verkün‐
der wahrer „Theosophie” bezeichnen, wie
die weisheitstrunkenen echten alten mos‐
limischen „Sufi” im alten Persien, oder
den „letzten indischen Propheten” Ra‐
makrischna, ‒ die mystischen Philoso‐
phen Tauler und Meister Eckhard, oder
den noch lange nicht verstandenen geistig
erbheimischen Jakob Böhme, ‒ aber es
geht nicht an, die Niederschläge der ok‐
kulten Besessenheit, die in der „Geheim‐
lehre” der Frau Blavatskij vorliegen, als
„Theosophie” zu deklarieren.
.Das wirkliche Verdienst dieser aben‐
teuerlichen Frau bestand darin, daß sie
der Welt des Westens Hinweise gab auf
die Existenz einer Weisheitsquelle im
„innersten Osten”, die sie, wie Moses das
gelobte Land, zwar
ahnend erschaute, de‐
ren Wasser aber ihre ungestüm heischen‐
den Lippen niemals netzten.
Wie man dieser reinen Quelle, die „von
hohen Bergen fließt”,
wirklich nahe kom‐
men kann, habe ich in meinen Schriften
stets wieder zu zeigen unternommen.
.Wer diese Quelle erreichen will, muß
in seinem eigenen Innern suchen und
hier den „Höhenweg” ersteigen.
.Er bleibe ruhig in seiner, ihm von
Jugend an vertrauten Glaubensform und
übersetze sich das, was ich in meinen
Schriften gebe, in dieser Glaubensform alt‐
begründete Begriffe, wohl bedenkend, daß
ich in
erster Linie für Menschen schreibe,
die in den herrschenden Glaubensformen
kein Genügen fanden und dennoch ihren
lebendigen Gott zu erringen trachten.
.Wer weitere Belehrung zu brauchen
glaubt, und auch zwischen den Zeilen zu
lesen versteht, der durchforsche nur nüch‐
ternen Sinnes die Schriften der oben ge‐
nannten mystischen Philosophen, zu de‐
nen noch
Angelus Silesius und
Thomas â
Kempis mit Fug und Recht zu zählen sind.
.Er wähle sich aus, was zu seiner
Seele
spricht, wo immer er es finden mag, aber
er vermeide den Irrtum, als sei „
das Wis‐
sen der Seele”: ‒ die
wirkliche „Theo‐
sophie” aller Völker und Zeiten! ‒ ein
„Wissen” im Sinne einer „
Wissenschaft”.
Als bedürfe dieses „Wissen der ewigen
Seele” einer Förderung durch äußeren
Gesellschaftsverband oder könne jemals
durch das Studium dickleibiger Folianten
errungen werden. ‒ Es würde aber auch
eine Lebensarbeit bedeuten, wollte sich
jemand die Aufgabe stellen, jedes in
der Welt vorhandene schriftliche Zeugnis
wahrhaft geistiger Lebendiger
kennenzu‐
lernen, und ein in solcher Art verbrauch‐
tes Leben würde dabei noch
weitab führen
von dem Wege der Seele zum Licht. Alle,
die solchem Erspüren ihr Leben gewidmet
hatten, sind noch immer zuletzt in tiefster
Seelennot von dieser Erde abgeschieden.
.„Wer suchet, der wird finden, und wer
anklopft, dem wird aufgetan”: ‒ aber nur
stete
Beharrlichkeit beim Suchen und
Anklopfen
im eigenen Innern führt zum
Ziele, das der Meister der Evangelien sei‐
nen Auserwählten zeigte, als er sagte:
.„
Wer an
mich glaubt, der glaubt nicht
an
mich, sondern an
den, der mich
ge‐
sandt hat!”
.„Denn ich habe nicht von mir selbst ge‐
redet, sondern der
Vater, der mich
ge‐
sandt hat,
der hat mir das Gebot gegeben,
was ich reden und was ich lehren soll.
Und ich
weiß, daß sein Gebot das ewige
Leben ist. Darum, was ich rede, rede ich
so, wie es mir der
Vater gesagt hat!”
.In diesen Worten spricht er für Jeden,
der den „Vater”
kennt, mag er in Indien,
China, Tibet, oder aber nun im modernen
Europa sich in seinem Irdischen offen‐
baren.
Die Worte eines Jeden, der lehrt,
wie es ihm der „Vater”
geboten hat, füh‐
ren hin zu
wahrer „Theo-Sophia”, die
identisch ist mit dem urgegebenen, ge‐
heimnisvollen geistigen „
Christentum”
aus dem ewigen „Christos” im Urlichte,
dessen erhabenster Tempel auf Erden
lange
bevor der Meister von Nazareth als
ein ihm Eingefügter die ewige Liebe er‐
leben lehrte, im „innersten Osten” allein
gefunden ward. Hier wird er bestehen
bleiben bis zum Ende der Tage auf dieser
Erde, und mit ihm für
alle Zeiten die
ewig Verordneten, die ihm eingefügt sind
als „
Priester nach der Ordnung des Mel‐
chisedek”: ‒ der Ordnung, die das
Ewige
sich selbst im Zeitlichen setzt!
.Nur diesen unsagbar wenigen Erden‐
menschen, deren ewiges Geistiges aus der
„Sóphia”: ‒
der Weisheit! ‒ Gottes, als
dem ewigen
weiblichen Pole des substan‐
tiellen Geistes, die Bewußtseinsgestaltung
dazu empfing, ist es nach dieser Ordnung
jemals
möglich, auch ihren irdischen Mit‐
menschen die Erkenntnis und das Wissen
um die
Sóphia in Gott
zu vermitteln!
Umgeben von einer Welt, die sich nur
phy‐
sischen Sinnen offenbart, ‒ dem Außen‐
körper nach
selbst ein Teil dieser Welt, ‒
erschöpft sich dennoch des Menschen Da‐
sein keineswegs in dieser Welt Leben.
.Tief dringt der forschende Gedanke in
das innere Wirken und Weben dieser Welt,
aber
weit Tieferes dieses Wirkens und
Webens bleibt ihm
unerschlossen.
.Geheimnisvolle Kräfte schaffen im In‐
nersten dieser Welt Gestaltung, ‒ wenigen
nur erkennbar. Aber immer wieder lassen
sich Menschen verführen durch den Wahn,
diese Kräfte „
meistern” zu können, indes
diese Kräfte allein
ihren eingewobenen
Gesetzen dienstbar sind, und jeden früher
oder später
vernichten müssen, der sich
töricht vermißt, sie aus ihrer Bahn lenken
zu wollen.
.Dieses
okkulte Reich der Natur, von
dem ich hier rede, hat noch keinem, der
es betrat, letztlich Gewinn gebracht.
.Wie eine Fliege im Netze einer Spinne
gefangen und ausgesaugt wird, so wird
Jeder gefangen, umsponnen und ausge‐
sogen, wagt er sich allzu weit vor in dieses
Reich.
.Und wie ein großes gefangenes Insekt
an dem Netz einer Spinne rütteln wird,
so auch rüttelt der also Vermessene an
dem Gewebe
okkulter Kräfte der Natur,
und seine Anhänger stehen staunend und
sagen: „Seht doch, wie er die okkulten
Kräfte zu bemeistern weiß!”
.Sie ahnen nicht, daß er nur die Fäden
bewegt, die ihn
gefangen halten und bald
völlig fesseln werden, um ihn zu verder‐
ben... Dem
Untergang geweiht, verlockt
er noch
andere auf den
Weg der Vernich‐
tung.
.Nicht in dieser, den
Sinnen faßbaren
Natur, und nicht in den
okkulten Kräften
im Innersten dieser Natur aber erschöpft
sich das Dasein des Menschen, obwohl er
selbst nur als
Wirkung jener okkulten
Kräfte in Erscheinung treten kann, ‒ ob‐
wohl er
selbst sich darstellt als okkulte
Kraft.
.Zwar
ist der Mensch der Erde
selbst
eine dieser okkulten Kräfte der Natur,
aber er ist
zugleich noch
anderes!
.Wohl weiß ich zu verstehen, wenn gesagt
wird: „Es gibt nichts
Übernatürliches!”
‒ „Auch das Unbegreiflichste, das unseren
irdischen Sinnen begegnen kann, ist noch
innerhalb der Natur!” ‒ und wenn man
so die
Einheit allen Lebens für eigenes
Verstehen und Deuten wahren möchte.
.Aber mit solchen Worten
täuschen wir
uns dennoch
selbst; denn es gibt
wahr‐
lich etwas, das von
gänzlich anderer Be‐
schaffenheit ist, als alles, was wir gemein‐
hin, und selbst im
weitesten Sinne, als
„Die Natur” betrachten!
.Es gibt wahrlich etwas, das
nicht inner‐
halb der von uns als „gesetzmäßig be‐
dingt”
erkannten Abläufe des Geschehens
liegt, ‒ das
gänzlich anderen Bedingun‐
gen gehorcht, als alles, was wir als phy‐
sische „Natur” erkennen!
.Wollen wir dieses so völlig Andersartige
auch im Sinne der Alltagsrede zur „Na‐
tur” rechnen, so
verwirren wir nur
in un‐
serer Vorstellung, was
in Wirklichkeit
klar geschieden ist, trotz der allem
über‐
geordneten Einheit.
.Begünstigt wird diese Verwirrung durch
die Nichterkenntnis der, dem allgemeinen
Erkenntnisvermögen „okkulten”, ewigen
Urseinskräfte der Natur, die das einzig
Wirkliche sind in der äußeren Erschei‐
nungen ewigem Wechsel.
.Nur sehr wenige auf dieser Erde ahnen,
welcher Wirkungen diese Kräfte fähig sind,
wie so gar vieles, das man als „übernatür‐
lich” bezeichnete, klargeprägte Wirkung
dieser Kräfte ist.
.So bleibt es denn wohlbegründet, wenn
auch geheimnisvollstes Geschehen als
noch
innerhalb der „
Natur”
verankert be‐
trachtet wird, aber es gibt,
weit über die
geheimnisvollsten Vorgänge innerhalb
der okkulten physischen „
Natur”
hinaus,
Regionen des Geschehens, die völlig un‐
erkannt bleiben, solange man sie in kon‐
tinuierlichem Zusammenhang mit jenen
Möglichkeiten des Geschehens glaubt, die
uns als
naturgesetzlich begründet er‐
scheinen. ‒
Zwei Worte stehen mir zur Bezeichnung
dieser
höheren Regionen zur Wahl: „
Seele”
und „
Geist”.
.In neuerer Zeit gibt es gar viele, die
dem Worte „Seele” höheren Rang an‐
weisen, aber ich glaube, daß schon die
Genesis dieses Wortes innerhalb der deut‐
schen Sprache mir ein Recht geben dürfte,
es als Bezeichnung jenes „flutenden” lich‐
ten
Zwischenreiches zu wählen, das zwischen
dem, was man die physische „Na‐
tur” zu nennen pflegt, und dem urgrün‐
digen, wesenhaften Reiche höchster Kraft
und Weisheit, das ich das Reich des
Geistes nenne, mitteninne liegt.
.Das Reich der
Seele gleicht einem „flu‐
tenden Meere” geheimnisvoller, vom Rei‐
che des Geistes überstrahlter Kräfte, die
alles übersteigen, was in der Region der
okkulten Kräfte der physischen „Natur”
zu finden ist, und die
durchaus unab‐
hängig von jenen Gesetzen wirken, durch
die sich das Wirken der okkulten Kräfte
der physischen „Natur”
bestimmt sieht.
.Auch in dieser Region der Seele ist der
Mensch, gleichwie in der physischen „Na‐
tur”, in seinem Eigentum. Auch hier ist
er selbst ein Teil des unermeßlichen Gan‐
zen, und seine Eigenseele ist ein Komplex
aus Myriaden dieser Kräfte des „Meeres”
der Seele.
.Hier hat er jedoch ein
Recht, sich Kräfte
untertan zu machen! Hier ist es
Gebot für
ihn, die Kräfte
meistern zu lernen! ‒
Zwischenliegend, zwischen den Kräften
der physischen „Natur” und denen des
reinen
Geistes, ist das Reich der „
Seele”
beider
Influenz erreichbar. Seine Kräfte
sind jedoch
nicht etwa den Kräften der
physischen „Natur”
unterworfen!
.Beruf des Menschen ist es, sich selbst,
soweit er Niederem zugehört, dem
Hö‐
heren in ihm
zu Dienste zu geben. Nur
so kann er sich zu
ewiger Gestaltung
schaffen, als individuelle Wesenheit.
.Darum muß er auch noch
über das
Reich der Seele hinaus zu seinem
Ursein
im Geiste, das er einst verließ, zurück
gelangen.
.Hier erst ist er wirklich in seiner „Hei‐
mat”, und von hier aus erst vermag er es,
sich ewig zu erhalten.
.Hier hat die hohe Gemeinschaft des
Geistes, aus der ich rede, ihren Tempel,
und von hier aus kommt jedem die Füh‐
rung, der ernstlich durch sein Tun nach
ihr verlangt.
Brüder im
Geiste, sind wir, die seit Ur‐
zeittagen,
aus dem reinen Geiste geboren,
in der Menschheit wirkten, hier vereinigt
in Alleinheit: aber „Bruder im Geiste”
ward uns allezeit nur
der, den
wir durch
des Urlichtes „
Wort”
bereitet fanden,
ehe er geboren wurde, sodaß wir ihn, war
er im irdischen Erlebensvermögen durch
uns vollendet, dann in unsere Mitte führ‐
ren durften.
.Torheit hat zu allen Zeiten sich ver‐
messen, auf Schleichwegen uns zu errei‐
chen, aber der unübersteigbare Wall ewiger
Gesetze des reinen, wesenhaften
Geistes,
läßt keinen
auch nur von ferne unseren
Tempel schauen, der sich in selbstgefälli‐
ger Überheblichkeit etwa berufen glauben
sollte, den Weg zum
Geiste zu finden,
ohne
den einzigen Weg zu gehen, den der
Geist seit Urzeittagen allen, die ihn suchen,
selbst bereitet hat.
.„
Keiner kommt zum Vater,
außer
durch mich!” ‒ So durfte daher vor Zei‐
ten einer der Unseren sprechen, der wahr‐
haft „
Weg” geworden war ‒ doch man
verstand ihn nicht und machte aus ihm,
‒ der Vorstellungswelt seiner Zeit ent‐
sprechend, ‒ einen menschgewordenen
Gott.
.Er aber war wahrhaft „Gottessohn”, ge‐
nau so wie seine geistigen Brüder
aus
dem reinen Geiste geboren, und verhehlte
nicht, daß in seines Vaters Hause „
viele”
Wohnungen sind. ‒
.Er wehrte und sprach: „Was nennst du
mich gut? ‒
Gott allein ist gut!”
.Nicht er trägt Schuld, wenn eine Lehre
sich um seinen Namen rankt, die, ‒ alter
Götterlehren Frucht, ‒ aus ihm den
Menschengott dieses kleinen Planeten
schuf.
Wohl war er strahlender vom Urlicht
durchglüht, als jener indische Königs‐
sohn, den die Welt als Gautama, den
Buddha, kennt, denn in dem Buddha lebte
nur ein Mensch, der Licht
erlangte, nicht
einer, der
im Lichte des Geistes geboren
war. ‒
.Nicht
selbst zum „
Wege” geworden war
dieser Buddha! Nicht vom Geiste als Weg
bereitet! Nur seine unermeßliche Liebe
zu aller Kreatur ließ ihn einen Weg
er‐
graben, der zur Erleuchtung, zu geistigem
Lichte, aber nicht zur wirklichen
Wieder‐
erlangung geistiger Gotteinheit führt,
wenn dieser Weg auch zuletzt, in gewissen
Abzweigungen, dahin führen
kann, aber
dann
nicht mehr der
historisch bekannte
Weg des Buddha ist, sondern
uralten an‐
deren Wegmarken folgt.
.Man ist geneigt in unseren Tagen, die
merklichen Unterschiede zu
verwischen,
die von der Lehre dieses Weisen scharf die
lebendige Geistesmacht des Meisters aus
Nazareth
trennen.
.Man wird erst erkennen lernen müssen,
wer dieser Meister
wirklich war, der von
sich sagen durfte, daß er „
der Weg,
die
Wahrheit und
das Leben” sei. ‒
.Man wird erst verstehen lernen müssen
weshalb er berechtigt war, zu sagen: „Wer
nicht
mit mir ist, der ist
wider mich, und
wer nicht mit mir
sammelt, der
zerstreut”.
.Ich rede jedoch hier von der
historisch
gegebenen Erscheinung jenes Mannes, von
dem die Evangelien künden, ‒ nicht von
der Gestalt des Kultes, die der Glaube
Vieler mit ihm identisch glaubt!
.Ich rede ebenso nur von dem Manne,
der als Gautama, der Buddha, die Lande
Indiens als Lehrender durchzog.
Scharf von diesen
menschlichen Persön‐
lichkeiten zu trennen ist die erhabene
göttliche Wesenheit, die bei den nörd‐
lichen Buddhisten als höchster himmli‐
scher „Buddha”, bei den Christen als
„Christus”, im Sinne einer „Person in der
Gottheit”, Anbetung und Verehrung findet.
.Die theologische Vermischung einer
menschlichen Erscheinung auf dieser Erde
mit der
höchsten Selbstdarstellung des
ewigen Urlichts: ‒ des ewigen Geistes,
als
individuelle höchste
Geisteswesenheit,
trägt nicht zum wenigsten Schuld daran,
daß man weder in Wahrheit erkennt,
wer der Meister aus Nazareth war, noch
zur hohen Erkenntnis des „Logos”, des
„
Wortes”, das „
Gott” ist, der
individua‐
lisierten Selbstaussprache des ewigen Ur‐
lichtes gelangt.
.Diese höchste individualisierte Selbst‐
darstellung des Geistes ist aber
der ewige
Ausgangspunkt aller geistigen Hierar‐
chien, bis herab zu den wenigen geistig Er‐
wachten dieser Erde, in denen diese Hie‐
rarchien ihre letzte Auswirkung finden, ‒
die sie sich selbst bereiten, um die Verei‐
nigung des Menschengeistes mit eben die‐
sem ewigen Ausgangspunkt im Bewußtsein
des Erdenmenschen wieder herzustellen.
Erstes und Letztes ist so in theologischer
Lehre vermischt ‒ nur wenigen erkennbar.
Auf jener Höhe, zu der Gautama, der
Buddha, dringen konnte, hat das
Gebet
kein logisch erweisbares Recht mehr, aber
‒ es gibt einen
weitaus höheren Zustand,
den selbst der höchste Aufstieg des Buddha
nicht erreichte, der nicht
erstiegen, der
nur mit Geistesflügeln „
erflogen” werden
kann, und in
diesem Zustand, gotteinig im
reinen Geiste, wird das Gebet erst wahr‐
haft
Ausdruck innigster Vereinigung des
individuellen ewigen Geistesmenschen
mit dem Urlicht, aus dem er lebt.
.Hier erst wird offenbar, was das Wort
des Meisters von Nazareth besagen will:
„Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so
werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch
aufgetan.”
.Und weiter: „Um was immer ihr den
Vater in meinem
Namen bitten werdet,
das wird er euch geben.”
.Er aber, der allen, die an ihn glaubten
und sein Wort lebten,
ewiges Leben ver‐
hieß, wußte gar wohl, daß
mehr dazu ge‐
höre, als was „Natur”, ‒ was „Fleisch und
Blut” offenbart, ‒ um ihn zu verstehen.
.Er spricht von denen, die „draußen”
sind, die „mit sehenden Augen sehen und
doch nicht erkennen, mit hörenden Ohren
hören, und doch nicht verstehen”.
.Es wird aber
allezeit solche geben, die
„draußen” sind...
.Wer noch die okkulten Kräfte innerster
physischer „
Natur” zu beherrschen strebt,
wer sich als Lehrender gebärdet, ohne zu
ahnen,
woher ihm seine vermeintliche
Weisheit kommt, wer noch im tiefen Dun‐
kel steckt und dennoch anderen als Leuchte
gelten möchte, wer seines Denkens Mei‐
nung wie ein Götzenbild verehrt, wer
jenen einen Weg zum Geiste, der ihm
gangbar wäre, nicht betreten mag, dem
können wir, so tief wir ihn in seinem Wahn
bedauern, nicht des Geistes Hilfe senden.
.Wer da in „blinder Nichterkenntnis”
glaubt, im Reiche der Seele geborgen zu
sein, ohne die Kräfte dieses Reiches wahr‐
haft zu bemeistern: ‒ auch der wird ver‐
geblich nach „Geisteshilfe” rufen.
.Erst wer den okkulten Kräften der irdi‐
schen „Natur” sich entwindet, die Kräfte
der Seele zu meistern weiß, und alsdann
höher strebt, dem Reiche des reinen Gei‐
stes zu, dem gewährt der Geist seine Hilfe,
weil sie dann erst aufgenommen werden
kann, ‒ und nur, wem der Geist zu hel‐
fen gebietet, dem dürfen wir, aus des Gei‐
stes Kräften, Hilfe bringen.
.Er wird befreit von allem niederen
Herrschaftsverlangen, und
im reinen Gei‐
ste, davon er vor Ewigkeiten ausgegangen,
wird er wieder erneut das ihm ehedem
eigene Bewußtsein erlangen.
.Lebendig geworden im
reinen Geiste
wird er der
Liebe leben, wissend,
daß
nichts Bestand im Geiste hat,
das der
Liebe unwert ist, ‒
nichts, das seinen
Haß erregen
könnte. ‒
Schmähsüchtige Ohnmacht hat schon vor
Tausenden von Jahren vergeblich versucht,
die Gemeinschaft im reinen Geiste, von
der meine Worte zeugen, mit giftigem
Geifer zu besudeln, aber noch immer fiel
solcher ekle Auswurf auf den zurück, der
uns zu beschmutzen gedachte.
.Es leben mit uns im reinen Geiste
die
Ewiglebenden, denen einst solches blinde,
geifernde Wüten galt, aber vergeblich
würde man in allen Reichen der kosmi‐
schen physischen „Natur”, im Reiche der
Seele, im Reiche des
reinen Geistes, auch
nur
eine letzte Spur ihrer einstigen, un‐
säglich törichten Widersacher zu finden
suchen.
.Nichts Unreines kann das ewige Leben
im reinen Geiste erlangen!
.„Denn
draußen sind die Hunde und
die Zauberer und die Hurer und die Tot‐
schläger und alle, die
lieb haben und
tun
die Lüge.”
.„Selig aber, die zum Abendmahl des
Lammes
berufen sind!”
.Also steht es geschrieben seit zwei Jahr‐
tausenden, und der das einst schrieb, der
wußte wohl, von wannen ihm der
Ruf zum
Schreiben kam, sodaß zu wissen nottut,
daß wenig von dem, was man ihm zu‐
schreibt, wirklich von ihm geschrieben ist.
.Er sprach, wie so mancher andere Be‐
rufene, von den
gleichen Dingen, von de‐
nen ich heute in
anderen Bildern rede.
.Die Gemeinschaft des Geistes, die sich
ihm offenbarte, hat sich zu jeder Zeit der
zeitgerechten Symbole bedient.
.Verschieden in allen Völkern und Reli‐
gionen sind die
Formen ihrer Offenbarung,
aber wer sie auch nur in
einer Form
er‐
reichte, der hat
sicheren Boden unter
den Füßen! ‒ Er geht den Weg, den der
Geist bereitet hat,
wie immer er diesen
Weg zum Geiste auch benennen mag.
Sind doch von geistig dazu Berufenen,
selbst in den so streng durch den Koran
bestimmten Formen des Islam zu ver‐
schiedenen Zeiten immer wieder die
innersten Offenbarungen substantiellen
ewigen Geistes wahrlich ebenso vernom‐
men worden, wie sie der indische ‒ ech‐
te ‒ Yogi oder der antike Myste im al‐
ten Hellas vernahm!
Alle Religionen der Welt rufen den Men‐
schen in irgendeiner Art zur
Umkehr, zum
Wiedersuchen und Wiederfinden seiner
geistigen Urheimat auf, wie verschieden
auch die
Vorstellung von dieser „
Urhei‐
mat im Geiste” sein mag, wie verschieden
der
Weg, der beschritten werden soll.
.Allen Religionen gemeinsam ist die Er‐
kenntnis, daß diese Urheimat im Geiste
nicht den gleichen
Zustand aufweist, in
dem sich der Mensch hier auf der Erde
findet, und daß dieser nun wieder
neue
Zustand nur
erreicht werden könne durch
irgendwelche
Veredelung des Tuns, durch
Unterordnung niederer Impulse unter die
höheren und
höchsten, die im Menschen
gefunden werden.
.In fast allen Religionen ist die Vorstel‐
lung einer
individualisierten Selbstdar‐
stellung des ewigen Urlichtes als Spur
einer tiefen Wirklichkeitserkenntnis zu
finden. Nur im Taoismus, dem Shintoismus
und im Glauben der
südlichen Buddhisten,
der „Hînayâna”-Schule, findet sich diese
Erkenntnis
nicht, aber es ist dennoch irrig,
diese Religionen schlechthin „atheistisch”
zu nennen, nur weil ihre Vorstellungen
vom Göttlichen sich nicht über das unge‐
formte Meer göttlichen Seinsgrundes zu
erheben wissen.
.Der Buddhismus des
Nordens, die Schule
des „Mahâyâna”, der „
großen Überfahrt”
im Gegensatz zur „kleinen Überfahrt”,
dem „Hînayâna”, zeigt dagegen die Vor‐
stellung einer individualisierten Selbst‐
darstellung des ewigen Urlichtes in rein‐
ster Ausprägung in seinem himmlischen
Ur-
Buddha, „Adibuddha”, auch wenn die
einzelnen Lehrmeinungen die Reinheit
dieser Vorstellung sehr verwischen. Es
ist möglich, daß diese Vorstellung
gno‐
stischen Ursprungs ist, und erst in recht
später Zeit über Persien und Turke‐
stan nach Nepal und Tibet gelangte, um
von da aus ihre weitere Ausbreitung zu
finden.
.Gnostischer Erkenntnis entstammt der
„Logos”-Begriff. Hier aber, in dem „Wort”,
das
aus Gott ist, und Gott
ist, steht nichts
anderes vor uns, als die
Selbstaussprache
des ewigen,
unfaßbaren Urlichts in einer
individualisierten geistigen Gestaltung,
und diese Erkenntnis geistiger Wirklich‐
keit gelangte in die Lehre des
Christen‐
tums, wo sie völlig der durchaus anders
gearteten „Gottessohnschaft” des Meisters
von Nazareth vermischt wurde, so daß der
„Gesalbte”, der
Christos der Evangelien,
nun schon seit fast zweitausend Jahren
als: „menschgewordener” Logos aufgefaßt
und angebetet wird.
Im Grunde zeigt aber die gnostisch-alexan‐
drinische Logos-Lehre nur in aller Klarheit
die Erkenntnis einer
Wirklichkeit, die
allen ‒ wie man zu sagen pflegt: „persön‐
lichen” Gottesvorstellungen
ihre volle Be‐
rechtigung gibt, ‒ ‒ vorausgesetzt, daß
sie nicht
in anthropomorphe Ungeistig‐
keit ausarten, die dann dazu führt, einen
„persönlichen Gott” über den Wolken zu
erträumen, der nichts weiter ist, als ein
mit göttlichen Machtvollkommenheiten
ausgestatteter „irdisch-allzuirdischer” Po‐
tentat.
.Landläufige christliche Gottesauffassung
ist leider nicht allzuweit entfernt von sol‐
cher Vorstellung.
.Es gibt dann nur zwiefache Möglichkeit
für den Menschen, diesem himmlischen
„König” zu nahen.
.Entweder man fürchtet,
sein Ohr nicht
zu finden, wenn man persönlich,
ohne Für‐
sprache, vor ihn treten wolle, und sieht
sich so nun in guter, alter, höfischer Art
nach
geistigen Vermittlern der Beziehung
um, oder ‒ man
verschmäht in stolzer
Selbsteinschätzung jede Vermittlung, und
glaubt sich berechtigt,
allein und
ohne
„Fürsprech”, die Beziehung anzuknüpfen.
.Beiden Auffassungen eignet eine unsäg‐
lich enge, irdisch gebundene Vorstellung
göttlichen Wesens, ‒ auch
wenn man
glaubt, seinen Gott in durchaus „vergei‐
stigter” Weise zu empfinden.
.Was so empfunden wird: ‒
der „Gott”,
mit dem man auf eine
dieser beiden Arten
in Beziehung treten zu können glaubt, ist
stets ein
erträumter Gott!
Wie kleinräumig und dabei:
wie überheb‐
lich und vermessen ist doch eine Vorstel‐
lung vom
ewigen Ursprung allen Seins,
die es fertigbringt, die Gunst ihres Gottes
durch
Fürsprache erlangen zu wollen, oder
aber dazu verleiten kann, direkte Zwie‐
sprache mit dem
Urlicht zu suchen, ohne
zu bedenken, daß dieses
Urlicht, wie nicht
minder seine ewige
Selbstaussprache in
individualisierter Form, so
alle mensch‐
liche Fassungskraft übersteigt, wie die
größte der Feuersonnen des physischen
Weltalls ein glimmendes Fünklein im
Herdfeuer überstrahlt!
.Wäre nicht vom ewigen, allesumfassen‐
den Geiste aus dem Urlicht allen Seins
ein
gangbarer Weg bereitet, dann könnte
wahrlich
kein Menschengeist jemals zu sei‐
nem ewigen Ursprung zurückgelangen.
.Dieser „Weg” ist aber der
gleiche, den
der Geistesmensch einstmals durchlaufen
hat, bevor er sich dem Menschentiere der
Erde einte.
.Unbeschreitbar wäre er dem Menschen
dieser Erde, wenn einst
alle Geistesmen‐
schen gemeinsam „gefallen” wären.
.So aber ist es immer nur eine geringe
Zahl, die diesem „Falle” erliegt, auch wenn
es sich um
Myriaden handelt, die nun im
Laufe der Jahrtausende, auf diesem und
anderen Planeten, das Leben des Tieres
teilen müssen
zu ihrer Zeit.
.Einige aber, die
nicht in des Tieres kör‐
perliche Erscheinung fielen, leben seit Ur‐
zeittagen,
von göttlicher Liebe und Er‐
barmen durchglüht, freiwillig
in unsicht‐
barer Gestaltung hier auf dieser Erde, um
den gefallenen Brüdern den Weg zurück
zum Urlicht offen zu halten, geleitet von
einem der
urgezeugten Geistesmenschen
der
Urwelt des reinen Geistes, der niemals
seinen Urort im „
Worte” das da „
Gott”
ist, verließ.
Diese Wenigen wußten schon seit unvor‐
denklichen Zeiten, Menschengeister, noch
ehe sie im Menschentiere geboren werden
mußten, so zu bereiten, daß sie, einmal
geboren, jenen Zustand erreichen konn‐
ten, der für den Menschengeist die Brücke
bildet, auf der er hinüberzuschreiten ver‐
mag zu den ersten Landzungen jener se‐
ligen Überwelt des Geistes,
aus der er
selbst sich durch seinen Fall einst ver‐
bannte.
.Die so
Bereiteten unter den Menschen
dieser Erde, sind hier durch das Ewige,
das in ihnen sich selbst offenbart,
die
„
Leuchtenden des Urlichtes” geworden,
jene Wenigen, die man, um einen nun ein‐
mal vorhandenen Ausdruck zu gebrauchen,
auch: ‒ die „
älteren Brüder der Mensch‐
heit” nennen mag, ‒ „älter”, weil sie
schon vor
tausenden von Jahren im Men‐
schentiere der Erde geboren worden
wä‐
ren, hätten sie nicht aus freier Entschlie‐
ßung, obwohl
auch sie zu jenen Geistes‐
menschen gehören, die dem
Falle erlegen
waren und sich nun dem Tiere einen
mußten, ihren wenigen
nichtgefallenen
Brüdern, die hier in geistiger Gestaltung
leben, sich dargeboten, um gleichsam zu
menschlichen Sammellinsen der Strahlen
des Urlichtes bereitet zu werden.
.Diese Bereitung aber bedingte auch, daß
sie
schon seit Jahrtausenden ihren nicht‐
gefallenen, in Erbarmen und Liebe bei
den Menschen der Erde in geistiger Ge‐
staltung verharrenden Brüdern, bei deren
Erleuchtungs- und Erlösungswerk
dienen
mußten, und auf diese Weise schon gar
lange
vor ihrer Geburt im Tiere, auf dieser
Erde helfend wirkten.
.Nicht jedem aus ihnen ist auf dieser
Erde, sobald er einmal im Tiermenschen
in Erscheinung tritt, die
gleiche Aufgabe
gestellt.
.Jeder aber ist seinem
besonderen Rufe
verpflichtet, und hört
allein auf ihn, ei‐
nerlei ob ihn dabei das Leben auf dieser
Erde zu Ehre, Glanz und Reichtum führt,
oder zu Armut, Niedrigkeit, Marter und
Verachtung.
.Entzieht er sich dem, was ihm das ir‐
dische Leben nun einmal bringen muß, so
fällt er tiefer als er je gefallen war, und
es macht keinen Unterschied,
welchen
Formen der Schicksalsgestaltung er sich
entzog, ‒ seien sie irdisch erfreulichster,
oder unerfreulichster Natur ‒ denn nie
kann einer hier seinem Rufe,
allen Anfor‐
derungen gemäß
genügen, ohne der Art des
Lebens zu entsprechen, die ihm in weiser
Lenkung widerfährt,
damit er dem Rufe
folgen
könne, der speziell
an ihn erging.
Diese denkbar subtilste Vereinung im
Geiste Lebendiger wirkt auf Erden mit
einer Art „magnetischer”, äußerlich un‐
wahrnehmbarer, rein geistiger Gewalt auf
alle Menschengeister, die bereits des Auf‐
stiegs fähig sind, und zieht sie empor in
einen geistigen Zustand, der dem ihrer
Glieder gleicht, doch mit dem einen Un‐
terschied, daß ein also zum Erwachen ge‐
langter Geistesmensch nur zum Weiter‐
schreiten sich erhebt, und zu dem Hilfs‐
werk, das die geistige Gemeinschaft der
Leuchtenden ohne Unterlaß selbst voll‐
bringt, weder verpflichtet noch befähigt
ist, denn dieses bedingt, wie ich schon
sagte, eine Vorbereitung von Jahrtau‐
senden.
.Ein so durch die unsichtbare Hilfe der
geistgeordneten Helfer Erwachter aber
wird nach dem Tode des Menschentieres,
mit dem er auf Erden vereinigt lebte, all‐
sogleich fähig werden, den nächsthöhe‐
ren Geisteszustand zu erreichen, in dem
jene Nichtgefallenen in geistiger Gestal‐
tung leben, deren eigenstes
Werk die
Gemeinsamkeit im reinen Geiste darstellt,
die hier auf Erden in tiermenschlicher
Erscheinung lebt, ‒ da sie ununterbro‐
chen, im Irdischen wirkend, von ihnen
geistige Impulse erhält, ohne die ein
Erdenmensch niemals zum Offenbarer des
in ihm sich offenbarenden Ewigen wer‐
den könnte.
.Hier gibt es nun einige Wenige, die der
Erde „gestorben” sind im Tiere, und die,
sobald sie diesen höheren Zustand
er‐
reichten, gleich jenen Nichtgefallenen,
aus
Liebe und Erbarmen bei den Menschen
der Erde unsichtbar verbleiben, das Hilfs‐
und Erlösungswerk jener Nichtgefallenen
fördernd, soweit das durch eine Art Akku‐
mulation des Willens möglich wird.
.Fast alle aber,
außer diesen Wenigen,
die der Buddhismus des Nordens als „
Bod‐
dhisatras des Erbarmens”, die ältere
christliche Kirche aber als ihre „
Heili‐
gen”, „
Engel” und „
Erzengel” kennt, ‒
(auch die späteren „Vierzehn Nothelfer”
gehören hierher!) ‒ streben von diesem
höheren Zustand des Geistes aus
wieder
weiter empor, und so durchläuft der Men‐
schengeist in nicht mehr irdisch zu be‐
messenden Zeiten, allmählich jeden, stets
höheren Zustand der Hierarchien des Gei‐
stes, bis er zu jener höchsten Urwesen‐
heit im Geiste gelangt, ‒ zur Selbstaus‐
sprache des Urlichts, ‒ zum „
Worte”,
das „
Gott” ist, zurück, um
in ihm ewig
vereint,
sein höchstes individuelles Gei‐
stesmenschentum für alle Ewigkeiten zu
finden, schon lange vorher mit seinem
geistesmenschlichen erotischen Gegenpol
vereint, als „
Mann und Weib” im Geiste.
.Auf solche Weise findet der einst „ge‐
fallene” Geistesmensch vom Tiere der
Erde
zurück in seine
Urheimat im ewi‐
gen,
reinen Geiste, in die „Welt” der
Se‐
ligkeit und
Klarheit die
gänzlich an‐
dersartiges „Leben” kennt, als es auch
in den geheimnisvollsten Regionen der
Allnatur, zu der diese Erde gehört, zu
finden ist!
Nicht „
ferne” dieser physischen Allnatur
ist die Welt des
reinen Geistes, und das
Meer der
Seelenkräfte, dem der Men‐
schengeist die Möglichkeit
seiner indivi‐
duellen Formung dankt! Dennoch klafft
aber eine Kluft zwischen
allem,
was zu
dieser physischen Allnatur gehört, und
der
Welt des reinen Geistes, die
nie‐
mals überbrückbar wäre, hätten nicht
jene Nichtgefallenen, die in geistiger Ge‐
staltung bei den gefallenen Menschen‐
geistern verblieben, seit Urzeittagen die
einzige „Brücke” gebildet und erhalten,
auf der die Rückkehr zum Leben im ewi‐
gen Geiste
möglich ist.
.Erst nach
vollendeter Rückkehr,
verei‐
nigt mit dem „
Worte”
das „
Gott”
ist,
schaut der Geistesmensch die Gottheit,
wie sie ewig ist und wirkt „
von An‐
gesicht zu Angesicht”, aber
nicht von
außen her, sondern
in sich selbst.
.Erst
dann „erkennt” er, wie auch er
„erkannt wird”!
Aber schon am ersten Anfang dieses un‐
ermeßlichen Weges kann sein „
leben‐
diger Gott” sich in ihm gebären, in
menschlich empfindbarer Form.
.Der „
lebendige Gott” des erwachenden
oder erwachten Menschen auf dieser Erde
ist gleichsam
ein unfaßbares Fünklein
aus dem ewigen Strahlenlichte des „Wor‐
tes” das da „
Gott” ist von Ewigkeit zu
Ewigkeit, und das
selbst das Urlicht in
seiner Selbstaussprache als Urwort
ist, ‒
so wie es „gleichzeitig” sich
selbst als
ewi‐
ge „
Gottheit” erfaßt.
.Um letzter Klarheit willen, sei hier der
Vergleich erlaubt mit einer der Kräfte
des physischen Universums, die der Mensch
sich dienstbar zu machen wußte:
.So wie elektrische Kraft ein haardünnes
Fädchen zum Glühen und Leuchten brin‐
gen kann, wie aber der Strom der
glei‐
chen Kraft, der eine große Stadt versor‐
gen soll,
in seiner ganzen Stärke ge‐
braucht, diesen Kohlenfaden
im Augen‐
blick vernichten würde, so würde auch
das Fassungsvermögen des irdischen Men‐
schen im Augenblick vernichtet sein,
könnte es unbereitet
dem Strahlenglanze
des ewigen „
Wortes” und damit
dem Ur‐
lichte selber nahen, ‒ während erden‐
menschliche Fassungskraft es
wohl vermag,
jene
unendlich zarte Durchströmung zu
ertragen, die im Innersten des seelischen
Innern jenen „
Abglanz des Vaters”: ‒
jenen leuchtenden Stern erzeugt, in dem
ihm allein sein „
lebendiger Gott” auf die‐
ser Erde
erfaßbar werden kann, will er
des Erdgeborenen Bewußtsein nicht zer‐
stören durch seines Glanzes Fülle.
.Beschreitet dann der endlich Erwachte
den einzigen Weg, der wirklich zurück in
die
Urheimat des Geistesmenschen führt,
so leuchtet ihm dieser Stern voran und
wird mit jedem errungenen höheren Zu‐
stand
lichter und
strahlenreicher, bis er
zuletzt, im unnennbaren Glanze des ewi‐
gen „Wortes”: ‒ im sich selbst gebärenden
ewigen Urlicht, ‒
sich mit ihm selber für
alle Ewigkeiten eint.
Das ist, nach menschlichem Vermögen dar‐
gestellt, der Weg, der den Geistesmen‐
schen nach seinem Falle wieder aufwärts
führt!
.Das ist,
was es zu fassen gilt, will man
den Weg zum wesenhaften Geiste,
den
einzigen gangbaren Weg für den Men‐
schengeist, in seiner
Wirklichkeit erken‐
nen, den Weg, den im Grunde alle geistig
befruchteten Religionen auf dieser Erde
erahnen, und nach ihrer Weise finden
lehren wollen.
.Wer da etwa glaubt, daß er
andere Wege
zum Geiste zeigen könne, der betrügt sich
selbst, ‒ und wenn er auch aus bester Ab‐
sicht handeln sollte, so führt er dennoch
nur sich selbst und alle die ihm folgen,
qualvoller seelischer Wirrsal zu,
hier schon,
und durch Aeonen
nach dem Erdentode:
‒ wenn nicht zu völliger Bewußtseinsauf‐
lösung, ‒ zum ewigen „
geistigen Tode”,
von dem es
kein Erstehen mehr gibt...
.Unbeirrbar wirken die „Gesetze” des
ewigen geistigen Reiches und keine Macht
und Weisheit des Himmels und der Erde
kann sie jemals beugen, denn nichts an‐
deres findet in ihnen seinen Ausdruck, als
der ewige Wille des Urlichtes selbst, dem
alles was
ist, entstrahlt.
Du siehst die Sternenheere der Nacht und
du kannst nicht fassen, was sie erhält, und
dennoch ist dieses ganze Weltenall mit
seinen zahllosen Sonnensystemen nur das
geringste Zeugnis einer Kraft und ihres
eingewobenen Willens, einer Kraft, der
auch du dein Dasein dankst, und deren
höhere Offenbarung dir, bis in ihr ureigen‐
stes Wesen, werden
kann, wenn du den
Weg, den Liebe und Erbarmen offenhal‐
ten,
beschreiten magst!
.„
Kein Auge hat es gesehen,
kein Ohr
gehört,
was Gott denen bereitet hat,
die
ihn lieben!” Nichts
physisch Irdisches
kann das Ewige erfassen!
.Möchten dich meine Worte
alles Gött‐
liche lieben lehren!
.Erst wenn du Göttliches, soweit du in
der Betrachtung das vermagst,
erkennst,
wirst du es
lieben! Sonst liebst du nur
einen
Fetisch, den du
dir selbst geschaffen
hast
in deiner Vorstellung.
.Erst wenn du die aufwärts ziehende
Kraft des Göttlichen meditierend in dir
empfindest, wirst du auch die ewige
Liebe
in dir erkennen, durch die du alles, was
zu deiner geistigen Rettung dient, voll‐
bringen kannst!
.Dann erst wirst du jene unvergleich‐
liche Kraft, die alle Kräfte meistert, auch
selbst
gebrauchen lernen: ‒ die
Liebe,
losgelöst von jedem
Gegenstand der Liebe!
.Diese göttlich lebendige, schwingende
Urkraft aus der
geistigen „Welt”, durch
die allein das Leben des Menschen auf
dieser Erde erlöst werden kann aus aller
Gebundenheit!
.Diese höchste Kraft, durch die du aus
der Haftung dich befreien kannst, in der
dich die unsichtbaren Gewalten der phy‐
sischen Allnatur in der du lebst, gefangen
halten, ‒ sie, die
tief unter dir stehen,
und dennoch derzeit
mächtiger sind als
du, bevor dich
die Liebe an sich zum un‐
besiegbaren Herrn deines Lebens macht!
.Dann wirst du verstehen lernen, was
das Wort besagen will:
.„
Gott ist die Liebe,
und wer in der
Liebe bleibt,
der bleibt in Gott,
und Gott
in ihm!”
Es gab eine Zeit ‒ und vielleicht mag sie
für viele heute noch nicht zu Ende sein ‒
da man „Leib” und „Seele” stets fein
säuberlich geschieden betrachtet wissen
wollte, und sich fast seelisch
schämte, mit
einem
Leibe behaftet zu sein, sobald man
für sich den Anspruch erhob, zu den
gei‐
stig gerichteten Menschen zu gehören.
.Wer der
Seele sich erinnerte, der glaubte
beinahe, des Körpers
nicht mehr zu be‐
dürfen, hielt ihn bestenfalls für ein
lästi‐
ges Bleigewicht, das nur die Seele
nieder‐
ziehen könne, ‒ für ein vielleicht not‐
wendiges, aber greuliches
Übel: ‒ ein
widerwärtiges
Hindernis aller seelischen
Entfaltung.
.Man suchte den Körper nach Möglich‐
keit „
abzutöten”, wähnend, dadurch die
Seele „
frei” zu machen, ‒ und ahnte nicht,
daß die Seele für den Menschen dieser
Erde eine gähnende Leere, ein inhalts‐
loses Sprechen, eine Uhr ohne Zifferblatt,
eine Werkstatt mit tausend surrenden,
aber leerlaufenden Rädern, ein ungemünz‐
ter und unhebbarer Reichtum wäre,
ohne
den
Inhalt ihres Erlebens, das ihr,
hier
auf dieser Erde, durch den
Körper ver‐
mittelt wird.
.Man wußte nicht, daß wir keinen einzi‐
gen
Gedanken fassen können, der nicht
im
Erdenkörper seine
analoge Beziehung
hat, seinen eigentlichen Inhalt
irdisch sin‐
nenfällig dargestellt findet: daß all unsere
Vorstellungsbilder, ‒ selbst die kompli‐
ziertesten, im
Körper vorgebildet sind,
und daß uns keine
Empfindung bewußt
zu werden vermag,
ohne Beziehung auf
die Empfindungsfähigkeit des
Körpers und
seiner Organe. ‒
Aber auch heute noch sind die Wenigen
zu zählen, die wissen, daß bei jeglichem
erdbewußten seelischen Wahrnehmen, bei
jeglichem Denken,
etwas mehr in Tätigkeit
gesetzt wird, als nur das
Gehirn: ‒ daß viel‐
mehr
jedes Atom unseres Körpers uns
die‐
nen muß zu
seelischer Wahrnehmung, so‐
lange wir diesem Körper in einer
phy‐
sisch körperlichen Erscheinungswelt ver‐
haftet sind, ‒ und daß der Reichtum der
Seele, wie seine Gebrauchsmöglichkeit,
uns hier auf Erden nur durch die
Mit‐
arbeit des irdischen Körpers
erreichbar
ist.
.Was wir „fühlen” und „empfinden”
nennen, ist in gewisser Weise Äußerung
der gleichen Kraft, durch die wir auch zu
„denken” vermögen, und unser Fühlen
und Empfinden läßt sich zu gleicher,
wenn nicht weit größerer
Schärfe der Ein‐
stellung, tatsächlich aber
zu weit höhe‐
rer Sicherheit emporentwickeln, als das
Denken.
.Die Vorgänge, die da in Betracht kom‐
men, sind dem blitzschnellen Aussenden
bewußter und halbbewußter
Fragen ver‐
gleichbar, auf die meist mit der gleichen
Schnelligkeit die
Beantwortung erfolgt,
und die Antwort kommt uns stets, ‒ ohne
daß wir es ahnen, ‒
vom Körper her, auch
wenn wir glauben,
ohne ihn fertig werden
zu können und ihn undankbarerweise
ver‐
achten zu dürfen meinen...
.Bei jedem Gedanken, bei jedem Emp‐
findungsanreiz, und handle es sich um Ge‐
danken noch so abstrakter, um Empfin‐
dungen noch so sublimer Art, senden wir
mit Hilfe unseres Gehirns gleichsam einen
Kundschafter aus in jene Teile des Kör‐
pers, ‒ ob wir sie nun kennen oder nicht,
‒ in denen das
Analogon zu jenen ge‐
danklichen oder empfindungsmäßig zu fas‐
senden Verhältnissen
physisch-
körperlich
dargestellt ist, die uns im Moment beschäf‐
tigen. Und fast in gleicher Sekunde kehrt
der Bote zurück und berichtet uns ‒ wie‐
der in der Transformation durch das Ge‐
hirn, ‒ von dem, was er gefunden hat.
.Es ist nicht ganz leicht, diesen Vorgang
zu verstehen. Aber unsere ganze Wahr‐
nehmung der physisch gegebenen Welt
wird
nur auf solche Art erreicht, und die
ganze äußere Welt wäre uns ein
Chaos, ‒
hätte weder Maß noch Grenze und bliebe
uns seelisch
unerfaßbar, ‒ ohne diese
Mithilfe des
Körpers ‒ nicht etwa nur
des
Gehirnes allein, ‒ obwohl gewiß das
Gehirn die zentrale Regierungsstelle des
Körpers ist, und nichts Körperliches zum
Bewußtsein unserer Seele dringen
kann,
ohne diese Zentralstelle
durchlaufen zu
haben um in ihr für unsere seelische Wahr‐
nehmung empfindungsfähige Gestaltung
zu erhalten.
Auch alles
künstlerische Künden der
Seele ist nur möglich auf dieser Erde durch
die
Mitarbeit des Körpers.
.Die
künstlerische Ausdrucksform kann
‒ in jeglichem Einzelfall ‒
nur dann zu
einer
Sprache der Seele werden, wenn
bewußt oder unbewußt
Rhythmen in ihr
und durch sie zum Schwingen gebracht
werden, die irgendwo im Körper
analoge
Rhythmen
zum Mitschwingen bringen.
.Selbst die äußere Wiedergabe der
menschlichen Gestalt und der Dinge, die
sie umgeben, in der bildenden Kunst, ist
seelisch nur faßbar durch die Auslösung
gewisser Beziehungs-Bewußtheiten
im
Körper des Beschauers, auch wenn er le‐
diglich durch das
Auge, und mit Hilfe des
Gehirns, des Geschauten habhaft zu wer‐
den
glaubt.
.Wer aber
das eigentlich
Wesentliche in
aller Kunst erfassen will, der wird stets
mehr
mit dem Körper aufzunehmen ge‐
nötigt sein, als er weiß und zugeben
möchte.
.Wohl wird
Musik primär durch das
Ohr
empfangen, aber der Prozeß des
Bewußt‐
werdens ist komplizierter als mancher
Hörende ahnt! ‒ Das Ohr ist nur
Auf‐
nahmeapparat für die Schallwellen. Um
diese aber zu
deuten, ist es genötigt, den
empfangenen rhythmischen und klang‐
lichen Anstoß
durch den ganzen Körper
zu leiten, bis er jeweils
jene Stellen im
Körper erreicht, die ihm
analog sind: ‒
die gleiche Beziehungsintervalle, gleiche
Schwingungseinheiten, gleiche Rhythmen
aufweisen, und so wie ein Echo
die Ant‐
wort zurücksenden zum Mechanismus des
Ohres, das die Antwort sogleich dem
Ge‐
hirn vermittelt, in dem sie allein sich
zu
jener Sprache verdichten kann, die
der Seele faßbar ist.
.Ein Gleiches geschieht in Bezug auf das
Auge, sobald es sich um die Wahrneh‐
mung eines künstlerischen Bauwerkes, ei‐
nes Werkes der Plastik oder der Malerei
handelt, während oft
alle Sinne zugleich
beansprucht werden, insonderheit aber
immer das
Gehör, sobald es sich um das,
wenn auch im stillen Lesen erfolgende
Aufnehmen eines Werkes der
Dichtkunst
handelt.
.Es ist immer der gleiche Vorgang!
.„Geheimnisvoll am lichten Tag...”
.Alles Wirken „
künstlerischer Ausdrucks‐
formen” ist: ‒
Zeichen-
Magie, bedingt
durch das Finden der gleichen Kräftedia‐
gramme, wie sie der
Körper physisch-real
in sich zur Darstellung bringt.
.Das gilt sowohl von dem schöpferischen
Gestalten, als auch vom empfindungsbe‐
wegten seelischen
Erfassen eines jeglichen
Werkes jeglicher Kunst, wenn auch für
den Gestalter künstlerischer Ausdrucks‐
form ebenso wie für den durch sie Ange‐
sprochenen geheimnisvoll bleibt, was bei‐
der Erleben erregt.
Die paar wenigen wirklichen, wie die
zahllosen bloß vermeintlichen, oder sich
selbst anmaßend so nennenden „Kabba‐
listen” meist seltsamerweise antisemiti‐
scher Färbung, denen die Lenker des „feu‐
rigen Wagens” dieses Buch in die Hände
spielen, werden wohl nicht etwa vermu‐
ten wollen, daß hier ein verborgener Trak‐
tat althebräischer Mystik ans Licht gezo‐
gen werde, ‒ und den Neuling, der kaum
weiß, was er sich unter Kabbalistik vor‐
stellen soll, möchte ich hier zu allererst
doch auf jene in allen Kultursprachen er‐
schienenen sachlichen Werke verweisen,
die von der Mystik des Judentums ‒ eben
der Kabbalah ‒ handeln, damit er sich dort
einige Kenntnis des in Rede stehenden
Gebietes erwerbe. Nötig ist ihm das nicht,
wenn ihn die Bereiche, die ich hier be‐
treten muß, nicht sonderlich interessieren!
.Ich bin nicht in der Lage, hier etwa auf
die verschiedenen grundlegenden hebrä‐
ischen Texte einzugehen, aus deren inne‐
rer Kraft sich die Mystik und magische
Praktik des streng orthodoxen östlichen
Judentums nähren, und ich sehe auch dazu
keinen Anlaß, nachdem solche Untersu‐
chungen von berufener Seite längst vor‐
liegen.
.Im Besitz sicheren Wissens über die ver‐
gessenen nichtjüdischen
Urquellen dieser
Texte, wende ich mich vielmehr eben die‐
sen Quellen zu, um aus
ihren Tiefen her‐
aus das eigentlich
Wesentliche kabbalisti‐
scher Erkenntnis zu erläutern.
Auf die Gefahr hin, Kabbalisten
jüdischen
Blutes, ganz gegen meinen Willen, viel‐
leicht zu verletzen, bin ich zu der grund‐
legenden Feststellung gezwungen, daß
das
ganze mystische
System der Kabbalah
nichtjüdischen Ursprungs ist: ‒ daß es
vielmehr in den Traditionen einer indi‐
schen Geheimlehre wurzelt, die in die frü‐
hesten Zeiten indischer Weisheit zurück‐
reicht, und daß die Anhänger dieser Ge‐
heimlehre
heute noch auf ihre Art „Kabba‐
lah”
praktizieren, ohne von der
jüdischen
Kabbalah eine Ahnung zu haben, oder auch
nur ihren Namen zu kennen!
.Näheres hierüber mitzuteilen, ist nicht
meine Absicht, aber der wirklich wissende
Kabbalist wird mir schwerlich den Glauben
versagen können, wenn er dieses Buch in
allen seinen Abschnitten unvoreingenom‐
men und auch „zwischen den Zeilen” le‐
send, in ruhiger Lektüre beendet hat.
Der Neuling aber möge sich vorerst mei‐
ner Führung anvertrauen, bis auch er im‐
stande ist, die von mir vertretene Fest‐
stellung, soweit er es vermag, zu überprü‐
fen!
.Diese Worte sollen die tiefen Wahr‐
heiten der Kabbalah nur
bestätigen, aber
der von Ehrfurcht durchdrungene Freund
der Kabbalah möge es mir verzeihen, wenn
ich hier, aller Polemik ferne, doch nur die
Grundprinzipien des ganzen Systems in
ihrem hohen Werte betrachtet wissen will,
und keineswegs zugleich den ihm liebge‐
wordenen geheimtuerischen vulgären
For‐
meln Beachtung schenke, die vielleicht
ihm selbst heilig und aller Verehrung wert
erscheinen.
Wirkliche Kabbalah kann nie‐
mals Angelegenheit des „profanum vul‐
gus” werden, sondern bleibt immer nur
geheime Lehre für unsagbar Wenige!
.Zweck dieser kurzen Erläuterung ist es,
das Studium der Kabbalah bei denen zu
vertiefen, die auch heute noch den ech‐
ten Kern der alten Lehren erahnen, und
Fernerstehende die urtiefe Weisheit
ach‐
ten zu lehren, die vom weiten Osten her
im Gewande mittelalterlicher jüdischer
Mystik herübergewandert ist bis in die
westliche Welt: ‒ eine Weisheit, die den
überragendsten Geistern des Mittelalters
und der Renaissance zu denken gab, ‒ eine
Weisheit, die
von Wenigen nur erkannt,
dennoch
von Vielen in stupider Über‐
heblichkeit
gelästert wurde, und die auch
heute noch, wenn auch nur in
Auserle‐
senen, da und dort, ‒ besonders in nörd‐
lichen Ländern, ‒
lebendig ist, hoher Ver‐
ehrung und des Einsatzes eines mühseligen
Forscherlebens durchaus wert befunden.
Auch in der
Kabbalah handelt es sich,
wie in
aller praktischen Mystik, in
erster
Linie um das Hinfinden zu dem höchsten
Geistigen, aus dem alles Leben stammt: ‒
um die Vereinung der Seele mit ihrem
verlassenen Lebensquell: um eine „
Unio
mystica”: ‒ die Verschmelzung des
ge‐
trennt Individuellen mit dem ewigen
Ur‐
Individuum, das allein allen individuellen
Daseins gemeinsamer Seinsgrund ist.
.Daneben aber geht eine rein
magische
Betätigung: ‒ eine Kraftäußerung im Ge‐
biete der
phänomenalen Welt, ‒ zu der
dem strenge geschulten
wirklichen Kab‐
balisten die Fähigkeit wird, durch ein Le‐
ben im Geiste kabbalistischer Disziplin, ‒
eine Fähigkeit, deren Erreichung jedoch
nicht
Selbstzweck ist, sondern die sich
ganz von selbst einstellt, sobald der Stre‐
bende
die Bedingungen schafft, die ihn
geeignet machen,
zuvor jene oben ge‐
nannte
Unio mystica zu erlangen.
.Das ganze System ist eine vornehme alte
Abart der in Indien wurzelnden
Yoga‐
Schulung.
Diese
spezielle Yoga-Praxis, die wir auf
der westlichen Erdhälfte in hebraisierter
Form als „
Kabbalah” kennen, wird heute
noch, wie vor Jahrtausenden, an einigen
Stellen
Zentralasiens eifrig geübt, wenn
auch kein Globetrotter jemals davon er‐
fährt. Auch jahrzehntelanger Aufenthalt
in
Indien wird schwerlich einem Europäer
so viel geistigen Kredit bei den dortigen
Wissenden schaffen, daß sie ihm
auch
nur ein Weniges ihres strenge gehüteten
und selbst den Gelehrten zumeist
uner‐
reichbaren mystischen Wissens offenba‐
ren, obwohl keine Nacht vergeht, in der
nicht die darauf gegründete magische
Praktik feierlich, in streng vor aller Ent‐
weihung geschützten Tempeln, ausgeübt
würde.
.Es dürfte fast überflüssig sein, zu beto‐
nen, daß die indischen, tibetanischen und
chinesischen „Kabbalisten” in hingebend‐
ster geistiger
Verbindung mit der hohen
Geistesgemeinschaft stehen, als deren gei‐
stigem, ewigkeitsbestimmten Glied mir
das Wissen über diese Dinge ward, die kaum
jemals vorher einem Europäer enthüllt
wurden, mochte er auch alle Länder, die
hier in Betracht kommen, aus eigener An‐
schauung kennen und fließend ihre Spra‐
chen sprechen.
.Wenn hier von
westöstlicher Magie ge‐
sprochen wird, so möge man aber stets
dessen eingedenk bleiben, daß die mittel‐
alterliche jüdische Kabbalah eine Art
„
Übersetzung” und
Umbildung jener
Ur‐
„
Kabbalah” darstellt, die,
ohne diesen
Namen ‒ aber in allem Wesentlichen
iden‐
tisch, noch heute im Innern Asiens
leben‐
dig ist. Von den
wirkenden Prinzipien
in dieser reinen und nur verschwindend
Wenigen zugänglichen Yoga-Praktik kün‐
det, in
anderer Sprache, dieses ganze
Buch, und die so überaus seltenen
wirk‐
lichen „Kabbalisten” des
Westens, denen
es in die Hand fallen mag, werden gar bald
herauszufinden wissen, weshalb ich hier
ausdrücklich auf den indischen
Ursprung
der erst vom Mittelalter an auch hebrai‐
sierten „Kabbalah” hinzuweisen, allen An‐
laß finde.
.Unter „Kabbalah” verstehe ich aller‐
dings beileibe nicht die in gewissen Krei‐
sen der europäischen und amerikanischen
Großstädte von zerstörten Existenzen aus‐
geübte abergläubische Pseudomagie, die
diesen Namen unverantwortlicherweise
dreist
usurpiert, sondern das
tiefste gei‐
stige Erkennen, wie es nur noch im öst‐
lichen
orthodoxen Judentum, und auch da
nur
vereinzelt, zu finden ist, ‒ von dem
jene nichtjüdischen, ja zumeist aller jü‐
dischen Geistigkeit gänzlich
fremden After‐
kabbalisten, die in närrischen Beschwö‐
rungsformeln Kabbalistik auszuüben glau‐
ben, und sich als Freibeuter jüdischer Weis‐
heit fühlen, nur ein lächerliches
Zerrbild
schufen.
.Die ehrfurchtgebietenden erleuchteten
Geister des mittelalterlichen und nachfol‐
genden orthodoxen Judentums, die so in‐
brünstig danach strebten, das von ihnen
als volkseigen geglaubte geheime Wissen
der Kabbalah der bloßen Spekulation wie
dem Aberglauben düsterer Vulgärmagie
unerreichbar werden zu lassen, hätten
wahrlich
nicht befürchtet, daß sich nach
Jahrhunderten so zahlreiche extrem ju‐
denfeindliche Nichtjuden finden könnten
‒ nicht des Hebräischen kundig und ah‐
nungslos gegenüber jüdischer Frömmig‐
keit, ‒ um das ihnen vielfach nur in frag‐
würdigster Übersetzung bekannte kabba‐
listische Sprach- und Gedankengut zu ei‐
nem abstrusen, allem jüdischen Fühlen
und Denken fremden Zaubertreiben zu
mißbrauchen! Es ist aber hier auch ent‐
schieden zu warnen vor einer weitverbrei‐
teten ängstlichen Überschätzung alles des‐
sen, was mit Kabbalistik zusammenhängt,
und insonderheit vor der törichten Mei‐
nung, man müsse von allen diesen Dingen
„wissen”, wolle man nicht als Ignorant an
Geheimnissen vorübergehen, die zu er‐
kunden so vielen Menschen als höchste
Lebensaufgabe galt. Um wirklich zu den
höchsten Erkenntnissen zu gelangen, die
sich in den absichtlich vieldeutig gestal‐
teten schnörkelreichen Bildern kabbali‐
stischer Schriften verbergen, gehört, wie
ich schon sagte, ein ihrer Erforschung ge‐
widmetes Menschenleben. Leichtfertiges
Lustwandeln in diesen Vorstellungsgebie‐
ten führt jedoch nur zu einem wider‐
lichen Vulgärokkultismus, dem in unzäh‐
ligen billigen Traktätchen von verantwor‐
tungslosen Verschacherern kabbalistischer
Weisheit immer noch neue Nahrung an‐
geboten wird.
In
allen großen Religionssystemen, die je
durch Erleuchtete der Welt gegeben wur‐
den, lassen sich
Spuren geistigen Lichtes
finden, aber es ist hier nicht meine Ab‐
sicht, alle Religionen auf solche Geistes‐
bekundung hin zu untersuchen, denn man
müßte Folianten füllen, wollte man auch
nur die
wichtigsten religiösen Lehren und
das Leben der Gläubigen, die nach ihnen
handeln, gerecht und billig von diesem
Gesichtspunkt her betrachten.
.Wir wollen uns
hier allein auf das
Chri‐
stentum beschränken, das, ‒ von vielen
als
einzige Wahrheit angesehen, von weit
mehreren nur
geachtet, oder aber gar
ge‐
haßt und befehdet, ‒ für den Menschen
der
westlichen Erdhälfte doch unstreitig
die
wichtigste Religionsform darstellt.
.Schon höre ich aber die Frage:
welches
„Christentum” ich wohl meine, ‒ und
der Bekenner des älteren Systems, ‒
also etwa der griechisch orthodoxe oder
der römische Katholik, ‒ ist ebenso
geneigt nur seine Auffassung allein als
„richtig” gelten zu lassen, wie der auf
irgendeiner der zahllosen jüngeren An‐
schauungen Fußende bereit ist, in den
älteren Glaubensformen und ihrer Aus‐
drucksgestaltung nur „törichten Aber‐
glauben” zu sehen. Der Haß zwischen
Christen und Christen, auf Grund wider‐
streitender Meinungen, ist ein viel ärgerer
Feind des Christentums, als alle ätzend an‐
fressende Kritik sämtlicher Virtuosen der
Verhöhnung seiner Lehren!
.Unsägliches Unheil kam durch den Wi‐
derstreit gläubiger Meinungen schon über
Menschen und Völker, und noch immer
ist des Unheils kein Ende, das im Na‐
men christlicher Gläubigkeit in engeren
Kreisen Tag für Tag heraufbeschworen
wird.
.Aber was hier von Oberflächlichen dem
Christentum zu Lasten gerechnet werden
mag, hat
an sich mit dieser Religionsform
nichts zu schaffen.
.Es ist Ausfluß menschlicher Enge,
menschlicher Parteilichkeit und Recht‐
haberei, entspringt mißleitetem mensch‐
lichen Machtbedürfnis: ‒ der Sucht, über
andere zu herrschen bis in die letzten ge‐
heimsten Tiefen ihrer Geistigkeit, und ‒
nicht zuletzt ‒ dem verzeihlichen Wahn,
allein die „Wahrheit” zu „
besitzen”, und
sie den andern, auch
gegen ihren Willen,
aufzwingen zu müssen, um „ihre Seelen
zu erretten”.
Nicht von diesen
Irrpfaden des christ‐
lichen Glaubenslebens und dem auf sol‐
chen Irrgängen üblichen Handeln will ich
hier reden.
.Was hier zu sagen wäre, ist nur allzu be‐
kannt, und stets wird auch die wahnwit‐
zigste Irrung ihre scharfsinnigen und von
vermeintlich „echter” Glaubensglut in
ihrer Art erfüllten Verteidiger finden.
.Das Christentum ist noch
viel zu jung
auf dieser Erde, als daß es schon
in seinen
göttlichen Tiefen erkannt sein
könnte,
und die da glauben, es habe sich selbst
„überlebt” und durch die Sünden seiner
„Kirchen” ad absurdum geführt, irren
sehr, denn sie haben nur
die bis jetzt ge‐
übte Art seiner Auswirkung im Auge und
ahnen nicht, daß dereinst eine Zeit kom‐
men wird, die fast das Meiste, was man bis
heute „Christentum” nennt, nur mit
Scham im Herzen betrachten kann, so,
wie der gereifte Mann die brutalen Tor‐
heiten und überheblichen Ansprüche sei‐
ner Jünglingszeit betrachtet.
Man möge diese Worte aber nicht etwa
mißdeuten!
.Ich bin wahrhaftig
weit entfernt davon,
zu behaupten, daß bisher
nichts von wah‐
rem Christentum in der Welt zu finden ge‐
wesen wäre, ‒ aber ich darf auch nicht
unterlassen, darauf hinzuweisen, daß der
echte Kern des Christentums für die
weit‐
aus Meisten, die sich „Christen” nannten
und nennen, bis zum heutigen Tage noch
in zahllosen, mehr oder weniger harten
Schalen steckt, und daß man
die köstliche
Süße dieses innersten Kernes noch nicht
verkostet hat, auch wenn man zuzeiten
durch die Risse der Schalen hindurch
schon ein Weniges seiner saftreichen Fülle
aufzufangen wußte.
.Man weiß noch nicht, und man
will es
vielfach nicht wissen, daß dieser innerste
Kern des Christentums
wesentliche Gei‐
steswirklichkeit ist, und daß erst
alle
„
Schalen” als
an sich unwesentlich er‐
kannt werden müssen, bevor man
das gött‐
liche Mysterium des Christentums von
ihnen befreien und
in seiner Reinheit er‐
schauen kann, ‒ bevor man diesem aller‐
innersten Kern das Tabernakel zu bauen
vermag, in dem er für alle Zeiten der
Verehrung der Menschheit sich darbieten
kann, für
Formen der Verehrung, die sei‐
ner
würdig sind. ‒
Es mag dem gläubigen Gemüte vertraut
und wohltätig erscheinen, wenn immer
wieder an die
ersten Anfänge des Chri‐
stentums erinnert wird, ‒ aber man ver‐
gißt dabei, daß das
Samenkorn etwas an‐
deres ist als der
Keim, und der
Keim
etwas anderes als die zur Vollgestalt rei‐
fende
Pflanze, diese aber hinwiederum
etwas anderes als die
Blüte, und die
Blüte
ein anderes als die zur Reife entwickelte
Frucht.
.Wer eine sich entfaltende Pflanze stets
wieder
zurückschneiden wollte, damit sie
in ihrer Form nie die schlichte Einfach‐
heit des
Keimes überschreite, der würde
gewiß nicht als guter Gärtner gelten.
.Das Christentum aber ist bis auf den
heutigen Tag noch immer einer
in ihrer
Entfaltung begriffenen Pflanze vergleich‐
bar, und es ist
nicht die Aufgabe seiner
Bekenner, jeden, wenn auch vielleicht
allzu üppig erscheinenden Blatttrieb an
der Wurzelstaude
wegzuschneiden, son‐
dern der Pflanze
freies Wachstum zu ver‐
statten, ihre Formenwelt sich
entfalten
zu lassen und
keiner Form zu wehren, die
sich aus den Wurzelkräften, wenn auch
unter Aneignung der Säfte
des gegebenen
Bodens, bilden mag.
.Hier sind „Reinigungsbestrebungen”
sehr wenig angebracht, denn die Pflanze,
um bei diesem Bilde zu bleiben, kann
sich
nicht aus sich selbst ernähren; sie
muß sich „fremde” Stoffe assimilieren,
muß die ihr ursprünglich fremden Säfte
in sich aufnehmen, um sie
in sich selbst
zu verwandeln. ‒
.Die Formen, die allzu üppig um den
Wurzelknoten herum ins Kraut schießen,
welken
ganz von selbst, wenn einmal
ihre Aufgabe erfüllt ist, den sprossenden
Trieb zu
schützen, und
neue Formen
bilden sich, die den Verlust der ersten
Schutzblätter völlig vergessen machen,
weil auch sie, nun zum
Wesensbestand‐
teil der Pflanze bestimmt,
alle bleibende
Charakteristik ihrer Eigenart aufweisen.
Man hat an der Pflanze Christentum,
in
bester Absicht, zu viel „herumgeschnit‐
ten”, und man setzt stets von neuem das
Messer an, so daß es begreiflich sein
dürfte, daß die Pflanze in ihrem naturge‐
mäßen Wachstum zurückbleiben mußte.
.Ein
Wunder aber könnte man es fast
nennen, daß die Pflanze
trotz all dieser
herben Behandlung
noch am Leben ist! ‒
.Man gehe ihr nicht
stets wieder erneut
an ihres Lebens Mark,
erfreue sich viel‐
mehr
all ihrer
älteren und
neueren
Triebe, und stelle ihr Wachstum in die
Hände des
ewigen Gärtners, der weiß,
was ihr frommt, und man wird in abseh‐
barer Zeit schon alle schädlichen Aus‐
wüchse verschwinden, die krafterfüllten
Keime aber zu hoher Schönheit sich ent‐
wickeln sehen.
Es sei mir verziehen, daß ich hier in ver‐
schiedenen Bildern reden muß, aber wer
gewillt ist, mich zu verstehen, der wird
aus diesen Bildern leicht enträtseln, was
ich zu sagen habe, und ich bin nicht ge‐
nötigt, nach der einen oder der anderen
Seite hin, gläubige Seelen zu verletzen.
.Ich rede
keiner der bestehenden christ‐
lichen Glaubensformen das Wort und sehe
in
jeder göttliche Geisteskräfte am Werke,
nur gehemmt durch gutgemeinte, aber
auf allzu enge
Parteilichkeit eingestellte
Glaubensmeinung, gehemmt durch all‐
zu ängstliche Besorgnis, Liebgewordenes
preisgeben zu müssen, oder scheinbar
Überwundenes dennoch als in seiner Art
nicht verwerflich anerkennen zu sollen.
Man vergesse aber doch nicht, daß
jede
urgültige Wahrheit in ihrer Auswirkung
gar
mannigfache Formen verträgt!
.Man werde sich doch
endlich des
Ur‐
wesentlichen am Christentum voll bewußt
und überlasse die jeweilige Bildung seiner
Betätigungsform ehrfürchtig achtend der
menschlichen Verschiedenartigkeit seiner
Bekenner!
.Die Lebensbedingungen des Adlers sind
andere, als die der Nachtigall, aber ein
jedes Lebewesen dieser Erde atmet die
gleiche lebenspendende Luft, die den
Erdball umgibt, und so auch sind die Be‐
dürfnisse der menschlichen Seele gar
mannigfaltig, obwohl sie allüberall
das
göttliche Licht des Geistes benötigt, soll
sie gedeihen und leben.
Im Christentum, so wie es sich bis heute,
geschichtlich bedingt, aber stets aus einer
ewigen geistigen Quelle
genährt, ent‐
faltet hat, sind
trotz aller vorher aufge‐
zeigten „menschlich-allzumenschlichen”
Unvollkommenheiten, ‒ ja aller frühe‐
ren Fürchterlichkeiten, ‒
tiefste Geistes‐
kräfte am Werke und die überragende
Sonderstellung, die dieser Religionsform
von ihren gläubigen Anhängern zuteil wird,
gründet sich durchaus auf reale Gegeben‐
heiten, wenn auch die Auswirkungsfor‐
men, die das Christentum bis heute zeigte,
noch nicht die Berechtigung zu solcher
Sonderstellung erkennen lassen.
.Uralte, urgründig im Ewigen wur‐
zelnde Weisheitslehren sind in seinen
Glaubenssätzen verborgen, ‒ nur selten
von Seltenen in ihrer ganzen Bedeutung
erkannt, von den weitaus meisten seiner
Bekenner noch nicht einmal dunkel er‐
ahnt.
.Gar vieles erscheint da der fatalen Gei‐
stestrockenheit unserer Tage als Petrefakt
alten „heidnischen” Aberglaubens, was
einst durch sonnenklare, im Lichte des
Geistes glühende Erkenner, christlicher
Lehre einverleibt, aber von neuerem Puri‐
tanertum, als anscheinend „wesensfremd”
wieder herausgeschnitten wurde.
.Hohe Eingeweihte alter, um die Wirk‐
lichkeit des Ewigen wissender Mysterien
haben einst in weiser, überragender Ein‐
sicht den Tempel dieser Lehre erbaut, ‒
und so rein und herzenseinfältig auch die
Absicht Späterer war, die an den
Formen
dieses Tempels Anstoß nahmen, so kamen
sie doch an kosmischem Erkennen
nicht
von ferne Jenen gleich, die einst Grund‐
und Aufriß dieses Tempelbaues schufen.
.In bester Absicht, und auch im Grunde
durch manches Geschehen
wohlberechtigt
zur Kritik, haben diese Späteren am Bau
gesündigt ohne es zu ahnen. Die Ge‐
schichte zeigt nur allzudeutlich, daß
we‐
sentliche Steine des Baues entfernt wur‐
den, so daß dem steten Abbröckeln des
Mauerwerks kaum mehr Einhalt zu tun ist.
.Nur ein erneutes
tiefes Eindringen in
die
ewigen Mysterien, denen das Christen‐
tum
lebendige Darstellungsform zu schaf‐
fen berufen ist, kann diese folgenschwere
Unterbrechung seiner Entfaltung beenden,
kann gegenseitiges Verstehen und Duldung
schaffen, und kann seine einzelnen Be‐
kenntnisarten zu gegenseitiger Befruch‐
tung und Erneuerung wachrufen.
Gegensätzliche Auffassungsarten mögen in
Ruhe so lange bestehen bleiben, wie sie
vonnöten sind, und man maße sich nicht
hier ein Richteramt an, wo höchste gei‐
stige Leitung
allein das Gegensätzliche
zu seiner Zeit zu vereinen fähig ist.
.Die wahren Helfer in den heutigen Nö‐
ten des Christentums sind vor allem jene
deutschen Geisteskünder, die man als
„mittelalterliche Mystiker” zu kennen
meint: ‒ die
wirklichen „Theosophen” im
paulinischen Sinne, ‒ die wahrhaftigen
Geisteskundigen, wie
Eckehard,
Tauler,
der dem Namen nach unbekannte
Frank‐
furter Deutschordensherr, dem wir das
„
Büchlein vom vollkommenen Leben”,
die „
Theologia deutsch” verdanken, der
Domherr
Thomas a Kempis, der seinen
Mitgläubigen die „
Nachfolge Christi”
schenkte und ‒ für die, denen seine kos‐
mischen Gesichte nicht allzu grandios und
erdrückend sind, der Görlitzer Seher
Jakob
Böhme. ‒ Obwohl er vor allem
Dichter ist,
darf auch
Angelus Silesius an dieser Stelle
nicht vergessen werden.
Ein weites Wirkungsfeld eröffnet sich je‐
doch auch einer
neueren Theologie, ohne
deren
zielbewußte Hilfe die entstandenen
Schäden kaum zu heilen sind.
.In erster Linie gilt es da, den Knäuel
der dogmatischen Verwirrung aufzulösen,
der durch die religionsgeschichtliche, also
rein
zeitlich, bedingte
Gleichsetzung des
Meisters von Nazareth mit der Selbst‐
aussprache des ewigen Urlichtes, ‒ dem
Logos ‒ entstanden ist.
.Hier ist eine wirkliche
Re-formation,
eine wirkliche
Reinigung der Begriffe,
brennend nötig. ‒
.Die Darstellung der
Selbstaussprache
Gottes, des
Logos, des ewigen „
Wortes,
das
bei Gott ist und Gott
ist” und die
reinlich davon zu trennende Darstellung
der
geist-
menschlichen Potenz, die uns in
dem
Meister der Evangelien entgegen‐
tritt, ‒ das alles theologisch derart be‐
gründet, daß jedes ältere Dogma dadurch
nicht aufgehoben, sondern im wahrhaftig‐
sten Sinne
verklärt würde, ‒ diese Tat
harrt noch des Mutigen, der sie
wagt, des
Kundigen, der sie zu wagen
imstande ist,
und der
Segen, der aus dieser Tat erblü‐
hen könnte, wäre
unermeßlich.
Die uralte Weisheitslehre, deren Künder
in unseren Tagen zu sein, ich verpflichtet
bin, steht in keinerlei Gegensatz zu dem
ewigen Wesenskern des Christentums, so
gegensätzlich dem oberflächlichen Blick
auch manches in dieser durch mich ver‐
tretenen Lehre fürs erste erscheinen mag.
.Wer begriffen hat,
aus welcher Quelle
diese Lehre stammt, dem muß schon der
bloße Gedanke absurd erscheinen, daß
hier ein Gegensatz obwalten
könnte.
.Es ist jedoch nicht meine Aufgabe, der
Sachwalter
irgend eines Religions-
Systems
der Menschheit zu sein, und sei es auch
das erhabene Lehrgebäude des
Christen‐
tums.
.Ich habe nur die hohen ewigen Werte
aufzuzeigen, deren Zeuge
jedes der großen
geistig befruchteten Religions-Systeme der
Erde ist.
.Das schließt nicht aus, daß ich, ‒ von
christlichen, uralten deutschen Stämmen
und Geschlechtern entsprossenen Eltern
geboren und im Christentum unterrichtet,
‒ alle meine Voreltern in diesem Glauben
einst geborgen wissend, ‒
mir selbst die
Pflicht setze, zu einer
echten Vertiefung
christlicher Lebensauffassung, vom Stand‐
punkt der mir möglichen inneren Wesens‐
schau her, das meinige beizutragen.
.Schon gibt es nicht Wenige, und nicht
wenige Seelenhirten der beiden hauptsäch‐
lichen christlichen Konfessionen, denen
meine Lehren
Führer wurden bei ihren
suchenden Wanderungen durch die Wun‐
derwelt christlicher Lehre. Ich habe kei‐
nen Grund, daran zu zweifeln, daß
immer
mehrere, die guten Willens sind, sich das,
was ich oft in
anderer Form zu sagen habe,
in „
christliche” Sprache übersetzt, zu ei‐
gen machen werden, um so ihrer eigenen
Glaubensmeinung
untrügliche Stütze zu
geben.
Es ist keineswegs nötig, ja es wäre
im höch‐
sten Grade verderblich,
neue christliche,
oder sonstige geistige
Gemeinschaften be‐
gründen zu wollen.
.Wir haben der Kirchengemeinden und
Konventikel wahrlich schon mehr als ge‐
nug!
.Ein Jeder aber, der in
irgendeiner die‐
ser Gemeinden verankert ist, und der über‐
zeugt zu sein glaubt, daß die
christliche
Form der Gottesgemeinschaft
mehr zu sei‐
nem Herzen spricht als Anderes, sei auf
seine Weise bemüht, durch sein
eigenes
Leben, seine
eigene vertiefte Erkenntnis
und Gläubigkeit, der Enthüllung des ewi‐
gen
göttlich-
geistigen Wesenskernes des
Christentums zu dienen.
.Er suche aber auch jene
Anderen zu
verstehen und erziehe sich zur
Ehrfurcht
vor ihrer Geistesführung, die in
anderen
Formen als er, dem
Wesenskern des Chri‐
stentums zu nahen suchen.
.Und
ferne sei ihm jede
pharisäische
Selbstgerechtigkeit, die ihrer Verehrung
christlicher Lehre nicht besser Ausdruck
geben zu können meint, als indem sie den
in
nicht-
christlicher Form die Wahrheit
Suchenden verständnislos, oder gar mit
Haß begegnet!
.In den Einöden Innerasiens leben
auch
heute Männer, denen
kein Europäer außer
dem, der hier spricht, sich an wirklicher
Einsicht in das, was das Wesen des Chri‐
stentums ausmacht, auch nur formell ver‐
gleichen darf, und denen trotzdem nichts
ferner liegt, als sich einem „christlich” ge‐
meinten Glaubenskreise anzuschließen.
.„Viele werden kommen vom Morgen
und vom Abend, und mit Abraham, Isaak
und Jakob im Himmelreich zu Tische
sitzen.”
.Ist es noch nötig, zu sagen, daß nur lä‐
cherlicher Hochmut und blinde Anmaßung
sich vermessen können, zu glauben, die
Absichten des göttlichen Geistes hinsicht‐
lich der Zukunft des Christentums, vor‐
witzig
bestimmen zu dürfen?! ‒
.Allüberall hat „der Herr der Ernte
seine Arbeiter in seinen Weinberg ge‐
sandt”, und
jede fruchtbringende Rebe
wird von ihnen
gefunden und
sorglichst
gehütet werden.
.Die
gleiche geistige Sonne wird die
Früchte
aller Reben zur
Reife gelangen
lassen, zu geistig gesetzter Zeit!
Hier ist nun zu erforderlicher Erhellung
die Rede von den geistigen Dombauhütten,
die zu allen Zeiten „Arbeiter” suchten,
Abeiter, die mitzuhelfen gesonnen waren,
an dem großen geistigen „Bau” jenes er‐
habenen Gottestempels, von dem allein
die Leuchtenden des Urlichtes auf dieser
Erde, die fern allen Machtgelüsten und
persönlichen Ehrgeizbestrebungen nur
dem Ewigen im Menschen dienen, Plan
und Ausmaße kennen. „Arbeiter” am Bau
dieses Menschheitsdomes kann jeglicher
Erdenmensch sein, insoferne er willens ist,
an sich selber geistig zu arbeiten, bis er
der rein geistigen Form entspricht, der er
zu entsprechen vermag.
.In mancherlei äußerer Gemeinschaft,
und nach mancherlei seltsamer Satzung,
haben sich seit ältester Zeit die zu Emp‐
fang der Lehre und zum Werk Bereiten
zusammengefunden, und die symboli‐
sche „Geschichte” solcher Vereinigungen
geistig Suchender tischt wahrlich keine
Märchen auf, wenn sie die Frühesten ihrer
Art schon unter den ersten menschgewor‐
denen Menschentieren dieser Erde, den
ersten wirklichen „Menschen” sucht, ja
sie kommt weit näher der Wahrheit über
den Ursprung der hier gemeinten gemein‐
samen Bestrebungen, als alle rationalisti‐
sche moderne Forschung nach frühesten
Quellen, die doch nur aus Niederschriften
recht später Chronisten fließen.
.Die Tempelbauten des alten Ägypten
wurden ebenso von wirklichen Kennern
des Geistigen im Menschen für die Ent‐
faltung der Seele errichtet, wie der Par‐
thenon, und, in christlicher Zeit, so man‐
che weltberühmte Kathedrale. ‒ Alle
diese äußeren Tempelbauten zeigen in
sichtbaren Formen seelische Symbole aus
dem ewigen unsichtbaren Tempelbau, der
um der Entfaltung der
Seele willen bauen
lehrte. Nicht umsonst entstammen der al‐
ten
Baukunst die Symbole für geistige
Dinge, die als zu heilig galten, um in die Re‐
deweise des Alltags einzugehen.
Künstler
der Baukunst hatten
selbst die Symbole
geschaffen! Auch die Schöpfer der großen
Baukunstwerke des antiken und mittel‐
alterlichen
Morgenlandes waren ebenso
wie die Baumeister des alten Mexiko, tra‐
ditionelle geistige Schüler dieser, „des
Bauens und der Zierde Kundigen”, davon
heute noch zahllose Bauten und Ruinen
deutlich zeugen.
Doch der Ursprung der
Impulse zu gegen‐
seitiger geistiger Hilfe ist etwas anderes,
als der Ursprung der vielerlei
Namen, un‐
ter denen man sich vereinigte. ‒ Die Na‐
men
wechselten, aber die selbstgestellte
Aufgabe, einander zu Gott zu führen, blieb
im Wesentlichen die gleiche.
.Freilich darf man nicht glauben, je‐
mals etwa geistig vollendeten „Wissen‐
den” ewiger Weisheit in irgend einer der
mancherlei geistig gerichteten Werkstätten
zu begegnen!
.Heute gar sind diese geistigen Arbeits‐
gemeinschaften bestenfalls nur noch Auf‐
bewahrungsstätten des
Arbeitsgerätes, der
Aufrisse und der Bauschablonen: ‒
Ver‐
wahrungsorte der uralten, heiligen
Sym‐
bole, deren
Deutung den Mysten erst wirk‐
lich zur Annahme der Lehre
befähigt,
während sie jedoch gegenwärtig unter den
etwa noch zu gegenseitiger Belehrung Ver‐
sammelten niemand mehr deuten
kann,
niemand mehr zu deuten
wagt, ‒ es sei
denn, auf eine spießbürgerlich-huma‐
nistisch-
rationale Weise, oder gar in irgend
einem töricht
phantastischen Sinn.
.Trotzdem bleibt jede wirkliche geistige
Dombauhütte
ein heiliger Ort, und es
wird
nichts von allem je verloren gehen,
was man ahnungslos in ihr für
spätere Zei‐
ten gemächlich
verwahrt, ‒ mögen auch
da und dort womöglich, durch Menschen,
die in Verfolgungswahn handeln, symbo‐
lische Requisiten äußerlich demoliert wer‐
den, ‒ mögen auch heutige Verwahrer
selbst nur
aus Pietät noch achten, was sie
nicht mehr geistig zu gebrauchen wissen!
. Es
werden wieder
wirkliche, des Werk‐
zeugs
kundige, geistig erleuchtete „Er‐
bauer” erstehen, wenn es ‒ „
an der Zeit”
ist, und sie werden den heutigen Hütern
der alten Lehrschätze einstens gewiß zu
danken wissen, wenn diese Verwahrer we‐
nigstens
nicht zerstreuten, was ihnen: ‒
als des heiligsten Handwerks
Unkundigen,
‒ nichts mehr zu „bedeuten” schien.
Möglich ist es, daß diese
neuen Seelen‐
kundigen noch den
Namen ihrer Vor‐
gänger durch die Jahrhunderte kommen‐
der Geschlechter führen, aber
Bedingung
zu gegenseitiger werkgerechter geistiger
„Erbauung” ist das
nicht, so wenig es in
früheren Jahrhunderten jemals Bedingung
war. Die
Namen, die man sich, als Ge‐
meinschaft, in neueren Zeiten gab, oder
gar irgendwelcher Namen
Mißbrauch, ha‐
ben nicht das Geringste mit der gemein‐
ten Sache selbst zu tun!
.Auch ist es nicht unbedingt nötig, daß
jeder wahrhafte geistgeleitete „Steinmetz”
an Gottes Tempelbau, einer Arbeitsgemein‐
schaft
äußerlich angegliedert ist, ja es läßt
sich verstehen, daß mancher sich nur den
Leuchtenden des Urlichtes, als
den Hütern
des geistigen Bauplanes, zur „Arbeit”
unterstellt, der
erst dann sich zu
den
Hütern des Werkzeugs gesellen würde,
wenn er wieder
solche unter ihnen fände,
die das Werkzeug auch selbst
zu gebrau‐
chen wüßten. ‒
Was ist nun dieses geistige „
Werkzeug”,
‒ was die geistige „
Arbeit am Stein”, ‒
und was der geistige „
Tempelbau?” ‒
.Es sei der Versuch gewagt, zum Heil
der erhabensten Kunst: ‒ der Kunst der
Selbstgestaltung ‒ allen Fähigen
Antwort
zu geben, soweit es angängig ist, ohne
Kunstgeheimnisse, die schwer
errungen
werden müssen und Mysterien des Tempel‐
planes, die nur der Geheiligte erfaßt,
Un‐
mündigen zu verraten, eingedenk des
Wortes: „Werfet das Heilige nicht den
Hunden vor und die Perlen nicht vor die
Säue!” (Auch
außerchristliche Gemein‐
schaften der Antike und des Orients haben
alle mit strengsten Strafen bedacht, die
jemals versuchten, den hier erteilten Rat
zu mißachten.)
Beim Bau des erhabenen Domes, den es
geistig zu errichten gilt, ist jeder, der daran
arbeitet,
Arbeiter,
Werkzeug und
Bau‐
stein zugleich.
.„
Arbeiter” durch seinen freien
Willen,
wird er zum „
Werkzeug” durch die er‐
worbene „
Kunst”: ‒ durch
Deutung der
Symbole, die ihm ihre Anwendung zeigen,
‒ und zum „
Baustein” endlich durch
die
Arbeit an sich selbst, mittels der bau‐
gerechten Zubereitung im rechten Ge‐
brauch des dargebotenen Werkzeugs.
.Nur aus kunstgerecht nach geistiger An‐
weisung der
bauleitenden „Steinmetzen”
behauenen Steinen kann der Dom der
Menschheit nach dem ewigen, aus der Lie‐
be, die
Gott ist, gegebenen Bauplan er‐
stehen.
.Jeder, der an diesem hochheiligen Tem‐
pel Gottes „bauen” hilft so gut er es ver‐
mag, will
sich selbst als tragenden
Bau‐
stein seinem Gefüge einverleiben, den
Weisungen
Derer entsprechend, die selbst,
durch eigenen Willens Auswirkung, zu ra‐
genden
Säulen behauen, als
Monolithen,
das hohe
Gewölbe des Tempels zu tragen
haben.
.Um
Baustein zu werden, muß jeder,
der danach strebt, das
Handwerk erlernen,
muß
Unterweisung erhalten von einem,
der bereits das Handwerk
kennt, damit er
fähig wird, das Handwerkszeug
gebrau‐
chen zu können und damit
sich selbst nach
Vorschrift geistiger Planung
zu bearbeiten.
.Noch ist er ein rauher, unregelmäßig ge‐
formter, dem Steinbruch entnommener
Stein. Er wird sich
durch eigene Arbeit
behauen und
schleifen müssen, auf daß er
zum maßgerechten an seine Stelle passen‐
den
Baustein werde.
.Ist er es
geworden, so wird er willig sich
an seiner ihm vorbehaltenen Stelle
ein‐
fügen lassen in den heiligen geistigen
Tempelbau.
Doch, damit ist er für sich selbst
noch nicht
am Ende des Werkes.
.Noch ist er
innerlich dunkel, ‒ aber er
soll als Baustein
leuchtend werden, denn
der Dom, den es zu bauen gilt, ist aufer‐
baut aus
innerlich leuchtenden Steinen,
damit er in den unermeßlichen Weiten der
Ewigkeit mit seinem geistigen Lichte er‐
strahle.
.Nun beginnt für den Mysten die
innere
Arbeit, zu der ihn die altgeheiligten
Sym‐
bole der geistigen Dombauhütte leiten, die
er schon zu Anfang kennen lernte, und die
er auch jetzt, nachdem er
Baustein wurde,
dem das Handwerkszeug nichts mehr nützt,
in sich behält als untrügliche Räte.
.Trotzdem könnte er,
aus sich selbst her‐
aus und
allein auf sich beschränkt, nur
schwerlich, und erst nach unermeßlichen
Zeiten, zu eigenem Lichte kommen.
.Er bedarf der Aufnahme
jener Strahlen,
die von den
anderen „Steinen” ausgehen,
die gleich ihm sich einstens formten, aber
schon leuchtend wurden, ‒ und vor allem
braucht er
das Licht jener Säulen-
Mono‐
lithen, die im
Innern des Tempels stehen.
.Ohne seine
eigene innere Arbeit, zu
der ihn die in seinem Innersten
erkann‐
ten Symbole leiten, würde er aber nie‐
mals tauglich werden, dieses Licht, das
ihn allenthalben umstrahlt, auch
aufzu‐
nehmen, und es könnte geschehen, daß
die hohen Dombaumeister in ihm einen
„
toten” Stein erkennen müßten: ‒ daß
sie ihn also aus dem Gefüge des Baues zu
entfernen, und einen
anderen Stein
an
seine Stelle zu setzen hätten. ‒
.Bringt er sich aber durch eigene innere
Arbeit soweit, daß das Licht, das ihn rings‐
um überstrahlt, auch
ihn im Innern
leuch‐
tend werden lassen
kann, dann wird er
für alle ewigen Zeiten in seinem eigenen
Lichte strahlen,
allen kommenden Ge‐
schlechtern leuchtend,
am Ziele seiner
mühereichen Arbeit angelangt.
.Mit anderen Worten gesagt: Einer der
ehedem in die Nacht der Nichterkenntnis
tierhaften Daseins gefallenen Menschen‐
geister hat sich selbst im Lichte der Ewig‐
keit wiedergefunden, seiner selbst nun
bewußt als eines ewig Lebenden!
Der hier gemeinte geistige Dombau ist
wahrhaftig noch nicht vollendet, und wird
nicht eher vollendet sein, als bis auch der
letzte der erdgebundenen Menschengei‐
ster, die zurück zu ihrer Urheimat streben,
seinen Weg heimgefunden hat ins Licht.
.Auch
heute werden daher neue
Ar‐
beiter am Dombau, werden neue „Bau‐
steine” gebraucht.
.Wer des redlichen Willens ist, sich
selbst in harter Arbeit zum „Baustein” zu
behauen,
den wird man im Ewigen
fin‐
den, er wird
geistig gelehrt und geleitet
werden, und
geistig wird er
andere Sym‐
bole entdecken und enthüllen lernen, da
der Ort der Verwahrung der
alten Ur‐
Symbole ja leider heute der Kundigen
entbehrt, und die
äußere Zugehörigkeit
zu einer Arbeitsgemeinschaft den Suchen‐
den ja
doch nicht zum werkgerechten
Kundigen geistiger Baukunst zu vollenden
vermöchte.
.Gehört der geistig Strebende aber etwa
zu den formellen
Hütern des Schatzes der
alten Werkstätten in unseren Tagen, dann
möge er wissen, daß all das, was er nur
aus Pietät noch ehrt, und als
traditionelles
Gebrauchtum kennt, ohne es in seinem
Innersten zu „verstehen”,
tiefgeistige
Weisheit verhüllt in sich birgt, und daß
er das tiefste Geheimnis der geistigen Bau‐
kunst
sich selbst mit Hilfe der ihm an‐
vertrauten heiligen Symbole zu eigen ge‐
ben kann, auch wenn
keiner seiner Berater
es ihm je zu enthüllen vermöchte.
.Wehe aber den heutigen
Hütern der
Werkzeuge und der
uralten Symbole,
wenn sie die Bauhütte: ‒ die Stätte ihrer
Verwahrung, ‒ nicht
heilig zu halten wis‐
sen! Wehe ihnen, wenn sie nicht mehr
aufbauen, sondern
einreißen lehren, was
ihre großen Vorfahren zum Heile der
Seelen gestaltet haben!
.Noch ist die Weisheit ältester Kulte,
noch ist das tiefste Geisteswissen, dessen
je die Menschheit sich rühmen konnte,
innerhalb der Dombauhütten in verhüll‐
ten Gefäßen verwahrt. Wer nicht zu
deu‐
ten weiß, was er zu behüten hat, der sollte
es zum mindesten vor
Entweihung zu be‐
wahren wissen.
Die Welt
wird dereinst wieder wahre Kun‐
dige geistiger Wahrheit an der Arbeit
sehen, und es
wird ein Weistum endlich
erbaut werden, das dann wirklich, inmitten
des Dunkels und falscher Lichter, wie ein
Leuchtturm der Ewigkeit steht!
.Dann aber werden wahrlich
nicht alle,
die heute noch unerprobterweise Zutritt
zu manchem Mysterium alter Urväter‐
zeiten finden, den erhabenen ewigkeits‐
gezeugten Symbolen nahen dürfen!
.Man wird
strengere Prüfung brauchen,
wenn man die Spreu vom Weizen sondern
will: ‒ wenn die
geistige Atmosphäre ge‐
schaffen werden soll, die
wahrhaft gei‐
stiger Arbeit am Dombau vonnöten ist!
.Möchten die kommenden wahrhaften
Strebenden allmählich wieder
die Vorbe‐
dingungen finden, die der Erneuerung ur‐
alten Wirklichkeitserkennens allein günstig
sind!
.Es möge sich aber Jeder selber prüfen,
mag er den geistigen Dombauhütten ferne‐
stehen oder nicht, ob er sich ihrem erha‐
benen
ursprünglichen und durch Jahr‐
tausende hindurch heilig gehaltenen
End‐
ziel nicht widmen dürfe, ‒ ob er nicht
ein
Arbeiter an sich selbst,
ein Baustein am
leuchtenden geistigen Tempel der Mensch‐
heit werden könnte?!
.Wer immer sich fähig fühlt,
sich selbst
aus einem rohen Steinblock zu einem ge‐
rechtsam behauenen
Baustein des Tempels
der Menschheit zu bearbeiten, der wird
von innen heraus seine geistige Leitung
finden, auch wenn ihm
kein äußerer Füh‐
rer beratend zur Seite steht.
.Noch ist es gewiß nicht an der Zeit, daß
allen die geistige Einsicht werde, die
einstmals die alten Dombauhütten, deren
Werke die alten Kathedralen der Christen‐
heit sind, den strenge Geprüften gaben, ‒
aber denen, die sich im Herzen würdig
darauf vorbereiten, wird mit geistgege‐
bener Notwendigkeit dennoch dereinst der
flammende Stern erneut erscheinen, der
vordem über der „Krippe” stand, in der
das Licht der Ewigkeit, zwischen den ar‐
men
Tieren dieser Erde, wieder zu den
Menschen kam.
Unzählige Arten der Gottesverehrung hat
der Menschengeist im Laufe der Jahr‐
tausende ersonnen und je nach seiner Vor‐
stellung von „Gott” fand hier jede mensch‐
liche Empfindungsmöglichkeit ihren Aus‐
druck, von wildester Rohheit bis zur er‐
habensten Geistigkeit.
.Allen diesen Arten der Gottesverehrung
lag und liegt aber der anthropomorphe Ge‐
danke zugrunde, als ob „Gott” des
Dien‐
stes der Menschen
bedürfe, ‒ als ob die‐
ser Gott vom Menschen
erwarte, daß er
ihn
bediene, ‒ wie das tote Götterbild
den Dienst des Menschen
braucht, soll es
das Leben in Phantasie und Unterbe‐
wußtsein seines Dieners nicht verlieren.
.Wohl sind die
höheren Arten solchen
Gottesdienstes dazu angetan, das Gemüt
des Menschen zu befruchten und zu er‐
heben, oft tiefste Schächte urgeistigen
Empfindens aufzureißen, in Kultusformen
Symbole erhabenster Erkenntnis zu schaf‐
fen, und dennoch ist das alles nur ‒
Menschendienst, nur aus dem Bedürfnis
des Menschen heraus entstanden, seinem
eigenen Geiste
Anregung zur Erhebung
zu bringen, sich selbst in kultischen For‐
men das eigene Verhältnis zum erträum‐
ten, erahnten, geglaubten oder schon er‐
kannten Weltgrund
deutlich zu machen.
.All das mag dem Menschen
stärkste
Förderung werden auf seinem Wege in
die geistige Welt, aber es bleibt
Dienst an
der eigenen Seele, wird nur
fälschlich als
„
Gottes-Dienst”
bezeichnet, ist nicht der
„rechte Gottesdienst”, von dem ich hier
rede.
Dieser rechte Gottesdienst ist
kein Be‐
dienen der Gottheit, kein
Kult, in der Mei‐
nung zelebriert, damit der Gottheit
schul‐
digen Tribut zu entrichten, sondern ein
freiwilliges Darbieten aller Kräfte und
Fähigkeiten des Menschen, damit sie
Die‐
ner des göttlichen Willens werden, auf
daß sie
bedingungslos sich der
Lenkung
des lebendigen Gottes
in des Menschen
eigener ewiger Geistigkeit unterordnen,
‒ eine Erlösung aus dem Chaos wilder
Wünsche, ein Kristallisationsprozeß, bei
dem jedes Kräfteatom sich der ewigen kos‐
mischen Gestaltungskraft
überläßt, um so
an seine geordnete Stelle zu gelangen.
.Mag der Mensch auch in äußeren Kulten
seine
Erhebung suchen,
mag auch die Seele
tief innerlich
berührt durch kultische
Handlung sein, so wird doch wirkliche
Ver‐
einung der Seele mit der Gottheit nur ge‐
funden durch solche
Hingabe aller Kräfte
des Menschen in ihre Hand.
Hier wird eine „Dienstbarkeit” gefordert,
die
allein zu höchster
Freiheit zu führen
vermag, ein Dienen, das zum
Herrschen‐
lernen in sich selber leiten soll, ein Unter‐
ordnen, um alles Niedere dem Höchsten
anzugleichen, damit es
im Rhythmus die‐
ses Höchsten zu schwingen vermag, und
so
erhalten bleibe durch alle Äonen ewigen
Lebens. ‒
.Dieses
Erhalten der Individualität, der
Bewußtseinsfülle, über den Tod des Kör‐
pers hinaus, aber durch ihn nicht berührt,
durch alle Ewigkeiten hindurch, ‒ dieses
In-
Gleichklang-
Setzen aller Kräfte mit
dem
ewigen Gottesfunken, um den herum
sich alles Bewußtsein geordnet kristalli‐
sieren soll, ist ja dem Wissenden der End‐
zweck
allen richtigen geistigen Strebens
des Menschen auf dieser Erde.
.Was nützen alle
okkulten Künste und
seien es auch die erstaunlichsten Fakir‐
leistungen, da sich alles das doch nur auf
diese
physische Erscheinungswelt bezieht,
die uns als solche verläßt, sobald das Ge‐
hirn des menschlich-tierischen Körpers
nicht mehr als Empfindungstransformator
zur Verfügung steht?
.Was nützt alle
hellseherische Begabung,
da sie doch bestenfalls nur die sonst un‐
wahrnehmbaren Bilder der astralen terre‐
strischen, gemeinhin physisch unsichtbaren
„
Aura” dieses Planeten erkennen läßt,
und den Hellseher nur gröblicher
Täu‐
schung unterwirft, wenn er zu der Mei‐
nung verleitet wird, was er sieht, sei be‐
reits
den Welten des reinen Geistes nahe,
oder gar diesen Welten innewohnend?
.Was nützt alles
verstandesmäßige Er‐
kennen, alles Wissen
über die Welten des
Geistes, wenn doch alles das mit dem Fort‐
fall der Gehirnfunktionen lautlos in Nichts
zerstäubt und nie mehr im seelischen Be‐
wußtsein gefunden werden kann, falls die‐
ses seelische Bewußtsein nicht
vorher,
noch
während es das Gehirn zur Verfügung
hatte,
den ewigen Willen zur Einigung
mit seinem lebendigen Gott, seinem gött‐
lichen Geistesfunken im innersten Innen,
erreichte?
Diese Einigung
aller Seelenkräfte,
al‐
ler Empfindungsmöglichkeiten, auch der
durch den Körper
allein gegebenen, im
allerinnersten „
Ich”, ‒ in der höchsten
Region inneren Fühlens, die
allein die
Gottheit erreicht und sie eben
nur im
Menschen selbst, als den
in ihm leben‐
digen Gott erreichen
kann, ‒ ist die
ein‐
zige geistige Aufgabe des Menschen, die
sich wirklich aller Anstrengung wert er‐
weist.
.„Das Himmelreich leidet Gewalt, und
nur die Gewalt brauchen,
reißen es an
sich!”
.Wahrlich, es braucht „Gewalt”, alle
störenden Einreden des nur auf die
phy‐
sische Welt und auf die aus ihr abgelei‐
teten Spekulationen beschränkten
Ver‐
standes abzuweisen, damit die
innere
Stille zustande kommt, die uns das
Urbild
unseres „
Ich” empfinden läßt, unsern
le‐
bendigen Gott, der uns jeden Augenblick
unseres Seins stets neu nach seinem Bilde
schafft, ‒ dessen ewigen Schaffens
Aus‐
druck wir geistig sind, ‒ dem wir völlig
uns
angleichen sollen, damit wir aus
sei‐
nem Bewußtsein heraus, durch alle Ewi‐
keit hindurch,
uns selbst in
Bewußtseins‐
identität zu erhalten fähig werden!
Nicht eine verkrampfte Anstrengung des
Willens ist hier gemeint, nicht eine er‐
quälte „Konzentration”, sondern ein stets
waches, energisches Abweisen aller lauten
Vordringlichkeit des Intellekts, ein Bän‐
digen seiner anmaßlichen Ansprüche, auch
in einer Region das große Wort zu führen,
die ihm
niemals zugänglich ist! ‒ Diese
Zurückweisung aber ist unumgänglich nö‐
tig, damit
das große Lassenkönnen mög‐
lich werde, das, ‒ als
Vorausbedingung,
‒ erreicht sein muß, sollen alle unsere
Empfindungskräfte zu willigen Dienern
unseres inneren
Gottes werden, aus dem
wir leben und sind, ‒ soll der ewige
Mensch im Erdmenschen aus seinem Grabe
erstehen, aus dem Geiste neu geboren: ‒
Bild und Gleichnis seines „Vaters” der
in ihm in seinem „Himmel” ist.
.Wohl aber kann uns bei solchem Stre‐
ben der Intellekt „wie ein Zugtier” vor‐
wärts bringen, sobald wir ihn gebändigt
haben! Es ist auch gewiß verstattet, das
geistig Erfühlte, nachdem es erfühlt ward,
auch auf intellektuelle Weise zu be‐
trachten: ‒ sich gleichsam ein Gedanken‐
gebäude nach logischer Folge aufzurich‐
ten, als geordnete „Schatzkammer”, in
der wir die Kleinodien unseres inneren
Fühlens zu verwahren wissen. Ja ohne
ein solches selbst erbaute Schatzhaus wäre
unser inneres Erleben, wäre der Schatz
unseres geistigen Erfühlens sehr in Gefahr,
uns im Leben des Alltags wieder verloren
zu gehen, verstreut zu werden in alle
Winde, statt uns stets in geordneter Weise
zur Verfügung zu stehen.
.Aber
niemals darf der
Intellekt die
Führung erhalten, wenn wir uns im Früh‐
rot ferner Ahnung auf den Weg des Su‐
chens begeben, des Suchens nach dem, was
unser Aller bleibender unzerstörbarer Le‐
benskern, unser Aller innerste Heimat, un‐
ser Aller unbegreiflichstes Wunder: ‒ das
„Juwel in der Lotosblume” ist.
Der Verstand ist ein guter Pfadfinder,
wenn es gilt, die Wegspuren zu entdecken,
die zur Erkenntnis
jener Dinge führen,
die
in der physischen Welt der Sinne ihre
letzte Auswirkung zeigen, und
hier soll
man ihm wahrhaftig
vertrauen, soll ihm
alle Gelegenheit geben, sich zu entfalten,
denn auch der Verstand ist
göttlichen Ur‐
sprungs und
wohltätig wirkend an
seinem,
ihm vorbehaltenen Ort.
.Wollen wir aber zu
Gott gelangen, so
dürfen wir
nicht außen suchen, ‒ auch
nicht in
jenem Außen, das den meisten
schon als ein „
Innen” erscheint, weil kei‐
ner ihrer Sinne es mehr zu fassen im‐
stande ist.
.Auch wenn der Menschengeist in den
höchsten geistigen Regionen Ewigkeiten
hindurch nach
Gott suchen wollte, würde
er niemals Gott begegnen, denn so, wie in
der ganzen physischen Natur niemals Na‐
turkraft
an sich zu finden ist, und dennoch
in jedem Atom dieser Sichtbarkeit erkannt
wird, so äuß
ert sich Gottheit
nur in den
aus ihr gezeugten
Geisteswesenheiten, ‒
in jeder
individuell gesondert auf die
nur
in ihr allein erstrebte Weise der Offen‐
barung, ‒ und kann
niemals, auch nicht
in
einer der
höchsten Geisteswelten,
iso‐
liert und
für sich bestehend gefunden
werden.
.Wir müssen Gott
in uns selbst entdecken,
in seinem ewigen, zeugenden
Leben, und
damit wir Gott in uns selbst entdecken
können, ohne uns selbst einen
Götzen aus
uns zu schaffen, und so einer argen
Täu‐
schung zu erliegen, müssen wir hier der
Führung
Jener vertrauen, die bereits im
Bewußtsein Gottes
leben, die ihre Kräfte
Gott zu Dienern gaben und sich dem ewigen
Urbild
einten, das sie zeugt.
Es wäre freilich törichter Glaube, wollte
man erwarten, hier in diesem durch völlig
andersartige Gesetze bestimmten Leben
der Erde den
höchsten gottgeeinten
Gei‐
steswesen als sichtbaren Gestaltungen zu
begegnen. Auch wird
die Menschenseele,
die sich hier ihrem lebendigen Gotte einte,
und ihrer Kräfte Herrscher ward aus Gott,
dem sie diese Kräfte zum Dienste weihte,
niemals, solange sie mit dem Körper des
Menschentieres verbunden bleibt,
von ir‐
dischen Banden frei, und kann,
selbst in
höchster Vollendung, nur die
niederste
Stufe göttlicher Geisteseinung erreichen.
Selbst der Gottgeeinte, aus dem sich ein
Leuchtender des Urlichtes den Offenbarer
schafft, wäre
aus sich allein unfähig, die
ihm erschlossenen höheren Stufen zu er‐
steigen!
.Zwar leben auch Geisteswesenheiten in
der
geistigen Region dieses Planeten, die
auf weitaus
höherer Stufe stehen, als sie
ihnen in physischer Verkörperung zugäng‐
lich wäre, aber sie sind entweder längst
vom irdischen Körper
befreit, oder waren
niemals an ihn gebunden, weil sie nicht
dem Falle der Geister
erlegen waren.
.Sie können uns aber nur
von innen her
fühlbar, können nach ewigen Gesetzen nur
der gänzlich gottgeeinten Seele eines Men‐
schen unter gewissen seltenen Umständen
schaubar und hörbar werden.
.Äußerst selten nur sind die wenigen
Fälle, in denen ein irdischer, sinnengebun‐
dener Mensch diese Geistigen wahrzuneh‐
men imstande war, ‒
zahllos aber sind
hier die
Täuschungsmöglichkeiten, zahl‐
los die Berichte
solcher Menschen, die
Ge‐
bilde der Täuschung sahen und nicht an‐
ders glauben konnten, als daß ihren Sinnen
sich ein
Geistiger offenbart habe.
.Kaum auszurotten ist der Wahn, daß
„Hellsehern” diese hohen Geisteswesen
sichtbar werden könnten, und Tausende
wollen das Hellsehen „lernen”, weil sie
meinen, wenn sie es könnten, wären sie
imstande,
Geistiges mit inneren Sinnen
wahrzunehmen.
.Man kann aber weder Hellsehen „ler‐
nen”, noch hat
je ein Hellseher
anderes
erschaut, als was in der
niederastralen,
keineswes „geistigen” Aura der Erde an
täuschenden Gebilden und täuschungs‐
lustigen Wesen
keineswegs geistiger Art
zu finden ist.
.Wohl gibt es Methoden, die Kräfte der
plastischen Phantasie des Menschen so
zu
überreizen, daß sie ihn alles als schein‐
bare Wirklichkeit sehen und hören lassen,
was er sehen und hören
will. Wohl kön‐
nen einem derart betrogenen Menschen
„innere Aufschlüsse” werden, in denen
Wahres und Falsches sich in grotesker Mi‐
schung mengt. Wohl kann er grandiose
Phantasiegebilde Anderer, oder selbstge‐
schaffene Trugbilder als scheinbare „Wirk‐
lichkeit” erblicken. Doch wer sollte hier
im Zweifel sein, daß ein solcher Mensch
noch viel bedauernswerter ist, als der
wirk‐
liche Hellseher, der seine fragwürdige
„Gabe”
stets von Geburt an mit auf die
Erde bringt, und der doch wenigstens ein
tatsächlich
erdenhaft „
Wirkliches” wahr‐
nimmt, wenn er auch fälschlich glaubt,
daß die Welten des
Geistes ihm erschlossen
seien!
Es ist eine gänzlich verkehrte Einstellung
der Wünsche, wenn ein Mensch dem Gei‐
stigen zuzustreben glaubt, und dabei hofft,
recht bald mehr oder weniger
sinnenfällige
Beweise des Daseins geistiger Welten zu
erlangen.
.Ganz davon abgesehen, daß es ihn nie‐
mals weiter bringen würde, wenn auch
sämtliche „Welten” des reinen wesen‐
haften Geistes gar seinem
physischen Auge
erschlossen wären, ‒ daß auch hundert‐
jährige, stete Zwiesprache mit den höch‐
sten geistigen Wesenheiten doch ihn immer
auf der gleichen Stufe verharren lassen
würde, auf der er den Austausch begonnen
hätte, ‒ darf er auch niemals glauben, daß
er dereinst, im Tode körperfrei geworden,
Geistiges sofort auf allen geistigen Stufen
erkennen könne.
.Hier erkennt sich nur,
was gleicher
Artung ist, und selbst ganz gottgeeinte
menschliche Geisteswesen können in gei‐
tigen Welten nur empor bis zu
jenen Stu‐
fen dringen, die ihrer
eigenen Geistigkeit
entsprechen.
.Wo es notwendig ist, steigen Wesen‐
heiten von
höherer geistiger Stufe
herab,
um belehrend Kunde zu bringen von dem,
was
ihnen erschlossen ist, wie das bei der
Schaffung des irdischen Geeinten eines im
Urlichte Leuchtenden unvermeidbar wird,
‒ denn
höhere Geistigkeit kann wohl die
Sphäre
niederer Stufen zeitweilig ent‐
sagend betreten, während die Geistigen
auf solcher
niederen Stufe
sich selbst zer‐
stören würden, falls dies
möglich wäre,
wollten sie versuchen, in Sphären des Gei‐
stes vorzudringen,
zu deren Betreten sie
noch nicht bereitet sind. (Die niederen
mentalen Einflüsse die jeder Erdenmensch
erfahren kann, stammen nicht aus
gei‐
stigen, sondern aus den Regionen der un‐
sichtbaren
physischen Welt!) Es herrschen
allerwärts
strengste geistige Gesetze, de‐
nen sich willig beugt, was wahrhaft des
ewigen Geistes ist.
.Weise hat das ewige Urlicht, das in allem
Geistigen leuchtet, seine Strahlen schüt‐
zend umhüllt für alles, was nicht in solcher
Weise sich dem Geiste geeint findet, daß
es auch des göttlichen Geistes wesenhaftes
Licht
zu ertragen imstande ist!
Was sollte es auch dem Menschen der Erde
nützen, könnte er Geistiges erschauen, so‐
lange er nicht in sich selbst dem Geiste
absolut geeinigt wurde?
.Es würde ihm nur zu
namenloser Qual,
und keine Höllenpein, die teuflische Tier‐
menschenwollust je ersann, ist derart grau‐
sam, daß ihre Martern jenen Peinen glei‐
chen würden, die ein menschliches Be‐
wußtsein empfinden müßte, das Geistiges
zu
schauen fähig wäre, bevor es
selbst,
dem Geiste auch
substantiell geeint, des
Geistes
Leben zu teilen imstande ist.
.Es bleibt nur Eines, das not tut: ‒ Alle
Kräfte der Seele, alle Empfindungsfähig‐
keit des Körpers, jeden Impuls und jede
Regung, dem Geiste, ‒ dem lebendigen
Gott in uns, ‒ willig und ohne Vorbehalt
zum Dienste an uns darzubieten, damit
es dem ewigen, göttlichen Geiste möglich
ist, allmählich sich mit unserem mensch‐
lichen Bewußtsein zu vereinen und uns
aus sich heraus wieder diese Kräfte, Im‐
pulse, Regungen und Empfindungsfähig‐
keiten zu willfährigen Dienern zu geben,
‒ nachdem wir bereitet wurden, sie aus
dem ewig uns zeugenden leuchtenden Kern
unseres Seins heraus zu beherrschen.
.Das ist der „rechte Gottesdienst”, den
Jeder vollbringen muß, der sein irdisch‐
menschliches Bewußtsein mit hinüber‐
nehmen will, nicht nur für scheinbar end‐
lose Zeiten, sondern für alle Ewigkeit!
.„Wirket, solange es Tag ist, denn es
kommt die Nacht, da niemand wirken
kann!”
Hier in diesem Erdenleben ist es dem Men‐
schen
möglich, zu „wirken”. ‒ Nach dem
Verlassen der physischen Welt aber findet
er sich
in dem Zustand,
den er sich selber
schuf, und muß
passiv verharren, bis sich
ohne sein Zutun, vielleicht in kürzerer
Zeit, vielleicht auch erst nach Jahrtausen‐
den, ‒ in irdischer Weise zu sprechen, ‒
sein Seelisches derart geläutert hat, daß
es
substantiell gottgeeinten Geisteswesen‐
heiten gelingt, in ihm das Bewußtsein
vom wesenhaften Innewohnen seines gött‐
lichen Wesenskernes, seines lebendigen
Gottes, zu erwecken.
Erst dann kann in
ihm die
Willensumkehr erfolgen, durch
die er alle Kräfte seinem „lebendigen
Gott” zum Dienste
überläßt, wodurch
dann erst die
Vereinung seines Bewußt‐
seins mit dem
ewigen Bewußtsein des
göttlichen Geistes in ihm herbeizuführen
ist, die auch kein „Gnadenakt” der Gott‐
heit jemals anders herbeizuführen vermag!
.Dann aber ist sein
erdenmenschliches
Bewußtsein ihm
längst entschwunden, wie
ein Traum, der sich selbst entschwand.
.Er ist zwar „
gerettet”, aber sein Leben
auf dieser Erde mit all seinem Trachten,
seinem Glück und seiner Mühsal ist auf
ewig ihm
unerinnerbar geworden, er hat
den Preis des Siegers,
die Erweiterung
des Bewußtseins Dessen,
der die äußer‐
sten Reiche göttlicher Selbstoffenbarung
durchlaufen hat, für sich
nicht erlangt!
.Zwar wird auch
er, ‒ dann dem gött‐
lichen Geiste Darstellungsform geworden
und mit seinem ihm gleichgearteten männ‐
lichen oder weiblichen geistigen Gegen‐
pol vereint, ‒ in der Fülle unendlichen
Glückes
das Leben des reinen Geistes le‐
ben, doch
ungleich höher ist die Art der
Selbstempfindung
jener ewig Geistigen,
die in all ihrem unendlichen Glück auch
des Bewußtseins der
tiefsten Tiefe noch
fähig bleiben, in die sie, dem Erdenmen‐
schentiere einst verbunden, hinabgetaucht
waren.
.Wie der Mensch der Ebene, in seiner
ganzen Seele erschüttert und beglückt vor
den Wundern der Bergwelt steht, von dem
Gebirgsbewohner zuweilen kaum in seiner
Andacht verstanden, so ermißt erst
der
Geist, der auch
aller Tiefen noch bewußt
sich erinnern kann, die ganze Höhe seines
Glückes, und je
höher die Stufen werden,
die er, wenn auch erst in Äonen, erreichen
soll, desto weniger möchte er die
Er‐
innerungsmöglichkeit an seine tiefste
Stufe missen.
Da
Geistiges niemals in seinem Wesen
veränderlich ist, so handelt es sich bei dem
Aufstieg der Seele auch niemals um eine
Veränderung ihres göttlich-geistigen, ewig
sie zeugenden Wesenskernes.
.Der „lebendige Gott” in des Menschen
innerstem Innen, dem er hier schon auf
dieser Erde sich im Bewußtsein zu einen
vermag, ist
der Gleiche, auf
jeder geistigen
Stufe, die je erreicht wird, durch alle
Ewigkeit hindurch.
.Nur
der Zustand der Seele, der Zustand
menschlich-seelischen
Bewußtseins erwei‐
tert sich, um stets
höhere geistige Bewußt‐
heit zu erlangen, um stets
weitere Un‐
ermeßlichkeiten geistigen Seins
empfinden
zu können.
.Würde es sich nur darum handeln,
ir‐
gendein Individualbewußtsein seelischer
Art um den geistigen, zeugenden Wesens‐
kern herum zu bilden, dann wäre jedes
Trachten nach der Einung des Bewußt‐
seins mit dem Geiste, hier während dieses
irdischen Lebens,
völlig überflüssig, denn
die Einung
kann, mit Ausnahme der Fälle
gänzlicher Bewußtseinsauflösung, nach
ewigen, dem göttlichen Leben inhärenten
Gesetzen noch erfolgen, auch wenn sie
erst in Äonen erfolgt.
.Der Weckruf aller wirklichen Geistes‐
lehrer der Menschheit erging zu allen Zei‐
ten
deshalb, weil es das höchste Glück der
Seele in aller Ewigkeit ausmacht,
ihr ir‐
disches Bewußtsein und damit
die Fähig‐
keit des Erinnerns in sich
zu erhalten,
und weil unsägliches
Leid der Seele, das
zur Auslösung kommen kann, nachdem
sie den Erdenkörper verlassen hat, durch
ihre Geisteseinung während des irdischen
Lebens
vermeidbar wird.
.Die Menschheit zu jeder Zeit durch ihre
berufenen Sprecher
auf diese Bahn ver‐
mehrten Glückes hinzuleiten, ist Aufgabe
Derer, aus deren Mitte heraus ich diese
Lehren künde und jedes Wort dieses Bu‐
ches soll seine Leser nichts anderes lehren,
als diese Art des „
rechten Gottesdienstes”.
Möge keiner, der diese Worte liest, aus
diesem Leben irdischer Mühsal scheiden,
bevor sein Bewußtsein
geeinigt wurde
seinem „
lebendigen Gott”!
.Möge keiner in jene „Nacht” der
Un‐
möglichkeit eigenen Wirkens gelangen,
aus der es kein Entrinnen gibt, ehe die
Schuld des Harrenden „bis auf den letzten
Heller” beglichen ist!
.Noch ist es „
Tag” und hilfreiche Hände
sind am Werke,
Allen geistige Hilfe zu‐
zuleiten, die danach verlangen. ‒ Es be‐
darf
keiner Sonderschulung, diese Hilfe
herbeizuziehen, und keiner
persönlichen
Einzel-
Belehrung, sie sich zu eigen zu
machen.
.„
Wer Ohren hat zu hören,
der höre!”
ENDE DES BUCHES
DAS BUCH
VOM
MENSCHEN
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
3. Auflage
Unveränderter Nachdruck der 1928 in der Kober'schen
Verlagsbuchhandlung erschienenen erweiterten Letztausgabe.
Erste Auflage Verlag der Weißen Bücher (Kurt Wolff)
München 1920
1971 Kober`sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in
Rundfunk und Fernsehen.
Druck: Walter-Verlag AG, Olten
.„
Vom
Menschen aus mußt du zu „Gott”
gelangen, sonst bleibt dir „Gott” in Ewigkeit
‒
ein Fremder! ‒”
.So schrieb ich einst im „
Buch der König‐
lichen Kunst”.
.Ich weiß kein besseres Wort um heute die‐
ses „
Buch vom Menschen” zu beginnen...
.Mit dem „
Buch vom lebendigen Gott”
und dem „
Buch vom Jenseits” soll das
„
Buch vom Menschen” eine
Trilogie ge‐
stalten, denn obwohl jedes einzelne dieser
drei Bücher in sich abgeschlossen ist und ein
für sich bestehendes Ganzes bildet, stehen
sie doch alle auch in einem inneren Zu‐
sammenhang miteinander, und es werden
sich viele Stellen finden, die einander er‐
läutern.
.Solche gegenseitige Erläuterung aber wird
die Einwirkung der Worte auf die
Seele nur
vertiefen können.
.Möge daher auch das „
Buch vom Men‐
schen” in die Hände derer gelangen, die
jene anderen beiden Bücher bereits kennen!
.Möge es die Herzen finden, die seiner
bedürfen: die Seelen, die seinen Inhalt auf‐
zunehmen willens sind!
.Obwohl ich um die Menge der Mißdeu‐
tungsmöglichkeiten weiß, die solche Worte
leider finden können, sehe ich mich doch
veranlaßt, ausdrücklich auszusprechen, daß
auch dieses Buch geschrieben wurde, als Er‐
füllung übernommener Verpflichtung, durch‐
aus in Übereinstimmung mit den „Ältesten”
der geistigen Gemeinschaft der ich zugehöre
und der ich alles danke was ich zu geben habe.
.Die Lehre die hier vermittelt wird, ist
Jahrtausende altes Erbgut derer, denen seit
der Urzeit dieser Erdenmenschheit die hei‐
lige Flamme zur steten Hütung anvertraut
ist, deren Licht aus dem innersten „Urlicht”
hervorgeht.
.Wir geben nur weiter, was wir selbst
empfangen haben,
damit es durch uns die
mit und nach uns Lebenden
erreiche.
.Wir erheben nicht etwa den Anspruch,
Urheber dieser Lehre zu sein.
.Auch handelt es sich weniger um eine
„Lehre”, als vielmehr um
Mitteilung prak‐
tischer
Erfahrung in der lebendigen Welt
des
substantiellen ewigen Geistes, der
jede Menschenseele auf diesem Planeten ent‐
stammt...
.So wird denn auch dieses Buch, das vom
„
Menschen” handelt, in die Welt des reinen
substantiellen
Geistes führen. ‒
.Noch mag das vielen wie ein Widerspruch
erscheinen, da sie noch nicht erkannten, daß
der wirkliche
Mensch nicht anders eine
„
Frucht der Liebe” aus Männlichem und
Weiblichem
im substantiellen reinen
Geiste ist, als wie sein Erdentierkörper aus
leiblicher erotischer Vereinung von Mann
und Weib
auf Erden hervorging...
.Wer aber den
Menschen sichten, und
somit
sich selbst erkennen lernen will,
der muß in die
Heimat des Menschen gehen,
‒ muß sein Suchen auf
jene Wege lenken,
auf denen die
Höhenregion zu erklimmen
ist, aus der des wirklichen Menschen
ewiger
Organismus stammt, niemals irdischen Sin‐
nen faßbar, und auch dem erdenhaften
Ver‐
stande nur erkennbar in den
Auswir‐
kungen geistig geschaffener Impulse.
.Solange wir uns nur mit
der mensch‐
lichen Erscheinungsform auf dieser
Erde beschäftigen, stehen wir lediglich einem
disharmonisch gearteten
Tiere gegenüber, ‒
disharmonisch, weil es sich nicht allein als
Tier zu erleben sucht, sondern offenbar auch
noch aus
anderen Kräften, die
nicht zu den
Kräften des Tieres gehören, Erlebensan‐
regung empfängt, ‒
disharmonisch, weil
es durch diese tierfremden Kräfte geradezu
daran
gehindert wird, sein Dasein, unbe‐
schwert mit Schuldbelastung, in tierischem
Behagen auszukosten. ‒
.Es muß daher vor allem der Irrtum
erkannt und überwunden werden, als sei
der Mensch nur die Erscheinungsform, die
wir
auf dieser Erde mit dem Namen:
„Mensch” belegen. ‒ ‒
.Man kann es keinem Menschen auf der
Erde verargen, ‒ keinem, der „die Men‐
schen
kennt”, wenn er für die hohen Worte,
die den Menschen „
das Ebenbild der
Gottheit” nennen, nur ein ironisches Lä‐
cheln übrig hat, solange der Begriff den er
mit dem Worte „Mensch” verbindet, nur
den
Erdenmenschen meint...
.Wahrlich: das Wort vom „Gotteseben‐
bild” wäre lächerlichste Torheit, hätte jener
der es erstmals aussprach,
nur an den „Men‐
schen”
der Erde gedacht! ‒
.Dieses Wort konnte nur geprägt werden
von einem
Narren, ‒ oder aber ‒ von
einem wirklichen
Weisen dem sich die Er‐
kenntnis vom
allumfassenden Wesen des
Menschen erschlossen hatte. ‒ ‒ ‒
.Was der Begriff „
Mensch” umspannen
muß, soll er wirklich
den Menschen und
nicht nur
eine seiner zahllosen
Erschei‐
nungsformen im
geistigen wie im
phy‐
sisch-sinnlich wahrnehmbaren Kosmos in
sich beschließen, das wird dieses „
Buch vom
Menschen” dir sagen.
.Ich glaube, du wirst das Wort des Weisen
nicht mehr belächeln, wenn du in dir er‐
kannt hast, was ich dir zu sagen habe...
.Du wirst dann verstehen, was der alt‐
geheiligte Satz besagen will: „
Zum Bilde
Gottes schufen ihn die Elohim.” ‒ ‒
.Du wirst dann den „
Urmenschen” ge‐
wiß nicht mehr
auf diesem Planeten
suchen, ‒ wirst erkennen, daß das, was du
bisher so
nanntest, richtiger als ein
Tier
der Urzeit zu benennen ist, aus dem sich
das
feinere Tier entwickelt hat, das heute
dem
Menschen nun als Träger und Werk‐
zeug dient, damit er sich in der physischen
Welt zu erleben vermag. ‒
.Du wirst auch nicht mehr „am Menschen
verzweifeln”, denn alles was dir bis jetzt
an dem Wesen, das man auf Erden den
„
Menschen” nennt, „verächtlich”, „klein”
und „erbärmlich” erschien, wird dir ver‐
stehbar werden als naturnotwendige, weil
tiergemäße Auswirkung des
Erdentieres,
das allhier der wirkliche „Mensch” als Mittel
zur Selbstdarstellung zu
benutzen strebt,
‒ das ihm aber oftmals stärkeren Wider‐
stand entgegensetzt, als er im Reiche der
physischen Welt zu überwinden vermag.
.Anderes wirst du verstehen lernen als
unvermeidliche „
Reibungserscheinung”
beim Aufeinanderwirken so verschiedener
Kräfte.
.Du wirst aber auch niemals mehr von
einem „Himmel auf Erden” träumen, weil
du erkannt haben wirst, daß nicht einmal
das
Tier, das dem Menschen dienstbar wer‐
den soll in dieser materiellen Welt, hier
seinen „Himmel” finden könnte, ‒ daß
aber der wirkliche „
Mensch” längst seinen
Himmel
hatte, bevor er sich selber in das
Reich der physischen Gestaltung stürzte, all‐
wo ihm das „Menschtier” seine Kräfte dar‐
leihen muß, soll er wieder zurück in diesen
Himmel finden...
.Wohl dir, wenn du am Ende dieser Ab‐
handlungen, die ich dir nun übergebe, zur
eigenen, inneren
Ein-
Sicht kommst, daß
auch du
ein Mensch aus der ewigen
Heimat des Menschen bist, und nicht nur
das höhere
Tier, dem du dich so eng ver‐
flochten findest, daß du es bisher vielleicht
kaum als etwas dir Fremdes und Entgegen‐
wirkendes erkanntest! ‒ ‒
.Wohl dir, wenn du alsdann dich auf‐
reckst mit aller Kraft, und fortan nur nach
deinem
Höchsten greifst, ‒ denn allzu
lange schon warst du verwühlt in deine
schlammigsten Niederungen, ‒ allzuoft schon
griffen deine Hände ins Ungewisse mora‐
stiger Abgründe ohne dort finden zu können
was sie ertastbar glaubten! ‒ ‒
.Ich will dich
voll Vertrauen zu dir
selber sehen!
.Du wirst dich selbst nicht mehr
ver‐
achten können, sobald du ‒ auch nur
ahnend ‒ erfühlst, daß nichts an dir ver‐
ächtlich ist, als das, was
du selbst dir ver‐
ächtlich
machst durch
irrige Deutung!
‒ ‒ ‒
.Von diesem Tag an wirst du dich
nicht
mehr
gemein machen dem Gemeinen! ‒
.Von diesem Tage an wirst du
nicht
mehr
nach deinem Niederen trachten! ‒
.Zu einem „
Empörer” wirst du werden,
der sich
empor und
heraus reißt aus dem
klebrigen Lehm der ausgefahrenen Alltags‐
Straßen!
.Freien Schrittes wirst du den Felsenpfad
ersteigen, der dich in dir zu deinen Gipfel‐
firnen führt!
.Dort wirst du
dir selber dann begegnen,
als „
Mensch”
in der Heimat des Men‐
schen. ‒ ‒ ‒
.Im ewigen Urgrund: im ewig sich selbst
und in sich alles Seiende zeugenden
Geiste,
‒ in der Quelle allen Seins und Offenbar‐
werdens tief verborgen, ‒ ruht das My‐
sterium „
Mann und Weib”...
.Irdischer Erkenntnis Brücken bauend,
redet man vom „reinen Geiste” als dem
„
absoluten Sein”, obwohl ein solches,
ewig ruhendes „absolutes Sein”, für sich
allein in sich beharrend, niemals
war, nicht
ist, noch jemals bestehen
könnte.
.Wer solchen Hilfsbegriff einer
Wirk‐
lichkeit gleichsetzt, der hat seinem
Denken
allzusehr vertraut, und ist noch ferne der
Erkenntnis, daß denkendes Erschließen nie‐
mals weiter vordringt, als bis zur Grenze
jener Vorstellungen, die den Gesetzen, denen
sich das Denken fügen muß, noch
unter‐
ordnet sind. ‒
.Die Wirklichkeit des reinen Geistes aber
ist
sich selbst allein „Gesetz”, und un‐
erreichbar bleibt sie allen denkgerechten
Schlüssen! ‒ ‒
.Sich selbst in sich umfassend, ist „
reiner
Geist” von Ewigkeit zu Ewigkeit
im Schaf‐
fen seiner selbst begriffen, ‒ sich selbst
erzeugend und
gebärend, ‒ denn reiner
Geist ist: „
Mann und Weib”. ‒
.„
Mann und Weib”
im Geiste aber
zeugen und gebären aus der urgegebenen
Selbstdarstellung
weiter ‒ anfanglos ‒
endlos ‒
den Menschen des reinen Geistes,
und sie zeugen und gebären ihn, sich selbst
„zum Bilde und Gleichnis”, ‒ als „
Mann
und Weib”,
vereint in urgegebener Ein‐
heit zwiepolaren Wesens...
.Alles was je Erscheinung wurde: ‒ alle
Sonnen und Welten des
geistigen, wie des
physisch-sinnlich wahrnehmbaren Kosmos,
alles,
alles ist „Schöpfung” dieses, aus dem
Geiste gezeugten,
rein geistigen „Men‐
schen”, insofern es „
Erscheinung” ist,
‒ und diese Schöpfung ist daher auch Zeug‐
nis von „
Mann und Weib” im ewigen
Geiste. ‒
.In unendlichfältiger Zahl, ‒
in un‐
endlichfältiger Individualisierung ‒
wird dieser erste „Mensch” des reinen Geistes
aus Mann und Weib im Geiste gezeugt und
geboren, und
jeder einzelne ist
ewig
schaffend: ‒ ewig in sich zeugend und
gebärend, ‒ denn er „
ist” nur, soweit er
im ewigen Zeugen und Gebären
sich dar‐
stellt, als „
Mann und Weib”: ‒ als
männlich-weiblich polarisierte Kraft.
.Was er zeugt und gebiert ist „er selbst”,
ist Sein aus seinem Sein, jedoch in gleich‐
sam „dichterer”, lichtärmerer Form, bis er
endlich, in ferner Weiterzeugung dem ur‐
gegebenen Sein bereits weit entrückt, sich
selbst in bestimmter geistiger „Dichte” als
„
Erscheinung” zeugt, aus sich gebärend
alle Welten, die sich als Erscheinung offen‐
baren.
.Unendlichfältig ist auch die „Er‐
scheinung” des Menschen der Ewigkeit
in
seiner Erscheinungsschöpfung, und jede
einzelne Erscheinungsdarstellung die von ihm
ausgeht, zeugt und gebiert weiter die nächste
tieferstehende Erscheinungsart.
.Es gibt Stufen des „Menschen” im
gei‐
stigen, und selbst im Kosmos
physischer
Erscheinungswelten, die dem Erscheinungs‐
menschen
dieser Erde ‒ wenn er der
Wahrnehmung fähig wäre ‒ höher erschei‐
nen würden als ein Gott...
.Eine der
tiefsten Stufen der Erschei‐
nung des „Menschen” stellt aber der Erden‐
mensch selber dar.
.In ihm hat sich der urgezeugte Mensch
des reinen Geistes einem der
unfreiesten
Wesen seiner Erscheinungsschöpfung: ‒ der
Erscheinung des
Tieres, verbunden.
.Hier, im Tiere der Erde, verlor der
Mensch des Geistes das Bewußtsein
seiner
selbst und empfindet sich nun nur noch
in den Schwingungen erdhafter Zellenbe‐
wegung mit des feineren Tieres Bewußtsein,
das nur durch wenige schwache Strahlen aus
dem eigentlichen Menschentum im Geiste
jene Erhellung noch empfängt, die erden‐
menschliches Selbstempfinden über das Be‐
wußtsein anderer Erdentiere erhebt.
.Der „Mensch” wäre
verloren im Tiere,
wäre ihm nicht aus der urgegebenen Zeu‐
gung sein Erbe nachgetragen worden auf
die Erde, so daß ihm wieder Kraft gegeben
werden
kann, den leuchtenden und ganz
aus Licht gebildeten Kristall des reinen
Geistes in sich aufzunehmen, den er als
„
seinen Gott” dann in sich selber findet.
.Wie ein Brunnenbauer nicht in die Tiefe
des Schachtes steigt, ohne das Seil, das ihn
wieder ans Licht bringen soll, an fester
Stelle zu sichern, so stieg auch der Mensch
des Geistes nicht hinab in seine Erscheinungs‐
schöpfung ohne die immerwährende Siche‐
rung seiner Weiterzeugung durch den „sil‐
bernen Faden” strahlender Kräfte aus seiner
ersten Zeugung im reinen Geiste.
.Nur durch die Kräfte, die infolge solcher
Bindung ihn aus höchsten Höhen her auch
hier auf Erden noch erreichen, ist es dem
Erdenmenschen möglich, in sich selbst sich
seinem Gotte zu
vereinen, und in ihm aus
Dunkelheit und Nacht zu Licht und Leuchten
sich empor zu ringen. ‒
.Wissend um seine hohe Sicherung, nach‐
dem
sein Gott in ihm „geboren” wurde,
kann er sich gefahrbefreit nun in die tief‐
sten Abgründe wagen, in die sein Erden‐
schicksal ihn senden mag...
.Noch aber leben die meisten der Erden‐
menschen im Menschtiere der Erde
ohne
Gott, auch wenn sie einem erträumten außer‐
weltlichen Gotte dienen.
.Noch suchen sie ihre Ahnen der Urzeit
nur auf diesem Planeten, wissen nichts
davon, daß
das ganze Weltall des Men‐
schen ist, wissen nicht, daß die „Urzeitmen‐
schen”, deren Spuren noch auf der Erde
gefunden werden, nur ihre irdischen „
müt‐
terlichen” Ahnen sind, während ihre „
vä‐
terlichen” Ahnen, ‒ das
befruchtende
Element, ‒ in den Reichen des
Geistes
allein gefunden werden können.
.Die Befreiung des Geistmenschen aus
den selbstgeschlungenen Fesseln, in die er
als Erdenmensch gebunden ist, kann aber
nur erfolgen, wenn er endlich sich wieder
als nur
eine der tausendfältigen
Erschei‐
nungsformen des „Menschen” erkennt, und
den Wahn verläßt, als sei er
allein nur so
wie er sich hier auf der kleinen Erde
findet, ‒ der wahre „Mensch”, ‒ des
Menschen
einzige Darstellungsform. ‒
.Die Worte heiliger Bücher der Vorzeit
sind das Verderben derer, die an sie glauben,
solange der Mensch der Erde alles, was in
diesen Zeugnissen Erkennender vom „Men‐
schen” gesagt wird, nur auf
sich allein:
‒ nur auf des Menschen Erscheinungsform
auf dieser Erde bezieht. ‒
.Aufwärts muß er seine Blicke lenken,
‒ aber nicht zu einem außerweltlichen
Gotte, den er sich hoch über den Wolken
erträumt, sondern „aufwärts” zu
sich selbst
in seinen
höheren Erscheinungsformen, ‒
„aufwärts” zu seinem Ursprung, dem reinen
Geiste, der sich in ihm selbst als „
sein
Gott” aufs neue kristallisieren will! ‒
.Aber auch seinen wahren „
lebendigen”
Gott findet der Erdenmensch nur schwer,
‒ denn er hat sich daran gewöhnt, in seinem
Gotte nur den „
Mann” zu wähnen, während
sein „lebendiger Gott”: ‒ „
Mann ist und
Weib”. ‒
.Erlö
sung kommt dem Erdenmenschen
nur, wenn auch das „
Weib” in seinem Gotte
wieder zu seinem Bewußtsein spricht...
.„Das Ewig-
Weibliche zieht uns hin‐
an”. ‒ ‒
.Daß er nur „
Mann” in seinem er‐
träumten Gotte sieht, ist
Schuld, ist Ab‐
kehr von den Kräften urgewollten Seins: ‒
Verstrickung in das
Weiblich-
Empfäng‐
nisbegehrende seines Wesens, ‒ Aufgeben
des
Männlich-
Aktiven in ihm selbst. ‒
.Disharmonie muß überall entstehen, wo
„Männliches” und „Weibliches” im Kosmos
nicht
vereinigt wirken.
.Nenne „Mann und Weib” getrost auch
mit anderen
Namen!
.Immer sind es die beiden
gegensätz‐
lichen Pole, die in ihrer Vereinigung
Leben bewirken!
.Positiv und negativ, aktiv und passiv,
zeugend und gebärend, gebend und emp‐
fangend, ausstossend und einziehend, be‐
wegend und bewegt werdend...
.Und alles dieses verbindet sich in ewigem
Kreislauf, so wie das Weib auf Erden: Mut‐
ter des Mannes, und der Mann: Vater des
Weibes wird. ‒
.Und
kein Gebilde,
kein Wesen ist im
geistigen wie im
physisch-sinnlichen Kos‐
mos: ‒ auch nichts anscheinend „Reinmänn‐
liches” oder „Reinweibliches”, ‒ in dem
nicht „Mann
und Weib”
zugleich zu finden
wären, wenn auch in tausendfach verschie‐
dener Amalgamierung.
.„In nichts zerfallen” müßte selbst jedes
„
Atom”, wenn „Mann und Weib” nicht
ständig zeugend und gebärend in ihm wirken
würden.
.Wie immer der forschende Mensch die
von ihm entdeckten Potenzen im kleinsten
Teilchen der „Materie”
benennen mag:
‒ stets handelt es sich um Formen der
urbestehenden Kräfte „Mann und Weib”. ‒
.Aber
auch deinen „
lebendigen”
Gott
wirst du erst dann in dir zu finden hoffen
dürfen, wenn du ihn in dir suchst, so wie
allein er zu finden
ist: ‒ als „Mann
und
Weib”, ‒ und erst, wenn du in solcher
Weise ihn erfühlend „suchst”, wird er aus
Männlichem und Weiblichem sich in dir
selbst zu jenem ganz aus Licht bestehenden
„Kristall” gestalten können, der dann die
beiden Pole deines eigenen Seins in
seiner
zwiepolaren Wesenheit
vereinigt. ‒
.Hohe Hilfe aus deiner geistigen Heimat
wird dir dargeboten, wenn du solcherart
zu suchen strebst...
.Es lebt auf dieser Erde unsichtbar
Einer,
der da
ist wie er
war: ‒ einer aus der
väterlichen Urzeugung ‒ aus dem mütter‐
lichen Gebären im reinen Geiste, ‒ ein
reiner Geistesmensch des höchsten
Seins im ewigen Quellgrund göttlich‐
geistigen Lebens.
.Einer derer, die „
Mann und Weib”
im Geiste sich zum „
Bild und Gleich‐
nis” zeugen und gebären! ‒
.Es leben aber auch
andere unsichtbare
„Menschen” auf diesem Planeten: „Men‐
schen”, die der Urgezeugten
Weiterzeugung
sind, ‒ als solche zwar „gebunden” an ihre
eigene Erscheinungs-Schöpfung im Unsicht‐
baren, aber dennoch im „hohen Leuchten”
verharrend, ‒
nicht aus Licht und Leuch‐
ten „gefallen”, wie der
sichtbarliche Er‐
scheinungsmensch.
.Erkennend die tiefe Not des Menschen
in der irdischen Erscheinungsform, suchen
sie ihn zu erretten, sobald er sich in Wahr‐
heit erretten lassen
will.
.Sie selbst aber wirken unter der Geistes‐
leitung
jenes einen unsichtbaren Ur‐
gezeugten, der alles Geistige auf diesem
Planeten lenkt.
.Immer und immer wieder hat dieser
unsichtbare geistige Helferkreis unter höch‐
ster geistesmenschlicher Leitung neue Erden‐
menschen im Dasein gefunden, die er zu
Werkzeugen seines glühenden Helferwillens,
‒ zu wirkenden Meistern höchsten irdisch‐
geistigen Erkennens: ‒ zu Mithelfern seines
Hilfswerkes, vollenden konnte, da sie schon
vor der Inkarnation im Erdenleibe sich zur
Mithilfe dargeboten hatten.
.Über diese, zur Erreichung der im Dun‐
keln tastenden Suchenden auf dieser Erde
unerläßlich nötige „Brücke” schritt und
schreitet zu allen Zeiten der ewige wahre
„Mensch” der Urzeugung im Geiste wieder
zu seiner gefallenen geistigen Selbst-Weiter‐
zeugung der lichtfernsten Form: ‒ dem
Erdenmenschen ‒ hin, suchend, wen er
er‐
heben und in das Licht zurückführen könne.
‒ ‒
.Daß so viele der Erdenmenschen
Su‐
chende sind, aber so wenige zu
Findern
werden, hat seine Ursache darin, daß fast
alle Suchenden
in der falschen Rich‐
tung suchen und so nur immer tiefer ins
Dunkle geraten...
.Jede Kraft wirkt nach
der Richtung hin,
nach der sie ausgesandt wurde.
.Der Erdenmensch aber, in dem das den
Menschen tragende „
Tier” die Oberhand
gewonnen hat, so daß er das irdisch-tierisch
Begründete an sich für sein Wesentliches,
ja für sich selber hält, sucht nun
außer
sich, was er nur
in sich finden könnte, allwo
ja die Verbindung mit den höheren Stufen
seines Menschseins immerdar gegeben bleibt
durch den „silbernen Faden” strahlender
Kräfte, der auch das, was wirklich „Mensch”
ist im
Erdenmenschen, noch
mit allem
Menschtum des Geistes verknüpft hält.
.Auch kein Helfer aus
geistigen Re‐
gionen, und keiner derer, die als „Meister”
des geistigen Erkennens
auf Erden in der
Sichtbarkeit leben um dem wirklichen
„Menschen” der Ewigkeit die „Brücke” zu
bauen, kann den Erdenmenschen in seinem
Bewußtseinskern
anders erreichen, als nur
von Innen her, wo allein
das wahrhaft
Menschliche gefunden wird.
.Nur
vorbereitend kann das wahrhaft
Menschliche im Erdenmenschen
auch vom
unsichtbaren Äußeren her gleichsam
„
angesprochen” werden, damit es erwache
für die innere Belehrung und Erhellung.
.Nach
Innen muß
also alles Suchen ge‐
richtet sein, wenn es zum
Finden führen soll!
.Nicht in tibetanischen Klöstern, nicht
an den heiligen Orten der Inder, nicht in
geheimen Zirkeln angeblich „Wissender”
ist die „große Erleuchtung”, das „Buddha‐
werden”, zu erlangen, sondern nur in der
tiefsten Einsamkeit mit sich selbst, ‒ mit
dem wirklichen „Menschen” im eigenen
Herzen...
.Keiner der überaus wenigen hier auf
Erden, die zu Meistern des geistigen Er‐
kennens vollendet wurden um ihren Neben‐
menschen Hilfe zu bringen, kann dich er‐
reichen, auch wenn er neben dir stünde,
wenn dein Bewußtsein
dort nicht wach wird,
wo du allein deines Menschtums bewußt
werden kannst.
.Nun will ich weiter zu dir sprechen als
zu einem Menschen, der das, was ich dir
bisher zu sagen hatte, willig in sich auf‐
genommen hat.
.Du suchst nunmehr in dir den „Men‐
schen” höherer Erscheinungsform durch das
in dir verborgene wahrhaft Menschliche zu
erreichen? ‒
.Du willst also Stufe um Stufe empor
und zurückfinden zu deinem eigenen Ur‐
sprung im reinen Geiste? ‒
.Du willst meine Worte nicht nur
ver‐
nommen haben wie man eine wunderliche
Mär vernimmt, sondern willst ehrlich und
mit aller Kraft nach meinen Worten
han‐
deln? ‒ ‒
.So höre denn weiter, was ich dir zu
sagen komme:
.Der aus dem Geiste gezeugte „
Mensch”,
‒ aus „Mann und Weib” im Geiste ge‐
zeugt und geboren, ‒ ist „
Mann und
Weib”, wie du bereits vernommen hast.
.Auf allen seinen Stufen herab zum Erden‐
menschen wird der Geistmensch der Ewig‐
keit nur
als „
Mann und Weib” dir be‐
gegnen können, und nur in solcher zwie‐
polaren Einung wirst du ihn finden, sobald
du selbst im Geistigen gefunden wurdest, als
einer, der des Findens fähig ist.
.Auch der Meister reinsten geistigen Er‐
kennens, den man dir dann sendet, auf daß
er dir im Geistigen zum Führer und zum
Helfer werde, obwohl du ihn nicht kennst,
nicht siehst und nur
in einem neuen
Fühlen um ihn weißt, ist: ‒ „
Mann und
Weib” denn was dich aus ihm allein er‐
reichen kann, ist der
ewige Mensch, der in
ihm, dem Erdenmenschen, aus dem Grabe
auferstand. ‒
.Suchst du das Licht, so wisse, daß dein
Weg behütet ist von den Meistern des ewigen
Tages, dem alles Dunkle in dir weichen muß!
.Doch sollst du auch wissen,
wer diese
Meister in Wahrheit
sind und
wo du sie
erreichen
kannst, denn nicht im Äußeren
und nicht von außen her ist
das für dich
erreichbar, was in ihnen lebt um dir zu
helfen. ‒
.Nicht ihre äußere Erscheinung in der
Welt der Sinnenfälligkeit kann dir die Hilfe
bieten die du brauchst!
.Suche
nicht nach ihnen im Bereich der
Nacht der Nichterkenntnis, allwo das
feinere Tier, das hier dem „Menschen” als
Vehikel dient, auf seine Weise irrt, und
Schein mit Sein verwechselt, ‒ verzweifelnd
und geplagt von Zweifeln!
.Hier hast du allezeit bisher bereits ge‐
sucht und
nicht gefunden...
.Du wirst nun an
anderer, dir noch
un‐
bekannter Stelle suchen müssen...
.Nie und nimmer, solange du hier auf
der Erde lebst im Erdenkleid, wirst du zu
wirklicher Klarheit gelangen über dich selbst,
ehedenn du in dir
den „
Menschen”
ur‐
ewiger Zeugung fandest. ‒
.Du
kannst ihn aber nicht finden, ohne
Stufe um Stufe die „
Himmelsleiter” em‐
porzusteigen, deren unterste Sprossen
Er‐
denmenschen bilden, in denen aber den‐
noch schon
der reine Mensch des Geistes
Herr und König ist. ‒ ‒
.Vergeblich wirst du in „
heiligen Bü‐
chern” letzte Klarheit suchen, denn diese
Bücher wurden einst nur für solche Men‐
schen geschrieben, die letzte Klarheit längst
errungen hatten, und sollten ihnen nur Ge‐
leitung auf dem weiteren Lebenswege bieten.
.In solchen Büchern spricht der Meister
zu dem Schüler, der ihm schon im Innersten
verbunden ist, und dem er sich in wohl
vertrauter Rede voll symbolischer Bedeutung
offenbaren kann.
.Wenn du aber einmal in deinem
Innern,
‒ deinem Ewig-Menschlichen, ‒
gefunden
haben wirst, was du heute noch suchst, dann
werden auch viele Texte der Vorzeit dir
mit verständlicher, klarer Sprache zu spre‐
chen beginnen, und
dann erst werden auch
dir die „heiligen Bücher” wirklich von
Nutzen sein. ‒
.Jetzt aber sollst du vorerst
nur in dir
selber suchen!
.Vor allem mußt du damit beginnen,
wenn du „
Ich” zu dir selber sagst,
nicht
mehr nur
das feinere Tier, sondern
den
ewigen „Menschen” zu rufen! ‒ ‒
.„Mann
und Weib” mußt du suchen in
allem was
in dir und was
über dir ist! ‒
.Magst du
Mann sein oder
Weib, ‒
immer wisse, daß du
von Ewigkeit her
dich selbst polar
bestimmt hast, und daß
diese polare Bestimmtheit auch in aller Ewig‐
keit nicht mehr wechseln kann, ‒ aber stets
den Gegenpol zu sich selbst in sich ver‐
langt. ‒
.Dein
geistiges Männliches darf das
geistig Weibliche in dir nicht unterdrücken
wollen, gleichwie dein
geistig Weibliches
nicht das
geistig Männliche in dir negieren
darf!
.So nur wirst du dereinst auch im Geiste
wieder deinem urgegebenen Gegenpol ver‐
einigt werden, in der gleichen geistigen Ver‐
einung die dich und ihn zu einer Einheit
band,
bevor die Trennung sich vollziehen
mußte durch den „Fall” aus hohem Leuch‐
ten...
.Suche
in rechter Weise, so wie ich all‐
hier dich suchen lehre, und du wirst einst
dich selbst als den „
Menschen der Ewig‐
keit” finden!
.In ihm, ‒
in dir, ‒ wirst du über
alle Zwischenstufen empor gelangen, deinem
„
lebendigen”
Gott vereint, in den Urstand
deines urgezeugten, nur durch eigene Willens‐
wahl für dein Bewußtsein preisgegebenen
Seins: ‒ aus
Geist gezeugt, im
Geiste
geboren, ‒ „
aus Mann und Weib”
im
Geiste ewig lebend! ‒ ‒ ‒
.Nicht
jeder Erdenmensch gelangt schon
während dieses
tierverhafteten Lebens
zum
Bewußtsein in der Welt des reinen,
substantiellen
Geistes.
.Sehr wenige nur werden jeweils wäh‐
rend ihres Erdendaseins schon in der Geist‐
region der Erde wachbewußt.
.Alle aber können
hier schon und
während ihrer Erdentage in sich selbst
ihr
ewiges Leben finden!
.Alle
müssen dereinst dieses
ewige Le‐
ben in sich finden lernen, auch wenn sie es
bei ihrem Scheiden aus der äußeren Erden‐
welt
noch nicht gefunden hatten. ‒ ‒
.Du kannst nicht bewußt werden dermal‐
einst im reinen Geiste, bevor du in dir in
deinem
ewigen Leben lebst!
.Erst in deinem
ewigen Leben kannst
du
dich selbst erleben als
den Menschen
der Ewigkeit! ‒
.So gilt denn auch dir das geheiligte
Wort des hohen Meisters:
.„
Seid vollkommen,
wie euer Vater
im Himmel vollkommen ist!”
.Aber nicht das, was an dir nur
der Erde
zugehört, kann jemals die hier gemeinte
„Vollkommenheit” erreichen. ‒
.Nur dann, wenn du in dir dein
ewiges
Leben gefunden hast und in
ihm lebst, wirst
du „
vollkommen” sein wie der „
Vater”,
der „
im Himmel” ist,
als ewig Zeugen‐
der im Mutterschoß ewigen Gebärens:
‒ Urkraft im Ursein, ‒ „
Mann” zugleich
und „
Weib”! ‒ ‒ ‒
.Ehedenn du
erreicht hast, was allhier
zu erreichen ist, soll dir kein Tag vergehen,
der nicht zum mindesten
dein Streben
sah nach solchem Ziel!
.In jener
höchsten Sphäre
geistiger Er‐
scheinungswelt, wo Geistesmenschentum sich
selbst zum erstenmale in
Erscheinung
‒ hier aber immer noch in
geistige Er‐
scheinung ‒ zeugt, ist „Mann” und „Weib”
noch eng
vereint in urgegebener Einheit
zwiepolarer „Ich”-Empfindung.
.Mit jeder neuen Weiterzeugung aber
werden die geistigen Welten in die dieser
erste
geistige Erscheinungsmensch sich wei‐
terzeugt, „dichter” gleichsam und ärmer an
ursprungsgegebenem „Licht”, ‒ doch immer
bleibt noch die engste Vereinung von „Mann
und Weib” in gemeinsamer zwiepolarer Er‐
scheinung.
.In seiner gleichsam „
dichtesten” Dar‐
stellung
geistiger Erscheinung endlich an‐
gelangt, ‒ nur schwach noch von dem ur‐
sprungsgegebenen „Lichte” erhellt, lernt nun
der Geistmensch dieser, seiner ersten Zeu‐
gung so fernen Bereiche, zum erstenmale die
Welten der
physischen Gestaltung kennen.
.Hier aber geschieht es, daß den
weib‐
lichen Pol in ihm eine neue Empfindung:
‒ die
Furcht, befällt.
.Furcht vor den ungeheuren Kräften,
denen der geeinte zwiepolare Geistmensch
bis hierher noch geboten hatte, die er aber
nun in einer neuen Art am Werke sieht, ‒
ihm selbst so fremd, daß er hier nicht mehr
zu gebieten wagt und damit seine Macht
verliert...
.Doch
hinter dem Werke der ihm nun
bedrohlich erscheinenden Kräfte gewahrt
er ‒
eine neue Welt, mit Lebewesen, die
alle aus seiner eigenen Kraft in
höchster
geistiger Erscheinung stammen: ‒ die Welt
der
physisch-sinnlichen
Anschauungs‐
form, ‒ der
physisch sich erlebenden
Erscheinung.
.Furcht vor den nicht mehr zu mei‐
sternden Kräften, und
Anziehung, aus‐
gehend von den
Formen der physischen
Welt, veranlassen schließlich, daß der
weib‐
liche Pol des geistigen Erscheinungsmen‐
schen nun durch einen
Willensakt die
Mauer bricht, die ihn bis dahin noch von
dem physisch-sinnlichen Kosmos schied.
.Zwingend überwältigt ihn das Wissen um
die neuentdeckte Möglichkeit zu ungekannter
Art der Selbsterfahrung, und vor Verlangen
in sich selber erbebend, erfolgt sein Los‐
reißen aus bisheriger Erscheinungsform: ‒
die Vereinung mit dem Tiere der Erde, ‒
nicht anders als wie ein Blitzstrahl sich los‐
reißt aus der Wolke um sich der Erde zu
einen. ‒
.Unzählige „Erden” gibt es im kosmi‐
schen Raum, auf denen der Geistmensch
solcherart nun im tierhaften Körper sich er‐
leben muß: ‒ dem physischen Körper des
Tieres, dessen Reste man auf diesem Pla‐
neten erhalten findet, noch aus Zeiten her
in denen es
noch nicht in sich den
Geist‐
menschen trug, auch wenn es jetzt als „Ur‐
mensch” bezeichnet werden mag. ‒
.Mit der Losreißung aus
geistiger Er‐
scheinungswelt und der neuen Bindung an
den Tierleib ist der „Fall” aus hohem Leuch‐
ten endgültig vollzogen.
.Der Geistmensch, der bis hierher „Mann”
war
und „Weib”, ‒ in gleicher „Ich”-Emp‐
findung vereint und sich selber stets in an‐
dere geistige Welten weiter-zeugend, ‒ ist
damit nun
entzweit, denn in der
phy‐
sischen Erscheinungswelt
trennen sich
zwangsläufig die Pole „Mann” und „Weib”
voneinander, da diese Welt nur Bestand hat
in der steten „
Spannung” die aus der
Ge‐
trenntheit beider urgegebenen Pole re‐
sultiert.
.Es ist zuerst der
weibliche Pol des
geistigen Erscheinungsmenschen, der diesen
„Fall” bewirkt und das Dasein in der Tier‐
form begehrt, ‒ aber in geistigen Reichen
vermag nichts zu verharren, in dem
nur
einer der beiden Pole „Mann”, ‒ „Weib”,
wirksam wäre, und so muß der männliche
Pol dem „Falle” gleichzeitig
folgen.
.Die
Tierform, die der weibliche Pol
sogleich in seinem „Falle” findet, ‒ „ge‐
schaffen” bereits von Geistmenschen frü‐
hester Zeugung, ‒ wird dem männlichen
Pole
Zwang, die gleiche Form für sich zu
begehren.
.„
Da aber die Söhne der Götter sa‐
hen,
daß die Töchter der Erde schön
waren,
nahmen sie diese zu Weibern.” ‒
.(Die
Töchter der „
Götter” sind hier
bereits zu „Töchtern der Erde” geworden!
‒ Die
Söhne der Götter folgen nach!
‒ ‒)
.So etwa läßt sich auf irdische Weise
der ewig sich erneuernde Vorgang schildern,
der den Menschen
geistiger Erscheinungs‐
welt zuletzt an die Gestaltung
physisch‐
sinnlicher Erscheinungswelt verhaftet.
.Es ereignet sich nichts anderes als ein
vom weiblichen Pol her zuerst
gewollter
Wechsel der Anschauungsform, der so‐
fort die vorher geeinten Pole
entzweit und
zerfallen läßt in einen für sich bestehenden
weiblichen, wie einen ebenso nun für sich
bestehenden männlichen Pol, ‒ der Ge‐
schlechtertrennung des Erdenmenschentieres
angepaßt, das nur in solcher Trennung sich
zu erhalten vermag.
.Die Sage vom Paradiese läßt „Eva” durch
„die Schlange” verführt werden und danach
den „Adam” verführen. Mag auch diese
Sage, so wie wir sie kennen, nicht in ursprüng‐
licher Gestalt überliefert sein, so zeigt sie
doch noch deutlich, daß hier ein Erkennen‐
der sein Wissen um einen sich ewig er‐
neuernden Vorgang, in einen zeitgebundenen
Bericht symbolisch verhüllt, der Nachwelt
überliefern wollte, soweit sie seine Sprache
der Symbole kennen würde.
.Wer zu lesen weiß in den Worten dieses
Wissenden, der wird auch die weitere
Folge
für „Mann” und „Weib”, in irdischer Tren‐
nung, alsbald durch die Worte bezeichnet
finden, die der Weise den „Herrn” zu
„Adam” und zu „Eva” sprechen läßt, Worte,
die in sehr bedeutsamer Unterscheidung
das Maß der Schuld-
Folge verteilen.
.Es ist bei dem stetig sich wiederholenden
Vorgang des „Falles” ‒ in jedem einzelnen
Falle ‒ der seiner Natur nach passive
„
weibliche” Pol, der zuerst der „Urschuld”
durch
Furcht, verfällt, der zuerst den
An‐
ziehungskräften der physischen Welt er‐
liegt.
.Keineswegs ist aber der männliche Pol
etwa frei von Schuld, ‒ etwa nur das
„Opfer” seiner Vereinung mit dem weib‐
lichen Pol!
.„Schuld” des „
männlichen” Poles ist
die Aufgabe aktiven Widerstandes im
zwiepolaren gemeinsamen Leben, bei der
Bedrohung des weiblichen Poles durch
Furcht und Anziehung.
.So geschieht es, daß beide Pole ihre
Rolle tauschen: ‒ eine geistige Perversion,
wobei der
weibliche Pol
aktive, der
männliche aber
passive Haltung annimmt,
was den „Fall” in die
physische Erschei‐
nungswelt unabwendbar macht.
.Entscheidend als „Urschuld” ist aber
allein der positive
Willensakt im weib‐
lichen Pol. ‒
.Darum, in der Sage vom „Sündenfall”,
der „
Fluch”, der die Menschheit trifft im
„
Weibe”, ‒ der dem Weibe in erden‐
hafter Form körperliche Schmerzen, Ängste
und Nöte verheißt wie sie dem physi‐
schen Tierkörper nicht erspart werden kön‐
nen, und jenen steten Kampf mit der
schillernden „Schlange”
physisch-sinnlicher
Anschauungsart.
.Dem „
Manne” aber wird nur
diese
Anschauungsweise selbst entwertet durch
ihre Verfluchung.
.Ihm wird nur
die Mühe und Plage
verheißen, an die das Dasein in physischer
Anschauungsform gefesselt ist.
.Darum weiter, in der Sage, das Wort
des „Herrn” an das „Weib” im Menschen:
.„
Du sollst dem
Manne untertan, und
er soll
dein Herr sein!” ‒ ‒
.Wie oft wurde dieses Wort schon
miß‐
braucht als ein Freibrief zur Unterdrückung
weiblicher Individualität auf Grund der hier
vermeintlich zugestandenen unbedingten
Herrschgewalt des
Mannes in der
Ehe!
.Aber auch aller lächelnde oder entrü‐
stete
Spott kann die große
Wahrheit nicht
aus der Welt schaffen, die jener Wissende
nur dadurch bedeutungsvoll genug betont
glaubte, daß er den „Herrn”
befehlend
also sprechen läßt zu Mann und Weib. ‒
.Hier ist wahrlich
Anderes zu finden,
als jene wähnten, die sich aus dieser nur
noch leicht verhüllten Wahrheitsoffenbarung
eine willkommene göttliche Bestätigung der
Rechte männlicher Machtgelüste über das
Weib herauszulesen suchten!
.Hier ist der Weg gezeigt zur dermal‐
einstigen
Wiedervereinung der beiden ir‐
disch getrennten Pole im Reiche des
Geistes,
wie sie nur erfolgen kann durch
Auflösung
der geistigen
Perversion der Pole, die einst
Vorbedingung des „Falles” war!
.Hier ist auf das geistige Gesetz verwiesen,
das nur des
Mannes hier auf dieser Erde
sich bedienen
kann, soweit es menschliche
Antennen braucht um die „frohe Botschaft”
des
Menschen der Ewigkeit dem im
„Dunkel” irrenden
Erdenmenschen er‐
neut vernehmbar zu machen und ihm die
Kräfte zuzuleiten, die er zu seiner Rück‐
kehr in das „Licht” benötigt! ‒ ‒
.Noch tragen Mann und Weib in dieser
irdischen Erscheinungswelt in sich die letz‐
ten Spuren einstiger
Verbundenheit der
Pole.
.Im Weibe dieser Erde lebt noch etwas
wie „Erinnerung”, daß es geistig vormal‐
einst sein „Ich” auch im „Manne”: ‒ in
einem
männlichen Pole ‒ fand, und der
Mann dieser Erde kann in sich die gleiche
Spur seiner vormaligen Vereinung mit dem
„Weibe”: ‒ einem
weiblichen Pole, ‒
noch entdecken...
.Alles
seelische Vereinigungs-Streben
zwischen Mann und Weib auf dieser Erde
ist nur begründet in dem, was solcherart
noch im Manne vom Weibe, und im Weibe
vom Manne weiß. ‒
.Selbst die unerhörte Macht der in tier‐
hafter Leiblichkeit gegebenen
sexualen
Anziehung bestimmter Individuen der bei‐
den Geschlechter würde im Menschen der
Erde
nicht zu ihrer Auswirkung kommen
können, wären die hier in Betracht kom‐
menden
seelischen Widerstände nicht bis
auf minimale Reste
ausgeschaltet durch
ein seelisches „Erinnern”, ‒ ein letztes
Erahnen ‒ ehemaliger polarer
Verei‐
nung. ‒
.Kein seelisches „
Verstehen” zwischen
Mann und Weib im Erdenkörper wäre mög‐
lich, ohne das, was noch im
Weibe weiter
wirkt aus seiner einstigen Vereinung mit
dem
Manne her, ‒ und ohne das was noch
im
Manne an Auswirkungen des ihm einst‐
mals vereinten
weiblichen Poles erhalten
ist. ‒ ‒
.Nicht alle „Menschen”
geistiger Er‐
scheinungsform sind dem „Falle”: ‒ der
Ent-
zweiung, ‒ erlegen.
.Von den
Nicht-
Entzweiten, die in der
geistigen Region der Erde leben, ‒
den
Nichtgefallenen, ‒ geht immerfort er‐
neut der glühende, liebegeleitete Rettungs‐
wille aus, der nur das eine Ziel kennt: ‒
die in
physisch-sinnliche Erscheinungsform
Gefallenen zurückzuführen in den geistigen
Urzustand.
.Diese Nicht-Entzweiten sind es, und
nur
sie allein, die sich auf Erden aus den vor‐
geburtlich schon Verpflichteten jene „Er‐
wachten” schaffen, die man Meister kosmi‐
schen Erkennens nennt.
.Es wählen diese Nichtgefallenen mit
sicherer Wahl sich aus der Erdenmenschheit
jene Männer aus in denen sie das
Geistige
wiedererkennen, das einstmals sich ihnen
verpflichtet hat: ‒ jene Männer die ihnen
nun „Söhne” und „Brüder” werden können,
‒ und vollenden sie zu „Leuchtenden”
der Ewigkeit.
.Diese unsichtbaren, zwiepolaren Men‐
schen
geistiger Erscheinungsform leben ‒
wie ich schon vormals es bezeugte ‒ hier
in der
Geistesregion dieser Erde unter
der hohen, liebeerfüllten Leitung eines der
urgezeugten
Geistes-„
Menschen”, ‒ eines
jener
höchsten Erhabenen, die stets
im
reinen Geiste bleiben, und
niemals auch
nur in
geistige Erscheinungswelten sich
weiterzuzeugen willens sind. ‒
.Nach ewigem geistigen Gesetz ist nur der
männliche Pol des geistigen Menschen der
hier auf der Erde sich im tierhaften Körper
erlebt, noch dazu befähigt, die
Geistes‐
Region der Erde
bewußt zu betreten, in
der die „
Nicht-
Entzweiten” als Helfer
des Erdenmenschen leben.
.Niemals könnte darum ein
Weib der
Erde: ‒ die Verkörperung des
weiblichen
Poles des geistigen Menschen, ‒ zu einem
Meister kosmischen Erkennens vollendet
werden, und ebenso ist es unmöglich, daß
ein wirklicher Meister durch geistige Über‐
tragung ein Weib zu seinem angenommenen
„Sohne” im Geiste machen oder ihm eine
wirkliche Einweihung erteilen könnte, denn
alle diese Formen
aktiver, in sich gerun‐
deter und aller Willkür entrückter Geistig‐
keit setzen den
aktiven geistigen Pol im
Erdenmenschen voraus.
.Das „Weib” trägt, als
getrennter, pas‐
siver, weiblicher Pol des
geistigen Erschei‐
nungsmenschen in seinem Erdendasein nun
die Folge
seines Willens-
Impulses zur
Verkörperung in der physischen Welt,
durch den mit Notwendigkeit die
Tren‐
nung der Pole „Mann und Weib” erfolgen
mußte.
.Auch der irdisch inkarnierte
weibliche
Pol des geistigen Menschen kann wohl
während des Erdenlebens in die geistige
Region der Erde „erhoben”
werden, ‒
jedoch nur in der seiner Art gemäßen
pas‐
siven Weise,
ohne in jener Region
Be‐
wußtsein zu erlangen, was jedoch keines‐
wegs die Empfängnis geistiger Influenzen
durch männlich-polare geistige Einwirkung
ausschließt.
.Dem
Manne auf dieser Erde, ‒ als der
Inkarnation eines
männlich-geistigen Poles,
‒ bleibt dagegen seine
aktive geistige Kraft
auch im
tierhaften Körper erhalten, wenn
sie auch nur in den allerseltensten Fällen,
von denen bereits die Rede war, ‒ sei es
völlig, sei es nur zum Teil, ‒ aus ihrer
Latenz zu lösen ist.
.Möglich ist solche Lösung aber nur
durch die lösenden Helfer, die Nicht-Ent‐
zweiten in der
Geistesregion der Erde, die
alsdann dem männlich-polaren Geiste
in
völlig erwachtem oder wenigstens
teil‐
weise aufnahmefähigem Bewußtsein aktiv
wirkend erlebbar wird. ‒
.Da aber auch der aktive, männlichpolare
Geist trotz seinem vorher durch die Helfer
bewirkten
völligen,
teilweisen, oder auch
nur
zeitweisen „Erwachen” dort nicht
ohne den Ausgleich
weiblicher Polarität
bewußt sein könnte, so tritt aus der Höhe
ungeformten ewigen Geistes, aus dem „Ur‐
licht”, das „Mann” ist und „Weib”, ein
Strahl von
weiblich-polarer Art in ihn ein,
verschmilzt mit seinem „Ich”, und schafft
ihm die notwendige geistige Vollendung.
.Ich glaube kaum, daß der Dichter
nicht
um diesen Vorgang wußte, der einst das
Wort prägen durfte:
.„Das
Ewig-Weibliche
zieht uns hin‐
an”...
.Das Ewig-
Männliche aber kann wohl
den weiblichpolaren Geist in geistige Re‐
gionen
erheben, doch ist es
nicht mög‐
lich, ihn während der irdischen Verkörpe‐
rung dort
bewußt werden zu lassen.
.Durch den
Willensakt des
Hinstre‐
bens in die physisch-
sinnliche Erschei‐
nungswelt und die hierdurch erfolgte Um‐
kehrung seiner geistig gegebenen
passiven
Artung in reinste
Aktivität, begab sich der
weibliche Pol des geistigen Menschen selbst
der Kraft, die ihn wieder aus der gewollten
Anschauungsform hätte befreien können.
.Die durch diesen Willensakt paralysierte
Kraft ist während des Erdenlebens nicht
mehr zu erneuern.
.Doch jene, die den Nicht-Entzweiten des
geistigen Bereichs der Erde „Brücken‐
bauer” wurden als die Meister kosmischen
Erkennens wollen
Mann sowohl wie
Weib
aus Erdenknechtschaft lösen...
.Sie können es, sobald es ihnen vordem
erst gelingt, den Erdenmenschen, sei er
Weib oder Mann, dahin zu bewegen, daß
er seine Seelenkräfte vollkommen seinem
geistigen „Ich” zu einigen sucht.
.Dann erst kann sich der „lebendige Gott”
im Menschen der Erde wieder „gebären”. ‒
.Dann erst wird die „Himmelsleiter”
wieder aufgerichtet, auf der „die Engel”
auf- und niedersteigen, und die von dieser
Erde bis hinauf in das ewige „Urlicht”
reicht, dem des Erden-Menschen
Geistiges
entstammt.
.Die Wege die ich zeige, sind weder dem
Weibe noch dem Manne verschlossen.
.Ich rede aber
außerdem auch von einem
Wege, den
zuweilen zwar ein
Mann ge‐
heißen wird zu gehen, aber
niemals ein
Weib.
.Ich rede von aktivem, bewußtem Be‐
treten der Geistregion unserer Erde, noch
während des erdenmenschlichen Daseins,
als von einer dem Manne, ‒ jedoch nur in sel‐
tenen Fällen, ‒ dargebotenen
Möglichkeit.
.Dem
Weibe, ‒ und zwar
jedem Weibe
auf dieser Erde, das wissend oder nur
ahnend Wege geht, die denen gleichen, die
ich zeige, ‒ wird die Kraft zu
eigenbe‐
wußter Erhebung in die Geisteswelt einst
nach wohlgenutztem Erdenleben zuteil durch
einen jener Meister, die das „Ewig-Weib‐
liche” schon während ihres Erdenlebens in
die
Geistregion der Erde „hinangezogen”
hatte, und die auch nach dem Tode ihres
Erdenkörpers, von dort aus hilfebringend
dieser Erde nahe bleiben.
.Der hohe Weg des Weibes, der aber nicht
nur ausschließlich dem Weibe vorbehalten
bleibt, ist solcherart ein
indirekter Weg,
führt jedoch ebenso wie der nur wenigen
erreichbare direkte Weg des Mannes einst zu‐
rück
zu geistiger Vereinung von „Mann”
und „Weib”, und damit zu selbstbewußtem
Leben in den Welten
geistiger „Erschei‐
nung”, die
weit höher liegen als das „Jen‐
seits”, ‒ in dem sich jeder Menschengeist
‒ auch
ohne jedes Streben ‒ sogleich nach
dem Tode seines irdischen Körpers findet: ‒
jenseits der Anschauungsform physischer
Außen-Sinne.
.Aber
das Weib der Erde würde
vergeb‐
lich suchen, um etwa hier auf Erden einen
der Meister kosmischen Erkennens zu finden,
damit er ihm
schon während des Erden‐
lebens Eingang in die Welt des Geistes
verschaffe.
.Auch jene heiligen Frauen, die einst dem
Meister dienten, den die Evangelien schil‐
dern, fanden erst
nach vollbrachtem Erden‐
leben in ihm den Helfer, der ihnen das Reich
des Geistes
eröffnen konnte, nachdem er
selbst den Erdenkörper verlassen hatte.
.Vorher „erkannten” sie ihn nicht und
hielten ihn für den „Gärtner” irdischer
Gärten...
.Es war ein hartes Wort, das dieser Mei‐
ster kosmischen Erkennens selbst seiner
Mutter gab, als er sprach:
.„
Weib,
was habe ich mit dir zu
schaffen?!” ‒ ‒
.Doch dieses Wort ist von der irdischen
Erscheinung eines
jeden Geistgeeinten her
gesprochen und gilt
jedem Weibe, das hier
auf Erden
in der irdischen Erscheinung
die Hilfe sucht, die der im Reiche wesen‐
haften Geistes Wirkende ihm
erst dann
zuteil werden lassen kann, wenn er selbst
das Erdenkleid abgelegt hat.
.„Wenn ich
von der Erde erhöht sein
werde, dann werde ich
alles an mich zie‐
hen!” ‒
.Urirdische Triebe weiblicher Sehnsucht
haben nur allzuoft das Suchen weiblicher See‐
len nach ihrem Meister auf irreführende Wege
geleitet, wo dann täuschender Wahn infolge
dramatischer Spaltung der eigenen Seelen‐
kräfte sie den vermeintlichen „Meister” fin‐
den ließ, der nichts anderes war als eine Aus‐
geburt wuchernder plastischer Phantasie...
.Nur viel zu sehr hat oft das „Weib”
der Erde in Wahrheit nach dem „Manne”
der Erde verlangt, während es frommen
Glaubens war, einem Gegenpole im ewigen
Geiste entgegenzustreben, mochte er nun
als „Krishna” oder „Jesus” bezeichnet wer‐
den.
.
Ob dann in innigster Andachtsglut der
„Geliebte der Seele” umschlungen oder
ob mitleidensdurstig Leben und Leiden
des Gemeinten durchschauernd mitgelebt
und mitgelitten wird, ‒ stets handelt es
sich dabei nur um einen Fieberwahn, ver‐
ursacht durch seelische Spaltung, so er‐
haben und ergreifend auch die Äußerungen
dieses Wähnens sich darstellen mögen, so‐
sehr auch das Wahnerlebnis die Physis
miterschüttert, wobei durch diese Erschüt‐
terung oftmals Kräfte der unsichtbaren phy‐
sischen Welt zur Mitwirkung angeregt wer‐
den, die wahrlich mit Entsetzen geflohen
würden, wüßte man um ihr Wirken und
ihre Art. ‒ ‒
.Erst wenn das Weib der Erde wieder
frei von dem voreinst erstrebten Erden‐
körper wurde, ‒
nach einem Erden‐
leben,
das darauf gerichtet war,
das
Sein im Geiste später wieder zu er‐
reichen, in
geistiger Gestaltung und mit
wohlgeeinten Seelenkräften, erfüllt von sei‐
nem „
lebendigen”
Gott, ‒ ‒ erst dann
darf es erwarten daß ihm ein Meister nahen
kann in
geistiger Gestaltung, der ihm zu‐
rückerstattet, was es einstmals als weiblicher
Pol des Geistesmenschen dort zurücklassen
mußte, wo die Paralysierung seiner Kraft
erfolgte durch die Verkehrung seiner Stre‐
bensrichtung...
.Dann aber wird es mit Sicherheit auch
seinen geistigen Gegenpol zu finden ver‐
mögen, mit dem es voreinst vereint war und
nun ewig aufs neue vereint wieder den
„vollendeten” Geistesmenschen darstellt, ‒
sich selbst in seinem „Ich” bewußt emp‐
findend und
zugleich, im
selben „Ich”,
seinen
männlichen geistesmenschlichen Ge‐
genpol.
.Das Gleiche gilt jedoch auch für den
Mann, soweit er nicht durch seinen „see‐
lischen Stammbaum”: ‒ die Seelenkräfte
aus der Vorzeit, die sich, infolge seiner gei‐
stigen Darbietung zum Helfer der im Ur‐
licht Leuchtenden, in ihm einten, ‒
von
Geburt an bereits die Eignung in sich trug,
zum Meister kosmischen Erkennens voll‐
endet werden zu können, oder soweit er
nicht wenigstens auf Erden derart zum Er‐
wachen kam, daß es einem Meister möglich
war, ihn als geistigen „Sohn” anzunehmen
und
durch Übertragung geistiger Erlebens‐
fähigkeit einzuweihen.
.Doch kann auch der zum Meister
Gebo‐
rene, oder der als geistiger „Sohn”
Angenom‐
mene, die ihm verliehene geistige Möglichkeit
nur dann wirklich nützen, wenn er getreu
und ohne Wanken stets
erfüllt, was ihm ge‐
boten wird von denen, die ihn geistig lehren. ‒
.Die Hierarchie des Geistes kennt keine
Willkür!
.„Mann” und „Weib” soweit sie in Erden‐
tierleibern verkörpert hier auf der Erde
leben, stehen genau jeweils an
jener Stelle,
die sie einzunehmen
fähig sind, und es
wird jedem Erdenmenschen nur das zuteil,
wozu er selber sich geistig fähig
machte. ‒ ‒
.Will ich aber hier vom „
Wege des
Weibes” reden, dann
muß ich dem Weibe
in irdischer Erscheinung noch von einer
besonderen
Verschiedenheit seines Weges
sagen, auch auf jener Strecke, die Mann
und
Weib in gleicher Weise gangbar ist.
.Der
Mann, der den „Weg” betritt, wird
zweifellos dem Ziele schneller näherkommen,
wenn seine Haltung
aktiv bleibt, stets „
grei‐
fend” nach dem Ziel das er erreichen will.
.Dem Weibe aber empfehle ich statt dessen
mehr die Haltung
gläubigen Verlangens,
‒ eine Haltung die das Ziel
erstrebt, je‐
doch
nicht „greifend” danach faßt, viel‐
mehr
passiv sich zu ihm leiten läßt.
.Es fließt dieser Rat aus uraltem Erfahrungs‐
wissen, und seine Befolgung, ‒ wird er
richtig verstanden, ‒ kann dem Manne so‐
wohl wie dem Weibe das Erreichen des
Zieles sehr erleichtern...
.Der „Weg des Weibes” ist wie der des Man‐
nes ein Weg zurück zum Urstande in der
gei‐
stigen Erscheinungswelt,
bevor der Mensch
seine
geistigen Sinne in die
physischen
Sinne des „Tieres” versenkte und sie auf
solche Weise unfähig machte Geistiges noch
wahrzunehmen.
.Durch die Verkehrung seiner geistgege‐
benen passiven Art in
aktives Streben hat
der weibliche Pol seine Ursprungskraft
selbst
gelähmt,
selbst aufgehoben. ‒
.Wo es gilt, sie dereinst zurückzugewinnen,
ist es nötig, aus freiem Willen die urgege‐
bene Strebensart wieder anzunehmen.
.Im Weibe wie im Manne dieser Erde
will sich der „lebendige” Gott gebären, ‒
hier schon, während dieses Erdenlebens! ‒
.Der „Weg”, den ich in seinen verschie‐
denen Formen im ersten dieser drei Bücher:
dem „
Buch vom lebendigen Gott” ge‐
zeigt habe, gilt für
alle Menschen dieser
Erde, „
Mann” sowohl wie „
Weib”, und
was ich von hoher geistiger Führung, von
der Stimme des Führenden, von der Hilfe,
der im Geistigen wirkenden Meister sagte,
ist ebenso gültig für „Weib”
und „Mann.”
.Man irre sich nicht und glaube nicht
etwa, daß ich in meinen Büchern nur die
geistigen Entfaltungsmöglichkeiten beson‐
derer Erwählter, ‒ etwa nur den Weg des
„Jüngers” und geistig „Geweihten” oder gar
nur den Weg der Meister kosmischen Er‐
kennens aufzeigen wolle!
.Was ich von solchen Wegen ‒ nur in
ferne Weite deutend ‒ zeige und zeigen
muß, ist immer derart bezeichnet, daß man
nicht in Zweifel geraten kann.
.Ich sage es oft genug, daß
diese wahr‐
lich sehr beschwerlichen Wege
nicht für
Viele gangbar sind, und nur jenen Männern
sich erschließen, die für sie
geboren wer‐
den...
.Hier an dieser Stelle habe ich nun von
vielen Dingen sprechen müssen, die Mann
und Weib
gemeinsam angehen, weil an‐
ders nicht zu zeigen war, inwiefern sich der
Weg des Weibes von dem
nicht gemeinsamen
Wege unterscheidet, der nur dem
Manne,
soweit er ein „
Leuchtender”
des Urlichts
oder ein zum
Jünger Berufener ist, offen‐
steht.
.Mag auch der Weg des Weibes
hier auf
Erden jene höchste Höhe
nicht erreichen
können, die dem Manne der dazu geboren
ist, einer der Meister reinsten Erkennens
zu werden, schon
während seines Erden‐
daseins zu ersteigen möglich ist, so führt
dennoch des Weibes Weg endlich zum glei‐
chen Ziel: ‒ zu wachem Sein in der Er‐
scheinungswelt des
Geistes: ‒ zur Neuge‐
burt des
geistigen Erscheinungsmenschen,
der da „Mann” ist
und „Weib”, in selig‐
ster Vereinung und auf ewig untrennbar
in gemeinsamer zwiepolarer „Ich”-Empfin‐
dung. ‒
.Alles Geistige, was dem
Manne erreich‐
bar ist, wird dermaleinst
durch den Mann
auch dem
Weibe wieder erreichbar.
.Es zieht alsdann der
männliche Pol
des geistigen Menschen den
weiblichen
nach, gleichwie ehedem der weibliche Pol
den männlichen nachzog in das Leben
physisch-sinnlicher Anschauungsform...
Nach dem was ich bisher vom „Wege
des Weibes” sagte, erscheint es nahezu nun
überflüssig, noch in Sonderheit vom „
Wege
des Mannes” zu reden.
.In den weitaus meisten Fällen wird der
Weg nicht wesentlich verschieden sein für
Mann und Weib, trotz aller geistigen Ver‐
schiedenheit der Pole. Nur die
Art, den Weg
zu
durchschreiten, kann beim Manne den‐
noch eine andere sein, als die des Weibes. ‒
.Soweit der Mann als „Mann” eine Weg‐
strecke vor sich sieht, die dem auf Erden
inkarnierten Weibe
niemals offen steht,
handelt es sich nur um jenen äußersten
Höhenpfad der allein den Wenigen zugäng‐
lich wird, die
dazu geboren werden, in
diesem Erdenleben schon vollbewußt in den
Regionen des Geistes zu wirken.
.Es ist jene
letzte,
höchste Strecke des
Weges dieser Wenigen, auf der ihnen ohne‐
hin die anderen nicht folgen würden, ‒
weder Mann noch Weib, ‒ selbst wenn es
ihnen möglich wäre solange sie noch
auf
Erden leben.
.Eitelste Vermessenheit wäre es, wollte
etwa ein Mann auf dieser Erde, nur weil
er „
Mann” ist, für sich an ein besonderes
geistiges „
Vorrecht” glauben, und das Weib
vielleicht als geistige Potenz geringer schätzen
als sich selbst!
.Ich sage absichtlich: „als
geistige Po‐
tenz”, denn ich rede hier vom ewigen
Geiste,
‒
nicht aber vom
Intellekt und der Kraft
des
Denkens, die nur Resultate irdischer
Züchtung sind.
.Im Geiste gibt es keine Verschieden‐
wertigkeit zwischen männlichem und
weiblichem Pol!
.Weibliche Passivität und
männliche
Aktivität sind im Geistesmenschen von An‐
fang an
in gleicher Macht und Kraft
gegeben!
.Die Wenigen, die während ihres Erden‐
lebens wirklich ein geistiges „Vor-Recht”
vor dem irdisch verkörperten weiblichen
Pole des Geistesmenschen voraus haben,
wußten noch zu jeder Zeit um ihre hohe
Pflicht, dem „Weibe” ihre
besondere Hilfe
darzubieten, da es durch den ihm entstam‐
menden Impuls zu physischer Verkörperung,
nach dem „Falle” in eine
schwierigere
Lage geraten ist als der Mann. ‒
.Keiner aus ihnen hat jemals das Weib
geringer geschätzt als den Mann, oder gar
den weiblichen Menschen
verachtet.
.Selbst wenn einer in harten Worten seine
irdische Beziehung zu einem Weibe der
Erde klar geschieden sehen wollte von seiner
geistigen Wesenheit, ‒ so zeigte doch jeder
derer, die das hier gemeinte
Vor-Recht
vor Männern sowohl wie vor Frauen
besaßen, daß ihm das
Weib ‒ auch in der
irdischen Verkörperung ‒ wahrlich
hoher
Ehrfurcht wert war...
.Im Geiste eines jeden dieser Wenigen
die zur Vollendung gelangten, lebt ja von
dem Augenblicke der Vollendung an nicht
mehr nur der
männliche Pol des geistigen
Erscheinungsmenschen, sondern
mit ihm
vereint, ‒ in Substitution seines dereinstig
wieder zu erreichenden weiblichen Gegen‐
pols, ‒ jener
weiblichpolare Strahl des
ewigen
Urlichts, der den männlichen Men‐
schengeist erst befähigt in den geistigen Er‐
scheinungswelten wieder wachbewußt zu
werden: ‒ das „
Ewig-
Weibliche”. ‒ ‒
.Wie
könnte jemals ein Mensch solcher
Artung, ‒ auch wenn er in seinem irdischen,
tierischbedingten Leben nur den
männ‐
lich-tiermenschlichen Pol verkörpert, ‒ den
weiblichen Geist, den er ja in seiner
Geist‐
natur mit seinem männlich polaren Geiste
vereint im gleichen „
Ich” empfindet,
etwa
geringer schätzen als den Geist des
Mannes?! ‒
.Der „
Weg des Mannes” erheischt vom
Manne der ihn betritt,
sogleich vom
aller‐
ersten Anfang an, einen ernsten aber auch
wohlgeübten Willen zum Verstehen weib‐
licher Art.
.Ein Mann, der diesen Willen
vermissen
läßt, wird
niemals das Ziel erreichen, das
ihm erreichbar wäre...
.Das Weib, soweit es seine
passive Artung
wiederfand, ist weit eher geneigt, die ge‐
gebene Art des Mannes
willig und gar oft
bewundernd anzuerkennen.
.Die
aktive Art des
Mannes vermag da‐
gegen nur zu leicht den Mann in „Größen‐
wahn” zu stürzen, so daß er im Weibe nicht
mehr „
ein Anderes”,
gleichen Wertes,
sondern
ein Minderwertiges zu sehen sich
veranlaßt fühlt.
.Hier liegt eine nicht geringe Gefahr für
so manchen Mann, der „den Weg des Mannes”
gerne beschreiten möchte!
.So mancher
glaubt sich auf seinem
Wege, glaubt sich bereits gar sehr „ver‐
geistigt” und meint ein
Recht erlangt zu
haben, verächtlich von seiner erträumten
Erhabenheit auf das Weib herabsehen zu
dürfen, während er sich auf solche Weise
um jede Möglichkeit bringt, in den Geist
zu gelangen. ‒
.Der Mann allerdings, der einmal wirk‐
lich
erfaßte, daß es schon bei den ersten
Schritten auf seinem geistigen Wege das
Geistig-
Weibliche ist, das ihn hinanzieht,
‒ das über höchste geistige Hierarchien bis
herab zu seinen erdenmenschlichen geistigen
Helfern flutet um ihn zu erreichen, ‒ der
ist gewiß gegen die Gefahr
gesichert, sich
als Mann für höherwertiger zu halten als
das Weib...
.Er wird dem Weibe geben, was des
Weibes, und dem Manne, was des Mannes
ist, ‒ wissend, daß der Mensch der
gei‐
stigen Erscheinungswelten,
nur dann er‐
neut erstehen kann in bleibender Vollendung,
wenn Männliches und Weibliches sich der‐
einst wieder
eint zu
einem Geisteswesen,
in dem er alsdann
sich selbst und sei‐
nen Gegenpol erlebt in seinem eigenen
„
Ich”. ‒
.Phallus und Yoni
vereint, zeigten dem
Inder in alter Zeit schon diese Wahrheit im
Symbol, ‒ während Phallus, oder Lingam,
allein, als die korrelativen körperlichen
Organe des
Mannes, jene Kraft symbo‐
lisieren, die aus
dem Manne, der
dazu ge‐
boren ist, den Eingeweihten und den Meister
kosmischen Erkennens zeugt...
.Auch die
Witwenverbrennung im alten
Indien, die ursprünglich nur die Ausführung
des religiös bestimmten Willens der hinter‐
lassenen Gattin war, ist nur zu verstehen
als ein trauriger Niederschlag bereits in
verzerrter und entstellter Form empfun‐
dener geistiger Wahrheit aus noch weit
älterer Zeiten Überlieferung.
.Man übertrug ins Alleräußerlichste, was
rein geistig verstanden werden wollte,
denn es ist das Schicksal jeder Wahrheit
die auf diese Erde kommt, daß sie nur kur‐
ze Zeit in ihrer Reinheit leuchten kann,
und nur von wenigen begriffen wird in un‐
getrübter Klarheit, ‒ bis sie alsdann „Ge‐
meingut” wird in einer allzuirdischen Ver‐
zerrung.
.Soll das „Weib” am „Manne” und der
„Mann” am „Weibe” wirklich „
genesen”,
dann müssen Beide: ‒ Mann sowohl wie
Weib, ‒ den Weg zum Geiste emporzu‐
finden suchen
in seelischem Verstehen,
geeint im Willen, so wie sie einst die
hohe geistige Erscheinungswelt
verloren
haben in Gemeinsamkeit.
.Man wird kaum bezweifeln wollen, daß
aus der seelischen Gemeinsamkeit im Streben
nach dem Geiste auch mancher Lichtstrahl
auf Probleme äußeren Lebens fallen muß,
die Mann und Weib bis dahin sehr be‐
drängten und ihnen schier unlösbar schienen.
.An jenem Ziele dann, das
allen hier
auf Erden schon erreichbar ist, die ernst‐
haft und beharrlich es erreichen wollen:
‒
den „
lebendigen”
Gott im eigenen
Herzen, ‒ werden Mann und Weib zuletzt
von den höchsten Kräften mitgerissen, die
jene Wenigen zu jeder Zeit durchströmen,
deren sich göttliche
Liebe bedient um empor‐
zuleiten was nach
Licht verlangt und nach
Befreiung aus der Chaos-Nacht ungewissen
Willens.
.Sicherer als Lehre in Wort und Schrift
es jemals vermöchte, werden alle ehrlich
Suchenden von jenen Welten klaren Lichtes
her geleitet, die aus allen hier auf Erden
Lebenden allein die Meister kosmischen Er‐
kennens mit Bewußtsein, wissend und aus
solchem Wissen handelnd, zu betreten fähig
sind noch während ihrer Erdentage. ‒
.Dereinst erlöst aus irdischer Gebunden‐
heit werden „Mann” und „Weib” in der
vollkommensten Erhaltung individueller
Eigenart, ‒ in ausgeprägter polarer Ver‐
schiedenheit als zwei in sich geschlossene
Geisteswesen, ‒ dennoch
in einem ein‐
zigen „
Ich”
vereinigt sein, da sich im
neugeborenen Geistesmenschen dann beider
Sonder-„Ich”
restlos „deckt”, und jedes
Einzel-„Ich” zugleich das „Ich” des Gegen‐
pols in sich empfindet wie sich selbst. ‒
.Was
Zwei war und
ent-
zweit, wird so
in einem
Dritten, als ein neugeeintes Gei‐
steswesen das aus „Mann”
und „Weib”
besteht, durch alle Ewigkeit verbunden
bleiben. ‒ ‒ ‒
.Um
Hilfe und
Führung bringen zu
können, damit solches Ziel von
jedem
Manne und
jedem Weibe dereinst
er‐
reicht werde nach den Tagen dieses Erden‐
daseins, ‒ um lehren zu können,
wie dieses
Dasein zu
nützen, wie Kraftvergeudung
und Umweg zu
meiden sei, ‒ sind die
Meister der Liebe, die Meister kosmischen
Erkennens, diesem Erdenleben eingeboren.
.Nicht das, was diese Wenigen etwa an
irdischer Erkenntnisfähigkeit besitzen,
macht sie dazu geeignet, ihren Mitmenschen
als Helfer zu dienen!
.Nicht „
Talent”
oder „
Wissen” macht
aus ihnen
das, was sie
sind!
.Nicht irdischer Weitblick verschafft
ihnen die
Ein-
Sicht in geistiges Geschehen!
.All ihr „
Erkennen” ist
liebendes
Durchdringen! ‒
.All ihr „
Wissen” ist Gewißheit aus
geistigem
Sein! ‒ ‒
.Sie allein nur vermögen
jenen „Weg
des Mannes” zu durchschreiten, der zu
wach‐
bewußtem Wirken in der Welt des
substantiellen,
reinen Geistes führt,
und nur
aus dieser Geistregion her
kommt die
Hilfe, die des Urlichts „Leuch‐
tende” den anderen Menschen darzubieten
haben. ‒ ‒
.Ein anderes ist die
sexuelle Gemein‐
schaft zwischen Mann und Weib auf dieser
Erde, und ein anderes die
Ehe. ‒ ‒
.Wer da erkannte, welches
Mysterium
Mann und Weib umgibt, ein Mysterium,
das hinaufreicht in die innersten Regionen
des reinen Geistes, hinauf in das
Urlicht
selbst, dem wird die „
Einehe” heilig sein,
die
einen Mann mit
einem Weibe ver‐
bindet für das Leben auf dieser Erde.
.Wohl denen, die in diesem Erdenleben
schon, in der
Ehe, ihren eigenen,
ewigen
Gegenpol finden, den Gegenpol, mit dem
sie dereinst zu einem
Einheitswesen
im Geiste ewig
vereinigt werden sollen,
weil sie mit ihm
vor der „Ent-zweiung”
einst vereinigt
waren! ‒ ‒
.Vielen mag solches „Glück” beschieden
sein, ohne daß sie darum wissen, aber es
bleibt ein besonderes „
Glück”, denn die
Wege der Entzweiten sind keineswegs der‐
art in parallelem Verlauf, daß dieses Wieder‐
finden
allzuoft sich ereignen könnte hier
auf dieser Erde.
.In einer großen Anzahl aller Ehen wer‐
den sich
Pole zueinander finden, die
nicht
dem gleichen Einheitswesen entstammen.
.Sind sie jedoch für dieses Erdenleben
durch freien Willen einmal einander ver‐
bunden, so tragen beide Teile kosmische
Pflicht, ihr Verbundensein in
solcher
Weise zu betrachten,
als seien sie vor Ewig‐
keiten einst
vereint gewesen und würden
nun für alle Ewigkeit sich wieder
neu ver‐
einigen als einheitliches Geisteswesen. ‒ ‒
.Hier auf dieser Erde können nur geistig
völlig „Erwachte” mit Sicherheit wissen, ob
ihr
irdischer Gegenpol zugleich ihr
ewiger
eigener Gegenpol
ist oder nicht. ‒
.In dieser Erde wirrer Verstrickung lauert
allerorten Täuschung.
.Manche, die nach meinen Worten sich
für „Wiedergefundene” halten mögen, wer‐
den es dennoch
nicht sein, und manche,
deren irdisch angeeignete Verschiedenheit
des Denkens und Empfindens sie verführen
möchte, sich einander
fremd zu fühlen,
werden gleichwohl
eines einst ent-zweiten
Geisteswesens Pole bilden.......
.Wer, der nicht zu den „Erwachten” des
Geistes gehört, wollte sich hier vermessen,
leichthin zu entscheiden!? ‒
.Darum gebietet höchste
kosmische
Pflicht, in
allen Fällen freier Wahlgemein‐
schaft so zu handeln,
als seien beide Teile
sicher, daß sie einst
ein einziges Geistes‐
leben führten, daß sie ewig dieses Geistes‐
leben neu vereint im Geiste finden
wür‐
den. ‒
.Jede Verbindung zwischen Mann und
Weib ist verwerflich, wenn nicht bewußte
Absicht besteht sich also zu verhalten.
.„Was ihr dem geringsten meiner Brüder
tut, das habt ihr mir getan”, ‒ sprach einst
der Meister, den die heiligen Bücher kün‐
den. ‒
.In gleicher Weise aber läßt sich sagen:
Was immer du deinem männlichen oder
weiblichen Gegenpol hier in der ehelichen
Gemeinsamkeit dieses Erdenlebens tun wirst,
hast
du dir selbst, hast du auf
alle Fälle
deinem geistigen
eigenen Gegenpol er‐
wiesen, magst du ihn wirklich hier auf der
Erde nun
gefunden haben oder nicht! ‒
.Du selbst bist es, der sich geistig
formt
in diesem Gemeinschaftsleben der Ehe auf
der Erde, und je
vollendeter dir die
Formung deiner selbst nach der hohen
Art gelang, die dein
ewiges Einheitsleben
als
zwiepolares Geisteswesen verlangt,
desto eher wirst du einst die unruhvolle
Weise des
ent-
zweiten Lebens mit der
Vereinung vertauschen können, die dir
auf ewig erneut deinen Gegenpol gibt, in
dem
du selbst dich
wiederfindest. ‒ ‒
.Es ist keine Mühe, keine Geduld und
keine Selbstbezwingung dir verloren, die
du in deiner Ehe aufzubieten hast, denn
alles, was du so dir abgewinnst, hast du
für
alle Ewigkeit gewonnen. ‒ ‒
.In diesem Erdenleben tritt allerorten
einer für den
andern ein.
.Dein Verhalten zu deinen Nebenmen‐
schen wird unerbittlich seine
Folgen zeigen,
und die Folgen werden deiner
Tat ent‐
sprechen.
.Wenn du jemals einem Menschen
Übles
zufügtest, wirst du durch keine List und
keine Vorsicht je verhindern können, daß
dir das
gleiche Üble widerfährt, ganz
gleich, ob es
der Mensch dir antun wird,
dem
du es zugefügt, oder ob ein anderer
dafür an seine Stelle tritt, ‒ ganz gleich,
ob es dieselbe
Form des Bösen ist, die dich
belastet, oder ob das Böse zurückkehrt zu
dir in einer
anderen Form. ‒ ‒
.Stets wird es
genau dem Grade des
Übels, das du selbst geschaffen, entsprechen.
.Der es dir zufügt, tritt nur
an die Stelle
dessen, der durch deine
Tat betroffen
wurde, auch wenn
der, den du durch böse
Tat bedrücktest, dir von Herzen längst
ver‐
ziehen hat und nie zu
eigener Vergel‐
tung des Bösen fähig wäre...
.Verzeihung kannst du
finden, aber
niemals kannst du deinem „Karma”, kannst
du den
Folgen deiner Tat entgehen. ‒ ‒
.Du wirst vielleicht triumphieren, weil
dich die Folge nicht in
Bälde trifft, aber
juble nicht zu früh!! ‒
.Auch wenn Jahrzehnte darüber vergehen
sollten, wirst du einst
selbst erfahren, was
du
andere erfahren ließest! ‒ ‒ ‒
.Und findet der Ausgleich nicht in deinem
Erdenleben seine geeignete Zeit, dann
wirst du ihn einst in
anderer Daseinsform
in ganz der gleichen Weise erleben müssen,
denn hier gibt es kein Entrinnen. ‒ ‒
.Das Gleiche, was hier von dem Üblen
gesagt ist, das du über andere verhängtest,
gilt ebenso für alles
Gute, für jede noch
so verborgene Liebestat, mit der du andere
erfreutest. ‒
.Die Folgen lassen sich nicht aufhalten,
und du brauchst heute den Menschen nicht
zu kennen, der ihnen einst Werkzeug wird...
.Früher oder später wird er in dein Leben
treten, und er wird selbst nicht ahnen, daß
er in seiner Handlungsweise nur der Voll‐
strecker deiner selbstgeschaffenen Tatenfol‐
gen ist, im
Guten wie im
Üblen, das er
dir erweist. ‒ ‒
.In ganz der
gleichen Art wirst du auch
selbst die Folge schaffen
für dich selbst,
durch dein Verhalten deinem
irdischen
Gegenpol gegenüber, dem du durch freie
Entschließung einst dich für dieses Erden‐
leben verbunden hast zu „ehelichem”
Leben. ‒ ‒ ‒
.Hier wirst du die eigentliche letzte Folge
allerdings
erst dann verspüren, wenn du
das Kleid der Erde
abgeworfen hast, wenn
du in
geistiger Gestaltung aufwärts strebst
zu jener lichten Höhe
ewiger Vereinigung
mit deinem einst von dir getrennten
gei‐
stigen Gegenpol, mag er hier auf der Erde
schon in der
Ehe mit dir verbunden ge‐
wesen sein, oder mag
ein anderer Men‐
schengeist hier in deiner Ehe dich durch
dein Erdendasein begleitet haben. ‒ ‒
.Und wenn dir für all deine
Güte hier
in deiner Ehe stets nur Übles widerfahren
sollte, wenn all dein gütiger Wille
niemals
Verständnis findet, so bist du
dennoch
nicht betrogen, denn es liegt allein in
deiner
Hand, welches „Karma” du dir schaffst, und
dein irdischer Gegenpol kann dir nicht ein
Jota deiner so geschaffenen Eigenformung
rauben. ‒
.Was
du ihm Gutes antun wirst, hast
du deinem eigenen
ewigen Gegenpol getan,
mit dem du ewig einst vereinigt,
ein ei‐
niges Geistesleben führen wirst, mag der
Mensch, mit dem du hier in der
Ehe auf
Erden verbunden bist, nun in Wahrheit
selbst
dieser Gegenpol deines Geistesmenschen sein,
oder mag dir in ihm ein Geistiges verbunden
sein, das erst nach Jahrtausenden seinen ei‐
genen wirklichen Gegenpol im
geistigen
Dasein finden kann. ‒ ‒
.„Ehe”,
im höchsten Sinne, ist nur die
Vorbereitung des ent-zweiten
Einzelpoles
für das
zwiepolare Leben des vereinigten
Menschengeistes, ‒ „Mann
und Weib”, ‒
in der Ewigkeit. ‒
.Nicht, indem du feige den Schwierig‐
keiten der Vorbereitung
entfliehst, sondern
indem du sie zu
bewältigen suchst, wirst
du auf Erden schon die dem Menschen hier
mögliche, höchste Stufe geistiger Lebens‐
fähigkeit erreichen. ‒
.Nur leise und behutsam möchte ich an
dieser Stelle noch von dem Mysterium spre‐
chen, das beide Gegenpole, Mann und Weib,
auch in ihrer
tierischen Gestaltung durch
den
physischen Ausgleich der Polaritäten
umhüllt. ‒
.Was rohe Sinneslust und geile Gemein‐
heit zweier „Menschentiere” sein kann, ‒
das kann auch zum „
Schlüssel” werden,
der die geheimsten Pforten der
Seele öff‐
net und das
höchste Heiligtum betreten
läßt...
.Gleichwie Feuer
Licht und Wärme
spenden, aber auch Haus und Habe
ver‐
nichten kann, so können die Kräfte sinn‐
licher Lust zu
geflügelten Rossen vor
dem Siegeswagen des Geistes werden,
wenn sie ein sehender „Wagenlenker” zu
leiten weiß, ‒ können sich aber auch zu
unheilbringenden Dämonen wandeln. ‒
.Nur in höchster
geistiger Liebe darf
die Vereinigung der
physischen Pole sich
vollziehen, wenn sie die hohen geistigen
Kräfte
lösen soll, die
in der erdenkör‐
perlichen Erscheinung menschlicher Wesen
schlummern. ‒ ‒
.Dann aber
kann sich in solcher Ver‐
einigung ein „
Wunder” begeben, das stets
aufs neue
die höchste Geistigkeit berührt,
und die es
erleben, werden
gemeinsam
ihrer selbst bewußt in Sphären des
gei‐
stigen Seins, die keines Dichters Phantasie
je zu ahnen vermag. ‒ ‒ ‒
.Es ist mir nicht verstattet,
mehr über
diese Dinge zu sagen.
.Wer
reif ist, auf diesem
heiligsten
aller Erdenwege ohne Gefahr zu wandeln,
dem wird auch ein kurzer Fingerzeig zur
Erreichung des hohen göttlich-verklärten
Zieles genügen.
.Doch es prüfe sich jeder, der dies lesen
mag, ob er würdig vorbereitet ist, das
Aller‐
heiligste im Tempel des sichtbaren Kosmos
reinen Herzens zu betreten, denn nirgends
wird ein „Tempelschänder” so furchtbar
und schrecklich bestraft wie hier! ‒ ‒ ‒
.Ehe ist eine Vereinigung zweier
Geister
und zweier
Leiber, ‒ aber in ihrem kör‐
perhaften Dasein besitzen Mann und Weib
eine
geistige Kraft, um die sie „Götter”
selbst beneiden könnten.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Ein „Ganzes” sollst du einst werden,
vereint mit einem
anderen „Ganzen”, und
noch bist du nur „
Teil”! ‒
.Dich in ein „
Ganzes”
zu wandeln,
dazu kann dir die magische Macht der
Ehe vieles helfen,
wenn du sie ge‐
brauchen lernst!....
.Wohl will die Ehe wahrlich auch
das
Kind, jedoch das Kind ist keineswegs der
Ehe höchste Sinnerfüllung!
.Nicht, daß ihr
Kinder zeugen und ge‐
bären konntet, bürgt dafür, daß eure leib‐
liche Gemeinschaft eine
Ehe ist! ‒ ‒
.Ehe besteht nur dort, wo zwei im Ir‐
dischen vom Gegenpol getrennte Einzelpole
aus der
geistigen Erscheinungswelt, erneut
erstreben,
eine zwiepolare Einheit dar‐
zustellen. ‒
.Zwar ist das Kind dem eine wahre
Ehe
Dasein gibt, in ihr zugleich am sichersten
geborgen, ‒ doch ist der Ehe Sinn gewiß
nicht einzig und allein darin beschlossen,
dem kommenden Geschlechte Leben, Leib
und Nahrung, Lehre und Erziehung dar‐
zubieten.
.Vor allem anderen soll aus einer Ehe
denen Förderung erwachsen, die sich in
Ehe-Einung zueinander fanden!
.Um
euretwillen sei eure
Ehe geschlos‐
sen, ‒
das Kind aber sei euch:
Gläu‐
biger eurer Schuld an die Zukunft!
‒ ‒ ‒
.Allstündlich werden auf dieser Erde
Menschen geboren und dennoch steht der
fühlende Mensch hier heute noch wie in
Urzeittagen vor einem Mysterium...
.Nicht anders zwar als das
Tier tritt der
neue Mensch in dieses Dasein, löst er sich
los vom mütterlichen Leibe, der ihm den
Leib der Erde bereitet hat.
.Aber stumpfestes Empfinden selbst wird
einen Augenblick doch wachgerüttelt, steht
es vor dem ewig neuen Wunder, sieht es,
daß ein Wesen seiner Art das Licht erblickt,
und hört es seinen ersten Schrei. ‒ ‒ ‒
.Gar bald dann wird das Neue sich als
eigenes Bewußtsein offenbaren, und stau‐
nend sieht der Mensch hier einen neuen
Willen, der, obwohl
scheinbar nur aus
ihm hervorgegangen, allein
sich selber
will, so töricht auch die Mittel scheinen,
die er gebraucht, um sich in seiner Umwelt
durchzusetzen. ‒ ‒
.Zuletzt muß der Mensch dann erkennen,
daß es doch die einzig
rechten Mittel sind,
da sie den Kräften, die das neue Lebewesen
meistert, stets in völliger Entsprechung die‐
nen. ‒
.Ein jedes neue Lebensjahr bringt
neue
Offenbarung dieses Willens,
neue Mittel
sich hier Geltung zu verschaffen, und schließ‐
lich steht vor uns
ein Mensch wie wir,
der oftmals uns zu dem Bekenntnis nötigt,
daß er
Geisteskräften zu gebieten weiß,
die wir vergeblich je zu meistern suchen
würden...
.Das Wunder will nicht enden, wenn man
einmal eines dieser Kettenglieder hellen
Auges dem Bewußtsein nahe bringt, und
jeder
neue Zyklus der Geburten schafft hier
neue Wunder, vor denen dann der Mensch
oft ratlos steht, da er nicht zu enträtseln
weiß, was hier im Guten oder Bösen sich
ereignet hat. ‒ ‒ ‒
.Du wirst das Rätsel, das aus Kinder‐
augen fragt, auch niemals lösen, wenn du
nicht klar erkennst, daß hier
ein völlig
Neues dir begegnet. ‒ ‒ ‒
.Du suchst zu sehr
dich selbst in dei‐
nem Kinde, läßt dich viel zu sehr verführen
durch die
körperlichen Ähnlichkeiten,
die dein Auge findet, siehst auch dich und
deine Art in der
Begabung oder in den
Fehlern deines Kindes, und bist geneigt
nun, alles dies zu übertragen auf das
Gei‐
steswesen,
das in deinem Kinde dir
sich anvertraut. ‒ ‒
.Wohl ist das
Erdenkleid, in dem dein
Kind dir hier gegeben wird, aus
deinem
Blute,
deinen Zellen auferbaut, und eine
Erbschaft von Jahrhunderten gibst du ihm
körperlich zu eigen. ‒
.Mit ihr empfängt dein Kind so manche
Kräfte dieser Erde, die du „geistig” nennst,
weil dir noch nicht bewußt ist,
welche Fülle
tief geheimnisvoller Kräfte dieser Er‐
denkörper birgt, und
diese Kräfte nur
allein sind Träger jener Eigenschaften, die
dich stets verführen, zu sehr
dich selbst in
deinem Kinde wiederzuerkennen. ‒ ‒ ‒
.In diesem Erdenkörper, und auf seinen
unfaßbarsten Kräften wie auf einer Harfe
spielen lernend, wohnt etwas, das
nicht
von dieser Erde ist...
.Dieses „
Etwas” blickt dich aus den
Augen deines Kindes an und sucht in dir
das gleiche „Etwas”, das
vielleicht in
deinem Körper
Herr geworden,
meistens
aber
durch des Körpers Kräfte über‐
wältigt und
gefesselt ist. ‒ ‒
.Dieses „
Etwas” ist
der Mensch des
reinen Geistes, der sich hier dem Men‐
schentiere dieser Erde
eint in einer der
tief‐
sten Formen seines Erscheinens, und auf
Erden nur „Erlösung” findet, wenn er dieses
„Tier” bezwingt. ‒ ‒
.Er ist deinem Kinde
nicht ein Erbe,
das es
dir verdankt so viel es dir auch wohl
verdanken mag an übererbter Formung sei‐
ner Hirngewinde!
.Er stammt aus
gleichen Höhenre‐
gionen, wie der Geistesmensch in
dir, den
du vielleicht noch niemals als
dich selbst
erkanntest, vielleicht ihn derart
vergewal‐
tigt hast durch deines Körpers Eigenkräfte,
daß du auch keine Spur mehr seines Da‐
seins
ahnst, und
dich in dir selbst nur
jenen
feinen Körperkräften gleichwähnst, die
bei der Mehrzahl aller Erdenmenschen an die
Stelle ihres
geistigen Bewußtseins traten. ‒
.Im Auge deines Kindes blickt er for‐
schend dir ins Angesicht, auch wenn dieses
Auge ihm noch nicht zum wohlbeherrschten
Werkzeug wurde, und sucht, ob er noch
seinesgleichen
ungefesselt hier auf dieser
Erde fände...
.Du hast hier allen Grund, vor deinem
eigenen Kinde
Ehrfurcht zu empfinden,
soweit der
Geistesmensch in dir nicht
völlig deiner feineren Körperkräfte
Herr und Meister ist, denn aus dem Auge
deines Kindes blickt er dir noch
ursprungs‐
rein entgegen. ‒
.In
deine Hand ist nun sein Schicksal
hingegeben. ‒ ‒ ‒
.Es liegt fast nur bei
dir, ob dieser Gei‐
stesmensch,
der, ‒ wenn es sich um keine
der an anderer Stelle schon erwähnten sel‐
tenen Ausnahmen handelt, ‒ noch
nie auf
dieser Erde lebte, der
niemals wieder‐
kommen wird, und der in jedem neuen
Menschen
einzigartig in Erscheinung tritt,
nun
das in deinem Kinde frei beherrschen
lernen kann, was du als
Leibeserbschaft
ihm gegeben hast. ‒
.Bist du in
dich und deine Art so sehr
vernarrt, daß du nur
dich und
deine Sippe
auch
in deinem Kinde wieder sehen willst,
dann wirst du schwerlich so verfahren, daß
der neue Geistesmensch, der dir sich
an‐
vertraute, über alles was er beherrschen
lernen soll, zum Herren wird...
.Du hast jedoch vor kosmischen Gesetzen
nie das Recht, aus deinem Kinde nur
den
Spiegel deiner selbst zu machen, denn
das
Heiligste und
Höchste, was in diesem
Wesen in Erscheinung tritt, ist
himmel‐
hoch erhaben über
allem Hohen, das
du
leiblich ihm als Erbe gabst...
.Doch damit nicht genug, wird beides
erst verbunden durch
Seelenkräfte aus
ferner Vorzeit, die nicht zu
völliger Ent‐
faltung kamen, und in deinem Kinde nun
nach
Auswirkung verlangen! ‒ ‒ ‒
.Auch
diese Kräfte gabst
du deinem
Kinde
nicht zum Erbe!
.Die Menschen, die in
dieser Hinsicht
deines Kindes „
Ahnen” sind, wirst du nur
dann erspähen können, wenn in dir der
Geistesmensch so völlig Herrschaft übt, daß
er
mit dir bewußt identisch wurde und
dich „sehen” lehrte, was kein Auge dieser
Erde sieht. ‒ ‒
.Du hast
kein Recht, des Kindes
See‐
lenkräfte, wenn sie hohe Gaben in sich
schließen,
deinem Blutes-
Erbe zuzuzäh‐
len! ‒ Du hast
kein Recht, des Kindes
Seelenkräfte, wenn sie deinen Wünschen
nicht entsprechen,
einzuengen oder gar
zu
unterjochen! ‒ ‒
.Die Rechte, die nach kosmischen Ge‐
setzen deinem Kinde gegenüber dir gegeben
sind,
sind eng begrenzt.
.Du hast
allein die Rechte eines Haus‐
herrn, dem
ein hoher Gast die Ehre
schenkt,
sich seinem Schutze zu ver‐
trauen, wobei der Gast in einer Lage ist, die
es verhindert, daß
er selbst sich
schützen
könnte. ‒ ‒ ‒
.Alle „Erziehung” deines Kindes muß
aus
dieser Einsicht sich ergeben, sonst han‐
delst du in gutem Glauben
schlecht, wo
du
das Beste zu erwirken hofftest! ‒ ‒
.Ein
Geistesmensch hat dir sich
an‐
vertraut, dem du allein den
Leib bereiten
konntest, als die Wohnstatt, die ihm auf
der Erde dienen soll. ‒
.Er brachte seine Schätze
selber mit und
nimmt sie
nicht von
dir. ‒ ‒
.Was er von dir erwartet, ist
allein, daß
du ihm
Schutz und
Nahrung gibst, und
ihm dazu verhelfen wirst, sich in dem
Hause, das du ihm gegeben hast,
die
Diener zu verschaffen, die er braucht, um
hier auf dieser Erde seine Herrschaft aus‐
zuüben. ‒ ‒ ‒
.Ich weiß wohl, diese Worte werden vie‐
len, die sich fast „
ein Recht auf Tod und
Leben” ihres Kindes zugestehen, wenig an‐
genehm zu hören sein. ‒
.Auch mancher, der sich der „Erziehung”
widmet, wird, „gerechten Zornes” voll, die‐
ses Buch zur Seite schleudern. ‒
.Er mag bedenken, daß ich sehr wohl
weiß, daß jenes Kind, das er „erziehen”
und erziehend lehren soll, schon meist von
Grund aus durch die „elterliche Zucht”
verdorben ist. ‒ ‒ ‒
.Ich rede hier in
erster Linie nur zu
denen, die dem Kinde
Blut und Leben
gaben, und ich spreche von dem Kinde, das
noch nicht durch eine falsche Auffassung
der „Elternrechte” um
sein urgegebenes
Recht betrogen wurde, das
noch nicht
die Rache übt, die unausbleiblich jedes
Kind als Gegenwehr betreiben
muß, sobald
durch seiner Eltern Schuld
der Geistes‐
mensch in ihm geknebelt wird, und seine
Seelenkräfte in die
Fron der
Blutes-
Erb‐
schaft eingekettet werden.
.Dein Kind kann dir
ein weiser Lehrer
sein, wenn du zu
achten weißt darauf, wie
stets in ihm
der reine Geistesmensch
durch alle Hüllen, die
du leiblich ihm ge‐
geben, dringen will. ‒ ‒
.Dein Kind kann weitaus
älter als du
selber sein, durch jene Seelenkräfte aus der
fernen Vorzeit, die in ihm sich neu ver‐
einigen, und die durch einen Menschengeist
zur
Dauereinigung gelangen wollen. ‒
.Du kannst nicht erwarten daß dein Kind
dich
ehrt, wenn es
weit höher steht als
du...
.Glaube nicht, daß du ungestraft dein
Kind in die dir genehmen geistigen Fesseln
zwingen kannst, weil es als Mensch noch
nichts von sich selber und seiner Würde
weiß! ‒
.Es
ist etwas in deinem Kinde, dem
nichts verborgen bleibt! ‒ ‒
.Viel schärfer, als du glauben möchtest,
wird
jeder Blick und
jedes Wort von ihm
für alle Dauer aufgezeichnet, und wenn
das Kind auch äußerlich sich deinem Willen
beugen muß, so wirst du doch, sobald dein
Zwang nicht nur als
Schutz zu werten ist,
zum Schluß
der Unterlegene sein.
.Die größeren Kräfte
deines Armes
geben dir
kein Recht, ein Wesen, dem du
nur
des Leibes Leben in einer durch
dich bestimmten Formung hier
vermittelt
hast, nun durch
Gewalt aus
seiner Bahn
zu lenken und auf deines Willens Weg zu
zwingen. ‒ ‒ ‒
.In unerbittlicher Gerechtigkeit weiß das
Gesetz des Geistes schließlich doch sich Gel‐
tung zu verschaffen. ‒ ‒
.Du wirst dich, hast du dich versündigt,
dann nicht wundern dürfen, wenn deine
Schuld sich einstmals bitter offenbaren
wird. ‒
.Je sorglicher du auf den
Gottesfunken
achten wirst, der dir sich
anvertraut in
deinem Kinde, je mehr wirst du auch
in
dir selbst den Gottesfunken wieder ahnen
und ihn dann durch dein Kind vielleicht
auch
wirklich finden lernen. ‒ ‒ ‒
.Du wirst dann fühlen, was
der Gött‐
liche einst meinte mit den oft gehörten
Worten, daß jeder erst zum „
Kinde” wer‐
den müsse, der das „Reich der Himmel”
in sich selbst erlangen will.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Nicht was du deinem Kinde an „
Er‐
ziehung”,
Geld und
Wissen mitgibst,
wird es dir einst danken, ‒ nur daß du
aus ihm jenen Menschen werden ließest,
der in ihm nach seiner Geistnatur zutage
treten wollte, wird dir seine
Dankbarkeit
erwerben. ‒
.Es sind in
einem und dem
gleichen
Elternhaus oft viele Kinder, die man dann
gedankenlos, weil sie
dem Bluteserbe
nach „Geschwister” sind, wie Pflanzen von
derselben Gattung wertet, und dennoch sind
für den, der mit des Geistes Augen „
sehen”
kann, hier oftmals
größere Verschieden‐
heiten, als sie zwischen Völkern
völlig
fremder Rassen angetroffen werden. ‒ ‒
.Nicht nur des
Geistesmenschen Offen‐
barung ist in jedem Kinde
einzigartig und
von jedem
anderen Kinde dieser Erden‐
welt
verschieden, ‒ nein, auch die
See‐
lenkräfte, die um jeden solchen Geistes‐
mittelpunkt, Kristallen gleich, sich anein‐
anderschließen, bilden jeweils
völlig neue
Formen, und sind zuweilen schon durch
viele Menschengenerationen
vorgeformt.
‒ ‒ ‒
.In
einem Kinde können
Seelenkräfte
wirken, die ein Willensimpuls einstens formte,
der
einem Menschen ferner Zonen an‐
gehörte...
.In einem
anderen Kinde sind vielleicht
Seelenkräfte tätig, die ihren Ausgangs‐
punkt der Formung einem Menschen danken,
der dieser Erde Leben lebte
als der Pyra‐
miden Fundament noch nicht gelegt
war...
.Und
wieder eines anderen Kindes
Seelenkräfte wurden vielleicht geformt
von einem Menschen, der einstmals unfrei‐
willig aus dem Leben scheiden
mußte, oder
auch
als Märtyrer seiner Überzeugung
starb...
.In eines
Armen Heimstatt kann ein Kind
geboren werden, dessen
Seelenkräfte ihre
Formung einst auf einem
Throne fanden,
und in dem Kinde eines
Reichen können
Seelenkräfte nach Entfaltung streben, die einst
der Impuls eines Landstreichers formte...
.Und auch
des gleichen Elternpaares
Kinder können
alle diese Formkomplexe,
die sich aus den
Seelenkräften, durch Im‐
pulse längstvergessener Geschlechter bilde‐
ten,
in jeder denkbar möglichen Schat‐
tierung in sich tragen...
.Es wird deine Aufgabe sein, die Seelen‐
kräfteformen, die du aus
schlechten Im‐
pulsen hervorgegangen fühlst, nicht etwa
nun durch „strenge Zucht” und äußere Ge‐
walt an ihrer Auswirkung zu hindern, denn
was du so erreichen könntest wäre stets nur
Täuschung, auch wenn dein Kind in acht‐
bar hoher Stellung später äußerlich ver‐
gessen ließe, was es
dennoch weiter
in
sich trägt. ‒ ‒
.Es wird deine Aufgabe sein, diese See‐
lenkräfte vielmehr
umzulenken, so daß sie,
in früher Jugend schon, zwar die Auswir‐
kung
finden, die sie erstreben, jedoch auf
solche Ziele eingestellt,
die weder deinem
Kinde,
noch auch anderen jemals
Scha‐
den bringen können. ‒ ‒ ‒
.Es würde gar manche „Familien-Schande”
sich vermeiden lassen, wollte man sich be‐
quemen, sobald man die
ersten Regungen
bemerkt, die Nichtersprießliches verkünden,
‒ sogleich mit weiser Geduld die nichter‐
freulichen Seelenkräfte „
umzulenken”, auf
Wege,
die ihrem Streben gemäß, und
dennoch nicht verderblich sind. ‒ ‒ ‒
.Es hängt vom Einzelfalle ab und muß in
nüchterner Erwägung sorgsam entschieden
werden, welche
Art der „Ablenkung” hier
jeweils geboten ist.
.Nur lasse man sich nicht etwa
täuschen!
.Ein Trieb ist
nicht vernichtet, wenn
er aus Furcht vor Strafe sich
nicht zu
äußern wagt! ‒ ‒
.Es ist auch nicht das
Ziel, die uner‐
wünschten Seelenkräfte zu
vernichten, denn
alle Seelenkraft ist
gut an sich und kann,
in
richtige Geleise eingelenkt,
zum höch‐
sten Segen und
zu menschlicher Voll‐
endung führen. ‒ ‒ ‒
.Ich sprach hier nur von
jenen Seelen‐
kräfteformen, die einst durch
niedrige Im‐
pulse in die Welt der Wirkung traten.
.Doch werden dir vielleicht auch Seelen‐
kräfteformen „
unerwünscht” erscheinen,
die ihre Formung einem Impuls danken,
der in einer hohen,
allem Schlechten
weit entrückten Seele lebte, ‒ ‒ nur
weil sie
deinen eigenen Seelenkräften
fremd, und
den Impulsen feindlich sind
die
in dir selber Formung finden. ‒ ‒
.Du möchtest jene Seelenkräfteformen,
die
du selber schaffst, in
deinem Kinde
nun zur
Wirkung kommen sehen, und
findest, daß in diesem Kinde
völlig an‐
deres lebt und wirkt. ‒
.Hier wird von dir eine hohe und weise
Entsagung gefordert, wenn sie auch oft‐
mals
Schwerstes von dir verlangt, willst
du nicht zum
Verbrecher an der Seele
deines Kindes werden. ‒
.Du hast vielleicht schon seit langen
Jahren bunte Träume dir geschaffen, und
alles wohl vorherbestimmt, was aus deinem
Kinde einstmals „werden” solle? ‒
.Nun siehst du alles, was du so in bester
Absicht aufgerichtet, durch deines Kindes
Artung, der du deine Achtung nicht ver‐
sagen kannst, zertrümmert und zerstört. ‒ ‒
.Hier wird es sich zeigen müssen,
ob die
Liebe die du für dein Kind empfindest,
wirklich auch
dem Kinde selber, diesem
neuen,
einzigartigen Menschen, gilt, der
hier auf dieser Erde nur
sein Leben lernen
soll, oder ob du in unbewußter Blendung
nie dein Kind, sondern nur
dich selbst
gesehen hast in deiner Liebe...
.Schwer mag der Entschluß dir werden,
aber
wenn du
weise, und
nach den ewigen
kosmischen Gesetzen verfahren willst,
dann
mußt du deine
Wünsche deinem
Kinde zuliebe
vergessen und
begraben
können. ‒ ‒ ‒
.Natur hat dich zum Vermittler leiblichen
Lebens hier auf
dieser Erde bestimmt, da‐
mit des
Geistesmenschen Wahrheit in
unendlichfältiger Gestaltung hier zutage
treten könne um sich selbst aus seinem
Streben nach der Tiefe wieder zu erlösen.
.Sei du ein
Helfer der Natur, ‒ ein
Helfer allem Geistesmenschentum, das sich
aus
deinem Blut den
Leib der Erde
geben läßt! ‒ ‒
.So wirst du am besten auch
dem Gei‐
stesmenschen in dir selber zur „Erlö‐
sung” verhelfen. ‒
.So werden dir
deine eigenen Kinder:
Führer zu dir selbst, ‒
zu deinem „
le‐
bendigen Gotte”, ‒
zum ewigen
„
Leben”
sein!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Und wenn es dir schwer wird, mir zu
glauben, daß du deinem Kinde nur
den
Leib der Erde geben kannst, dann muß
ich dich daran erinnern, daß nach irdischem
Überkommen gar vieles schon dem
Geiste
zugeschrieben wird, was noch in
erdenleib‐
lichen Kräften
allein seine Ursache hat...
.Für die
Entfaltung dieser vererblichen
feinen physischen Kräfte die man gemein‐
hin schon als Kräfte des Geistes anzuspre‐
chen pflegt, ist es wahrlich von höchster
Bedeutung, ob in dir selbst bereits der
Geistesmensch zur Herrschaft kam, oder
ob du ein Sklave deiner Tierheit bist! ‒ ‒
.Dennoch sind es nur
leibliche Kräfte,
durch die allein du deinem Kinde alles
das vermitteln kannst, was es als „Anlagen”
oder „Talente” von dir empfängt. ‒
.Sorge dafür, daß dein Kind dieses Erbe
segnen kann! ‒ ‒ ‒
.Solange auf dieser Erde Menschen in
irgendeiner Art von Gemeinschaftsverbänden
leben, wird es immer und immer wieder
einzelne geben, die mit der
Art des Ge‐
meinschaftslebens, das sie an andere bindet,
nicht zufrieden sind, und dennoch werden
die Menschen niemals eine
vollkommene
Staatsform finden. ‒
.Stets wird der Vorteil des einen des
andern Nachteil sein, und immer werden
nur
wenige auf ihren Vorteil
verzichten
wollen, auch wenn sie sehen, daß er den an‐
deren Nachteil bringt.
.Es ist nicht möglich, daß auf dieser
Erde je ein „
Gottesstaat” entsteht, der
alle Menschen frei
in Liebe einen würde,
denn diese Erde wurde einst
durch den Men‐
schen selbst entgottet, als er aus Furcht
vor seiner eigenen Macht die Herrschaft über
sie verlor. ‒ ‒ ‒
.So sehr man auch in Theorien
aller
Menschen Seligkeit auf Erden prokla‐
mieren mag, so wird die
Wirklichkeit
doch
immer unbekümmert aller Theorien
spotten. ‒
.In allen „
Republiken” wird es „
Kö‐
nige” und „
Fürsten” geben, und kein
„
Despot” wird je verhindern können, daß
in seinem Reiche sich
Gebiete finden,
die
seine Macht und Willkür nie beherr‐
schen kann. ‒ ‒ ‒
.Nie wird dem „
Rate aller” ein Gesetz
entsprießen, das jene weisen und erhabenen
Gesetze übertreffen könnte, die einst von
großen „
Königen” der Welt gegeben wur‐
den.
.Es werden immer nur
wenige sein,
denen Natur die Gabe und Kraft verlieh,
das Ungeordnete zu
ordnen, und zu
leiten,
was
ohne Leitung sich und anderen kein
Gedeihen schafft. ‒ ‒
.Noch
seltener werden
jene zu finden
sein, denen Natur das Recht zu
herrschen
in die Wiege legte, ‒ ‒ zu herrschen über
alles, was nicht
Selbstbeherrschung üben
kann und mag. ‒
.In allen Reichen des Kosmos, ob sie den
physischen oder den
geistigen Sinnen
sich erschließen, herrscht das System der
„
Hierarchie”, herrscht
Unter- und
Über‐
ordnung, und
immer kleiner wird die
Zahl der wirkenden Gewalten, je
weiter ihre
Macht und ihre Wirkung reichen. ‒ ‒ ‒
.Auch
des Erdenmenschen Gemein‐
schaftsleben ist diesem Gesetz unterworfen,
und jede
Willkür, die in guter Absicht
„Gleichheit” schaffen möchte, ist von Anfang
an
verurteilt durch sich selbst, ‒ geht
den enttäuschungsreichen Weg, den stets
Natur für alle Menschenweisheit offenhält,
die ihr Gesetz
noch nicht erkennt, oder
es
mißachtet,
falls sie es erkannte. ‒
.In
jeder Art des menschlichen Gemein‐
schaftslebens auf der Erde läßt Hierarchie
und Stufenbildung sich, Naturgebot entspre‐
chend, auferbauen, und wird dies nicht
be‐
wußt erstrebt, so baut Natur das ihr ge‐
mäße, ohne alle Rücksicht,
selber auf, wie
groß die Zahl der
Opfer dann auch wer‐
den möge, die das eherne Gesetz erfordert...
.Es läßt sich nichts
umgehen, nichts auf
andere Art erzielen, wo das allgemeine,
kosmische Gesetz
befiehlt. ‒
.Nicht aber dadurch, daß er in einem
Königsschlosse geboren wurde, wird ein
Mensch zum „
König”, und alle Weisheit
eines
Philosophen, der die Menschen unter
seiner Leitung glücklich sehen möchte, wird
keinen „Staatenlenker” aus ihm machen.
.Die mystische Gewalt, die wahrhaft „
Kö‐
nige” schafft, kann sich Jahrhunderte in
einer Sippe
erhalten; ‒ sie muß
ver‐
löschen, sobald die
Impulse, die einst
„königliche” Art in ihr
begründet haben,
die Auswirkung in Tat und Leben
fan‐
den, und keine Wehr der Welt kann dann
das so Erloschene durch
andere Macht er‐
setzen und ein äußerliches „Königtum” noch
schützen...
.Jedoch nicht
jeder „König”, den
sein
Land verlor, hat darum aufgehört, den
Hermelin der Könige zu tragen, ‒ ‒
und umgekehrt ward mancher Königsthron
gestürzt durch einen
Feind der „könig‐
lichen” Macht, der ganz gewiß nicht ahnte,
daß
er selbst ein „König” war, den nur
sein Land nicht fand. ‒ ‒ ‒
.Es ist verzeihlich, in den Dingen staat‐
licher Gestaltung an eine „Entwickelung”
zu glauben, denn das Auge des Menschen
ist nur allzu geneigt, die
nächste Umwelt
für „
die Welt” zu halten, und ebenso ver‐
mag der Mensch nur schwer, die Zeiten,
die er überschauen kann, als „Ewigkeits‐
sekunden” anzusehen. ‒ ‒
.Die wenigen auf dieser Erde, die über
ein
weiteres Blickfeld in Raum und Zeit
zu spähen vermögen, müssen sich,
trotz
aller scheinbaren Gegengründe sagen, daß
alles, was der Mensch der Erde in Hin‐
sicht auf „Staatenordnung” für „
Entwicke‐
lung” hält, nur eitel
Täuschung ist, und
daß die Menschheit
nach Jahrtausenden
in gleichen Kämpfen um die Vorherr‐
schaft der einen oder anderen sich ver‐
bluten wird, wie
heute oder schon
vor
Tausenden von Jahren, da Kulturen unter‐
gingen, deren Zeugnisse noch kein Forscher
je
ergrub...
.Bald wird „das
Volk” dem Wahn er‐
liegen, „
Herrscher” sein zu können, und
sich selbst, ‒ den „
Herrscher” ‒ ‒
zu beherrschen, bald werden
Könige, in
denen
nichts von
wahrem „
Königtum”
und seiner mystischen Gewalt zu finden
ist, den Thron, der ihnen
nicht gebührt,
durch
Waffen sichern wollen, und immer
wieder werden die Geschicke wechseln, bis
die letzten Menschen dieser Erde falls nicht
Geisteseinsicht sie noch hindert, gegenseitig
sich erschlagen, weil das letzte Tier ge‐
schlachtet und die letzte Pflanze längst in
Sand und Eis erstorben ist, ‒ denn diese
Erde muß erstarren, und des Erdenmenschen
ewige „Erlösung” wird
erst eine neue
Weltenperiode schauen. ‒ ‒ ‒
.Wehe den „letzten Menschen”, denn da
wird die Sage von Kain und Abel
tausend‐
fältig Wiederholung finden, falls der Erden‐
mensch sich nicht vorher darauf besinnt, daß
jedes „Du” ein „Ich” ist, das in ihm sich
finden will. ‒ ‒
.Jeder der Wenigen, denen Geist und
hohe Geistes-Übertragung Weiten der Zeit
und des Raumes lichtklar erhellte, ist mit
mir eines Sinnes in dem Wunsche: ‒ Möchte
nur
Einer derer, die in heutigen und
künftigen Tagen dieser Erdenwelt ein dauern‐
des Glück zu bereiten hoffen, fähig werden,
das zu sehen, was wir Wenigen, von Leid
um andere fast ausgelöscht, klar sehen
lernen
müssen! ‒ ‒
.Er würde sicherlich vor Schreck gelähmt,
und tiefe Scham im Herzen, seine Zukunfts‐
träume in den tiefsten Schacht der Seele
bannen, würde nie und nimmermehr
auf
dieser Erde suchen, was sein
Geist ihm
zeigt, und was er nur, in Irrtumswahn be‐
fangen, hier auf diesem Weltenstäubchen
„Erde” ausgestaltbar glaubt. ‒ ‒
.Die Träume dieser Weltbeglücker sind
trotzdem aller Wahrheit voll, nur ist das
Glück, das sie der Menschheit wünschen,
nie
auf Erden zu erreichen, nie mit Erden‐
mitteln auszuwirken, nie
dem Menschen
dieser Erde,
so wie sie ihn sich er‐
träumen, vorbehalten. ‒ ‒ ‒
.Laßt uns darum eine
andere „neue
Menschheit” suchen, eine Menschheit, die,
obwohl sie
auf der Erde lebt und sich
des Erdenlebens
freut soweit dies möglich
ist, doch längst nicht mehr
allein „von
dieser Erde” ist! ‒
.Wir müssen den Menschen zu einer
tieferen Quelle des Glückes führen, einer
Quelle, die
reichlicher fließt, wenn wir
jenen,
vom Wahne irdischen Glückes
betörten „Freunden der Menschheit” wahr‐
haft
brüderlich zur Seite treten wollen. ‒
.Wir müssen sie von
sich selbst und
ihren
Träumen erlösen, wenn wir die
Wahrheit, die sie dumpf erfühlen und
dann in sterile Gedankengebäude bannen
wollen,
wirklich der Menschheit,
nutzbar
machen sollen. ‒ ‒ ‒
.Zwar liegt es
nicht im Bereich der
Möglichkeit, daß ein wahrhaft gerechter
Mensch jemals
Gerechtigkeit für alle
schaffen könnte, doch jeder
Einzelne kann
Rechtlichkeit erstreben, und damit einen
Ausgleich schaffen helfen, gegenüber jenem
Unrechtswillen, den auch Götterkräfte
nie aus diesem Erdendasein tilgen könnten.
‒ ‒ ‒
.„
Das Glück der Menschheit” ist ein
Glück der
Einzelnen, und in der
Seele
eines jeden Menschen allein nur erreichbar. ‒
.Die „neue Menschheit”, die auf dieser
Erde einst erstehen kann, wird ganz gewiß
ihr Glück nicht mehr
von außen her er‐
warten. ‒ Sie wird erkennen, daß die Dinge
dieser Außenwelt nur sind,
was wir aus
ihnen machen, und daß sie nur insofern
uns
bestimmen können, als wir uns be‐
stimmen
lassen..
.Die
innere Welt des
Einzelnen muß
eine Welt des
Friedens und des
reinen
Glückes werden, und
hier allein nur
kann der Mensch der Erde
wahrem Glück
begegnen. ‒ ‒ ‒
.Wie dieses Glück des Einzelnen zu
fin‐
den ist, das zeigt die Lehre, die in diesen
Büchern sich entrollt.
.Daß die Befolgung ihrer Winke auch
das Leben in der
Außenwelt weit glück‐
licher gestalten kann, wird keiner leugnen
wollen, der einmal erkannte, daß das ganze
Leben dieser Außenwelt nur
unsichtbarer
Kräftewirkung Zeugnis ist. ‒ ‒
.Von
Innen her muß alles keimen, was
im irdisch-äußerlichen Dasein wirkliche Be‐
glückung bringen soll. ‒
.Im Äußeren ist nur das Reich der
Wirkung jener Kräfte, die allein
in tief‐
ster Seele ankern.
.Wer hier im
Äußeren zu bessern sucht,
der wird nur
Schein-
Erfolge ernten, wird
nur
dem Augenblick Beglückung schenken,
und was er wirkte, muß gar bald in sich
zusammenfallen, da die
Wurzelkräfte feh‐
len, die es in der Außenwelt
erhalten
könnten. ‒ ‒
.Möchte doch dieses „Buch vom Men‐
schen” vielen die Augen öffnen, die, erfüllt
vom besten Streben, heute noch dabei sind,
ihre Kräfte zu vergeuden, weil sie in der
Außenwelt das „Glück der Menschheit” zu
erreichen hoffen!
.Möchten doch jene, die heute von früh
bis spät nach Rettung und Hilfe
Aus‐
Schau halten, endlich zur
Ein-
Sicht kom‐
men!
.Nur wenn die
Innen-
Schau das Spähen
nach außen
ablöst, kann auch im
Äußeren
der Menschheit Dasein
menschenwürdig
werden. ‒ ‒ ‒
.Dann erst kann mancher „Zukunfts‐
traum”
erfüllbar sich gestalten, der durch
die Mittel, die man bis zu diesen Tagen
anzuwenden liebt, nur in Gefahr kommt,
sich in Dunst und Nebel
aufzulösen. ‒ ‒
.Die „
alte Menschheit” hat es gut ver‐
standen, die
Außenwelt in ihren
Dienst
zu zwingen, doch da sie nur von
außen
„zwingen” kann, droht sie den Kräften zu
erliegen, die sie selbst zu ihrem Dienst ent‐
fesselt hat. ‒
.Die „
neue Menschheit” wird
nicht mehr
von außen zwingen wollen, was sie weit
ersprießlicher von
innen her zu lenken
lernen wird. ‒ ‒
.In jedem Einzelnen der „neuen Mensch‐
heit” werden sich
Kräfte offenbaren, die
alles in den Schatten stellen, was der Mensch
der „
alten Menschheit” stolz als „geistige
Errungenschaft” bewunderte, ‒ in seinem
Innern nicht bewußt, daß alles
Denken nie
den „
Geist” erfassen kann, der,
wirkend
wie die Kraft des Blitzes, alle Welt er‐
füllt, und der dem Menschen
nie durch
Denken,
nie durch äußere Mechanik dienst‐
bar wird, des Spottes spottend, den der
„Geist” so mancher „Denker” seiner
Wirk‐
lichkeit entgegensetzt. ‒ ‒ ‒
.Zu weit von jeder Illusion entfernt,
weiß ich gewiß, daß der
wirkliche Geist
weder heute noch morgen allerorten sich
offenbaren kann, denn systematisch hat die
alte Menschheit alle Schächte zugeschüttet,
durch die der Mensch der Gegenwart in sich
die Tiefe finden könnte, in der die Quellen
alles Werdens rauschen.
.Doch einmal
werden diese Quellen sich
erneut erschließen, und die alsdann aus
ihnen schöpfen
können, werden gar man‐
ches durch des wirklichen Geistes Kraft ver‐
mögen, was heute mit aller Denkkraft der
Gehirne nur
vergeblich erstrebt wird.
.Auch
dann jedoch wird diese Erde nicht
zum „Himmel” werden, und unbezwungene
Kräfte werden stets die
Mehrzahl der Men‐
schen in Banden halten. ‒ ‒
.Die „
neue Menschheit” wird ein Reich
der
Erwählten und
Berufenen sein, und
Einzelne sind bereits
heute schon dabei,
dieses Reich in sich zu gründen.
.Es ist immerhin
möglich, daß
diese
Generation seine ersten Spuren erleben mag,
‒ doch
sicher werden
die Kinder unse‐
rer Kinder einst von seinen Kräften
wis‐
sen, wie
wir heute
jene Kräfte kennen,
die der Mensch der
alten Menschheit der
Natur entrissen glaubte, weil er sie mit
List,
von außen her, in seinen Dienst zu
stellen wußte.
.Die heiligen Bücher alter Tage künden
jedoch mit Recht ein Reich der „Kinder
des
Lichtes” und ein Reich der „Kinder
dieser Welt” der unausgleichbaren äußeren
Kräfte, und Einer, der es wahrlich wissen
konnte, sagte: „Die Kinder dieser Welt sind
in ihrer Art
klüger, als die Kinder des
Lichtes!” ‒ ‒
.Es wäre zu wünschen, daß auch die
„Kinder des
Lichtes” in
ihrer Art „
klü‐
ger” würden und den Bann zu
brechen
wüßten, in dem sie durch die „Kinder
dieser Welt” gefesselt sind!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Wir haben nun den
Menschen ge‐
sehen auf allen seinen Wegen.
.Wir sahen ihn an seinem
Ursprung,
da er noch in
Gottheit lebte, und sahen
seinen „Fall” aus hohem Leuchten.
.Wir sahen, wie er sich dem
Tiere einte
und in selbstgeschaffenem Exil sich müht,
das Glück des Ursprungs wieder zu erreichen.
.Auf Wegen des
Irrtums und auf dem
Wege zur
Wahrheit haben wir ihn be‐
gleitet, und so erkannt, daß diese Erde nicht
des Menschen Heimat werden
kann, und
daß es Wahrheit war, wenn einst ein Wis‐
sender zu sagen wußte: ‒ ‒
.„
Alle Kreatur wartet der Erlösung
durch die Kinder Gottes!” ‒
.Du selbst, zu dem ich hier rede, ‒
du selbst bist ein
Mensch, und kannst zu
einem „Erlöser aller Kreatur”, zu einem
„Kinde
Gottes”, einem der „Kinder des
Lichtes” werden. ‒ ‒
.Du kannst auch freilich, wenn es dir
genügt, als ein „Kind
dieser Welt”, ein
Gebannter der Außendinge, deine karge
Freude finden.
.Es liegt alle Entscheidung darüber einzig
und allein nur bei
dir, und nichts kann
deinem Willen sich entgegenstellen, wenn
du dich selbst einmal
entschieden hast. ‒
.Aber eben diese
Entscheidung fällt dir
vielleicht so bitter schwer.
.Du möchtest nach dem höchsten Ziele
streben, doch du
willst noch nicht...
.Wenn du erst
wollen könntest, würde
die Seligkeit des Wollenden dich mit einem
Jubelruf aus allen Bedenken reißen. ‒ ‒ ‒
.Gar sehr haben jene sich an dir ver‐
sündigt, die dir den Weg zum
Lichte als
einen Weg der steten
Entsagung und des
Verzichtes beschrieben haben, und so
deinen Willen, schreckgelähmt, an die Erde
bannten. ‒
.Du siehst aus meinen Worten, daß man
dich falsch beraten hat, und daß dein Weg
zum Lichte niemals dich zu hindern braucht,
die Blumen und köstlichen Früchte an den
Wegesrändern dir zu pflücken.
.Du wirst sogar das Leben dieser Erde
dann erst richtig
lieben lernen, wenn du
dich
auf deinem Weg zum Lichte weißt.
‒ ‒ ‒
.Dein Weg zum Lichte ist dein Weg zu
dir selbst, und ‒ zu deinem
Gott, der
sich in dir
verhüllt.
.Es ist der „
lebendige” Gott, von dem ich
spreche, und nicht ein „Gott” etwelcher
Götzendiener. ‒
.Gar leicht läßt
der „
lebendige Gott”
sich finden, wenn du mutig ihm
vertraust,
noch ehe du ihn kennst, doch wird er
immer ferner dir
entschwinden, je ängst‐
licher du erst „
Beweise” forderst, ob er
denn auch wirklich
sei, und ob die Kraft
in dir sich finden lasse, ihm zu nahen...
.Je weiter du dich so von ihm entfernst,
desto mehr wird er dir entgleiten, so daß
du zu einer Beute jener Außenwelt werden
wirst, der du
gebieten könntest, wärest
du
bewußt vereint mit deinem Gott. ‒ ‒
.Es ist nur ein
Bewußtseinsakt, der
dir den Schlüssel gibt, mit dem du alle
Pforten, die zu geheimster Weisheit führen,
öffnen kannst...
.Du lebst, selbst
hier in diesem Außen‐
leben,
nur in
dem Bereich, den dir dein
Wissen um dich selbst
entschleiert, ‒
und viele, die
am gleichen Orte leben,
sind dennoch
recht verschiedenartig ihrer
bewußt,
in den verschiedensten Erlebnis‐
welten, die das Reich der
Außenwelt in
sich beschließt. ‒ ‒
.Du hast dich aber an das Dasein dieser
Außendinge so
verhaftet, daß es dir
schon ein „Wunder” scheinen mag, wenn
du von einem Menschen hörst, der eine
Überwelt
bewußt betreten kann, die du
kaum
ahnst, weil dein Bewußtsein nur in
Rhythmen schwingt, die
sehr verschieden
sind, von
jenen Schwingungswellen, die das
Reich der Überwelt dem anderen offen‐
baren...
.Das Äußere ist dir die wahre „Wirk‐
lichkeit”, und nur
mißtrauend wendest
du dich an
dein Innenleben, in dem du
„Ein-Bildung” und Phantasie
allein am
Werke glaubst.
.Auch
hier gilt, was ich vordem sagte:
‒ ‒
.Du kannst die „Wirklichkeit” im Innern
niemals finden, wenn du nicht mutvoll ihr
vertraust, bevor du sie noch
kennst...
.Du wirst dich
immer weiter von der
Wirklichkeit
entfernen, je mehr du ängst‐
lich dich vor „Täuschung” fürchtest, und
erst „
Beweise” haben willst, wo der „Be‐
weis” dir nur als
Krone deines muter‐
füllten Strebens winkt. ‒
.Du tust sehr wohl daran, und dein Be‐
wußtsein hat dich gut geleitet, wenn du in
dieser
Außenwelt stets erst „Beweise” ha‐
ben willst, bevor du ihr vertraust, denn
diese Welt der Außendinge ist wahrhaftig
eine Welt der Täuschung, und selbst die
„
Beweise”, die sie dir gewähren kann,
sind
selten von Täuschung
frei. ‒
.Du bist so sehr gewohnt daran, in einer
Welt der steten Täuschung dich zu
sichern,
ehe du handeln willst, daß du auch in der
Welt der „Wirklichkeit” den gleichen Arg‐
wohn nötig glaubst. ‒
.In
deiner „
Wahrheit” die dir durch
„Beweise”
unantastbar wurde, ist so viel
plumpe oder feine
Täuschung, daß du je‐
des Maß verloren hast, ‒ und wenn du
wirklich einmal auf die Spur der
wahren
Wirklichkeit gelenkt, die
absolute Wahr‐
heit findest, dann scheuchst du ängstlich sie
von dir, weil du dich nur in eitlem Täuschungs‐
wahn befangen glaubst, und längst schon
deiner „Wahrheit” Sklave bist. ‒ ‒ ‒
.Du wirst erst völlig neue Wege gehen
lernen müssen, bevor du einst zur Wahrheit,
wie sie wirklich
ist, gelangen kannst!
.Hier wäre wahrlich eine neue Wertung
aller Werte
sehr vonnöten!
.Der „Denker”, die sich ihre „Wahrheit”
neu
erdenken, wird kein Ende sein, und
gibst du mit
erdachter „Wahrheit” dich
zufrieden, so wirst du leichthin
jede For‐
mung finden können, die deinen
Vor-
Ur‐
teilen und deinem
Außensinn behagt.
.Doch, willst du
zu der Wahrheit sel‐
ber kommen, so wie sie
ist, und strahlend
wirkt in ewig neuer
Wirklichkeit, dann
wirst du
in dir selber suchen müssen, und
nur in deinem tiefsten
Innern wird die
Wahrheit sich dereinst
entschleiert zeigen.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Dann wirst du klar erkennen, was dieses
Buch dir sagen will.
.In seiner
neuen Formung, wie du hier
sie in den Händen hältst, suchte ich noch
manches
klarer zu gestalten damit kein
Zweifel mehr aufkommen könne, wie du
meine Worte deuten sollst, auf daß sie dir
zum Segen werden.
.Doch auch die klarste Form der Rede
wird dir wenig nützen, wenn du nicht in
dir selber danach strebst,
dich selbst zu
lichter Klarheit zu erheben. ‒
.Bist
du selber klar in dir geworden,
dann wird dir wohl keines meiner Worte
fürder „dunkel” bleiben, denn was ich dir
zu künden komme, ist
in sich selber
„Licht”, und wer zum Lichte
will, der
wird hier
finden was er sucht. ‒
.Ich gebe gerne zu, daß ich gar oft in
diesem Buche Dingen
die sich schwer er‐
klären lassen, Worte schaffen muß, und
daß solche Worte dann nur
williger Ein‐
fühlung sich erschließen.
.Aber wenn dir einer von einem Lande
Kunde bringt, in dem
Gold zu ergraben
ist, so wirst du gewiß nicht daran Anstoß
nehmen, daß er nur schwer den Weg dahin,
den du nicht kennst, beschreiben kann...
.Nun denn: ‒ auch ich beschreibe dir
hier einen Weg der dich zu einem „Gold‐
lande” bringen soll!
.Es ist der Mühe wert, meine Worte recht
deuten zu lernen...
.Und mangelt dir nicht der Mut, den
Weg den ich dir weise,
freudig zu be‐
schreiten, so wirst du wahrlich ‒
in dir
selbst das reichste Goldland finden,
das kein anderer dir jemals streitig machen
kann. ‒ ‒ ‒
Die sich helfen wollen,
Müssen gleichen Stammes sein! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Die Brüder im Lichte,
Die dich beraten,
Sind
Menschen wie du!
Nicht: fühllose Wesen, ‒
Durch nichts erregbar, ‒
Dem Leben erstorben! ‒ ‒
Was Menschen
ersehnen,
Ist ihnen
heilig; ‒
Doch sehn ihre Augen
Die
letzten Ziele...
Alles Begehren
In
Sünde und
Irren
Ist uns entschleiert,
Als pfadloses Suchen ‒
Nach ewiger Schönheit...
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Darum bereiten wir
Gangbare Pfade.
Darum führen wir
Den Weg zum Lichte, ‒ ‒
Die irrenden Brüder
Verstehend
In Liebe. ‒ ‒ ‒ ‒
ENDE
DAS MYSTERIUM
VON GOLGATHA
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
BÔ YIN RÂ
Joseph Anton Schneiderfranken
4. Auflage
Unveränderter Nachdruck der 1953 in der Kober'schen
Verlagsbuchhandlung erschienenen dritten Auflage.
Erstausgabe Verlag Magische Blätter, Leipzig 1922
Erweiterte Ausgabe Richard Hummel Verlag, Leipzig 1930
© 1973, Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung in
fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk
und Fernsehen
Druck: Baumann AG. Menziken
DER MUTTER MEINER KINDER!
So, wie mein Buch „Mehr Licht!” aus ge‐
sonderten Abhandlungen entstand, so ist
auch dieses Buch eine Sammlung in sich bis
zu gewissem Grade abgeschlossener Kapitel.
Dennoch möchte ich das, was ich
hier nun
verbinde, nur im
Zusammenhang be‐
trachtet wissen, und wenn ich dem ganzen
Buche
den Titel seiner ersten Ab‐
handlung gebe, so geschieht dies deshalb,
weil alles andere im Grunde
mit zu die‐
ser Abhandlung gehört.
.Ich vertraue meinen Lesern, daß sie in sol‐
chem Sinne zu lesen wissen und glaube, daß
es wahrlich keines besonderen Hinweises be‐
darf, um den roten Faden zu finden, der hier
alle Einzelkapitel zu einem sich selbst erklä‐
renden Ganzen durchzieht.
Unter denen, die in heutigen Tagen einer
geistigen Erneuerung zustreben, sind unstrei‐
tig sehr viele zu finden, denen der hohe Mei‐
ster von Nazareth seit frühester Jugend als
göttlicher Lehrer galt, ‒ denen das „
My‐
sterium von Golgatha” Mittelpunkt
ihres Glaubens war...
.In manchen mag noch heute ein tiefer
Christusglaube
Leben zeugen, während an‐
dere längst in Seelennot und Zweifel das
ver‐
loren haben, was ihrer Kindheit
Licht
und
Gottesgewißheit gab. ‒ ‒
.Allen diesen aber glaube ich hier manche
Schleier lüften zu können, die vor ihren Augen
bisher verborgen hielten, was ihres Herzens
tiefster Sehnsucht allein die letzte Bestätigung
bringen kann. ‒
.Es gilt, die tiefe Wahrheit zu enthüllen, die
in dem Gottessohn von Nazareth ein
Leben
formte, das in fernste Zeiten noch des
Lich‐
tes reine Strahlen senden wird, so sehr auch
diese heutige Zeit gar manche Zweifel an der
Wahrheit dieses Lebens nährt.
Die mannigfachsten Bilder haben im Laufe
der Jahrhunderte das Bild des „großen Lie‐
benden”, des erhabenen Meisters der Evan‐
gelien, verdunkelt.
.Schon damals, als sein Fuß noch durch die
Gaue Palästinas wanderte, gab es nur Wenige,
die wahrhaft wußten,
wer er war, und
die, von denen uns die heiligen Bücher als
von seinen Jüngern reden, dürfen kaum zu
diesen Wenigen gerechnet werden.
.Was uns erhalten ist an Worten seiner Lehre,
trägt die Farben aller derer, die durch seine
Lehre
eigenes Wähnen stützen wollten....
.Weniges nur läßt sich auch heute noch als
ungetrübte Kunde seines Lebens werten.
.Und dennoch strahlen selbst die
Trüm‐
mer der Berichte noch von einem
Lichte
Kunde, das wahrlich „nicht von dieser Erde”
ist, doch eines „
Menschen-Sohnes” Wir‐
ken brauchte, um dem Menschen dieser Erde
sich zu geben.
Wahrheit und
Sage haben sich im
Laufe der Zeiten in dieses Lichtes
Leuch‐
ten gestellt.
.Urtiefe
Symbole suchten in ihm
Er‐
hellung.
.Altes und
Neues mußte es jeweils
beleuchten, aber nur äußerst selten ward es
in seiner
wahren Wesenheit erkannt.
.Des hohen Meisters göttliche Lehre wird
aber keinem, der die alten Berichte liest, die
tiefsten Tiefen erhellen, solange
der Mei‐
ster selbst noch hinter den Schleiern
der Berichte
verborgen bleibt. ‒
.Die sich seine Diener nannten, waren selbst
im Geiste viel zu weit von ihm entfernt, um
ihn zu
erkennen, und ihre Sorge war
es zumeist: ‒ an alter Kunde nicht zu rühren.
.So konnte es kommen, daß eine neue, ihres
Verstandeswissens allzu sichere Zeit selbst des
Meisters
Dasein in Frage zog.
Aber der, von dem das Wort berichtet
wird: „
Ich will bei euch bleiben
bis ans Ende der Welt” ‒ war
an‐
deren Maßes als seine
Diener und
anderen Maßes als seine
Leugner.
.Wohl dir,
wenn du beim Lesen
dieses Buches seine hohen,
rei‐
nen Züge erkennst!
.Auch wenn du dich
nicht nach seiner
Lehre nennst, oder vielmehr nach der Lehre,
die man in seinem Namen schuf, ‒ so wirst
du ihm dennoch fürder angehören, wenn du
erkanntest, wer er wirklich
war ‒ und
ist....
.Dann wirst du mit
anderen Augen die
Berichte lesen, die von ihm erzählen, und alle
Zweifelsgründe werden dir benommen sein. ‒
.Bist du ein Gläubiger der alten Lehren,
die auf
seiner Lehre
ihre Dome erbauten,
dann wird dir, ‒ wenn du recht zu lesen
weißt, ‒ sein Licht das Dunkel ihrer Hallen
hellen, und manche Lehre, die dir schwere
Last auf deinen Schultern war, an die du
nur aus Furcht vor Frevel nicht zu rühren
wagtest, wird dir zu lieber Bürde werden, zu
einem Kleinod, das du niemals missen möch‐
test. ‒
Woher mir mein Wissen ward, das ich dir
hier gebe, wirst du in diesem Buche erfahren, ‒
und wahrlich wird dir hier ein Wissen werden,
das in
Wahrheit gründet und jeder Täu‐
schung entrückt ist!
.Ich will dich deinem Glauben nicht ent‐
fremden und ehre wahrlich die frommen Ge‐
fäße der Altäre; ‒ doch will ich deinem Glau‐
ben
Inhalt geben, und unerschöpfliche
Brunnen will ich erneut zum Fließen bringen. ‒
.So nimm denn dieses Buch und lasse seine
Worte dir zum Segen werden!
.Wenn du manches findest, was dir zuerst
noch
fremd erscheint, so sei nicht vor‐
schnell zu einer Entscheidung bereit!
.Du wirst
öfters lesen müssen, bis die
verschütteten Schächte deines Empfindens
frei werden können, ‒ damit die
leben‐
digen Wasser der Urgrundtiefen deines
Seins empor ans Licht gelangen mögen!
.Bedenke, daß viele Jahrhunderte ihre „Scher‐
ben” in deine Brunnen warfen, und daß nur
du selbst allein diesen Schutt entfernen
kannst. ‒
„Toren glauben sich groß, wenn sie
andere
übersteigen können, der Weise aber macht
sich klein, damit er
sich selbst übersteige.”
Zu den Zeiten des
Kung fu tse lebte
im Reiche der Mitte ein wundersamer
Weiser, den sie
Lao tse nannten.
.Kung fu tse, der große Lehrer der
Gesetze des glücklichen Lebens, hörte von ihm
und machte sich auf, ihn zu besuchen. Von
diesem Besuch zurückgekehrt, ging
Kung
fu tse drei Tage lang schweigend umher,
so daß seine Schüler sich sehr verwunderten.
.Tseu Kong aber machte sein Herz weit
und frug den Lehrer, weshalb er unausgesetzt
schweige?
.Darauf antwortete
Kung fu tse und
sprach:
.„Wenn ich bemerke, daß ein Mensch sich
seiner Gedanken bedient, um mir wie der
Vogel im Fluge zu entwischen, so bediene
ich mich meiner Gedanken, wie man sich
eines Pfeiles bedient, den man vom Bogen
schnellt.
.Unweigerlich treffe ich einen solchen Men‐
schen und werde seiner Meister. ‒
.Will er mir aber entwischen, wie ein hur‐
tiger
Hirsch, so verfolge ich ihn wie ein
geschickter Jagdhund, hole ihn sicher ein und
werfe ihn nieder. ‒
.Will er mir entwischen wie ein
Fisch,
der sich in die Tiefe gleiten läßt, so werfe ich
meine Angel aus, fange ihn und bringe ihn
in meine Gewalt. ‒
.Ein Drache aber,
der in die
Wolken steigt und in der Luft
schwebt, ‒ den kann ich
nicht ver‐
folgen!
.Ich habe
Lao tse gesehen und er ist
wie der
Drache!
.Als er sprach, blieb mein Mund offen und
ich vermochte ihn nicht wieder zu schließen. ‒
.Meine Zunge hing mir vor Erstaunen aus
dem Munde und ich konnte sie nicht zurück‐
ziehen. ‒
.Meine Seele aber wurde aufgeregt und ist
noch nicht wieder ruhig geworden!”
Diese wenigen, in den chinesischen Schrif‐
ten erhaltenen Worte sprechen deutlich genug
von dem ungeheuren Eindruck, den die gei‐
stige Weisheit
Lao tse auf
Kung fu
tse machte, der wahrlich auch, auf seine
Art, ein Weiser war, aber den Bereich des
Intellekts allein beherrschte, während
jener hoch
über allem intellektuellen Wis‐
sen seine geistige Heimat fand. ‒
.Es wird berichtet,
Lao tse sei in hohem
Alter, gegen das Ende seines Lebens, aus
seinem Lande gegangen, ‒ nach Westen zu,
‒ dorthin, von wo er einst seine Lehre er‐
halten habe...
.Im „
Tao te king”, das ihm zugeschrie‐
ben wird, darf man den wesentlichen Nieder‐
schlag seiner Lehre suchen.
.Man hat mit gewissem Recht darauf hin‐
gewiesen, wie nahe diese Lehre den Lehren
der
Pythagoräer und der Philosophie
Platos steht, ja man wollte es wahrschein‐
lich machen, daß
Lao tse aus alter
ägyptischer Mysterienweisheit geschöpft
habe, und konstruierte einst so die wunder‐
lichsten Zusammenhänge.
.Ein Körnchen Wahrheit liegt, wie fast immer
in ähnlichen Fällen, allen diesen Mutmaßungen
zugrunde, denn
Lao tse, der von dem
größten weltlichen Weisen seiner Zeit Be‐
staunte, war einer der wenigen wirkenden Mei‐
ster jener geistigen Gemeinschaft, die man
symbolisch: die „
Weiße Loge” nennt,
der alle alten
Mysterienkulte, der
auch
Pythagoras und
Plato ihr
Bestes dankten. ‒
Während aber diese geistige Gemeinschaft
als solche durch alle Jahrtausende hin stets
nur in
geistiger Weise
aus völliger
Verborgenheit heraus wirkte, fan‐
den sich doch zu Zeiten, wenngleich
äußerst
selten, einzelne ihrer Glieder, die „in der
Welt” lebten, bereit und willens,
auch
durch das gesprochene und
ge‐
schriebene Wort höchste geistige
Lehre zu erteilen, und einer dieser Sel‐
tenen war eben dieser
Lao tse.
.Nicht umsonst betont er, daß der Weise sich
in seiner Lehre
nach Zeit und Um‐
ständen richten müsse, denn es war ihm
wohl bewußt, daß seine Lehre in seinem Volke
und zu seiner Zeit nur verstanden werden
könne in einer Ausprägung, die wenigstens bei
den damals geistig Eingestellten Geltung zu
finden hoffen durfte.
.Nach
Zeit und Umständen mußte
sich noch
jeder der ganz wenigen richten,
der als ein in der Welt lebendes Glied der
„Weißen Loge” Lehre in Worte zu fassen
versuchte, und auch jener „
große Lie‐
bende”, der diese Lehre „
die frohe
Botschaft” nannte, war nicht weniger
seiner Sendung als der Pflicht bewußt,
Zeit
und Umstände zu beachten, und die
Anknüpfung für das Leitseil der Lehre
dort
zu suchen, wo
sicherer Halt dafür zu finden
war. Doch,
sicherer Halt ist immer zu‐
gleich: ‒
Widerstand...
.Man wird Leben, Tat und Lehre dieses in
seiner Liebe Erhabensten unter denen, die sich
die „
Leuchtenden des Urlichtes”,
die „
Worte des Wortes” nennen, erst
dann in ganzer Größe begreifen, wenn man
erfaßt hat, daß auch er
Zeit und Um‐
stände weise nützen mußte, und daß er ‒
vielleicht mehr als andere vor und nach ihm ‒
Halt am
Widerstand zu finden suchte. ‒
Es sei mir ferne, frommen Glauben hier zu
stören, dem der Meister der Evangelien zum
einzigen „Sohne Gottes” ward! ‒
.Wer dieses Glaubens ist und darin Heil zu
finden hofft, der darf gewiß sein, daß seine
Hoffnung ihn nicht trügt,
wenn er des
Meisters Lehre in sich
Leben schaffen läßt,
und daß der Segen, der ihm werden kann,
niemals gebunden ist an seine
Meinung
hinsichtlich der Dinge, die das Erscheinen
seines Meisters einst verursacht haben.
.Fühlt er sich
stark in seinem Glauben,
dann lese er getrost, was hier gegeben werden
soll und lehne alles ab, was seines Glaubens
Wurzeln nicht vertragen können!
.Je
stärker sein Glaube in Wahrheit ist,
desto sicherer wird er aus diesen Eröffnungen
neue Kräfte ziehen, denn: „
Wer da hat,
dem wird
gegeben werden, auf daß er
in Fülle habe”; ‒ fühlt er sich aber
schwach und
schwankend, und ist
ihm sein Glaube nur eine schwache Tröstung,
die dieses Glaubens oft selber zweifelnde Leh‐
rer, zur Pflicht der Belehrung verdammt, zu
geben haben, dann lese er lieber nicht weiter,
denn es steht auch geschrieben, daß: ‒ „dem,
der da
nicht hat, auch
das noch genom‐
men wird, was er zu haben
vermeint”. ‒
.Wer aber die Lebenslehre des in heiliger
Liebe glühenden
Rabbi Jehoschuah
von Nazareth als eine fromme
Sage be‐
trachten möchte, oder gar Zweifel hegt, ob
dieser Gottgeeinte jemals lebte, dem soll hier
einiges von dem gesagt werden, was jene von
ihm wissen, deren „Bruder” und Beauftragter
er war, ‒ er, von dem man berichtet, daß
er „anders” lehrte als die Lehrer seiner Zeit, ‒
daß er sprach, „wie einer, der da Macht hat”
‒ weil er eben als das, was er war, gar nicht
anders sprechen
konnte, wollte er nicht
vor sich selbst unwahr werden. ‒ ‒
.So viel die Berichte über sein Leben und
seine Lehre auch an mystischer Zutat auf‐
nehmen mußten, so bleibt doch hier immer
noch mehr des real Gegebenen zu betrachten,
als rationalistische Kritik, von tieferem Zu‐
sammenhang nichts ahnend, rein äußerlich
genommen, bestehen lassen kann. ‒
Leben und Lehre dieses Mannes, der seit
fast zwei Jahrtausenden den Völkern des
Westens zum „Gotte” ward, wird niemals
nur durch philologische Quellenforschung zu
ergründen sein, und das Gebäude, das als
„Christentum” sich auf dem Grunde dieses
Lebens und dieser Lehre erhob, ist, trotz
mancher abstruser Form, durchaus nicht so
leer an deutbaren Symbolen höchster Erkennt‐
nis, wie manche seiner Verächter gutgläubig
anzunehmen scheinen. ‒
.Freilich darf man die Reinigung, die der
ehrliche, kraftvolle Augustinermönch von Wit‐
tenberg auf seine Weise in heiliger Einfalt er‐
strebte, nicht nun für alle Zeit als gelungenes
Werk betrachten, darf nicht seinem bäuerlich‐
naiven Gottes- und Teufelsglauben jene gei‐
stige Einsicht verehrungsblind zugestehen, die
nötig gewesen wäre, um hier eine
wirk‐
liche „Reformation” unter sorgsamstem
Schutze ihm unzugänglicher, tiefster Sym‐
bole, durchzuführen. ‒
.Noch ist die Tat, die er getan zu haben
glaubte, einst zu tun, und
anders zu
tun, als
er, bei aller Kraft seines großen
Wollens, sie zu tun
vermochte...
.Er aber mußte
den Boden schaffen,
auf dem einst
jener sicheren Stand finden
wird, der diese Tat aus tiefstem Erkennen
heraus vollbringen kann.
.Dann erst werden die urtiefen Mysterien
des Christentums, aus verschütteten Schäch‐
ten gehoben, aller Menschheit einleuchten,
und ihr Licht wird jenes Dunkel endlich
hellen, das für so viele den Weg ungangbar
macht, den einst der Meister von Nazareth
in sich selbst, für alle, die ihm folgen wollten,
bahnte.
.Dann erst wird man verstehen, weshalb
dieser weise
Liebende berechtigt war,
den Seinen zu sagen:
.„
Ohne mich könnt ihr nichts
tun!”
.Weshalb er sich selbst den „
Rebstock”
und die Seinen die „
Reben” nannte, ‒
weshalb er verlangte, daß jeder, der „
das
Leben” in sich haben wolle,
das in sich
aufnehmen müsse, was
in ihm selbst,
dem Meister, „
Fleisch und Blut” ge‐
worden war. ‒
Wahrlich, hier ist
urgründige Weis‐
heit, aber sie kann nur gefunden werden,
wenn man weiß,
wer dieser „Sohn des
Menschen” war und woher er kam. Wer
es ganz erfaßt, der mag zuletzt mit Staunen
sehen, daß das „
Dogma” durch die
Wahr‐
heit keineswegs entwurzelt wird!
.Die es seit Jahrhunderten schützen zu müs‐
sen meinen, ahnen nicht, daß seine Wur‐
zeln
viel tiefer reichen,
als ihr
Glaube vordringt, und daß unter
dem Flugsand theologischer Spekulation, den
sie wieder und wieder durchsieben, säftequel‐
lendes, ewiges Erdreich zu finden ist, das sie
nur deshalb nicht entdecken, weil sie in un‐
nützem Spiel nicht müde werden, magische
Figuren in den Sand der Oberfläche zu zeich‐
nen, wähnend, daß aus dieser Zeichen Zauber‐
kraft allein das Heil erblühe, das der Meister
allen, die in ihm sich einen wollen, einst ver‐
heißen hat.
Den einzigen „eingeborenen Sohn des Va‐
ters” sieht der gläubige Christ in dem Mei‐
ster, nach dem er sich nennt, aber der Meister
selbst, „voll der Gnade und Wahrheit”, be‐
kennt, daß in seines Vaters Hause „
viele
Wohnungen” sind, daß es
ihm nicht zu‐
stehe, zu bestimmen, wer zu seiner Rechten
und seiner Linken säße in seines Vaters Reich,
und daß „der Vater
größer” ist als er. ‒
.„Wenn ich auch
von mir selbst Zeug‐
nis gebe, so ist
doch mein Zeugnis wahr,
weil ich
weiß, woher ich gekommen bin und
wohin ich gehe; ihr aber wisset
nicht, wo‐
her ich komme oder wohin ich gehe.” ‒
.So wird auch bis auf den heutigen Tag kein
Sinnen und Glauben ihn rein in seiner ur‐
eigensten Wesenheit erfassen, es sei denn, der
also Sinnende und Glaubende
wisse, „wo‐
her” der Meister kam und „wohin” er ging, ‒
wisse, daß hier einer der „
Leuchtenden
des Urlichtes” vor ihm steht, von sei‐
nen „Brüdern” bis auf diese Stunde als der
größte „
Liebende” unter ihnen voll
Bewunderung verehrt, ausgegangen aus ihrem
Kreise und zurückgekehrt zu ihm, um in un‐
sichtbarer Gestaltung die geistige Aura der
Erde nicht eher zu verlassen, als bis der
letzte der Menschengeister, die hier im Tiere
leben, einging zum Licht. ‒
Was immer einer dieser „Leuchtenden des
Urlichtes”
von sich selbst sagen mag,
um „Zeugnis von sich selbst” zu geben,
das sagt er
als Repräsentant der
ewigen,
geistigen Viel-
Einheit,
in der er steht. Es gilt gleichzeitig,
von
ihm selbst,
wie von allen, die
mit ihm
ver-eint die Gemeinschaft der
„Leuchtenden des Urlichts” bilden. ‒
.Ohne das Sein dieser kosmisch-geistigen
Ver-Einung wäre der geistige „Mensch”,
der durch den „Fall”, durch eigenen Impuls
in eine andere „Dimension” sich verirrte,
längst völlig im Erdenmenschtiere der Um‐
nachtung verfallen, dem ewigen und einzig
wirklichen „Tode”, ‒ der Auflösung seiner
geistigen Individualempfindung, der Rückkehr
in das ungeformte „Chaos”, die Seins-Nacht
des Urgrundes, dem er einst, formgeworden,
entstieg, in diesem ewig sich selbst zur Form
zeugenden Urgrunde „gezeugt”, nicht „er‐
schaffen”! ‒ ‒ ‒
Ewige Liebe, glühend gleich einem unfaß‐
baren Lichtfeuerquell inmitten des urgrün‐
digen „Chaos”, ‒ ewiges „
Urlicht”, ‒
spricht sich selbst zum „
Ur-
Wort” aus,
in unendlichfältigem „
Echo” gleichsam
sich selbst vernehmend in un‐
endlichfältiger Selbstdarstel‐
lung. ‒
.So „ergeht das 'Wort' des Herrn in alle
Lande”, und in
jedem dieser „Worte” wird
es sich selbst zu anbetender „
Ant-
wort”,
in
jedem ist es die glühende „Sonne”, die
aus sich ihr „Planetensystem” erzeugt, ‒ die
individualisierte „Gottheit” des individuellen
Geistes, den sie aus sich heraus fortzeugend
gebärt...
.Aus diesem „
Herzen Gottes”, dem
Lichtfeuerzentrum alles Seins, dem Quell‐
grund im ungeformten „Chaos”, den kein
menschliches Wort erfaßt, es sei denn, man
nenne ihn: „
die Liebe,
die aus sich
selbst ist”, ‒ ‒ stammt der „Heils‐
plan”,
in der Liebe gegründet
von Ewigkeit her, der die Viel-Einheit
der „Leuchtenden” gestaltet, damit sie rette,
was verloren scheint, in selige Seinsgewißheit
wiederbringe, was sich selbst zerstreute und
so das Empfinden seiner Eigenform verlor. ‒
Gezwungen, in zeitlichen
Bildern zu
reden, weiß ich wohl, daß mancher, stolz
und gewiß, seines begrifflichen Erkennens
froh, solches Geschehen in dem, was „ewig”
ist, als „absurd” erklären wird, allein das
wirkliche „Ewige” ist ein anderes als
der
Begriff, den sich
intellektuel‐
les Vorstellen schuf, und
keine Weis‐
heit des
Verstandes wird je
den Be‐
griff zu bilden vermögen, der sich hier mit
der
Wirklichkeit deckt...
.In
tiefstem Fühlen nur läßt sich für
jene, die „guten Willens sind”,
ein we‐
niges von dem erahnen, was das Ewige
in
Wirklichkeit ist, und alles speku‐
lative Erdenkenwollen
muß an
dieser
Wirklichkeit zerschellen. ‒
.Von allen, die auf Erden leben, kann stets
nur einer, der „
zurückgefunden” hat,
dorthin, von wo er einst als Geistform
ausgegangen war, von dieser „Wirklich‐
keit” wahrhaftes Zeugnis geben.
.„
Keiner kommt zum Vater,
außer durch mich!” ‒ ‒
.Der dieses Wort einst prägte, gehört zu den
wenigen, die das Wirkliche „
von Ange‐
sicht zu Angesicht” erfahren hatten,
längst ehe sie auf dieser Erde eines Menschen‐
tieres Körperhülle fanden, aus der sie leib‐
haft lehren können, was „der Vater” sie zu
künden heißt.
Jeder der „Leuchtenden des Urlichtes”,
aber auch
nur, wer zu ihnen
aus Kraft
und Sendung des „
Urlichtes” zählt,
darf das
gleiche Wort aus innerster
Geist‐
wesensgleichheit von sich aus
mit gleicher Bedeutung gebrau‐
chen, wie es von dem Meister der Evan‐
gelien berichtet wird, und dennoch ehren in
ihm alle seine Brüder
den, der alle, die
bisher als Menschen über diese Erde schrit‐
ten, übertrifft an
Liebeskraft. ‒
.So sehr auch
jeder einzelne, der je zu
der Gemeinschaft zählte, aus der Liebe lebt,
so war doch keiner noch, der
so sein
ganzes Sein in Liebe überformt
der Welt zu lebendiger Hilfe
dargeboten hätte, wie dieser, den sie
selbst „
den großen Liebenden”
nennen.
.Was er der Menschheit gab, ist nur von
Seltenen erahnt worden. ‒
.So sehr übersteigt seine Tat alle mensch‐
liche Fassungskraft, daß jene Ersten, die die‐
ser Tat
Größe ahnten, ihn vor sich selbst
zum
Gotte machen mußten, um sich von
solcher Größe des
Menschen nicht
er‐
drückt zu fühlen! ‒ ‒ ‒
.Doch sein Erlösungswerk braucht keine
Mythe, die von einem rachelüsternen Stammes‐
gotte zu erzählen weiß, der seinen „Sohn”
als Mensch der Menschheit schickt, damit sein
eigener Rachedurst durch ihre Grausamkeit
befriedigt werde.
.Was dieser „große Liebende” der Mensch‐
heit als ein Erbteil aus dem Reiche des Gei‐
stes darbot, war auch wahrlich anderes als
jene „stellvertretende Genugtuung”, die sich
bequemes Heilsbedürfnis ausersann, um selbst
zu keiner eigenen Tat mehr Pflicht in sich
zu fühlen. ‒
.Am Kreuze von Golgatha wurde
wirk‐
lich die Welt von einer Bindung „
er‐
löst”, wenn auch in durchaus anderer Weise,
als die Ahnenden es zu fassen versuchten! ‒ ‒
Als der Meister von Nazareth den von ihm
in seinen höchsten Stunden stets
gesuch‐
ten Tod endlich am römischen Kreuzes‐
galgen
erlitt, vollbrachte er
ganz un‐
vergleichbar Größeres, als was so man‐
cher vor und nach ihm tat, der das Leben
dieser Erde seiner Überzeugung opferte. ‒
.Der einst auf Golgatha am Kreuze starb,
war an jener Stätte der einzige, der mit aller
Klarheit
wußte, was geschah, und nur er
allein war auch
imstande, durch die‐
sen Liebestod die Riegel aufzusprengen, die
das Tor zur Freiheit für den
Geistes‐
menschen schlossen, seit er, im Tiere
dieser Erde, dieses Tieres Trieb und Neigung
so erlegen war, daß die Er-lösung von des
Tieres Schicksal kaum mehr möglich schien. ‒
.Nur ein „
Wissender” konnte
er‐
kennen, daß es höchster Liebestat eines
Menschen
möglich sei, eine geistige Kraft
im Bereiche menschlicher Macht aufs neue
zu
erwecken, ‒
so zu erwecken, daß
sie allen
ergreifbar werde, um die sich
das Schlinggewächs tierhafter Lebensinstinkte
bedrohend festgerankt zeigte, ‒ daß nur einer,
der das Tier mit seinem Geistigen
zu einem
neuen Sein verschmolzen hatte, die Gasse
bahnen konnte, denen, die ihm folgen woll‐
ten. ‒
.Freilich: ‒ dieser „
Wissende” mußte
zugleich in unerhörtem Maße ein
Lieben‐
der sein, um die erschaute Tat
vollbrin‐
gen zu können, denn gar viele vor ihm hat‐
ten das gleiche Wissen und vermochten es
doch nicht, den Schauder vor der Tat zu be‐
zwingen, obwohl auch sie gewiß nicht ohne
Liebe waren. ‒ ‒
So wurde durch
Jesus von Naza‐
reth der Weg zum Geiste für alle erschlos‐
sen,
die in sich selbst zum Le‐
ben bringen wollen,
was sein
Leben war. ‒
.Der
Gott im Tiere hatte in ihm
das
Tier sich geeint in jenem
neuen
Sein, das er den „
Menschensohn” zu
nennen pflegte, der „Sohn”, den der
Geist‐
mensch im Tiere zeugt, wenn er das Tier,
durch das er gefesselt war, überwunden hat,
indem er ihm seine Kraft und Schönheit
offenbarte. ‒
.In
jedem der „Leuchtenden des Ur‐
lichts” begibt sich das
gleiche, aber
keiner fand in sich
das Übermaß
der Liebe, das ihn dazu geleitet hätte,
nun auch die Tat zu tun, durch die der Mei‐
ster von Nazareth
eine Kraft zu neuem
Leben weckte, um deren Erlangung sich von
alters her die Weisesten allein ihr Leben lang
mühten, ohne sie andern in gleicher Weise
nutzbar machen zu können. ‒
Nicht
der Tod als solcher führt
die Erneuerung jener Kraft in der geistigen
Aura der Erde herbei und nicht durch die
Marter, die dem Tode des Meisters voraus‐
ging, wurde sie bewirkt.
.Die Kraft der Liebe allein ver‐
mochte das Wunder zu vollbringen! ‒ ‒ ‒
.Daß er, der da Marter und Tod erlitt, der
Menschheit „vergeben” konnte,
vergeben
bis zum letzten Todesröcheln,
das allein war seine wirksame „Erlösungstat”,
denn nach geistigem Gesetz wurde hier der
Geistmensch, wo immer er auf der Erde lebt
und, durch das Tier bezwungen, in Schuld‐
verstrickung gelangt,
von seiner Ab‐
hängigkeit gelöst durch die Liebe, ‒
sofern er nur die Hand
ergreifen mag,
die sich ihm zur Hilfe bietet, sofern er
das,
was des Leuchtenden „
Fleisch und Blut”
geworden war,
in sich aufnehmen
wird,
um das Tier in sich dem
Geiste zu einen...
.Nur einer, dem „der Vater
alles über‐
geben” hatte, konnte
solche „Verge‐
bung” bringen, die alle Menschheit umfaßt!
.Tiefe Wahrheit birgt sich im Gewand der
Mythe, wenn alte Überlieferung den Meister
nach seinem Kreuztode „hinabsteigen” läßt
zu den Seelen der Gerechten der Vorzeit,
denn die
Folge seiner Tat ist an keine Zeit
geknüpft, wird fühlbar den längst Entrückten,
wie denen, die erst nach Jahrtausenden ge‐
boren werden. ‒
Als abgeschmackte Torheit mag denen, die
nur gelten lassen, was ihre tiergemeinsamen
Sinne betasten, vieles erscheinen, was hier zu
sagen ist.
.Sie können im wörtlichsten Sinne nicht
„
begreifen”, daß
eines einzigen
Menschen Tat die geistigen Möglichkei‐
ten
für alles,
was Mensch heißt,
zu verändern imstande war.
.Wer hier nicht folgen kann, oder mag, den
suche ich wahrlich nicht zu „bekehren”!
.Ich erinnere ihn nur daran, was die ge‐
samte Menschheit dieser Zeit gewissen Ein‐
zelnen auf
jenen Gebieten dankt, die allen
tiersinnlich wahrnehmbar sind! ‒
.Wie weit folgetragender aber der
Ein‐
zelne, der Berufung trägt, von
gei‐
stiger Seite her zu wirken vermag, ent‐
zieht sich freilich dem
äußeren Blick, und
nur der ist imstande, ein weniges davon zu
fassen, dem
selbst die Aufgabe ward,
im
Geistigen und vom Geiste her
zu wirken. ‒ ‒
.Wem aber der Meister von Nazareth aus
tiefstem Ahnen heraus als der große Wirkende
eines Werkes erscheint, das kein anderer je‐
mals für die Menschheit wirkte, der prüfe
und befrage in heiliger Weihestunde sich selbst,
ob er dieses Werkes Frucht zu nutzen willens
sei
durch eigene Tat: ‒ indem er
sich
selbst der Kraft verbindet, die der Meister
neu erweckte, indem er
sich selbst aus
dem Zwiespalt zwischen Gottheit und Tier‐
heit reißt, ‒ dadurch, daß er das, was in
seinem Meister „
Fleisch und Blut”
geworden war, in Kraft und Wahrheit
in
sich aufnimmt, auf daß es auch
in
ihm die Einigung des Erdenmenschlichen mit
dem Göttlichen bewirke!
Manche Großtat Edler und Erhabener ist
schon im Laufe der Jahrtausende dem Ge‐
dächtnis der Menschheit verschollen, aber die
spätesten Geschlechter dieses Planeten wer‐
den noch um das
Mysterium von Gol‐
gatha wissen, ja, es steht zu hoffen, daß
sie weit mehr davon empfinden werden, als
bis zum heutigen Tage offenbar werden konnte.
.Als ein strahlendes Lichtmal unfaßbarer
Liebesgröße leuchtet jenes Evangelienwort
durch alle Zeiten: „
Vater,
vergib
ihnen,
denn sie wissen nicht,
was sie tun!”
.Nur ein „Leuchtender des Urlichtes” konnte
es sprechen, und dennoch wagte keiner
das,
was dazu
Vorbedingung war, außer dem
einen! ‒ dem „
großen Liebenden”..
.Auch
heute noch und
bis ans Ende
der Tage des Menschen auf der
Erde ist dieser „
große Liebende”,
in
geistiger Gestaltung, vereint mit allen,
die gleich ihm jene geistige Kette bilden,
die das
vergänglich Sinnliche mit dem
Ewigen verbindet,
den Seelen,
die ihn
rufen,
nahe!
.„Wer es fassen kann, der fasse es!” ‒
.Der dies schrieb, gibt von ihm Zeugnis,
wie er von dem Dasein der Sonne Zeugnis
geben könnte...
Kein Glied der Viel-Einheit der „Leuch‐
tenden des Urlichts” ist jemals von den an‐
deren Gliedern dieser geistigen Gemeinsam‐
keit getrennt, keines wirkt allein aus sich!
.Auch
jener, der einst liebend und ge‐
waltig vor fast zweitausend Jahren die
„
frohe Botschaft” seinen allzu un‐
weisen Schülern kündete, wirkte und wirkt,
wie ehedem, so auch heute noch,
niemals
nur aus sich allein. ‒ ‒
.Auch er ist gehorsam der Weisung, die
ihm,
gleich allen seinen Brüdern,
aus dem „
Urworte” wird, dessen „
Worte”
alle
jene sind, die, ihm vereinigt, hier auf
dieser Erde wirken. ‒
.Auch er ist untertan „
dem Vater”, ‒
der über aller Fassungskraft erhabenen gei‐
stigen Wesenheit, die der eigentliche „Mei‐
ster”
in jedem der „Leuchtenden”, ‒ das
heilige Oberhaupt aller Brüder auf Erden ist,
jenes
Unnennbaren, der da
ist wie
er
ist von Ewigkeit zu Ewigkeit,
‒ im „
Ur-
Wort” verharrend und den‐
noch in einer geistigen Form den „Leuchten‐
den” dieser Erde stets gegenwärtig, ihrem
Schauen enthüllt, und
durch jeden, ‒
je nach seinen Kräften, seiner Artung, ‒
wirkend das Werk der ewigen
Liebe...
In diesem
Unnennbaren vereint, in
dem des „Urwortes”
erstes Selbsterfassen
Form und
Wirkung wird, ‒ als das
„
Wort”,
das „
bei Gott”
und das
„
Gott” in der Gottheit ist, ‒ sind alle
„Leuchtenden des Urlichtes” im Willen und
Bewußtsein ewig nur Eines! ‒ ‒
.Einheit ist Schlußstein und
Krönung fundamentaler Vielheit in
al‐
lem Leben geistig-kosmischen Seins, wie die
Vielheit der Farben sich vereinigt im reinen
weißen Lichte zeigt. ‒
.Unendlichfältig wirkt sich das
Eine aus, das
Alles ist, um sich in
Ein‐
heit wieder zu finden,
ohne jemals
seine Unendlichkeit zu opfern. ‒
.Liebe ist der innerste
Ursprung
dieses Seins!
.Liebe ist sein nie endendes
Leben!
.Liebe ist seine urewige
Tat!
.Der auf Golgatha starb aber war das
vollkommenste Gefäß dieser
Liebe,
das je auf Erden sich dargeboten hatte,
der
Liebe,
die unendlich ist,
obwohl
sie in sich selbst ihre Grenzen
kennt...
.Wohl denen, die sein Wort aus aller Ver‐
schüttung
heraus erkennen!
.Wohl denen, die
ihn selbst im inner‐
sten Herzen zu finden wissen!
* *
*
Ich rede nicht von den furchtbaren
äuße‐
ren Kriegen, die
das „
Tier” im
Erdenmenschen immer wieder zu entfachen
sucht, um Seinesgleichen hinzumorden, ‒ ich
denke vielmehr an einen
weit grau‐
sameren Krieg, der in jedem Menschen
entbrennen kann, sodann in seinem Inneren
wütet, und bei dem nur selten einer „
Sie‐
ger” bleibt. ‒
.Dieser Krieg beginnt, wenn zum ersten
Male in einem Menschen die Frage sich er‐
hebt: „
Wer bin ich?” ‒ wenn zum
ersten Male dieses sich selbst unbekannte
„
Ich” einer undurchdringlich scheinenden
Finsternis in den gähnend gierigen Rachen
blickt bei seinem Suchen nach
Grund oder
Zweck des Daseins, nach Spuren seiner
Herkunft oder Vorzeichen seiner
letz‐
ten Ziele. ‒ ‒
Gewohnt, alle Fragen „
verstandes‐
mäßig” zu lösen, kommt dem Menschen
gar nicht der Einfall, die Lösung seiner nun‐
mehr erwachten Fragen könne einer
an‐
deren Geisteskraft in ihm vorbehalten sein.
.Zwar finden
müde oder
allzu be‐
queme Seelen nur allzubald einen Aus‐
weg und nennen ihn „Glauben”, aber was so
unter Glauben verstanden wird, ist nur eine
billigere, leichter zu beschaffende Befriedigung
eines genügsamen
Verstandes, niemals
jene hohe Kraft, die von den Kun‐
digen aller Zeiten hoch gepriesen wurde, wenn
sie vom „Glauben” sprachen...
.Es
begnügt sich hier der Verstand mit
einer Lösung aus
zweiter Hand, weil
er
selbst nicht zur Lösung durchdringen
konnte.
.Gewaltige Bibliotheken könnte man mit den
Büchern füllen, die alle zum Zwecke solcher
Verstandesberuhigung geschrieben wurden,
ganz abgesehen von den persönlichen Be‐
mühungen derer, die selbst durch Beschwich‐
tigungen aus
zweiter Hand ihren Verstand
befriedigten und nun sich verpflichtet glauben,
„das Heil”, wie
sie es gefunden zu haben
meinen, auch ihren Mitmenschen zu predigen.
.So aber kann man immer nur lehren,
was
der Verstand
erfassen kann, und
könnte der Verstand die Lösung jener
letzten Fragen unternehmen, dann läge diese
Lösung
längst schon klar vor aller Augen
in der ganzen Welt.
.Doch der Verstand ist nur ein
Werk‐
zeug des Menschen und darf nicht zum
Herren seines Besitzers werden, sonst wird
er zu seinem
fürchterlichsten Feinde.
Der Diamant dient zum Zerschneiden des
Glases, aber er wird unnütz, wenn es gilt,
Bäume zu fällen, und wer Holz braucht, um
ein sicheres Haus zu bauen, der kann mit
seinem Diamanten in Sturm und Wetter er‐
frieren. ‒
.Ihr „
sucht”
mit dem Verstande und
scheltet die Natur grausam, weil sie euch
kein Auge gab, in ihre letzten, geheimnis‐
vollen Tiefen zu blicken, derweil ihr dieses
Auge
habt und nicht darum wißt,
in all eurem Reichtum. ‒
.Es gab zu allen Zeiten
einige unter
den Menschen, die von diesem Auge
wuß‐
ten und es zu
nützen verstanden.
.Sagten sie euch Anderen, was sie sahen,
so wurden sie als Narren oder Schwärmer
in Verruf gebracht.
.Erklärten sie euch aber, wie
ihr selbst
dieses Auge in euch finden und benutzen
lernen könntet, so wurden sie euch unbequem,
denn sie verlangten
zu viel von euch,
was eurer
Gemächlichkeit gar wenig
behagte.
.Lieber noch „glaubtet” ihr an der Wissen‐
den Lehren,
nachdem ihr die Lehrer
ans Kreuz geheftet hattet, ‒
denn nachher konntet ihr jene Lehren deuten,
wie es
euch gefiel. ‒ ‒
Ihr sagt: „Es waren
andere Menschen,
die solches taten, ‒
nicht wir, ‒
nicht
wir!” ‒ aber ich zweifle mit guten Gründen
daran, daß
ihr heute Jene
erkennen
würdet, die euch helfen könnten. ‒
.In allen Zeiten liebte es der Mensch, lieber
auf das Kommen eines „Helfers” nach
sei‐
nem Sinne zu warten und wollte nichts von
den
wirklichen Helfern wissen, die
in
Güte und Einfalt ihm die Hand zur
Hilfe boten.
.Die
Phantasie des Menschen schafft
gewaltige „Titanen”, „Götter” und „Heilige”,
wo nur
der einfach menschlichste
Mensch zum Befreier tauglich ist.
.Zauberkünste galten noch jederzeit
mehr als die segensreichsten Lehren wirklich
berufener Helfer.
.Man will staunend stehen und möchte am
liebsten „das Zaubern” lernen, wo man in
Stille und innerer Einkehr
zu sich selbst
zu gelangen suchen sollte.
.Mit einem Worte: die „Methode”, jenes
innere Auge zum Sehen geschickt zu machen,
ist dem phantastischen Sinn des Menschen zu
einfach, und seiner Gewohnheit wider‐
streitet es zu sehr, auf solche nüchtern neue
Weise zur Erkenntnis zu kommen.
.Zu lange schon ward er zum
Sklaven
des Verstandes, als daß er noch ahnen
könnte, wie er auch
ohne Ketten und Blei‐
gewichte an den Füßen
schreiten kann,
und ach, ‒ das
Fliegen auf Schwingen
der Seele hat er ja längst verlernt.
Im
Äußeren hilft der Verstand zu
schwächlichem
Ersatz für Alles, was die
Seele sucht, und so staunt denn der Mensch
vor den „Wunderwerken”, die ihm der
Ver‐
stand erklügeln half, und verliert damit
den letzten Glauben an die
Möglich‐
keit, der Sehnsucht seiner Seele
see‐
lisch je Erfüllung zu erringen.
.Und doch kann nichts, was ihn der Ver‐
stand im Äußeren finden läßt, jemals den
Schrei der Seele völlig unterdrücken,
der Seele, die genau so ihre Rechte hat in
ihrem Reiche, wie der Verstand die seinen
dort, wo es nur zu
verstehen gilt. ‒
.Die Erkenntnisse der Seele wollen nicht
„verstanden”, sie wollen
geschaut,
er‐
fühlt,
erlebt und
erobert werden.
.Hier ist mit dem
Verstande, so scharf
er auch geschliffen sein möge, als Werkzeug
nichts anzufangen!
.Hier muß eine
neue Kraft in Tätigkeit
treten, die potentiell ein
jeder Mensch be‐
sitzt, und die doch nur in den
Aller‐
wenigsten zur Entfaltung kommt!
.Es gibt kein deutsches Wort für diese Kraft,
und die sie in sich entwickelt hatten, erfanden
sich nur „Namen” dafür, die keinem anderen
Menschen etwas sagen können.
.Das, was der Deutsche „Gemüt” nennt,
führt
vielleicht noch am ehesten in jene
Region, in der ein
Ahnen dieser Kraft
zu Zeiten möglich ist, allein man verbindet
mit diesem Wort und seinem Inbegriff so viel
Verschwommenes, daß selbst dieser
zage Hinweis schon zu grobem Irrtum führen
kann.
Ich will es versuchen, durch verschiedene
Umschreibung, hier nun die Seele auf
das
Wesen dieser Kraft behutsam
hin‐
zuleiten, ‒ vielleicht daß einer oder der
Andere etwas leise in sich erwachen fühlt, das,
wie ein Keim die Blume, diese Kraft in ihm
dereinst ans Licht befördert.
.Doch ich weiß, daß ich mir eine Aufgabe
stelle, die kaum je befriedigend zu lösen ist,
wenn nicht auf
beiden Seiten der ernst‐
liche tiefe
Wille besteht, über alle Hinder‐
nisse hinweg, das Ziel zu
erreichen.
.Der furchtbarste
Feind aber, der uns
auf diesem Wege begegnen kann, ist der
Verstand, ‒ dieses ewige, zur Gewohn‐
heit gewordene
Verstehenwollen des
Zieles, wo es hier höchstens nur ein Verstehen
der
Worte geben kann, die zur Zielrich‐
tung
weisen wollen. ‒
.Wer weiter mit mir gehen will, der mache
sich vor allem zum
Herren seines Ver‐
standes und gebe ihm keine Rechte dort, wo
seine Tauglichkeit
zu Ende ist!
Wie aber enthülle ich dir nun das Wesen
dieser namenlosen Kraft, die dir Erlösung
bringen soll!?
.Versuche es, diese Worte wieder und wieder
zu lesen, fern von allem Geräusch und aller
Ablenkung der äußeren Welt, ‒ versuche es
aber auch, dein Gemüt zu beruhigen vor all
den lauten
Einreden deines Den‐
kens, und gib dich in tiefster Ruhe deinem
nüchternen, selbstgewissen
Fühlen hin!
.Versuche, bei dem, was du hier lesen wirst,
in aller Stille
dich selbst zu empfinden!
.Du mußt dich ähnlich so zu empfinden
suchen, wie du dich empfindest, wenn eine
liebe, längst nicht mehr gehörte Melodie dir
unerwartet in der Abenddämmerstunde aus
der Ferne zuströmt, dich ergreift, und dich
im sanften Schweben ihrer Töne mit sich
zieht...
.In solchen Stunden, solchen Augenblicken,
öffnet sich ein wenig jene Pforte, durch die
du dereinst schreiten mußt, willst du ihr wirk‐
lich nahen, ‒ jener Kraft, die dir auf deine
letzten Fragen Antwort geben kann. ‒
.Fasse den leisen Lichtstrahl, der aus dem
Spalt der Pforte fällt, mit liebendem Auge
und suche dich an sein mildes Licht zu ge‐
wöhnen!
.Wolle nicht gleich
auf einmal alle
Helligkeit „erkennen”, die hinter der Pforte
ist, sondern zügle deine Wünsche und mache
dein Auge erst tüchtig, damit es die
Art
dieses sanften Lichtes von
jedem ande‐
ren Leuchten
unterscheiden lernt...
.Du wirst gar bald entdecken, daß du bis‐
her etwas
vernachlässigt hast, was
wohl sorgsamer Pflege wert gewesen wäre. ‒
Gehe mit mir hinaus in die Natur. Nicht
in der lauten Mittagshelle, obwohl auch die
Stunde, da „der große Pan schläft”, voll der
Geheimnisse ist, für den, der sie zu empfinden
weiß, ‒ ‒ sondern am späten Abend, wenn
alle Laute des Tages ruhen, oder am frühen
Morgen vor Sonnenaufgang.
.Du wirst da etwas fühlen in der weiten
Runde, das dich erhebt und beglückt
ohne
Denken und Verstandesgründe...
.Gib dich diesem Fühlen hin und laß' es
in dir Wurzel fassen!
Wiederhole das
oft, damit du
ver‐
traut wirst mit deinem inneren Fühlen!
.Suche es in seinen differenzierten Nüancen
klar zu unterscheiden!
.Es ist nicht gleichgültig, ob du diese Ge‐
fühle nur in deiner Stube
reproduzierst,
oder ob du sie, frisch und jedesmal neu,
im
Freien empfindest. ‒
.Dein Zimmer, wie es auch sei, hat seine
eigene Stimmung, und wenn du auch noch
so klar in deine Erinnerung dich zu versenken
verstehst, so wirst du doch deine gewollte
Stimmung
unwillkürlich fälschen.
Im geschlossenen Raume hast du
andere
Möglichkeiten, dich zu stimmen und die ver‐
borgensten Saiten deines Gemüts zum Klin‐
gen zu bringen.
.Musik und Bildnerkunst, nicht
weniger als
Poesie des Wortes, kön‐
nen dich
in deinen Räumen zu dir
selber bringen.
.Ob du aber im Freien sein magst, auf
Bergeshöhen oder am Ufer eines stillen Flusses,
ob du die endlose Weite des Meeres auf dich
wirken lassen wirst, oder beim Lampenschein
die Worte eines Dichters lesen und empfangen
magst, ‒ stets wird das Bewegte
dein
Inneres sein, denn alles, was außen ist,
erteilt nur den
Anstoß zur Schwingung,
trägt nicht in sich, was deine Seele
durch
seine Vermittlung
erfühlt. ‒
.Natur bleibt tot und kalt, und jedes Kunst‐
werk läßt sich fühllos betrachten, wenn du
nicht
selbst bei der Seele hast, was dir
Natur und Kunst als Bewußtseinswert
ver‐
mitteln soll.
.Nur in
dir ist der Zauberbrunnen, aus
dem du deine goldenen Becher füllen kannst. ‒
So bist du nun jener unbenennbaren Kraft
schon um ein beträchtliches näher gerückt.
.Du lernst allmählich, daß
du dich
selbst „
stimmen” kannst, und alles, ‒
Nahrung,
Kleidung,
Aufent‐
haltsort,
Einsamkeit und
Ge‐
sellschaft, kann mit der Zeit dir „Stimm‐
gabel” werden...
.Je nach deiner „Stimmung” wirst du ver‐
schiedene „
Klänge” in dir zum Ertönen
bringen, und du wirst dann gar bald ent‐
decken,
welche Stimmung deinem Wunsche
nach seelischer Klarheit entgegenkommt. ‒
.Du
arbeitest schon mit jener unbe‐
nennbaren Kraft, doch sind es vorerst nur
ihre
fernsten und
dunkelsten Strah‐
len, die du zu deinen Zwecken beherrschen
lerntest.
.Doch hier gibt es ein
Weiterschrei‐
ten, hinauf, empor, hinein zu
restloser
seelischer Klarheit! ‒ ‒
.Wer hier
vorwärts will, der muß zum
Künstler an seinem eigenen Le‐
ben werden. ‒
.Was vordem ihm „Erfüllung” schien, muß
jetzt ihm nur als
Rohstoff gelten, aus
dem er, dem Bildner gleich,
das Kunst‐
werk seines seelischen Gefüges
schafft! ‒ ‒ ‒
.Nicht mehr wahllos, oder nach Laune, darf
er sich dem überlassen, was ihm das Leben
bringt.
.Er muß das Leben selbst formen lernen,
dadurch, daß er sich in
jedem Augen‐
blick zu „stimmen” weiß, so wie es seinem
letzten Ziel entspricht. ‒
Bis hierher konnte wohl mancher mit mir
gehen, doch an diesem Punkte werden die
meisten scheitern, weil es ihnen
über‐
menschlich schwer erscheint, die man‐
nigfachen Geschehnisse des Alltags und seine
Nöte also zu meistern...
.Nur die Wenigen, die dazu
reif geworden
sind, werden hier nicht versagen!
.Sie allein werden auf diesem Wege
auch zuletzt jene Kraft in sich entdecken,
deren Beherrschung
Vorbedingung ist
für jeden, der den Pfad zum höchsten Lichte,
den ihm hohe Meister bahnten, mit Nutzen
betreten will.
.Mit dem Tage, an dem ein Mensch jene
Kraft in sich entdeckt und sie gebrauchen
lernt, beginnt für ihn ein
neues Leben,
gegen das betrachtet alles, was er
früher
„Leben” nannte, ihm erscheint wie ein dunk‐
les Frührot gegen mittagshelle Sommersonne.
.Und doch findet dieser Tag ihn erst am
allerersten Anfang jenes Weges, der
zum ewigen Lichte führt, jenes Weges, der
unendlich ist, weil er von Klarheit zu
Klarheit steigt, auf dem
jedes Erkennen
stets wieder
überstrahlt wird durch ein
neues,
tieferes und
reineres Erfassen,
das nur
wieder höherer Erkenntnis, tie‐
ferem Erleben, klarerem Erschauen weicht...
.Endlos ist jener Weg, weil sein
Ziel
unendlich ist und auf unendlichfältige Weise
sich erschauen läßt, ‒
endlos ist er, weil
sein Ziel Unendlichkeiten birgt, und
nie‐
mals, ‒ auch nicht in Milliarden „Ewig‐
keiten” ganz zu ergründen wäre. ‒ ‒ ‒
Niemals aber wird ihn einer finden, der
jene unbenennbare Kraft, jenes geistige Auge
in sich nicht
vorher entdeckt, von
dem die Weisesten aller Zeiten in mehr oder
minder durchsichtigen Symbolen geredet ha‐
ben, jenes Auge, das auch dort noch zu sehen
vermag, wo das Licht unserer Erdensonne in
einem höheren Lichte verschwindet, wie ein
Funke in lohendem Brand.
.Niemals wird einer jenes Auge in sich ent‐
decken und damit sehen lernen, der sich blen‐
den läßt durch die Feuerwerkskünste seines
Verstandes, ‒ dem der Verstand (in
seiner Region ein verläßliches Werkzeug)
zum
Herren und damit zum
furcht‐
barsten Feinde wird! ‒
.Solches wissend aus tiefster Selbsterfahrung,
dankt der hohe Meister dem, den er den
„Vater” nennt, daß er „den
Kleinen und
Unwissenden” sich offenbare, vor denen
aber,
die ihres Wissens Sklaven
sind, sich verborgen halte. ‒ ‒
.Solches erkennend, spricht er das Wort von
den „
Kindlein”, denen jeder gleichen
müsse, der das „Reich des Himmels” in sich
selbst erfahren wolle. ‒
.Von ihm selbst sagten sie stumpfen Her‐
zens: „Wie erkennt dieser die Schrift, da er
sie doch nicht '
gelernt' hat?”
.Sie ahnten nicht, daß er eine tiefere
Weis‐
heitsquelle in sich trug, als selbst „die
Schrift” sie jemals ihren Schrift-Gelehrten
offenbaren konnte, die dem
Verstande
Sklavendienste leisten mußten, da sie nichts
in sich fanden
außer dem Verstande, ‒
nichts, was ihnen
helleres Licht und
reinere Klarheit hätte geben können. ‒ ‒
.Es wird die allergrößte,
allem anderen
übergeordnete Aufgabe kommender Genera‐
tionen werden, die in jedem einzelnen Erden‐
menschen tief verborgene
geistige Weis‐
heitsquelle
nützbar zu machen
für das
irdische Wohl, ‒ ganz davon abge‐
sehen, welche Wirkung die aus dieser Quelle
geschöpften Erkenntnisschätze im unvergäng‐
lichen Leben der erdenleibesledigen
Seele
schaffen!
Erst dann aber, wenn der Mut erwachen
wird, allen
Unrat zu entfernen, den Ver‐
standesdünkel über dieser Quelle aufzuhäufen
pflegte durch Jahrtausende hindurch, wird sie
der Mensch der Erde wieder in den heute
kaum erahnten Tiefen seines
Fühlens
finden.
* *
*
Liebet eure Feinde! ‒ Tuet wohl denen,
die euch hassen!”
.Es ist unsagbar schwer, ein solches Gebot
zu erfüllen, solange man sich nur, schlechten
Gewissens bewußt, zum Lieben
zwingen
muß. ‒
.Wie ein Mensch aus guter Kinderstube
frei und
selbstverständlich sich
in angenehmen Formen zu bewegen weiß,
während der andere, dem gute Formen als
„lästiger Zwang” erscheinen, nur
tölpel‐
haft und
ungeschickt sich bewegt,
sobald er in erzogene Gesellschaft gerät, ‒
so wird auch nur ein Mensch mit freier Selbst‐
verständlichkeit zu
lieben wissen, dem
die Kunst des Lebens, die eine
Kunst
der Liebe ist,
so zu eigen wurde,
daß sie Fleisch und Blut bemeistert.
.Wo Fleisch und Blut noch nicht durch
Lebenskunst
gemeistert sind, dort muß
alle
Liebe, die erzwungen wird,
um ein
Gebot zu erfüllen, nur
elende
Grimasse bleiben, ‒ muß zur „
Sünde”
werden wider das eigene Fleisch und Blut, zur
„
Lüge”, die am Mark des Lebens frißt...
.Tausende glauben sich zu dieser Lüge vor
sich selbst „
verpflichtet” und ahnen
nicht, daß es wahrhaftig besser um sie stünde,
wenn sie noch Haß und Feindschaft ohne
Gewissensbisse in sich nähren könnten. ‒
.Sie wollen
besser vor sich selbst er‐
scheinen, als sie
sind, und so verbauen
sie sich selbst den Weg, auf dem sie einst da‐
hin gelangen könnten, mit Selbstverständlich‐
keit und ohne jeden Zwang in
innerer
Wahrhaftigkeit zu handeln, wie das
Gebot befiehlt, dem sie, aus Furcht vor
Schuld, mit Widerstreben Folge leisten.
.Verdunkelte Erkenntnis geht hier irre Wege.
.Während die auf solchen Wegen Wandeln‐
den die Liebe
lieben lernen wollen,
has‐
sen sie den Haß!
.Haß aber
ist nur die Form
ohnmäch‐
tiger ‒ ihrer Macht nicht bewußter ‒
Kraft: der
gleichen Kraft, die als
Liebe
ihre Selbsterlösung findet. ‒ ‒
.Wer Haß noch
hassen kann, der hat
die Liebe noch nicht erkannt! Wer aber nie‐
mals
hassen konnte, der wird auch nie‐
mals
lieben lernen.
In dunkeln, urweltlichen Abgrundtiefen an‐
kert die Kraft, die sich in göttlicher Gestalt
als
Liebe offenbart, und bildet alldorten
ihren Gegenpol: den
Haß.
.Haß
und Liebe sind
eines Wesens, so
wie die Wurzel eines Weizenhalmes
eines
Wesens mit der
Ähre ist, die dem Menschen
krafterfüllte Nahrung gibt.
.Wie aber zwischen Wurzel und Ähre so
mancher Halmknoten liegt, so liegt auch man‐
cher
Zwischenzustand auf dem Wege,
der, vom naturgegebenen, niederen Trieb zum
Hasse, hinführt zu der Götternähe der
gleichen Kraft, ‒ zur
Allgewalt
entfaltenden Liebe. ‒
.Keiner dieser Zwischenzustände darf
„übersprungen” werden, wenn ein Mensch in
Wahrheit die Kunst der
Liebe üben lernen
will. ‒ ‒
Vielleicht bist du erst auf einer dieser
Zwi‐
schenstufen angelangt?
.Vielleicht bist du zu wahrhafter echter
Liebe noch
nicht fähig? ‒
.Gräme dich darum nicht und suche nichts
zu erzwingen!
.Bitte vielmehr in dir selbst um die hohe
Gnade, daß sich die Kraft, die dir noch zu
hassen befiehlt, in Bälde in ihrer leuch‐
tendsten göttlichen Form ‒
als Liebe ‒
offenbaren möge!
.So allein kannst du die Macht der Liebe
einst
wahrhaft in dir erfahren, und dann
wirst du gewiß den Haß, die
niedere Ge‐
walt der gleichen Kraft, in dir nicht mehr
kennen, dann wirst du aber auch den
Haß
nicht mehr
hassen können. ‒ ‒
.Solange Liebe noch etwas zum
Hassen
braucht, und sei es auch das
Verwerf‐
lichste, solange ist das, was du „Liebe”
nennst, nur ein Wechselbalg betrogenen Stre‐
bens und Gefühls und hat mit der göttlichen
Liebeskraft nicht das mindeste zu schaffen.
In deinem späteren,
höheren Geistes‐
leben, wenn du den
Aufstieg begonnen
hast und nach dem Tode des Erdentieres,
das dir diente, in freier,
geistiger Ge‐
staltung lebst, wird
jede Möglichkeit
zum Hassen dir fehlen, denn nichts geht ins
Leben des reinen Geistes ein, nichts wird in
den unermeßlichen Reichen des ewigen Gei‐
stes gefunden, was je deinen Haß erregen
könnte.
.Hier aber, solange du noch auf der Erde
„
im Tiere” lebst, gibt es gar viel, was
dich zum Haß verleiten möchte...
.Doch niemals wird dein Haß dich
för‐
dern können auf dem Wege zu dir selbst,
auf dem Wege zurück zu deiner Urheimat,
zum ewigen wahren Leben im Herzen der
Gottheit, als reiner Geist und „Gottessohn”
im reinen Geiste, im „Vater der Lichter”,
dem alles Lebens selige Fülle innewohnt von
Ewigkeit zu Ewigkeit.
.Stets wirst du, wenn du
Haß in dir
nährst, auch wenn du nur das „Hassens‐
werteste” zu hassen meinst, dich um die
Entfaltung deiner höchsten Kraft,
der
Kraft der Liebe, betrügen. ‒
.Trotzdem du einst aus dem hohen Leuchten
tief gefallen bist, so daß du dich dem Tiere
dieser Erde einen mußtest, durchdringt dich
doch auch hier diese göttliche Kraft, und es
liegt allein an
dir, ob du sie, so, wie sie
dir verblieb: in ihrer strahlenden
gött‐
lichen Form: als
Liebe, gebrauchen
willst, oder ob du sie in ihre
Gegenform
verwandelst, als die sie nur der
niederen
„Natur” entspricht, ‒ dem Leben des uner‐
meßlichen
physischen Universums, so‐
wohl in seinen
unsichtbaren Wesen‐
heiten wie im
Menschen, der dir hier
auf Erden durch die tierhafte Gestaltung
sichtbar wird. ‒
Es gibt gewiß in diesem Weltall
unsicht‐
bare Intelligenzen, die nur dem
Hasse leben, aber auch sie sollst
du
nicht hassen, so sehr sie dich auch mit
ihrem Haß verfolgen.
.Als Sieger kannst du ihnen nur begegnen,
wenn du eine
Liebe ihnen entgegensendest,
die auch ihren grimmigsten Haß
entkräf‐
tet, so daß sie sich von dir wenden
müs‐
sen, weil sie an deiner Liebe
leiden
würden...
.Du kannst das Verachtungswürdige ver‐
achten, das heißt: seinem mangelnden Werte
nach
ihm deine Achtung entziehen,
aber du sollst es nicht
hassen zu müssen
glauben! ‒
.Sobald du zu hassen beginnst, setzt du dich
in Verbindung mit allen Wesen dieses physi‐
schen Weltalls, die ihrer Art nach jene ewige
Urkraft
nur in der Form des Has‐
ses kennen und
niemals sie in
Liebe
zu verwandeln wissen werden.
.Du verstärkst die Ströme des Hasses, die
durch sie in
Menschenherzen geleitet
werden, machst dich schuldig so an allem,
was bei den Menschen dieser Erde an Ver‐
derblichem
aus Haß entsteht, ‒ du
strebst der Tiefe des Abgrunds, der Vernich‐
tung zu, statt dich zu deinem Aufstieg zu
erheben...
Stets kämpfen die mächtigen, unsichtbaren
Intelligenzen der physischen Allnatur, die
nur
ein zeitlich befristetes Leben
haben, wenn es auch nach Jahrtausenden
zählt, um deinen Besitz, da sie die „Welt”
des
Geistes niemals erkennen
können
und dich allein als ihren
Untertan be‐
trachten. ‒
.Nicht alle sind in
gleichem Grad
dem Haß ergeben, und manche sind sogar
„guten Glaubens”, dich
vor einem Irr‐
tum zu behüten, wenn sie versuchen,
dich von deinem Aufstieg zum reinen Geiste
abzuhalten und dich in
ihrem Macht‐
bereich zu
binden. ‒
.Du mußt wissen, daß du durch die Kraft
der
Liebe, die auch ihre
Besten nicht
kennen, selbst wenn sie
nicht dem Hasse
ergeben sind, ‒
unendlich mächtiger
bist als sie! ‒
.Du mußt wissen, daß du zwar,
deinem
irdischen Verstande nach, tief
unter den allermeisten dieser Gewaltigen
stehst, daß
dein Denken ihrem zwingen‐
den Einfluß bis zu hohen Graden
unter‐
worfen ist, daß du aber
trotzdem
einer Erkenntnis durch dein innewohnendes
Geistiges fähig werden kannst, die ihnen
allen für alle Zeiten
verschlossen bleibt,
da sie zum
Geiste niemals gelangen
kön‐
nen, weil
sie selbst nicht „Geist”
sind, und also
des Geistes Dasein
ihrem Wissen, sei es noch so erhaben, sich
nicht offenbaren kann, so wenig, wie du einem
Tiere dieser Erde die Fülle deiner Gedanken
und Gefühle jemals offenbaren könntest. ‒ ‒
.Lasse dich nicht täuschen und blicke nicht
zu
allem, was über dir steht,
hinauf!
.Es gibt nur Eines, das deiner Ehrfurcht,
deines sehnenden Aufblicks
würdig ist,
und das ist
über dieser ganzen physischen
Allnatur mit all ihren Heeren gewaltiger, aber
unseren Sinnen unwahrnehmbarer Kraftbe‐
herrscher und hoher Intelligenzen!
.Deiner Urheimat im Reiche des
reinen
Geistes soll
allein deine aufwärts
blickende Sehnsucht gehören, und du kannst
sie erreichen, wenn du in der
Liebe lebst!
Der
Liebe hat einstmals jener große Lie‐
bende auf Golgatha die Fesseln gelöst.
.Ob du zu seinen Gläubigen (zu denen, die
sich nun nach ihm, der ein „Christos”, ein
„Gesalbter” höchster Weihen war, selbst
„Christen” nennen) gehören magst oder nicht:
‒ der durch ihn gelösten Kraft wirst du
nur dann teilhaftig, wenn du
selbst
der
Liebe in deinem Leben Raum und
Wirkungsweite schaffst!
.Ohne Liebe kann dir niemals
Erlösung werden! ‒
.Liebe der innersten
Liebes-
Sonne
rief dich einst vor Äonen ins Dasein aus sich
selbst, und nur Liebe führt dich auch wieder
in deine
Urheimat zurück.
Man spricht nicht umsonst von dem
„
Wachstum” der Seele, denn „die
Seele” ist, wie ich an anderen Orten schon
genugsam dargelegt habe,
ein nur den höch‐
sten
inneren Sinnen erkennbarer
Orga‐
nismus, gebildet aus
unzähligen
Einheiten: den „
Seelenkräften”,
oder den richtig aufgefaßten „
Skandhas”
indischer Terminologie. ‒
.Im Leichnam auf dem Seziertisch kann ge‐
wiß kein Anatom die Seele finden, wohl aber
in sich selbst, wenn er sein Selbst‐
erfühlen nicht verkümmern ließ!
.Die Seele
ist des
Wachstums fähig,
wie sie der
Abnahme fähig ist, ja wie
sie, selbst während des körperlichen Lebens,
fast völlig entschwinden kann,
ohne deshalb die Funktion der körperlichen
Organe
unmöglich zu machen.
.Das Wachstum der Seele kann auch zum
Stillstand kommen, und es kann eine
gewisse Sterilität eintreten, die jedes weitere
Wachstum ausschließt.
.Nicht umsonst ruft frommer Glaube dem
Menschen zu: „Rette deine Seele!” ‒ ‒
.Oder: „Was nützte es dem Menschen, wenn
er die ganze Welt gewönne, aber Schaden
litte an seiner Seele!”
Ja, man
kann wahrlich an seiner Seele
„Schaden leiden”, und
sehr viele leiden
Schaden an der Seele, ohne auch nur im min‐
desten dessen zu achten, ja sie glauben gar
oft, sogar mitten im seelischen Wachstum zu
stehen und ahnen nicht, daß das, was sie
für ihre „Seele” halten, nichts anderes ist,
als
der feinere unsichtbare Or‐
ganismus ihres physischen Er‐
denkörpers, ein Organismus, der wohl
segensreich wirken
kann, wenn er durch
die Kräfte der Seele
geleitet wird, wenn
er der Seele
dient, der aber das Wirken
der Seele auch unsäglich
hemmen kann,
wenn er
selbstherrlich in einem Men‐
schen sich Geltung verschafft.
.Jeder,
der das gemeinhin als „religiös” be‐
zeichnete Streben seiner Seele umzulenken
sucht und beispielsweise in der
Kunst,
im
ästhetischen Empfinden, im
wissenschaftlichen Erkennt‐
nistrieb, oder in der
Freude an der
„
Natur” seine „Religion” sieht, ist ein
Sklave dieses feineren physischen Organismus
geworden und schwebt in größter Gefahr, zum
Mörder an seiner Seele zu werden. ‒
.Wenn auch ein Teil seiner Seelenkräfte noch
weiter in ihm tätig ist, so vermag er sie doch
nicht in sich als
individuelle Seele zu
runden, und wenn ihm dereinst mit dem
physischen Körper auch dessen feinere Kräfte
entzogen sind, wird er Zeiträume, die
nach
Jahrtausenden irdischer Zeitbestim‐
mung zählen, in einem dumpfen, quälenden
Halbbewußtsein zubringen müssen, bis es sei‐
nen hohen Helfern möglich wird, seine Seele
wieder zum
Leben zu „erwecken”, damit er,
„erwacht” wahrhaft zu leben beginne, dort, wo
nur der in voller Bewußtseinsklarheit zu le‐
ben
vermag, dessen
Seelenkräfte sich in
ihm zur
individuellen Seele einten. ‒ ‒
Deshalb ist gesagt: „
Wirket, solange es
Tag ist, denn es kommt die
Nacht, da
niemand wirken
kann.” ‒
.Sie kommt aber nur
für den, der das
ihm anvertraute Gut der Seelenkräfte hier
nicht zu
mehren verstand.
.Jedem, der
hat, wird
gegeben, daß
er
im Überfluß habe, dem aber, der
nicht hat, wird noch
genommen,
was er allenfalls zu haben
glaubt, ‒ wie
wenig es auch sei! ‒
.Wer, wie „der getreue Knecht”, das von
seinem Herrn Empfangene zu
vermehren
weiß, dem gilt das Wort: „Weil du über
weniges getreu gewesen bist, will ich dich
über vieles setzen.”
.Wer aber sein Pfund
vergräbt und nur
wiederbringt, was ihm von Anfang an ge‐
geben war, der wird nach den ewigen Ge‐
setzen „die äußerste Finsternis” erleben müs‐
sen: die aller Seelenwärme beraubte Region,
in der „Heulen und Zähneklappern” herrscht
vor innerer Kälte und Verdüsterung. ‒ ‒
Die hier herangezogenen Worte der Evan‐
gelien sind nichts anderes als bildhaft ge‐
staltete, lebendige Darstellungen der Wir‐
kungsweise ewiger Gesetze.
.Körperliches können wir auch wahr‐
nehmen
ohne die Seele, wenn auch die
durch
die Seele geleitete körperliche
Wahrnehmung wesentlich
andere Bewußt‐
seinseindrücke ergibt, als sie die
feineren
physischen Kräfte vermitteln können.
.Der Glaube des Volkes, der kein Leben
des Körpers ohne „Seele” kennt, meint hier
irrigerweise mit dem Wort „Seele” nur jene
feineren,
fluidischen,
physi‐
schen Kräfte, auch wenn dabei gleichzeitig
diesen Kräften Eigenschaften zugeschrieben
werden, die nur der wirklichen
Seele zu‐
kommen.
.Möchte nur der Körper,
seelenlos
geworden, auch „
leblos” sein, ‒ dann
würden nicht so viel Seelenlose dieses Erden‐
dasein um seine Wärme bringen, und die War‐
nungen der Evangelien wären gegenstandslos
gewesen!
.Während aber de facto der
Körper auch
ohne Seele sein
Bewußtsein hat, wäh‐
rend auch der Seelenlose sich selbst als kör‐
perlich bedingtes „Ich” ‒ etwa im Sinne
Stirners ‒ empfindet, ist es
völlig
unmöglich für uns, das Reich des reinen
Geistes,
die realen geistigen
Welten, ohne
Seele wahrzunehmen. ‒
Jenes „
Ich”, das allein
auch dort
wahrzunehmen vermag,
ist
selbst eine
Seelenkraft, die von einem Funken
ewigen
Geisteslichtes durchlebt und durch‐
leuchtet wird für alle Ewigkeit, sobald sie
einmal die Fähigkeit in sich erwachend er‐
kannte, diesem ewigen Geistesfunken ewiger
leuchtender „Leib” zu werden, sobald, um
mit anderen Worten zu reden, der „lebendige
Gott” sich in diesem „Ich” die „Geburt” be‐
reiten konnte.
.Um dieses „
Ich” müssen alle anderen
Seelenkräfte sich kristallisieren, ‒
ihm müs‐
sen alle Seelenkräfte
geeinigt werden,
soll der Mensch vollbewußt das ewige Reich
des wesenhaften Geistes betreten können! ‒
.Was im gewöhnlichen Sprachgebrauch als
„Geist” bezeichnet wird, ist
Verstand oder
Klugheit,
Intellekt und
äußeres
Wissen. ‒
.Es sind die Äußerungen der
feineren
physischen Kräfte, die im Erdenkörper
verborgen sind!
.Mit der „wesenhaften”,
substantiel‐
len Region des ewigen Geistes,
von dem ich hier rede, hat dieser „Geist”
des alltäglichen Sprachgebrauchs
nicht das
mindeste zu schaffen, so wenig wie das,
was man die „Seele” der
Tiere nennt,
in irgendeiner Beziehung zu dem
ewigen,
flutenden Meere der Seelen‐
kräfte steht, von dem hier die Rede ist,
wenn ich vom
Wachstum der Seele
zu sprechen habe. ‒ ‒
.Es gibt eine Menge angeblich „seelischer”
Regungen auch des „Menschentieres”, in denen
es von manchen anderen Tierarten sogar
er‐
heblich übertroffen wird, aber diese
„
Seele”
des Tieres, die auch dem phy‐
sischen Menschen natürlich eignet, macht we‐
der Mensch noch Tier zum Erleben des
gei‐
stigen Reiches fähig, wie gleicherweise auch
der hochentwickelte
Intellekt zur Er‐
reichung des Bewußtseins
im wesenhaf‐
ten Lichte des Geistes „nichts
nütze” ist.
Man läßt sich allzu sehr dadurch täuschen,
daß das
Gehirn während unseres irdischen
Lebens für
alle Bewußtseinsarten zum Trans‐
formator wird, so daß sowohl die Äußerungen
der
feineren physischen Kräfte
des Körpers, mögen sie irrtümlich als
„geistige” oder als „seelische” Äußerungen
gewertet werden, wie auch
das wirkliche
Erleben des ewigen Reiches der
Seele und
das Erleben des we‐
senhaften Geistes, stets
im Ge‐
hirn registriert werden, solange ein gesun‐
des, lebendes Gehirn vorhanden ist.
.Wenn aber hier das
gleiche Instrument
recht
verschiedene Bewegungen
re‐
gistriert, so darf man eben darum nicht
alle
Unterscheidung beiseite lassen,
muß vielmehr in sich selbst „ablesen” lernen,
welche Art der Bewegung jeweils den Ge‐
hirnapparat berührt.
.Will man für das
Wachstum der
Seele sorgen, so muß man wohl oder übel
allen Wert darauf legen, möglichst für eine
solche Einstellung des Gehirns zu sorgen,
der keine echte seelische Regung, kein Be‐
rührtwerden durch die Kräfte der Seele je‐
mals entgeht.
.Es ist darum durchaus nicht nötig und wäre
auch nur sehr unvollkommen möglich, daß
man die Empfindlichkeit des Gehirns für
andersartige Bewegungen
abstumpft,
denn während wir hier als Erdenmenschen
leben, sind auch die Bewegungen der feineren
physischen Kräfte des
Körpers, wie auch
seine
gröberen Kräfte, für uns von Wich‐
tigkeit und sollen der Wachsamkeit des Ge‐
hirns
keinesfalls entgehen.
.Aber: „
Suchet vor allem das Reich
Gottes” und das, was es verlangt: „
seine
Gerechtigkeit”, als Folge der rechten Erfül‐
lung ewiger Gesetze, „so wird euch
alles
übrige beigegeben werden”.
Es zeigt eine bedenkliche
Schwäche an,
wenn man glaubt, dem Leben der Seele nur
dann gerecht werden zu können, wenn man
„die böse Welt mit ihren Händeln”
flieht,
um ja durch nichts anderes gestört zu werden!
.Nur durch steten
Gebrauch und durch
stete
Übung an Widerständen er‐
starken
körperliche Kräfte, und mit
den
Kräften der Seele ist es in
diesem Punkte
nicht im mindesten
anders bestellt!
.Wer nicht mitten im Alltags‐
leben,
ohne Absonderung und
ohne weltverneinende Allüren,
dem Wachstum seiner Seele zu
dienen weiß,
der wird gewiß kein
seelisches Wachstum erreichen
und würde er auch der Genosse
der Tiger und Schlangen in in‐
dischen Dschungeln,
oder ließe
er sich auch für den Rest seines
Erdenlebens in tibetanischen
Klöstern vermauern! ‒
.Ich könnte, wenn es mir vom Lebensurgrund
meines ewigen Geistbewußtseins her erlaubt
wäre, ganze Bände füllen mit Berichten mei‐
ner Erlebnisse in jenseitigen Erkenntnisbe‐
reichen, soweit sie den Zustand solcher Büßer
und Walderemiten nach erfolgtem Verlassen
des Körpers der Erde erhellen.
.So viel ist mir aber zu sagen verstattet: ‒
daß
kein einziger dieser Unglücklichen
nach seinem Übergang jenes Ziel fürs erste
erreicht, das er hier schon erreicht zu
haben
glaubte, nachdem es ihm die
Äußerungen seiner
feineren fluidi‐
schen Körperkräfte glaubhaft
vor‐
gegaukelt hatten. ‒
Mitten im Weltleben, wohin man auch ge‐
stellt sein mag, muß man dem Wachstum
seiner Seele dienen!
.Absonderung kann
zu Zeiten von
Nutzen sein, sobald man zu fühlen beginnt,
daß die Einstellung auf das Empfinden wirk‐
licher Seelenkräfte verloren zu gehen droht,
aber die Absonderung soll nur
kürzeste
Zeit währen und nur dazu dienen, „
die
Einstellung wieder zu
finden.” So‐
bald man sie gefunden hat, kehre man wieder
zu seinem gewohnten Leben zurück!
.Es sind nur sehr wenige Menschen auf
Erden, denen
dauernde Absonderung
nicht schadet, und diese wenigen leben trotz
aller Absonderung doch
im Zusammen‐
sein mit ihresgleichen und würden
nicht abgesondert leben, wenn sie nicht
Dinge zu vollbringen hätten, zu deren Voll‐
bringung ein äußerer Zustand geschaffen wer‐
den muß, der im Welttreiben sich nicht auf‐
rechterhalten läßt.
.Sie sind nur in der Einsamkeit, weil sie in
einem „Tempel” wirken, der allen Geräuschen
der Welt entrückt sein muß, und sie bleiben
nur so lange in dieser Weltferne, als jeweils
ihr
Werk es verlangt, suchen sie aber keines‐
wegs etwa als „Flüchtlinge vor dem Leben”
auf. ‒
.Das Wachstum der Seele wird auch nicht
gefördert durch
tiefgründige Stu‐
dien, durch
philosophische Er‐
kenntnisse, oder durch das
For‐
schen nach den unbekannten
Kräften der Natur!
.Dies alles kann man treiben und dabei
längst seine Seele
verloren haben!
.Ein Ackerknecht etwa oder ein Lastträger,
kann das höchste Wachstum der Seele genau
so erreichen wie der Gelehrteste unter den
Männern der Wissenschaft, ‒ aber
keiner
kann es erreichen,
der sich den Pflich‐
ten seines Standes entzieht,
in der irrigen Meinung, man könne dem
Wachstum seiner Seele
besser dienen,
wenn man die Welt oder wenn man Beruf
und Stand verläßt! ‒
„
Wer da suchet, seine Seele zu erhalten,
der wird sie verlieren; und wer sie verlieren
wird, der wird ihr zum Leben verhelfen!”
.Dieses dunkle Wort will unter anderem sa‐
gen, daß ein „Verlassen der Welt”, um die
Seele zu finden,
nie ans Ziel führen
kann, daß das Wachstum der Seele viel‐
mehr nur
dort zu finden ist, wo man es
am wenigsten zu finden hofft: ‒
mitten
im tätigen Leben der Welt. ‒
.Nur durch das
praktische Verhal‐
ten im Alltagsleben können wir un‐
sere Seele zum Wachstum bringen! ‒
Es gibt
keine Möglichkeit, der Seele
al‐
lein zu dienen und dabei das Leben des
Alltags auszuschließen!
.Es ist nur Feigheit und Bequemlichkeit oder
eine irrige Philosophie, wenn man sich ein
Leben erträumt, das ausschließlich dem Wachs‐
tum der Seele gewidmet und der Welt abge‐
wandt,
das zu erreichen vermögend sein soll,
was für den Menschen der Erde nur
im
steten Ringen mit den Kräften
der Welt erreichbar ist. ‒
.Man kann wohl die
sterblichen,
feineren,
fluidischen Kräfte
des Körpers fördern, wenn man dem
Leben der Welt entflieht, aber
niemals
wird je ein Mensch
seiner Seele zum
Wachstum verhelfen, wenn er nicht
täglich aufs neue ihre Kräfte
er‐
probt, an den
Widerständen, die
ihm die „Außenwelt”, die ihm das Treiben
der Vielen, die ihn umgeben, schafft! ‒
So ging auch der „große Liebende” in seinem
Erdenleben oftmals „auf den Berg” oder in
die Einsamkeit, um zu „beten”.
.So lehrte er: „Wenn du beten willst, gehe
in deine Kammer und schließe die Türe zu.” ‒
.Aber
niemals lehrte er den Alltag flie‐
hen,
niemals hat er
selbst das rege
Leben seiner Zeit und seines Volkes feige
gemieden.
.Er aß und trank, was andere aßen und
tranken, und feierte mit ihnen ihre Feste.
.Bei „Sündern und Zöllnern” war er zu
Gast, wie bei denen, die sich für die Frömm‐
sten hielten. ‒ Bei Schriftgelehrten liegt er
zu Tische, wie im Hause der früheren He‐
täre. ‒
.Allüberall ist ihm „
das Himmel‐
reich nahe”, da es
in ihm ist...
.Er
lebt die Lehre, die er seinen Schülern
kündet, ‒
zeigt ihnen, wie der Seele
Wachstum
Leben braucht und
Tat.
* *
*
Unzählige sind es, die in diesen Tagen nach
geistiger Führung verlangen, und
wiederum Unzählige, die unter „geistiger Füh‐
rung” zu leben
glauben, während sie doch
nur Einflüssen unterstehen, die in dem wei‐
ten Gebiet „medialer” Manifestationen ihren
Ursprung haben.
.Es tut not, wieder „die Geister unterschei‐
den” zu lernen! ‒
.Nicht jede Stimme, die im Innern ver‐
nehmbar wird, ist die Stimme eines geistigen
Führers, die Stimme göttlicher Leitung!
.Weit mehr als die meisten ahnen, ist heute
eine Abart medialer Bekundungen verbreitet,
die es den lemurenhaften Bewohnern des un‐
sichtbaren Teiles der physischen Welt nur
allzu leicht macht, ihrem Trieb nach Aner‐
kennung im Bewußtsein des Menschen Erfolg
zu sichern, indem sie die Fähigkeit des Schrei‐
benkönnens bei ihren Opfern mißbrauchen,
bald unter
Ausschaltung der Gehirn‐
kontrolle, bald durch usurpierte
Benützung
der Gehirntätigkeit.
.Im Grunde kann
jeder Mensch zum
spiritistischen „Medium” werden, wenn auch
die Grade der Mediumschaft außerordentliche
Verschiedenheit aufweisen.
.Es ist dabei völlig gleichgültig, ob man sich
bewußt als spiritistisches Medium „ent‐
wickeln”
will, oder ob man glaubt,
fern
von allen, dem sogenannten „Spiritismus” zu‐
zuzählenden Erscheinungen zu stehen.
Jeder Mensch, der einer „inneren Stimme”
vertraut, die
Passivität von ihm ver‐
langt, ‒ die ihn also bestimmen will, daß
er sich ihren Einsprachen
füge, daß er sie
als suggerierten
Rat, ja gar als inneren
Befehl betrachte, setzt sich der Gefahr aus,
ein Höriger jener Lemurenwesen, ein spiri‐
tistisches „Medium” zu werden, und er
ist
es in jedem Falle bereits, wenn seine Hand
gar schon „automatisch” zu schreiben be‐
ginnt, einerlei, welchen Inhalt das Geschrie‐
bene aufweisen mag. Je nach der Art seines
Weltbildes werden sich ihm die seiner Kon‐
trolle spottenden Wesen der Zwischenwelten
darzustellen suchen.
.Der Frommgläubige wird von „Engeln”
und „Heiligen”, ja von „Christus” oder gar
„Gott-Vater” Führung zu erhalten glauben,
der Anhänger der neueren „Theosophie” wird
sich unter der Leitung hoher „Mahâtmas”
fühlen, und andere wieder werden zu dem
Glauben verleitet, ihr eigenes „höheres Ich”,
ihre ewige aus dem Urborn Gottes entströ‐
mende Geisteswesenheit gäbe sich ihnen auf
solche Weise kund.
.(Als bezeichnendes Kuriosum möchte ich
hier die Tatsache erwähnen, daß mir von
nicht wenigen Fällen durch die Betroffenen
selbst berichtet wurde, in denen jene lemuren‐
haften Zwischenwesen es für gut hielten, ihren
Opfern den Glauben beizubringen, ihr „gei‐
stiger Führer” sei „Bô Yin Râ”. ‒ ‒ Wie
man sieht, kann man zu Würden kommen,
von denen man wirklich nichts ahnt!
.In
einem solchen Falle hatten die Be‐
troffenen noch niemals meinen Namen ge‐
hört, ‒ wurden erst durch ihre vermeintliche
„geistige” Leitung auf meine Bücher verwie‐
sen, ‒ trugen erst Scheu, sie beim Buch‐
händler zu verlangen, während sie dann, als
es sich herausstellte, daß wirklich ein Autor
dieses Namens existiert, natürlich felsenfest
überzeugt wurden, unter meiner geistigen Füh‐
rung zu stehen...
.Die mir später vorgelegten, vermeintlich von
mir selbst bei der geistigen Leitung des Me‐
diums übermittelten Kommentare zu meinen
Schriften waren nicht einmal schlecht, hielten
sich aber freilich ganz auf dem Vorstellungs‐
niveau der automatisch Schreibenden.
.In einem anderen Falle wurde ich gar mit
den unflätigsten Briefen traktiert, als ich den
auf spiritistische Weise entstandenen Irrtum
aufzuklären suchte, und man leistete sich
allen Ernstes die köstliche Behauptung, ich
sei gar nicht „
der wirkliche” Bô Yin
Râ: „der verehrungswürdige Meister”, den
man selbst als „
Führer” kenne und
der
meine Bücher geschrieben ha‐
be, ‒ wobei freilich ein gewisser Teil dieses
Satzes
durchaus der Wahrheit entsprach.
.Zu solchen Torheiten können Menschen, die
sonst sehr wohl über Urteilsvermögen ver‐
fügen, durch die Beeinflussung ihrer „Spirits”
veranlaßt werden.)
Gutgläubige „Spiritisten” haben sich nun
die wunderschöne Lehre ersonnen, daß es un‐
ter ihren „Geistern” wohl recht betrügerische,
ja auch alberne und possenhafte Naturen gäbe,
aber ebenso fänden sich solche voller Güte,
Liebe und Erhabenheit.
.Als Unterscheidungsmerkmal werden in aller
Naivität die „Offenbarungen” der „Geister”
selbst angesehen, und wenn gar noch in sol‐
chen Äußerungen
vor Schlechtem ge‐
warnt oder
Gutes angeraten wurde,
dann gilt es den rechtgläubigen Seelen als
einwandfrei erwiesen, daß sie es mit „guten”
Geistern zu tun hätten.
.Ach,
wäre nur alles so einfach, wie es
sich in manchen Gehirnen darstellt! ‒
.Vielleicht wäre die in solchen Konventikeln
geächtete „Wissenschaft” dann doch nicht tö‐
richt genug, die spiritistische Hypothese ab‐
zulehnen, und wäre längst mit fliegenden
Fahnen zu den spiritistischen Gemeinden über‐
getreten!? ‒
.Statt dessen aber gibt selbst ein Forscher
wie
Crookes am Ende seiner erfolgreichen
Experimente die Erklärung ab, daß er wohl
überzeugt sei, oft
mit unsichtbaren
Wesen experimentiert zu haben, daß er
aber die spiritistische Hypothese, es handle
sich um gestorbene Menschen, bzw. deren
weiterlebende Seelen,
keineswegs gel‐
ten lassen könne. ‒ ‒
.Und
Crookes gilt jedem waschechten
Spiritisten seltsamerweise auch heute noch als
hervorragender Eideshelfer!
.Man möchte ja mit Freuden den fanati‐
sierten Gläubigen spiritistischer Zirkel ihr
Heiligtum unangetastet lassen, wenn nicht
ein Strom des Unheils von ihm
ausginge, von dem
Psychiater und selbst
die
Kriminalistik ein sehr trauriges
Lied zu singen vermögen. ‒ ‒
.Deshalb kann man es gar nicht oft genug
betonen, daß an
echten spiritistischen Ma‐
nifestationen
nichts anderes Beweis‐
kraft hat
als die Tatsache der Ma‐
nifestationen an sich, und sie be‐
weist lediglich, was auch
Crookes mit
Recht als bewiesen ansah,
daß unsicht‐
bare Wesenheiten unter Benut‐
zung menschlicher Organe ge‐
wisse Wirkungen hervorbringen
können,
die das Bewußtsein des
Erdenmenschen zu beeindrucken
vermögen.
.Das ist aber auch alles „Bewiesene”! ‒ ‒
Über die
Art dieser unsichtbaren Wesen‐
heiten vermag das Experiment
keine Klar‐
heit zu schaffen, und geradezu kindlich-töricht
ist die Annahme, die durch ein Medium er‐
haltenen
Äußerungen dieser Wesen oder
ihre
Angaben über sich selbst seien
hinreichend, um über ihre
Art sichere Aus‐
kunft zu geben. ‒
.Ich glaube doch auch nicht ohne weiteres
einem Menschen, der mich telephonisch an‐
ruft und behauptet, „der Kaiser von China”
zu sein.
.Bei „spiritistischen” Manifestationen liegen
aber für den, der die Fehlerquellen und Be‐
trugsmöglichkeiten kennt, so gut wie
gar
keine Sicherungen dagegen vor, durch den
Kommunikator in unverschämtester Weise
düpiert zu werden.
.Wahrhaftig, die „Unterscheidung der Gei‐
ster”, von der Paulus spricht, als von einer
Gabe des Geistes Gottes, ist denn doch
et‐
was anderes, als eine derart übergläu‐
bige Bescheidung! ‒ ‒
Ihr werdet von den unsichtbaren, lemuren‐
haften Zwischenwesen des unsichtbaren Teiles
der physischen Welt ebenso die
erhaben‐
sten Belehrungen erhalten, wie die
tri‐
vialsten Äußerungen, ja die
gemein‐
sten Unflätigkeiten, je nachdem es
den unsichtbaren und jeder Kontrolle ent‐
zogenen Kommunikatoren mehr Behagen be‐
reitet.
.Stellt nur einmal eure erhabenen „geistigen
Führer”, von denen ihr nur die salbungs‐
vollsten Reden gehört habt, auf die Probe, ‒
sagt ihnen, daß sie
Betrüger sind, wenn
sie sich als gestorbene Menschen oder geistige
Lehrer ausgeben, daß ihr
nichts mehr
mit ihnen zu tun haben wollt,
und ‒ ihr werdet zu eurem Entsetzen sehen,
welchen „Freunden aus der Geisterwelt”
ihr euch anvertraut hattet! ‒ ‒
.Es fehlt nicht an ehemaligen „Spiritisten”,
die durch recht drastische Erfahrungen doch
noch geheilt wurden, und sie alle können be‐
stätigen, was ich hier sage.
.Trotzdem
verstehe ich, wenn ihr der
Täuschung erliegt!
.Ihr werdet Äußerungen erhalten, die es sehr
begreiflich erscheinen lassen, wenn ihr glaubt,
mit „lieben Verstorbenen” in Verbindung zu
sein, denn diesen Wesen ist gar manches wie
ein aufgeschlagenes Buch, was euch dicht ver‐
schleiert ist, und ihrer Schlauheit ist es ein
Leichtes, herauszufinden, was euch am besten
überzeugen könnte. ‒
.Es ist ihnen nichts „heilig”, sie kennen
kein „Gut” und kein „Böse”!
.Sie sind nur erfüllt von dem Drange, von
euch
als reale Existenzen aner‐
kannt zu werden und euch gehörig zu
imponieren, einerlei, ob sie dies durch er‐
habene Reden, durch gemeine Scheltworte,
durch Prophezeiungen und gute Ratschläge
oder durch Foppereien und Albernheiten er‐
reichen.
.Glaubt ihr, auf diese Weise mit euren Ver‐
storbenen in Verkehr zu kommen, ‒ auch
im Zweifel kann schon der
Wunsch, dies
glauben zu
können, verborgen sein, ‒ so
werdet ihr auch nach
dieser Richtung hin
vorzüglich bedient werden, wobei allerdings
auch die
Möglichkeit immerhin besteht,
daß die euch täuschenden Zwischenwesen des
Unsichtbaren der physischen Welt die
Über‐
mittler von „Botschaften” werden, die
aus dem
Vorstellungsvermögen
Gestorbener stammen, deren Aufstieg aus nie‐
derer geistiger Entwicklungsstufe noch nicht
begonnen hat.
.Niemals aber werdet ihr
mit den
Gestorbenen selbst, einerlei, welcher
Stufe der Geistesentfaltung sie angehören, auf
solche Weise in Verkehr gelangen!
.Niemals!! ‒ ‒
Solange die Erde Menschen trägt, waren un‐
sichtbare Wesenheiten der physischen Welt
auch bestrebt, sich als „geistige Führer” an‐
zubieten, wo immer nach solcher Führung ver‐
langt wurde.
.Ja, noch
weit höhere Ambitionen wur‐
den ihnen durch den Erdenmenschen erfüllt,
und so mancher „Wunder” wirkende „Gott”
alter und, in gewissen Kulturkreisen, auch
gegenwärtiger Zeit, ist in ihren Reihen zu
suchen, die gar viele
Artunterschiede
kennen, vom tierhaften Trieb bis zu weit
über Menschenmaß entwickelter Intelligenz. ‒
.Es ist oft sehr verständlich, daß der Nicht‐
unterrichtete sich ehrfurchtsvoll und vertrau‐
end der
hypnotischen Einwirkung
dieser Wesen ‒ und um nichts anderes han‐
delt es sich im Grunde ‒ hingibt.
.Er beachtet es nicht oder hält es für selbst‐
verständlich, daß seine anscheinend so er‐
habene „geistige” Führung immer mehr Be‐
schlag legt auf seinen ‒
Willen, daß sie
in wohlberechneter Steigerung sich dieses Wil‐
lens zu
bemächtigen sucht. ‒
.Zuerst mögen oft überraschend
richtige
Ratschläge, besonders solche, die das
äußere Leben betreffen, gegeben werden,
oder auch
Voraussagungen, deren
richtiges Eintreffen noch weit mehr in Stau‐
nen setzt.
.Ist das Opfer dann hinreichend in seinem
Vertrauen gefestigt, dann ergehen nicht selten
„
Aufträge”. ‒
.Es wird ihm eingeredet, daß es „eine be‐
sondere Mission” habe, daß es dies oder jenes
vollbringen müsse, und die seltsamsten Tor‐
heiten sind schon infolge solcher vermeintlich
„geistiger” Aufträge zur Durchführung ge‐
langt.
.In anderen Fällen aber, wo allzu unge‐
stümes Vorgehen dazu führen könnte, daß
das schon gut umgarnte Opfer sich dem Ein‐
fluß der unsichtbaren Parasiten noch entwin‐
den würde, begnügt man sich, nur die Rolle
des erhabenen „geistigen Führers” zu spielen
und unterläßt wohlweislich alles, was den Ge‐
nasführten stutzig machen könnte.
.Der Unkundige ahnt nicht, mit welcher in‐
stinktiven
Schlauheit seine anscheinen‐
den „geistigen Freunde” zu Werke gehen. ‒
Er ahnt nicht, daß sie um seine geheimsten
Neigungen und Wünsche wahrlich besser Be‐
scheid wissen, als er selbst, und daß sie alles
ausnützen, was ihn dazu bestimmen kann,
sich freiwillig als Beute zu übergeben. ‒ ‒
.Diese
Freiwilligkeit ist aber nötig,
wenn ein Mensch den unsichtbaren Zwischen‐
wesen der physischen Welt anheimfallen soll,
und damit ist auch zugleich gesagt, wie eine
derartige Abhängigkeit mit aller Sicherheit
vermeidbar wird. ‒
Wer wahrhaftige
geistige Führung sucht,
der werde vor allem
seiner selbst sicher
und wisse, daß ihm niemals ein wirklicher
„Führer”
aus der Welt des Geistes
nahen wird, solange er sich selbst genügen
läßt an einer Pseudoführung, wie ich sie hier
ausführlich schildern mußte!
.Wirklich im
Geistigen „führen”
kann
nur einer aus dem Kreise der
Leuchten‐
den des Urlichtes auf dieser Erde,
und da wieder jeweils
nur der, dem solche
Führung im Einzelfalle anvertraut ist, weil
seine eigenen Seelenschwingungen denen des
Suchenden entsprechen, weil beider Empfin‐
dungsrhythmus sich in parallelen Bahnen be‐
wegt. ‒ ‒
.Niemals aber wird ein
solcher „Füh‐
rer” auf irgendeine Art heimlich den
Wil‐
len des Suchenden dem seinen unterzuord‐
nen bestrebt sein, niemals wird er diesen Wil‐
len auf irgendeine Weise auszuschalten suchen!
.Stets wird er es dem eigenen Willensent‐
scheid des
Suchenden überlassen, ob er
der stillen Ein-Gebung, die ihm vermittelt
wird, folgen mag oder nicht.
.Seine geistige und fast unmerkbare „Füh‐
rung” ist immer ein
Teilnehmenlassen
an der eigenen Erkenntnis, niemals ein auf‐
gedrungener Rat, obwohl sie indirekt voll
guten Rates ist. ‒
.In
keinem Falle wird er dem Suchen‐
den irgendeine Handlungsweise, irgendein Ver‐
halten „suggerieren”.
.Nie wird
solche Führung den Suchen‐
den mit einer angeblichen „Mission” betrauen,
nie wird sie ihn zu irgendwelchen Großtaten
in der Außenwelt aufrufen, nie wird sie sein
äußeres Dasein irgendwie zu beeinflussen su‐
chen...
.Sie wird auch niemals durch „Vorhersagen”
oder ähnliches sich Kredit verschaffen wollen,
wird keinen „Namen” mitteilen und keine Rat‐
schläge in bezug auf irdische Geschehnisse
geben.
.Solche Führung wird für den Suchenden
stets nur ein
Teilnehmen an dem in‐
neren Leben eines in Gott Voll‐
endeten sein, genau dem Grade der Emp‐
findungsfähigkeit angepaßt, der bei dem Su‐
chenden bereits gegeben ist.
.Der „Führer” wird mit seiner quasi „pas‐
siven” Ein-Sprache da sein, wenn das Ver‐
halten des Suchenden ihn „ruft”, und der
Suchende wird nichts von dem Dasein des
Führers bemerken, sobald er seiner Führung
entraten zu können glaubt.
.Wie ein im Innersten verbundener, mit ihm
Eines gewordener Freund wird er den Su‐
chenden geleiten, ohne sich selbst anders als
durch
sein eigenes Innenleben im
Geiste zu offenbaren, als „Vor-Bild” des Su‐
chenden, als Einstrahlung eines geistigen Seins,
das durch
seine Existenz allein wirkt,
ohne eines Frage- und Antwortspieles zu be‐
dürfen. ‒ ‒
Wer solche wahrhaft
geistige Führung
sucht, der halte sich ferne jeder Neugier hin‐
sichtlich des individuellen Außendaseins seines
Führers!
.Der Suchende vermeide alle „
Fragen”,
die sich auf seine oder seines geistigen Führers
äußeren, irdischen Lebensumstände beziehen
oder gar auf sonstige Geschehnisse der Außen‐
welt!
.Ja, er stelle auch in
rein geistigen
Dingen niemals „
Fragen”, sondern warte
ruhig, in innerer Sammlung, bis ihm durch
Ein-Sicht in seines geistigen Lehrers inner‐
stes Erkennen
Aufschluß wird über
jene Dinge, die ihm bislang noch ungeklärt
erschienen.
.Der wahrhafte
geistige Führer weiß
ohne jede Anfrage,
was in dem Suchen‐
den nach Klarheit verlangt, aber er ist auch
gehalten,
Zeit und Situation zu be‐
achten, die für den Suchenden die Bedingungen
bieten, restlose Klärung in sich aufnehmen zu
können, denn
nicht zu jeder Zeit
und in
jeder Lage ist die Seele fähig,
das Bild, das die Strahlen geistigen Lichtes
ihr dauernd einprägen können, ohne Ver‐
zerrung wirklich in sich aufzunehmen.
.Man darf auch gewiß nicht etwa die gei‐
stige Leitung durch einen der Leuchtenden
des Urlichtes auf dieser Erde erwarten, so‐
lange man noch selbst in dem Dünkel be‐
fangen ist, man sei im Besitz unfehlbar rich‐
tiger Erkenntnis, und der Führer müsse sich
selbstverständlich dieser so ungemein „logi‐
schen” Erkenntnis unterordnen.
.Auch
dann darf man keine wirkliche
geistige Führung zu erreichen glauben,
wenn man sie
nur so nebenher ge‐
nießen möchte und dem
Geistigen noch
so ferne steht, daß man den
realen Geist
mit Gehirnakrobatik verwechselt, ihn erreich‐
bar glaubt
auch ohne Führung, ja im
Grunde gesonnen ist, die erwartete Führung
einer spitzfindigen Dialektik als Material aus‐
zuliefern. ‒ ‒
.Nur „
wer aus Gott ist,
hört Got‐
tes Wort”, und die Lichtfülle des „
Wor‐
tes”, das „bei
Gott” und das „Gott”
ist,
wird
allein vermittelt, wenn ein wahr‐
haft
geistiger Führer im Leben einer
Seele in Erscheinung tritt. ‒
Möchten meine Worte, die
aus der Er‐
fahrung gesprochen sind, und nachdem
es gelang, so manchem zu helfen, recht viele
aus der polypenhaften Umklammerung be‐
freien, in die sie sich selbst begeben haben!
.Möchten durch diese Worte möglichst viele
Suchende, die dazu reif sind, einer echten
geistigen Leitung entgegengeführt wer‐
den!
.Wer aber sein Heiligstes verletzt glaubt
durch das, was ich hier sagen mußte, der
möge mir einstweilen verzeihen und seines
ehrlichen Strebens bewußt, noch geduldig
warten, bis auch ihm
die Augen ge‐
öffnet werden!
.Auch von dem hohen Gesalbten aus Na‐
zareth wird erzählt, wie ihn „der Teufel”
mehrfach versuchte.
.Hartes Fasten hatte in dem Geweihten
unerwartet „mediale” Situation bewirkt.
.Er aber
widerstand der Versuchung,
und von da an wußte er ‒ „Teufel
aus‐
zutreiben”, die nichts anderes waren, als
eben jene Lemurenwesen des unsichtbaren
Bereiches der physischen Welt, vor denen
ich hier zu warnen habe.
* *
*
Seitdem der grobkörnigste philosophische Ma‐
terialismus abgewirtschaftet hat und die
Naturwissenschaften nicht mehr als allein‐
seligmachende Erkenntnisquellen gelten, tritt
so mancher, der früher den Himmel „Engeln
und Spatzen” überlassen zu können glaubte,
den Problemen des Übersinnlichen nahe, und
da er von seinem früheren Forschen her eine
Arbeitstechnik mitbringt, die dort zu Erfolgen
führte, so glaubt er auch ohne weiteres, diese
Technik, diese „Methode”, auf das ganz an‐
dersartige Gebiet des
Übersinnlichen
übertragen zu können.
.Was er aber bestenfalls dabei erreicht, läßt
ihn nur zu bald erkennen, daß er hier mit
untauglichem Werkzeug hantiert.
.Entweder gibt er dann sein Forschen über‐
haupt auf, in der Meinung, dort, wo
sein
Werkzeug nicht brauchbar sei, könne auch
nichts Reales zutage gefördert werden, oder
aber, er experimentiert weiter und verfällt
der unsichtbaren Region der
physischen
Welt, die er dann für das gesuchte „Geistige”
hält. Da sie ihm nur sehr spärliche, zweifel‐
hafte Resultate liefert, so fängt er dann
früher oder später an, nachzuhelfen, indem
er durch spekulatives
Denken ersetzt, was
ihm die
Wirklichkeit schuldig bleibt.
Hier handelt es sich aber immer noch um
sehr ernst zu nehmende Leute, während sich
gleichzeitig auch ein Typus breit macht, der
nur den
Schein der Wissenschaftlichkeit
raffiniert benutzt, um ein wüstes Mystagogen‐
tum zu propagieren, um Anhänger für die
liebe eigene Person oder für irgend einen in
seinem früheren, noch wirklich wissenschaft‐
lichen Streben sich nicht genug gewürdigt
fühlenden Gernegroß zu werben.
.Nun wird da schleunigst aus allem, was
man an mehr oder minder einwandfreier
Quellenliteratur zusammengelesen hat, eine
„Geisteswissenschaft” gebraut, und an diesem
Zaubertrank erlaben sich alle, bei denen es
rein wissenschaftlich trotz Doktorat und Wür‐
den doch nicht so recht auslangen wollte, und
die nun hier ein Gebiet vor sich sehen, auf
dem man sich nach dem gefeierten Vorbild
des „großen Lehrers”, recht frei von jeder
wissenschaftlichen Kontrolle, ergehen kann,
und, mir nichts, dir nichts, in den Ruf eines
großen „Eingeweihten” gelangt, wenn man
nur die „Übungen” recht eifrig betreibt, die
der Herr „Geheimlehrer” vorschreibt und de‐
ren er für jeden, der zu ihm kommt, eine reiche
Auswahl auf Lager hält. ‒ „Übungen”, die
aus den Exerzitien des Ignatius von Loyola,
aber auch aus den übelsten Traktaten okkul‐
tistischer Sudelköche des Orients und Okzi‐
dents mit gleicher Fingerfertigkeit und mit
gleicher Verantwortungslosigkeit herausgegrif‐
fen wurden. ‒
Was schadet es, wenn hier und da einer der
„Geheimschüler” im Irrenhaus landet, wenn
die armen Mädchen nahezu kanonischen Al‐
ters, die den „Geheimlehrer” umschwärmen,
hysterisch werden, oder wenn die allzu harm‐
losen Gläubigen völlig an Geist und Körper
zugrunde gehen!
.Die „Geheimwissenschaft” will ihre Opfer
haben, und der Herr Geheimlehrer hat sich
seine Getreuen ja längst so erzogen, daß sie
wie auf Kommando über den armen Ver‐
lorenen herfallen, und ihm alle Schuld an
seinem Mißgeschick aufbürden; denn beileibe
darf es nicht gewagt werden, an der Infalli‐
bilität des „großen Lehrers” zu zweifeln, sonst
könnte ja Gefahr drohen, daß man selbst
seine eigene schöne Position als Kardinal eines
solchen neuen Papstes verlieren würde, ja,
die ganze Zirkuspantomime, die da aufgeführt
wird, könnte ein ungewollt frühzeitiges Ende
finden.
.So regnet's denn „Übungen” auf „Übungen”
immer weiter, und die Massenpsychose steckt
an wie der Keuchhusten, denn es finden sich
ja immer noch genug hornartig widerstands‐
fähige Gehirne, die all diese Prozeduren aus‐
halten, und wer sie wirklich auszuhalten ver‐
mag, der ist dann
dauernd gewappnet
gegen jede Einrede des gesunden Menschen‐
verstandes, gegen jede ernsthafte psycholo‐
gische Kritik an dem, was in ihm vorgeht; ‒
er
kann gar nicht mehr anders wollen, als
der „große Lehrer” will, und dieser will be‐
scheidenerweise ja nichts anderes, als die Welt
zu seinen Füßen sehen, auf
welche Art
das auch erreicht werden mag.
Doch sehen wir einmal von solchen Clowns‐
possen ab, die schließlich nur entstehen konn‐
ten, weil die Zeit reif dazu war und weil un‐
sere Zeit
krank ist,
elend krank,
‒ so daß sie sich in ihrer Not, aus der ihr
die ordentlichen Ärzte nicht mehr recht hel‐
fen können, gierig auf die Pillen und Schmier‐
pflaster der Quacksalber stürzt.
.Wir wollen hier vielmehr ganz im allgemei‐
nen untersuchen, welcher wirkliche Wert viel‐
leicht doch „okkultistischen Übungen” zu‐
kommen
könnte, denn auch außerhalb
der oben gekennzeichneten Kreise gibt es ja
genug Leute, die alles Erdenkliche und Un‐
erdenkliche von „okkultistischen Übungen”
erwarten, oder sich selbst mit den törichte‐
sten Zeremonien und seelischen Turnkunst‐
stücken abquälen, weil sie hoffen, auf diese
Weise der Weltordnung ein Schnippchen zu
schlagen und „das Zaubern” zu lernen, ‒
zum mindesten aber so klug wie die Schlange
des Paradieses zu werden, die bekanntlich
wußte, wie man „
wie die Götter” wird.
Ihre gläubigen Schüler haben nur offenbar den
berühmten Apfel nicht „
in der richtig‐
gen Weise” gegessen, wodurch der Unter‐
richt nicht so ganz die rechten Erfolge brach‐
te. ‒
Das
ist'
s eben mit den „Übungen”: ‒ man
darf
ja nichts versehen dabei, sonst
wird halt das Gegenteil von dem erreicht, was
man erreichen wollte, und das ist dann schlimm.
.So sagen sie
alle, die großen „Adepten”
der Magie, die zwar selbst keinen Strohhalm
auf andere Weise bewegen können, wie Hinz
und Kunz, die aber alle Riten, Zeremonien,
Formeln und Übungen kennen, die dazu nötig
sind, alle Weltgesetze im lustigen Wirbel nach
ihrer Pfeife tanzen zu lassen.
.Es wäre ein leichtes, aus dem Schrifttum
über „Magie”, soweit es von alter Zeit her
erhalten ist und soweit es die neuere Zeit
vermehrte, eine Riesenbibliothek zusammen‐
zustellen; aber man zeige mir
auch nur
einen einzigen aus den begeisterten
Verehrern dieser Schriften, der dahin gelangt
wäre, wirklich und jeder Kritik standhaltend,
irgend eines der Resultate zu erzielen,
die dem Novizen dort mit geheimnisvoller
Umständlichkeit versprochen werden, wenn
er die Anweisungen genau befolgt, von denen
ihre Urheber sagen,
sie hätten dadurch Re‐
sultate erlangt. ‒
.Alle die zum Teil doch auch
recht ge‐
scheiten Köpfe, die sich ihr Hirn
durch solche Lektüre verwirren ließen und
nichts dabei sonst erreichten, haben es eben
„
nicht richtig” gemacht. ‒
Aber da war einmal Einer, der sagte: „Wenn
ihr
Glauben habt wie ein Senfkörnlein
nur, so könnt ihr zu diesem Berge sagen:
'Geh' von da dorthin!' und er wird dahin
gehen, und
nichts wird euch unmöglich
sein.”
.Und an anderer Stelle berichtet man das
gleichsinnige Wort von ihm: „Wenn ihr einen
Glauben wie ein Senfkorn habt, so könnt
ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: 'Reiß dich
aus und setze dich ins Meer!' und er wird
euch gehorsam sein.”
.Auch er hatte
Schüler, und sie
baten ihn: „Stärke uns den
Glauben!”
.Und hier sind wir endlich an dem
Kern‐
punkt der
echten Magie, der
prak‐
tischen Geistes-
Weisheit!
.Auch hier gibt es „Übungen”, aber sie sind
recht wesentlich
anderer Art, und sie
führten noch
jeden zu greifbaren Resul‐
taten, der ihnen oblag, ‒ nur sind das keine
„okkultistischen” Übungen, so geheimnisvoll
ihr Bereich auch bleibt, und wer sie betreibt,
der braucht weder Zeremonie noch Ritual,
braucht keine Beschwörungsformeln, noch
abenteuerliche Zitationen, und wirkt doch
durch die „Magie des Wortes”, durch die er
das „
Urwort” erreicht, in dessen „Namen”
er alles vollbringt. ‒
Aber dieser „Name” ist nicht ein Wort aus
irgendeiner Sprache, das nur auf eine geheim‐
nisvolle Weise betont werden muß, sondern
eben jene erhabene
Kraft, die der Meister
der Evangelien den „
Glauben” nennt, und
des „Namens” geheimnisvolle „Aussprache”
ist die Kunst aller Künste: ‒ die Kunst, diesen
„Namen”
in sich zu erleben. ‒
.Alle „Übungen” dieser
wahren Magie
zielen einzig darauf hin, den Glauben in sich
erleben zu lernen und wollen
nicht
etwa „okkulte Künste” lehren, wollen
nicht
angebliche „Hellseher” oder Fakire bilden.
.Allerdings sind wirkliche
geistige Übun‐
gen auch, einesteils zwar leichter, andernteils
doch etwas schwerer zu vollbringen, als das,
was man „
okkultistische” Übungen
nennen muß, denn sie verlangen nicht nur
wie diese eine stundenweise „Konzentration”,
sondern sie wollen
den ganzen Men‐
schen,
all sein Tagewerk,
sein
ganzes Tun und Lassen; ‒ sie
wollen einen „
neuen” Menschen aus dem
Material erstehen sehen, das bis dahin der
Darstellung des „
alten” diente, und der
Umwandlungsprozeß darf keine Schlacken
übrig lassen.
.Alles, was bis dahin der Auswirkung des
Lebens diente, muß nun sich selbst aufgeben,
um
aus dem „
Glauben” zu leben. ‒
Wie versteht man doch das Wort vom „
Glau‐
ben” falsch, wenn man annimmt, dieser
hier geforderte Umschwung, der den Men‐
schen fähig machen soll, im „
Glauben”
zu leben, sei eine „
Meinungsänderung”,
beziehe sich auf das im Vulgärsinn „gläubige”
oder „ungläubige” Verhalten irgendwelchen
Berichten „heiliger” Bücher gegenüber, ‒ sei
bestimmt durch Ablehnung oder Zustimmung
in bezug auf gewisse Behauptungen religiöser
Lehrer! ‒
.Wenn
der „selig” wird,
der da „
glaubt”,
so wird er es wahrlich nicht, weil er irgendeine
metaphysische Lehre für richtig hält, sondern
weil er die Kunst erworben hat, die
Kraft
zu gebrauchen, von der hier die Rede ist, weil
er aus dem „Glauben”, aus der Kraft des
„Namens”
lebt, der das Wort ist, das „bei
Gott” und das da „Gott” ist!
.Man „
glaubt”
in rechter Weise, weil man
den „
Glauben” hat, wie man
lebt,
weil man
das Leben hat.
Vor dir liegt eine Rübe auf dem Felde. Ich
bringe dich in Hypnose und
zwinge dich
durch meine Suggestion, zu „glauben” (hier
nicht im alltäglichen Sinne gemeint), du
seiest außerstande, die Rübe aufzuheben, und
du wirst dich vergeblich mühen, sie vom Erd‐
boden auch nur zu lockern. ‒
.Ich
befreie dich aus der Bindung der
Hypnose, und du hebst die gleiche Rübe mit
Leichtigkeit auf, ja, du wirst jeden verlachen,
der an dieser deiner Fähigkeit zweifeln wollte,
denn jetzt
glaubst du nicht mehr (im
alltäglichen Sinne) nur an die Richtigkeit des
Satzes: „ich
kann eine Rübe vom Acker
aufheben”, ‒ an diesen Satz glaubtest du
ja im Sinne des Fürwahrhaltens auch in der
Hypnose,
trotz meiner gegenteiligen Sug‐
gestion, sonst hättest du dich gar nicht be‐
müht, es dennoch zu
versuchen, ‒
sondern jetzt „glaubst” du wirklich, d. h.
du fühlst in dir
die Kraft, die Rübe auf‐
zuheben, und diese Kraft, mittels der du
auch tatsächlich jederzeit diese Rübe aufheben
kannst,
ist nichts anderes als der von
dem Meister der Evangelien verlangte „
Glau‐
be”. Allerdings soll er auf etwas wichtigere
Dinge angewandt werden, als auf diese arme,
im Bilde nun schon fast zu Tode gehetzte
Rübe! ‒
.Dieser „Glaube” ist
nicht die durch
Erfahrung gewonnene
Gewißheit, daß
man etwas tun könne, sondern
die
Kraft, mittels der man es tatsächlich tun
kann!
.Es liegt eine unsagbar feine Ironie in dem
doppelsinnigen Wort, das der Meister von
Nazareth an den ungläubigen Thomas rich‐
tet: „Weil du
gesehen hast, Thomas,
hast du geglaubt” (den Bericht für richtig
befunden), „selig aber sind, die da
nicht
sehen” (nicht durch Erfahrung Gewißheit ha‐
ben), „und
doch glauben.” ‒
.Ein wunderbares Wortspiel des Meisters
mit dem Wort „glauben”, wobei er es
zu‐
erst im alltäglichen Sinne gebraucht,
dann aber am Schluß
auf die Lehre
anspielt, die er jahrelang verkündet
hatte. ‒
.Mag der Ausspruch „historisch” sein oder
nicht, so zeigt er doch mehr als manches an‐
dere, in welcher überlegenen Art der Meister
zu lehren pflegte, wie er den Scharfsinn der
Seinen anzuspornen wußte und keineswegs
immer auf Wortspiel und Ironie verzichtete.
.Es liegt hier aber
durchaus nicht
der einzige Ausspruch dieser Art vor,
und manches Wort, das die gleiche Prägung
zeigt, hat im Laufe der Zeit zu wildem Dogmen‐
streit den Anlaß gegeben....
Wie aber verhält sich denn die von ihm ver‐
kündete
Kraft, die er aus guten Gründen,
trotz aller Irrtumsmöglichkeit, den „
Glau‐
ben” nennt, zu dem, was „
okkultisti‐
sche” Übungen zutage fördern wollen?
.Da gilt es nun vor allem, sich klar darüber
zu werden, daß es
zwei ganz ver‐
schiedene Arten erdensinnlich uner‐
faßbarer Kräfte gibt, je nach dem Lebens‐
bereich des universalen Seins, dem sie an‐
gehören.
.Beide sind ‒ jeweils in
ihrer Region ‒
„
das einzig Wirkliche”, das aller
Erscheinung zugrunde liegt, und beide stehen
in ihrem Bereich um eine Stufe
tiefer,
als das, was durch sie vermittelt wird.
.Wenn ich sage, daß diese Kräfte in ihrem
Bereich allen „Erscheinungswelten” (es gibt
deren physische wie geistige)
zugrunde
liegen, so will ich das so verstanden wissen,
wie wenn ich sagen würde, daß jedem Ge‐
mälde, gleichgültig,
was es darstellt, die
Farben zugrunde liegen, daß die
Far‐
benmaterie an ihm „das einzig Wirk‐
liche” ist, obwohl das durch die Farbe
Dar‐
gestellte von einer
weit bedeuten‐
deren Wirklichkeit Kunde zu geben ver‐
mag, ‒ die aber
hier nur
durch die
Farbenmaterie mir bewußt werden kann. ‒
.So wird uns das ganze physische Universum
nur bewußt, weil ihm, ‒ hinter allen Formen
„einzig wirklich” ‒ die okkulten Kräfte
der
physischen Natur zugrunde liegen,
weil wir,
als Teil dieser Natur, dem
Kör‐
perlichen nach,
selbst eine dieser
physischen okkulten Kräfte
sind, und
in unserem anscheinend „grobstofflichen”
Körper das Instrument, der
feineren,
fluidischen Körperkräfte besitzen, das
den meisten schon als die Seele gilt, das aber
auch die anderen Tiere dieser Erde mit uns
gemeinsam haben, wenn auch in sehr ver‐
schieden starker Ausprägung seiner Fähig‐
keiten. ‒ ‒
.Wie nun aber das ganze
physische
Universum sich nur darstellt als Wirkung
physischer okkulter Kräfte, so stellen
sich auch die
geistigen Welten nur
dar als Wirkung real
geistiger okkulter
Kräfte, und diese wieder sind ‒ für sich
betrachtet ‒ nichts anderes als: das Reich
der flutenden
Seele, das zwischen
phy‐
sischer Weltdarstellung und
geistiger
Erscheinungswelt mitteninne liegt.
.Wie wir in der physischen Welt nur wahr‐
nehmen, nur „bewußt” sein können, weil
wir selbst eine ihrer
physischen ok‐
kulten Kräfte
sind und in unserem Körper
die feineren fluidischen Kräfte dieser Welt
tragen, so auch können wir
Geistiges
nur wahrnehmen, ‒ können wir im
Gei‐
stigen nur bewußt werden, ‒ weil
wir
selbst auch gleichzeitig eine der
gei‐
stigen okkulten Kräfte sind und in uns
einen
geistig-okkulten oder
Seelen‐
organismus tragen, ohne den die gei‐
stigen Welten, deren „Substanz” diese Seelen‐
kräfte sind, uns niemals wahrnehmbar sein
könnten, ohne den wir niemals im
Geiste
bewußt zu werden vermöchten.
Wenn man nun das treibt, was man eigent‐
lich unter „okkultistischen Übungen” ver‐
steht ‒ es gehört dazu alles, was die Inder
„
Hâta-
Yoga” nennen, und vieles andere,
was schon seit alter Zeit auch bei uns im
Okzident gepflegt wurde ‒ dann bedient man
sich lediglich der
feineren,
fluidi‐
schen Kräfte des Körpers, wirkt
lediglich auf die okkulten Kräfte der
phy‐
sischen Welt auf diese Art ein, und man
wird, nach unwandelbaren Gesetzen des
phy‐
sischen Universums, dadurch den Wesen‐
heiten dienstbar und verhaftet, die in dem
unsichtbaren Bereiche der
physischen
Natur ihre Wirkungsfelder haben, man ver‐
fällt unfehlbar der „Besessenheit” ‒ man hat,
wie der Volksmund sagt, ‒ seine Seele „dem
Teufel verschrieben”, ‒ denn die eigentliche
Seele, der okkulte
geistige Organismus,
wird im gleichen Grade
geschädigt, in
dem die feineren fluidischen Kräfte des
Kör‐
pers diesen Wesenheiten, die jenseits von
gut und böse, ohne Verantwortung und Moral
sind, ausgeliefert werden. ‒
.Es tritt ein
Schwinden, ein allmäh‐
liches
Loslösen aller wirklichen
Seelen‐
kräfte ein, die den individuellen, ewigen
Seelenorganismus bilden sollten, und als deren
Diener allein die feineren fluidischen Kräfte
des Körpers hätten wirken sollen.
.Man kann tatsächlich zu staunenswerten
Fähigkeiten gelangen durch Hâta-Yoga oder
ähnliche „Übungen”, bei denen nicht zuletzt
ein gewisses Atem-Training in Verbindung mit
Fasten, sexueller Enthaltsamkeit, vegetabiler
Diät und ähnlichem eine große Rolle spielt,
aber ‒ den Welten des
Geistes kann man
so
niemals nahen, ja
man verschließt
sich selbst die Pforte,
die zum
Reiche des wesenhaften Gei‐
stes führt, und keine Macht der Erde ver‐
mag sie für dieses Erdenleben jemals wieder
zu öffnen.
Es ist ein Glück zu nennen, daß diese
„Übungen” denn doch nicht so leicht
aus‐
zuführen sind, als die Zauberlehrlinge
glauben, ja, daß die wirksamsten Methoden
dieser Art ‒ obwohl sie manche Orientalen
kennen, ‒ zum wenigsten auf der westlichen
Seite dieser Erde fast unbekannt sind.
.So treibt gar mancher, der nach „okkulten
Kräften” strebt, gefährliches Spiel, nur macht
er es, trotz aller Anstrengung,
glücklicher‐
weise „nicht richtig”, und die solche
„Übungen” weitergeben, haben auch nur
„etwas läuten hören”, während ihnen, zum
Heile der Menschheit,
doch das Wesent‐
lichste verborgen blieb. ‒
.Aber auch bei allem Zufallserfolg, der mit‐
unter eintreten kann, hat der Unglückselige,
der solche „Übungen” praktizierte, doch nichts
anderes erreicht, als daß er mit Hilfe von
Wesenheiten, vor denen ihn Entsetzen packte,
könnte er sie sehen, wie sie
sind ‒ irgend‐
welche okkultistische Kunststücke zuwege
bringt (meist nur zum Schaden seiner Neben‐
menschen!) oder den tollsten Täuschungen
erliegt, die ihm durch die Einwirkung solcher
Wesen vorgegaukelt werden.
.Es ist eine Art
aktiver „Spiritismus”,
wenn man die medianime Betätigung der
„Spiritisten”
passiven „Spiritismus” nen‐
nen will.
.Das Ende eines Menschen, der diesen Weg
einmal betreten hat, ist niemals erfreulich und
noch weit schlimmer zumeist, als das Ende
der meisten „Medien”.
.Ich habe an anderen Orten genugsam da‐
von gesprochen...
Im schärfsten Gegensatz, sowohl zu der
Me‐
thode als zu dem
Resultat solcher
Praktik im Bereich der okkulten Kräfte der
physischen Welt, steht die Betätigung
der magischen Kräfte des
Geistes, die
Benutzung der
Seelenkräfte zu wah‐
rem magischen Werk.
.Schon bei
Heliodor finden wir im drit‐
ten Buche seines auch literarisch hochge‐
schätzten Romans „Aethiopica” die von höch‐
ster Weisheit zeugende Stelle:
.„Die
eine Magie ist
für den Pöbel
und wandelt sozusagen immer
niedrig
auf der Erde; sie hat mit
Gespen‐
stern zu tun und balgt sich mit Leichen.
Die
andere aber, die
wahre Weis‐
heit, um die wir Priester und Propheten
uns von Jugend auf mühen, blickt
zum
Himmel empor, verkehrt mit den
Göttern und hat
Teil an der Natur der
machtvollen Wesen...”
.Wer wollte hier noch im Zweifel sein,
welche Art Magie der hohe Meister aus
Nazareth lehrte! ‒ ‒
.Und die Anweisungen, die er gibt, um zu
dieser wahren Magie zu gelangen, führen von
Stufe zu Stufe aufwärts.
.Man lese die
Bergpredigt, und man
wird wissen, welche allgemeine „
Vorübun‐
gen” ihm ganz unerläßlich erscheinen; wenn
man aber nach „Übungen”
für die Fort‐
geschrittenen sucht, dann spricht jedes
seiner Gleichnisse für Bände, ganz abgesehen
davon, daß er sehr deutlich zu seinen eigent‐
lichen Schülern sagt:
.„Euch ist es gegeben, das
Geheimnis
des Reiches der Himmel zu erfassen, den
andern aber wird es
nur durch Gleich‐
nisse.”
In den Gleichnissen sagt er
das, was als
„Übung”
allein nötig ist: Die
Einstel‐
lung des Bewußtseins auf die Re‐
gungen der Kräfte der
Seele, und die
Folgeleistung, die der Wille diesen
Anregungen schuldig ist.
.Seinen eigentlichen
Schülern aber
zeigte er auch die
Wirkungsweise der
geistigen Gesetze.
.Ihnen zeigte er,
weshalb das getan wer‐
den muß, was im Gleichnis anempfohlen wird.
.Ihnen gab er auch Aufschluß darüber, wie
man „böse Geister”
vertreibt, eben jene
Zwischenwesen des unsichtbaren Teiles der
physischen Welt, sobald sie der Seele
Schaden zufügen.
.So führt er, ‒ bald
verstanden, bald
mißdeutet von den Hörenden, ‒ seine
Schüler ein in gar manche Weisheitslehre, die
dem Kleinsten und Unmündigen „offenbart
werden” kann, den Neunmalklugen und Auf‐
geblasenen aber „verborgen bleibt”. ‒
.Und trotzdem sagt er das Wort: „Ich hätte
euch
noch vieles zu sagen, aber ihr könnt
es jetzt noch nicht tragen” und weist die so
Belehrten darauf hin, daß für jeden wahr‐
haft Vorbereiteten „der Geist der Wahrheit”,
der
wahrhaftige göttliche Gei‐
stesfunke in das wahre
Seelen-
Ich
komme: ‒ der „
lebendige Gott”, ‒
der sie „alle Wahrheit” lehre, der nur aus
dem „
Seinigen” nähme, auch wenn er
einst aus
anderem Munde reden werde. ‒
.Geheimnisreich bleibt dieses Wort in seinem
Doppelsinn, weil alles, was der Gesalbte selbst
gegeben hatte, aus dem Meere der geistigen
Schätze des „
lebendigen Gottes” war,
den er in sich trug und mit dem er vollbe‐
wußt sich vereinigt hatte, wie jeder der
„
Seinen”, die er
nach sich kommen sah.
.„Wenn ich
aus mir selbst reden würde,
wäre ich ein Lügner, aber ich rede
nicht
aus mir selbst, sondern was
der Vater
mir gesagt hat,
das sage ich euch!”
.Keiner derer, die aus der Wahrheit re‐
den, sagt das, was er lehrt,
aus sich
selbst und niemand ist berechtigt, den
Weg der Einigung im Geiste zu zeigen, wenn
er
den Vater nicht lebendig in sich trägt:
wenn er nicht vollbewußt mit seinem „le‐
bendigen Gott” in Ver-
Einung lebt. ‒
Es ist nicht nötig, daß ich hier aufs neue
alle Anweisungen wiederhole, die ich an so
vielen Stellen und in so vielerlei Weise be‐
reits gegeben habe.
.Es war mir verstattet, auch manches zu
sagen, das einst der Meister von Nazareth
seinen Schülern, seinen „Jüngern” noch nicht
geben konnte, weil es „
zu schwer” für sie
gewesen wäre, und ich durfte dies nur des‐
halb, weil alles dieses längst seither, wenn
auch in
verzerrter Form, der Allgemein‐
heit bekannt geworden ist, ohne daß sie dessen
achtet.
.Ich
mußte über diese Dinge Aufschluß
geben, weil die verzerrte Form, in der bis‐
lang der Menschheit davon Kunde kam, un‐
sagbares
Unheil schon verschuldet hat und
weil diesem Unheil endlich
Einhalt ge‐
boten werden sollte. ‒
.Es ist aus diesem Grunde wichtig, die Er‐
kenntnis zu verbreiten, daß die okkulte Welt
der
physischen Natur nur von
sol‐
chen allenfalls gefahrlos betreten werden
kann, die von Geburt an Eignung dazu be‐
sitzen und dann von einem berechtigten Füh‐
rer
zur sicheren Beherrschung der
hier wirkenden Kräfte
geschult wurden.
.Führer aber sind hier allein die
Leuch‐
tenden des Urlichts, die „Meister”
der „Weißen Loge”, die freie
Beherrscher
der okkulten Kräfte physischer Natur werden
mußten, bevor ihnen die Schlüssel in die‐
sem Erdendasein überantwortet werden konn‐
ten, die allein jene Pforte öffnen, durch wel‐
che für alle Menschen dieser Erde der Weg
zu den Reichen des Geistes führt. ‒ ‒
.Wer die Fähigkeit, durch die Kräfte des
feineren, fluidischen Körpers zu wirken, auf
diese Weise rechtmäßig erworben hat, der
kann auch durch sie im gegebenen Falle
Segen schaffen.
.Allen anderen aber müssen diese
Kräfte zum Unheil gereichen.
Was aber
allen, ohne Ausnahme,
Se‐
gen bringt, das ist die Entfaltung der ok‐
kulten
geistigen Kräfte, der Kräfte der
Seele.
.Wie man diese Kräfte gebrauchen lernt
unter sicherer innerer Führung, die für jeden
sich einstellt, der selbst in ehrlicher ernster
Weise
durch die Tat beginnt, diese
Kräfte zu üben, das lehrt in ausführlichster
Weise die von mir aufgezeichnete Lehre, die
aus keiner anderen Quelle schöpft, als aus
dem Born der ewigen Weisheit, den der hohe
Meister aus Nazareth, den „
Geist der
Wahrheit” nannte, und den er als ewig
unversiegbar kannte: ‒ auch noch den fern‐
sten Geschlechtern Segen spendend.
* *
*
Es scheint sehr schwer für die Betroffenen
zu sein, bei mediumistischen Äußerungen
völlig davon abzusehen, welches Resultat die
Manifestationen der in Frage stehenden un‐
sichtbaren Wesenheiten zutage fördern. ‒
.Erhält man „erhaben” klingende Mittei‐
lungen oder gar Ratschläge für den Alltag,
die sich einmal gut
bewähren, so ist
man sofort bereit, den Eingriff „hoher gei‐
stiger Führer” anzunehmen, was unter Um‐
ständen so weit gehen kann, daß Lebens‐
schicksal und materielle Zukunft den Ein‐
flüssen dieser vermeintlichen hohen „Geistes‐
wesenheiten” blindlings anvertraut werden.
.Man merkt nicht, daß man sich in einer
Art Hypnose befindet und ergibt sich gefügig
den Impulsen eines fremden Willens.
.Welcher Art die hier in Rede stehenden
Wesenheiten
wirklich sind, habe ich in
meinem „
Buch vom Jenseits”, im
„
Buch der königlichen Kunst”
und auch in diesem Buche ausführlich dar‐
gelegt. Es handelt sich weder um „liebe
Verstorbene”, noch um höhere oder niedere
„
Geisteswesenheiten”, sondern um
unsichtbare Wesen eines uns im allgemeinen
unerschlossenen Teiles der
physischen
Welt. ‒
.Diese Wesen sind weder „gut” noch „böse”,
sondern
amoralisch. Es ist ihnen ledig‐
lich darum zu tun,
sich für den Menschen
zu
manifestieren, und gewisse Men‐
schen mit besonders geeigneter psychophy‐
sischer Veranlagung sind ihnen dazu dienliche
Apparate, dienen nur ihrer Selbstbefriedigung.
.Die Wesen, um die es sich hier handelt,
wirken,
der kosmischen Ordnung
gemäß, als
gestaltende Former
innerhalb der physischen Erscheinungswelt.
.Darf es da Wunder nehmen, daß sie auch
bei ihren
irregulären Versuchen, sich
am quasi „ungehörigen” Ort zu manifestieren,
formenbildend wirken?
Es gibt eine ganze Reihe von Manifestationen
solcher Wesen, bei denen sie als
Formen‐
bildner ihrer Art nach in Erscheinung
treten, und dazu gehört auch die Benutzung
ihres Mediums zur Darstellung zeichnerischer
oder malerischer Gebilde, ein in der Ge‐
schichte des Mediumismus überaus häufig
beobachteter Fall.
.Ich selbst habe genügend solche Mani‐
festationen beobachtet, und noch weit stau‐
nenswertere Dinge ähnlicher Art erlebt, nur
mit dem einen Unterschied: daß ich die das
Medium gebrauchenden Wesen
in meiner
Gewalt hatte, so daß sie tun mußten, was ich
ihnen gebot.
.Gerade die Manifestationen auf dem Gebiet
der Malerei erscheinen nun auf das erste
Anschauen hin als ziemlich harmlos, aber dem
ist durchaus nicht so.
.Jede Äußerung der hier in Betracht
kommenden Wesen verlangt von dem Medium
ein völliges oder doch nahezu völliges
Auf‐
geben der eigenen Willensim‐
pulse, liefert die Kräfte des Mediums an
Wesenheiten aus, die ohne jedes Verant‐
wortungsgefühl
nur ihre eigene Be‐
friedigung suchen, einerlei, ob das Medium
dadurch seelisch intakt bleibt oder nicht.
.Diese Wesen suchen und finden instinktiv
jederzeit bei ihrem Opfer
den Punkt des
geringsten Widerstandes.
.Sie werfen jedem den Köder hin, auf den
er anbeißt...
.Auf die Kräfte der
Seele, die sie be‐
nutzen, wirken diese Wesen genau so ver‐
derblich, wie Bazillen und andere Mikroben
auf die Kräfte des physischen
Körpers.
.Es kann daher
nicht frühzeitig
genug die Gefahr
erkannt werden,
mögen die Phänomene auch noch so „schön”,
noch so „erhaben” oder „interessant” sein.
.Wenn auch im Augenblick keine Schädigung
bemerkt wird, so bleibt sie doch
niemals
aus, und in den meisten Fällen, in denen man
nicht
zeitig der Gefahr begegnete, sind
die Schädigungen irreparabel.
.Man kann gar nicht genug vor solchem
Spiel mit jeder Kontrolle entzogenen Wesen‐
heiten warnen!
Gewiß ist jeder wahrhafte
Künstler
beim Schaffensvorgang ein Diener seines in‐
neren Gottes! Gewiß kennt er das Hören
nach Innen und die „innere Stimme”!
.Gewiß weiß auch er nicht zu sagen, von
wannen der Geist kommt, der ihn erfüllt!
.Aber
wann und
wo hat je ein schaffen‐
der Künstler sich diesem Geist überlassen
müssen
in der Art eines Mediums,
‒
mechanisch seine Hand be‐
wegt fühlend, und Werke gestaltend,
die nicht erst durch eigenes
Können be‐
dingt waren? ‒
.Wo ist der Schaffende, von
Dante bis
Goethe, von
Giotto bis zu unseren
modernsten Malern, der nicht um den
Ausdruck des ihn innerlich Bewegenden
hätte
ringen müssen, der nicht in jahre‐
langen Studien sich die Grundlage hätte er‐
werben müssen, durch die er erst zu einem
Diener seines Gottes
werden konnte?!? ‒
.Niemals nimmt die „Inspiration” des
Künstlers ihm die
Herrschaft über
sich selbst, niemals wird er nur
me‐
chanischer Apparat, sondern das
direkte Gegenteil tritt ein! ‒
.Alles mühsam erworbene
Können wird
aufgerufen,
jede seelische Quali‐
tät des Schaffenden wird
in gestei‐
gertem Maße bewußt und lebendig, alle
Kräfte der Seele werden leicht und
frei, während
das eigene „
Ich” in
ganz unerhört krafterfüllter Weise so schaltet
und waltet, daß der Künstler, wenn er später
wieder dem Alltag gehört,
sich selbst
fremd vorkommt und zu der Annahme
neigt, er könne gar nicht der gleiche sein, der
in so souveräner Weise in den Stunden des
Schaffens all seine Seelenkräfte ans Licht zu
bringen wußte.
.Wo ist hier etwas von der
Passivität
des Mediums, das nur bewegt wird wie die
Froschschenkel, durch die
Galvani den
elektrischen Strom wirken sah, ‒ das kaum
hinzusehen braucht auf die Arbeit, zu der es
seine Hand herleiht, und dessen „Ich” die
ganze Geschichte im Grunde überhaupt nichts
angeht, da ja der eigentliche Wirkende sein
Opfer viel besser ausplündern kann, wenn es
möglichst gar nicht auf ihn achtet, ‒ am
besten im richtigen „Trancezustand”, also
bei völliger Aufgabe des Bewußtseins! ‒ ‒
Dabei ist das, was diese Wesen durch ihr
Medium hervorbringen,
niemals Origi‐
nal, denn sie sind wohl von Natur aus
Formen-
Bildner, aber nicht Formen‐
Schöpfer, sind
keines eigenen
Gedankens,
keiner eigenen Formidee
fähig, und müssen sich ihr Material dort, wo
sie
nicht,
ihrer Ordnung nach,
kosmischen Impulsen dienen,
also wenn sie ein „Medium” zu beherrschen
suchen, aus den
Vorstellungsbildern
zusammenklauben, die
durch mensch‐
liche Gehirne zur Gestaltung kamen!
.Mitunter bringen sie solche Vorstellungs‐
bilder noch
intakt zur Reproduktion, so
daß es leicht nachzuweisen ist,
woher sie
ihren Raub holten.
.Meistens aber sind es nur
bunt zu‐
sammengewürfelte Bruchstücke,
aus denen sie ihre Darstellungen weben, mag
es sich um gedankliche „Offenbarungen”, oder
um medianime Malereien und Zeichnungen
handeln.
.Es ist notwendig, hier auf
reinliche
Klarheit in der Unterscheidung zwischen
künstlerischem Schaffen und
me‐
dialer Betätigung zu halten, sonst
geraten wir in eine geradezu teuflische Ver‐
wirrung der Begriffe.
.Hier erwächst mir die
Pflicht, aus
sicherster Kenntnis der in Rede stehenden
Vorgänge heraus, der Wahrheit gemäß zu
reden, um so mehr, als auch
diese Abart
lemurischer Besessenheit nur allzuoft als himm‐
lische „Begnadung” angestaunt wird, und
wir in diesem Buche
reinlich schei‐
den wollen, was niemals sich vereinen läßt! ‒
Wahrlich, es ist nötig, in immer
neuen
Bildern von der
Wahrheit zu zeu‐
gen, der Wahrheit, die ohne Bild und Gleich‐
nis nicht
faßbar werden kann, da sie
Wirk‐
lichkeit ist,
Ursein der Dinge,
Quelle alles Lebens! ‒
.Nichts wehrt in unseren Tagen der Ver‐
wirrung der Geister.
.Jedwedes Zeugnis inneren Erlebens wird
aus dem Moder der Grüfte, aus dem Staube
der Bibliotheken ans Licht gezogen und den
bebenden Händen der Suchenden wie ein
Orakelspruch dargeboten.
.Von überallher nimmt der Suchende, was
sich findet und finden
läßt. Fiebernd
durchwacht er die Nächte über umfangreichen
Folianten, in seinen Taschen trägt er die
fragwürdigsten Traktätchen mit sich wie ein
Heiligtum, ehrfürchtig lauscht er allerorten
dem dunklen Worte unberufener Lehrer, und
glaubt so am Ende doch einst den Weg zu
finden, der hin zur
Quelle des
Lebens führt!
.Die Köpfe sind angefüllt mit den skurrilsten
Phantastereien der abenteuerlichsten Mysta‐
gogen; seltsamste „Wissenschaft” von Dingen,
die niemals Wissenschaft
werden können,
gibt sich in Wort und Schrift mit großer
Gebärde einer erstaunten Welt, die Rüst‐
kammern menschlichen Aberglaubens aller Zei‐
ten werden durchstöbert und geleert, wüstester
Spuk wird wieder modern!
.All diese Wirrnis aber wird genährt durch
eine brennende
Sehnsucht verschmach‐
tender Herzen, und gar viele, die da jeweils
hinter dem neusten Jahrmarktspropheten in
trunkener Geste herlaufen, waren ja nur
gekommen, weil sie um keinen Preis etwas
versäumen wollten, das ihrem irren
Suchen
Richtung geben könnte...
Es sind durchaus nicht die Schlechtesten,
die so das Opfer verantwortungsbarer Wirr‐
köpfe und dreister Schwätzer werden!
.Gar manchem der sich nasführen ließ,
gehen aber doch noch zur rechten Zeit die
Augen auf und er sieht dann mit Entrüstung
und Scham vor sich selbst, daß er sich einer
„Führung” überlassen hatte, die selbst des
Weges nicht kundig war, ja, daß er „Führern”
folgte, denen nie an seiner Führung wirklich
lag, ‒ die nur die Torheit ihrer Neben‐
menschen schlau durchschauten, die nur der
Sehnsucht Suchender den
Köder zu be‐
reiten wußten, um sie ins Garn zu locken.
.Auch unter den Lesern dieser meiner Worte
dürften nicht wenige solcher schwer Ent‐
täuschten sein!
.Sie ahnen aber vielleicht
trotz aller
Enttäuschung, daß es
dennoch einen
Weg für sie geben müsse, auf dem sie das Ziel
ihrer Sehnsucht
erreichen könnten.
.Ihnen sollen vor allem diese Worte gelten!
Wer bereit ist,
trotz aller erkannten
Irrtumswege
nicht eher nachzulas‐
sen in seinem Streben, als bis er gefunden
hat, wonach seine Seele sucht, der kann den
Weg ins Freie finden,
den schmalen
Pfad, der zum
wesenhaften Lichte
führt!
.Ich habe diesen Weg schon gar oft gezeigt
und ich zeige ihn hier wieder für alle, die ihn
finden wollen.
.Führung ist
nötig auf diesem Wege,
denn er führt durch manchen dichten Dschun‐
gel, in dem den arglosen Wanderer sehr
gefahrvolle Seitenpfade locken, ‒ führt durch
Wüsten, in denen jede Wegspur sogleich vom
Sande verweht wird, so daß der Weg für jeden
von neuem bereitet werden muß. ‒
.Torheit wäre es und
Anmaßung
zugleich, wollte der Suchende glauben, hier
aus
eigenem Ermessen den rechten
Pfad zu
unterscheiden!
.Torheit und
Anmaßung wäre es
aber auch, wollte er sich verwegen
fähig
dünken, sein
höchstes Ziel zu erreichen,
ohne die
Prüfungen seiner Kräfte
erst zu bestehen, die auf den einzelnen Stadien
seines Weges neu an ihn herantreten werden. ‒
.Torheit und
Anmaßung wäre es
endlich, wollte er in sich selbst sein höchstes
Ziel,
das Bewußtsein der Ein‐
heit mit der Urquelle allen
Lebens, zu erreichen hoffen,
ohne die
Hilfe solcher, die dieses Ziel schon er‐
reichten. ‒ ‒
.Er würde dann einem Bergsteiger gleichen,
der den
höchsten Gipfel des Gebirges
von der Ebene aus erreichen möchte, ohne
die
Vorberge zu ersteigen, die den
Hauptgipfel umlagern, und von deren Höhe
aus ihm erst der
richtige Weg zur er‐
sehnten
höchsten Höhe des Gebirges
gezeigt werden
kann.
Unkritisch hörenden Ohren klingt es recht
tapfer, wenn einer sagt: zwischen ihn und
seinen Gott dürfe sich „
nichts dazwi‐
schen” stellen; aber der „Gott”, der so
vermeintlich erfühlt wird, ist ein
trügeri‐
scher Gott, ein
Gebilde eigener
Vorstellung, dessen Realität eben nicht
weiter reicht, als die Realität
aller Vor‐
stellungsbilder. ‒
.Wohl mag ein solcher „
Gott” eines from‐
men Träumers eine Zeitlang seinem an ihn
verhafteten Gläubigen Trost gewähren, ‒
wohl mag er Kräfte in ihm erregen, die ihn
noch mehr in der Täuschung bestärken, hier
habe er es mit der
Urquelle allen Le‐
bens zu tun, allein in der ewig
bleiben‐
den Wirklichkeit ist ein solcher „Gott”
nur
Trugbild, und niemals vermag er
auch nur das allergeringste an den
realen
Gegebenheiten dieser
absoluten
Wirklichkeit zu ändern. ‒
.Der Mensch, der mit dieser Art
Pseudo‐
Gotteserlebnis zufrieden ist, wird noch
weniger jemals seinen „
lebendigen Gott”
in sich finden, wie der sogenannte „Gottes‐
leugner”, der in den meisten Fällen nur darum
das „
Dasein” Gottes verneint, weil er den
frommen Trug auf irgend eine Art im
wesentlichen
durchschaut, in den der
andere sich versenkt, der mit „Gott” auf du
und du zu stehen glaubt und doch nur ein
Gebilde seiner
Phantasie anbetet. ‒
.Wohl ist der „Gottesleugner” sehr im Recht,
wenn er das Dasein eines
solchen Gottes
leugnet, und sein ganzer Irrtum besteht nur
darin, daß
er, der den Schemen als Schemen
erkannte, es nun
unterläßt, nach
der
Wirklichkeit zu forschen. ‒
.Immerhin kann ihm noch eines Tages das
echte Erleben des
wahrhaftigen,
in
sich selbst lebendigen Gottes
vorbehalten sein, indes der Gläubige, der sich
an seinen selbsterzeugten
Scheingott
band, nur gar selten sich noch aus der eigenen
Fessel zu erlösen vermag.
Es gibt aber noch
andere Täuschungs‐
möglichkeiten, und viele Suchende sind ihnen
schon verfallen.
.Von einer der wichtigsten, die im Leben
der meisten „Mystiker” eine mehr oder we‐
niger bedenkliche Rolle spielt, soll hier die
Rede sein.
Ohne jegliche Führung,
ohne
jede Hilfe geistig Erwachter
kann
jeder Mensch ein
geistiges
Licht in sich gewahren, das Bild eines
flammenden Sterns, das die Mön‐
che des Athos nicht anders genugsam wür‐
digen zu können glaubten, als dadurch, daß
sie es das „heilige Licht der Gottheit” nannten.
.Aber nicht nur
die Mönche der Athos‐
klöster, auch viele andere Mystiker und
Gottsucher ließen sich verführen, in
diesem
Lichte die Gewißheit der Vereinigung ihrer
Seele mit dem
lebendigen Gotte
bestätigt zu sehen.
.Indessen war alles, was sie erlebten, nur
ein vager Abglanz
ihrer eigenen höch‐
sten Lebensform; ‒ sie waren zu
Selbstanbetern geworden, wo sie die
Gottheit gefunden zu haben wähnten...
.Sie schauten in sich nur
jene Lebens‐
form ihres Geistes,
die erst
dann zu ewigem Leuchten erwachen
kann, wenn der „
lebendige Gott”, voll
Kraft und Wirklichkeit, sie zum Throne seiner
Herrlichkeit macht, ‒ wenn er sich selbst
„als Kind der Jungfrau” im Menschen dieser
Erde die „Geburt” bereitet, verkündet von
den „
Hirten”, die da die „Nachtwache”
halten, ‒ angebetet von den „Weisen des
Morgenlandes”, den Priesterkönigen aus dem
„innersten Osten”, die allenthalben den „Stern”
zu sehen vermögen, sobald er über einem
„Stalle” aufleuchtet, in dem „zwischen un‐
vernünftigen Tieren” der
König geboren
wird, der Israel „
erlösen” will.
.Viele sprachen in trunkener Rede von der
„Wiedergeburt”, ‒ von der innigen „Freund‐
schaft” ihrer Seele mit „Gott”, ‒ von der
„geistigen Hochzeit” mit dem „himmlischen
Bräutigam”, ‒ ‒ viele glaubten das Werk
getan und das „
Nirvana” erreicht, ‒ und
hatten
doch nur in sich das Bild des „
flam‐
menden Sterns” gesehen, der erst zu
ewigem Leuchten die Kraft empfangen muß,
die nur das „
Urwort” geben kann und die
keiner je erlangt, der nicht den Weg beschrei‐
ten mag, den
das „
Urwort”
selbst
dem gefallenen Sohn des Geistes bereiten
mußte, damit es erneut für ihn erreichbar
werde.
Wir Menschen stehen nicht
isoliert im
Dasein! Wir sind alle nur Auswirkung ewiger
Schöpferkraft, und als solche Auswirkung
durch tausend geheime Fäden miteinander
verbunden.
.Was immer es zu erreichen gilt, ‒ niemals
kann der
eine ohne den
anderen fertig
werden, und in der harmonischen Wechsel‐
wirkung des einen auf den andern werden
alle großen Ziele menschlichen Strebens er‐
reicht. ‒
.Wollen wir um jeden Preis
allein und
ohne Hilfe anderer etwas erreichen, so zei‐
gen wir dabei nur, daß wir uns selbst noch
nicht als
das verstehen, was wir nun ein‐
mal
sind und auch
vor unserem „Falle”
von Ewigkeit her waren. ‒ ‒
.Wir
müssen dann in die Irre gehen,
auch wenn wir mit lauterstem Willen, mit
reinstem Herzen das Höchste erstreben mö‐
gen...
.Auch des Menschen
höchstes Hochziel,
das Erleben der Vereinigung
mit seinem „
lebendigen Gott”
voll Kraft und Wirklichkeit,
ist für ihn niemals erreichbar, wenn er der
Führung entbehren zu können glaubt, die
ewige Weisheit und Barmherzigkeit in Liebe
für ihn bestellte.
.Er
bedarf dieser Führung, weil es nun
einmal so
im kosmischen Leben des
Ganzen begründet ist, und er wird keines‐
wegs an Wert verlieren dadurch, daß er sich
Hilfe erbittet, so wenig der andere
etwa dadurch an Wert gewinnen kann, dem
es obliegt, die geistige Hilfe zu
spenden,
nachdem auch
ihm dereinst geholfen werden
mußte, bevor er Anderen Hilfe spenden
konnte. ‒
.Hier reicht stets eine Hand der andern
weiter, was sie einst selbst empfing, und keiner
hat etwa
allein aus sich, was er den
andern nun zu geben hat!
Nur aus dem strahlenden „
Urwort” geht
„das Wort des Herrn in alle Lande” und
schafft zu aller Zeit die
Leuchtenden
der Erde, die ihren noch nicht erwachten
Brüdern
Licht ins Dunkel bringen
kön‐
nen, denn der Mensch, der nicht
berei‐
tet wurde, ‒ längst ehe er als seiner Mutter
Sohn auf dieser Erde geboren ward, ‒ ver‐
mag es nach dem „Falle”
nicht mehr,
ohne Hilfe jenes Licht zu fassen, das dem
„
Urwort” nur
allein entströmt, und das
nur den zum „
Worte” werden lassen kann,
der schon Jahrtausende, bevor die Erde ihm
den Leib des Tieres zur Verhüllung gab, aus
freiem Willen eine Bürde auf sich nahm, die
schwer zu tragen ist für einen Erdenmenschen,
und die nur selten einen findet, der dem
„
Fall” erlegen war, und sie dann doch noch
aus Mitleid und Erbarmen mit der Erden‐
menschheit auf sich nimmt.
.Nur wer so zum „
Worte”
berei‐
tet wurde, hat das
Recht, seine Ne‐
benmenschen nun zu
belehren, wo es
höchste Lehre gilt, und es ist der Mensch‐
heit noch zu allen Zeiten solche
gesicherte
Lehre geworden, durch Lehrer, deren
Wort
in Gott begründet war.
.Kein einziger Mensch, den jemals,
seit Jahrtausenden, diese Erde trug und
nährte, hat je sein
höchstes Ziel erreicht,
keiner ist je zum
Bewußtsein der
Vereinigung mit seinem „
le‐
bendigen Gott” gelangt,
ohne die
geistige Hilfe dieser, vom „
Urwort” zum
Helfen Verordneten!
.Ihnen allein ist zu
vertrauen, ‒
und ob man tatsächlich auch einen aus ihnen
vor sich hat, darüber läßt die Stimme des
Herzens niemals einen Zweifel zu, solange sie
nicht übertönt wird von trügerischen Lehren,
denen man sich, ohne zuerst zu fragen, wahn‐
betört dereinst gefangen gab.
Nicht
Wundertaten geben hier den
Ausweis, und niemals wird ein wahrer Helfer
seiner Brüder sich mit
Fakirkünsten
brüsten.
.Wohl kann es sich ereignen, daß er Kräfte
meistert, die den meisten „übermenschlich”
erscheinen und „wunderbar”, ‒ allein solche
„Zeichen und Wunder” sind
auch dann
nur sekundäre Nebenerschei‐
nungen seines Wirkens und neben an‐
derem nur durch besondere Eignung seines
psycho-physischen Organismus bedingt, ‒
aber niemals kann
solches Wirken ihn als
Berufenen erweisen.
.Das Akkreditiv des wahrhaft zur Hilfe Ver‐
ordneten wird stets nur in jenem
aller‐
innersten Inneren der
Hilfe‐
suchenden gefunden, das kein Senkblei
mißt und in das die Tagesmeinung und das
Vorurteil des Gedankens niemals dringt.
.Wer
dort, die Worte seines Lehrers prü‐
fend,
Antwort sucht, durch keiner selbst‐
geschaffenen Lehre Wahn beirrt, und keiner
Meinung anderer verhaftet, ‒ wird niemals
sich durch
falsche Lehrer trügen lassen.
.Man wird ihn zu der
Quelle des Le‐
bens führen, zu jenem „
Urlicht”, das
sich selbst als „
Urwort” erkennt und das
seine „
Worte” als
lebende Geistes‐
wesenheiten „spricht” von Ewigkeit zu
Ewigkeit.
Wie ein Dichter, aus Worten der mensch‐
lichen Sprache, Gesänge, Epen und Hymnen
formt, so formt sich das „
Urwort” aus
seinen „
Worten”, aus eigener Schöpfer‐
kraft, seinen
ewigen Preisgesang
in Gestalt unermeßbarer
Hierarchien
geistiger Wesenheiten, und jener
Hierarchien letzter
Ausklang findet sich
in den Brüdern der „
Weißen Loge”,
die seit Urzeittagen auf dieser Erde
Licht
zu verbreiten sucht, und deren Glieder
al‐
lein die
Vollmacht des Geistes be‐
sitzen, aus
innerstem „
Wissen”, aus
tiefster Erfahrung heraus,
vom
Geiste zu zeugen.
.So gehen vom „
Worte”, das „
Gott”
ist, von der
Selbstaussprache des
ewigen „
Urlichts”, alle Strahlen aus,
die je auf Erden
Licht zu zünden suchten!
.Das erscheint
nur denen unfaßbar oder
des Zweifels wert, die
noch keine in‐
nere Einsicht in jenes über alle Dar‐
stellungskraft erhabene
Sein besitzen, das
in
höchster Formung seiner selbst sich
als „
Gott” erkennt. ‒
Man muß von den
Stufen dieses
ewigen
Lebens, von seinen
Daseinsformen
einiges wissen, will man ergründen, was
„
Gott” in Wahrheit
ist, und wie der
lebendige,
wirkliche Gott in unend‐
licher Zeugung seiner selbst sich aus dem
eigenen Sein zu ewig erneuter Seins-Form
entringt.
.Man muß wissen, was
Ihn,
der über
alle Höhen und Abgründe herrscht,
da er alles,
was ist,
in sich
faßt, von dem, ‒ ach so oft in wunder‐
lichster Gestalt erträumten „Gotte”
mensch‐
licher Vorstellung unterschei‐
det. ‒
.Es wurde von manchem schon gesagt:
„
Alles ist Gott!” ‒ und: „
In je-
dem Atom dieser Erscheinungswelt sollt
ihr
Gott entdecken!” ‒ „Alles Äußere
dieser Welt ist nur
Schein und in Wahr‐
heit sind alle Dinge nicht Dinge, sondern
Gott!” ‒
.Gewiß läßt sich solches sagen, und
wenn
man es im rechten Sinne ver‐
stehen will, kann es als
Wahrheit
gelten, auch wenn diese Wahrheit
sehr
verfänglicher Auslegung zugäng‐
lich bleibt.
.Für das Erfassen des menschlichen Geistes
wird solches Spiel mit Worten aber wenig
Fruchtbares haben.
.Will man zu höchster Erkenntnis der
Wahrheit kommen, dann müssen die
Dinge, trotzdem sie nicht
sind, was
sie
scheinen, immerhin
Dinge für
uns bleiben und dürfen
auch nicht in
sublimster Weise von uns
ver‐
göttert werden. ‒
.Wir laufen sonst Gefahr, einer
Dar‐
stellungsform des ewigen
Lebens,
aus dem sich die Gottheit ewig neu gestaltet,
göttliche Ehre zu erweisen, nur weil sie die
Fassungskraft des Menschen überragt, und
können uns auf solcher Stufe derart binden,
daß es für uns unmöglich wird, der
wirk‐
lichen „
Gottheit”
in ihrer strah‐
lenden Majestät jemals zu begegnen.
Dreifach äuß
ert sich dieses ewige
Le‐
ben, das der Gottheit „Nahrung” bildet,
in seinen jeweiligen Darstellungsformen: ‒
als
physische Allnatur, als Reich
der
flutenden Seele und als das
Königreich des Geistes!
.Kein „
Schöpfer” hat eines dieser Reiche
„geschaffen”!
.Alles ist nur
Darstellungsform des
einen, ewigen
Lebens, das
über allen
diesen drei Darstellungsformen erhaben,
sich
selbst in seinem
höchsten Bewußtsein
kristallisiert als das „
Urlicht”, als der
Inbegriff dessen, was der Mensch in Wahr‐
heit als
Urquelle alles Lebens er‐
schauernd in sich zu empfinden vermag, ‒
als seinen
lebendigen „
Gott”.
Ursache seiner selbst in allen
seinen Darstellungsformen fin‐
det dieses ewige
Leben doch nur sein höch‐
stes
Sein erst
über aller Darstellungsform
erfüllt, obwohl auch jede seiner
Dar‐
stellungsformen jeweils
seines We‐
sens ist, aber gleichsam nur als
Ozean
der Erneuerung dient, aus dem es
sich selbst,
aus sich selbst,
stets neu
erzeugt, durch die
eigene,
selbst gegebene Kraft. ‒
.Darüber ist gesagt: „
Als Nahrung
hat Brahma diese Welt gebil‐
det” ‒ nur darf man hier nicht, in exo‐
terischer Denkart befangen, an einen Bildner
und sein Gebilde denken, denn dieses Wort
der
Veden sagt dem
Wissenden er‐
heblich
mehr, ‒ es enthüllt ihm die ab‐
grundtiefe
Wirklichkeit, enthüllt ihm
das
inhaerente Gesetz der Selbst‐
erzeugung „
Brahmas”, das Wesen
des
einen,
absoluten Seins, das da
ewiges
Leben ist
aus sich selbst,
und das seiner
höchsten, allumfassenden
Selbsterkenntnis als „
Gottheit”,
in seinen
Darstellungsformen zur
„Nahrung” dient...
Urewig schöpfungsträchtig wirken die inhae‐
renten Kräfte der Darstellungsform des ewigen
Lebens als
physische Allnatur
formgestaltend und formzerstörend, um neue
Form zu gestalten.
.Welten entstehen und Welten zerstäuben
im All zu jeder Zeit, aber niemals hat es da
einen „Anfang” gegeben, der ein Anfang
des
Alls gewesen wäre, niemals gibt es einen
„Untergang” dessen, das in sich selber
Le‐
ben ist, das in sich selber als Leben schöp‐
ferisch sich auswirkt und aller Welten Wer‐
den und Vergehen in sich schließt für alle
Ewigkeit. ‒
.Wie es Kraftzentren gibt in
dieser Dar‐
stellungsform des ewigen Lebens, die kein
Mikroskop und kein noch so verfeinertes In‐
strument der Forschung dem Menschen-Sinn
je erschließt, so gibt es hier auch unsichtbare
Träger höchster
Intelligenz, deren
Fähigkeiten die Kraft des gewaltigsten mensch‐
lichen Denkens übersteigen, wie das Denken
eines
Urwaldnegers von der Denkkraft
eines Philosophen vom Range Spinozas oder
Kants überstiegen wird.
.Gleichzeitig aber gibt es in dieser
selben Darstellungsform des Lebens auch un‐
sichtbare Wesen, denen kaum die „Intelli‐
genz” der Tiere innewohnt, die der Mensch
als Lasttiere braucht.
Alle diese unsichtbaren Wesenheiten sind je‐
doch keineswegs „
geistiger” Natur, sind
auch in ihren höchsten Formen,
obwohl ihre individuelle Lebensdauer Jahr‐
tausende betragen kann, noch keineswegs „un‐
sterblich”. ‒ ‒
.Für die
höchsten dieser Wesenheiten,
‒ in vielen Kulten alter Zeit wurden sie
als „Götter” verehrt, ‒ gibt es
keiner‐
lei „Rätsel” der Natur.
.Alles, was die physische ‒ sichtbare wie
unsichtbare ‒ Darstellungsform des ewigen
Lebens ausmacht, ist ihnen, die durch
und durch
Intellekt sind, bis ins klein‐
ste erschlossen.
.Aber alles, was
über diese Darstellungs‐
form
hinausreicht, ‒ das ganze un‐
ermeßliche
Reich der flutenden
Seele und das
Reich des Geistes,
ist ihnen nur absolutes
Nichts. ‒ ‒
.Sie kennen keine „Gottheit” und sie ver‐
achten das ihnen bekannte, intellektuelle Stre‐
ben des Menschen, einen „Gott”, ein „Dasein
Gottes”
beweisen zu wollen, da sie wis‐
sen, daß
für den Intellekt tatsäch‐
lich kein „Gott” existiert...
.Ihrem Einfluß ist jede Überschätzung des
menschlichen Denkens, jede Hy‐
pertrophie des
Intellekts in der Mensch‐
heit zuzuschreiben.
.In der
physischen Darstellungsform
des ewigen
Lebens erkennt sich das Leben
selbst nur als
physische Allnatur,
ohne seiner
höheren Darstellungsformen
als
Seele und
Geist in sich selbst be‐
wußt zu werden.
Scharf von der Darstellungsform als
phy‐
sische Allnatur geschieden, durch un‐
überbrückbare Kluft der Empfindungsfähig‐
keit
von ihr getrennt, und dennoch
diese erste Darstellungsform
durchdrin‐
gend, offenbart sich das Reich
der flu‐
tenden Seele mit seinen unendlichfäl‐
tigen Formen empfindender Kräfte und We‐
senheiten.
.Ihnen allen ist sowohl das Dasein der
physischen Allnatur wie das Dasein
des
geistigen Reiches „bewußt”, im
Sinne einer
Empfindung der Wir‐
kungen, die sie aus beiden Reichen
wahrzunehmen fähig sind.
.Von dem
Reiche der flutenden
Seele wieder
scharf getrennt, wie
auch von dem Reiche der
physischen
Allnatur, obwohl beide Darstellungsfor‐
men des ewigen Lebens
durchdringend,
ist das
Reich des Geistes mit seinen
unermeßlichen Hierarchien
selbstbewuß‐
ter,
selbstempfindender,
den‐
kender,
fühlender und in di‐
rekter „
Anschauung”
erkennen‐
der,
ewiger,
der Vergänglich‐
keit ihrer Individualität
entrückter,
reiner
Geisteswesen, ‒ der
höch‐
sten Form des
Vielheitsempfin‐
dens im ewigen
Leben.
In unermeßlicher Stufenfolge erhebt sich
ein Kreis der Vollkommenheit über dem
anderen, bis, in menschlicher Weise ge‐
sprochen,
die höchste Spitze dieses
Lichtkegels im
Eigenbewußtsein des
ewigen Lebens in
höchster Er‐
kenntnis seiner
selbst,
die sein gan‐
zes Sein umfaßt, erstrahlt, im „
Ur‐
licht” bewußt geworden, des Urlichtes
Sein erlebt, und in ihm zum „
Urworte”
wird, zur
Selbstaussprache des
absoluten Seins, die wieder
Leben
wirkt
in allen drei Darstellungs‐
formen, die dem ewigen Leben eignen.
.Hier sind wir an der
Quelle des Le‐
bens angelangt, an jener Quelle, die ewig
aus sich selber strömt, und ewig
in
sich zurückfluten läßt, was ihr
entquoll.
Ich bin mir des Mangels wohl bewußt, daß
menschliche Sprache unweigerlich zum Stam‐
meln werden muß, will sie versuchen, diese
nur im Geiste und nur durch
direkte
„
Anschauung” faßbaren Dinge zu be‐
schreiben, und dennoch glaube ich, daß für
manchen, der diese Worte lesen wird, etwas
wie fernes
Ahnen aufdämmern mag, das
ihm sein Innerstes im freudigen Widerhall
be‐
stätigt, ‒ und das ihm den Weg zum höch‐
sten Menschengeistesziele, den ich so mannig‐
fach zu zeigen suchte, besser erschließen wird,
als wenn ich geschwiegen hätte. ‒ ‒
.Gewiß ist hier alles nur durch
Andeu‐
tung gegeben, allein man vergesse nicht,
daß sich hier das meiste
völlig der Rede
entzieht, sodaß es
auch dann noch
ein Geheimnis bleiben müßte, wenn ich
über jedes hier berührte
Wort ein dickes
Buch zu schreiben gedächte. Aus tiefster
Ehrfurcht vor meiner Rede unergreifbar er‐
habenem Gegenstand, bin ich auch möglichst
allen konventionellen Wortprägungen ausge‐
wichen, die sich das menschliche Denken
schuf, wo es Ewiges
spekulativ zu er‐
kennen versuchte. ‒
Ich glaube gehalten zu haben, was der Titel
dieser Betrachtung versprach, doch wird
nur
der aus meiner Lehre Nutzen ziehen, der
selbst sich aufmacht, um nach der
Quelle des Lebens zu suchen und
nicht rastet, bis er ihre Spur in sich gefunden
hat, auch wenn ihr „lebendiges Wasser” ihm
nur durch
jene Kanäle zuströmen kann,
die es
sich selber bahnte, um für den
Menschengeist auf dieser Erde, trotz seines
„Falles”, noch
faßbar zu werden, damit er
mehr davon verlange, um so nach Äonen
einst
des ewigen Lebens ganze
Fülle durch alle Ewigkeiten zu genießen.
.Der einst auf Golgatha sein Leben ließ
und sterbend höchste
Liebeskraft aus
Urgrundtiefen neu ins irdische
Dasein lenkte, hat allen, die ihm
wahrhaft folgen wollen, den Weg
gebahnt,
der zu den
Quellen des Lebens führt.
.Was er einst für die Menschheit wirkte,
kann erst
der erfassen, der seinen
eige‐
nen Erlösungsweg beschritten hat
und dann die
Kraft erfühlt, die durch
das Werk des „großen Liebenden” ihm zu‐
strömt auf dem Wege, den er wählte...
.Ein solcher wird auch wissen, was des
hohen Meisters Wort besagt:
.„Und ich, wenn ich von der Erde
er‐
höht bin, werde alles an mich ziehen.”
.Ein solcher wird allein erst imstande sein,
die „magnetische”, in das Ursein zurück‐
ziehende Kraft zu gebrauchen, die einst jener
Leuchtende aus ihrer Fessel riß durch seine
unbegrenzte Liebe!
Trotzdem ich an so vielen Stellen immer
wieder in der deutlichsten Weise Art und
Wesen jener geistigen Gemeinschaft erörtert
habe, als deren Glied mir die geistgegebene
unausweichliche Aufgabe wird, ihre
Lehren
zu verbreiten, finde ich stets wieder aufs neue
Anfragen vor: „unter welchen Bedingungen”
man in diese Gemeinschaft, also in die
„
Weiße Loge”, aufgenommen werden
könne?
.Manche der so Anfragenden wissen auch
seltsamerweise zu berichten, irgend jemand
habe ihnen gesagt, er sei durch mich in die
„Weiße Loge” aufgenommen worden. ‒
.Ich kann wirklich kaum verstehen, daß
unter den hier in Betracht kommenden Per‐
sonen auch nur eine einzige sein könne, die
solchem Irrtum verfallen wäre.
.Wie dem aber auch sei, so diene allen hier
ein für allemal die unumstößliche Feststellung
zur Kenntnis, daß ich
niemals irgend
eine Person,
wer es auch sei,
in die geistige Gemeinschaft,
die man die „
Weiße Loge”
nennt,
„
aufnehmen”
könnte,
niemals
irgend einer Person daher sa‐
gen konnte,
sie sei durch mich
in die „
Weiße Loge” „
aufgenom‐
men”,
und daß ich niemals ir‐
gendwelche Personen als An‐
wärter zur Aufnahme vorschla‐
gen kann.
.Eine solche Feststellung scheint nötig zu
sein, trotzdem ich doch wahrlich keinen Zwei‐
fel offen ließ, daß während seines Erden‐
lebens
kein Mensch jemals in die
„Weiße Loge” „aufgenommen” werden
kann,
daß vielmehr jedes ihrer Glieder bereits als
solches
geboren wird, nachdem es in sei‐
ner geistigen Existenz, Jahrtausende vor sei‐
ner erdenmenschlichen Geburt,
die Ver‐
pflichtungen eingegangen war,
die allein die Zugehörigkeit zu
diesem geistigen Kreise bestim‐
men. ‒
Man sollte meinen, dies alles sei für einen
Menschen, der sich überhaupt mit geistigen
Dingen befaßt, doch nicht allzuschwer zu
verstehen.
.Vor allem aber sollte man eine etwas ge‐
klärtere Auffassung voraussetzen dürfen in
bezug auf die Änderungen des
geistigen
Lebensbereiches, die eine „Aufnahme”
in die „
Weiße Loge” doch mit sich brin‐
gen
müßte, wenn sie tatsächlich während
des Erdenlebens
möglich wäre. ‒ ‒
.Glaubt man denn wirklich, eine solche
„Aufnahme” ‒ einmal
angenommen,
sie
wäre möglich, ‒ würde keine anderen
Wirkungen zeitigen, als etwa die Aufnahme
in irgend eine Religionsgemeinde?!
.Jeder, der das, was ich geschrieben habe,
jemals las, muß doch wissen, daß da von
den verschiedensten
geistigen Kräften
die Rede ist, die den wirklichen Gliedern
der „Weißen Loge” eignen, von den verschie‐
densten
geistigen Fähigkeiten,
und vor allem, von der
steten geistigen
Kommunikation untereinander!
.Einfachstes logisches Denken muß daher
doch auch dem in so seltsamen Irrtum Be‐
fangenen sagen, daß er all dies
in sich
gewahr geworden sein müßte, wenn
er ein Glied der „Weißen Loge”
gewor‐
den wäre. ‒
.Es zeigt sich da eine
äußerst naive
Beurteilung
realen geistigen Le‐
bens! ‒ Man verwechselt ganz offenbar das
geistige Erlebnis, dessen „Wirklichkeit” weit
stärker empfunden wird als die scheinbar noch
so kompakte Realität
physischer Er‐
lebnisse, mit irgendwelchen Phantasievorstel‐
lungen, mit einer Art wachen Träumens, mit
Halluzinationen oder Wirkungen „spiritisti‐
scher” Einflüsse, ohne zu ahnen, daß ein
Mensch, der bewußt in den realen
geisti‐
gen Welten zu leben fähig ist, ein
völlig
andersartiges Leben kennt, dem ge‐
genüber
alles, was man so im allgemeinen
Sprachgebrauch „geistiges” Leben nennt,
durchaus verblaßt, schattenhaft, künstlich und
unwirklich erscheint!
.Man kann sich, wenn man es nicht
selbst
lebt, dieses reale geistige Leben
nicht
einmal „
vorstellen”, aber man dürfte
doch wenigstens nach den sachlichen Schilde‐
rungen, die ich davon an so vielen Stellen
meiner Schriften gebe, sich einigermaßen auch
auf
intellektuelle Weise darüber klar
werden, daß es sich da um das höchste
Wirk‐
liche handelt, das je erlebt werden kann! ‒
Die Frage um die „
Aufnahmebedin‐
gungen” der „Weißen Loge” und das An‐
erbieten, „Tochterlogen” gründen zu wollen,
zeigt weiter, daß sonst mit allerlei „okkulten”
Dingen vertraute Leute hier der Ansicht sind,
es handle sich um irgend eine äußere, der
Pflege der Mystik, oder des Okkultismus er‐
gebene Gesellschaft, etwa nach der Art der
alten Illuminatenorden oder der Logen der
Freimaurerei.
.Dazu kann allerdings die Bezeichnung
„Weiße Loge” beigetragen haben, die be‐
kanntlich
nicht von mir gebildet wurde,
die ich aber beibehielt, eben weil mir doch
in weiten Kreisen ein Begriff damit verbun‐
den schien, der gerade die obigen Irrtümer
ausschließen müßte.
.Im großen und ganzen zeigte es sich ja
auch, daß die Beibehaltung dieses Wortes
nötig war, weil sich sonst die verwirrende
Ansicht hätte bilden können, es gäbe
neben
der geistigen Gemeinschaft, aus der ich spreche,
noch eine
andere geistige Gemeinschaft,
die sich eben die „
Weiße Loge” nenne.
.Damit aber auch hier jede letzte Möglich‐
keit eines Irrtums schwindet, sei in dürren
Worten ein für allemal folgendes gesagt:
.Die geistige Gemeinschaft, deren Glied ich
bin und von der ich künde, ist eine
real‐
geistige Vereinigung, ‒ eine
Viel-
Ein‐
heit von geistigen Wesenheiten, da‐
von die meisten entweder niemals den Erden‐
körper getragen haben oder längst ihn der
physischen Erde zurückließen, während zu je‐
dem Zeitalter auch einige wenige
im Er‐
denkörper des Menschen dieser
Erde leben und wirken, im äußeren in
keiner Weise und durch
keinerlei Be‐
freiung von den naturgesetzlichen Gegeben‐
heiten von ihren Mitmenschen unterschieden.
.Ein fundamentaler Unterschied besteht aber
in bezug auf das
innere Leben!
.Während unsere Mitmenschen nur die äußere
physische Welt und das Leben der Seelen‐
kräfte wahrzunehmen vermögen, jedoch das
Dasein der realen
geistigen Welten höch‐
stens
ahnend gewahr werden, sind uns die
Welten des realen substantiellen Geistes bis
zu den höchsten Stufen, die ein gleichzeitiges
Leben im Erdenkörper noch zulassen, voll‐
bewußt erschlossen.
.Wir erleben zu gleicher Zeit die äußere
physische Welt, die Welt der Seelenkräfte
und die reale geistige Welt, ohne einer an‐
deren Vorbereitung zu bedürfen, als der be‐
wußten Einstellung auf dieses oder jenes Blick‐
feld.
Wir erleben die geistigen Welten nicht etwa
in „Ekstase” oder in einem sonstigen ab‐
normalen Zustand, sondern nüchtern und
wachend, ohne daß auch nur irgendwelche
äußeren Merkmale dem zufälligen äußeren Be‐
obachter verraten könnten, daß unser Be‐
wußtsein sich im gegebenen Moment nicht
allein auf das Äußerlich-irdische richtet.
.Wir stehen ferner in permanenter, bewuß‐
ter, geistiger Verbindung untereinander, so,
als ob ein steter gleichmäßiger elektrischer
Strom uns immerfort alle ‒ auch die
nicht
im Erdenkörper Lebenden ‒ durchkreisen
würde.
.Ob wir uns im Erdenkörper äußerlich be‐
gegnen oder nicht, ist gleichgültig.
.Wenn wir uns begegnen, so gilt die äußere
Begegnung auch nur dem äußeren Erden‐
menschen.
.Auf
geistig-reale Weise können wir uns
alle einander
sichtbar und
vernehm‐
bar machen durch bloßen Willensakt.
.Wir haben wohl eine Art „Zentralpunkt”
auf Erden, an dem stets einige aus uns in
tiefster Isolation von der übrigen Welt zu‐
sammenleben, aber wir haben keinerlei äußere
„Versammlungen”, schon weil das durch un‐
sere ständige geistige Kommunikation völlig
unnötig ist.
.Wir befolgen daher auch
keinerlei
äußere Riten, kennen
keinerlei
Zeremonien!
.Wer zu uns gehört, wissen wir ohne irgend‐
welche äußere Zeichen.
.Niemand
kann zu uns gehören, der nicht
schon, wie oben bereits gesagt, vor seiner Ge‐
burt im Erdenkörper zu uns gehörte.
.Die „Aufnahme” ist nichts anderes als die
Folge einer Jahrtausende vor der Geburt frei‐
willig übernommenen Verpflichtung.
.Diese Verpflichtung geschieht in einem
geistigen Zustand, der dem Erdenmen‐
schen bewußtseinsfremd bleibt, obwohl ihn
jeder auf Erden Geborene einst durchlaufen
hat.
.Auch die Glieder unserer
geistigen Ver‐
einigung wissen nur in ihrer rein
geistigen
Wesenheit durch direkte Erinnerung von die‐
sem früheren Zustand ihres Seins.
.Der Erdenkörper und die seelischen Fähig‐
keiten eines solchen Menschen müssen erst
nach und nach, unter Anleitung Vollendeter,
tauglich gemacht werden zur Übertragung der
geistigen Kräfte und Fähigkeiten auf die Be‐
wußtseinssphäre seines Willens, aber diese
„Schulung” geschieht
von innen her,
auch wenn der die Entfaltung leitende „Bru‐
der” äußerlich sichtbar in seinem Erdenkörper
in Erscheinung tritt.
.Die auf Erden lebenden Glieder dieser gei‐
stigen Vereinigung sind keine „Heiligen” und
menschlichem Fehlen nicht entrückt.
Wir sind ebenso wenig etwa „Fakire”, d. h.
wir geben uns, obwohl uns die betreffenden
Möglichkeiten durchaus bekannt sind und ob‐
wohl wir jederzeit des Erfolges sicher sein
könnten,
niemals und
unter keinen
wie immer gearteten Umständen
mit irgendwelchen „okkulten Künsten”, mit
zeremonieller Magie und ähnlichen Dingen ab.
.Unser Wirken kennt nur die Kräfte der
real-geistigen Welten, d. h. wir schaffen nach
streng verpflichtenden
geistigen Gesetzen
jeweils
geistige Ursachen, deren Fol‐
gen in der seelischen und physischen Welt
gewisse wohltätige Änderungen für die Mensch‐
heit zeitigen.
.Wir handeln dabei keineswegs nur nach
eigenem Ermessen, sondern als Ausführende
höherer geistiger Befehle, die wieder ganz be‐
stimmten Bedingungen entsprechen und nur
höchst selten durch unsere Wünsche modifi‐
ziert werden können.
.Man sieht, es handelt sich hier wahrhaftig
nicht um „Adeptenzirkel”, um eine mehr oder
weniger religiös gefärbte „geheime Gesell‐
schaft”, um eine Schule des „Geheimwissens”
oder überhaupt um eine „
äußere”, durch
Konstitutionen oder Satzungen zusammenge‐
haltene Korporation!
.Wohl stellten sich zu Zeiten solche
äußere
Vereinigungen
unter die Leitung die‐
ser rein geistigen Vereinigung, aber
nie hat
eines ihrer Glieder einer solchen äußeren Ver‐
einigung im äußeren Leben
angehört, ‒
es sei denn als
geistiger Leiter!
Wie geheimnisvoll daher die Berichte über
äußere, geheime Gemeinschaften auch lauten
mögen, so darf man doch niemals vermuten,
man habe es mit der „Weißen Loge” zu tun.
.Es handelt sich hier um etwas
so we‐
sentlich anderes, um etwas
so
einzig Dastehendes und
so Ver‐
borgenes, daß alles Suchen im äußeren
menschlichen Gemeinschaftsleben nur Irrtum
und Verwirrung zutage fördert.
.Lediglich die
Folgen des wohltätigen
geistigen Wirkens dieser geistigen Viel-Einheit
lassen sich von dem sorgsam suchenden Be‐
obachter der Geschichte der Menschheit zu‐
weilen feststellen.
.Um schließlich noch letzte Irrtumsmöglich‐
keit zu zerstreuen, sei ausdrücklich bekannt,
daß die Glieder dieser geistigen Vereinigung
zwar des öfteren auch
durch das ge‐
schriebene Wort in der Menschheit
wirkten, daß aber, bevor man mir den geistig
verpflichtenden Auftrag gab,
noch zu
keiner Zeit in einer allen ver‐
ständlichen Sprache offen über
alle diese Dinge gesprochen
oder geschrieben wurde, wie es
jetzt durch mich geschieht, und daß mehr als
nur ein Jahrtausend vergehen wird, bevor ein
späterer meiner Brüder im Geiste diese meine
Arbeit fortsetzen kann. ‒
.Daß auch dieses äußere Wirken seine
Be‐
gründung in dem Gesamtplan
gei‐
stigen Wirkens findet, dem die „Weiße
Loge” dient, bedarf für den Einsichtigen kei‐
ner besonderen Erörterung. ‒
Soviel mir aber auch
zu sagen geboten
ist, so leugne ich doch keineswegs, daß
weit
mehr, auch heute noch,
Geheimnis
bleiben muß und für immer ein Ge‐
heimnis
bleibt, weil es nur denen auf
Erden vertraut werden kann, die nach eigenem
Wollen eine Jahrtausende dauernde Erprobung
durchlaufen haben, bevor sie des Menschen
irdisches Kleid in einer Mutter Leib erhalten
konnten.
.Ich hoffe, daß diese Darlegungen genügen
werden, um endlich die Frage aus der Welt
zu schaffen: wie man „Mitglied” der „Weißen
Loge” werden könne, und daß sie darüber
hinaus noch manche Klärung bringen, die
vielen erwünscht sein mag. ‒
Die durch mich vermittelten Lehren
tra‐
gen ihre Wahrheit in sich selbst,
aber sie können ihr Tiefstes stets nur
denen
enthüllen, die diese Wahrheit im eigenen Da‐
sein
erleben wollen... Möge auch dieses
Buch für Viele auf solche Weise zum Erlebnis
werden!
.Nur wenn es
Erlebnis wird, nur wenn
seine Lehren aus der Sphäre theoretischer
Erwägungen herausgehoben werden, um das
Alltagsleben zu durchdringen, kann es
seinem Leser die Augen öffnen für die
Er‐
lösung aus der Nacht der Nichterkennt‐
nis...
.Das
Wissen um eine Lehre die zum
Leben führt, wird erst dann zum Heil, wenn
der also Wissende die Lehre
auswirkt
in
Leben und
Tat.
.Der einst als wahrhafter Hoherpriester den
tiefgeheimnisvollen Segen herabzog auf alles,
was Menschenantlitz trägt, ‒ er, der auf
Golgatha die höchste Liebestat vollbrachte, ‒
was wollte er anders, als daß in
tätigem
Leben seine Lehre zur
Auswirkung
gelange!
.Wenn dieses Buch dir das Mysterium der
Liebe faßbar machen soll, das jener unver‐
gleichlich Liebesstärkste einst in seinem Erden‐
tode wirkte, so werden alle meine Worte den‐
noch nichts vermögen, solange du nicht selbst
in Tat und Wirken meiner Worte Wahrheit
zu
erleben suchst.
.Aus
gleicher Quelle strömte
seine
Lehre, wie das Wort, das
ich dir gebe!
.Wenn du erfassen willst, was hier zu fassen
ist, dann mußt du willens sein, dein ganzes
Leben einer
Wirklichkeit zu weihen,
die keinem je erkennbar wird, der sie nicht
schlicht und alles Wissensdünkels ledig
in
sich selbst zu finden sucht,
in eige‐
nem Erleben. ‒
.Dann aber wirst du für alle Zeiten
in
der Wahrheit geborgen sein!
.Dann wirst du erfahren, was es heißen will:
im ewigen Leben zu stehen!
.Dann wirst du selbst
der Wahrheit
Zeuge werden!
* *
*
Gehorsam dem Ursprung meines geistigen
Seins, sehe ich mich hier verpflichtet,
vor einer Art „Weltanschauungsliteratur” ein‐
dringlichst zu warnen, die immer breiteren
Raum für sich beansprucht und immer weitere
Kreise von Suchenden suggestiv erfaßt, ‒ bei
Licht besehen aber nichts anderes darstellt
als eine jeweils auf neue, kuriose Weise um‐
geschichtete
Aufspeicherung un‐
ausgereifter Lesefrüchte.
.Manche der Urheber solcher Literatur‐
erzeugnisse gehören zu der seltsamen Men‐
schensorte jener Selbstberufenen, die keine
fünf Bücher zu durchstöbern vermögen, ohne
die Gewißheit in sich zu verspüren, berechtigt
und reif zu sein, nun ein sechstes Buch über
ähnliche Materie selbst schreiben zu dürfen.
.Andere aber haben wirklich so ziemlich
alles gelesen, was jemals eines Menschen Hand
niederschrieb als erdachte oder geglaubte
Lösung
jener Fragen des Verstandes wie
des Herzens, die hinausverlangen über eine
Welt, in der Leid und Tod, wie schreckende
Gespenster, hinter aller Freude lauern.
.Bestaunenswerte Belesenheit verbindet sich
dann oftmals mit wohlgeübtem spekulativen
Denken und einer nicht minder bedeutenden
Kraft des Sagenkönnens, aber der Schrei‐
bende mag in solchem Falle selbst nicht be‐
merken, daß er sich nur vom Herzen schreibt,
was er innerlich „loswerden” will, ‒ daß
sein Gehirn die wunderlichsten Gedanken‐
sprünge wagt, nur damit der Kopf endlich
frei werde von dem Wust gedächtnismäßig
angehäufter, angelesener Fallfrucht aus allen
Feldern des Denkens, allen Gärten mensch‐
licher Glaubenslehren.
.Selbst ehrfurchtgebietendes Wissen
im
strengsten Sinne nüchterner
Wissenschaft schützt in keiner Weise
vor gleicher, notgetriebener Selbstberuhigung,
die allzu sicher Hand in Hand mit der Ein‐
rede läuft: ‒ so wie die auserdachte
For‐
mulierung „müsse” auch die
Wirk‐
lichkeit gestaltet sein.
Die Wirklichkeit ist aber in jeder Weise
un‐
abhängig von den Vorstellungsbildern
und Gedankenkonstruktionen, die sich das
Menschenhirn reproduzierend schafft und aus
denen es
seine Welt erbaut.
.Die Fülle der irdischen Erkenntnis, die der
Gedanke zu
erarbeiten, die Vorstellung
zu
erklären vermag, darf nicht zu der
Mutmaßung verführen, daß man im
Denk‐
resultat und in der
Erklärung nun
etwa Werkzeuge gewonnen habe, mit denen
die
Wirklichkeit gewandelt werden
könne.
.Unveränderbar, ihrem eigenen Gesetz ge‐
treu, spottet sie jeglicher Absicht, ihr
an‐
dere Formung schaffen zu wollen, und
keine menschliche Geisteskraft vermag das,
was wahrhaft Wirklichkeit
ist, zu
wan‐
deln, wenn auch recht geringe Weisheit
schon ausreicht, um in törichten Erfin‐
dungen sich zu ergehen, durch die der
Mensch sich die Wirklichkeit hörig zu machen
glaubt.
.Um solche törichten Erfindungen handelt es
sich ausnahmslos in einer Art Literatur, auf
die meine Worte hier deuten.
Relativ ungefährlich bleiben diese Schriften
und Traktätchen noch, wenn die Torheit so
zutage liegt, daß auch der Unbelehrte und
Nichtgewarnte sie alsbald entdeckt.
.Weit mehr Unheil aber bringen solche
Bücher, wenn in ihnen ein fanatischer Geist,
geübt in denkgerechter Darstellungsmethode,
die Gallerte seiner hirngeborenen Erfindungen
mit allerlei Erkenntnisfragmenten
mischt,
die wahrhaftes Bildstück der Wirklichkeit
sind.
.Der Leser fühlt dann bei jedem solchen
Bruchteil, den er in der weichen Masse findet,
etwas
Festes, ‒ fühlt mit Sicherheit,
daß
diesem Stück der Darbietung eine
Wirklichkeitswahrheit entsprechen müsse,
und wagt daraufhin den unvorsichtigen Schluß,
daß dann auch wohl das ganze schwabbernde
Gemenge wahrhaftes Zeugnis der Wirklich‐
keit sei. ‒
.Die nächste Folge ist
Furcht, durch
eigenes Prüfen und Wägen einer Wahrheit
verlustig zu gehen, und einmal im
Banne
solcher Furcht, erlahmt zuletzt alle
Fähig‐
keit zu eigener Kritik, die allenfalls den
geschickt Geköderten noch von der Angel
hätte befreien können.
.Es gibt recht viele hochachtbare Männer
und Frauen, die voreinst als ehrliche Suchende
das Wahrheitsbild der Wirklichkeit zu finden
hofften, und dann auf die geschilderte Weise
für ihre ganze Lebenszeit auf Erden der
Freiheit verlustig wurden.
.An die Vergeudung des Nationalvermögens,
die in fast allen „zivilisierten” Ländern der
Welt getrieben wird um die Köpfe solcherart
zu verwirren, und
Angst in die Herzen
zu pressen, mag hier nur andeutungsweise
erinnert werden...
Keiner der Autoren der hier gemeinten
Literaturgattung scheint sich die Frage zu
stellen, ob er auch nach seinem irdischen Tode
noch
verantworten könne, was er in
seinen Erdentagen mit so suggestionsbereiter
Stimme lehrt, und vielleicht auch vor sich
selbst für verantwortlich
hält. ‒
.Vielen wird eine solche Frage auch wenig
Kopfzerbrechen bereiten, da sie
im Ver‐
borgensten ihres Denkens der These
folgen, daß doch mit dem Tode des Erden‐
körpers ohnehin alles Erleben beendet sei.
.Aber auch dort, wo der
Erfinder zu‐
gleich
Sklave seines selbsterzeugten Vor‐
stellungsweltgemenges ist, scheint nichts ferner
zu liegen als auch nur der leiseste Gedanke
des Zweifels am eigenen Recht zur
Ver‐
kündigung.
.Es fehlt da wie dort leider allzusehr am
Verantwortungsbewußtsein, und
bitter schmerzlich wird es mir, hier auszu‐
sprechen, daß auch bewunderungswürdige
dichterische Gestaltung keineswegs im‐
stande ist, die Giftwirkungen zu paralysieren,
denen der seelische Organismus allenthalben
sich ausgesetzt findet, wo über die letzten
Dinge ohne Ruf und Recht gesprochen wird,
als ob da ein Thema gegeben sei, das man
nach Geschmack und Laune abwandeln
könne...
Es läßt sich zur Not vielleicht noch ver‐
stehen, wenn der im Dienste einer Glaubens‐
gemeinschaft wirkende, auf
ihren Vor‐
stellungsvorrat angewiesene Versorger der
Seelen weiterhin lehrt wie man ihn lehrte,
daß er lehren
müsse, trotzdem sein Er‐
kennen längst schon solche Lehre
über‐
wuchs, ‒ aber kaum wird ein freier Wort‐
gestalter, der nur seiner Kunst verbunden ist,
auf das gleiche Verstehen und ‒ Verzeihen
rechnen dürfen, verwendet er urheilige Be‐
griffe und der Menschheit gottesnächste Worte
um dem Tag zu dienen, wenn der Tag, ver‐
ehrungsfern, Dekoration verlangt, die trübe
Tünche trügerisch verstecken soll. ‒
Die Menschheit dieser Zeit ist wahrlich noch
nicht „entartet,” auch wenn das berufs‐
mäßige Nörgler gern wahrhaben möchten.
.Selbst die bisherige Unfähigkeit der Völker,
einander auf
andere Weise Achtung ab‐
zugewinnen, als nur durch die Angsterzeugung
vor den schauerlichsten Vernichtungsmitteln,
‒ ist wirkliche „
Unfähigkeit”, nicht
Entartung!
.Diese Menschheit ist noch nicht
fähig,
den
Sinn ihrer mechanischen Eroberungen
während der letzten hundert, ‒ und noch
weniger: während der letzten
fünfzig
Jahre, ‒ zu
begreifen!
.Sie ist eben dadurch auch nicht fähig, die
genannten Eroberungen wirklich als
Besitz
zu
beherrschen, sondern wird vielmehr
von dem, was ihr zu erobern gelang, vorerst
„besessen”...
.Ist dieser gespenstische Zustand erst ein‐
mal überwunden, dann wird sich auch Fähig‐
keit einstellen, die urgründigen
geistigen
Lehren zu entdecken, die hinter allen tech‐
nischen Erfindungen der neuesten Zeit auf
Entdeckung
warten. ‒
.Aber auch heute schon könnte offener Sinn
aus den Bezirken technischer Eroberungen
die Lehre mit nachhause nehmen, daß
bloßes Wissen um die Handbuchthesen
der Mechanik keineswegs genügt, um auch
hier die
Wirklichkeit wahrzunehmen,
die erst
erkannt werden muß, bevor der
rechnende Ingenieur an sein Werk gehen
kann, will er zum Erfolg seiner Mühe gelangen.
.Nur wenn er der unbeeinflußbaren Wirk‐
lichkeit sich sorgsam
anzupassen weiß,
werden die von ihm ersonnenen Maschinen
brauchbar sein.
So aber ist auch jede Erfindung allzureger
Phantasie völlig unbrauchbar wenn
jene
Dinge Darstellung finden sollen, die unseren
heute allein bekannten und gewohnten Tier‐
leibsinnen unzugänglich bleiben müssen.
.Auch hier muß einer erst der
Wirk‐
lichkeit kundig sein, bevor ihm die Ge‐
wißheit werden kann, daß seine Darstellung
die Seelen nicht im Dickicht wildester Ver‐
wirrung enden läßt.
.Es sind aber zu jeder Zeit, unter allen
Millionen Menschen der verschiedenen Rassen,
nur ein paar Männer, die derart vorbereitet
geboren werden, daß sich die Wirklichkeit
ihnen
zeigen, und daß sie den Anblick
der Wirklichkeit
ertragen können. ‒
.Das Wort der Alten: ‒ „
Wer Gott
sieht,
muß sterben!” ‒ hat, für
fast alle Menschen, seine tiefe Berechtigung,
und selbst die winzige Gruppe wirklich Be‐
reiteter muß sich diesem Satze beugen, wenn
sie seine Wahrheit auch nur zu empfinden hat
in abgeschwächter Form...
.Ich bin ja, so wenig, wie irgend ein anderer
Erdenmensch, wahrlich nicht
Urheber
dieser Gegebenheiten, sondern vermag nur,
mitteninne stehend, sie zu
bezeugen.
.Daß menschliche Phantasie sich das alles
auch
anders „vorzustellen” vermag, än‐
dert nicht das Geringste daran, daß die Wirk‐
lichkeit bleibt, wie sie
ist, und daß sie nur
ihrem eigenen, innewohnenden Gesetz ent‐
spricht.
Wenn ich hier zu warnen habe vor unbe‐
rufenen Lehrern, so will ich doch, menschlich
mitfühlend, hoffen, daß kaum ein einziger
auch nur ahnt, was er seinen Gedanken da
als Spielzeug überläßt.
.Wirkliches Wissen um die in Jahr‐
tausenden noch nicht aufzulösenden
Fol‐
gen, würde auch selbst den gewissenlosesten
literarischen Glücksritter unbedingt davor
bewahren, die Erfindungen seiner Vorstellungs‐
kraft als Wahrbild der
Wirklichkeit
in Kurs zu bringen...
.In Mythe und Sage, wie in Legenden und
mancherlei Lehren alter Religionen ist dieses
Wahrbild der Wirklichkeit noch zu finden,
wenn es auch heute derart übertüncht und
kerzenrauchgeschwärzt ist, daß wohl schon
Mühe und Sorgfalt aufgeboten werden müs‐
sen um es noch leidlich zu erkennen.
.Immerhin harrt hier Vieles noch der Ent‐
decker, die mit kundiger Hand das heute fast
Unerkennbare wieder sichtbar zu machen
wissen, denn
die Errichter der alten hohen
Kulte wußten, daß „wer Gott sieht, sterben
muß”, und schufen daher die Wahrheits‐
Bilder der Wirklichkeit, für alle, die ihren
lebendigen Gott
in sich selbst zu
finden hofften, wo er nicht „gesehen”, ‒
wohl aber in jedem Atom der Seele, in jeder
Zelle des Körpers,
empfunden werden
kann:
Segen,
Kraft und
Erleuch‐
tung spendend. ‒
Auch der große Liebende, der Held von
Golgatha, hatte Gott „
gesehen”, als ein
zu seiner Zeit dafür Bereiteter, ‒ und da er
wußte, daß er seinem Volke nur in Wahrheits‐
Bildern Anschauung der ihm bekannten
Wirklichkeit vermitteln könne, lehrte er fast
stets in Bild und Gleichnisrede.
.Zuweilen aber suchte er auch Bild und
Gleichnis noch zu übersteigern durch Worte,
die seine Schüler kaum von ihm erwartet
hatten.
.„Du hast harte Worte, ‒ wer kann sie
hören!?”
.So war es auch wirklich ein gar „hartes”
Wort für sie, wenn der Meister mit mathe‐
matischer Schärfe lehrte:
.„
Das Reich Gottes ist in euch!”
.Sie hatten sich das
anders „vor‐
gestellt”. ‒
.Nicht weniger wurde es ihnen schwer, ihm
zu folgen bei seinen Worten:
.„Ich und der Vater sind
Eines! Wer
mich sieht, der sieht auch
den Vater!”
.Aber:
.„Der Vater ist
größer als ich!”
.Fast beängstigend nahe kommen solche
Worte an die Wirklichkeit heran, so daß sie
gewiß den „Kleingläubigen” recht bedenklich
erscheinen mußten, besonders, da sie ja noch
nicht ahnen konnten, wie schön dereinst
christliche „Gottesgelahrtheit” solche Sätze
zu interpretieren wissen würde.
.Man wird nun heute sehr
bewußt wie‐
der solche Interpretation
vergessen
müssen, will man die Sätze selbst erfassen
lernen. ‒
.Aber weit wichtiger als das selbstgesteckte
Ziel: was von des hohen Meisters wirklichen
Worten heute noch übrigblieb, auf rechte
Weise zu deuten, ist die Umstellung des ganzen
eigenen Erdenlebens auf das „Reich der
Himmel”
in uns selbst!
.Auch wenn kein anderes Wort des großen
Liebenden erhalten wäre, würde allein der
Hinweis genügen, daß das wahre Reich der
Himmel für jeden Erdenmenschen nur
in
ihm selbst zu finden ist, ‒ so, wie
gerade
er es
erleben, so wie gerade
seine Kraft es erfassen kann. ‒
.Hier aber hat sich denn auch jede Deutel‐
sucht respektvoll fern zu halten!
.Es handelt sich um
das Reich der
Himmel, ‒ um das Reich der Welten
wesenhaften, ewigen Geistes, ‒ nicht etwa
um ein frommes Gefühl vermeintlicher Gott‐
wohlgefälligkeit! ‒
.Und
nur
in uns selbst sind uns die
Himmel offen, die uns ewig dereinst Heim‐
statt werden sollen. ‒ ‒
.In uns ist der Eingang zu allen Geistes‐
regionen, weil unser eigenes Geistiges von
allen durchdrungen wird.
.Doch auch
in dir selbst wirst du
nur in
den „Himmel” aufgenommen, der
deiner eigenen Bewußtseinsfähigkeit ent‐
spricht, die nur
durch Tat und Wir‐
ken in der dir gemäßen Umwelt Signatur
und Gradbestimmung sich verschaffen kann!
.Sobald dereinst dein Erdenleib dir nicht
mehr dienstbar ist, wirst du mit
jenem
„Himmel” dich begnügen müssen, dem dein
Verhalten gegen dich und deine Neben‐
menschen dich vereinbar werden ließ, und
erst in irdisch unbegreifbar langen Zeiten
wirst du derart zu wandeln sein, daß dir auch
eine höhere Region der wesenhaften Geistes‐
welten dermaleinst erfaßbar werden kann.
.Nicht
nur dir selbst sollst du in diesem
Erdenleben deine Kräfte, deine Macht und
deine Sorge widmen, aber auch nicht
nur
den Anderen!
.Auch hier mußt du mit unerbittlichen Ge‐
setzen rechnen...
.Je näher du der Harmonie, die
geisti‐
ges Gesetz von dir verlangt, zu kommen
weißt, desto mehr wirst du an Bleibendem
gewinnen.
.Möge es dir gelingen auch dein
geistiges
„Soll und Haben” derart in Ordnung zu
halten, wie es der gute Kaufmann innerhalb
der Welt der Erdenwerte von sich verlangt,
dann wirst du gewiß das Werk deiner Erden‐
tage niemals zu bereuen haben!
* *
*
ENDE
PSALMEN
Verlag der Weißen Bücher München
1.-5. Tausend
Gedruckt im Jahre 1924 bei Emil Herrmann sen., Leipzig
Copyright 1924 by Verlag der Weißen Bücher, München
Printed in Germany
NICHT VON SEINEM EIGENEN WEGE
KÜNDET DER SCHREIBENDE!
ER GAB NUR FORM DEN WORTEN DES
SUCHENDEN, DEN ER AUS DER FIN‐
STERNIS ZUM LICHTE IN DER LIEBE
FÜHRTE.
HIER SOLL DER SCHÜLER DURCH DEN
MUND DES LEHRERS SPRECHEN.
OO
DER SCHÜLER, SOWIE ER TAUSEND‐
FACH BEREITS IN DER WELT ZU FINDEN
IST IN DIESEN TAGEN!
Die Stimme des Suchenden
ist es, die allhier vernommen wird:
DUNKEL ist um mich her und grauenvolle
Finsternis!
Wo finde ich
Licht?!?
Wo finde ich auch nur
einen Strahl des Lichtes?!?
Wo zeigt sich mir auch nur das
fernste Leuchten?!?
Ach, ich bin eingeschlossen in
Dunkelheit und
es ist kein Weg zu finden der mich aus der Düster‐
nis zum Lichte führen könnte!
*
Gibt es denn „
Licht”??!
*
Höllische Antwort nur wird mir auf meine
Frage und weiß mir zu sagen:
„
Du eitler Tor!”
Der
Finsternis entsprossen und dazu geboren,
eine kurze Spanne Zeit in
Finsternis dein Spiel zu
treiben: ‒ bemerkst du noch nicht, daß auch dein
Traum vom
Lichte nur ein Gaukelspiel deiner
Wünsche ist!? ‒
Spreize und strecke dich soviel du magst, aber
wähne nicht, daß es dir vorbehalten sei das
Licht
zu finden!”
*
Ach, so ist denn
Lüge das Licht??...
So ist denn
Lüge alle
Hoffnung einst das
Licht
zu finden??...
So ist denn
Lüge in mir
selbst was mich zum
Lichte
zog???...
Fluch dieser
Lüge die mich höhnisch narrte!!
Fluch diesem
Wahn der Torheit, der mich
er‐
reichbar wähnen ließ, was
niemals zu erreichen
ist!!!
Lange genug war ich nun meines Wähnens gequälter
Sklave!
Mögen mir alle
ferne bleiben hinfort die mir noch
vom „
Lichte” reden wollen!
Ich will
weiser sein als sie, die noch den Traum von
der
Erfüllung ihres
Wunsches träumen! ‒ ‒
Erwacht bin ich endlich aus solchem Träumen und
weiß mich als
Geburt der Finsternis in kurzem
Dasein, bis mich die
Finsternis verschlingt!...
Erstorben sei mir die
Klage über mein Los!
Nicht mehr will ich der
Finsternis mich zu
ent‐
winden suchen!
Ich will mich hinfort in alle dunkelwarme
Wollust
stürzen die mir die
Finsternis gewähren mag!
Gepriesen seiest du, düstere
Nacht der Nicht‐
erkenntnis, die du meinem Auge gütig zu
verbergen weißt, was mich fürder
schrecken
könnte!...
In der
Finsternis aus der ich stamme, will ich mir
mein wohlumhegtes
Dunkeldasein schaffen, das
mir kein Traum vom
Lichte stören soll!...
*
Aber noch während ich
fluche allem
Lichte und
mich selbst der
Finsternis gelobe, irrt meine Worte
eine
andere Stimme die in mir reden will...
Mich aber soll sie nicht äffen können!
Ich fühle: ‒ sie will mich mit irgendeiner Torheit
dazu verleiten, daß ich, der ich endlich völlig finster
wurde, mein
Gelöbnis breche, das ich der
Finster‐
nis schwur.
Ich will sie dennoch
hören, diese Stimme, um sie
am Ende ihrer Rede zu
verlachen!
Ich will mich selbst an ihr
erproben und mir selbst
vor ihr
beweisen, daß ich nun
nicht mehr zu be‐
tören bin!...
So möge sie denn reden!
Ich höre!...
*
Ach, was ich
höre ist mir nur zu sehr
vertraut!
Schon zum
Voraus muß ich diese Stimme
verlachen!
Sie redet mir von frühen Tagen: ‒ von der holden
Zeit der frommen Jugendgaukelbilder, da man mir
einst von einem sprach, der selbst „
die Liebe” sei...
Ihn, den kein Name würdig nennen könne, will sie
mir wieder ins Gedächtnis rufen, das ihn gern ver‐
gessen hat...
O Torheit über Torheit!
*
Und dennoch fesselt mich hier eines das ich nicht
enträtseln kann. ‒
Ein unerfaßliches
Fühlen will mich wieder in mir
selbst erregen, ‒ das ich einst fühlte, als ich ihm,
von dem sie sagten, daß er
selbst die
Liebe sei, zu
nahen suchte
in der Liebe...
Wie soll ich mir dieses
Fühlen deuten, das so mir
wiederkehren will, nachdem ich
längst ihm
ent‐
sagte um der
Erkenntnis willen?! ‒
Ach, bin ich verdammt ein
Tor zu bleiben, der sich,
in seinen
Schlüssen eingeschlossen, stets
im Kreise
drehen muß!!? ‒ ‒
Eben noch habe ich meiner
Erkenntnis reifste
Frucht gepflückt, und nun schon faßt mich dieses
Unerfaßliche und will die Frucht, bevor ich sie
genießen konnte, mir
entwinden...
Soll ich von neuem
zweifeln, der ich eben noch
Gewißheit mir errungen glaubte?!?
Es ist nur
schaurige Gewißheit, und dennoch
dünkte sie mir
besser als der
Zweifel. ‒ ‒
Was aber kann mir dieses
Fühlen bringen??
Als der
Erkenntnis reife Frucht ward mir Gewiß‐
heit, daß mir allein die
Finsternis gegeben bleibt,
und daß
nichts anderes mir werden
kann, da ich
ja
selbst der Finsternis
entstamme...
Doch dieses
Fühlen, dem ich lange mich
ent‐
wunden glaubte, macht mich nun
an mir selber
irre. ‒
Es ist von
anderer Art als die
Finsternis, der ich
mich eben noch verschworen habe...
O, daß ich zu
erkennen wüßte, was aus ihm zu
erkennen ist, auch wenn es
Ammenmärchen nur
entstammt von alters her! ‒
So sehr ich aber es auch
lästern mag: ‒ es läßt sich
nicht verscheuchen. ‒
So sehr ich auch mit meiner
Erkenntnis Waffen
ihm zuleibe gehe: ‒ es läßt sich
nicht ertöten. ‒
Wenn die Finsternis
alles wäre, was mir gegeben
ist, ‒ wie könnte sich dieses
Fühlen in mir fin‐
den?? ‒
Dieses
Fühlen, wie ich es zu fühlen wußte, einst‐
mals, wenn ich an
ihn dachte, den ich
glaubte, ‒
von dem man einst mir zu sagen wußte, daß er „
die
Liebe” sei...
Ach, hätte ich doch dieser Stimme, die nun mich
aufs neue in
Zweifel stürzt,
kein Gehör gegeben!!
Allzufrühe habe ich sie
verlacht!
Allzufrühe habe ich ihrer
gespottet!
*
Oder ‒ ‒ sollte sie mir denn wirklich etwas zu
sagen haben, das all mein
Erkennen mir
nicht
sagen konnte?? ‒ ‒ ‒
Um der
Gewißheit in der
Finsternis willen habe
ich dem Suchen nach
Licht entsagt...
Ist dieses
Fühlen denn etwa
Besseres als solche
Gewißheit?!...
Es ist nicht
Finsternis und gleichwohl kann ich es
als
Licht nicht gelten lassen. ‒
Licht müßte mir in der
Erkenntnis werden, wenn
Licht für mich zu
finden wäre! ‒ ‒ ‒
Dennoch
erschüttert mich schon der Gedanke,
daß dies erneute
Fühlen vielleicht zum Lichte
leiten
könnte...
*
Ich
fühle bereits: ‒ ich
ahne, daß ich der Wahr‐
heit
nahe bin...
*
Wahrhaftig!...
„
Aller Lichterkenntnis Mutter ist die Liebe!”
‒ ‒ ‒
So spricht es in mir...
*
Ich bin verloren!!
Taumelnd stürze ich zu Boden.
Verflucht bin ich, der ich dem
Lichte fluchte!...
Ich selber habe mich gerichtet!...
*
Verruchte Stunde, die mich eben noch in läster‐
lichem Wort dem
Lichte entsagen ließ!?
*
Noch eben ein Lästerer,
fühle ich nun, ‒ noch eben
Frevler,
ahne ich jetzt, daß nur in der
Liebe das
Licht errungen werden kann!!
*
O törichtstolze
Gewißheit, mit der ich vordem zu
erkennen glaubte!!!
*
Wahrlich: ‒
gewiß wird mir nun, obwohl ich es
nur ahnend
erfühle, daß alle Scheingewißheit des
Erkennens recht eitler Schlüsse klüglich verbrämte
Torheit ist, so das Erkennen nicht in der
Liebe
gründet, die allein
Gewißheit geben kann!!
*
Dir fluchte ich, du ewiges
Licht, weil du dich jeg‐
licher
Erkenntnis zu
verhüllen weißt die nicht
aus der
Liebe geboren wurde!...
Wirst du den
Frevel mir
vergeben können??
*
Siehe ich liege am Boden wie ein Baum den der
Sturmwind fällte!
Wer wird mich wieder
erheben und
aufrecht
wurzeln lassen, außer
dir, der du
die Liebe bist!?
Befreie mich, du Ewiger, wenn meine Zunge mir
nicht selbst mein Urteil sprach, aus dieser
Höllen‐
finsternis, die mich umgibt!
Du, den ich nun
ahne, den ich nun
fühle, ‒ der
selbst
die Liebe ist, ‒ wie könntest du mich ver‐
stoßen, den du nun
in der Liebe findest!!
All-
Liebender errette den, der mit
Frevel seinen
Mund besudelte, aus dieser
Finsternis!!!
*
DA ich am Boden lag, bewußt des argen Frevels,
hast du mich alsbald erhoben, ‒ du, der du selbst
die Liebe bist!
Du sandtest Hilfe mir in meine Not: ‒ Hilfe, die
mir helfen konnte! ‒
Alsbald verlor die Finsternis ihre Schrecken und
ihre dunklen Lüste ließen ab von mir...
Noch ist mir nicht das Licht geworden, aber ich
weiß, daß ich ihm nahen werde...
Noch ist alles ringsum in Dunkelheit; doch ich
weiß, daß mir dein Leuchten wird...
Es fanden mich jene, die in deinem Lichte leuch‐
tend wurden und die Stimmen Liebender erhörte
ich in meinem Innersten...
Von ihnen kam mir hohe Führung: ‒ wahrlich
den Führer aus der Finsternis fand ich unter deinen
Leuchtenden!
Noch bin ich zu Anfang des Weges, der zu dir, ‒
der zum Lichte führt.
Noch weiß ich wenig um des Weges Weise; doch
weiß ich, daß er mich zu dir, zu meinem höchsten
Ziele führen wird...
Siehe ich vertraue dir in dem, den du mir zur Füh‐
rung sandtest!
Ihm folgen meine Schritte, so wie er mich die Füße
setzen heißt...
Ich habe aufgehört die Wege zu gehen, die ich vor‐
dem meine
eigenen Wege nannte...
Ich weiß, daß mein
Führer allein mich auf meinem
einzigen,
wirklich eigenen Wege zu leiten weiß! ‒ ‒
Noch muß ich ja im
Dunkel schreiten und habe
selbst kein
Licht.
Er nur, der mich
führt, vermag in seinem
Leuchten
meines Weges Fährte zu erkennen. ‒
Wie sollte ich
ihm, den ich im
Lichte weiß das aus
ihm leuchtet, nicht willig Folge leisten wollen!?
Du, den ich
ahne, den ich
fühle, den ich aber noch
nicht kenne: ‒ wie sage ich dir täglich
Dank, da
du mir
Hilfe sandtest aus deinem
Heiligtum!
O, hätte man
früher mir gesagt, daß
Lichterkennt‐
nis nur die
Liebe geben kann! ‒
O, hätte man
früher mir vertraut, daß
du, der
selbst
die
Liebe ist,
inmitten dieser Finsternis dir selbst ein
Heiligtum der Liebe zu begründen wußtest! ‒ ‒ ‒
So aber führte man mich zu manchem Tempel, und
in
jedem fand ich Opferpriester die da bekundeten,
er sei dein
einzig wahres Heiligtum...
Wie konnte ich glauben
dich noch zu finden, da
allerorten ich nur Menschenmeinung fand, die sich
in deinem Namen selbst die Weihe gab mit hohen
Worten!...
Wie konnte ich ahnen ‒ du, der du die Liebe bist
‒ daß dennoch in Verborgenheit dein wahres
Heiligtum inmitten dieser Finsternis zu finden
ist! ‒ ‒ ‒
Du hast es gut geborgen vor der Neugier frechen
Blicken und vor dem selbstgewissen Hochmut,
den ich in den Tempelhallen fand, da man der Men‐
schen Satzung stolz als deine heilighehre Offen‐
barung kündet! ‒
Erbarmen faßt mich, denke ich der Lehren jener
Eitlen, die der Weisheit hohe Worte ihrer Tor‐
heit einen und in deinem Namen Ehrfurcht für
sich selbst verlangen, die einstens mit der Macht der
Finsternis zu Ende ist...
Erbarmen faßt mich, denke ich an alle, die hier
in dieser Finsternis vor jenen sich in Ehrfurcht
beugen...
Es mögen Beherrschende und Beherrschte guten
Glaubens sein, doch muß des Irrtums Saat, dem
treue Pflüger immer neue Furchen ziehen, auf solche
Art der Finsternis stets neue Nahrung geben...
Möchten die Redlichen unter denen die da pflügen,
säen und ernten, doch noch in ihren Tagen
erken‐
nen, wie wahrlich trotz aller
Finsternis das
Licht
zu
finden ist, und alte
Weisheit scheiden lernen
von der
Menschenmeinung, die ihnen selbst
zur Stunde noch der Weisheit hehrsten
Sinn ver‐
birgt!...
*
Erbarmen aber faßt mich so in gleicher Weise, denke
ich an alle, die im
Denken das
Licht zu finden
glauben, durch
Erkenntnis der die
Liebe fehlt! ‒
Möchten auch sie, gleich mir, zur
Liebe geleitet
werden, und
in der Liebe dann die
Führung fin‐
den, die
allein hier führen
kann! ‒ ‒ ‒
O wie
viele weiß ich in der
Finsternis, für die ich
um
Erlösung bitte?!
Sie
erstreben das
Licht und erstreben es
dort, wo
es
nie zu finden ist...
Sie
suchen auf
irrigen Wegen und da sie so
nicht
finden, lästern sie...
Der mir zum
Führer wurde aber sagte mir, daß auch
sie einst
gefunden werden, wenn ihre
Zeit gekom‐
men ist.
So bitte ich darum, daß
ihre Zeit bald
vollendet
sei!...
*
Noch weiß ich selbst ja nichts aus eigenem Er‐
kennen. ‒
Noch ward ich selbst erst erkannt, als einer, der
nach dem Erkennen in der Liebe strebt. ‒
Noch weiß ich nicht zu sagen, ob mir Vieles, ob
mir Weniges, ‒ ob mir Großes, ob mir Geringes
werden mag. ‒
Doch ich vertraue dem, den du mir sandtest, da
ich im Innersten erfühle, daß du in ihm dich meiner
Seele offenbarst, und er dich meiner Seele offen‐
baren will...
Schon sehe ich in seinem Leuchten vieles, das sich
meiner eigenen Erkenntnis noch auf andere Weise
nicht enthüllt...
Siehe, es steht mein Verlangen nicht nach anderem
als nach dem, was er meiner Seele durch sein Leuch‐
ten erhellt!
Ich verlernte alles Wissenwollen, und alle Qual
des Willens zur Erkenntnis hat mich nun ver‐
lassen...
Meine Sorge ist einzig: ‒ in der Liebe zu bleiben,
und ich weiß gewißlich, daß mir einst Erkenntnis
wird nach meiner Kraft, so ich nur stetig in der
Liebe bin. ‒ ‒ ‒
Zu tief war ehedem meine Not, als daß ich erneut
dem Drange nach
liebeleerem Erkennen folgen
würde!...
Erahnend hatte ich zuerst gefühlt, daß nur das
innere Erleben in der
Liebe zu
gesicherter Er‐
kenntnis führen könne, daß das
Licht sich nur der
Liebe offenbare. ‒ ‒
Nun folgte
Belehrung meinem Ahnen, und ich
weiß, daß er, der mich lehrt, die Worte
deines
Mundes spricht. ‒
Zu klar schon hat er mir sich offenbart, als daß ich
noch an seiner Wahrheit
zweifeln könnte!
*
Du hast, o
Ewiger, der du die
Liebe selber
bist,
mit ganz
untrüglicher Vollmacht jene ausgerüstet,
die du als
Helfer sendest, wo da ein Mensch der
in
die Liebe fand, nach Hilfe
verlangt!
Sie sind
nicht zu
verkennen, auch wenn gar man‐
che die nach
Ehrfurcht für sich selber gieren, in
dieser Finsternis
sich selbst in ihrem Namen
dar‐
zubieten suchen...
Die du dir
selbst bereitet hast, damit sie
deine Hilfe
bringen können wie sie der Irdische empfangen
kann, wird man
vergeblich suchen unter
denen,
die gleich Königen in
Prunkgewändern schreiten
und sich Weihrauch opfern lassen!
Man wird sie auch nicht unter
denen finden, die
aus
alter Schriften buntvermengten Worten eine
Lehre formen, die da lehrt was
Vorbedingung
ist, um einen der des Menschentieres Antlitz trägt,
erst vor sich selbst und anderen als einen
Menschen
zu bekunden. ‒ ‒
Wohl
sind es
Könige, die deiner Weisheit dienen! ‒
Wohl lehren sie die
Lehre, die zu sagen weiß, wie
aus dem Menschentiere du dir
Ewigkeitsgezeugte
zeugst! ‒ ‒
Allein den
Purpur können wahrlich sie
entbehren,
und
Gold und
Hermelin ist
nicht vonnöten um
ihre
Königswürde allen darzutun, die würdig sind,
sich ihrer
Führung zu vertrauen...
Ihr „
Reich” ist
nicht von
dieser Welt, obwohl sie
alle hier in dieser Welt ein
Königtum als
Erbe in
sich tragen, das
allen königlichen Schein der Erde
nur zum
Maskenspiele werden läßt. ‒ ‒ ‒
Was sie zu
lehren haben wird nicht durch die
alten Schriften erst bestätigt; dagegen aber sind
die alten Schriften jeweils
totes Gut, solange einer
derer die du „
in der Zeiten Fülle” sendest, den
Sinn der alten Worte nicht
erweckt zu neuem
Leben...
*
Ewig will ich
danken dir o
Ewiger, daß du meines
Frevels nicht geachtet hast und mir den hohen
Helfer sandtest aus deiner
Leuchtenden Schar!
In
ihm wird mir die
Liebe kund, die allein mich
zum
Lichte führen kann...
Zu
dir, der du selbst
das Licht: ‒ der du selbst
die Liebe bist! ‒ ‒ ‒
*
ANBETUNG dir, den ich nun
weiß, da ich doch
vordem dich nur
ahnen, dich nur
fühlen konnte!...
Anbetung dir, den ich nun in mir selbst
erkenne,
da ich doch vordem dich nur
glauben konnte!...
Anbetung dir, den ich nun fand in meinem
Aller‐
innersten, da ich doch vordem dich im
Äußeren
suchte!....
Nun habe ich
dich selbst als deines
Lichtes Funken‐
strahl in mir erlangt: ‒
dich, meinen
lebendigen
Gott! ‒ ‒ ‒
Nun ist mir alle Finsternis
erhellt in deinem
Lichte! ‒
Nun sehe ich den
Weg vor mir, den ich durch‐
wandeln muß, um einst durch
dich in deinem Reiche
neu
gezeugt zu werden: ‒ in deinem
Lichte neu
geboren! ‒ ‒ ‒
Du, der
sich selbst in
mir geboren hat, wirst
mein
Erzeuger: ‒
ewiglich in mir
dich selbst
gebärend, und aus dir erzeugend
mich in
dir, zu
ewiger
Neugeburt in deinem
Lichte! ‒ ‒ ‒
Erkenntnis ward mir aus der
Liebe, die du
selber
bist, den ich in meinem
Allerinnersten mir nun
vereinigt weiß! ‒ ‒ ‒
Liebe hat das Wunder vollbracht!
Der Liebende ward der Liebe geeint!
In der Liebe ward mir das Licht!
*
Nun ist die
Finsternis, die alles Irdische umgibt,
mir
hell geworden, und ich vermag es, denen die
im
Dunkel sitzen
Licht zu zeigen!
Ich will
künden dich,
du Ewiger, allen die dich
suchen, und allen die zum
Lichte streben will ich
von dem
Wege sagen, so sie
in der Liebe sind!
*
In der
Liebe allein wird euch
Heil!
In der
Liebe allein wird euch
Erlösung!
In der
Liebe allein kann euch gesichertes
Erkennen
werden!
*
Bereitet euch alle, die ihr nach dem
Lichte strebt,
euch in der
Liebe zu finden!
Nur wenn ihr selber
in der Liebe seid, kann
ewige
Liebe euch zu
neuem Dasein wecken! ‒ ‒
Nur wenn ihr
in der Liebe seid, können die
Lie‐
benden euch erreichen die in dieser Finsternis des
Lichtes
Leuchten in sich tragen! ‒ ‒ ‒
Sie selbst sind wahrlich
in der Liebe, und nur in
der
Liebe vermögen sie zu
wirken! ‒
Nur in der
Liebe gründet alle
Geistesmacht die
ihnen übertragen ist! ‒ ‒
Wahrlich: ‒ sie wissen
jeden zu finden der
in der
Liebe ist und es bedarf des
Rufens nicht um von
ihnen
gefunden zu werden! ‒ ‒ ‒
Im
Urlicht, das die Liebe selber
ist und nur aus
Liebe:
Leben zeugt in allem was da lebt, wird ihnen
kund, wer
in der Liebe ist, und keinen können je‐
mals sie vergessen...
Wer aber
nicht in der
Liebe ist, dem nützt kein
Rufen, Bitten und Flehen, denn noch ist sein
Stern
im
Urlicht nicht
entzündet, noch ist er nicht reif,
auf den
Weg geleitet zu werden...
*
Gar viele haben
gerufen und wurden
nicht ge‐
funden, obwohl sie glaubten, längst bereitet zu
sein! ‒ ‒
Andere aber verharrten in der
Stille, und da man
sie
in der Liebe fand, kam unvermerkt der
Füh‐
rende und leitete sie auf den Weg...
Der Weg ist zwar
steil, doch kann ihn jeder erstei‐
gen, der alles
selbstgewisse Wissen von sich wirft
und nur des
Führers Stimme lauscht, der ihn mit
Sicherheit emporzuführen weiß, ist er
gefunden
worden
in der Liebe...
Laßt aber alle Hoffnung fahren, etwa
selbst zu
fin‐
den, solange man
euch selbst noch nicht
gefun‐
den hat!
Man wird euch finden, so ihr unablässig
in der
Liebe bleibet!
*
Dank sagt dir all mein Inneres,
du Ewiger, daß
du den Menschen
nicht verlassen hast in seiner
Finsternis!...
Allen die
in der Liebe sind, sendest du deine
Hilfe!
Alle die in der
Liebe sind, finden
Führung zum
Licht!
*
Du bist die
Liebe, ‒ du das
Licht, das aus der
Liebe
lebt!
Nun trage
wissend ich dich
in mir, ‒ ich
weiß
dich wie ich
mich selber weiß!
In mir selber bin ich dir vereinigt, ‒ meiner Seele
bist du in mir geboren...
In deinem
Lichte darf ich deine Herrlichkeit
schauen, ‒ das Auge des Geistes hast du mir ge‐
öffnet...
Ich sehe dich, du ewiges
Urlicht, unerfaßbar für
dich selbst im
Sein, ‒ ich sehe wie du selbst dich
ewiglich als
Urwort fassest...
Du zeigst mir wie das Urwort ewiglich den „
Ewi‐
gen Menschen” spricht: ‒ den
Geistgeborenen,
der ewiglich
in ihm verharrt...
Du zeigst mir, wie der Menschengeist in dieser
Finsternis nur Zeugnis jenes „
Ewigen Menschen”
ist, ‒ des „
Alten der Tage”, ‒ des „
Vaters” aller
deiner
Leuchtenden...
Aus
ihm nur kannst du in dir selbst dem
Menschen‐
geiste dieser Erde
fassbar werden...
Aus
ihm hast du mir
Erlösung bereitet...
Aus
ihm ward mir der
Führer gesandt...
*
Du
allein bist der
Seiende!
Als
Urwort offenbarst du dich
für dich selbst!
Im „
Ewigen Menschen” schaffst du dir des
Urworts
Offenbarung, die weiterzeugend alle
Hierarchien hoher Geister bis herab zum
Men‐
schengeiste dieser Erde aus sich selber
offen‐
bart...
Ruhe und
Schaffen sind in dir...
Ruhe bist du in deinem
Sein, ‒ als
Schaffenden
spricht dich das
Urwort aus...
„
Mann” und „
Weib” bist du in deinem
Sein, du
ewiges
Urlicht, ‒ du ewiger
Geist der Wahr‐
heit, ‒ du, der du selbst
die Liebe bist...
„
Mann” und „
Weib” spricht das
Urwort aus...
„
Mann” und „
Weib” ist der
Ewige Mensch...
*
In einem
Funkenstrahl deines Lichtes nur vermag
ich dich zu
ertragen...
So bist du mir
vereint, als mein
lebendiger Gott! ‒
In dir erkenne ich, daß diese
Liebe, die
du selber
bist, stets
Tat und
Wirken aus weiser Ruhe will...
Alles Erkennen sehe ich fruchtlos und ohne Wert,
wenn es nicht gründet in
dir, der du die
Liebe
bist!
In der
Liebe aber ist nur der
Wirkende der in der
Tat der Liebe sich bewährt! ‒
Du willst nicht
wohlige Träumer die nur in
Ge‐
fühlen schwelgen denen keine
Folge werden kann;
‒ in zeugender
Kraft muß
weiterzeugend wirken,
was der
Menschengeist aus dir
empfängt...
Wer da an andere
verlieren will was er empfangen
hat, der wird
mehr empfangen, ‒ wer es aber
sich
allein erhalten will, der wird es
verlieren...
Weise wirken deine hohen
Kräfte: ‒ gegründet
sind sie in deinem
Willen...
Wie die Sonne ihre Strahlen sendet, so sendest du
deine Kräfte aus: ‒ sie sind nicht mehr in dir, und
doch bist du in ihnen...
In allen Welten wirken sie auf gleiche Weise: ‒
auch diese Finsternis ist ihres Wirkens voll...
Liebe ist ihr innerstes Gesetz; ‒ nur wer in der
Liebe ist, dem können sie
dienen...
*
Wahrlich, der Menschengeist kann sich nicht
son‐
dern aus dem All des Geistes: ‒ was immer
Geistes‐
zeugung ist, wird durchlebt von dem gleichen
Le‐
ben. ‒
Töricht ist jeder der da handelt als ob ihm
Tren‐
nung vom Ganzen möglich sei? ‒
Töricht ist jedes Streben das der
Gemeinsamkeit
entraten will? ‒
Töricht ist jede
Tat, wie hoch man sie auch an sich
selber werten möge, fügt sie sich nicht dem alles
Geistige vereinenden Gesetz der
Liebe! ‒
Zahlreich ist solche törichte Tat in der Finsternis!
Die im Dunkel Träumenden erträumen sich eine
gesonderte Welt: ‒ jeder nach seinen Wünschen
und Begierden...
So ist all ihr Tun ein
totes Mühen: ‒ die
Kräfte
des Lebens sind ihrer Tat
nicht verbunden!...
*
O ihr
Menschengeister, die ihr in die
Finsternis
geboren seid und nach dem
Lichte verlangt, wisset,
daß ewige
Geisteskräfte euch zu Dienern werden,
so all euer Tun in der Liebe bleibt! ‒ ‒ ‒
Letzter
Antrieb zu allem Tun muß in der
Liebe
gründen, soll eurer
Tat die hohe
Hilfe werden! ‒
Auf hohen Planen wirken die
Kräfte des Gei‐
stes die euch dienstbar werden können: ‒
Ur‐
sache schaffen sie aller
Wirkung in der irdischen
Welt...
Dort wo sie wirken, dort reicht euer Ruf nicht hin;
‒ nur eurer Tat
Impuls kann sich zu jenen hohen
Reichen heben, so er aus der
Liebe stammt! ‒ ‒ ‒
*
Die hohen
geistigen Kräfte werden euch allezeit
dienstbar sein, wenn all euer Tun in
Harmonie
bestehen kann mit dem
Gesetz des Geistes das in
der
Liebe gründet! ‒ ‒
Was nicht in
Liebe sich dem
Ganzen einen will,
läuft seinen
leeren Lauf; ‒
im Reiche des Geistes
wird seine Spur nicht gefunden! ‒ ‒ ‒
Ach, es sind viele Taten in der Menschen Mund, die
als „groß” und „weise” gelten: ‒ im Reiche des
Geistes aber sind sie nie geschehen!...
Schein und
Schatten nur vermochten sie zu be‐
wegen und in
Schein und
Schatten wirken ihre
Impulse fort!...
Sie waren nicht geboren aus der
Liebe, und nur
was aus der
Liebe stammt geht in die Liebe ein...
*
Nicht großer Taten
Ruhm ebnet den Weg zum
Lichte: ‒ die Tat der
Liebe allein besiegt die Fin‐
sternis!
Aus dunkler Todesnacht schafft sie Erlösung; ‒ die
Schrecken der Unterwelt überwindet sie!
Wo immer
Liebe sich in
Tat bekundet, dort finden
die
Führer einen den sie führen können...
Zum ewigen
Lichte werden sie ihn leiten, und zu
jener
Erkenntnis die
allein Gewißheit gibt!
Aus der
Liebe wird ihm solche Erkenntnis geboren,
‒ ihm, den man
in der Liebe fand! ‒ ‒ ‒
*
ALLEN die nach dem Lichte streben darf ich nun
verkünden, daß ihnen Erlösung werden wird!
Allen die in der Liebe sind darf ich sagen, daß sie
die Erkenntnis finden werden die allein Gewiß‐
heit gibt!
Eine Zeit der Erfüllung ist angebrochen und eine
Zeit des leichteren Erlangens!
Jeweils vor dem Nahen einer solchen Zeit, haben
die Drachen der Finsternis doppelte Macht...
Sie bäumen sich auf in ihrer Herrschaft: ‒ alle Sche‐
men des Grauens weckt ihr Brüllen...
Aus seinen Gräbern und Gruben scharren sie den
Unrat: ‒ die Luft verpesten sie mit giftigen Dün‐
sten...
Angst und Schrecken verbreiten sie über den Erd‐
kreis: ‒ mit dröhnenden Tritten treten sie nieder
alle Hoffnung...
Aber die Tage ihrer Macht sind wahrlich gezählt: ‒
an ihrem eigenen Greuel gehen sie zugrunde! ‒ ‒
Noch sind sie nicht erstickt an ihrem Fraße: ‒ noch
gieren ihre triefenden Lefzen nach neuem dampfen‐
den Blute...
Ihr Schnauben bläht noch ihre Nüstern: ‒ man
wird noch ihr Gebrüll vernehmen in der argen Fin‐
sternis...
Dennoch sind ihre Tage dahin und ihre Macht ge‐
brochen: ‒ mit eigenen Tatzen vernichten sie sich
selbst im letzten Krampfe...
Die
Zeit der Erfüllung ist endlich angebrochen; ‒
nicht gibt sie neue Nahrung den Ungeheuern der
Finsternis...
Die Stimme der
Liebe wird
nicht mehr überwäl‐
tigt werden können, so sehr auch die Drachen der
Tiefe noch immer die Seelen schrecken...
Endlich werden sie
verenden und
Liebe wird neues
Leben schaffen!...
*
Dann aber wird man allerorten
in sich selbst die
Führung finden, nach der man schrie in vergange‐
ner Not, da man sie
außen suchte in der
Finster‐
nis! ‒
Dann wird man nach bangen Schrecken wieder zu
sich selber kommen; ‒ in der
Liebe wird man den
Weg zum
Lichte finden! ‒ ‒ ‒
Noch konnte die
Finsternis das
Licht nicht
ver‐
schlingen, und
niemals wird sie es verschlingen
können...
Es war nur
verborgen eine lange Zeit, da man die
Finsternis mehr
liebte als das Licht...
Man wollte
Erkennen ohne
Liebe, und wußte
nicht, daß alles
gewisse Erkennen
nur aus der
Liebe
kommt...
Man war gar
hoch gestiegen im steten
Dunkel,
und alles was sich nur im Dunkeln
finden läßt,
hatte man
abgetastet...
Mit allen Künsten wußte man im
Dunkel sich
zurechtzufinden; ‒ des
Lichtes glaubte man
nicht
mehr zu bedürfen...
Wohlig wühlte man sich ein in das Staubmeer der
Dunkelheit, und suchte Nahrung die nur im
Fin‐
stern nährt...
So glaubte man sich
geborgen und aller Schrecken
Herr; ‒ die
Tiere der Finsternis glaubte man
be‐
zwungen...
*
Ach,
trüglich war solche
Täuschung, und die sich
selbst in solcher Weise trogen, wurden ihres
Truges
nicht inne! ‒
Auf den Leibern der Drachen tanzten sie tolle Tänze:
‒ sie hielten für
sicheren Boden der schlafenden
Ungeheuer Rücken...
In jähem Entsetzen erst erkannten sie was sie ge‐
tragen hatte; ‒ die Tiere, die zum Fraß erwachten,
schüttelten die Tänzer ab...
So kamen sie zum
Erwachen, zum Erwachen in der
Finsternis: ‒ mit
Weheklagen sahen sie einander
an: ‒ ihr Jammer drang, wie Windesbrausen in den
Bergen, durch dichte Mauern ein...
Wo sollten sie noch
stehen, da der
Boden der ihr
Tanzplan war, sich unter ihren Füßen
bäumte?
Wo sollten sie noch ihren
Standpunkt finden, da
alles was sie unverrückbar
sicher wähnten, nun ins
Wanken geriet?! ‒ ‒
Ach, es war grause
Not und man wußte nicht, wie
man noch festen Fußes sich halten sollte...
*
Das
Licht aber war auch in
jenen Tagen
allen nahe
die sich
in der Liebe fanden; ‒ der anderen Un‐
heil konnte sie nicht treffen...
Der Modergeruch verwesender Leiber ätzte sich allen
Sinnen ein; ‒ nur die
in der Liebe waren, konnte
er nicht erreichen...
Ihr
Mitleid kannte wahrlich keine
Grenzen,
allein der
Strom der Bosheit verebbte vor ihren
Füßen...
Unsagbares
Entsetzen sahen sie vor sich aufge‐
türmt: ‒ die
Schrecken der Hölle sahen sie wie
ein
Schauspiel prunken...
Was sollte ihre Seele sagen, die der Menschheit
höchste Würde wie ein
Dirnenspiel dem
Zufall
preisgegeben sah: ‒ wie sollte
Macht ihnen wer‐
den, solche
Torheit zu
verhindern?!?
Schwer
lastete auf ihnen, was den
anderen frohes,
frivoles
Spielen war: ‒ der anderen
Siegesfroh‐
locken roch ihnen nach dem
Moder der Grüfte!...
*
Es waren
Allzuwenige zu jener Zeit, die das
Licht
zu suchen strebten in der
Liebe...
Es waren
Allzuwenige zu jener Zeit, die noch die
Macht erkannten, die nur die
Liebe gibt...
Es waren
Allzuwenige, die noch erkennen
woll‐
ten, daß das
Licht nur aus der
Liebe lebt!
*
In geiler Wollust aber suchten alle
anderen ihrer
frevlen
Wünsche törichte Erfüllung: ‒ der „Gott”
von dem sie selber sagten, daß er die
Liebe sei, ward
ihnen zum Makler ihres blöden
Hasses...
Wo waren
jene aus ihnen, die da in früheren Tagen
wohl auch in
Worten die
Liebe besungen hatten?!
Wo waren
jene, die in anderen Tagen einst allen
Haß
begraben wähnten?!
Ach, der
gefallene Mensch der Erde in seinen
dumpfen Trieben, war zu jeder Zeit der
Tierheit
Sklave: ‒ in seiner tiefen
Umnachtung pocht er
auf seine „
Menschenwürde” und wütet
schlimmer
als jedes
andere Tier!...
*
Zwar waren viele vordem ausgezogen, nach der
„
Wahrheit” zu suchen.
In
liebeleerem Erkennen glaubten sie zu
finden.
Ach, keiner wußte, daß es ein
Erkennen gibt, das
anderer Artung ist, und das
allein Gewißheit geben
kann; ‒ es wußte keiner, daß er sich erst
selbst
bewähren müsse, um
jener Erkenntnis einst zu
nahen, deren Mutter die
Liebe ist!...
*
Nun aber ist angebrochen die
Zeit der Erfüllung: ‒
die Tage der Finsternis, sie sind wahrlich gezählt!...
Blicke zurück soweit du blicken kannst, und
ver‐
geblich wirst du den
Beginn der
Tage der Fin‐
sternis suchen!
Zu lange währte die Zeit der
Verdunkelung!
Nun aber ist sie im
Entschwinden, und so sie erst
beendet ist, wird keiner Hölle Macht sie wieder zu
rufen vermögen!...
*
Wisse, die
Zeit der Erfüllung wird weitaus
länger
währen als alle Zeit der
Nacht der Nichterkennt‐
nis!..
*
Unsagbar lange währte diese Nacht!
„
Unendlich” schien sie
denen, die das
Licht auf
seinem Weg zum
Siege glaubten!...
Und dennoch wird die
Zeit der Erfüllung die nun
angebrochen ist, alle frühere
Zeit der Umnach‐
tung unbeschreiblich überdauern!...
*
In dieser
neuen Zeit aber werden endlich die
Her‐
zen geöffnet werden!
In dieser
kommenden Zeit wird die
Liebe endlich
offene Herzen bereitet finden!
Schon schreiten
viele die vor einer kurzen Zeit das
Licht kaum
glauben konnten, nun liebenden Her‐
zens ihren Weg zur
Lichterkenntnis; ‒ die
Liebe
wußte sie zu erfassen: ‒ es
verlor alle
Macht über
sie die
Finsternis!...
Mit jedem Tage wird man
mehr und
mehr der
Lie‐
benden auf ihrem
Wege finden!...
*
Sicher, wahrhaftig, wird man sie an der Hand des
Führers den Weg betreten sehen: ‒
leuchtenden
Auges werden sie ihre Bahn zum
Lichte wandeln!...
*
An ihnen werden auch die
anderen alsbald er‐
kennen, daß das
Licht nicht
über Wolkenhöhen
thront!...
Die da dem Dunkel noch verhaftet sind, und sich
im tiefen
Dunkel tappend der
Erkenntnis Früchte
noch ertasten die der
Finsternis entstammen, sie
werden bald entdecken, daß auch dieses Erdenlebens
Dunkel sich für jeden
hellt, der in der
Liebe ist
und in der
Liebe Lichterkenntnis fand...
*
Auch sie werden dann, des Dunkels müde, in die
Liebe gelangen!
Auch sie werden einst, in dieser
Zeit der Erfüllung
in der Liebe gefunden werden!...
Wahrlich auch sie werden dann in der Liebe
ver‐
harren: ‒
in sich selber werden sie die
Führung
finden die sie zum Lichte leitet! ‒ ‒
Ewige Liebe wird sie zu neuem
Leben wecken!
‒ ‒ ‒
Ewiges Licht wird sie
erleuchten, da sie
in der
Liebe sind! ‒ ‒ ‒
*
IRRIG sind alle beraten und keine guten Zeichen‐
deuter, die da auf dieser Erde alle Finsternis be‐
siegbar wähnen!...
Vergeblich ist ihr Kampf: ‒ die Nacht des Grauens
bleibt immer an ihrem Ort!...
Solange Menschen auf der Erde wohnen, werden
auch Menschen sein, die mehr der Nacht vertrauen,
als dem lichten Tag! ‒ ‒ ‒
Aber ein jeder, der in die Liebe und in ihr zum
Lichte fand, mehrt wahrlich die Kraft des Lichtes,
mehrt die Kraft der Liebe in den Reichen der Fin‐
sternis!...
Ein jeder, der in die Liebe und in ihr zum Lichte
fand, ist gut geborgen und die Liebe wird durch
ihn auch andere zum Lichte leiten!...
Er selber schafft Gewähr, daß sicherlich durch
ihn zugleich ein anderer zum Lichte kommen
wird!...
So wird der Finsternis Macht immer mehr gebrochen;
‒ die Tiere des Dunkels finden keine neue Nah‐
rung mehr...
Was sie am Leben erhält, auch wenn sie schlafen:
‒ die Dünste dampfenden Blutes, sie werden von
der Erde verschwinden; ‒ der Haß wird sich in
Liebe wandeln!...
Gewiß wird der giftgeschwängerte
Schlamm der
Finsternis stets wieder seine
giftigen Tiere ge‐
bären, allein sie werden nicht mehr diesen Basilisken
gleich die nun
verenden, mit
Blut den Erdkreis
überschwemmen können...
Des Menschen
Liebesmacht wird leichthin sie
be‐
zwingen!
*
Ich sehe eine
neue Menschheit, die sich erst
ge‐
stalten will und deren
Spuren dennoch schon zu
finden sind!...
Törichte Stumpfheit nur
erkennt dieser neuen
Menschheit
Zeichen noch nicht!!
Mählich wird sich
wandeln der Erde Angesicht: ‒
die
kommenden Geschlechter werden sich erst die‐
ser Wandlung wahrhaft
freuen können!...
Wer heute
Ehre sucht, der ehre sich selbst in der
Ehre der
Zukunft: ‒ der fernsten Tage Finsternis
kann er
erhellen, so er heute in der
Liebe leben
will!...
*
In aller
Kraft der Liebe wird die
neue Mensch‐
heit dennoch stets bewußt sein der
Grenzen ihrer
Macht! ‒
Sie wird nicht wähnen, daß sie
alles was da
Men‐
schenantlitz trägt, hinfort zu
einen fähig sei in
hoher
Liebe! ‒ ‒
Allein die
neue Menschheit wird die
Werte die
ihr überkommen sind, gar weislich zu
prüfen wis‐
sen! ‒
Alles, was da in der
Liebe seine Geltung nicht
erweist, wird dieser neuen Menschheit:
Unwert
heißen! ‒ ‒
In siegreicher
Arbeit um der
Arbeit willen wird sie
ohne Schwertstreich zu
besiegen wissen, was der
Liebe sich
entgegenstellen möchte!...
Die „Ehre”, durch
Mord sich
Recht zu schaffen,
wird ihr verwerfliche
Torheit sein!...
*
Nur denen, die ihr
mordend nahen und in
Mordlust
ihren
Frieden stören, wird sie mit dem
Schwerte
wehren, so sie anders sich nicht mehr schützen
kann. ‒ ‒
Sie wird das
Schwert jedoch
nicht länger führen,
als es zur
Abwehr vonnöten ist! ‒
Nie wird sie
Macht erstreben unter den Völkern, die
nur durch
Menschenmord zu begründen wäre! ‒ ‒
Nie wird sie anderen das Ihre
neiden und es durch
Mord in ihre Macht zu bringen suchen! ‒ ‒ ‒
Der Tierheit niedrige
Gelüste werden der
Freude
weichen; ‒ die Gier der
Leidenschaft wird schwin‐
den in der
Ruhe einer stillen
Kraft!...
*
So wird die
neue Menschheit wissend sich auf
neuen Wegen finden...
Der Mensch der
neuen Menschheit wird den
Füh‐
rer in sich finden: ‒ die Wege die er schreiten wird,
werden des
Führers Wege sein!...
*
Die
neuen Menschen unter
allen Völkern dieser
Erde werden
geführt sein von denen, die allein sie
führen
können: ‒ der eitlen Willkür
klüglichen
Errechnens und der schlauen
Ränke Spiel sind sie
gar weit entrückt!...
Der Mensch wird wieder dem Menschen
vertrauen
können: ‒
die Lüge wird des neuen Menschen
Lippen nicht entweihen!...
So werden sich diese neuen Menschen stetig in der
Liebe finden...
So werden jene
Lichterkenntnis sie erlangen, die
nur
in der Liebe zu erlangen ist!...
*
Durch sie wird der
Geist des Menschen endlich
Be‐
freiung finden!...
*
IN dir,
du Ewiger, habe ich
Licht erlangt!...
In dir,
du Ewiger, sah ich am Werke die ewigen
Kräfte!...
Du hast mich
erlöst aus den
Schrecken der Hölle:
‒ in dir ward mir die
Lichterkenntnis aus der
Liebe!...
*
Erschauernd denke ich des düsteren Tages da ich
einst dem Lichte
fluchen konnte, da es
dort nicht
war wo ich es
suchte; ‒ erbebend sehe ich zurück
und sehe, wie die
Finsternis mich Törichten einst
in Banden hielt!
*
Die Hand des
Führers hast du mich finden lassen;
‒ es ward mir die
Gewißheit, die nur
Erkenntnis
in der Liebe geben kann! ‒
Erfüllung meines Sehnens bist du mir geworden: ‒
du mein
lebendiger Gott, der da selbst die
Liebe
ist! ‒ ‒ ‒
In dir bin ich erwacht zum
Leben; ‒ in
dir ward
mir die Finsternis
erhellt! ‒ ‒
Mich selbst erkannte ich
in dir, du Ewiger, und
in mir selber fand ich
dich!...
Wo ist noch die Stimme der
Hölle die vordem mich
ängsten wollte? ‒
Wo ist der
Schlamm der Tiefe in dem ich einst
wühlte?...
*
Doch ‒ ich sehe
viele noch im
Finstern wandeln,
und was
mir selbst die Finsternis
erhellt: ‒ siehe,
ihnen ist es noch
fremd!
Sie tappen noch im
Dunkel und suchen
tastend
nur ihren Weg; ‒ vom
Lichte hören sie mich reden
und solche Rede ist ihnen trügliche
Mär!...
Ach, daß auch ihnen alsbald
Erfüllung werde!
Ach, daß auch sie alsbald zum
Lichte in der
Liebe
fänden!
*
Der
Führer aber spricht zu mir:
„Sorge dich nicht um jene die noch im Finstern
träumen!
Auch
ihre Zeit wird ihnen kommen und sie werden
in die
Liebe finden!
Gib ihnen was du nun geben
kannst, auch wenn
sie deine Gabe etwa
nicht zu ehren wissen!
Du selbst aber sorge, daß das Licht in dir nicht mehr
verlösche!
Schaffe
Zuwachs dem Lichte in der Finsternis!
Vermehre seine
Kraft durch
Tat und
Wirken aus
der
Liebe!
So wirst du am besten denen helfen, die noch im
Finstern sind!
So wirst du die Stunde ihres
Erwachens ihnen näher
bringen können!”
*
Vertrauend danke ich ihm, der so mich belehrt...
In mir selbst erfühle ich seiner Worte Wahrheit...
Ja: ‒ es ist wahrlich
Torheit, andere ihren
Träu‐
men entreißen zu wollen, solange sie zum
Erwachen
noch nicht
bereitet sind!
Sie selber müssen erst erwachen
wollen! ‒
Dann aber wird auch ihnen
Hilfe nahe sein! ‒ ‒
Höher als alle höchsten
Wünsche sich erheben, ist
die
Erfüllung, die dem Suchenden wird der in die
Liebe gelangt!
Was er sich
ferne glaubte über allen Sonnen, wird
er
nahe finden
in sich selbst! ‒
In seinem
Allerinnersten wird ihm die
Erlösung
werden! ‒
In seinem
Allerinnersten wird ihm
Erfüllung ge‐
geben! ‒
*
Im
Lichte erlebt er
sich selbst als des Lichtes
Zeu‐
gung; ‒ das
Innerste des Geistes wird
seinem
Geiste erschlossen!
Gewißheit wird ihm seines
ewigen Bestehens: ‒
das Ende dieser Erdentage ist ihm kein Ende seines
Lebens mehr!...
Ein
neues Leben hat er in sich selbst gefunden, das
ewig
währt, da es der
Ewigkeit entstammt!...
Dort wo ihn ehedem, da er im Finstern war, die
bangen
Fragen irren wollten, dort findet
Antwort
er nun
in sich selbst!...
Bleibt er nur in der
Liebe allezeit, so kann ihm keiner
die
Krone des Siegers rauben!...
*
An seines Erdenlebens letztem Tage weiß er sich in
guter Hut...
Emporgeleitet aus der Erde Niederung wird er die
hohen Reiche finden, da des
Geistes Fülle sich in
Geisterhierarchien offenbart, und ewig weiter‐
schreitend einst in jenem Geistgewande, das der
„
Vater” ihm verleihen wird, sieht er von
Lichter‐
kenntnis sich zu
neuer Lichterkenntnis wandeln.
Ihm ist die
Ewigkeit nicht mehr
verhüllt durch
dichte Schleier: ‒ die
Wahrheit offenbart sich ihm
schon
während seines Erdendaseins!...
*
Wie hätte das liebeleere
Erkennen, das die
Fin‐
sternis den Ihren gibt, mir je des Lichtes
Farben‐
reichtum offenbaren sollen! ‒ ‒
Wahrlich: ‒
töricht und
arm sind alle, die da an
jener
Scheinerkenntnis noch Genüge finden!
*
Mein
Tun und
Wirken will nun zum
Preislied
werden,
dir zu
danken, dem ich
mich selber
danke! ‒
Mit
Worten dir, du
Ewiger, zu danken, wäre ein
gar
geringer Dank! ‒ ‒
Wie sollten
Worte wohl die
Weihe in sich tragen,
würdig dir zum Danke zu erklingen!
*
Vereint mit allen
Geisterchören die sich meinem
Geiste in der
Liebe zeigen, will ich
mich selbst
nun in der
Liebe erfüllen!
Erstorben bin ich allem was ich einst für mein Leben
hielt; ‒ das
Leben des Lichtes fand ich in der
Liebe!...
Du hast mich
gewandelt als ich zutiefst in der
Dun‐
kelheit war; ‒ als ich wie ein Baum entwurzelt
am
Boden lag, hast du mich
aufgerichtet! ‒
In dir ward meinen Wurzeln neue Nahrung: ‒
in
dir ward meinen Zweigen Blüte und Frucht! ‒
Was ich
vergeblich in den bangen Nächten meines
Irrens suchte, das hat in überreicher Fülle nun der
Suchende
gefunden! ‒
All sein Sehnen ist ihm gestillt; ‒ all sein Verlangen
ist erfüllt! ‒ ‒ ‒
Dich selber hast du ihm gegeben: ‒
du selber bist
ihm
Erfüllung geworden! ‒ ‒ ‒
Urgründiges Geschehen wird ihm offenbar
in
dir; ‒
urewige Weisheit lichtet seine Seele! ‒ ‒ ‒
In dir, du ewiges
Licht, ward ihm
Erleuchtung! ‒
In dir, du ewige
Liebe, ist der Suchende
erstanden
als ein
Liebender! ‒ ‒ ‒
In dir wird er
ewig im
Lichte, ‒
ewig in der
Liebe
sein! ‒ ‒ ‒
Ich
liebe dich, du
Licht der Ewigkeit!...
* *
*
ENDE
DER SINN
DES
DASEINS
1927
Kober'sche Verlagsbuchhandlung /Basel
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASEL 1927
COPYRIGHT BY KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
DU bist
müde geworden vom vielen
Suchen, und nun bist du
des
Suchens selber müde! ‒
.Da nirgends zu
finden war, was
du suchtest, willst allem Suchen du
hinfort
entsagen! ‒
.Das Land der Lebendigen woll‐
test du einst finden, und den
Tempel
der Ewigkeit!
.Aber wohin auch immer du deine
Schritte lenken mochtest, dort war
König: ‒
der Tod, und jeder Tem‐
pel barg in seinem innersten geheimen
Schrein nur ein machtloses
Götzen‐
bild...
.Wahrlich, mein Freund, du
mußtest
müde werden bei solchem Suchen,
wie so viele
Andere müde wurden,
die einst in Hoffen und Zuversicht
ausgezogen waren, gleich dir!
.Kein Tadel soll dich treffen, und
keine harte Rede darf dein Ohr er‐
schrecken, denn es war
nicht deine
Schuld, die auf den Fahrten in die
Ferne dich
nicht finden ließ, wonach
du doch so voller heißer Sehnsucht
suchtest! ‒ ‒
.Man hatte dir Wege gewiesen, die
man selbst niemals gegangen war!
.Man hatte dir verheißen, was man
selber nicht gefunden hatte!
.Man schickte dich auf Pfade aus,
die man selber längst verlassen mußte!
.Wie hätte dir da
Erfüllung werden
sollen, wo Andere nur
Enttäuschung
auf
Enttäuschung erlebten, bis sie er‐
mattet ihre Schritte wieder
rückwärts
lenkten, sofern sie jemals die dir be‐
zeichneten Wege selber eingeschlagen
hatten!? ‒
.Wie hättest du auf
solchen Wegen
deines Sehnens
Ziel jemals
erreichen
können!? ‒
.Zürne aber denen
nicht, die dir
Irrwege zeigten, denn sie wußten es
selbst nicht besser, da sie des rechten
Weges
nicht kundig waren!
.Wenn sie dir sagten: ‒ «
Dahin, du
Suchender, mußt du dich wenden!» ‒
oder: ‒ «
Dort, o Strebender, ist dein
rechter Weg!» ‒ so meinten die Meisten,
sie hätten dir
gut geraten...
.Auch wenn sie dir Wege wiesen, die
sie selbst
enttäuscht verlassen hatten,
waren sie doch noch des Glaubens,
dir
könnte vielleicht
gelingen, was ihrer
eigenen Kraft einst mißlungen war...
.Hatte dich aber wirklich nur
ein
machtbegehrlicher Phantast ge‐
täuscht, oder gar ein
Schurke, der
sehr wohl
wußte, daß er dir Wege des
Irrtums zeigte, ‒ dann danke dem Him‐
mel, wenn du nun solcher Hörigkeit
entronnen bist, aber ‒ werfe dich auch
da nicht zum
Richter auf, denn der,
dem du das Urteil sprechen willst, ist
längst
durch sein eigenes Tun ge‐
richtet! ‒ ‒
.Beklage auch nicht dein Schicksal,
weil es dich bisher noch nicht
finden
ließ, und
schmähe nicht etwa dich
selbst, weil du nun müde und ent‐
täuscht dich wieder an der gleichen
Stelle siehst von der du einst hoff‐
nungsfreudig vordem ausgegangen
warst! ‒
.Was soll dir Klage und Verwünschung
helfen?! ‒
.Wenn diese Worte dich erreichen,
dann hast du wahrhaftig auch keinerlei
Grund mehr, deinem bisherigen Irren
noch fernerhin zu fluchen!
.Siehe: ‒ dein Weg wird
gesegnet
sein von diesem Tage an, und fürder
wird man dich
nicht mehr auf
Irr‐
tumswegen gewahren!
.Hier spricht nun ein Mensch zu dir,
der wahrlich
weiß um den
Weg zur
Wirklichkeit!
.Hier spricht ein Mensch zu dir, der
diesen Weg dir auch wirklich zeigen
kann und zeigen
will, auf daß du end‐
lich das Ziel deiner Sehnsucht
errei‐
chen mögest! ‒ ‒
.Folge mir, und mit jedem deiner
Schritte wirst du die
Kraft in dir wach‐
sen fühlen, um bis zum Ziele auszu‐
harren.
.Nicht
ich habe dich gesucht und
nicht
mir hast du es zu danken, daß
du mich fandest!
.Dein eigenes Suchen, das so lange
Zeit
irre Wege ging, ward endlich
frei,
nachdem du es entlassen hattest, da
du seiner
müde geworden warst...
.Nun
frei geworden, läßt es dich
heute endlich entdecken, was dir vor‐
dem verborgen war...
.Es ist nur
dein Sucherwille, der
mich finden
mußte! ‒ ‒
.Nicht vergeblich war es, daß du
auf
irreführenden Wegen vorher
suchtest! ‒
.Nicht vergeblich war es, daß du
Lehren folgtest, die dich nicht zum
Ziele bringen
konnten! ‒
.Wo immer du suchen mochtest, ‒
stets schaffte dein Suchen deiner
Kraft
des Suchens weitere
Verstärkung, so,
wie elektrische Kraft auf dem Wege
durch die Drahtspirale sich verstärken
muß, ‒ und heute, da du nun mein‐
test, all dein Suchen sei nur der
Ver‐
wünschung wert,
wird dir endlich
zuteil,
was du nicht mehr zu er‐
hoffen wagtest! ‒ ‒ ‒
.Dort, wo wir alle, die allhier auf
Erden leben,
bewußt und
nicht be‐
wußt, im gleichen
Geistes-Leben
gründen,
dort hat man deine Not
er‐
schaut, und
wußte, wie man sie
wen‐
den könne...
.Ich bin dir nun gesandt, und du hast
mich gefunden,
weil ich dir wirk‐
lich helfen kann und weil
kein an‐
derer in diesen deinen Erdentagen dir
die gleiche Hilfe bringen könnte...
.Es liegt wahrhaftig nicht an
mir, daß
dem so
ist, ‒ doch kann ich auch
nicht ändern, was ich selber nicht ge‐
ordnet habe, und
vergeblich würdest
du die hier gegebene Ordnung stören
wollen: ‒
vergeblich würdest du
nach
anderer Hilfe Ausschau hal‐
ten...
.Nach mir hast du gerufen,
ohne
mich zu kennen! ‒ ‒
.Mein Wort erreicht dich,
ohne
daß ich von dir weiß! ‒ ‒
.Noch kannst du auch nicht wissen,
wer in diesen Worten zu dir redet,
und ich verarge es dir wahrlich nicht,
wenn du, nach mancherlei Enttäu‐
schung, und verbittert durch gar grau‐
same Erfahrung, noch ängstlich zauderst,
ob du meiner Stimme folgen sollst! ‒
.Einem Verirrten bist du gleich, der
irgendwo in dunkler Nacht den Ruf
des Wegekundigen hört und ihm zu‐
erst erschreckt
mißtraut, voll Furcht
und Argwohn, da an gleicher Stätte
mancher Raub und Mord geschah...
.Auch ich würde sicherlich
zau‐
dern, stünde ich an deiner Stelle!
.Doch siehe: ‒ ich erwarte ja nichts
anderes von dir, als daß du, stetig
deines Weges achtend, der Leuchte
folgst, die ich vor dir entzünde!
.Ich trage sie voran, so daß du
selbst gar leicht gewahren kannst,
wo‐
hin ich dich führe. ‒
.Woher ich selber kundig bin
des rechten Weges, und
warum
gerade ich allein ihn heute zeigen
kann, braucht vorerst dich in keiner
Weise zu bekümmern!
.Laß dir einstweilen genügen, daß
du alsbald
gewahren wirst, wie ich
den Weg dir aus der Wirrnis bahne!
.Wie oft man dich auch
betrogen
haben mag: ‒
diesmal wirst du
wahr‐
lich nicht betrogen sein!
.Schon nach den ersten Schritten
wirst du entdecken, daß dir auf
mei‐
nem Wege
nie der Trug begegnen
kann!
.Bis heute konntest du dich noch
berechtigt wähnen, alle zu verlachen,
die dir sagen mochten, daß es einen
Menschen geben könne,
wissend um
den
Weg zur Wahrheit, und
bereit,
dich diesen Weg zu
führen...
.Heute aber bist du diesem Men‐
schen nun begegnet!
.Entscheide
du selbst, ob du mir
Folge leisten willst!
Entscheide selber, ‒ denn nur auf
dich selber kommt es an, ‒ ob
es dir noch der Mühe lohnt, das
langerstrebte Hochziel
deiner Sehnsucht
endlich zu erreichen!
* *
*
WAHRLICH: ‒ du bist dir selber
ein
Rätsel, das du noch nicht
lösen kannst!
.Zwar hat man dich belehrt von frü‐
her Jugend auf, und dir gesagt, wie
Andere voreinst das Rätsel lösten,
das sie in
sich selber fanden, allein ‒
es kam für dich ein Tag, an dem dir
jede Antwort
Anderer nur neue
Frage weckte in dir selbst...
.Du wolltest
in dir selbst zum
Frieden kommen und wurdest immer
mehr gewahr, daß
dir gar wenig dabei
helfen konnte, was einst
Frühere be‐
friedigt hatte...
.Nun hast du ‒ müde und ver‐
zichtend ‒
aufgehört zu suchen nach
der
Lösung deines
Lebensrätsels...
.Nun bist du angelangt bei der ver‐
meintlichen Erkenntnis, daß deinen
Fragen hier auf dieser Erde
niemals
eine Antwort werden könne: ‒ eine
Antwort, die zum
Frieden führen
würde...
.Und doch,
mein Freund,
soll
dir wahrhaftig solche Antwort
werden!
.Ich will dir gerne zeigen,
wie du
selbst dich dir
enträtseln kannst!
.Um aber dahin zu gelangen, wirst
du erst begreifen lernen müssen, daß
rechte Antwort immer nur der
rech‐
ten Fragestellung folgen kann, ‒ so
daß die Vielen die du klagen hörst,
daß ihnen niemals die erhoffte
Ant‐
wort wurde, weit eher zu beklagen
hätten, daß sie nie
die rechte Frage‐
stellung fanden. ‒ ‒
.Du bist verbittert, weil auch
dir
bis heute nicht die langersehnte Ant‐
wort kam, ‒ doch nie hast du daran
gedacht dich selbst zu prüfen:
ob du
recht zu
fragen wüßtest! ‒
.Zwar hast du immer wieder bitter‐
lich erfahren müssen, daß alle Ant‐
wort Anderer
dir keinen Frieden
bringen konnte, allein ‒
die falsche
Fragestellung dieser Anderen hast
du getrost und unbekümmert trotzdem
übernommen...
.Wie durftest du
bei solcher Frage‐
stellung jemals hoffen,
deine Antwort
zu erhalten?! ‒
.Wie konntest du dich in den Wahn
verspinnen,
daß dieser Anderen Art
zu fragen dennoch eine Antwort in
dir wecken müsse, ‒
verschieden
von der Antwort, die
sie selbst er‐
halten hatten, die aber
dir Befriedigung
versagte?! ‒
.Siehe: ‒ es ist
die Sünde deiner
Väter, mein Freund, die heute dich
nun
leiden macht, und
du nur kannst
deiner Väter
Erlöser werden, ‒
du nur
kannst jetzt ihre Sünde
tilgen! ‒ ‒
.Was deinen Vorvätern einst genügte,
um Zufriedenheit
für sich zu haben,
das eben
raubt dir heute
deinen
Frieden!
.Auch deine Vorväter waren sich einst
zum
Rätsel geworden, und so suchten
sie sich
ihre Lösung: ‒ eine Lösung,
die
dich binden sollte...
.Was sie
für sich voreinst
gefunden
hatten, wurde
dein Erbe, und wurde
dir Anlaß zu neuer
Frage.
.Aber zugleich auch wurde eine Art
der
Fragestellung dir vererbt, die
nie‐
mals dir
die Antwort bringen kann, in
der sich jede deiner Fragen auflöst, wie
sich Morgennebel lösen in dem Licht
der Sonne...
.Willst du nicht ewig dir nun ein
Rätsel bleiben, so wirst du
verzich‐
ten müssen auf ein Erbe, das dir nur
noch zum
Verhängnis werden kann! ‒
.Du wirst dir selbst nun eine
neue
Fragestellung schaffen müssen, und dei‐
ner Väter
Antwort darf dir nicht mehr
Anlaß werden, Fragen aufzuwerfen, in
der Art, wie
sie einst fragten! ‒
.Nicht eher findest du
deinen in‐
neren
Frieden, als bis du gelernt hast,
auch auf
deine Art zu fragen! ‒ ‒
.So
frage denn fortan
nicht mehr
nach dem «
Gotte der Väter», ‒ son‐
dern
nach deinem,
in dir leben‐
digen Gott! ‒ ‒
.Frage
nicht mehr nach dem «
Wert
des Lebens», sondern
nach dem
Werte,
den du deinem Leben geben
kannst! ‒ ‒
.Frage
nicht mehr nach dem «
Sinn
des Daseins», sondern frage dich,
wie
dein Dasein durch dich selber Sinn
erhalten könne!? ‒
.Frage
nicht mehr: ‒ «
Was ist der
Mensch!» ‒ ‒ sondern stelle dir hin‐
fort die Frage,
ob du selber bist,
was du sein kannst!? ‒
.Frage nicht mehr: ‒ «
Gibt es eine
Seele?» ‒ sondern frage dich,
was
an dir selber «
Seele»
ist,
und wie
du dessen bewußt werden könn‐
test!? ‒
.Frage
nicht mehr: ‒ «
Gibt es ein
Leben nach dem Tode?» ‒ ‒ son‐
dern frage dich,
was du in deinem
Erdenleben tun kannst,
um bewuß‐
tes Weiterleben in der Ewigkeit
dir zu erringen!? ‒
.Frage
nicht mehr: ‒ «
Was ist Wahr‐
heit?» ‒ ‒ sondern frage,
ob du
selbst wahrhaftig bist,
und willens,
nichts in dir zu dulden,
was dir
deine Wahrheit trüben könnte!? ‒
.Wenn du auf
solche Art deine
Fragestellung formulierst, dann wird
dir gewiß auch auf
jede deiner Fragen
eine
Antwort zuteil, die dir den heiß‐
ersehnten inneren
Frieden bringt. ‒
.Man hat nach gar vielem schon ge‐
fragt, das zu wissen wahrlich
nicht
nötig ist...
.So hat man sich selber denn
Ant‐
wort gesucht, die nur
scheinbar «Ant‐
wort» war, und
jede solche vermeint‐
liche Antwort
mußte neue
Frage
wecken, auch wenn sie erst
in Spä‐
teren erwachte....
.Willst du in gleicher Weise weiter
fragen, so wirst du nicht nur
dich
selbst stets vor
neuen Fragen sehen,
sondern auch der
Nachwelt so manche
Frage hinterlassen, gerade in dem, was
dir Antwort geben schien! ‒
.Sorge daher, daß
jede Frage, die
dich etwa bedrängen mag, in dir auch
stets
die rechte Fragestellung finde,
auf die dir
deine,
dich befriedigende
Antwort werden
muß!
.Kein Anderer kann jemals dir
deine Antwort geben! ‒
.Nur als
Erlebnis ist sie in dir zu
erlangen, und
erleben kannst du sie
nur
in dir selbst! ‒ ‒ ‒
.Alles, was man so gemeinhin „
Ant‐
wort”
auf letzte Fragen nennt, ‒
sei es auch das Wort eines Menschen,
den die Nachgeborenen als einen „Gott”
verehren, ‒ weckt ständig wieder
neue
Frage von Geschlecht zu Ge‐
schlecht. ‒ ‒
.Es kann dir
solche „Antwort” besten‐
falls nur Anlaß werden,
die Frage‐
stellung in dir selbst zu finden, die
wirklich Antwort im
Erleben bringt! ‒
.Die Vorväter aber glaubten, ‒ und
sie glaubten solches in der Zeiten Folge
wahrlich
gar oft, ‒ daß äußere Antwort
die
sie selbst zufriedenstellte, nun‐
mehr
letzte,
unumstößliche Antwort
sei, so daß nur Toren oder Frevler
noch nach
anderer Antwort fragen
könnten....
.Wohl mochten sie guten Glaubens
sein, der Nachwelt so
ein Erbe des
Segens zu hinterlassen....
.Du aber, mein Freund, hast an dir
selbst genugsam nun erfahren müssen,
welcher arge
Fluch auf solchem Erbe
lastet! ‒ ‒
.An
dir ist es jetzt,
diesen Fluch
aus der Welt zu schaffen!
.Du wirst ihn aber nur vernichten
können, wenn du die Lösung, die
einst deine Väter sich erfanden, um
sich zu enträtseln,
nicht unbesehen
weitergibst, und auch von denen, die
an
deinen Worten hängen, nicht etwa
verlangst, daß sie die Antwort, die
dir
selbst geworden ist, als
ihre Antwort
anerkennen! ‒ ‒
.Wenn du die Antwort in dir findest,
die
dir selbst den
Frieden bringt,
so nütze sie allein, um Anderen zu
helfen,
ihrerseits auf rechte Weise in
sich selbst
zu fragen!
.Schaffe dir selbst stets rechte Frage‐
stellung, auf die dir Antwort kommen
muß, die wahrlich
für dich selber
unumstößlich ist, ‒ aber glaube
nicht, daß
deine Antwort nur von
Anderen
übernommen werden müsse,
damit sie fortan auch
der Anderen
eigene Antwort sei! ‒
.Jeder, der heute mit dir hier auf
Erden lebt, und
jeder, der später
nach
dir kommt, wird
für sich selber
rechte Fragestellung lernen müssen, und
nur
eigenen Erleben wird dann
jedem
seine Antwort auf die letzten
Fragen seines Daseins faßbar wer‐
den! ‒ ‒
.Wer
aber das Rätsel für sich
löste,
das er
sich selber vordem war, der
suche lediglich die Anderen zu warnen
vor dem Irrtum, als ob je ein Erden‐
mensch des
anderen Lebensrätsel lösen
könne! ‒ ‒
Er wehre einzig dort, wo er Gefahr
gegeben sieht, daß Suchende sich
durch der Väter Erbe irren
lassen! ‒ ‒ ‒
* *
*
ES wird hier füglich nur von
deinem
«höchsten Gute» nun die Rede
sein, denn nur was dein
Besitz ist, ‒
was nur
dir allein gehört und dir von
keinem anderen, wer er auch sei, jemals
genommen werden kann, ‒ ist wirk‐
lich
höchstes Gut für
dich!
.Du selbst bist dieses höchste Gut
in jenem
Allerinnersten der Seele,
das nie ein Anderer berühren kann,
und das selbst
dir nur im
Erleben
sich bezeugt, da nie dein Denken es
be-
greifen wird! ‒ ‒
.Du fühlst
dich selbst als «
Ich», ‒
jedoch du ahnst vielleicht noch nicht,
daß
alles,
was du in dir selbst bis
jetzt als «Ich» empfindest, nur wie ein
matter
Abglanz in dir lichtet, ‒ aus‐
gesandt aus deinem eigentlichen
Sein,
jedoch verdeckt und arg umdüstert
durch die Wolkennebel, die auch noch
dein klarstes Denken hinterläßt....
.In seltenen und weihevollen Augen‐
blicken nur dringt dieses wahre
Sein
durch alles Trübe in dir selbst hindurch,
um dein
Gehirnbewußtsein zu er‐
reichen, das es alsdann erschreckt ver‐
nimmt und wie das
Allerfremdeste
empfindet!
.Dennoch aber ist
nur dieses wahre
Sein, das du in solchen Augenblicken
plötzlich fühlst und dann
als fremde,
hohe Macht dir deutest, in Wirklich‐
keit
dein eigenster Besitz! ‒ ‒ ‒
.Was immer du sonst noch in dir zu
besitzen
glaubst, kann dir zu jeder
Zeit
genommen werden, ‒ gehört
dir nur für eine kurze Spanne dieser
Erdentage! ‒
.Nur dieses wahre
Sein, seit aller
Ewigkeit
im Geist durch Geist er‐
zeugt, bleibt dir durch alle Ewigkeit
erhalten, sobald es dein Bewußtsein
einmal in sich aufgenommen hat. ‒ ‒
.Aus diesen Worten schon wird dir
erfühlbar sein, daß
dieses Eine nur
als «
höchstes» Gut zu werten ist, ‒
wenn auch dein irdischer Verstand
sich noch gar mancherlei
erdenken
mag, das er vielleicht als höchstes
Gut bewertet sehen möchte. ‒
.Noch aber weißt du nicht dein höch‐
stes Gut
zu nützen!
.Du gleichst einem Reichen dieser
Erde, den man, aus grausam wahn‐
betörter Laune, ganz in
Dürftigkeit
erziehen ließ, auf daß er nicht um
sein Besitztum
wisse, und der nun
ahnungslos sein Brot
erbettelt, dort,
wo er selber
Herr des Bodens ist...
.Dein Dasein bleibt wahrhaftig «
sinn‐
los», gibst du ihm selber nicht den
«
Sinn»: ‒ daß es dein höchstes Gut
dir
durch den Gegensatz des Schein‐
besitzes in der Scheinwelt erst
er‐
kennbar werden lasse! ‒ ‒
.Nur mußt du freilich auch erkennen
lernen
wollen, was dein Dasein dir
zu offenbaren hat!
.Du darfst nicht deinem
Schein‐
besitz dich so verhaften, daß jede Sehn‐
sucht in dir schwindet, die in dir noch
jene Kräfte wecken könnte, deren du
bedarfst, willst du die Wolkennebel,
die dein irdisch dumpfes Denken
schuf, zum Weichen bringen, um end‐
lich
das in dir zu fassen, was
ewig
dir erhalten bleiben muß, sobald du
einmal dein Besitzrecht geltend mach‐
test! ‒ ‒
.Noch ist der «
Brennpunkt» deines
Bewußtseins von dir
nach außen
hin ver-rückt!
.Es sei deine Sorge, mein Freund,
ihn wieder
dorthin zu rücken, wo
er
vor Ewigkeiten war, und wo er
dann ewig
in deinem Eigentum ver‐
bleiben wird! ‒
.Sobald du dieses Erdendasein einst
verlassen mußt, ‒ ob du auch noch
so fest an deinen
Scheinbesitz dich
klammern magst, ‒ würde der «Brenn‐
punkt» deines Bewußtseins sonst
im
ewig Leeren sein, und erst nach
qualvoll durchlebten Äonen könntest
du ihn endlich wieder
in dir selber
finden. ‒ ‒ ‒
.Es ist
viel leichter, als du glauben
wirst,
auf dieser Erde noch zurück in
dein innerstes
Sein zu gelangen, und
dort dich zu empfinden, wo du in
deinem ewig
Eigenen bist!
.Noch ist dies ja
nicht die einstige
«
Gottvereinigung», ‒ aber eher
kannst du
nicht dich selbst
in Gott dem
Göttlichen vereint erleben, als bis
du vorerst in dir selbst bewußt ge‐
worden bist in deinem wahren
Sein! ‒ ‒
.Hierher: ‒
in dieses Aller‐
innerste, muß all dein
Selbst-
Be‐
wußtsein kehren, soll dein Dasein
durch dich selber seinen «
Sinn» er‐
langen!
.Du wirst
erreichen, wonach du
strebst, wenn du ‒ trotz aller
Freude
an der Außenwelt ‒ stets die Emp‐
findung in dir wacherhalten kannst, daß
noch ein
Anderes in dir lebt, das
alles überragt, was je im Äußeren dir
begegnen könnte, und daß
du dieses
«Andere» selber bist! ‒
.Du bist nur ein «
Anderes» gegen‐
über der
Außenwelt, und ein «
An‐
deres» als
das, was du, ‒ in diese
Außenwelt verflochten, ‒ gemeinhin
für dich selber hältst!
.So, wie du heute noch «
Ich» sagst,
und der Inhalt dieser Ich-Empfindung
ist bedingt nur durch
Verwesliches,
so wirst du, ‒ hast du einst dein
Allerinnerstes im «Brennpunkt» deines
Selbst-Bewußtseins aufgefunden, ‒ in
gleicher Weise «
Ich» zu sagen wissen,
und der
Inhalt dieses, dir so
neuen
«
Ich» wird nur aus
Unvergänglichem
bestehen, kaum noch gestreift von dem,
was hier auf Erden auch noch fürder‐
hin verweslich bleibt! ‒ ‒ ‒
.Nicht anders sagt auch der wahrhaft
Gottvereinte: «Ich», nur ist
bei ihm
der Inhalt dieses «
Ich» zugleich durch‐
leuchtet von der
Gottheit Strahlen‐
licht, in dem das Unvergängliche des
Menschen aufglüht wie ein Edelstein
im Licht der Erdensonne...
.Laß dich nicht irreleiten durch Be‐
richte von Menschen, die
in der Ek‐
stase sich mit Gott vereinigt wähnten,
da sie ihr eigenes Allerinnerstes nicht
auf die Weise, die sie übten, fassen
konnten und darum dieses Aller‐
innerste als
außer sich empfanden!
.Sich selbst erschauten sie in ihrer
«Ekstasis»
als ein zweites, und dieses,
ihnen Fremde, war für ihr Empfinden
so erhaben, daß sie es anders nicht
zu deuten wußten, und also glaubten,
daß
die Gottheit selbst in sie her‐
abgestiegen sei. ‒ ‒
.Dergleichen Irrwahn war zu allen
Zeiten zu finden und unter allen
Völkern!
.Zahlreicher wie die Herbstzeitlosen
auf nassen Wiesen wachsen auch heute
noch in manchen Glaubenskreisen sol‐
che scheinbar «
Begnadete» hervor,
und nur die wenigsten von ihnen finden
gelegentlich ihre Chronisten!
.Dir diene zur Richtschnur das gewisse
Wissen, daß da
alle geistige Erfahrung,
die im
Ewig-
Wirklichen wahrhaft
begründet ist, stets nur erlebbar wird
in reiner «
Ich»-Erfahrung!
.Sei hier gewarnt vor jedem unsicht‐
baren «
Du», das dir vernehmbar werden
will, etwa als
geistiger «
Berater»,
oder gar als «
Gottes Stimme»!
.Du darfst in
allen Fällen ohne jede
Frage
sicher sein, daß dir auf solche
Weise
niemals Botschaft aus dem
Reich des reinen
Geistes kommt!
.Ich will dich nicht
in Angst vor
allem Unsichtbaren sehen, allein es
wird mir hier zur
Pflicht, dich vor
Verderblichem zu warnen, und willst
du mehr von diesen Dingen wissen,
so wirst du noch gar manches Wort
in meinen Schriften finden, das dir
allhier von ferne nur Gezeigtes aus der
Nähe deutet. ‒
.Es genüge dir hier, wenn ich dir sage,
daß alles, was vom
Geiste Gottes
kommt, nur zu dir eingeht durch dein
Allerinnerstes, und nur vernehmbar
wird aus deinem wahren «
Ich» in
deinem ewigen Sein! ‒
.Du empfindest dann: ‒ «
Ich weiß!
‒ aber
nun weiß ich wahrlich auf
andere Weise, als ich jemals ehedem
aus mir selbst zu wissen vermochte!» ‒
.Es «
spricht» etwas in dir, ‒ aber
stets wird dieses «Etwas» aus deinem
innersten wahren
Sein zu dir reden,
und
dein wirkliches «
Ich» wird dir
vermitteln, was es im Geiste der
Ewigkeit empfängt....
.So nur kann dir aus dem Geiste
her auch die
Ein-
sicht mitgegeben
werden, derer du bedarfst, sobald du
Geistiges mit sicherer Gewißheit
unterscheiden lernen willst von den
Gebilden deiner stets gestaltungsfrohen
Phantasie....
.Nicht anders ergeht es auch dem
wahrhaft
geistig Schauenden, wenn
echtes Geistiges sich bis zur
Sicht‐
barkeit vor ihm verdichtet!
.Stets bleibt er
aktiv in seinem
Schauen!
.Es werden die Gesichte ihm
nicht
aufgedrängt, sobald sie wahrhaft aus
dem
reinen Geiste stammen....
.Auch wenn er noch nicht die Macht
hat, in sich selber zu
bestimmen,
was er erschauen will, so weiß dennoch
jeder, der im Geiste zu schauen
ver‐
mag, daß ihm die
Freiheit bleibt, die
Geistesbilder
aufzunehmen, oder
aber, ‒ wenn er ihrer nicht bedarf,
‒ sogleich zu bewirken, daß sie vor
ihm
verschwinden!
.Niemals kann eine bildhafte Ge‐
staltung, die
im wesenhaften,
reinen
Geiste gründet, den Menschen quasi
«
verfolgen», ‒ niemals wird sie sich,
von dem Schauenden
ungewollt, auch
dann noch zeigen, wenn er sein Augen‐
merk auf andere Dinge richtet!
.Wer sich bei seiner Schauung unter
einem
Zwange fühlt, der darf
ganz
sicher sein, daß das, was er etwa er‐
schaut,
gewiß nicht aus dem Rei‐
che reinen,
wesenhaften Geistes
stammt, ‒ mag es auch scheinen, als
könne es nur aus den höchsten Sphären
des Lichtes kommen! ‒ ‒
.Hier überschwemmt noch heute
folgenschwerer Irrtum die Welt, sowie
er noch heute fast jedes Zeugnis der
Wahrheit aus alter Zeit mit seinem
zähen Schlamme bedeckt.
.Einst wird man aufs neue entdecken,
daß die Alten doch nicht ganz im Aber‐
glauben waren, wenn sie von der
Möglichkeit des «
Besessenseins»
sprachen, und so manche Lehre, die
auch heute noch in manchen Köpfen
spukt, wird dann mit Gewißheit als
Bekundung solcher «Besessenheit» sich
enthüllen lassen müssen! ‒
.Willst du, o Suchender, in dir zu
deinem
höchsten Gute finden, so
mußt du immer wissen, daß es dir nur
in der Freiheit deiner Selbstbe‐
stimmung werden kann!
.Du kannst es
suchen und endlich
in dir
finden, doch du hast auch die
Freiheit, es
nicht zu beachten!
.Wenn du jedoch entschlossen bist,
danach in dir zu
suchen, dann halte
dich sorglichst frei von jeder Fesselung
durch jene dunklen Mächte, die stets
im Unsichtbaren lauern auf Gelegen‐
heit, sich eines Menschen Seelenkräfte
zu versklaven!
.Es sind Wesen aus dem Unsicht‐
baren dieser
physischen Welt, und
alles was sie je an Wunderbarem zu
bewirken wissen, ist im Bereiche dieses
unsichtbaren Teils der Welt beschlossen.
.Aber
jegliches Mittel ist ihnen recht,
das dazu dienen kann, einen Menschen
seelisch ‒ und gar oft auch mit seinen
physischen Kräften ‒
in ihre Willens‐
macht zu bringen...
.Halte dich ferne, wenn du da und
dort zu Zeiten sehen wirst, daß man
in dieser Außenwelt vor Unbegreif‐
lichem sich gläubig beugt, nur weil es
eben «unbegreiflich» ist, und wenn man
so aus äußerer Erfahrung schließt: all‐
hier bezeuge sich der wahre Geist der
Ewigkeit durch seltsam krauses «Wun‐
der»! ‒ ‒
.Nur
in dir selbst wirst du, wenn
du dich selbst soweit zu fördern weißt,
das
echte Wunder einst erleben! ‒
.Nur
in dir selbst ‒ in deinem
Allerinnersten ‒ trägst du dein
höch‐
stes Gut, das
alles in sich schließt,
was dir zum
Frieden dient! ‒ ‒
.Es ist in deine
eigene Macht ge‐
geben, dein «
Ich» aus der Empfindung
dieser
Außenwelt zu nähren und in
solchem
Schein-«Ich» zu beharren,
oder aber wahrhaft und für alle Ewig‐
keit
in deinem höchsten Gute «Ich»
zu werden und zu bleiben. ‒ ‒
In diesem, deinem
Erdendasein
schon kannst du dein «
ewiges Leben»
finden, wie es dir alle wahren Weisen
immerdar verheißen haben, da sie selbst
es in sich selbst
gefunden hatten, ‒
und wahrlich: ‒ deine Freude an
des Erdenlebens zeitlicher Be‐
glückung wird alsdann
erst ohne Reue
sein! ‒ ‒ ‒
* *
*
EINST war einer in alter Zeit, der
wußte nichts Besseres vom Men‐
schen zu sagen, als daß des Menschen
Trachten «böse» sei von Jugend auf.
.Du müßtest fürwahr aber schon ein
arg verbitterter Vater sein, wolltest du
solchem Worte deine Zustimmung
geben...
.Bist du selbst nicht «böse», so wirst
du gewiß in deinem Kinde auch das
«
Gute» finden, und du wirst nicht
erst an-
erziehen müssen, was schon
an-
geboren ist. ‒
.Ja: ‒ du wirst vielleicht entdecken,
daß auch das vermeintlich «
Böse» in
den Regungen der kindhaften Natur
gewiß nicht aus
bösem Willen stammt
und sehr leicht
andere Erklärung
findet!
.Willst du hier gerechtes Urteil fäl‐
len, so wirst du wahrlich
Vorsicht
walten lassen müssen, und schwerlich
wirst du deinen
Vor-urteilen trauen
dürfen!
.Töricht aber wäre es freilich, woll‐
test du das «Böse», wie es sich im
Menschen
später zeigen
kann, zu
leugnen suchen, oder leichthin über‐
sehen...
.Was aber ist dieses «Böse» anderes,
als die Entartung eines Triebes der
menschlichen
Tiernatur!? ‒
.Du wirst gewiß nicht diesen
Trieb
zur Selbsterhaltung, der erst
ent‐
artet: Trieb zum Bösen
wird, als
ursprünglich «böse» bezeichnen
wollen! ‒
.Auch
in den
anderen Tieren, die
du so peinlich von deinem
Mensch‐
lich-
Tierischen zu scheiden suchst,
glaubst du das «Böse» zu finden, weil
du eben doch deine eigene Tiernatur
in ihnen wiederentdeckst und dich
verführen lässest, deine eigenen Tat‐
motive in des Tieres Trieb zu über‐
tragen.
.Siehst du aber näher zu, dann wirst
du leicht dich davon überzeugen kön‐
nen, daß du
zu Unrecht hier von
«Bösem» sprichst, da jener Trieb zur
Selbsterhaltung ‒ mag er sich auch
grausam äußern ‒ im Tiere keines‐
wegs
entartet ist...
.Du wirst ihn in allen deinen Neben‐
tieren stets in sehr bestimmt gegebenen
Grenzen finden, die jeweils in der
Sonderart des einzelnen Tieres gründen.
.Nur der Mensch reißt seine, auch
ihm in seiner Tiernatur gebotene
Grenze zuweilen ein, und
nur im
Menschen kann der Trieb zur Selbst‐
erhaltung schauerlich
entarten! ‒ ‒
.Du siehst diesen Trieb dann gren‐
zen-los wuchern, genährt durch des
Menschen Phantasie, gemästet durch
seine Vorstellungskraft! ‒
.Wenn du dein Nebentier betrachtest,
wie es vor dem Fraße seine Beute
quält, dann bist du gar schnell ver‐
sucht, das Tun des Tieres als ein
Zeugnis seiner eingeborenen «Bosheit»
zu bewerten, und doch ist hier nur
Äußerung der
Freude an dem Fraße,
Äußerung des Wohlgefühls,
die Beute
nun in seiner Macht zu haben, und,
nicht zuletzt, auch Äußerung der
Lösung
jener scharfen Spannung, die bei
dem
Lauern auf die Beute sich ergeben
oder eine heiße
Jagd befeuert hatte. ‒
.Du hast gehört von wilden Tieren,
die
ungefährlich seien nach der
Sättigung, und wieder von anderen,
die auch gesättigt sich auf jedes Lebe‐
wesen stürzen.
.Doch, auch das Tier, das nur aus
reiner «
Mordlust» wütet, wirst du ge‐
wiß nicht «böse» nennen dürfen, willst
du nicht das Empfindenkönnen deiner
Menschen-Seele fälschlich seiner
Tiernatur zu eigen glauben!
.Wohl spricht man mit Recht von
der «Seele» des Tieres, und
diese
Art «Seele» west auch in
dir, allein
sie ist nur fluidisch-
physischer Natur
und darf nicht verwechselt werden mit
der
ewigen Seele aus dem Ozean der
Seelenkräfte, die nur im
Menschen‐
Tiere und
neben dessen «Tierseele»
sich erlebt. ‒
.Nur durch die Kräfte der
ewigen
Seele bist du befähigt, dich in das
mutmaßliche Empfinden eines anderen
Lebewesens zu «
versetzen»! Nur
durch
diese Kräfte bist du imstande,
mit zu leiden, wenn du ein anderes
Lebewesen leiden siehst!
.Dein Nebentier aber mag vielleicht
einem anderen Nebentiere
helfen,
wenn es bemerkt, daß das andere hilfs‐
bedürftig ist, allein
niemals wird es
das Leid des anderen Tieres
mit‐
empfinden können.
.Es weiß nur: ‒ hier ist etwas von
meiner Art in Gefahr und sucht ‒
im besten Falle ‒ in dem anderen
Tiere
seine Art zu retten.
.Auch
erstaunliche Anhänglichkeit
ist in des Tieres «Seele» zu finden,
und ebenso Schreck oder Trauer, wenn
es das Nebentier leiden sieht, wobei
auch der Mensch ihm «Nebentier»
ist, ‒ aber niemals gleichschwingendes
Mitgefühl, so sehr auch der Mensch
geneigt ist, gewissen Tieren solches
zuzusprechen.
.Der Hund, der seinen Herrn ver‐
mißt und unruhig wird oder gar das
Fressen verweigert, handelt aus dump‐
fer Angst um das gewohnte Wesen,
dessen Willen zu fühlen ihm Wohltat
war, aber sein Verhalten ist
nicht
bestimmt durch
Mitgefühl, und braucht
sich nicht im mindesten zu unter‐
scheiden, ob nun sein Herr ihn ver‐
kaufte und sich des besten Wohlseins
erfreut, oder gestorben ist...
.So hat auch das «wilde» Tier, das
seine Beute
quält, durchaus keine
Freude an dieser
Qual des anderen
Tieres, denn
Freude an der Qual eines
Anderen setzt immer ein
Mitemp‐
findenkönnen voraus, auch wenn
dieses Mitempfinden als
Lust, statt
als Leid zu Bewußtsein kommt. ‒ ‒
.Auch das Tier, das ‒ wie der
Mensch zu sagen pflegt ‒
aus reiner
«
Mordlust» tötet, ist entweder nur
lüstern auf
Blut, als einer begehrten
Art der Nahrung, oder aber sucht aus‐
zurotten, was ihm je gefährlich werden
könnte, und weiß oft auch nur seiner
Jagdlust nicht zu wehren, wenn es
die ihm genehme
Beute wittert. ‒
.Du wirst auch das grimmigste Raub‐
tier niemals einer «
bösen»
Tat, ‒ nie‐
mals der
Lust am «
Bösen», ‒ nie‐
mals, im
menschlichen Sinne, der
«
Bosheit» beschuldigen dürfen!
.Aber auch der «boshafte»
Mensch
ist zuweilen nur Sachwalter seines
Selbsterhaltungstriebes, oder
des
Triebes zur Erhaltung der Art...
.Was dir dann als «boshaft» an ihm
erscheint, kann immer noch in jenen
Grenzen bleiben, die Natur dem Selbst‐
und dem Arterhaltungstriebe gezogen
hat...
.Erst dort, wo diese Grenzen durch
den Menschen
eingerissen werden,
entartet solcher Trieb ins Fürchterliche!
.Dann wird er zum Triebe, anderes
zu zerstören
aus Lust am Leide, das
dem anderen dadurch entsteht...
.Erst hier aber stehen wir
wirklich
vor dem «
Bösen»!
.Hier wird das «
Böse» erst durch
den Menschen
erzeugt! ‒ ‒
.Hier aber ist es auch schon erzeugt,
wenn es dem Augenschein
nach außen‐
hin noch
verborgen bleibt, denn im
Denken wird alles «Böse» gezeugt
und geboren!
.Als
Gedanke ist es zuerst im Da‐
sein,
bevor es ‒ weiterzeugend ‒
Wort und
Tat gebären kann! ‒ ‒
.Siehe, das «
Böse»
ist
wider die
Natur und wird ihr erst
aufgezwungen
durch den
Menschen! ‒ ‒
.Sobald der Trieb zur Selbsterhaltung
übermächtig werden und
entarten
muß, weil ihm des Menschen Denken
alle Grenzen einreißt, die ihm auch
in
Menschentiernatur gezogen sind,
muß aus ihm der Trieb zum «
Bösen»
werden, der schließlich
Lust am «Bö‐
sen» schafft, und Lust am
Leiden‐
machen anderer! ‒ ‒
.Von allen
sichtbaren Geschöpfen
ist es nur
der Mensch allein, der
in der Sichtbarkeit das «Böse»
erzeugt!
.Unter allen
physisch-sinnlich faß‐
baren Wesen ist nur
er allein dazu
befähigt, da er allein nur durch sein
Denken jene Grenzen niederreißen
kann, die in der Tiernatur den Selbst‐
erhaltungstrieb
umdämmen! ‒ ‒
.Aber glaube nun
nicht etwa, daß
alles «
Böse»
nur auf diese Welt der
Sichtbarkeit beschränkt, und nur im
menschlichen Aktionsbereich erzeug‐
bar sei!
.Verhängnisvoll könnte dir solcher
Glaube werden! ‒ ‒
.Hier mußt du deine Vorsicht auch
auf
Unsichtbares erstrecken, denn
was dir an der Welt der Außendinge
sinnlich wahrnehmbar erscheint,
ist wahrlich nur
der kleinste Teil
dieser Welt, und es wäre töricht, woll‐
test du den
größeren ganz unbeachtet
lassen...
.Im
Unsichtbaren dieser Außenwelt
ist nun gar mancherlei zu finden, was
du in gleicher Weise «böse»
nennen
würdest, wie du auch vom «bösen»
Tiere redest, und doch ist hier wie
dort nur
Selbst- und
Arterhaltungs‐
trieb am Werke. ‒
.Anderes ist hier zugleich verborgen,
das mehr
der Wut des Tieres hinter
Gitterstäben zu vergleichen wäre, ‒
der Wut des Tieres, das in die Frei‐
heit möchte, die es vor Augen sieht
und die ihm dennoch
unerreichbar
bleibt...
.Endlich aber gibt es auch Wesen hier,
die, ganz auf gleiche Weise wie der
sichtbarliche Erdenmensch, die
Gren‐
zen ihres Triebs zur Selbsterhaltung
niederreißen können durch ihr
Den‐
ken, denn der Gedanke ist im Kos‐
mos keineswegs bedingt durch physi‐
sche Gehirne, wenn er auch dem
Menschentiere hier auf Erden nur
durch das Gehirn erfaßbar wird. ‒ ‒
.So wie der Erdenmensch, so zeugen
und gebären diese Wesen «Böses»
im
Gedanken, aber da hier der Gedanke
frei ist von dem
Widerstand, den seine
Transformation in Gehirnbewegung
beim Menschen findet, so wirkt er
auch
mit unvergleichlich stärkerer
Gewalt sich aus, und es ist nicht zu
ermessen, welche Flut des Unheils
ständig solcherart in die Sichtbarkeit
strömt, dem Menschen dieser Erden‐
welt verborgen für sein Bewußtsein
und dennoch von ihm aufgenommen, ‒
zumeist ohne jede bewußte Gegen‐
wehr! ‒ ‒ ‒
.Preise dich glücklich, daß du
immerhin in dieser Sichtbarkeit
um‐
mauert bist und dich ‒ sobald du
wirklich
willst ‒ vor jener Flut der
«Bosheit»
in deine eigene Höhe
retten kannst! ‒
.Hüte dich,
selbst die Bresche
zu schlagen, durch die dich der giftige
Bosheits-Schlamm dieser Unsichtbaren
erreichen könnte! ‒ ‒
.Unwissentlich aber
durchbricht
gar mancher die Ummauerung
durch
seine eigenen Gedanken....
.Jeder Gedanke der «
Bosheit», oder
des Hasses ‒ sei auch, deiner Meinung
nach, das Gehaßte noch so sehr des
Hassens «wert» ‒ liefert dich, ohne
dein Wissen,
den Unholden aus dem
Unsichtbaren in die Gewalt! ‒ ‒
.Du hast sie alsdann
gerufen, ‒
hast ihnen
den Weg zu dir bereitet,
‒ und wahrlich: sie wissen ihre Ge‐
dankenkräfte bei dir einzunisten! ‒
.So sind Unzählige schon zu «
Be‐
sessenen» geworden ohne es zu
ahnen, und jeder Erdentag schafft die‐
ser Zahl der Unglückseligen reichen
Zuwachs! ‒ ‒
.Bist du aber einmal in solche furcht‐
bare Gewalt geraten, dann kann dich
nichts anderes daraus befreien, als
deine entschlossene,
absolute innere
Abkehr von
jedem, auch dem
leisesten Gedanken des
Hasses,
gegen wen und was er auch gerichtet
sei, ‒ deine entschiedene und durch
nichts beirrbare
Weigerung, hinfort
noch eine Regung der «
Bosheit» bei
dir zu dulden!
.Es gibt Lehren, die dir sagen wollen,
alles Böse sei nur leerer «
Schein»,
denn alles im Kosmos «
müsse» ja
unweigerlich
gut sein, da es letzten
Endes doch
Gott zum Urheber habe,
und aus Gott nur Gutes kommen könne.
.Das ist nun eine
sehr oberfläch‐
liche Betrachtungsweise, auch wenn
sie für manche Menschen zur Ursache
einer recht optimistischen Lebensauf‐
fassung werden kann.
.Die Schnellbefriedigten und mit
ihrer vermeintlichen Erkenntnis so Zu‐
friedenen sind etwa Bergsteigern zu
vergleichen, die, in Unkenntnis der Ge‐
fahr, über eine Schneewächte schreiten,
die jeder erfahrene Kenner der Berge
meiden und in weitem Bogen umgehen
würde....
.Auch über die Schneewächte kann
schließlich einer zum Gipfel gelangen,
‒ falls er mehr «Glück wie Verstand»
hat, und die dünne Brücke nicht ein‐
bricht unter seiner Last....
.So ist auch in diesen hier gemeinten
Lehren ein klein wenig Wahrheit ver‐
steckt, und wer sie zu finden weiß, dem
mag sie immerhin als Brücke über die
finstere Schlucht der irdischen Daseins‐
rätsel dienen.
.Wahrheit in solchen Lehren ist:
daß alles Böse nur in einer
Schein‐
welt erzeugt wird, ‒ sei es im
Sicht‐
baren oder im
Unsichtbaren, ‒
und aufhört zu bestehen, für jeden,
der diese Scheinwelten überschritten
hat....
.Willst du jedoch dergleichen billige
Lehren,
so,
wie sie gegeben wer‐
den, in der gemeinten
wörtlichen
Bedeutung übernehmen, dann mußt du
folgerichtig
alles, was auf Erden dich
umgibt,
als bloßen «Schein» bezeich‐
nen ‒ mithin auch das «
Gute» ‒,
wobei du kaum wirst leugnen wollen,
daß denn doch diese «Scheinwelt» dir
oft recht empfindlich
fühlbar werden
kann, denn sie ist eben keineswegs
un‐
wesentlicher Schein, ‒ ist
durch‐
aus nicht nur ein unfühlbares «Nichts»,
‒ und ihr Bestehen oder Nicht‐
bestehen ist gewiß nicht bestimmt durch
deine Macht. ‒ ‒
.Lasse dich darum nicht betören durch
die Trugschlüsse solcher schnellfertigen
Pseudoerkenntnis, die deiner wahrlich
allzu unwürdig wäre!
.Es soll dir aber auch jede Lehre
als
irrig gelten, die dir vom «Bösen»
spricht als von einem
Erbe, das dir
auf Erden
in deinem Körper un‐
entrinnbar zu eigen sei! ‒
.Wahrhaftig, ‒ du kannst gewiß den
Hang zum «Bösen» von deinen Vor‐
vätern her nun in deinem Blute tragen,
aber ‒ keineswegs ist etwa das «Böse»
dir
natur-gemäß!
.Wie stark auch in dir die vielleicht
vererbte
Lust am «Bösen» dich locken
mag: ‒ solange du
deinen Willen
dieser Lust nicht verbindest, wird sie
nichts über dich vermögen!
.Wer zur Beute seiner
im Blute
lockenden verderblichen
Gelüste wird,
der hat törichtes Spiel mit sich selbst
getrieben und ist ferne dem Wissen
um seine eigene Kraft!
.Die Ahnen, deren Blut in dir kreist
und die vielleicht dieses Blut vormal
einst in sich selbst nicht zu bändigen
wußten, haben wahrhaftig keine Macht
über
deinen Willen!
.Dein Wollen aber wird jetzt
ganz
allein entscheiden, ob du dein Blut
beherrschen lernst, oder dich zu
seinem Sklaven erniedrigen lassen
magst! ‒ ‒
.Freilich wirst du hier auch wirklich
wollen müssen!
.Dein bloßer
Wunsch vermag hier
wahrlich
nichts! ‒
.Die meisten Menschen aber täuschen
sich selber, wenn sie von ihrem «
Wil‐
len» reden, denn sie meinen entweder
ihre
Wünsche, oder gar
ihres Blutes
Gelüste, das durch den Willen
über‐
wunden werden soll. ‒ ‒
.So mancher weiß kaum,
wie er sich
belügt, wenn er sich sagt, er sei «
zu
schwach», um den Gelüsten seines
Blutes Widerstand zu leisten, während
er doch in jeder dunklen Stunde sich
dabei ertappen könnte, wie er sich eben
dieser Lust, die er bekämpfen wollte,
erfreut, und sie recht eigentlich bei
sich
hätschelt...
.Unzählige treiben frivoles
Spiel mit
ihren
Wünschen, obwohl sie sehr
genau wissen, daß dieser Wünsche end‐
liche
Erfüllung nur im «
Bösen» er‐
folgen kann...
.Dann aber,
wenn aus Gelüste und
Wunsch das «Böse»
erzeugt und
Ur‐
sache böser Folge wurde, klagt man
sein «
Schicksal» an und wird zum
Virtuosen in der kläglichen Kunst, die
eigene
Schuld von sich auf
Andere
abzuwälzen! ‒ ‒
.Es könnte mancher Mensch sich
ein anderes Schicksal schmieden,
wollte er nur der Lust, die ihn zum
«Bösen» drängt,
von allem Anfang
an ‒ sobald sie ihm auch nur leise
fühlbar wird ‒
jedes Zugeständnis
verweigern! ‒
.Wenn das in der Vorstellung er‐
zeugte «Böse» schon die
Tat gebären
will,
dann ist die Kraft des Menschen
bereits
gebrochen, ‒ dann ist der
Wille bereits mit dem «Bösen»
ver‐
bündet!
.Zur
Selbstqual wird dann der aus‐
sichtslose Widerstand!
.Die erste leise Regung zum «Bö‐
sen» mußt du erwürgen,
bevor sie
zum
Gefühl erstarkt oder gar
Ge‐
danke wird!
.Wenn du in dir
wachsam bleibst,
dann wird es dir
leicht, dich vor
Gefahr zu schützen!
.Dir selbst mußt du vertrauen und
deiner eigenen
Kraft, die
stärker ist
als
jede mögliche Versuchung! ‒ ‒
.Nicht umsonst ist dir diese Kraft
gegeben, und nur
durch steten Ge‐
brauch kannst du sie
verstärken,
falls sie dir noch nicht genügen sollte! ‒
.Vertraust du mutvoll
dir selbst,
dann darfst du wahrlich auch auf hohe
Geisteshilfe hoffen!
Sie wird dir dann auf eine Weise
werden, die mit Sicherheit be‐
wirkt, daß du dir ‒
selber helfen
kannst! ‒ ‒ ‒
* *
*
GEWISS, mein Freund, sind jene
Augenblicke dir nicht völlig
fremd, in denen ‒ scheinbar ohne
allen Grund ‒ dich plötzlich und
auch wohl inmitten vieler Menschen,
eine seltsame Empfindung
grenzen‐
loser Fremdheit gegenüber deiner
Umwelt packte, zugleich mit dem Er‐
wachen einer unnennbaren
Sehnsucht,
die oft stundenlang noch in dir weiter
wirkte. ‒
.Suchst du dich dieser Sehnsucht zu
erinnern, so wirst du heute mir zu
sagen haben:
.«
Es war Sehnsucht nach er‐
ahnter,
unerfaßlich ferner Heimat
meiner Seele!»
.«
Es war Sehnsucht nach Ver‐
einigung mit lichten Wesen,
die
mein Innerstes erfühlen und ver‐
stehen könnten!»
.«
Es war wohl ‒
das Ersehnen
eines unbekannten hohen Glük‐
kes,
das mir dennoch wunderbar
vertraut erschien!»
.Vielleicht war in dir auch ein
Er‐
staunen über dein Erleben, denn du
wußtest dir nicht zu erklären, wo es
begründet sein könnte...
.Dort, wo du im Augenblick dich
verflochten fandest mit der Außenwelt,
war Ursache nicht zu finden.
.Weiter jedoch wolltest du dich
nicht wagen, da du nicht enden woll‐
test im
Aberglauben. ‒
.So nanntest du dein Erleben: «
eine
seltsame Stimmung», ‒ und dein
Sinnen ward müde des Suchens nach
Erklärung.
.Dennoch war wahrlich
Grund vor‐
handen, nach so sonderbaren Erlebens
Ursache zu forschen, und hättest du
weiter suchen wollen, so würdest du
endlich auch gefunden haben, daß dein
Empfinden sich ergab
aus unbewuß‐
ter Berührung mit einer dir un‐
sichtbaren Welt. ‒ ‒ ‒
.Du hattest nichts anderes erlebt als
eine
wahrhaftige Bekundung der
Welt des Lichtes, mitten in deinem
Erdendasein, und es erschien dir
plötzlich alles allhier Gewohnte selt‐
sam «
fremd», weil du einen Augenblick
lang überlichtet wurdest aus jenem
Lichtreiche, das die wahre Heimat
deiner Seele ist. ‒ ‒ ‒
.So mußte dich auch jene
Sehn‐
sucht packen, da du in der Berührung
beider Welten unbewußt erfühltest,
daß die Außenwelt der Erde dir nur
wohlvertraute «
Fremde» ist. ‒ ‒ ‒
.Ich rate dir:
Achte hinfort auf
solche Augenblicke und nimm dank‐
bar an, was sie dir bringen!
.In diesen Augenblicken birgt sich
wundersame Macht, und sie können
großen Einfluß auf dein Leben ge‐
winnen!
.Es kann sich Wesentlichstes in dir
wandeln, wenn du willig dich zu ihren
Wundern wendest! ‒
.Und wenn du dessen achten magst,
so wirst du bald gewahren, daß solche
Augenblicke stets
in ganz bestimm‐
ten Zeitenfolgen wiederkehren! ‒
.Du wirst jedoch dann auch bemerken,
daß diese Zeitenfolgen
immer kürzer
werden, je
höher du zu
werten weißt,
was die Berührung beider Welten dir
zu geben hat! ‒ ‒
.Viele suchen die Welt des Lichtes
zu erspähen und finden sie nicht.
.Hier aber kann
jeder ihre Be‐
kundung erfahren, und diese Erfahrung
wird
jedem, ob er sie auch
niemals
suchen mag!
.Es meint nur mancher: ‒ was es
hier zu erleben gäbe, sei doch für ihn
zu
unbedeutsam, da nach
seiner
Vorstellung die Welt des Lichtes sich
in strahlend heller Klarheit offenbaren
müsse, solle er sie anerkennen...
.Sie soll sich gleichsam
nach seiner
Vorschrift bekunden. ‒
.So hindert dann
Überschwäng‐
lichkeit der Vorstellung, daß man
auf die leisen Regungen des Herzens
hört, die allein dem mit der Welt des
Lichtes noch nicht Vertrauten ihre
Bekundung bringen könnten! ‒
.Wunderliche Fabelei ist überall im
Schwange, und Ausgeburten irren
Wahns betören die Gemüter, so daß
es wahrlich «kein Wunder» ist, wenn
so wenige
wissen von der Welt des
Lichtes, obwohl sie immerfort sich
ihnen bezeugt. ‒ ‒
.Man will
nicht wahrhaben, daß
das
Ewige sich so
einfach erweist!
.Man möchte magischer Gewalten
Wirken bebend und erschauernd
«
außer sich» erleben und findet nur
ein fernes Ahnen wundersamer Weihe
unfaßbarer Überwelt...
.Wenn du aber wirklich «
wissend»
werden willst, so wirst du achten müssen
auf die zarten Zeichen, die dein Inner‐
stes empfängt!
.Die Welt des Lichtes ist dir nahe
wie die Welt der Außendinge, ‒ doch,
sie wird sich nimmermehr
bekunden
können, wenn du dein Empfinden nicht
dazu erziehen willst, das feine Fluidum
zu fassen, das ihr Substanz und Lebens‐
odem ist. ‒ ‒
.Berührung beider Welten wird
allein bewirkt durch Wahrnehmung
der Schwingung wesenhafter Gei‐
stes-
Licht-
Substanz in deinem Be‐
wußtsein, auch wenn du
nicht zu
deuten weißt, was dir bewußt ge‐
worden ist...
.Gewiß gibt es dann auch noch
Anderes, was
weitaus deutlicher
in dir Erlebnis werden will, ‒ allein:
du wirst stets
vor der Pforte des Er‐
lebens stehen bleiben, wenn du nicht
auf die hier gemeinten, leisen Regungen
in dir zu lauschen weißt!
.Sie können dir an allen Orten wer‐
den und in jeglicher Gemütsverfassung,
wenn du auf sie achten willst.
.Im dunkelsten
Leid, wie im strah‐
lendsten
Glücke kannst du sie erfah‐
ren, ‒ inmitten des
Weltgetriebes,
wie in stillster
Einsamkeit...
.Am Strande wildbewegten Meeres,
wie auf Bergeshöhen, ‒ in Feld und
Wald, wie in verschlossener Kammer...
.Ein Werk der
Kunst kann dir zum
Anlaß werden, in dir selbst die Licht‐
welt zu berühren, und das kleinste
Wunder der
Natur kann dich dazu
gelangen lassen...
.Du mußt nicht erst suchen, um den
rechten Ort zu finden, und keine Vor‐
bereitung ist vonnöten!
.Dagegen wirst du gut tun, stets auf
einer Höhe dich zu halten, die dich
mit Recht das Heilige erhoffen heißt! ‒
.Du sollst die Außenwelt, mit wachen
Sinnen, freudig, als das hier auf dieser
Erde dir Gegebene,
verbrauchen, ‒
aber: sei auf deiner Hut, damit du dich
nicht in die Außenwelt
ver-
hängst
und so dir selber zum «Verhängnis»
wirst! ‒
.Was du auch in der Außenwelt er‐
leben magst, ‒ stets mußt du
Herr
deines Erlebens bleiben! ‒ ‒
.Laß
dich nicht fangen in den Fallen
falscher Freiheitstriebe, wie man Vögel
fängt mit Vogelfutter vor gespannten
Netzen!
.Nicht alles, was du dir erlaubst,
ist
dir
erlaubt! ‒
.Du kannst nicht den «Kontakt» er‐
reichen mit der
Welt des Lichtes,
wenn du, dauernd
in Verweslichem
verwühlt, dein Wohlsein suchst! ‒ ‒
.Was reiner ist als alles Reine dieser
Erdenwelt, kann nicht sich mischen
mit dem Moderstaub der Finsternis.
.Auch kannst du nicht die Lichtwelt
fassen, wenn sie deine Außenwelt be‐
rührt, solange du
geblendet bleibst
durch trügerisches
Flacker-
Licht, und
Erdenwerte über ihren Wert verehrst,
die wertlos werden, wenn dereinst die
Bande brechen, die dich an das Feste
dieser Erde fesseln! ‒ ‒
.So fest auch Erdenfessel dich um‐
fassen mag, so bleibst du doch, in
aller Bindung,
frei zu weiser
Wahl! ‒
.Du wirst von
beiden Möglich‐
keiten, die dir jeweils offenstehen in be‐
stimmter irdischer Verflechtung, ferner‐
hin stets
jene wählen lernen, die dich
höher führt, und
meiden müssen, was
dich hindert, dich auf deiner Höhe
zu
erhalten! ‒ ‒
.Bist du nur etwas
wachsam, wenn
es so zu wählen gilt, dann wirst du im‐
mer wissen,
welche Wahl zu treffen ist!
.Es läßt sich wahrlich sagen, daß «
die
Gegensätze sich berühren», wenn die
Welt des Lichtes diese Erdenwelt in
dir berührt, und doch ist es allein
das
Ähnliche, das hier
Verbindung
schafft...
.Willst du in Wachheit des Bewußt‐
seins
wissen um die Welt des wahren
Lichtes, wenn sie deinem Außenleben
sich berührbar naht, dann muß
dein
Höchstes ihr
entgegenstreben. ‒ ‒
.Nur das, was in dir selbst der Licht‐
welt
ähnlich ist, wird sich mit ihrem
Lichte
einen können...
.Bekunden wird sie sich
auch dann,
wenn vorerst
nichts in dir soweit
er‐
leuchtet ist, daß es dem Geisteslicht
vereinbar wäre, aber
wach und wis‐
send wirst du erst mit ihr verbunden
sein, wenn sie ein
Ähnliches in dir
berühren kann! ‒ ‒
.So ist es denn wahrlich nötig, alles
Hohe in dir zu pflegen, und du wirst
gut tun, dein Bewußtsein stets in dir
in deiner höchsten Höhe zu erhalten!
.Du wirst es von allem
abziehen
müssen, was mit dem
Höchsten in
dir nicht vereinbar ist, und manches,
was dir leider längst
Gewohnheit
wurde, wird fortan
schwinden müssen,
willst du wachend mit der Lichtwelt
einst dich einen können! ‒ ‒
.Dann aber wird auch sicherlich der
Tag dir erscheinen, der dich fähig
finden wird, fast Unerfaßliches freud‐
bewegt zu erfassen.
.Alles Erdendunkel wird alsdann aus
hohem Leuchten dir überlichtet werden!
.Was früher dir nur ferne
Ahnung
war, wird dann
Gewißheit des Er‐
lebens sein!
Die Lichtwelt, die sich vordem dir
so oft bekundet hatte und immer wie‐
der dir alsbald entschwunden
war, ist dann für dich zu jeder
Zeit erreichbar, ‒ immer‐
dar dem wachen Sinne
offen! ‒ ‒
* *
*
DIE nach dem inneren
Lichte
streben und nach
dem Frieden,
den die Außenwelt
nicht geben kann,
müssen
schweigen lernen, wenn sie
ihrem hohen Ziele näherkommen
wollen! ‒
.Mancher hätte längst das Licht in
sich erlangt, so er nur
schweigen
könnte!
.Die allermeisten Menschen aber
glauben scheinbar, es dürfe nichts in
ihnen sich ereignen, dem nicht sogleich
die Rede ihres Mundes folgen könne...
.Leiseste Willensregung, etwas im
eigenen Innern zu
suchen, wird schon
vor allem Beginn des Suchens ent‐
kräftet durch eitles Verkünden, ‒ läßt
aber gar ein
inneres Erleben sich
erreichen, dann findet das
Reden
darüber kein Ende, bis alle Wirkung
des Erlebens schließlich
zer-
redet
ist, und dennoch die Zunge nicht Ruhe
findet.
.In automatischer Weiterarbeit ent‐
deckt das Gehirn stets Neues, «was
wohl noch
zu sagen wäre»...
.Ich rede hier nicht von jenen sel‐
tenen Fällen, in denen
berufene gei‐
stige Führung verlangt, daß der Su‐
chende dem Lehrenden eröffne, was
Erlebnis ward.
.Hier kann das
Redenmüssen
wirksamster Faktor der
Schulung
sein, während andere Pflichten auf‐
erlegt sind, die wahrlich
das Schwei‐
genkönnen erfordern.
.Auch hier aber wird der Suchende
schweigen lernen müssen über sein
inneres
Erleben!
.Dem Einen nur wird er es offen‐
baren dürfen, dessen geistiger
Füh‐
rung er sich anvertraute, mag dieser
Eine nun aus
eigener Erleuchtung
handeln, oder von einem Höheren
ermächtigt sein...
.Nur auf
ausdrückliche Erlaubnis
hin wird der Geleitete
vor denen,
die gleich ihm geleitet werden,
sprechen dürfen über das, was er im
Inneren erlebte.
.So war es zu allen Zeiten, und
anders wird es auch nicht in Jahr‐
tausenden sein!
.Die diese Worte angehen, werden
mich gewiß verstehen...
.Alles
Reden über irgend ein Stre‐
ben geistiger Art ist ärgste
Kraft‐
verschleuderung, solange noch nicht
wirklich
erreicht ist, was
Ziel des
Strebens war! ‒ ‒
.Weit verhängnisvoller aber kann
das Reden werden, wenn der Suchende
vor anderen Suchenden von Dingen
spricht, die er bereits in sich erfahren
hat, die aber seinen Weggenossen
vielleicht in einer wesentlich
ver‐
schiedenen Art dereinst erfahrbar
werden können, da alle geistige Er‐
fahrung
individuell bestimmt und
unvermischbar bleibt. ‒ ‒
.Sich selbst und
Anderen kann der
in solcher Weise seiner Rede Selige
unnennbaren Schaden schaffen!
.Nirgends wird in so unverantwort‐
licher Harmlosigkeit die übelste Quack‐
salberei betrieben, wie in den Kreisen
derer, die im Geistigen nach Licht
verlangen! ‒ ‒ ‒
.Hier glaubt jeder, der noch lange
nicht
sich selber helfen kann, dem
Anderen helfen zu können, und wer
auch noch so sehr
selbst der Hilfe
bedarf, meint dennoch, nur der
Andere
sei hilfebedürftig...
.Veranlaßt wird solcher unbeholfene
Helferwille nicht zum Wenigsten durch
eine
unbewußte seelische Eitelkeit,
aber sein breites Wirkungsfeld wird
ihm nur dargeboten von der unhemm‐
baren Redesucht der Anderen. ‒
.Man möge mir den Vergleich nicht
verübeln, wenn ich diese Redesucht
eine «seelische Verdauungsschwäche»
nenne, denn hier ist wahrlich ein so
drastisches Bild am Platz!
.Keiner vermag es mehr, etwas bei
sich zu behalten, so daß es nicht zum
Verwundern ist, wenn nur so wenige
durch ihr geistiges Erleben auch zu
geistigen Kräften kommen! ‒
.Die Buchhändler reichen mit ihren
Lagerräumen nicht mehr aus, da heute
jeder Zeitungsleser, der über irgend
etwas leidlich Bescheid zu wissen glaubt,
in sich Berufung fühlt, darüber ein Buch
zu schreiben.
.Nicht anders aber glauben die meisten
derer, die nach geistigem Lichte streben,
sogleich ihre kaum erlangte kleine Er‐
kenntnis, «Geistesverwandten» vorer‐
zählen zu müssen, sobald auch nur das ge‐
ringste innere Erleben sich in ihnen regt.
.Es wird dieses Mitteilungsbedürfnis
durch die Vorstellung erzeugt und im‐
merfort genährt, als könne hier Einer
vom Andern «
etwas lernen», und
man verschließt sich der Erkenntnis,
daß es doch um ein «
Erleben» geht,
das nicht zu «erlernen», sondern nur
zu
erfahren ist. ‒ ‒ ‒
.Was aber wirklich, um dieses Er‐
fahrens willen,
erlernt werden muß,
haben noch zu allen Zeiten die zum
Lehren
Berufenen verkündet, und
aller Lehre gemeinsam war stets die
Forderung des
Schweigens. ‒ ‒
.Selbst dort, wo man Schweigegebote
gab in Hinsicht auf Dinge, deren Ge‐
heimhaltung eher wie «Geheimnis‐
krämerei» anmuten könnte, ist das
wahre Motiv der Gebote zumeist in
einem hohen Wissen um den
fördern‐
den Wert des Schweigens zu suchen...
.Soll eines Erdenmenschen inneres
Erleben seine Seele
umgestalten, so
daß licht und klar wird, was ihm vordem
dunkel war, dann muß die Seele sorg‐
lichst in ihrer
Ruhe erhalten werden!
.Kaum darf sich
das eigene Denken
allzulaut im Innern mit solchem Er‐
leben befassen!
.Nur der geistig Vollendete weiß,
was da
Wort werden darf, und leitet
er etwa einen
Suchenden, so wird
er auch von ihm
nur insoweit Wort‐
bericht verlangen, als solcher möglich
ist, ohne Schaden für das Werk der Seele,
das durch ihn gefördert werden soll. ‒
.Willst du, mein Freund, nicht selbst
dein hohes Streben hemmen, so wirst
auch du gewiß das
Schweigen lernen
müssen!
.Wenig gilt mir dein inneres Suchen,
wenig all dein eifervolles Tun, wenn
du nicht
schweigen kannst!
.Und nicht nur
vor Andern sollst
du schweigen können...
.Auch
vor dir selber mußt du
schweigen lernen! ‒ ‒
.Was hier dir gelingen soll, wird
wahrlich nicht schon von heute auf
morgen gelingen, und manche Ver‐
suchung wird in dir zu überwinden
sein! ‒
.Es gilt aber hier,
dein höchstes
Ziel zu erreichen, und keiner hat
jemals sein höchstes Ziel
erreicht,
der nicht
schweigen konnte. ‒ ‒ ‒
.Zahllos aber sind die Schwätzer,
die sich verwundern, daß sie
nichts
erreichen, obwohl sie doch alles getan
zu haben glauben, was man von ihnen
verlangen könne.
.Sie haben auch wirklich vielleicht
gar manches Richtige getan, aber den‐
noch Wichtiges unterlassen, denn sie
lernten
das Schweigen nicht! ‒
.Du aber sollst nicht in den gleichen
Fehler fallen!
.Es werde dir heiligste
Pflicht, dich
im Schweigen zu üben!
.Den
Wert des Schweigens wirst du
kaum ermessen können, bevor du nicht
an dir
erfahren hast, wie alle Seelen‐
kräfte
erst im Schweigen sich in
ihrer
höchsten Wirkung offen‐
baren! ‒ ‒
.Doch sollst du nicht nur über
in‐
neres Erlebnis schweigen lernen,
sondern auch allenthalben
dort,
wo
Reden nicht geboten ist!
.Verfalle nicht in den Fehler so Vieler,
stets in dir zu suchen, was du noch
reden könntest, sondern suche lieber
nach allem, was
durch Schweigen
Kraft gewinnen könnte.
.Wie sehr dein Schweigen deine
Kraft erstarken läßt, kannst du schon
bald erfahren, wenn du nur eine Stunde
lang ein Wort bezwingst, das immer‐
fort sich wieder auf die Lippen drängen
möchte.
.Dein Schweigenkönnen aber darf
hinwieder dich auch nicht verführen,
in steter Stummheit zu verharren, wenn
man mit gutem Recht von dir erwarten
darf, daß du dich redend mitzuteilen
weißt!
.Nur dann wird Schweigen dir von
Nutzen sein, wenn nie ein Mensch
bemerkt, daß du dich
zwingst, zu
schweigen! ‒ ‒ ‒
.Bist du mit einem Menschen im
Gespräch verbunden, so wird er nie
gewahren dürfen,
daß du dennoch über
Dinge, die zur Rede kommen könnten,
schweigst, noch darf ihm fühlbar
werden, über
was du schweigst, soll
nicht dein Schweigen allen Sinn ver‐
lieren! ‒
.Auch jenes
unerzogene Schweigen
bleibe dir fremd, dem sich so manche
hemmungslos ergeben, wenn ihnen,
mitten im Gespräch, Gedanken kom‐
men, die geraume Zeit zu innerer
Erfassung brauchen!
.Die Zeit, in der ein Anderer von dir
erwarten darf, daß er in deinem Den‐
ken
gegenwärtig ist, ist wahrlich
nicht
die Zeit, um schwebenden Gedanken
nachzuhängen! ‒
.So soll denn niemals sich im Äußeren
verraten, daß du dich im Schweigen
üben
willst, ‒ und
du allein nur
sollst dir
Zeuge deines Schweigens
sein! ‒ ‒
.Freilich aber wirst du immer wissen
müssen,
wo du ein
Recht zum Schwei‐
gen hast, und
wo hingegen Andere ein
Recht auf deine offene
Rede haben! ‒
.Wolltest du schweigen, wo du
reden
solltest, so würdest du dich nur mit
Schuld beladen, und um so schwerer
müßte solche Schuld dann auf dir
lasten, je mehr dir offenkundig wäre,
daß deine
Pflicht von dir
das Wort
gefordert hätte...
.Nicht minder wie dein
Reden,
wirst du auch dein
Schweigen stets
zu
verantworten haben, und keine
Macht der Erde wie des Himmels wird
dich von dieser
Selbstverantwortung
jemals
befreien können! ‒ ‒
.Wenn auch das Schweigen, als Er‐
fordernis der seelischen Entfaltung,
gar nicht hoch genug zu werten ist, so
ist doch immer sorglichst zu beachten,
daß aller
Wert sich hier ins
Gegen‐
teil verkehrt, sobald der eigene Ge‐
winn auf Kosten
Anderer errungen
werden soll. ‒
.Es sei darum dein Reden wie dein
Schweigen stets geleitet durch die
Liebe und bewahrt durch deinen
wachen
Willen!
.Noch mehr aber, als dein
Reden,
wird dein
Schweigen für dich zu be‐
deuten haben! ‒
Wohl dir, wenn du recht
zu schweigen
weißt! ‒ ‒ ‒
* *
*
SUCHST du die ewige
Wahrheit
als das allem Scheinen entrückte
«
Sein», so wirst du unterscheiden lernen
müssen zwischen diesem tiefsten, quel‐
lenden
Urgrund alles «Wahren» und
den unzähligen
Wahrheiten, die ihm
ewiglich neu und gar wechselbereit
entströmen! ‒ ‒
.Unwandelbar in sich selbst,
bleibt
Wahrheit nur im reinen «
Sein»,
‒ in sich selbst begründet, aus sich
selber quellend, ‒ aber
unendlich‐
fältig stellt sie sich dar
in Raum und
Zeit....
.Niemals würdest du
die absolute
Wahrheit
fassen können, die auch im
Reich des wesenhaften Geistes
ewig
unerfaßbar bleibt und nur
sich
selber faßlich ist! ‒ ‒ ‒
.Allem,
was der «
Vater» aus der
Wahrheit
in ihrem Quellgrunde
zeugt, kann Wahrheit nur in
gleicher
Weise faßlich werden: ‒
als Selbst‐
erfassung!
.So wird es für dich denn wahrlich
«nur
eine Wahrheit» geben, ‒ nur
eine Wahrheit, die du
fassen kannst:
‒
die Wahrheit deiner selbst! ‒ ‒
.Unzählige Wahrheiten aber
um‐
strömen dich von allen Seiten, und
jede dieser Wahrheiten strebt nach ihrer
Anerkennung....
.Es wird
deine eigene tiefste Wahr‐
heit oft gar sehr bedrängen, daß sie
Wahrheiten anerkennen soll, die ihr
«
fremd» erscheinen und nur schwer
mit ihr selbst vereinbar.
.Doch wirst du dich daran nicht
stören dürfen!
.Erwäge, daß jede Wahrheit in Raum
und Zeit
ihre eigene Formung hat,
und nur umfaßt, was
ihrer Formung
entspricht.
.So sollst auch du
deiner eigenen
Wahrheit entsprechen!
.Das aber wird geschehen, wenn du
selbst dir zu gebieten weißt, so daß
dein Denken, Reden oder Handeln
stets von Grund aus
wahrhaft ist und
bleibt. ‒
.Kennst du dich selbst als durchaus
wahr, so wirst du allenthalben auch
die vorher scheinbar «
fremden» Wahr‐
heiten fassen, ‒ in der Art, wie sie
allein dir faßbar werden
können: ‒
eingewoben in die Wahrheit deiner
selbst! ‒ ‒
.Siehe: ‒ ein jeder Erdenmensch
trägt alle unendlichfältigen Formen der
Wahrheit verhüllt in sich selbst, aber
nur
eine dieser Formen kann sich in
ihm
entfalten, kann ihm
Gewißheit
und
Bestimmtheit geben!
.Er darf nicht
bald dieser,
bald
jener Form der Wahrheit sich ergeben,
sonst wird er sicher
seine Form der
Wahrheit
niemals finden....
.Die aber
findet er, wie ich schon
sagte, wenn er durchaus
wahr wird
in allem
Denken,
Reden oder
Tun,
‒ in aller Äußerung des Lebens!
.Was dann in
seiner Wahrheit Licht
sich ihm als
wahr erweist, das wird
wahrlich Wahrheit
sein, denn Trug und
Lüge haben keine Macht, wo eines
Menschen eigene Wahrheit Leitstern
seines Daseins wurde. ‒ ‒
.Du siehst jedoch, daß viele Men‐
schen glauben, «
in der Wahrheit» zu
sein, und dennoch offenkundig irgend
eines folgenschweren
Irrtums, oder
einer nichterkannten
Lüge Sklaven
sind...
.Werde nicht irre an solcher Ver‐
blendung und lasse dich nicht fangen in
den Fallen ihrer trügerischen Schlüsse!
.Halte auch nicht jeden für «
schlecht»,
der solcher Trugschlüsse Beute wurde!
.Sei gerecht und erkenne ruhigen
Blutes, daß die allermeisten dieser
Sklaven irgend eines Wahns,
ehrlich
bei sich überzeugt sind,
wirklich
in der Wahrheit zu
sein!
.Sie alle freilich wären alsbald ihrer
Fesseln ledig, wollten sie nur
selbst
erst
wahrhaft werden, statt sich um‐
spinnen zu lassen von
Gedankenge‐
spinsten, in denen sie der Wahrheit
urgewisse Selbstbezeugung zu erfassen
glauben! ‒ ‒ ‒
.Andere wieder wirst du allzusehr
im Banne gewisser Wahrheiten sehen,
so daß sie
keine andere Wahrheit
daneben gelten lassen können...
.Wenn du solchen begegnest, so sei
nicht ebenso unduldsam, und trachte
nicht danach, sie gewaltsam ihrem Banne
zu entreißen!
.Es gibt vielerlei Wege, auf denen ein
Mensch zuletzt denn doch zu seiner
eigenen Wahrheit finden, ‒ ja selbst
zur Wahrheit
werden kann, und
manche Seele muß erst lange
im Banne
der
verschiedensten Wahrheiten
verweilen, bevor sie zu
sich selber
findet, um vor sich selber
wahr zu
werden. ‒ ‒
.Wahr zu sein vor sich selbst, ist
nicht gar so einfach, und wenn du es
versuchen willst, dann wirst du bald
bemerken, daß du dir oftmals schon
als wahr erscheinen wolltest, wo noch
vieles in dir der Lust am Trug und
leeren Scheine unterworfen war..
.Wahr sein heißt aber auch
nicht
etwa: ‒ nur Wahrnehmungen und
Empfindungen registrieren,
wie eine
Maschine sie aufzeichnen
könnte! ‒ ‒
.Auch wenn du mit maschineller
Genauigkeit und schärfster Präzision
dir stets Rechenschaft gibst über Wahr‐
nehmung und Empfindung, kannst du
dennoch von Grund aus ‒
unwahr
sein! ‒
.Du
brauchst sogar einen gewissen
«
Spiel-
raum» zwischen der
exakten
Analyse deiner Wahrnehmungen und
Empfindungen, und
ihrer Ausdeu‐
tung für dich selbst, sonst wird dich
gerade
dein Wahrheitsfanatismus
in das Trugfeld der
Selbsttäuschung
locken, das erfüllt ist von Irrlichtern
über dunklen Morasten! ‒ ‒ ‒
.Wenn du auch mit glühender Wahr‐
heitsliebe dich bemühst, dich von
Täuschungen über dich selber freizu‐
halten, so hast du doch noch recht
wenig erreicht, solange dein Bemühen
nur darauf gerichtet ist, in der
Be‐
stimmung alles dessen, was dich inner‐
lich bewegt, zu schonungsloser Klarheit
zu kommen....
.Deine Einzelurteile können wohl in
jedem der geprüften Fälle
richtig sein
und doch kann
dein ganzes Dasein
ein wesentlich
anderes Bild ergeben,
als es aus der bloßen Summierung
deiner einzelnen Urteile über Wahr‐
nehmung und Empfindung in dir resul‐
tieren würde. ‒ ‒
.Es ist auch irrig, zu glauben, man
sei schon
wahr, wenn man nur seine
Rede frei von Lüge und Täuschungs‐
absicht hält!
.Wahr sein, heißt vor allem: ‒ seine
Gedanken stets an straffem Zügel
führen, damit sie nicht, durch
Wunsch,
Furcht oder
Träumerei verleitet,
die nüchterne Straße sachlicher Er‐
kenntnis verlassen und in ungewisse
Weiten schwärmen, allwo sie meist
recht schwer wieder einzufangen sind...
.Bist du in deinen
Gedanken wahr,
so wird auch
Rede und
Tat von
deiner Wahrheit Zeugnis geben, selbst
wenn deine Rede
irren, oder deine
Tat dich zuweilen
ins Unrecht set‐
zen mag! ‒ ‒
.Besser ist es fürwahr, man kann dich
eines
Irrtums oder eines
Unrechts
überführen, so nur dein Wille beidem
fernestand, als einer
Unwahrheit
gegen dich selbst, ‒ auch wenn
sie begangen wurde, um Irrtum und
Unrecht zu
meiden! ‒ ‒
.Sobald du aber einmal wirklich
wahr
geworden bist in dir selbst, werden
tagtäglich dir neue
Wahrheiten be‐
gegnen, und sie werden dir
nicht mehr
«
fremd» erscheinen, wie einst! ‒
.Du wirst entdecken, daß du auch
eines jeden
anderen Menschen Wahr‐
heit
in dir selber trägst, auch wenn
sie in dir nur
eine Nebenwahrheit
ist, ‒ nicht, wie
deine eigene Mittel‐
punktswahrheit, Weg und Ziel be‐
stimmend. ‒
.So wirst du
duldsam gegen andere
werden, und du wirst keinen anderen
darum geringer schätzen, weil er nicht
deiner Wahrheit folgt, wenn du ihn
nur auf
seine Weise
seiner Wahrheit
Folge leisten siehst! ‒ ‒
.Du wirst erkennen, daß die
absolute
Wahrheit, die
allein sich selber
«
fassen» kann, in
unzählbaren
Formen sich der Fassungskraft des
Menschen offenbart, und daß auch
noch die
fernste dieser Formen
Licht
von
ihrem Lichte enthält. ‒
.Wohl darfst du dich glücklich
schätzen, weißt du
deine eigene
Wahrheit eingeordnet in den
nächsten
Graden der Durchlichtung aus dem
Inbegriff der
absoluten Wahrheit,
doch wirst du gewiß auch die Wahr‐
heiten
fernerer Durchlichtungsgrade
nicht mehr verachten, und in allen un‐
zählbaren Graden nur die
eine ewige Wahrheit
schauen! ‒ ‒
* *
*
MIT gutem Rechte hat der
Spott,
der so manche, sonst unheil‐
volle Spannung entspannt, sich der
«
Frommen» bemächtigt, die aus der
Frömmigkeit ein Paradieren mit «Ge‐
sangbuch» und Andachtsrequisiten,
ein himmelndes Augenverdrehen, ein
selbstgerechtfertigt-salbungsvolles Ge‐
tue zu machen wußten.
.Es darf aber doch auch nicht ver‐
gessen werden, daß es nun manchen
Menschen schwer fällt ‒ und es
dürften nicht wenige sein ‒, über‐
haupt noch an den
Wert der
echten
«Frömmigkeit» zu glauben. ‒
.Auch wenn sie im
besten Sinne
«
fromm» zu sein vermöchten, fühlen
sie sich doch zu sehr bereits mitbe‐
troffen durch den berechtigten Spott,
auch wenn der nur
Frömmelei und
Pharisäertum zu treffen sucht, als daß
sie noch wagten, offen einzugestehen,
wie schal und gehaltlos ihnen ein Dasein
ohne wahre
Frömmigkeit erscheint.
.Man mag
es töricht schelten, wenn
zaghafte Seelen solcherart ihrem besten
Fühlen mißtrauen, und doch ist in
dieser Scheu zugleich eine hohe Wer‐
tung
echter Frommheit,
echter
«
Frömmigkeit» enthalten, denn die
Ängstlichen fürchten im Grunde nur
die
Entweihung einer inneren Er‐
fahrung, die ihnen
heilig ist...
.Dennoch könnte man wohl hier
sagen, daß nur
subjektive Werte in
Frage stünden, so daß alsdann die echte
Frömmigkeit denn doch
nur Wenigen
Bedürfnis,
Wenigen, ihrer Art nach,
«
angemessen» wäre? ‒
.Da ich dir jedoch versprochen habe,
dich recht zu leiten und auf sicheren
Weg zu führen, der du nach dem
«
Sinn des Daseins» suchst, so muß
ich dir nun am Beschluß der Führung
auch zu zeigen suchen, daß du den
Sinn des Daseins nie erfassen und be‐
greifen kannst, wenn dich nicht
echte,
reine
Frömmigkeit erfüllt! ‒ ‒ ‒
.Ich sagte dir schon bald, daß du
in neuer Weise fragen lernen müß‐
test: ‒ daß du
nicht fragen solltest
nach dem «
Sinn des Daseins», son‐
dern danach,
wie du
deinem Dasein
«Sinn»
verleihen könntest...
.Fragst du jedoch, wie ich dich fragen
lehrte, so weiß ich dir wahrhaftiglich
zuletzt nichts Besseres zu sagen, als
den hier nun folgenden Rat:
.Erfülle dein Herz mit wahrer,
echter,
lauterer Frömmigkeit!
.So nur wirst du deinem Dasein
ewig
gültigen «
Sinn» verleihen! ‒ ‒ ‒
.Ich hoffe allerdings, daß du deine
Frage nach dem «
Sinn des Daseins»
nicht aus jener platten Oberflächen‐
Neugier stelltest, die nur danach fragt,
wie erdenhaft enger Verstand ‒ und
sei es auch der Verstand des Weisesten
der Weisen ‒ sich dieses Dasein
leidlich «
erklärbar» machen kön‐
ne?! ‒
.Solcher
Neugier Nahrung zu bieten,
ist wahrlich
nicht Aufgabe meiner
Lehre, und
ferne stehen mir die selbst‐
süchtig-ängstlichen «
Kinder dieser
Welt», die immer nur erfahren wollen,
was ihrer einst
wartet, statt immer
so zu
handeln, daß nur
das Beste
ihnen zum Erbteil werden
kann...
.Wer sich hier «
getroffen» fühlt,
den mag es
wie Peitschenschlag
treffen, damit er aus seinem Dämmer‐
traum endlich
erwache und zu seinem
Besten
reif, ‒ zu seines Erbes Er‐
werb
berechtigt werde!! ‒
.Wenn ich davon rede, daß du dei‐
nem Dasein «
Sinn» zu geben vermagst,
so ist mir nur daran gelegen, dir zu
zeigen, daß dieses Dasein, ‒ obwohl
an sich schon so vieler «
Ursache»
unabänderliche «
Folge», ‒ wieder
nur
neuer Folge Ursache wird, und
daß du
Macht hast, die Folge nun‐
mehr zu
bestimmen, soweit deine
Macht reicht,
dieses Dasein um‐
zugestalten! ‒ ‒ ‒
.Es handelt sich
keineswegs nur
etwa darum,
erhabene Gefühle in
dir zu erzeugen, oder gar den kindisch‐
eitlen Glauben in dir wachzurufen, als
hättest du eine «
Mission», und seiest
der Gottheit überaus wichtig in allem
deinem Tun! ‒
.Du magst auf dieser Erde wohl der
Mächtigste und Erhabenste sein, der
Erbe alter Geschlechter, vererbten
Herrscherwillens und unermeßlichen
Besitzes, und bleibst doch als Erden‐
mensch vor dem Werturteil der Ewigen
ein armer,
törichter Wurm, den
ein Fußtritt zertreten kann, auch wenn
das Herz, das diesen Fuß bewegt, dich
gerne schonen möchte!!!
.Die
Umgestaltung deines Daseins,
die deines Daseins
Folge umgestaltet,
erfordert
mehr von dir, als nur einen
Wandel deiner
Gefühle, ‒ eine Trans‐
ponierung deines seitherigen
Erden‐
geltungswillens in die Bereiche
ewigen Erlebens! ‒
.Magst du unter Herrschern der Aller‐
mächtigste sein, oder unter Bettlern
der Allerärmste, so mußt du in beiden
Fällen wissen, daß alles das wahrhaft
irrelevant, ‒ in
jeder Hinsicht
we‐
senlos ist, vor dem Angesicht Derer,
die
des wesenhaft-
wirklichen,
ewi‐
gen Geistes Priester und Könige
sind, auch wenn sie dich hier auf dieser
Erde nach deiner
irdischen Geltung
gelten lassen, soweit du selbst es
ihnen möglich machst! ‒ ‒ ‒
.Was
geistiges Gesetz von dir
erheischt, ist wache, wohlüberlegte
Tat! ‒ ‒
.Es wird gewiß nicht etwa «
zuviel»
von dir verlangt!
.Du mußt nur
beweisen, daß es dir
ernst ist mit deinem Streben, und
diesen
Beweis kannst du lediglich
erbringen, indem du die Macht, die
dir über
Irdisches gegeben ist, ge‐
brauchst, um dir im
Ewigen Schätze
zu sichern, die «weder Rost noch
Motten fressen» können! ‒ ‒ ‒
.Hier gibt es
keinen «
Erlaß» und
keine «
Umwandlung» des Geforder‐
ten, so gerne dir auch die ewige Liebe
Erlaß und Umwandlung nach
deinem
Ermessen gewähren möchte! ‒
.Auch wirst du dich hüten müssen,
etwa zu glauben, daß du
den Geist
der Ewigkeit vielleicht ein wenig
täuschen könntest, um
scheinbar zu
tun, was von dir verlangt wird, und doch
zu
unterlassen, was deiner irdisch‐
engen Eigenliebe widerstrebt! ‒ ‒
.Du
wirst nicht «
gerichtet», sondern
richtest dich selbst durch die Be‐
nützung dessen, was deiner Macht auf
Erden untertan ist!
.Bist du ein armer
Bettler, so darfst
du sicher sein, daß das, was du
aus
deiner Armut wirken wirst, gewiß
nicht geringeren Wertes ist, als die
Großtaten eines Reichen, ‒ doch lebst
du im
Reichtum, so wird dein Erden‐
wirken
nur insoweit geistig gelten,
als es eben diesem Reichtum
ange‐
messen ist...
.Du wirst dann aus dem, was dir
übergeben ist, auch deinen gerechten
Beitrag leisten müssen, um
das Kapital
des Geistes hier in dieser Sichtbarkeit
zu mehren! ‒
.Du selbst mußt wissen und erfühlen,
was der
Geist der Ewigkeit, dem
du entstammst,
von dir verlangt an
materiellem Einsatz in dieser Welt
materieller Außenwerte, ‒ und du
wirst gewiß im Geistigen nicht weiter
kommen, suchst du dich zu entziehen,
wo du
auch in erdengültigen Werten
darbringen sollst, was du vermagst...
.Es handelt sich keineswegs etwa
darum, dein Hab und Gut zu ver‐
teilen, ‒ aber aus dem, was du besitzest,
ergibt sich, was du darbieten
kannst,
um Geistiges in dieser Erdenwelt zu
verankern, wie auch nach gleichem
Maße das Maß deines dir übertragenen,
dich verpflichtenden
Wohltuns sich
bestimmt. ‒ ‒
.Vom
Geiste her ist
nur gefordert,
daß dein geistiges Streben stets
auch
dein äußeres Dasein mit erfasse,
und somit alle äußere Macht, die dir
gegeben ist,
in den Dienst der
Ewigkeit stelle....
.Niemals wird etwa
mehr von dir
verlangt, als was du wirklich leisten
kannst, ohne Pflichten, die aus deinem
äußeren Dasein sich ergeben, zu ver‐
säumen. ‒
.Es kommt jedoch
bestimmt ein
Tag, an dem du es bitterlich bereuen
würdest, des Geistes Forderung
nicht
erfüllt zu haben! ‒ ‒ ‒
.Da du aus deinem
ewigen Leben
niemals entfliehen kannst, so ist es
wahrlich
Weisheit, auch in dieser
Erdenzeit bereits nach
seinen Ge‐
setzen sich einzurichten.
.Auch dieses
Erdendasein ist ja
nur begründet in deinem
ewigen Leben,
dem es wenig verschlägt, auch wenn du
es
leugnen zu dürfen glaubst!
.Du wirst diesem Dasein wohl nicht
anders einen «
Sinn» zu geben ver‐
mögen, als dadurch, daß du es wach
und bewußt als Teil deines
ewigen
Lebens zu erleben suchst! ‒ ‒
.Das aber vermagst du nur, wenn
du dem argen Irrtum entsagst, der dir
vorgaukeln will, du könntest dereinst
bewußt im
ewigen Leben stehen, auch
ohne vorher
dein Erleben dieses
Erdendaseins geistgerecht ge‐
staltet zu haben! ‒
.Willst du deinem Dasein «
Sinn»
verleihen, so ordne
alles was du hier
beginnen magst, stets
derart, daß auch
ewige Werte durch dein Tun gefördert
werden! ‒ ‒
«Sinn» hat dein Dasein wahrlich nur
wenn es weiterzeugend wirkt,
und seine Früchte dir er‐
halten bleiben für alle
Ewigkeit! ‒
* *
*
ENDE
DAS BUCH
DES
TROSTES
Zweite Auflage
6.-10.Tausend
Kober'sche Verlagsbuchhandlung
1948
Copyright by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung Basel
1948
Buchdruckerei Prokop & Co. Zürich
.Es sind wahrlich nur recht wenige durch
die Täler und über die Höhen dieses
Erdengestirns geschritten, von denen etwa
zu sagen wäre, daß sie des
Trostes allzeit
hätten
entraten können. ‒
.Gewiß waren es auch keineswegs die
Tiefsten, und sicherlich beweist es kei‐
nen besonderen Vorrang seelischer Stärke,
des Trostes
nicht zu bedürfen. ‒
.Gleichwie ein tiefes
Meer weit
längere
Zeit braucht, um seine sturmgepeitschten
Wogen zu glätten, als ein seichter
Tüm‐
pel, also auch wird die
reiche,
tiefe Seele
weit
stärker von jeglichem Erleben er‐
griffen, und vermag noch gar lange daran
zu leiden, während die
seichten Seelen,
bei denen nichts in die Tiefe dringen
kann, da sie keine Tiefe
in sich haben,
vom Abend bis zum nächsten Morgen
mit ihrem Schmerze fertig werden. ‒
.Trost aber braucht nur
der Leidende,
den sein Leid bis in seine tiefste
Tiefe
erfaßte, und dem des Leides bittere Wasser
fürderhin die Quellen seines Erdenglückes
ungenießbar zu machen drohen.
.Es gibt mehr solcher Trostbedürftigen
auf dieser Erde, als es Arme an irdischen
Gütern gibt, und deren gibt es wahrlich
doch genug...
.Im Leide
offenbart sich erst leider für
viele etwas von ihrer Tiefe, denn in der
Freude, die wahrlich zu
gleicher Tiefe
leiten kann, begnügt man sich schon mit
dem Wenigen, das die
Oberfläche ge‐
ben mag.
.Wohl ist alles
Leid dieses Erdenlebens
in höherem Erkennen nur als
Lüge zu
werten und als trüglicher
Schein; allein:
es gibt keine Lüge, die nicht zuletzt der
Wahrheit dienen müßte, und so auch
muß das
Leid, das diese Erde überreich‐
lich aus sich selbst erzeugt, zuletzt denn
doch der
Freude noch zum Sieg verhelfen.
.Hierin liegt alle Kraft des wahrhaften
Trostes beschlossen, soll Trost nicht nur
ein
Überreden sein, um dich das Leid
vergessen zu lassen. ‒
.Willst du es
vergessen, so wird es erst
recht als
Lüge dich
betrügen!
.Willst du dein Leid jedoch der
Wahr‐
heit dienstbar machen, so wirst du es ge‐
wiß nicht zu vergessen suchen! ‒
.Du wirst mutig, Aug in Auge, dem Leid,
das dich betroffen hat, gegenüberstehen
und es
überwinden lernen müssen; doch,
Überwinden heißt hier nicht:
Ver‐
gessen, und noch weniger würde dir ge‐
holfen sein, wolltest du feige dem Emp‐
finden deines Leides dich entziehen, woll‐
test du
Lüge auf solche Art durch
Lüge
bannen. ‒
.Siehe: die großen Meister der Kunst
des Lebens sind niemals feige dem Leide
aus dem Wege gegangen!
.Sie wußten zu
leiden, so wie sie der
Freude sich hinzugeben wußten.
.Sie wußten, daß alles Leid nur der
Freude Bedingnis und Unterpfand wird,
sobald nur die Leidempfindung erlöst
wird aus der
Lüge und dem Reich des
Scheins. ‒
.Du kannst das Leid gewiß nicht aus dei‐
nem Erdenleben tilgen; allein dein
Emp‐
finden kannst du wandeln und also auch
das
Leid entwerten, denn alles Leid ist
nur dir dargeboten, damit durch dich es
die
Ent-
wertung finde. ‒
.So erst wirst du aus einem
Sklaven des
Erdenleides sein
Herr und
Bezwinger
werden!
.So nur wirst du das Leid auf
solche
Weise erleben, daß es dich
fördern muß,
obwohl es vorher dich zu
vernichten
drohte! ‒
.Es ist gewiß nicht allzuschwer, auf sol‐
che Art dem Leide dieser Erde zu begeg‐
nen; doch wirst du nie zum
Herrn des
Leides werden, willst du der Leid-
Emp‐
findung dich entziehen! ‒
.Nur wer das Leid in tiefster Seele zu
empfinden fähig ist, der wird zuletzt
auch fähig werden, es als Lüge zu
er‐
kennen. ‒
.Dann erst wird er sein Leid zu
besie‐
gen wissen und den
Trost erlangen, der
aus der innersten
Gewißheit der Erkennt‐
nis aller Wahrheit ihm entgegenleuchtet.
.Von
diesem einzig
würdigen Troste
soll hier die Rede sein.
.Ich will dir zeigen, daß du seiner teil‐
haft werden kannst in
deinem eigenen
Innern, und dann nicht nötig hast, bei
anderen dir Trost zu suchen.
.Der Trost, den
andere dir bieten kön‐
nen, wird dir
nur dann aus deines Lei‐
des Fesseln helfen, wenn er dir zeigt, wie
du dich
selbst befreien kannst, und diese
Kunst wirst du aus dieses Buches Worten
lernen können.
.Hart mögen schwere Schicksalsschläge
dich betroffen haben...
.Du fühlst dich ihnen ausgeliefert und
siehst dich wehrlos einer Macht verhaftet,
die dich zu leiden zwingt nach unerklär‐
lichem Gesetz.
.In alter Enge dürftiger Erkenntnis ein‐
gesponnen, suchst du vergeblich eine
„Schuld” an dir, als deren „Sühne” du be‐
werten könntest, was dir widerfahren ist.
.Hier bist du schon der ersten groben
Täuschung ausgeliefert, denn nirgends
ist ein „Rächer” deiner Schuld, der dir
nach jenes engen Wähnens Weise „Sühne”
auferlegen könnte.
.Wohl trägt zwar jede
Tat in sich die
unabänderlich gesetzte
Folge, und nie‐
mals wirst du es vermögen, solcher Folge
zu entrinnen, allein es kann dich herbstes
Leid auch hart in Banden schlagen, das
keineswegs aus deiner
Tat erwachsen ist.
.Gib deinem Leid nicht selbst noch Zu‐
wachs, indem du quälenden
Gedanken
Raum in dir bereitest, dem Wahn verhaf‐
tet, daß dein Leid gemildert werde, wenn
du eine
Schuld als dieses Leides Ursache
in dir erkennen würdest!
.Trifft dich ein Leid, so lasse ihm vor
allen Dingen
keine Zeit, dich erst zu bin‐
den, denn
wenn es dich bereits in Fesseln
schlug, wirst du mit
großer Kraft es nur
vermögen, dich aus seinen Fesseln zu be‐
freien. ‒
.Recke alsbald dich auf und suche
irgendeinen festen Halt in dir, so daß
du
erfolgreich ringen kannst mit dem,
was dich fesseln will!
.Du mußt
Herr sein in
dir selbst und
darfst auch deinem
Leide nicht erlauben,
sich
gegen diese Herrschaft zu kehren,
wie
tief du auch dein Leid
empfinden
magst! ‒
.Nur in
solcher Haltung wirst du dem
Troste begegnen können
in dir selbst!
Trost hat nur wert als
Gegenkraft,
um die Kraft des
Leides zu
überwinden.
.Dein Leid wirst du gewiß
ergründen
müssen, wenn du
starkem Troste begeg‐
nen willst.
.Dann aber wird es dir also ergehen:
.Auf dem
Grunde deines Leides wirst
du die
Lüge geschäftig am Werke finden,
die dich betören will, zu glauben, nun sei
alles Licht erloschen, und alles was strah‐
lend war in deinem Leben, versinke nun
in grauenhafte Finsternis.
.Glaubst du der Lüge, dann wird sie
zu einer fast unbezwinglichen
Macht
durch deinen Glauben!
.Sie
nährt sich dann aus
deinem Herz‐
blut, und wahrlich: sie wird wie ein Vam‐
pir dir alle Lebenskraft zu entziehen
wissen!
.Dann wird dir in Wahrheit alles, was
Licht und strahlendes Leuchten war, in
graue, dumpfe Nacht versinken.
.Darum rate ich dir: ‒ sei wachsam und
schenke der Lüge des Leides
keinen
Glauben!
.Kehre entschlossen ihr den Rücken zu,
damit ihr Medusenblick dich nicht ver‐
wirrt, und sage dir selbst stets wieder mit
Beharrlichkeit:
.„
Es ist nicht wahr, daß alles
Strah‐
lende nun unterging!”
.„
Es ist nicht wahr, daß alles
Licht
mir nun
erloschen ist!”
.„
Es ist nicht wahr, daß je das Leid
die
Freude verschlingen könnte!”
.Vor allem aber sage dir, daß eben die‐
ser Schmerz, der dir so unerträglich schei‐
nen will, nur darum dich in Banden hält,
weil du die
Wahrheit noch nicht sehen
kannst, die jene
Lüge auf dem Grunde
jedes Leides dir verbirgt! ‒
.Je entschlossener du dich
abkehren
wirst von der
Lüge höhnischem Grinsen,
desto eher kann dir die
Wahrheit, die
hinter deinem Schmerze steht, in ihrer
strahlenden
Größe sichtbar werden! ‒
.Wer sie erblickt, der wird auch des herb‐
sten Leides
Herr, denn alsbald wird er
gewahr, daß alles Leid
in sich zusam‐
menfallen muß, wenn seine
Zeit been‐
det ist. ‒
.Alles Leid ist
vergänglich, und nur
du selbst kannst ihm
längere Dauer ge‐
ben, als ihm seiner Art nach innewohnt. ‒
.Ein jedes
Leid aber ist einer späteren
Freude vorgesandtes, geheimnisvolles
Zeichen, auch wenn es dir wie erbärm‐
liches
Höhnen erscheinen will, wenn man
dein Leid, das an dir zehrt, auf solche
Weise dir im Lichte der
Wahrheit zeigt. ‒
.Du bist des Leides
Lüge noch allzu‐
sehr verhaftet, und sie lehrt dich
hegen
dein Leid, so daß du unwillig wirst, wenn
man dir die
Freude zeigen will, die eben‐
so in
Dauer steht, wie alles
Leid in
Ver‐
gänglichkeit. ‒
.Du hörst noch das laute Weheklagen
deiner
Sinne, bist noch des Jammers
nicht Herr, der deine
Gedanken durch‐
tobt. ‒
.Noch schaffst du dir immerfort
Vor‐
stellungsbilder dessen, was einst
ge‐
wesen war,
bevor dein Leid dich nieder‐
beugte, so daß du wahrlich nicht zu er‐
kennen weißt, was nunmehr
Gegenwart
geworden ist, und nur das
Verlorene
gigantisch aufwächst vor deinem Blick. ‒
.Aber dein Leid ‒ wie schwer es auch
sei ‒ kann dir zum
Segen werden, wie
es dir auch gleicherweise nur neues
Un‐
heil bringen wird, wenn du es nicht in
deine Herrschaft zu zwingen weißt...
.Du
selbst allein entscheidest, was aus
dem Samen des Leides dir ersprießen
soll! ‒
.Nur wenn du aufhören wirst
zurückzu‐
blicken und alle Aufgabe
vor dir siehst,
wirst du den
Segen des Leides ernten! ‒
.Dein Schicksal
will etwas von dir, so‐
bald es dich durch
Leid und
Leiden
führt! ‒
.Ein jedes
Leid-
Erleben ist
Abschluß
und
Neubeginn.
.Wenn bei dem
Abschluß du zu lange
verweilst, wirst du die beste
Kraft in dir
erlahmen lassen, die dir zu neuem
Be‐
ginnen dienen sollte!
.Ich gehöre wahrlich nicht zu denen, die
dich in dem Wahn erhalten möchten, als
sei das Leid auf dieser Erde „gottgewollt”
und auch in seinen furchtbarsten Formen
eine eherne Notwendigkeit.
.Vielmehr weiß ich dir zu sagen, daß
das allermeiste Leid auf dieser Erde
ver‐
schwinden könnte, würde der Mensch
das Leid nicht mehr
erwarten.
.Niemals aber wird diese Erde darum
völlig leidfrei sein.
.Erwarte nicht das Leid und suche es
nicht geflissentlich, durch deine
Angst
davor,
herbeizuziehen; aber wo es dich
traf, da wisse, daß dein Leben dich in
irgendeiner Weise
aufwärts führen will.
.Stelle dich nicht dir selbst in den Weg,
indem du deinen Blicken Richtung in die
Tiefe gibst, sondern blicke
empor ‒ über
dich hinaus ‒ und lerne so erkennen, was
dein Leben von dir noch zu
fordern hat,
statt daß du
selber stetig
Forderungen
an
dein Leben stellst, die allermeist nur
aus der Enge deines erdgefesselten Blickes
her, sich als „
berechtigt” erweisen möch‐
ten! ‒
.Aus deiner
Erkenntnis dessen, was
dein Leben von dir
verlangt, wenn es
dich dem Leide begegnen heißt, wird dir
die Kraft des
Trostes werden, die du ver‐
geblich suchst, solange du
rückwärts
deine Blicke wendest. ‒
*
.Wühle nicht in deinem Schmerz und
reiße Wunden, die vernarben wollen, nicht
immerfort von neuem auf, wenn du die
Kraft des Trostes in dir
selbst er‐
langen willst!
.Weise jedem die Türe, der da kommt,
um dich zu „trösten” und nichts Besseres
weiß, als frische Gräber aufzuscharren! ‒
.Was einmal
erlebt ist, will
Ruhe fin‐
den in dir, damit es in deine tiefste Tiefe
sinke.
.Nur wenn es unverlierbar in deiner
Seele Tiefe ruht, wird es dir zu lebenzeu‐
gendem Gewinn.
.Alles Leid ist nur in seiner Macht, so‐
lange du es
hegst und willig seine Herr‐
schaft
anerkennst! ‒
.Wenn du, nachdem du es
empfunden
und
erlitten hast, ihm keine
Macht über
dich mehr
zugestehst, dann ist seine
Macht zu
Ende! ‒
.Darum sucht es dich immer von neuem
an sich zu
erinnern!
.Wie alles Vergängliche möchte es
län‐
ger in Macht und Wirkung sein als seine
zugemessene Zeit dies zulassen will. ‒
.Dazu aber bedarf es
deiner, denn es
ist nicht ohne dich!
.Um dir
wert zu werden, wählt es stets
die besten Masken...
.Wie hat es die Hirne der Menschen zu
allen Zeiten umnebelt, um ihnen als
Göt‐
terbote, ja als Zeugnis göttlicher
Liebe
zu gelten! ‒
.So hat man es gar
lieben gelernt und
dabei nicht geahnt, daß man ‒ nach
eingewobenem Gesetz der Kräfte dieses
Universums ‒ durch solche Liebe nur
das Leid auf dieser Erde
mehrte...
.Es gibt aber
unsichtbare Gewalten
in diesem Kosmos der Kräfte, die daran
allergrößtes Interesse haben, daß der
Mensch der Erde leide, da sie sich aus
des Menschen Kräften nähren und er‐
neuern, und da der Mensch zu keiner
anderen Zeit so willig ihnen seine Kräfte
überläßt, als wenn er sich im Leide
findet. ‒
.Je mehr sein Leid aus einem Empfin‐
den, das er selbst noch beherrscht, zu
seinem Beherrscher und Tyrannen
wird, desto leichter wird es jenen Un‐
sichtbaren, seine Kräfte, die sie brauchen,
ihm zu entziehen.
.Darum versuchen sie, was da in ihre
Macht gegeben ist, um ihn nur möglichst
lange in seinem Leide zu erhalten...
.Nicht umsonst sagt man von einem, der
lange litt: ‒ er ist von seinem Leide „ent‐
kräftet”. ‒
.Wahrhaftig, man hat ihm seine Kräfte
nach allen Regeln ausgesogen, während
er sein Leid fast mit Genuß zu hegen
wußte und ihm die schönsten Namen gab,
um es ins Heilige zu erhöhen, und sich so
recht in seines Leides
Macht zu füh‐
len. ‒
.So liefert
selbst sich der Mensch als
Beute aus, an jene Werwölfe und Vam‐
pire der unsichtbaren Welt der siderischen
Kräfte! ‒
.Soll diesem Treiben aber endlich Ein‐
halt werden, dann muß, bewußt des wirk‐
lichen Geschehens,
alle
Lust am Leiden
aus den Seelen schwinden, und solche
„Lust” ist
mehr in allem Leiden, als die
allermeisten, die da leiden, auch nur
ahnen. ‒
.Wohl ist gewiß
keine „Lust” vorhan‐
den, in das Leid zu
gelangen!
.Auch in der Leidempfindung, die der
Mensch noch zu
beherrschen weiß, ist
wahrlich
keine „Lust”!
.Allein, sobald das Leid den Menschen
überwältigt, also daß er
weiter leiden
will, folgt er, und wenn er es auch keines‐
wegs
erkennt und
eingestehen könnte,
einer dumpfen Lust, die ihn verleitet,
immerfort aufs neue seine Wunden auf‐
zureißen, damit an seinem Blute sich die
Unsichtbaren laben können, die als ekle
Parasiten sich von seinen Kräften nähren.
.Ihnen gilt es zu entrinnen, und wenn
auch nie das Leid von dieser Erde schwin‐
den wird, so läßt sich doch solcherart
dann wirklich auf das Äußerste be‐
schränken, was die Gesetze dieser äuße‐
ren Erscheinungswelt in ihrer Auswirkung,
als beigegebene Folge, zeitigen müssen.
.Alles was diese Folge übersteigt ‒
alles was außer ihr liegt, soweit sie be‐
gründet ist in „naturnotwendigem” Ge‐
schehen ‒ kann aus dem Leben der Men‐
schen allmählich ausgeschieden werden
und wird es im Leben eines jeden Ein‐
zelnen, wenn jeder für sich selbst erkennt,
daß er sich nur den unsichtbaren Unhol‐
den zum Opfer bringt, solange er dem
Wahn ergeben bleibt, der seit Jahrtausen‐
den das Leid der Erde heiligspricht. ‒
.Doch deute man meine Worte auch
nicht irrig!
.Wohl weiß ich
Ehrfurcht in mir vor
jedem Leidenden, der großes Leid, das
ihn betroffen hat, mit hoher Menschen‐
würde trägt, solange er es tragen
muß,
um es alsdann zu
überwinden und in
sich den starken
Trost zu finden, der ihn
zu neuem gesteigertem Leben ruft, und
der durch keine „Tröstung”, die von
außen
kommt, gegeben werden kann.
.Allein
ich warne vor der
Hingabe an
das Leid und vor dem grenzenlosen
Irr‐
tum, der da im Leide etwas „
Heiliges”
und „
Gottgewolltes” sieht, während
alles Leid nur
Lüge und
Übel ist ‒ selbst
dort nur nothafte
Un-
Vollkommen‐
heit, wo es als unvermeidbare Folge der
Gesetze dieser irdischen Erscheinungswelt
erduldet werden
muß. ‒
.Ich erachte es als eine grobe
Blasphe‐
mie, wenn man sich nicht entblödet, einen
ewigen „
Gott”, von dem gesagt ist, daß
er die
Liebe sei, den unsichtbaren
Vam‐
piren gleichzusetzen, die sich im Dunst‐
kreis dieser Erde aus den Kräften des Men‐
schen nähren ‒ indem man unbewußt
lästernd zu sagen weiß:
.„
Wen Gott lieb hat,
den züchtigt
er.” ‒
.Wäre nicht eines Weisen
Torheit die‐
ses Wortes Vater, dann wäre es ein
Ver‐
brechen an der Menschheit zu nen‐
nen! ‒
.In seinen
Auswirkungen allerdings
ist es gewiß nichts anderes, und gut wuß‐
ten jene Unsichtbaren, die es einstens
einem Menschenhirne einzublasen verstan‐
den, dafür zu sorgen, daß aus der Torheit,
die es aufnahm, stetig weitergehendes
Verbrechen
werde...
.Wer sich nicht schuldig machen will
des
Unheils, das aus diesem Worte schon
geboren
wurde und noch geboren wer‐
den
kann, da es den Menschen dieser
Erde das Übel
lieben und
hegen lehrt,
der trage mutig, herb und würdebewußt
das Leid der Erde, das er tragen
muß,
bis er es jeweils
überwunden hat, aber
er vermesse sich nicht ‒ dadurch ver‐
führt, daß ihm die Art,
wie er es trägt,
zur
Läuterung werden kann ‒
das Übel
selbst als „gottgewollte” Schickung auf‐
zuwerten! ‒
.Es ist nicht „Schickung”, sondern je‐
weils
Folge unabänderlicher Geschehens‐
abläufe in dieser irdischen Erscheinungs‐
welt, soweit es nicht unbewußt
herbei‐
gezogen wird und vermehrt, durch die
Kraft des
Glaubens an seine „Gottge‐
wolltheit” und „Heiligkeit”. ‒
.Magst du im Leide sein oder dich leid‐
frei wissen zu dieser Zeit ‒ stets sage dir
an jedem deiner Tage:
.„Alles Leid ist ein Übel, das ich
überwinden muß!”
.„Alles Leid ist ein Übel, und ich
bitte im Geist, daß ich vor ihm Be‐
wahrung finde, soweit es irdischer Ge‐
schehensablauf zuläßt!”
.„Alles Leid ist ein Übel, und ich
will nicht dem Übel Zuwachs geben
auf der Erde, sei es durch meine Furcht,
die es anzieht, sei es durch meinen
Glauben an seine vermeintlich hei‐
ligende Kraft!”
.Wie
alles, was du zu erleben hast, dir
dienen kann, dich in deinem Erleben zu
bewähren, so auch das
Leid; jedoch
wirst du noch keinen je gefunden haben,
der sich in
anderem Erleben
nicht in
Bewährung erwiesen hätte und dann im
Leide plötzlich
Größe offenbarte.
.Wenn es dir dennoch so scheinen möch‐
te, so hattest du gewiß
vorher das Er‐
leben eines solchen Menschen
irrig ge‐
wertet!
.Doch darfst du niemals vergessen,
daß
jedes Erleben den Menschen för‐
dern kann, und
ich sage hier nicht, daß
im Erleben des
Leides keiner gefördert
werden
könne ‒ allein, es ist mitnich‐
ten das
Leid, das ihn fördert, sondern des
Menschen Erlebnis-
Einstellung, die
auch noch im Leide offenbaren kann,
was
wahren Wertes ist in ihm. ‒
.Die vielgepriesene „
Schule des Lei‐
dens” hat freilich manchen stolzragenden
Geist
gebrochen, so daß er „zu Kreuze”
kroch; allein, man
blende sich nicht selbst
und
prüfe erst, ob solche Schulung wirk‐
lich den Menschen zu seiner
höchsten
Entfaltung brachte, oder ob er nur
müde
wurde und
mürbe, und so
zerschlagen,
daß er sich nicht mehr voll hohen Mutes
erheben konnte! ‒
.Gar oft wird
müder Verzicht dir wie
unbegreifliche
Güte erscheinen, wo nur
ein
Wille im Leid
zerbrach ‒ wo jeder
Wunsch
seine Triebkraft verlor ‒
wo durch die Unfähigkeit, zu
überwin‐
den, jeder Erdenwert
entwertet wurde...
.Verdächtig dürfen dir alle erscheinen,
die angeblich durch das
Leid erst zu „
bes‐
seren Menschen” wurden! ‒
.Entweder: sie waren
vorher schon
weit besser, als du annehmen wolltest,
verstanden so die Forderung des Schick‐
sals und stiegen
über das Leid hinaus
zu neuem Beginnen, oder aber du siehst
Zerbrochene, deren müde, gewährende
Geste nun wie „Güte” wirkt. ‒
.Die Menschen, die das Leid bis in seine
Tiefe kosten, um alsbald sich zu erheben
und das Leid zu
überwinden ‒ empor
über sich selber blickend und mutigen
Schrittes
neuem Beginnen entgegen‐
schreitend, werden dir oft
kaum vom
Leiden berührt erscheinen, und doch
sind
sie es, denen vor allen anderen aus
dem Leide
Segen erwächst. ‒
.Sie sind die Menschen, die in
sich sel‐
ber die Kraft des
Trostes fanden und sie
in ihrem
Wirken für sich selber offen‐
baren. ‒
.Schwerlich aber werden sie der
Tor‐
heit verfallen, das
Leid, das ihnen wider‐
fahren ist, für einen Beweis der
Liebe
des Himmels zu halten. ‒
*
.Arm ist ‒ wirklich
bettelarm, und
wenn er über alle Schätze der Erde ver‐
fügen würde ‒ wer die unerschöpfliche
Verstärkungsmöglichkeit aller seiner
Kräfte nicht kennt, die in der Fähigkeit
zur
Arbeit ihm gegeben ist. ‒
.Nun gibt es gar
vielerlei Arbeit auf
dieser Erde zu leisten und viele werden
meinen, daß ihre Arbeit auch einer
er‐
habenen Sache gelten müsse, solle sie
ihre höchsten Kräfte also fördern.
.Wer so denken mag, der
kennt den
„Segen der Arbeit” noch nicht und würde
sehr irrig deuten, was ich ihm zu sagen
habe...
.Ich rede
nicht davon, daß diese oder
jene Arbeit dir besondere
Freude brin‐
gen kann, auch wenn ich dir gewiß alle
Freude an deiner Arbeit wünsche.
.Ich rede auch
nicht davon, daß
Arbeit an einer Sache, die du als „er‐
haben” empfindest, dein
Fühlen erheben
kann.
.Zudem ist hier ein
Irrtum gleich im
Anfang zu berichtigen!
.‒ Du siehst einen Menschen einem er‐
habenen Werke sich widmen, während
du selbst vielleicht im Taglohn dich mühst,
eine Pflicht des Alltags zu tun, sei es durch
deiner
Hände oder deines
Kopfes Arbeit.
.Vielleicht empfindest du leise etwas wie
Neid dabei, da dir dein äußeres Schick‐
sal oder deine Begabung und Schulung
gleiches, von dir als „erhaben” empfun‐
denes Tun versagt. ‒
.Doch, du hast
keinen Grund, den an‐
deren zu beneiden!
.Du selbst ‒ was immer auch dein
Tagewerk bilden mag ‒ bist an seinem
Tun
beteiligt. ‒
.Der
Lastträger, der im Hafen die
Schiffe entladet, hat nicht minder Anteil
an allem Großen und Bedeutenden, das
sein Volk durch einen seiner Söhne her‐
vorbringt, wie der Arbeiter an der Ma‐
schine, die jene Lasten aus fernen Ländern
zu brauchbarer Nahrung und Kleidung
verwandelt.
.Der
Bauer hinter dem Pfluge wie der
Schreiber am Pult: ‒ sie
alle sind
ver‐
eint am Werke mit dem „
Anderen”, in
dessen Hirn schon die Entdeckung vor‐
bereitet ruht, die Krankheit Heilung brin‐
gen soll, oder der über einem Werke brü‐
tet, das seines Forschens Resultate, zum
Besten aller, der Mit- und Nachwelt dar‐
zubieten haben wird. ‒
.Der „
Andere” aber wäre ein arger Tor,
wollte er sich
allein hinter seinem Werke
wähnen...
.Gewiß ist er, als
Dichter,
Künstler,
als ein Beherrscher seiner
Wissenschaft
der
Schöpfer seines Werkes, allein sein
Schaffen wird
ermöglicht erst durch jene
vielverzweigte
Arbeit aller, die nötig
ist, damit die
Vorbedingungen des Le‐
bens sich ergeben, die der Schaffende nicht
missen kann. ‒
.Ich hörte einst von einer kleinen Ge‐
meinschaft, die das Heil zu finden glaubte,
wenn sie von allem sich entblößte, was
nicht durch ihrer eigenen Hände Arbeit
gefertigt war.
.So strebten die edlen Schwärmer „zu‐
rück zur Natur” und ließen in der Ein‐
samkeit sich nieder.
.Nur eines wollten sie nicht missen: ‒
Bücher ‒ und noch eines: ‒ einen herr‐
lichen
Flügel, auf dem ein Hochbegabter
aus ihnen die Werke der Tonkunst zu Ge‐
hör bringen konnte.
.Auf solche Weise führten sie ihr eige‐
nes Evangelium ad absurdum und
merk‐
ten es seltsamerweise nicht. ‒
.Man überlege wenige Minuten, welche
vielfache Arbeit vieler dazu gehört, das
Material allein zu schaffen, aus dem ein
Buch besteht, und denke daran, wie
viele Hände und Maschinen nötig sind,
um einen klangreichen
Flügel herzustel‐
len! ‒
.Ich erwähne hier abschweifend diese
Erfahrung, weil sie zum Greifen deutlich
zeigt, wie alles, was eine Kultur an hohen
geistigen Werten hervorbringen und ver‐
mitteln kann, stets bedingt ist durch un‐
zähliger Hände und Köpfe
Alltagsarbeit.
.Es mag das Tun eines Menschen ihm
selbst auch noch so
alltäglich erscheinen,
so kann er dennoch sicher sein, daß es
auf irgendeinem Umweg in den
höch‐
sten Werken der mit ihm Lebenden zu‐
tage tritt, und wiederum sind die Werke
der
schöpferischen Geister ‒ mögen
sie auch aller Alltagssorge weit entrückt
erscheinen ‒ die einzige
Gewähr dafür,
daß ein Kulturkreis sich
erhält und allen,
auch den Kleinsten, gutgelohnte
Arbeit
bieten kann. ‒
.Nachdem so ein folgenschwerer Irrtum
Berichtigung fand, sei hier nun die Rede
von der bedeutsamen
Kraft der Seele,
die durch
jede Art von Arbeit ‒ jedoch
allein nur, wenn sie in der
intensivsten
Art betrieben wird ‒ gewonnen werden
kann, und die in allem
Leid auch die
Kraft des echten inneren
Trostes fördert.
.Du weißt es sicher aus Erfahrung, daß
schon die bittere Notwendigkeit, dich mit
den Dingen beschäftigen zu müssen, die
dein Leid im Gefolge haben kann, dich ab‐
lenkt von quälender Selbstzerfleischung,
‒ dich
zu dir selber bringt ‒ und so
dich befähigt, das, was dich betroffen hat,
in ruhigerer Weise zu betrachten.
.Soll aber der starke
Trost in dir selbst
dir werden, dann ist es vor allem nötig,
daß deine
Gedanken nicht dauernd sich
in deinen Schmerz verkrampfen.
.Du wirst dies am
sichersten und
leich‐
testen verhüten, wenn du in deine
Ar‐
beit dich so vertiefst, daß während dei‐
ner Arbeitszeit nichts anderes als deine
Arbeit dir zu Bewußtsein kommen kann.
.Die Zeit deiner Arbeit ‒ wenn du recht
zu arbeiten weißt ‒ ist stets im Leid eine
Zeit der Erholung von quälenden Ge‐
danken. ‒
.Wer freilich mit dem Kopfe oder den
Händen zu
arbeiten glaubt, während
er fast gewohnheitsmäßig
über andere
Dinge sinnt ‒ für den sind meine Worte
nicht geschrieben, und ich bezweifle sehr,
daß ein solcher des
Trostes bedarf, es sei
denn, er suche „Tröstung” nach seiner
Weise im „Vergessen” des Leids...
.Ich rede hier zu Menschen, die das Leid
in seiner
Tiefe kosten und bereit sind, es
überwinden zu wollen!
.Nichts schafft dir eher den inneren
Trost,
der sich als
Kraft dir offenbart, und lehrt
dich mit seiner Hilfe auch das herbste
Leid
bezwingen als
Arbeit, die du
so
verrichtest, wie jede Arbeit getan werden
will, soll sie dein Seelisches fördern!
.Nichts führt dich eher zum
Neube‐
ginn!
.Da ich in dir einen Menschen sehe, der
zum
Geiste strebt, so ist es mir selbst‐
verständlich, daß es für dich keine noch
so „mechanische” Arbeit geben kann, die
dir gestattet ‒ den alten guten Weiblein
gleich, wenn sie Strümpfe stricken, was
für sie mehr ein nützliches
Spiel mit den
Händen ist und
dann und wann nur
Aufmerksamkeit verlangt ‒ zugleich an
andere Dinge zu denken, die
außerhalb
deiner Arbeit liegen. ‒
.Ja, ich muß von dir, der den Weg zum
Geiste betreten will, erwarten, daß du
selbst keine
Pause in deiner Arbeit kennst,
es sei denn, daß dich wirkliche
Ermü‐
dung dazu zwingt. ‒
.Nur
solche Arbeit schafft die
seelische
Förderung, die du auf deinem Wege
brauchst ‒ sie wird dich nebenbei zum
Tüchtigsten unter deinen Arbeitsgefähr‐
ten machen, und
solche Arbeit wird dir
auch im
Leide in dir selbst die
Kraft
des Trostes erschließen. ‒
.Wer
solche Art der
Arbeit kennt, der
allein hat auch ein
Recht, nach getaner
Arbeit zu
ruhen, aber auch seine
Ruhe
wird ihm fruchtbar werden, weil ihm als‐
dann die Frucht der Arbeit
anderer Gei‐
ster durch mentale Influenzen dargeboten
wird, nach seiner Fassungskraft. ‒
.Und ebenso wird dir, wenn du im
Leide stehst und die Kraft des
Trostes
durch deine
Arbeit zu erreichen suchst,
nachher in deiner
Ruhe großer
Trost
im eigenen Innern werden, der von
gei‐
stiger Seite stammt, und den du in sol‐
chem, durch die
Arbeit wiederhergestell‐
tem Gleichgewicht
allein zu empfangen
fähig bist. ‒
.Ich selbst weiß von Kindertagen an von
Leid und von
Arbeit genugsam zu sagen,
und rede zu dir als einer, der beides aus‐
giebig kennt! ‒
.Du könntest mir vertrauen, auch wenn
ich sonst kein Recht zur Lehre hätte! ‒
.Ich wurde als Kind schon mit man‐
chem Leid bekannt, und wurde später‐
hin
alle Wege geführt, die ich kennen‐
lernen mußte, um heute
helfen zu kön‐
nen, wo durch
Lehre zu helfen ist. ‒
.Es ist eine große
Müdigkeit in der
Welt in diesen Tagen nachschwingender
Schrecken, und man versteht noch nicht,
daß auch diese Müdigkeit nur durch
Ar‐
beit um der Arbeit willen zu überwin‐
den ist. ‒
.Auch
da ist starker
Trost im eigenen
Innern nur zu erlangen, durch der inten‐
sivsten
Arbeit wundersame regenerieren‐
de Kraft. ‒
.Ich fordere wahrlich keinen „Glauben”
an diese Worte!
.Wer da im
Leide ist oder müde wurde
seiner Last und Sorge, der stelle die
Probe
an!
.Er wird nicht lange zu warten brau‐
chen, um zu sehen, ob ich
wahr geredet
habe! ‒
.Die
Kraft des Trostes wird ihm aus
der Arbeit kommen, eher als er es ver‐
muten möchte, und wird ihn stark und
lastfrei machen zu
neuem Beginn! ‒
*
.Hebe dein Haupt, du, der du
trauerst
um einen Menschen, der deinem Herzen
teuer war und ist, und den du
begraben
mußtest!
.Du
Mutter, die ihr Kind verlor, du
Vater, dem der
Sohn entrissen wurde,
als er dir schon Freund geworden war,
du, der des
Vaters, der seiner
Mutter
Sarg auf das Totenfeld geleiten mußte!
.Wohl dir, wenn jene Lehren, die man
einst als Kind dir gab, dir solchen Glau‐
ben schufen, daß er auch heute noch dich
halten kann!
.Man sagte dir, die
Seele gehe ein zu
Gott in ihre
Herrlichkeit, und selbst
der Erde
Leib erfahre einstens seine
Auf‐
erstehung...
.Wenn du solches
glaubst: ‒ wie kann
ich dich dann in trostloser
Trauer sehen!?
.Ich
fühle mit dir und
weiß, was du ver‐
loren hast für dieses Erdenlebens Dauer.
.Du hast wahrhaftig
Grund, zu klagen,
und ich weiß um deinen wehen
Schmerz...
.Aber siehe: ‒ nach deines Glaubens
Lehre ist doch der
Sieg des Todes
dahin!
.Es ist doch nur
kurze Trennung, die
du beweinst, und wenn du wahrhaft in
deinem Glauben stehst, dann wirst du zu‐
gleich in innerer
Freude beben bei der
Vorstellung, daß dein Geliebtes nun von
allem Erdenleid befreit,
in seliger Ver‐
klärung bei den Seligen lebt. ‒
.Wohl dir, wenn du
wirklich so glaubst
und nichts dich an deinem Glauben je‐
mals irre werden lassen könnte!
.Gib dem Schmerz, was des Schmerzes ist,
und
beweine immerhin, was du für dei‐
nes Lebens weitere Dauer hier auf dieser
Erde nicht mehr
sehen, nicht mehr
hören,
nicht mehr
fühlen kannst! ‒
.Du hast
Grund, zu weinen, da du hier
zurückbleiben mußt, und nirgends mehr
findest du während dieses Erdenlebens, was
du liebst! ‒
.Aber wenn einst auch für
dich dein
letzter Tag gekommen ist,
dann ‒ sagt
dir dein Glaube ‒ wirst du
wiedersehen,
was du verloren hattest für eine gewisse
Zeit, und dann wird der
Freude kein
Ende sein...
.Wohl dir, wenn du noch solches glaubst!
.Deine Tränen werden in Bälde versie‐
gen, und du wirst allen
Trost in deinem
Glauben finden!
.Ich fand aber
viele, die da vorgaben,
solchen Glaubens zu sein, und doch sich
in ihrer Trauer nicht zu fassen wußten. ‒
.Ich fand
viele, die mit den Lippen
glaubten und im Herzen fühlten, daß
sie solchen Glauben
logen, weil es ein‐
mal das
Herkommen wollte, daß man
zu diesem Glauben sich äußerlich be‐
kenne. ‒
.Überviele aber fand ich, die längst
kein Hehl daraus machten, daß solcher
Glaube ihnen nichts weiter mehr sei als
eine fromme Mär. ‒
.Unter
diesen fand ich die
meisten,
die Trostkraft in sich selber
vonnöten
hatten, und die auch Trost in sich zu
fin‐
den wußten, wenn man ihnen die rechten
Wege wies...
Einmal sagte mir einer:
.„Ja, warum lehrt man uns nur diese
Dinge, die in sich die Wahrheit ber‐
gen, wie man die Kindermärchen
lehrt, so daß sie uns verloren gehen
müssen, wenn wir der Zeit entwach‐
sen sind, die uns an Märchen glauben
ließ?”
Ihm wußte ich zu sagen:
.„Ereifre dich nicht gegen jene, die dich
einst lehrten, wie sie eben zu lehren
wußten, sondern sorge du selbst, daß
du anderes zu lehren weißt.”
.Wahrlich, die alten Glaubenslehren
können guten
Trostgrund geben, und
wer noch an sie glauben
kann, ist letzten
Endes gewiß nicht betrogen, auch wenn
die
Vorstellungen, die sich solcher Glau‐
be schafft,
nicht ganz der
Wirklichkeit
entsprechen. ‒
.Sie lassen dennoch die Wahrheit
ah‐
nen: ‒ zeigen, daß dieser Erde sterblicher
Leib nur
zeitliche Ausdrucksform
eines Wesens war, das
nicht von dieser
Erde ist, und darum auch jeweils nur
so
lange faßbar bleibt für
irdische Sinne,
solange es sich in
sinnenfälliger Form
offenbart, die dieser Erde entstammt.
.Gewiß ist es töricht, wenn man den
Glauben nährt, als werde einstens ein
neuer
Leib erstehen aus dem
gleichen
Stoffe, der den
Erdensinnen faßbar ist,
allein auch
diese Lehre birgt in sich die
Wahrheit: daß die bleibende
geistige
Form des Menschen insofern seiner frü‐
heren
irdischen Erscheinungsform ent‐
spricht, als es auf Erden schon das
Gei‐
stige war, das der gegebenen Erdenform
seine eigenen Züge mehr oder weniger
einzuprägen wußte. ‒
.Auch ist es
Wahrheit, daß sich die
hier auf Erden durch den Tod Getrenn‐
ten einstmals „
wiedersehen” werden,
wobei sie sich in ihrer
geistigen Form
viel sicherer erkennen, als etwa Menschen
in der
Erde Leib, die einige Jahre lang
sich nicht gesehen haben.
.Von Grund aus
irrig ist aber die Vor‐
stellung, als ziehe des Menschen Geistiges,
sobald es dieser Erde Leib verlassen hat,
nun in alle „
Wonnen des Himmels”
ein oder könne in einen Zustand
ewiger,
grauenhafter
Qual verfallen, aus der ihm
keine Rettung mehr werde. ‒
.In dieser
letzteren Vorstellung ist in‐
sofern eine Spur der Wahrheit enthalten,
als gänzlich
vertierte, nur an
Irdischem
haftende Naturen wohl Äonen in seeli‐
scher Finsternis verharren können, bevor
sie geeignet werden, seelisch-geistiges
Licht zu schauen.
.Jedoch auch hier ist das Gesetz des
Geistes, dessen Leben
Liebe ist, unend‐
lich milder als die Unbarmherzigkeit des
Menschenurteils, und wer auf Erden
Liebe
hinterlassen hat, kann
nie und nimmer
solcher äonenlanger Umnachtung verfal‐
len, so fehlbar er auch war. ‒
.Ich habe in meinem „
Buche vom Jen‐
seits” ausführlich von dem Zustande ge‐
sprochen, in dem sich des Menschen Gei‐
stiges nach seines Erdenkörpers Erkalten
findet, und dort, wie in vielen anderen
meiner Bücher, habe ich auch dargelegt,
woher mir
Gewißheit gegeben ist, über
diese Dinge zu sprechen.
.Es genüge, hier zu sagen, daß diese Ge‐
wißheit aus gesichertster
Erfahrung
stammt, so töricht und vermessen es auch
Menschen dieser Zeit in der westlichen
Welt erscheinen mag, wenn man ihnen
sagt, daß es Menschen auf der Erde gibt,
die in solcher Hinsicht
Erfahrung zu
machen
fähig sind ‒ Erfahrung, die nur
sehr wenigen allerdings zugänglich ist. ‒
.Was aber den Zustand des Bewußtseins
anlangt, in dem ein von der Erde
Abge‐
schiedener sich findet, so sei hier gesagt,
daß er zuerst nach seinem Erdentode er‐
wacht in einer
niederen geistigen Region,
die dieser Erde noch sehr nahe ist.
.Ist er geistig durch sein Erdenleben be‐
reits bereitet, so verläßt er diese niedere
Region alsbald an der Hand von siche‐
ren Führern, die einst auf der
Erde lebten
wie er, oder auch
niemals der Erde Leib
getragen haben.
.Auf seiner Höhenwanderung, die aller‐
dings nicht mehr mit dem Zeitbegriff der
Erde rechnet, begegnet er sodann auch
Helfern, die auf der Erde noch im
Erden‐
leibe geistig wirken,
dort in der geisti‐
gen Region aber in ihrer
Geistesform
zugegen sind, und wird auch von
ihnen
stets weitergeleitet, immer lichterem Er‐
kennen und Empfinden des geistigen
Lebens zu. ‒
.Dies ist der Weg des Menschengeistes,
der geistig sich
während seines
Erden‐
lebens in Liebe,
Tat und Wirken an
sich selbst dazu geschult hat, auch seither
unbekannte Wirklichkeit in ihrem We‐
sen zu
erkennen, und denen
Folge zu
leisten,
die allein ihn dort weiter‐
führen können. ‒
.Die allermeisten aber, die zu jeder Zeit
die Erde verlassen, finden sich jedoch ‒
nachdem sie erfassen, daß sie
gestaltet,
bewußt und
handlungsfähig sind ‒
recht
wohl in dem
niederen geistigen
Zwischenreiche und suchen
dort zu fin‐
den, was ihren
Vorstellungen ent‐
spricht. ‒
.Da hier die
Vorstellung, wie im Trau‐
me, als
Wirklichkeit erscheint, so sind
sie benommen von ihrer selbstgeschaffe‐
nen Welt, und sie hören ebensowenig auf
die Stimme derer, die sie
höher führen
könnten, wie etwa ein in tiefem Schlafe
Träumender oft nicht erwacht, auch wenn
Stimmen in seiner Nähe zu hören sind.
.Da auch der Geist des
Schuldbewuß‐
ten immer Gründe kennt, die ihn vor sich
selber
entschuldbar erscheinen lassen,
so wird er sehr bald mit Vorstellungen
fertig, die etwa
zuerst seiner
Furcht vor
ewiger „
Strafe” oder
quälender Läute‐
rung entsprachen, um nun ein „
Him‐
melreich” zu schauen, in dem er alles
genau so findet, wie es seiner Erden‐
vorstellung nach seinem Glauben ent‐
spricht. ‒
.Der aber ehemals glaubte, nach dem
Tode des Körpers sei sein Leben zu Ende,
erschafft sich auf gleiche Weise Vorstel‐
lungen erdenhaften Weiterlebens, und
jeder derer, die an solchen „Strandrei‐
chen” beteiligt sind, ist auf seine Art
glücklich, bis auch für ihn allmählich
das Erwachen kommt und er die gemein‐
sam mit anderen erträumte, scheinbare
Erfüllungswelt durchschaut, wie ein
auf Erden aus dem Schlaf der Nacht
Erwachter seinen allein geschaffenen
Traum. ‒
.Dann erst ist er reif, die Stimme des
Helfenden zu hören und seine Hand
zu ergreifen, um den Weg in die höhe‐
ren geistigen Welten anzutreten, in be‐
wußter Arbeit an sich selbst, von Stufe
zu Stufe, immer mehr dem wesenhaften
Lichte des Geistes zu, in der Liebe er‐
starkend und von dem
Urquell der
Liebe angezogen. ‒
.Hatte der Menschengeist, der sich auf
dieser Erde darstellen wollte, aber erst in
eines
Kindes Körper Darstellung gefun‐
den, und war dieses Kind auch nur so lange
im Erdenleben, daß die Vereinigung des
Geistes mit den gegebenen Seelenato‐
men erfolgen konnte, dann ist er wohl
seiner selbst bewußt,
entbehrt aber noch
der Fähigkeit, sich aus irdischen Erinne‐
rungsbildern eine
Vorstellungswelt zu
schaffen, oder besitzt sie nur in so gerin‐
gem Maße, daß er dennoch
verschont
davor bleibt, den bei Erwachsenen oft
sehr lange währenden
Kollektivtraum
einer
Scheinglückseligkeit zu träumen.
.Er wird dann
sogleich von den geisti‐
gen Helfern gleichsam an die Hand ge‐
nommen und
höhergeleitet, und wenn
er auch weit
länger braucht, um seine
Stufen zu ersteigen, da ihm auf Erden
gesammelte geistige
Erfahrung fehlt, so
ist er dafür von
Anfang an in der lich‐
ten
Wahrheit und in der Hand der
sicheren Führer. ‒
.Ein „
Wiedersehen” und Erkennen
kann erst erfolgen, wenn entweder die
„Strandreich”-Sphäre der
erträumten
Erfüllung
nie betreten worden war, es
sei denn als eilig zu durchwanderndes
Land, oder aber nachdem das
Erwachen
aus solcher erträumter „Seligkeit” bereits
erfolgte und bewußt an der Hand des
Führers
höhere geistige Welten betreten
wurden.
.Es ist dann
jederzeit ein „Wieder‐
sehen” möglich zwischen allen, die sich
in ihren Erdentagen
kannten oder auch
nur
voneinander wußten, jedoch nur
insofern, als sie durch innere
Sympathie
verbunden waren, mögen sie nun auch
auf sehr
verschieden hohen Stufen ihrer
Entfaltung angelangt sein. ‒
.Das
Kind, das die Mutter hier in sei‐
nen frühen Tagen verlor, wird sich
zu‐
erst ihr in
der Erscheinung zeigen, in der
sie es
kannte, und vor ihren Augen wird
es sodann sich
wandeln in die
Geist‐
form, die ihm
dauernd bleibt...
.So wird jeder den anderen
erst so er‐
blicken, wie es seiner
Erdenerscheinung
entsprach, um
dann ihn zu sehen in sei‐
ner
bleibenden geistigen Erschei‐
nungsform, denn die Substanz, die das
geistige Bewußtsein
trägt, schmiegt sich
jeder Vorstellung an, die das Bewußtsein
des Menschengeistes von sich haben kann,
so daß, um nur ein
Beispiel zu nennen,
ein Mensch, der krüppelhaft auf Erden
geboren wurde, zuerst für die ihn Wie‐
dersehenden, die
nur so ihn in der
Vor‐
stellung tragen können, sich auch
zeigt
in
Form dieser Vorstellung, um sie, die
er wahrlich hinter sich gelassen wissen
will, sogleich wieder zu verlassen und sich
als der Gleiche in seiner
vollkommenen
Geistform zu zeigen. ‒
.All diese Dinge klingen wie die Schil‐
derungen der Märchenbücher und sind
dennoch so getreu der
Wirklichkeit ent‐
sprechend, wie wenn ich hier eine Reihe
von
irdischen Vorgängen zu schildern
hätte, die dir so vertraut sind, daß du so‐
fort sie wiedererkennen würdest. ‒
.Vielleicht darfst du dich fragen, ob nicht
so manche Märchenvorstellung
hinauf
in des Menschen Urheimat weist, und
sei es auch nur, daß die Schöpfer des Mär‐
chens
unbewußt sie erahnten...
.Du siehst aber, daß auch
dir, der du
nicht mehr glauben wolltest, was man
dich in deiner Kindheit einstens lehrte,
die gleichen, ja
weit sicherere Gründe
des
Trostes gegeben sind wie denen, die
noch in dem Glauben ihrer Kinderzeit
Genüge finden! ‒
.Du weißt, daß ich gewiß den
Schmerz
um den Verlust der Gegenwart geliebter
Menschen in der irdischen Erscheinung
verstehe.
.Aber über diesen Schmerz hinaus ist
wahrhaftig kein Grund zur
Trauer, auch
wenn die Heimgegangenen nach ihrem
Wechsel der Anschauungsform gewiß
nicht
sofort in höchsten Geistesstufen
sich erleben, sondern dort in
gleicher
Weise
an sich selber noch zu wirken
haben, wie ein Mensch
auf dieser Erde
an sich wirken muß, will er im
Geistigen
erreichen, was auch schon
während die‐
ses Erdenlebens sich erreichen
läßt, da‐
von dir alle meine Bücher Kunde bringen.
.Überdies bist du von deinen Lieben, die
den Erdenkörper hier verlassen mußten,
keineswegs
geistig getrennt!
.In dir selbst ‒ in deinem
eigenen
Geistigen ‒ bleibst du mit ihnen
ver‐
bunden, und wenn du lernen willst, zu
lauschen in dein
Allerinnerstes, dann
wird dir mehr und mehr
Gewißheit
werden, daß du mit ihnen noch in
geisti‐
ger Verbindung
bist...
.Hüte dich aber vor allen Versuchen,
die Geschiedenen in das Reich der
Sicht‐
barkeit dieser Erde ‒ in den Bereich
der
äußeren Sinne rufen zu wollen!
.Sie selbst
kannst du
nicht rufen!
.Sie sind dir, auch wenn du alle Be‐
schwörungsformeln törichter Nekroman‐
ten alter Zeiten kennen würdest,
weit
entrückt für deine Sinne.
.Was du aber rufen
könntest, würde
dich nur
zum Narren eines Gaukel‐
spiels werden lassen, und wäre dir außer‐
dem
schadenbringend an deines
Kör‐
pers und deiner
Seele besten Kräften. ‒
.Du wirst auch über
diese Dinge vieles
in ausführlicher Weise in meinen ande‐
ren Büchern nachlesen können, auf die
ich hier mich beziehen muß, will ich nicht
alles bereits Gesagte wiederholen.
.Wie du wahrhaften
Trost in dir findest,
habe ich dir gezeigt.
.Nun kehre dich von deiner
Trauer um
die
Heimgegangenen!
.Sie haben
ihren Weg jetzt zu durch‐
schreiten, wie
du den
deinen! ‒
.Erhebe dich zu
neuem Beginnen, und
wenn du so auf den Weg zum
Geiste
finden willst, dann wird auch
dir hier
auf dieser Erde
unsichtbare hohe Hilfe
nahe sein: ‒ die
gleiche Hilfe, die auch
deine
Heimgekehrten nun zum Lichte
leitet. ‒
.Vor allem aber trage Sorge, daß man
dich stetig in der
Liebe finde!
.Nur, die in der
Liebe sind, können
Führung finden hier wie dort, und erst
wenn das Traumreich selbstischer
Wünsche dich verläßt, wirst du in die
Liebe gelangen, die alles Trostes hehrste
Quelle ist! ‒
ENDE
DER WEG
MEINER SCHÜLER
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1932
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1932
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
„Daß wir solche Dinge lehren,
Möge man uns nicht bestrafen:
Wie das alles zu erklären,
Dürft ihr euer Tiefstes fragen.”
Goethe
(„Höheres und Höchstes”)
.Daß ich gewiß nicht alle, die sich so
nennen, als meine Schüler
anerkennen
kann, soll denen nicht zum Hemmnis
werden, die sich wirklich in Tat und Ver‐
halten als meine Schüler erwiesen
haben,
oder bereit sind, sich als wahre geistige
Schüler zu
bewähren.
.Jeder Mensch ist sein eigener
Richter!
.Ein Richter über sich selbst, gegen
dessen Wahrspruch es in aller Ewigkeit
keine „Berufung” gibt!
.Und sein Urteil ist nicht eine Rechts‐
findung im
Denken, sondern Rechts‐
bestätigung durch
Tat!
.Jeder bestimmt sich selbst durch sein
eigenes Verhalten, so, daß er nichts Anderes
zu sein vermag, als eben das, wozu ihn
dieses Verhalten fähig zeigt.
.Die äußere Geste, oder eine Selbstbe‐
zeichnung, kann zwar das eigene Urteils‐
vermögen betören und die Nebenmenschen
täuschen, aber an der durch das eigene
Tun
bestimmten Stellung im substantiellen gei‐
stigen Leben nicht das mindeste ändern.
.Wer mir wirklich Schüler ist,
weiß es,
weil er sich
handeln weiß, wie mein
Lehren
Alle handeln
heißt.
.Er braucht nicht meine ausdrückliche
Anerkennung, weil sein
Tun ihm mit aller
Sicherheit sagt, ob ich ihn den Meinen zu‐
zählen kann, oder nicht.
.Ich kann keinen Menschen der Welt zu
meinem wirklich mit mir im Urlichtgeist
verbundenen Schüler machen, der es nicht
durch sein Denken, Empfinden, Wollen,
Reden und Handeln von
sich aus
ist!
.Ob einer meiner Schüler mich persönlich
kennt, ist das Allerunwesentlichste für ihn.
.Der vergängliche, mängelreiche, sich selbst
in allerlei Pein erleidende Körpermensch,
als der ich im Irdischen wese, ist mir für
diese Sichtbarkeit nichts anderes, als was
der sichtbare Uhrzeiger ist für das ver‐
borgene Werk der Uhr.
.Mit der von mir dargebotenen Lehre
hat er nur als Mittler zu schaffen.
.Es ist auch gänzlich bedeutungslos, und
bringt mir keinen Menschen in Schüler‐
nähe, daß einer etwa von sich, auf peinlich
konventikelmäßige Weise, sagt: er „stehe
in der Lehre”, weil er sich so ziemlich alles
„
gemerkt” hat, was in meinen Schriften
steht.
.Solange das aus meinen Worten Auf‐
genommene nur
Gehirnbesitz bleibt,
wird es auch nur so lang Besitz sein, als
das Gehirn es „behalten” kann.
.Nichts davon geht in die
Dauer ein!
.Nur was umgesetzt wurde in
Wirken
und
Lebensform, bleibt für die
Dauer
erhalten: ‒ dann, wenn kein Atom des
Gehirns mehr in der gleichen Form be‐
steht, die voreinst nötig war, das von mir
Übernommene aufzugreifen. ‒
.Mein Schüler zu sein, ist keine Folge
einer Art
Auszeichnung, die ich etwa
zu „verleihen” hätte.
.Mein Schüler ist jeder Mensch der sich
in die von mir dargebrachten Lehren
ver‐
tieft, und sich
vor sich selbst ver‐
pflichtet: soweit es ihm möglich ist, sein
eigenes Leben fortan nach den Konse‐
quenzen einzurichten, die sich aus meinen
Lehren dem logisch Folgernden ergeben.
.Mit mir hat das nur insofern etwas zu
tun, als ich der sprachliche Former der
Mitteilungen eigener Erfahrung, und der
Ausleger uralter Lehren wurde, deren Wahr‐
heit ich erproben durfte.
.Es handelt sich hier freilich um Er‐
fahrungsbezirke, die keinem meiner Mit‐
menschen auf der westlichen Seite des Erd‐
balls zugänglich sind, ‒ auf der
anderen
Seite aber auch nur verschwindend Wenigen,
von denen keiner die
Aufgabe hat, Mit‐
teilungen an die Öffentlichkeit gelangen
zu lassen.
.Ich kann es einem meiner Schüler kaum
verbieten, mich seinen „Meister” zu nennen,
nachdem bekannt ist, daß man in den
Ländern des Sonnenaufgangs Menschen
meiner Art, wie überhaupt jeden geistigen
Lehrer, mit Worten bezeichnet, die diesem
Begriff am nächsten kommen, ‒ ja ich
könnte hier wirklich auf geistig begründete
„Berechtigung” verweisen, ‒ aber ich sehe
in diesen Bezeichnungen
nur dann Sinn
und Wert, wenn der sie Gebrauchende der‐
gleichen Worte mit seinem Wissen um die
damit bezeichnete
Wirklichkeit zu er‐
füllen vermag.
.Da das aber nur den Allerwenigsten
möglich wird, bitte ich immer wieder da‐
rum, die Bezeichnung „Meister” zu
unter‐
lassen, denn keinesfalls tritt man durch die
Bezeichnung oder Anrede mit der man mich
benennt, in ein Verhältnis der Schüler‐
schaft zu mir.
.Es ist keine geringe Torheit, wenn man
eine über alles Erdendasein weit hinaus‐
wirkende,
rein geistige Beziehung, von
irgend einer äußeren Anerkennungs-Be‐
zeugung abhängig glaubt!
.Eine nicht ganz richtige Auffassung
meiner geistigen Lehrtätigkeit verrät sich
auch dadurch, daß man, in der an sich
lieben Absicht, eine Freude zu bringen, es
sich nicht versagen zu dürfen meint, mir
jede Zeitungsbesprechung, deren Urheber
Gutes über meine Bücher zu sagen hat,
beglückt zuzusenden, während man mir
wahre Kondolenzbriefe schreibt, wenn irgend
ein namenloser Hinterwäldler in einem
Bierbankblättchen, dessen Liebhaber ganz
gewiß
niemals als Schüler meiner Lehren
in Betracht kommen
können, sich sein gutes
Recht auf knabenhafte Ungezogenheit nicht
nehmen läßt, das er braucht, will er seinen
Lesern etwas gelten.
.Ich betrachte im allgemeinen die Bücher‐
besprechungen gutgeleiteter Zeitschriften
und Tageszeitungen mit aller nur wünsch‐
baren Ehrerbietung, die man der Meinungs‐
äußerung eines Mitmenschen, der selbst
etwas zu sagen hat, unbedingt schuldet.
.Es ist ja auch meistens am ersten Satz
schon zu sehen, „wes Geistes Kind” der
Rezensent ist, und welchen Grad der Be‐
achtung seine Meinungsäußerung verdient,
auch wenn man
nicht schon sein Signum
oder seinen Namen kennt.
.Würde ich rein
dichterische Werke
schaffen, oder wissenschaftliche Bücher
schreiben, dann wären mir die Besprech‐
ungen meiner Bücher schon deshalb recht
wichtig, weil ich mich verpflichtet fühlen
würde, die Widerspiegelung meiner Arbeit
im Urteil urteilsreifer Mitmenschen darauf‐
hin zu untersuchen, ob und wie sie meinem
ferneren Schaffen nutzbar zu machen sei.
.Da ich aber nicht als Dichter und nicht
als Vertreter einer Wissenschaft oder einer
Religionsgemeinde vor der Öffentlichkeit
stehe, sondern nur aus Ergebnissen meiner
individuellen Erfahrungen, und aus einer
mir gewordenen Möglichkeit der Wahr‐
nehmung, die heute in Europa kein ande‐
rer Mensch besitzt, meine Lehrtexte forme,
so hat auch der wohlwollendste Rezensent
es nicht leicht mit dem, was ich schreiben
muß, und mir kann sein Urteil wenig
helfen, wenn seine Besprechung der Bücher
auch sehr viel dazu beitragen kann, daß
sie in die Hände derer kommen, die sie
nötig haben und bisher noch suchen.
.Ich glaube aber, daß gerade die vielen
ernst zu nehmenden Rezensenten, denen
meine Bücher auf solche Weise ihre Ver‐
breitung mit
zu verdanken haben, am
ehesten verstehen werden, daß mein Lehr‐
werk
erst dann beurteilt werden kann,
wenn der Urteilende bereits begonnen
hat,
nach meinen Anweisungen zu
handeln.
.Von
ganz abwegigen Einordnungen
meiner Schriften oder meiner Person lohnt
sich im übrigen nicht zu reden, wenn mir
auch abseits der Öffentlichkeit immer
noch Seltsames genug begegnet: bald in
drolligster Verkleidung, bald mit anmaß‐
licher Gebärde, ‒ in manchen der vielen
Briefe, die ich niemals beantworten
kann.
.Hier dürfte nun wohl der Ort sein,
ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß ich
auch meinen wirklich echten und erprobten
Schülern gegenüber unmöglich die Ver‐
pflichtung zu brieflichem Austausch ein‐
gehen könnte, so daß die Nichtbeantwortung
an mich gerichteter Briefe
niemals so
aufgefaßt werden darf, als wolle ich nach
dem bekannten Sprichwort: „Keine Ant‐
wort ist auch eine Antwort”, etwa meiner
Beurteilung des an mich gelangten Briefes,
oder gar seines Schreibers, Ausdruck geben.
.Ein Brief kann mich leidenschaftlich
interessieren oder zu brennendem Mitfühlen
zwingen, ‒ ich kann sehr vieles zu seinem
Inhalt zu sagen haben, ‒ und muß mir
doch die Antwort darauf verbieten, weil
sich der gegebene Umkreis meiner Korre‐
spondenz schon längst nicht mehr erweitern
läßt, ‒ ja nicht einmal aufrecht erhalten
werden kann, wenn ich meine wesentlichen
Lebensaufgaben nicht schädigen soll durch
Zersplitterung von Kräften, die nach inner‐
ster Konzentration verlangen. ‒
.Das wissen und beachten meine nächsten
Schüler aus eigener Erwägung, aber auch
fernerstehende zeigen die gleiche Einsicht,
was sich aus den zahlreichen Briefen ergibt,
die nur als herzwarmer Gruß genommen
werden wollen, so daß die Absender zu‐
meist nicht einmal ihre Adresse erwähnen.
.Ihnen allen sei an dieser Stelle mein
besonderer Dank gesagt!
.Deutlichst muß ich hingegen einer Auf‐
fassung der Pflichten des Schülers entgegen‐
treten, die sich leider da und dort, auch
bei im übrigen recht bewunderungswür‐
digen und weit vorangeschrittenen Schülern,
findet! ‒
.Ich meine hier das Bestreben,
Pro‐
selyten machen zu wollen: ‒ das Be‐
streben, für die Aufnahme der von mir
vertretenen Lehren eine Art „Missions‐
tätigkeit” zu entfalten, und sich als „Apo‐
stel” der von mir gegebenen Lehren aus‐
zuzeichnen.
.Nichts kann mir fataler sein, und nichts
steht der ruhig würdigenden, nüchternen
Aufnahme dessen, was ich zu sagen habe,
mehr im Wege, ‒ ja, nichts hat bisher
mein Wirken auch nur annähernd so sehr
gehemmt, ‒ als solcher irrende Eifer ge‐
treuer Schüler!
.Ich verstehe wahrhaftig die gute
Absicht,
und kenne auch gewiß alle Erwägungen,
die zu derart unlöblichem Übereifer ver‐
führen, aber ich kann solchem ungedul‐
digen Verkündigungswillen leider die bittere
Wahrheit nicht vorenthalten: ‒ daß er
weit mehr Menschen von einer vorurteils‐
losen Beschäftigung mit dem Inhalt meiner
Bücher
abschreckt, als er jemals zu ihr
hinzuführen vermag. ‒
.Außerdem offenbart sich in dieser Un‐
geduld stets eine kleine, wenn auch ver‐
zeihliche Überschätzung der eigenen
Kraft,
zu überzeugen, und zugleich eine arge
Unterschätzung der urgeistigen Gewalten,
von denen allein die Auswirkung meiner
Lebensaufgabe abhängig ist.
.Deutlich zeigt mir die Erfahrung, daß
unter allen Menschen, die ich heute als
meine wirklichen geistigen Schüler an‐
erkennen kann, nur ein ganz winziges
Häuflein solcher ist, die zuerst durch einen
„missionierenden” Schüler von meinen
Büchern hörten. Zu allen anderen sind
die Bücher selbst auf irgend eine Weise
„
gekommen”, ‒ mochte es auch auf selt‐
samsten Wegen geschehen, und sich zuweilen
um recht robuste Menschen handeln, denen
jede Absicht fehlte, Geistiges aufzunehmen.
.Manche meiner Schüler sehen offenbar
achtlos über den Unterschied hinweg, der
zwischen ihrer so gut gemeinten Missio‐
nierungsarbeit und der
kaufmännisch
geforderten Verlagswerbearbeit be‐
steht. ‒
.Hier aber handelt es sich um
Wesent‐
liches!
.Während bei aller persönlichen Einzel‐
werbung immer die willkürliche
Auswahl
der Umworbenen
durch den Werber im
Vordergrund steht, bringt der Verleger
seine Werbung vor die allgemeine Öffent‐
lichkeit, und überläßt es
der geistigen
Führung eines jeden Einzelnen, wem sie
die Bücher bereits zuführen will, und wem
nicht.
.Alle Verlagswerbearbeit geht von der
Überzeugung aus, daß es unzählige Men‐
schen gibt, die meine Bücher dringend
brauchen könnten, aber noch nichts von
ihnen wissen. Der Verlag richtet seine
Werbung an
jeden Leser seiner Propaganda,
und hütet sich, irgend eine Auswahl treffen
zu wollen. Die
Auswahl Derer, denen
meine Bücher durch Verlagswerbearbeit
nahekommen, bleibt
geistig gelenkter
Seelensichtung anheimgegeben, die sich
niemals irrt.
.Demgegenüber ist auch die bestgemeinte
private Einzelwerbung ‒ bis auf seltene
Sonderfälle ‒ ein recht grober Eingriff in
die seelische Rechte-Sphäre des Neben‐
menschen.
.Ein solcher unerbetener und zumeist
unzeitiger Eingriff kann dazu führen, daß
der so voreilig bearbeitete Mensch, dem
meine Bücher vielleicht noch durchaus nicht
gelegen kommen, obwohl mein eifriger
Schüler darüber anders dachte, ‒ nun eine
wahre Abneigung gegen das ihm so dring‐
lich Empfohlene faßt, zumal es ja auch
zahlreiche Leute gibt, die nur
das gelten
lassen, was sie
selber für sich gefunden
haben.
.Möglicherweise aber ‒
hätte der nun
Abgeschreckte in wenigen Tagen oder
Wochen von
sich aus meine Bücher
ent‐
deckt, die er jetzt, durch den Übereifer
meines Schülers veranlaßt, geflissentlich
von sich fern hält, ‒ bis er, vielleicht
dann erst nach
Jahren, endlich in der ihm
gemäßen Weise zu ihnen hinfindet.
.Ich kann mich leider auf
zahlreiche
Fälle berufen, in denen allzueifrige Schüler
versucht hatten, andere Menschen für meine
Schriften zu gewinnen, und nur
heftigste
Abwehr erzielten, bis endlich die auf solche
Weise Behinderten
doch zu mir hinfanden,
wonach sie mir dann Bericht von ihrem
vorherigen Ergehen gaben.
.Wer also in diesen Dingen richtig han‐
deln will, der überlasse es den geistigen
Mächten, in deren Obhut meine Bücher
stehen, wem sie zugeleitet werden sollen.
.Das heißt durchaus nicht, daß es etwa
schon vermieden werden müsse, von den
Büchern
auch nur zu reden! Ich will
nichts anderes vermieden sehen, als das
missionierende „Bearbeiten” und „Über‐
reden” Anderer!
.Da es aber zumeist
sehr bewährte
Schüler sind, die sich
gedrängt fühlen, nun
auch bei Anderen für das einzutreten, was
ihnen selbst Licht und Erleuchtung brachte,
so sehe ich diesen Hinweis ganz besonders
am Platz.
.Zugleich muß ich hier schon jeden
meiner Schüler davor warnen,
allzuviel
von sich selbst oder seinen ihm bekannten
Mitschülern
zu verlangen.
.Ich habe den Weg, auf dem der Schüler
zum substantiellen Geiste und damit in
das sichere Bewußtwerden der eigenen
Geisteszugehörigkeit gelangt, als arbeitsamer
Wegewärter, von sehr vielen Hemmnissen
freigelegt, die ehedem fast übermenschliche
Anstrengung verlangten, um überwunden
zu werden.
.Ich bin aber außerstande, auch alle
Steigungen, die nur mit
Ausdauer zu
bezwingen sind, aus dem Wege zu räumen,
denn der Weg führt seit Urzeittagen her
über gewachsenen Fels!
.Keinem meiner Schüler kann ich die
Mühe des
Steigens ersparen, ‒ keinen
kann ich auf meinen Schultern zum Gipfel
tragen!
.Es wird aber jeder steile Anstieg am
ehesten überwunden, wenn der Wanderer
nicht hetzt und drängt, sondern seine Kräfte
stets solcherart in weiser Mäßigung zu ge‐
brauchen weiß, daß er niemals eine Beute
der Übermüdung werden kann. ‒
.Ruhige
Zuversicht und wacher
Glaube
an seine eigene Kraft, bringen den Stre‐
benden viel eher seinem hohen Ziele nah,
als alle Willensverkrampfung, zu der sich
der Ungeduldige so leicht verleitet sieht!
.Was ich unter „
Geist” verstanden
wissen will, dürfte in allen meinen Büchern
klar erkennbar sein.
.Da aber im alltäglichen Sprachgebrauch,
und selbst in der Terminologie der Ge‐
lehrten, das gleiche Wort auch als Bezeich‐
nung für die Funktionen des menschlichen
Gehirns, und ihre Resultate, gebraucht
wird, so sehe ich immer wieder den oder
jenen meiner Schüler das Wort: „
Geist”,
wo es ihm in meinen Büchern begegnet,
gewohnheitsmäßig
mißdeuten.
.Das ist gewiß nicht verwunderlich, da
man ja im Alltag doch von „geistiger” Ar‐
beit, „geistiger” Ermüdung, „geistvoller”
Diktion, „geistreichen” Bemerkungen, „gei‐
stiger” Frische, wie auch von „geistiger”
Umnachtung spricht, und bald den
solcher‐
art gemeinten „Geist” auf den höchsten
Thron erhebt, bald ihm, zu Gunsten der
Seele, den
Krieg erklärt.
.Was aber da mit dem Worte „Geist”
bezeichnet wird, ist
Gehirnarbeit, ‒ ist
Äußerung angeborener und durch stete
Übung vervollkommneter
Gehirnfunk‐
tion, ‒ Zeugnis besonders
rascher Arbeit
des Gehirns, oder seiner anhaltenden
Lei‐
stungsenergie, wie andererseits das, was
man „
Geisteskrankheiten” nennt,
Ge‐
hirn-Krankheiten sind, mögen diese Er‐
krankungen durch
erkennbare physische
Ursachen, oder durch Einwirkungen
okkul‐
ter Art entstanden sein.
.Es ist nur ein Zeichen der eigenen
Geistferne, daß der aus dem bewußten Sein
des substantiellen Geistes „gefallene” Erden‐
mensch die Manifestationen seines Gehirns
als etwas „Geistiges” empfindet, so daß man
von einem „regen Geiste” spricht, wenn man
ein regsames
Gehirn meint.
.Nur dort, wo das Wort „Geist” ein
normalerweise unsichtbares, entkörpertes
Einzelwesen: eine „Erscheinung aus dem
Jenseits”, bezeichnen soll, flimmert noch
der letzte, vom Dunkel fast aufgesogene
Strahl eines Urerlebens
substantiellen
„Geistes” auf, mögen auch die Vorstellungs‐
bilder, die sich der Erdenmensch schuf, um
sich Unsichtbares faßlich zu gestalten, mit‐
unter recht phantastisch-schauerlich-groteske,
abgeschmackte Formen zeigen.
.Hingegen wird in den Bezirken europäi‐
sierter Religionen zwar sehr viel vom Geiste
gesprochen, ‒ hört man aber auf der
Worte wirklich erfühlten Ton, so gewahrt
man alsbald, daß
auch dann nur eine sub‐
tilere Art der
Gehirnfunktion als „Geist”
bezeichnet wird, wenn vom Geiste der
Ewig‐
keit, vom Geiste
Gottes, vom „
heiligen”
Geiste die Rede ist.
.Gott ist zwar Geist, und „die ihn
anbeten” sollen ihn „im Geiste” und somit
in „Wahrheit” anbeten, aber unter diesem
Geiste, der
Gott ist, wird nur eine, der
menschlichen Gehirnerfahrung analoge, ins
Gigantische gesteigerte gehirnmäßige Be‐
wußtheit verstanden, und das
Anbeten im
Geiste wird nicht viel anders, als ein An‐
beten
in Gedanken aufgefaßt.
.Vom
substantiellen ewigen Geiste,
als dessen durchleuchtende Strahlung uns
Gott allein
in uns lebendig erfahrbar
werden kann, hat man keine Ahnung.
.Kein Wunder, wenn sich Kampfstimmen
erheben gegen die Suprematie des in so
vielerlei verdächtigen Farben schillernden
„Geistes” der
Gehirne!
.Kein Wunder, wenn man der
Seele
Rechte ihm gegenüber zu verteidigen sucht!
.Impuls zu solchem Kampfe gibt die er‐
fühlte Gewißheit, daß der irdische „Geist”
der Gehirne unmöglich das höchste uns
innerlich erlebbare Gut sein kann.
.Mit „hellfühlenden” inneren Sinnen
tastet man sich der
Seele zu, in deren
Äußerungen eine Kraft erspürt wird, die
dem Gehirnwissen um sich selbst unendlich
weit überlegen ist.
.Man
muß, notgedrungen, das Wort des
Paulus verwerfen, daß der Geist alles durch‐
dringe, selbst „die Tiefen der Gottheit”,
‒ solange man bei diesem Ausspruch an
„Geist” denkt, der nichts anderes ist, als
Resultat der Gehirnzellenbewegung. ‒
.Daß hier jedoch vom substantiellen, das
Gehirn aus sich erst
schaffenden, in
keiner Weise
gehirnabhängigen, ewigen
Geiste die Rede geht, ist leider längst Ge‐
heimnis geworden...
.Immer differenzierteren Denkaufgaben
hat sich der Erdenmensch zugewandt, stets
im Banne des Irrglaubens, daß sein gehirn‐
bedingtes Denken „
Geist” sei vom Geiste
der Ewigkeit, ‒ und nur in Seltenen konnte
sich noch eine leise Ahnung erhalten, daß
Erkenntnis möglich sein müsse, die niemals
durch Gehirnarbeit erreichbar werden könne,
‒ Erkenntnis aus dem wirklichen
Erleben
des Geistes, ‒ nicht aus verstandesmäßigem
Folgern, Erschließen und Erspüren.
.Wie man aber zu dieser geahnten Er‐
kenntnis gelange, wußte kaum einer zu
sagen, obwohl es nicht an Zeugnissen fehlte,
daß solches möglich sei.
.Möglich ist es aber zu allen Zeiten nur de‐
nen geworden, die „in den Geist” gelangten:
„
in” den substantiellen, aus sich selbst
lebendigen, unzerstörbaren, unveränder‐
lichen Geist der Ewigkeit!
.Dieser „Geist” ist ebensowenig im ge‐
hirnlichen
Denken, wie mit irdisch‐
tierischen Sinnen zu fassen.
.Wir müssen „
in” ihm sein, wenn wir
in
ihm erkennen, ergründen, erforschen
wollen, und wir
können in ihn gelangen,
weil wir ‒ auch physisch ‒ von ihm
durch‐
lebt werden: ‒ weil er in
uns „lebt”,
auch wenn wir noch
nicht in
ihm zu leben
vermögen...
.Niemals aber können wir mit Hilfe
irgend einer Art
Gehirntätigkeit „in den
Geist” kommen!
.Es handelt sich ja um ein
Geschehen,
und nicht um ein Erdenken oder Vorstellen!
.Dieses Geschehen kann zwar vom Gehirn
„registriert” und dann als gesichertes Faktum
ins Denken
einbezogen, aber unmöglich
durch das Gehirn
herbeigeführt werden.
.Wie man dahin gelangt, es zu erleben,
zeige ich in meinen Büchern.
.Nur um das hier Nötige
aufzuzeigen,
habe ich sie
geschrieben! Wahrlich: mit
meinem
Herzblut geschrieben!
.Da es aber
viele Möglichkeiten gibt,
das hier gemeinte Geschehen auszulösen,
so zeige ich auch die
Besonderheiten der
einzelnen, individuell verschiedenen
For‐
men, den Weg zu durchschreiten, der zum
Ziele führt.
.Dem Aufzeigen des Weges, so, daß jeder
Einzelne, der ihn beschreiten will, mit
wenig Mühe, die seinen Befähigungen ent‐
sprechende Form, ihn zu bewältigen, finden
kann, dient jedes Wort, das ich geschrieben
habe, auch wenn ich nicht nur den Weg
abstecke, sondern zugleich manchen
Aus‐
blick schaffe, der sich von gewissen Weg‐
stationen, oder vom Endziel des nur so
Wenigen bekannten Weges her ergibt.
.Es ist ein nicht ganz unbedenklicher
Irrtum, wenn manche Leser meiner Schriften
glauben, ihre Fähigkeiten seien
unbe‐
grenzt, so daß es in des Einzelnen Belieben
stünde, in dieser
und jener, von mir ge‐
wiesenen Form, oder auch in allen
zugleich
den Weg zu beschreiten.
.Jeder Mensch bringt eine
andere Ver‐
anlagung mit auf diese Erde, jeder wird
dann, von Jugend auf, durch Menschen und
Verhältnisse, durch Erfahrungen, wie durch
eigene und fremde Vorstellungsbilder be‐
stimmt, so daß sich aus alledem auch ergibt,
nach welcher
Form er den Weg beschreiten
muß, will er „in den Geist” gelangen.
.Ich glaube deutlich genug in meinen
Büchern zu zeigen, was jeweils der
einen,
und was wieder einer
anderen Form Be‐
dingnisse sind.
.Menschen meiner Art, die, ebenso wie
ich, die verschiedenen Formen, den Weg
zu durchschreiten, kennen, aber in der
unerbittlichen, uns „grausam” erscheinen‐
den Zucht östlicher Weisheitslehrer auf‐
gewachsen sind, empfinden den Inhalt meiner
Schriften als „allzu leicht verstehbar”, da
sie der Ansicht sind, der Weg, in den
Geist zu kommen, könne gar nicht genug
mit Hindernissen verbaut werden, weil nur
der des Zieles würdig sei, der sich auch
durch das furchtbarste Hindernis nicht ab‐
schrecken lasse.
.Ebenso dachten die echten Eingeweihten
antiker „Mysterien” in China, Indien,
Babylonien, Persien, Aegypten, Griechen‐
land und Rom, soweit es sich noch um
ein wirkliches Wissen der gleichen Gescheh‐
nismöglichkeiten handelte, von denen in
meinen Büchern gesprochen wird.
.Man darf mir aber, trotz alledem, nicht
zutrauen, daß ich so „deutlich” wurde, wie
ich es in meinen Texten bin, ohne ver‐
antwortungsgültige Gründe dafür zu haben!
.Wohl lag hier die Entscheidung nur
bei mir, aber ich wußte zugleich, weshalb
sie gerade mir anheimgestellt blieb.
.Ich bin weder ein Mensch der Antike,
noch ein Asiate, obwohl ich, zeitlich wie
räumlich,
beide Lebenskreise
geistsub‐
stantiell in den meinen
einbezogen finde,
‒ aber als Europäer des nach der christ‐
lichen Zeitrechnung zwanzigsten Jahrhun‐
derts, weiß ich leider um die
Ungeduld,
als Charakteristikum der Menschheit meiner
Zeit, und weiß damit auch, daß nur recht
Wenige der gleichzeitig Lebenden Hoffnung
hegen dürften, aus meinem Lehrwerk Nutzen
zu ziehen, wollte ich in meinen Lehrworten
eine geheimnisverbündete Sprache sprechen,
und möglichst verbarrikadieren, was ich
allen zugänglich machen möchte.
.Wohl aber handelt es sich in all meinem
Schriftwerk um Dinge, die sich gewiß nicht
willig
der Sprache ergeben.
.Was ich zu sagen habe, mag sich nicht
gerne
in Worte einfangen lassen.
.Auch habe ich es nicht etwa mit einer
genügend
vorbereiteten Leserschaft zu
tun, denn bei aller Vulgarisierung jeglichen
Wissens um vergangene oder westferne
Kulturkreise, weiß man doch selbst unter
den hier in Betracht kommenden Gelehrten
nicht um die Merkmale, die innerhalb solcher
Wissensgebiete Aberglaube von echter
Wirk‐
lichkeitserkenntnis abscheiden könnten.
.Um diese Merkmale können nur Men‐
schen wissen, die bereits „in den Geist”
gefunden haben und somit „aus dem
Geiste” zu erkennen vermögen.
.Aber für solche Menschen schreibe ich
nicht, und sie können meine Mitteilungen
leicht entbehren.
.Wer jedoch mein Schüler sein will,
weil es ihm darum geht, in seiner ihm
wesenseigenen Weise den Weg „in den
Geist” zu finden, der wird gut tun, wenn
er die verschiedenen Formen,
wie dieser
Weg zu erwandern ist, nicht willkürlich
untereinander vermengt, sondern sich
aussucht, was ihn besonders anspricht, wo‐
nach er dann unbesorgt die anderen von
mir aufgezeigten Möglichkeiten auf sich
beruhen lassen kann.
.Ich gebe nicht Kunde vom substantiellen
Geiste, um eine harte Lehre aufzustellen,
der nur die Härtesten zu folgen vermöchten.
.Ich zeige aus dem Geiste der die
Liebe
ist, die Weise der Liebe und allewig un‐
erschöpfbaren Barmherzigkeit: ‒ den Weg
des sich selbst verströmenden Erbarmens.
.Ich weise nicht nur den Weg, sondern
gebe auch seine Merkmale an, soweit der
Suchende sie kennen muß.
.Jeder kann die ihm am
leichtesten
faßbare Wegmarke sich merken, und soll
sich dann nicht beirren lassen durch die
Zeichen, denen
andere Sucher besser zu
folgen vermögen.
.Was ich in meinen Schriften mit dem
Worte „Geist” bezeichne, läßt sich irdisch
Bekanntem nicht vergleichen.
.Es ist die
wesensgemäßeste Darstel‐
lungsform für das
Ur-
Sein aus dem alles
Dasein ausgeht, ‒ von dem alles Dasein
„
Leben” empfängt, solange es bestehen
bleibt in seiner jeweiligen Eigenform.
.Wenn ich sage: es ist wie freie, unfaß‐
bar hochgespannte Elektrizität, die jeden
in ihr Kraftfeld gebrachten Körper
durch‐
dringt, und je nach seiner Eignung sich
in ihm manifestiert, ‒ so ist das gewiß
kein Vergleich, wohl aber doch ein brauch‐
bares Bild, das Irrtum verhüten helfen
kann.
.Wir tragen ein Erlebnisvermögen für
dieses Ur-Seiende in uns, aber ohne unser
bewußtes Mitwirken vermag auch keine
„Gnade” das hier gemeinte Vermögen so
zu entfalten, daß es uns die ihm zugäng‐
liche Welt des wesenhaften substantiellen
Geistes zu offenbaren imstande ist.
.Diese Welt des urewigen Geistes, die
wieder unzählige Einzelwelten in sich faßt,
ist kein unwandelbar Starres, kein unge‐
ordnetes Chaos, sondern ein stets Beweg‐
tes: ‒ ein Kosmos klarster, in steter Ver‐
wandlung begriffener, dennoch im Sein mit
sich selbst identischer Formen.
.Wer im Geiste die Welt des Geistes
erleben lernen will, der muß zuvor in sich
selbst die Hemmungen beseitigen, die ihm
aus der Vorstellung erwachsen sind, als
sei das dem irdischen Auge unerfaßbare
Geistige in keiner Weise sinnengemäß, viel‐
mehr ein flüchtiges, in sich ungegliedertes
Wehen und Wogen ohne bestimmte For‐
menerzeugung.
.Er wird sich klar darüber werden müssen,
daß seine eigene letzte
Lebensursache
der Geist ist, ‒ daß auch in irdischer Ver‐
körperung der Organismus des
geistigen
„Leibes” zur Tätigkeit kommen kann, und
daß dann rein
geistige „Sinne” an Stelle
der Körpersinne sich entfalten.
.Allerdings wird sich der Suchende auch
sagen müssen, daß im Geiste nur erlebt
werden kann nach
geistiger Anschauungs‐
weise, genau so, wie die uns hier auf Er‐
den umgebende und leibvertraute physische
Welt nur infolge
physisch-sinnlicher
Anschauungsart erlebbar ist.
.Und wie in der physischen Welt das
Welterlebnis durch die
physischen Sinne
bedingt ist, so kann auch im Geiste
nur
das erlebt werden, was der jeweilige Ent‐
faltungszustand der
geistigen Sinne des
Einzelnen erlebensmöglich werden läßt.
.So, wie nun in unserer physischen Er‐
denwelt die irdischen Sinne ganz verschie‐
dene Entwicklungsmöglichkeiten aufweisen,
wodurch denn das Welterlebnis eines je‐
den Menschen
anders bestimmt wird, je
nachdem der eine oder der andere Sinn
die Führung übernimmt, so ist auch das
Geisterlebnis von der in jedem Menschen‐
geist anders geordneten Entfaltungsfähigkeit
der
geistigen Sinne abhängig.
.Soll die Reihe der Analogien, die ich
hier aufzeige, aber vollständig sein, so muß
ich den Schüler noch auf eine sehr wesent‐
liche Gleichheit aufmerksam machen, die
zwar alles Vorgenannte
voraussetzt, aber
für die Beurteilung geistigen Erlebens
keineswegs etwa erst an letzter Stelle steht.
.Ich meine hier die Tatsache, daß wir
das Geistige ebenso wie das Physischsinn‐
liche sowohl
kalt-
sachlich erkennend,
wie auch mit der ganzen Wärme
seelischen
Einklangs erleben können.
.Beim
erdensinnlichen, wie beim
geistsinnlichen Erleben handelt es sich
immer nur um das Erleben von verschie‐
denen
Aspekten der gleichen
Urkraft,
die ich in einem meiner Bücher daher gerade‐
zu als „
das einzig Wirkliche” bezeich‐
net habe.
.In dieses „
Einzigwirkliche” vermag
in aller Ewigkeit kein anderes, als sein
eigenes „Bewußtsein” einzudringen, so
daß es selbst den höchsten, irdisch schon
unvorstellbaren Stufen ewigen Geistesmen‐
schentums wie nicht vorhanden wäre, be‐
wirkte sein Dasein nicht die Influenz-Er‐
scheinung der
Seelenkräfte, die sich so‐
wohl im physisch-sinnlichen wie im
geistsinnlichen Leben in uns auszuwirken
trachten, wenn wir dieses Wirken nicht
selbst unterbinden.
.Darum ist es so überaus bedeutsam,
welche Seelenkräfte wir in unserem innersten
Wollen zu
einen, ‒
mit diesem Wollen
zu
identifizieren wissen. ‒
.Nicht nur für unser erdenzeitliches, son‐
dern in noch weit höherem Maße auch für
unser
geistig-
ewiges Erleben!
.Darum ist es Denen, die in den Geist
gelangen wollen, höchste und strengste
Pflicht, ihre Seelenkräfte vor „Schaden”
zu wahren, damit nicht höchstes Streben
mit dem „
Tode” der Seele ende, denn
jenes kalt-sachliche Erkennen, dem die
Inbrunst der Seele fehlt, ist
Selbstver‐
dammnis die sich nicht eher endigen läßt,
als bis sich das Individualbewußtsein im
Laufe von Aeonen darin verbrauchte...
.Darum sind die ungestümen Streiter für
die
Seele, denen es darum geht, daß der
„Geist” der
Gehirne nicht die Seele töte,
zwar in Unkenntnis des
ewigen substan‐
tiellen Geistes, aber innerhalb ihrer Er‐
lebnisweite keineswegs im Irrtum. ‒
.Das Erleben des ewigen, substantiellen
Geistes ist an sich gänzlich unabhängig
vom „Geist” der Gehirne: ‒ vom Denken
und gedanklichen Erschließenkönnen.
.Nur zur
Widerspiegelung und
Mit‐
teilung des geistig Erlebten bedürfen wir
hier, im physisch-sinnlichen Zustand, der
Arbeit des Gehirns.
.Hingegen sind die
Seelenkräfte, die ‒
wenn ich ohne Gefahr, irriges Verstehen
zu begünstigen, so sagen darf ‒ in unserem
geistgeformten „Ich”
an Stelle des phy‐
sischen Gehirns treten, erst dieses Erlebens
ewige Rechtfertigung.
.Nach allen diesen Erörterungen, die
dazu dienen sollen, meinen Schülern
die Lebensgestaltung nach den Anweisungen
meiner Bücher zu
erleichtern, muß ich
aber doch wieder darauf hinweisen, daß es
mir selbst am meisten bewußt ist, wie alle
menschliche Sprache nur ein recht unzu‐
längliches Mittel bildet, um geistige Wirk‐
lichkeit zur Darstellung zu bringen.
.Ich muß also darum bitten, daß sich
mein Schüler nicht das billige Vergnügen
mache, an meinen Worten seinen unzweifel‐
haft vorhandenen Scharfsinn zu üben, indem
er aufzuspüren sucht, ob man ihnen nicht
auch vielleicht
anderen Sinn geben könne,
als den von mir gemeinten, den ich immer‐
hin deutlich genug bestimmt zu haben glaube.
.Es ist nun einmal nicht anders möglich,
von einem Erleben, das man
erfahren haben
muß, um es zu kennen, anders zu sprechen,
als in Umschreibungen, Bildern und Gleich‐
nissen.
.Ich muß den aufrichtigen
Willen zum
Verstehen bei meinen Schülern voraussetzen!
.Andererseits kann ich kaum scharf genug
davor warnen, meinen Büchern gegenüber
einen starren
Wortkultus zu treiben.
.Mein Schüler soll aus meinen Worten
den gemeinten
Sinn erfühlen lernen und
diesem Sinne gemäß
handeln.
.Ich will wahrlich keine neue Orthodoxie
ins Leben rufen!
.Jeder mag ruhig meine Worte in seine,
ihm persönlich näherliegende Sprache über‐
setzen, wenn ihm das zur Erleichterung
des Verständnisses hilft.
.Je weiter aber dann der Suchende auf
seinem Wege voranschreitet, desto weniger
wesentlich wird ihm alle Gleichniswahl,
oder die gegebene Unzulänglichkeit der auf
irdisch-äußere Verhältnisse eingestellten
Worte der Sprache sein, denn was er be‐
reits aus eigener Erfahrung bestätigt fand,
wird ihm für alles Kommende als auf‐
schlußgewisser Schlüssel dienen.
.Die meisten Menschen des abendländ‐
ischen Kulturkreises ‒ einerlei welcher
Religionsgemeinschaft sie zugehören ‒
wissen nichts von der Möglichkeit, hier
schon, während des irdischen Lebens, den
substantiellen geistigen Organismus, der uns
nach der Beendung erdenkörperlichen Da‐
seins allein noch Bewußtseinsträger ist, zur
Erlebnisfähigkeit zu entfalten.
.Andere haben wohl von solcher Ent‐
faltungsmöglichkeit gehört, ‒ wenn auch
von fragwürdigster Seite her, ‒ und ver‐
mögen es nicht, daran zu glauben.
.Noch andere endlich ahnen, daß die
auf eigenes Erleben gegründete Kenntnis
der
nicht mit erdenkörperlichen Organen
erfahrbaren Welt: ‒ der Welt des ewigen
Geistes ‒
möglich ist, und suchen ver‐
geblich nach einer „Methode” um zu sol‐
cher Kenntnis zu gelangen.
.Weit verbreitet ist unter diesen Suchen‐
den der Glaube, als handle es sich bei dem
Ziel ihres Suchens um eine „Vergeistigung”,
‒ und da sie nichts anderes an sich kennen,
als ihre erdenkörperlich bedingte Art des
Daseins, so glauben sie ihrem Ziele am
ehesten sich zu nähern durch eine ver‐
meintliche Vergeistigung des Erdenleibes.
.Dieser arme Erdenleib aber ist zwar nur
im Leben durch den Geist, kann aber
niemals Geist
werden.
.Da man nun sehen muß, daß er sich
gegen die ihm ungemäße Zumutung auf
seine Weise wehrt, so strebt man danach,
ihn zu „
überwinden” und hält es für
seine Besiegung, wenn man des geistbelebten
Körpers beste Kräfte endlich „
abgetötet”
zu haben meint.
.Die in solcher „Abtötung” besonders Ge‐
waltsamen gelten nun als die am meisten
„Vergeistigten”, und sie selbst werden in
diesem Wahn vor sich bestärkt durch die
Halluzinationen und sonstigen vermeint‐
lichen „Begnadungen”, die in Wahrheit
nichts anderes sind, als Folgen der dem
Körper ungemäßen, feineren oder gröberen
Folterung.
.Die Geschichte aller Religionssysteme ist
reichlich bedacht mit Beispielen solcher
Sinnverkehrung, und leider auch mit Zeug‐
nissen ihrer Verherrlichung.
.So sehr der Mensch aber auch bewun‐
dern mag, daß einer seinesgleichen den
Mut zur Selbsttortur zu finden wußte, so
wenig
ist solches Unmenschentum bewun‐
derungswürdig.
.Wir Menschen hier auf Erden sind weder
dazu im Leben, um
nur das, was des
Tieres
an uns ist, zu pflegen, und uns durch die
Lustsucht, oder die Bequemlichkeitsliebe
des tiergleichen Körpers bestimmen zu
lassen, noch haben wir die Aufgabe, die
Tiernatur in uns zu
quälen.
.Wohl aber handeln wir richtig, wenn
wir den erdenhaften Körper dazu erziehen,
Ausdruck des uns belebenden substan‐
tiellen Geistes zu werden.
.Dazu ist aber alles andere eher tauglich,
als Selbstquälerei und Körpertortur!
.Ich rede hier nicht etwa wie einer, der
seinem Körper nichts zu versagen vermag.
.Vor Zeiten einst selbst der Meinung ver‐
bunden, „Fasten und Kasteien” sei „gott‐
wohlgefälliges” Tun, hielt ich viele Jahre
lang nicht nur die vorösterliche vier‐
zigtägige Fastenzeit weit strenger als ein
Büßermönch, sondern wußte es auch zu
anderen Zeiten durchzuführen, mich tagelang
jeder Nahrung, außer Quellwasser, zu ent‐
halten.
.Es mag in solchen Künsten Geübtere
geben, und ich lasse ihnen gewiß gerne
jeden Vorrang, denn mit meinem Erwachen
im Erleben des substantiellen, ewigen Gei‐
stes, ist mir jeglicher Ehrgeiz auf dem Ge‐
biet der Askese abhanden gekommen.
.Ich weiß seitdem, daß alle Motive as‐
ketischen Lebens auf folgenschweren Irr‐
tümern beruhen, ‒ ja, daß es nur
eine
einzige Berechtigung zur Askese gibt: ‒
ihre Forderung durch die Therapeutik, zum
Heile des Erdenkörpers selbst. ‒
.Dahin gehört auch die persönliche Nei‐
gung Einzelner zu frugaler oder gar spar‐
tanisch-strenger Lebenshaltung, solange diese
nur durchgeführt wird um ‒ vermeintlich
oder tatsächlich ‒ die Gesundheit und
das Gedeihen des irdischen Körpers zu
fördern.
.Sobald jedoch das Motiv solcher Lebens‐
haltung aus der Meinung erwächst, asketisches
Leben könne dem ewigen
Geiste näher‐
bringen, ist sie verwerflich.
.Was die Athleten der Askese für „Er‐
lebnisse im Geistigen” halten, ist, ohne jeg‐
liche Ausnahme, recht bedenklicher Natur!
.Entweder handelt es sich dabei um Re‐
aktionen des geschwächten Körpers auf das
Gehirn, oder aber: der mißhandelte Kör‐
per ist schon zur Beute lemurischer Ge‐
walten der unsichtbaren
physischen Welt
geworden, die ihr armes Opfer gutwillig
nicht mehr loslassen, es aber mit allem
zu „unterhalten” suchen, was sich ihnen
geeignet erweist, seine Kritikfähigkeit nicht
aus ihrem Schlaf zu erwecken...
.Was der Getäuschte dann für ein Er‐
leben des
Geistigen hält, ist Nervener‐
regung, und gespenstiger Spuk recht wenig
erfreulicher, ihrer Natur nach dem körper‐
lichen Auge unsichtbarer Halbtierwesen,
die zur physischen Welt gehören, auch wenn
sie durch kein Ultramikroskop jemals „nach‐
gewiesen” werden können.
.Über ihre Lebensauswirkung, ihre na‐
turhaft geforderte Betätigung, wie über
deren perverses Ausarten, durch Anreize
von seiten des Erdenmenschen her, habe
ich in verschiedenem Zusammenhang die
deutlichsten Aufklärungen in meinen
Büchern gegeben.
.Wer etwa glauben sollte, es erübrige
sich, solche Dinge ernsthaft zu erörtern,
der ahnt nicht, wie
viele seiner Mitmen‐
schen in den Fußangeln der unsichtbaren
physischen Wesen
hängen, von denen
hier die Rede ist. ‒
.Aber nicht nur vor der asketischen
Selbstpeinigung des Erdenleibes und den
aus ihr erwachsenden psychischen Gefahren
habe ich zu warnen, sondern auch vor
einer anderen Art Selbstquälerei zu der viele
Suchende neigen.
.Es sind durchaus nicht die Schwächlich‐
sten der zum Lichte Strebenden, die am
meisten in Gefahr sind, ihre Kräfte zu über‐
schätzen!
.Aus solcher Überschätzung heraus mei‐
nen sie ihren Weg
in wilden Sprüngen
zurücklegen zu dürfen, und bilden sich allen
Ernstes ein, in wenigen Monaten schon das
Ziel erreichen zu können, zu dessen Er‐
langung Andere viele Jahre, ‒ öfters gar
ein ganzes Menschenleben, ‒ brauchten.
.Die tobende Ungeduld des Gehirnbe‐
wußtseins, ehestens erfahren zu wollen, wie
das Erleben des substantiellen ewigen Geistes
empfunden werde, erzeugt dann eine
Unrast, die nur dem psychischen wie dem
physischen Leben schwere
Schädigung
bringen kann, aber
niemals zu
dem führt,
was man, verquält und fast verzweifelnd,
erstrebt. ‒
.Bei dieser Art von Suchenden besteht
die unnötige Selbstquälerei in einem un‐
ausgesetzten Zermartern des Gehirns, das
doch gerade zur
Ruhe gelangen muß, und
zu bewußtem geduldigen Zuwarten-
Wol‐
len, wenn der Weg, der „in den Geist”
führt, wirklich beschritten werden soll. ‒
.Ungeduld und ungezügelte Sehnsucht
leiten nicht nur vom Wege
ab, der zum
Ziel führt, sondern fördern auch die gleiche
Gefahr, getäuscht zu werden, wie sie für
den Asketen besteht. ‒
.Zwar wurde einmal das Wort geprägt,
vom „Reich Gottes”, das nur jene an sich
zu ziehen vermöchten, die „
Gewalt” ge‐
brauchten, ‒ aber was hier als „Gewalt”
bezeichnet ist, läßt sich nur dann richtig
erkennen, wenn man die Worte des mit
dem Engel ringenden Jakob zum Vergleich
heranzieht: „Ich lasse dich nicht, bevor du
mich gesegnet hast!”
.Es ist keine „Gewalt” im Sinne des
Überwältigenkönnens gemeint, sondern ein
zähes Festhalten, bei allem Wissen um die
eigene Ungewalt, Schwäche und Kleinheit.
.Fühlt sich ein Suchender aber diesem
Wort so verhaftet, daß er nicht davon los‐
zukommen vermag, dann ist ihm zu raten,
die „Gewalt”, die er nicht entbehren zu
können meint, auf die dauernde Nieder‐
haltung aller in seinem rastlos grübelnden
Gehirn erzeugten
Hemmnisse zu lenken,
die ihm das Erreichen seines Zieles er‐
schweren wollen.
.Wer, als mein Schüler, den Weg zu
seinem Ziel, den ich ihm zeige, auf die
seiner Art entsprechende Weise einmal be‐
schritten hat, für den darf es kein
Hasten,
Drängen und
Jagen nach dem Ziele geben!
.Mit sicherer Zuversicht muß er einen
Schritt an den andern reihen, ausdauernd
und mit Bedacht, immer auf seine ihm
eigene Weise, wie er sie in meinen Worten
beschrieben fand und sonach wählte, ‒
denn dieser „Weg” wird beim endlichen
Erreichen des Zieles nicht „aufgegeben”,
wie etwas, das man nun nicht mehr braucht,
sondern wird ewiger geistiger
Besitz des
zum Ziele Gelangten.
.Der
bedarf dieses, nun für
ihn ‒ weil
durch ihn ‒ „geöffneten” Weges, soll sein
erlangtes ewiges Geistesbewußtsein mit dem
vereinigt bleiben, was ihm die Identität
verbürgt in seinem geistigen und irdischen
Erleben...
.Das „Durchschreiten” des Weges, der
in den Geist gelangen läßt, ist ein „Schrei‐
ten” in der äußeren
Zeit, aber im
eigenen
inneren, geistigen
Raum!
.So ist auch das Ziel zwar in der äußeren
Zeit, jedoch nur im inneren, geistigen
Raum zu finden. ‒
.Darum nutzt es nichts,
nach außenhin
zu suchen, und es ist verkehrt, zu glauben,
daß sich das Ziel an einem Orte leichter
erlangen lasse, als an einem anderen.
.Das Gleichnis des „
Weges” ist aber für
das Vorwärtsgelangen im eigenen Innern,
und während des ununterbrochenen Ab‐
laufs der äußeren Zeit, durchaus nicht will‐
kürlich gewählt.
.Nicht „zufällig” gebrauchten, seit den
ältesten Zeiten, alle „aus dem Geiste” Leh‐
renden immer wieder den Hinweis auf die
hier bestehende Analogie.
.Obwohl der Suchende sein Ziel nur im
eigenen inneren, geistigen Raum finden
wird, kann er doch im gleichen inneren
Raum noch unendlich
fern von seinem
Ziele sein. ‒
.Er muß
die äußere Zeit „
erwandern”,
die ihn Tag um Tag näher an den Tag
der Erlangung bringt.
.Es sind erfühlbare Zustände des Empfin‐
dungsvermögens, die sich da aneinander
reihen.
.Jeder folgende ist durch den zu Bewußt‐
sein gelangten vorhergehenden bedingt, und
keiner kann etwa „übersprungen” oder er‐
lassen werden!
.So ist es denn auch unnötige Selbst‐
quälerei, wenn der Suchende sich sorgt,
weil er nur langsam vorwärts kommt, oder
weil ihm deutlich bewußt ist, daß er erst
noch am Beginn steht, während er den
Tag der Erlangung lieber heute als morgen
erleben würde.
.Es ist nur
fördernd, zu wissen,
wo
man wirklich steht, während der allzu hoch‐
gemute Glaube, man habe wohl schon den
größten Teil des Weges durchmessen, zu
arger Enttäuschung umschlagen kann...
.Manche, die schon der Meinung sind,
meine Schüler zu sein, weil sie alles „kennen”
was ich geschrieben habe, verschärfen sich
ihre unnötige Selbstquälerei auch noch, in‐
dem sie danach trachten, ihr ureigenes
Tempo zu beschleunigen, durch oft sehr
fragwürdige Befeuerung aus allerlei philo‐
sophischer, oder okkultistischer Literatur,
die mit
dem, was
ich lehrend in Worte
forme, weder in der Strebensweise, noch
in Bezug auf das zu erreichende Ziel, nur
das allermindeste zu tun hat, mögen auch
die dort gebrauchten
Worte zugleich zu
meinem Sprachgut gehören.
.Ich könnte lächelnd, wie man törichtes
Tun urteilsunreifer Kinder betrachtet, vor‐
übergehen an diesen Versuchen: selbst
„nachzuhelfen”, indem man von ander‐
wärts her zuzufügen sucht, was ich ver‐
meintlich vorenthielt, ‒ wenn ich nicht
immer wieder gewahren müßte, wie sich
die so Beflissenen ihren Weg verbauen...
.Daher muß ich denn wohl oder übel,
im allereigensten Interesse der Suchenden,
deutlichst jede Verantwortung ablehnen für
das, was aus solchem „überklugen” Zu‐
sammenkleistern des niemals Vereinbaren
resultiert, und naturnotwendig zu gröbster
Selbsttäuschung der Eigenmächtigen führt!
.Wer dennoch glaubt, auf eigene Faust
besser voranzukommen, als wenn er meinen,
im Wissen um meine ewige Verantwortung
gegebenen Anleitungen ‒ und diesen,
so
wie sie gegeben sind ‒ folgt, dem ist
nur zu raten, meine Bücher ungelesen zu
lassen, damit er sich wenigstens nicht ihres
Mißbrauchs schuldig mache.
.Es könnte aber mancher, der sich als
mein Schüler fühlt, obwohl er das Meine
mit allerlei unverantwortlichem Gedanken‐
wust in einem Atem nennt, vielleicht doch
eine Lehre daraus ziehen, daß unter den
von mir anerkannten Schülern, die ich heute
am weitesten vorangekommen sehe, kein
einziger ist, der sich nicht in strenger Selbst‐
disziplin darauf konzentriert hätte, den von
mir gegebenen Anweisungen ‒ und
nur
ihnen allein ‒ bei der Gestaltung seines
Strebens Gehör zu schenken.
.Das ist gewiß nicht verwunderlich, da
die Lehren, denen ich Wortgewandung schuf,
so wie ich sie gegeben habe, erprobt sind
seit Jahrtausenden.
.Aller Folgerichtigkeit im Geistigen zu‐
widerlaufend aber ist es, zu glauben, man
erlange
noch mehr, als durch die in meinen
Büchern enthaltenen Anleitungen zu er‐
langen ist, wenn man zugleich auch jedwedes
menschliche Meinen und Wähnen sich zur
Richtschnur dienen lasse...
.Jede menschliche Mitteilung, die aus
nicht allgemein zugänglichen Bezirken
stammt, hat mit Schwierigkeiten der Über‐
tragung sowohl, wie auch im Aufnahme‐
vermögen der Angesprochenen, zu rechnen.
.Verstärkt werden diese Schwierigkeiten,
wenn es sich um Berichte über Erfahrungen
handelt, die
anders sind als das, was all‐
gemein zu erfahren ist, so daß direkter
Vergleich fast ausgeschlossen bleibt, und
die Verständigung nur möglich wird durch
Umschreibung, bildhafte Rede und Gleichnis.
.Es kann nicht dem leisesten Zweifel
unterliegen, daß bei dem, was ich zu sagen
komme, alle diese Schwierigkeiten vorliegen.
.Würde mein Lehrwerk nur asiatischen
Völkern gelten, denen viele der Begriffe,
die ich voraussetzen dürfen sollte, seit
Jahrtausenden
lebendig sind, wenn sie
nicht gar zum Urerbe der Rasse gehören,
dann wäre mir Pflicht und Aufgabe weit‐
aus leichter gemacht, aber keineswegs wären
alle Schwierigkeiten etwa behoben.
.Sie würden nur
wechseln, indem sich
die irrigen Auffassungen meiner Worte,
vermeintliche Bestätigung aus
anderen re‐
ligiösen und philosophischen Vorstellungs‐
welten zu holen berechtigt sehen möchten.
.Die Männer, von denen ich, als von meinen
geistigen „Brüdern” zu sprechen habe, und
die alle in
Asien leben, wenn auch nicht
alle asiatische
Arier sind, wissen das ganz
genau, und halten es darum für ein
Opfer,
das nicht die entsprechenden Früchte
bringen würde: auch nur
versuchsweise
mit gleicher Lehre vor ihre Völker zu treten.
.Sie sind sogar des Glaubens, daß weit
eher die durch mich bewirkte Verkündigung
von Europa her ihr Heimatland erreichen
und dort in beträchtlichem Umkreis die
dafür reifen Seelen ergreifen könne, als
daß es einem Asiaten möglich wäre, alle
die durch religiöse Vorstellungen bedingten
Irrtümer und grotesken
Deutungen des
wunderlüsternen
Aberglaubens fernzu‐
halten, die seiner Selbstoffenbarung auf
dem Fuße folgen würden, wollte er das
Gleiche sagen, was ich in meinen Büchern
vorzubringen habe.
.Finden sich also die Verhältnisse selbst
dort derart gelagert, wo seit Jahrtausenden
unzählige Menschen, die allerdings über
kontinentgroße Länder hin
verstreut sind,
durch Erbmitteilung und selbsterlangte
Schülerschaft von den Dingen
wissen, die
ich in meinen Büchern dem europäischen
Kulturkreis verstehbar darzustellen suche, ‒
um wieviel sicherer darf dann die durch
mich verbreitete Lehre damit rechnen, auf
der
westlichen Erdhälfte erheblichen, wenn
auch
andersartigen Schwierigkeiten in
den Gehirnen zu begegnen.
.Ich betrachte diese Schwierigkeiten aber
keineswegs als „unüberwindbar”, wenn ich
auch bekennen muß, daß es mich ebenso
wenig von meinem Lehrauftrag befreien
könnte, sähe ich mein Lehrwerk mit pessi‐
mistischen Bedenken an, und zweifelte an
seiner Durchführbarkeit.
.Auch
ich würde vermutlich, ‒ wenn
ich nicht der
wäre, der ich nun einmal
ohne mein irdisches Zutun
bin, ‒ gewiß
große Schwierigkeiten in mir gewahren,
sähe ich mich unvorbereitet, und an alt‐
überkommene
Apriori-
Annahmen reli‐
giöser und philosophischer Art gefesselt,
dem Lehrwerk gegenüber, das heute meinen
Namen trägt.
.Es darf keiner glauben, ich könne viel‐
leicht selbst nicht nachfühlen, wie schwer
es einem Menschen der westlichen Welt in
diesen Tagen werde, ‒ angefüllt bis oben‐
hin mit einem vermeintlich todsicheren
Wissen um die Ursachen allen Geschehens,
‒ nun alles das auch nur von Anfang an
„ernst zu nehmen”, was ich ihm zu sagen
habe!
.Ich bin ja doch selbst ein Mensch dieser
Übergangszeit, kenne ihre Bildungsbezirke,
die Formen ihres wissenschaftlichen Denkens,
ihre wirklichen Verdienste und ihre allzu‐
sicheren Ambitionen, wozu aber ‒ ich kann
es nicht leugnen ‒ noch die Tatsache
kommt, daß ich infolge der in mir wir‐
kenden substantiellen
geistigen Organe,
auch Zusammenhänge und Gegebenheiten
zu durchschauen vermag, die
nicht gerade
jeder durchblickt, auch wenn er noch so
sicher zu sein meint, daß vor seinem Scharf‐
sinn sich nichts zu verbergen vermöge.
.Ich weiß also nur zu gut, was europäisch,
oder auch amerikanisch gezüchtetes Denken
an
Schwierigkeiten zu überwinden hat,
wenn es wirklich das erfassen will, was in
den Lehrtexten meiner Bücher dargeboten
wird: ‒
dargeboten in meinen Worten,
aber wahrlich nicht erst von mir
erdacht,
sondern vorgefunden im ewigen Geiste, wo
es seit Beginn der Menschenverbreitung
auf diesem Planeten allen zugänglich war,
die sich zu meiner Art rechnen durften.
.Daß das zu jeder Zeit nur
sehr wenige
Menschen waren, ist geistig geforderter
Notwendigkeit Folge.
.Aber die Schädeldecken der mensch‐
lichen Häupter bilden durchaus keinen her‐
metischen Abschluß der Gehirne gegen ge‐
hirnlich wahrnehmbare Außenschwingungen,
‒ und die Kräfte aus denen sich organisch
die Seele formt, lassen sich nie und nimmer
so vollkommen isolieren, daß sie dem All‐
bewußten, Allfühlenden, Allerlebenden im
unermeßlichen Meere der
bindungsfreien
Seelenkräfte unzugänglich würden.
.So kommt es denn dazu, daß jedem
Menschen viel mehr
bekannt ist, als er
weiß, auch wenn dieses hier gemeinte „Be‐
kannte” erst einen Anruf braucht, um be‐
wußt zu werden, ‒ sei dieser „Anruf” ein
Wort, ein sichtbares Ding, oder ein inneres
Erleben.
.Und auf diese Weise ist einer unver‐
krüppelten Seele denn auch von dem, was
ich ihr nahezubringen habe, bereits weit
mehr „bekannt”, als der nur gehirnerleuch‐
tete Mensch beim Schein seiner immerfort
unruhig flackernden Lichtquelle sich träumen
läßt...
.Um aber vielleicht naheliegende
Irr‐
tümer zu vermeiden, muß ich betonen,
daß sich die Begriffe des „
Unbewußten”,
unter der „Schwelle des Bewußtseins” Ge‐
lagerten, oder auch des „
Kollektivbe‐
wußten”, wie sie heutigentages durch die
Popularisierung der Psychoanalyse und ihrer
Seitenzweige weithin zu begrifflichem Klein‐
geld geworden sind, in keiner Weise mit
dem hier von mir Gemeinten decken.
.Es handelt sich hier auch durchaus nicht
um etwas, dem Gehirnbewußtsein einst‐
mals Zugängliches, das ihm
abhanden ge‐
kommen wäre, sondern um der ewigen
Seele Bekanntes, das aber
noch nicht
vom Gehirnbewußtsein erfaßt werden konnte.
.Am wenigsten wird man in Gefahr ge‐
raten, sich irrtümlichen Vorstellungen hin‐
zugeben, wenn man ruhig meine Weise,
etwas Erlebtes zu erklären,
für sich be‐
stehen läßt, und ganz davon absieht, das
von mir Vorgebrachte, einer, den Begriffs‐
inhalt immerfort wechselnden, wissenschaft‐
lichen Terminologie anzupassen.
.Ich vermöchte gewiß, mich einer solchen
Terminologie anzubequemen, befinde mich
aber wohler dabei, wenn ich mir die Frei‐
heit lasse, die Worte, als Mittel zur Ver‐
ständigung, jeweils nur nach ihrer
von mir
erfühlten Brauchbarkeit zu wählen, und
sie den Meinigen einzuordnen, unbeküm‐
mert um ihren konventionellen Wert.
.Es ist schon manche Schwierigkeit aus
dem Wege geräumt, wenn man sich klar
macht, daß ich in
allererster Linie mit
dem von mir charakterisierten, noch nicht
dem Gehirn Faßbaren, aber der Seele be‐
reits „Bekannten”, als Verständigungsfaktor
rechne.
.Wenn der Leser meiner Bücher ‒ einst‐
weilen ‒ den stets vordringlichen, immer
vorlauten Einreden des seiner selbst so
ahnungslos „sicheren” Verstandes einiger‐
maßen zu wehren weiß, so daß jenes der
Seele „Bekannte”, wenn auch dem Gehirn‐
bewußtsein noch nicht Nahegekommene,
überhaupt aufgerufen werden
kann, dann
hat er sich selbst den Zugang geöffnet, um
auf den Weg „in den Geist” zu gelangen,
wie meine Worte ihn zeigen und beschreiten
lehren.
.Dann wird er schwerlich noch beson‐
deren „Schwierigkeiten” begegnen, voraus‐
gesetzt, daß er die
Ausdauer wirklich be‐
sitzt, die unerläßliche Vorbedingung für
Alle ist, die den Weg in den Geist be‐
schreiten lernen wollen.
.Gewiß muß das, was ich mitzuteilen
habe, solange auf Treu und Glauben an‐
genommen werden, bis der Schüler selbst
zu inneren Einsichten gelangt ist, die ihm
ein Urteil
möglich machen.
.Gewiß wird der Suchende, in seinem
eigenen Interesse, sich auf seine Weise klar‐
machen müssen, was ich in meinen An‐
leitungen ihm nahelege, und wird es nicht
mit
anderweitigen Anweisungen ‒ aus
welcher Quelle sie ihm auch zufließen
mögen ‒
vermengen dürfen.
.Selbst Anweisungen, denen gegenüber
nicht der leiseste Zweifel erlaubt ist, daß
sie von den lautersten und erhabensten
Menschen stammen, muß der Schüler, der
zu
eigener Einsicht kommen will, vorläufig
auf sich beruhen lassen, wenn die Befolgung
meiner Anleitungen ihm nützen soll.
.Erst wenn er selbst
erlangte, was ihm
zu erlangen möglich wird, können ihm die
weisen Ratschläge, wie er sie etwa in der
mittelalterlichen, und ‒ anders gefärbt
‒ in der
östlichen Mystik findet, in ihrer
ganzen Tiefe erfaßbar werden.
.Gleichzeitig aber wird er auch dann die
unbewußt zwischen diese Bekundungen der
Wahrheit geratenen zahlreichen
Irrtümer
erkennen, und bei aller Ehrfurcht vor den
Zeugnissen geistnahen, oder geistgeeinten
Menschentums, sich nicht zu scheuen brau‐
chen, die „Spreu”, auch wenn sie reichlicher
vorhanden ist, als er vordem ahnte, vom
keimlebendigen „Weizen” zu
sondern. ‒
.Bevor er aber einmal soweit ist, wird
er gut tun, alles, was ihm etwa an solchen
Anweisungen bekannt ist, zeitweilig zu
vergessen.
.Daß er die Entwicklungsrezepte neuerer
Mystagogen, denen er etwa bisher folgte,
für immer beiseite legen muß, ist eine
Selbstverständlichkeit!
.Wenn ich nun auch im Namen dessen,
was ich niederschrieb, ein gewisses Vertrauen
zu verlangen habe, bevor die eigene Urteils‐
fähigkeit des Schülers einsetzen kann, so
ist hier doch keinesfalls ein „Glaube” im
Sinne einer endgültigen Entscheidung ge‐
fordert, sondern nur das gleiche
Vertrauen‐
wollen, wie man es beispielsweise einem die
hohe See befahrenden Schiffskapitän entgegen‐
bringt, von dem man ohne weiteres gläubig
annimmt, daß er die Schiffahrtswege kenne,
und die ihm Anvertrauten in den rechten
Hafen zu bringen wisse, ‒ oder auch einem
verantwortungsbewußten Bergführer, der
sehr wohl weiß, daß von seiner sicheren
Wegekenntnis und Beurteilungskraft das
Leben des Touristen abhängt.
.Wie man nun aber dem Bergführer
das Recht zugesteht, Ratschläge über das
beste Verhalten beim Klettern im Fels, oder
schon bei schwierigeren Gletscherübergängen,
zu erteilen ‒ so und nicht anders wird
mein Schüler die Ratschläge gutzuheißen
haben, denen er in meinen Büchern be‐
gegnet.
.Ich weiß von den
Gefahren seines
Weges, und weiß ihm zu raten, wie sie
zu
überwinden sind!
.Hingegen steht mir nichts ferner, als
die Forderung eines blinden „Kadaverge‐
horsams”, zu der ich mir weder ein Recht
erteilen würde, noch sie von irgend einem
Standpunkt her, als im Interesse des Schülers
liegend, oder auch nur als wünschenswert,
betrachten könnte.
.Soweit es nur irgend
möglich ist, soll
der Suchende wissen, oder doch sich vor‐
stellen können, was er zu erhoffen hat, und
weshalb ich ihm diesen oder jenen Rat‐
schlag zu erteilen habe, ‒
weshalb ich
ihn vor einer Gefahr warne.
.Es steht in meinen Büchern sehr vieles
zu lesen, was mir
unsagbar schwer nie‐
derzuschreiben war, weil es mich nötigte,
mit dürren Worten eigenes Erlittene, Er‐
lebte und Empfangene zu berühren, das
ich so unbeschreiblich hoch über allem sonst
irdisch Erlebbaren, Erleidbaren und Em‐
pfangbaren weiß, daß ich mich selbst der
Erinnerung daran nur nach würdiger
Vorbereitung zu nahen wage...
.Ich hätte mir die „Selbstzermalmung”
sparen können, die nötig war, um auch
nur
einen der Sätze, auf die ich hier deute,
darzubieten, wenn ich mich vor der geistigen
Pflicht, dem Suchenden sozusagen „stereo‐
skopischen”, plastischen Einblick in geistige
Vorgänge zu vermitteln, auf andere Weise
hätte verantworten können!
.Alle diese Dinge sind dem Leser meiner
Bücher nur deshalb dargeboten, weil er
nicht
in bloßer Vertrauenseligkeit den Ratschlä‐
gen folgen soll, die ich ihm zu geben habe,
sondern
in freier Entscheidung vor sei‐
nem Gewissen, nachdem es ihm ermög‐
licht wurde, die geistigen Zusammenhänge,
auf denen meine Ratschläge beruhen, wenig‐
stens in der Vorstellung zu erfassen.
.Unerbittlich muß ich jedoch darauf be‐
stehen, daß der Suchende bei seiner Ent‐
scheidung
nur vom textlichen Inhalt
meiner Bücher ausgeht, und mich als
außenmenschliche Person gänzlich unbeach‐
tet läßt!
.Wenn er mein Schüler sein will, so
muß er wissen, daß ich mich ihm in mei‐
nen Lehrtexten
ohne jeden Vorbehalt
dargeboten habe, und daß er nur in
dem
Sinne „
mein” Schüler ist, als er
Schüler
dieser Lehrtexte zu sein vermag, deren
absolute Wahrheit, als Darstellung substan‐
tiellgeistiger Wirklichkeit, ebensowenig je‐
mals erschüttert werden könnte,
wenn
diese Bücher
nicht aus tiefster geistiger
Verantwortung heraus, von einem
seiner
Sinne Mächtigen, niedergeschrieben wor‐
den wären, sondern wenn sie, ‒ falls es
möglich wäre! ‒ ein
Narr geschrieben
hätte! ‒ ‒
.Bei dem Worte: „
geistsubstantiell”
bitte ich zu bedenken, daß ich überall, wo
ich vom
substantiellen Geiste spreche, ‒
im Gegensatz zu dem Geistbegriff, der den
menschlichen
Verstand und die Äußer‐
ungen der
Gehirnbewegungen meint ‒
unter den Worten geistige „Substanz” das
Allerwirklichste: ‒ die Fülle aller Ur‐
seinskräfte, verstanden wissen will!
.Diese Geistes-„Substanz” ist nichts Starres,
sondern aus sich selbst heraus das
Aller‐
freieste, durch nichts zu Behindernde,
ewig Bewegliche,
ewig sich Bewegende.
.Sie ist nicht etwa „geschaffen”, sondern,
‒
ohne besonderen Willensakt, ‒
gege‐
ben durch das bloße
Vorhandensein des
„
Urseins”, wie ich das Allerinnerste des‐
sen, was „
ist”, nennen muß, wenn es be‐
zeichnet werden soll.
.Auch die, heute kaum erst von genialen
Theoretikern der Physik erahnten
aller‐
subtilsten Kräfte des Weltalls sind nur
als eine Art „Induktionswirkung” der
von mir gemeinten geistigen „Substanz”
zu verstehen, während die „gröberen” ir‐
dischen Kraftäußerungen, wie etwa alles,
was wir elektrische oder magnetische Er‐
scheinungen nennen ‒ um nur ein Bei‐
spiel zu geben ‒ erst gleichsam
Reflex‐
wirkungen dessen sind, was ich, ‒ in
bildmäßiger Erinnerung an die Induktions‐
spule, in der ein
indirekt bewirkter elek‐
trischer Strom entsteht, ‒ als „Induktions‐
wirkung” bezeichne...
.Es ist mir unmöglich, hier noch deut‐
licher zu werden, aber ich habe Anlaß zu
glauben, daß die kommende wissenschaftliche
Forschung zu irdisch belegbaren Erkennt‐
nissen gelangen wird, die das von mir gleich‐
sam nur stammelnd Bedeutete in einen
ganz neuen, umfassenden Darstellungsbe‐
reich einführen werden.
.Das wirkliche
Bewußtwerden in der
Substanz des ewigen Geistes steht aber
außerhalb aller Wissenschaft, und selbst
die größten und höchsten wissenschaftlichen
Erkenntnisse werden
niemals auch nur um
Haaresbreite dem eigenen
Erleben des
substantiellen Geistes näher bringen können.
.Es dürfte begreiflich sein, daß der Su‐
chende, der „in den Geist” gelangen will,
‒ außer dem Deuter und Wegbereiter, als
der ich in meinen Lehrworten zu wirken
habe, ‒ auch noch
andere Hilfe braucht,
sobald er sich, wenn auch fast überreich
belehrt, selbst auf dem Wege findet!
.Für diese Hilfe aber ist dann gesorgt,
und um ihrer habhaft zu werden, braucht
es nur die innere Haltung der Zuversicht
eines im voraus Dankenden.
.Dem
Menschen kann aber kein „Gott”
unvermittelt helfen, sondern nur der
Mensch,
und, wenn es sich um „göttliche” Hilfe
handelt: ‒ nur ein Mensch, der zum Trans‐
formator substantieller geistiger Kräfte wurde!
.Was dann den Menschen an geistiger
Hilfe erreicht, ist seiner Aufnahmefähigkeit
angepaßt, und
bleibt ihr angepaßt, bis
er selbst das substantielle ewige Geistige,
in seinem, aus der Latenz erweckten geistigen
Organismus zu erleben vermag, ‒ einerlei,
ob der dazu nötige Prozeß während des
irdischen Leibeserlebens schon beendet wer‐
den kann, oder ‒ wie zumeist ‒ hier nur
begonnen wird, um in nachirdischen Er‐
lebenszuständen seine Vollendung zu finden.
.Es gibt da
unzählige, verschiedene
Stufen der Entfaltung, und das Gleiche gilt
von dem einzig möglichen, wahrhaft
wirk‐
lichen Gotteserlebnis, das dem Menschen
werden kann: ‒ dem Erleben seines „leben‐
digen” Gottes in der eigenen Seele. ‒ ‒
.Dieses einzige wirklich „reale” Gott‐
erlebnis („Gott” ist nicht nur „Geist”, son‐
dern, vergleichungsweise gesagt: die subtilste
Eigengestaltung des Geistes! ‒) ist keines‐
wegs erst zu erlangen nach der
Vollendung
des substantiellgeistigen Organismus, wohl
aber muß dieser tatsächlich „erweckt” worden
sein, so daß er bereits das distinkte Bewußt‐
sein der Identität des „
Ich” (als der singu‐
lären Erlebensform aller ewigen Bezirke) in
der Seele zum Aufleuchten bringen konnte.
.Der Mensch, dem dann solches Erleben
wirklich wird,
fragt nicht mehr, und
kann
nicht mehr fragen, ob es ihm nun auch
wahrhaft
geworden sei, oder ob er nicht
nur einer Selbsttäuschung erliege, denn was
er erlebt, durchstrahlt seine Ich-Form mit
der
unangreifbar sichersten Gewißheit,
die es in Zeit und Ewigkeit gibt!
.Wer sich aber ‒ wenn auch nur in
seinen, zeitweise im Erdenleben unvermeid‐
baren, dunkleren Stunden ‒ überhaupt
noch der
Frage gegenübersieht, ob denn
sein erhabenes Erlebnis etwas
Wirkliches
gewesen sei, der darf sicher sein, daß er
vorerst selber „nachgeholfen” hatte, und so
denn in einer der vielen Fallen der Selbst‐
täuschung hängen blieb, aus der er sich
gar nicht bald genug befreien kann, will er
dereinst doch noch zum
wirklichen Er‐
leben seines lebendigen Gottes kommen...
.Dieses einzige
mögliche reale Gott‐
erleben ist auch kein Überstürzen der Seele
mit einem Erlebniszwang, den sie kaum
auszuhalten vermag, sondern, wo immer
es Ereignis wird, ist es der jeweiligen
Eigenart des Menschen entsprechend.
.Darum ist in meinen Lehrworten gesagt:
daß jeder nur
seinen lebendigen Gott er‐
leben kann, und daß er seinen lebendigen
Gott
niemals, hier auf Erden und in aller
Ewigkeit, seinem Bruder zu zeigen vermag.
.Jeder Versuch, dieses Erleben „
mit
Gewalt” herbeiführen zu wollen,
muß
zur Selbsttäuschung führen!
.Wenn man hingegen das so viel miß‐
brauchte (und darum von mir fast niemals
verwendete) Wort: „
Gnade”, hier um der
Verdeutlichung willen heranziehen, und
so
verstehen will, daß es eine
Beglückung
bedeutet, für die man
die Voraussetzung
erfüllt hat, so daß eben diese Beglückung
eintreten
muß, weil sie von
keinem, auch
nicht von einem
göttlichen Willen zurück‐
gehalten werden
kann, ‒ dann kommt
man in Wahrheit dem Verständnis für
dieses Erlebendürfen ziemlich nahe...
.Ob es einer
einmalig, immer
erneut,
oder für die Dauer
ununterbrochen zu
erleben vermag, hängt nur von ihm selbst:
‒ von seinen seelischen Möglichkeiten ab,
aber jeder, dem es in der für ihn möglichen
Weise einmal wurde, tritt damit in ein
neues Leben ein und findet sich in einer
Erneuerung, die nur von dem, der sie weiß,
empfunden, aber niemals in Worten dar‐
gestellt werden kann.
.Es ist ja eigentlich eine Binsenweisheit,
daß jegliches menschliche Bestreben nur
dann
erfolgreich wird, wenn der
Glaube
an die
Möglichkeit, ja an die
Sicherheit
des Erfolges hinter ihm steht.
.Wer es nicht
an sich selbst erfahren
hat ‒ und es wird
wenige geben, die es
nicht im Laufe ihres Lebens wieder und
wieder erfahren mußten ‒ der wird in
seinem Umkreis nicht lange zu suchen
brauchen, um Menschen zu finden, die ihm
sowohl
Beispiel wie
Gegenbeispiel
liefern.
.Stärkste Begabung, die zu allen Hoff‐
nungen berechtigt hatte, versagt, und er‐
reicht nicht ihr Ziel, nur weil der
Glaube
fehlt an die eigene Kraft, während da‐
neben der kaum mittelmäßig Talentierte
von Erfolg zu Erfolgen schreitet, geführt
von dem
Glauben an sein Können...
.Und wie gar oft wird eine Idee, an deren
Verwirklichung ein Leben verblutete, erst
nach dem Tode ihres Schöpfers zum Siege
geführt, aufgegriffen durch selbst un‐
schöpferische Naturen, die aber den
Glau‐
ben mitbringen, den der erfolglose Ur‐
heber, bei aller Energie seines Strebens,
vermissen ließ. ‒ ‒
.Obwohl aber solche Erfahrung wahrlich
leicht zu erlangen ist, kann man dennoch
auf allen Gassen Unzähligen begegnen, die
zwar recht guten Willens sind und mit
aller Zähigkeit einem Ziele zustreben, da‐
bei aber selbst kaum
glauben, es jemals
erreichen zu können.
.Ist es verwunderlich, daß da so wenige nur
jenes Ziel erreichen, zu dem ich in allen
meinen Büchern den Weg aufweise, und
das doch allen erreichbar ist, die den
Glauben in sich tragen: ‒ den
Glauben
an sich selbst!? ‒
.Das Sprichwort redet die Wahrheit,
wenn es zu sagen weiß:
.„
Hilf dir selbst,
so hilft dir Gott!”
.Hier wird göttliche Hilfe keineswegs
in
Frage gestellt, aber die
Bedingung wird
aufgezeigt, die erfüllt werden muß, soll
göttliche Hilfe
ermöglicht werden. ‒ ‒
.So ist auch aller vorgebliche „Glaube
an Gott” nur
Selbstbetrug, so lange er
nicht durch den felsenfesten
Glauben an
sich selbst gerechtfertigt wird.
.Glaube aber ist
Wille, und jene wissen
nichts vom „Glauben” die ihn nicht als eine
Form des
Willens kennen!
.Hier ist jedoch der Torheit zu wehren,
die den eigensinnig und krampfhaft gehegten
Wunsch als „Wille” wertet. ‒
.Wohl mag der Sprachgebrauch auch
leichthin vom „Willen” reden, wo nur der
ungezähmte Wunsch ein Ziel erstrebt,
während der
Wille, der es
erreichen
könnte, tief im Schlafe ruht.
.Wenn aber gesagt wird: „Glaube ist
Wille”, so ist auch weiter zu sagen: ‒
Wille, wie er
hier gefordert wird, ist
nichts anderes als
die hohe Kraft der
„
Imagination”, durch die der Mensch in
seinem Innern sich die Form seines Schick‐
sals
gestaltet, sei es in Bezug auf sein
äußeres Dasein oder im Hinblick auf das
Erreichen seines höchsten Zieles in der
geistigen Welt. ‒ ‒
.Man weiß das längst, wo es gilt, Ge‐
breste des
Körpers zu heilen, und kluge
Ärzte suchen vor allem in solchem Sinne
den
Willen zur Gesundung im Kranken
von den Fesseln zu befreien, in die ihn
der Kranke selbst geschmiedet hat.
.Ob „wunderbare” Heilungen einst dem
Asklepiosheiligtum zu Epidauros ho‐
hen Ruf verschafften, oder ob heute
Lour‐
des für seine Gläubigen in gleichem Rufe
steht: ‒ in beiden Fällen ist die Anregung
des
Willens zur Gesundung, die Auslösung
der
Imagination, der
Glaube an die
Möglichkeit der Genesung das „wunder‐
wirkende” Agens, auch wenn es nur die
Vorbedingung erfüllt, um helfenden Kräften
anderer Art den Weg frei zu machen. ‒ ‒
.Zu allen Zeiten hörte man in gleicher
Weise nicht nur von „
heiligen”
Stätten,
an denen Kranke Genesung fänden, sondern
auch von
Menschen, die da noch zu heilen
wußten, wo Tränke und Mixturen nichts
erreichen konnten, und auch bei dieser
Menschen oft sehr segensreichen Wirk‐
samkeit ist das „Wunder” nur darin zu
sehen, daß es ihnen gelang, den echten
dynamischen Glauben in den Kranken
zu erwecken, den Glauben, der da „
Wille”
zur Gesundung ist und das Bild der wieder‐
zuerlangenden
Gesundheit an die Stelle
des Bildes der Krankheit setzt, wie es vor‐
dem der gleiche Wille ‒ nur mißleitet ‒
geschaffen hatte.
.Gewiß war zu
keiner Zeit eine
jede
Krankheit auf solche Weise heilbar, und
gar zu leicht übersehen Enthusiasten, daß
sowohl menschliche
Heiler wie jene „
Gna‐
denstätten”
frommer Gläubigen so
manchen geplagten Kranken wieder ziehen
lassen mußten,
ungeheilt, oder nur dem
augenblicklichen
Scheine nach gebessert. ‒
.Torheit aber nur wird leugnen wollen,
daß die Macht des
Glaubens ganz erstaun‐
licher Wirkung auf den Körper eines
Menschen fähig ist. ‒
.Was nun dem dynamischen Glauben
aber möglich ist, dort, wo es gilt, auf
Körperliches einzuwirken, wird weit
übertroffen durch die Wirkungen, die
rechtgeleiteter Glaube
im unsichtbaren
Organismus des Geistes hervorzubringen
vermag. ‒ ‒
.So, wie jedoch der
körperlich Kranke,
dessen Krankheit von einer Art ist, die
durch den Glauben geheilt werden kann,
das Bild der
Gesundheit in sich aufrich‐
ten muß, und zwar aus gleicher Kraft, durch
die er bisher in sich das Bild der Krank‐
heit aufgerichtet hatte, so muß auch der
Suchende, der
sein höchstes Ziel im
Reiche des Geistes erreichen will, aus
der Kraft des
Glaubens in sich selbst
die
geistige Form erschaffen, in die er sich
wandeln will...
.Noch nie hat auch der glühendste
Wunsch aus einem
Suchenden einen
Fin‐
der werden lassen im Reiche des Geistes!
.Auch hier muß die
Möglichkeit des
Findens erst zur
Gewißheit geworden
sein, bevor das hohe Ziel erreicht werden
kann.
.Der Glaube an sich selbst ist der
einzig wirksame
Wille zu Gott, und dieser
formgebende Wille allein errichtet „das
Bildnis dessen, was er werden soll”, im
Innern des Suchenden. ‒
.Nach diesem Bildnis wandelt sich dann
der unsichtbare geistige Organismus des
Suchenden dergestalt um, daß er mehr und
mehr des Findens
fähig wird.
.Verkehrte Lehre und ärgster
Mangel
des Vertrauens zu sich selbst haben
den Glauben der Allermeisten dazu miß‐
leitet, daß er in ihrem eigenen Innern das
Bild ihrer selbst errichtet, als das eines,
seiner Natur nach, von höchstem und
sicherem geistigen Erkennen
Ausgeschlos‐
senen, und
richtig geleiteter Glaube
muß anstelle dieses Irrtumsbildes das Bild
des
Berufenen ‒
des Berufenen zur
Gottvereinigung ‒ setzen!
.Vertrauen und Gewißheit, daß sein
höchstes Ziel für ihn
erreichbar ist, muß
zu allererst in einem Menschen lebendig
werden, wenn er dem Reiche wesenhaften,
reinen Geistes und dem, was dort seiner
wartet, wirklich nahen will!
.Alle
Zaghaftigkeit ist vom Übel, denn
das ewige Heil läßt sich nun einmal
nicht
„in Furcht und Zittern” erwirken, auch
wenn man solchen, aller Wirklichkeit un‐
endlich fernen Worten seit Jahrtausenden
gewichtige Bedeutung hier auf Erden gab!
.Unzählige haben da ihr Leben lang
ge‐
sucht und konnten doch nicht finden, nur
weil sie einem solchen üblen Worte sich
vertrauten und also alles
Selbstvertrauen
in sich niederhielten!
.Es ist aber ohne den
Glauben, von
dem ich hier rede, keinem Erdgeborenen
möglich, wieder
in den Geist zu gelangen,
und dieser dynamische
Glaube kann nur
in rechter Weise wirksam werden, so er
den Menschen im unerschütterlichsten
Ver‐
trauen zu sich selber findet ‒ im Ver‐
trauen darauf, daß er fähig ist, sein
gei‐
stiges Hochziel zu erreichen.
.Alle geistige, hohe Hilfe, die dem Men‐
schen stetig dargeboten ist, damit sie er‐
setze, was ihm noch mangeln muß, wenn
er, aus irdischer Dunkelheit heraus, sich
auf den Weg zum Lichte wendet, bleibt
völlig
machtlos, so lange sie nicht
das
Vertrauen zu sich selbst in dem Su‐
chenden wirksam findet. ‒
.Nur einer, der
sich selbst vertraut,
vermag es auch, der hohen
Hilfe zu ver‐
trauen, die er auf seinem steilen Höhenpfade
nicht entbehren kann. ‒
.Nur einer, der
sich selbst vertraut, ist
des rechten dynamischen Glaubens
fähig:
‒ steht im
Willen zu seiner Erlösung,
entwunden dem bloßen
Wunsche!
.Bei allen meinen Anweisungen und
Ratschlägen, setze ich dieses
Jasagen zu
sich selbst, ungeachtet aller Fehler und
Mängel um die er wohl wissen soll, bei
meinem Schüler voraus.
.An vielen Stellen meiner Bücher wird
aufs deutlichste gezeigt, wie der Mensch
erst dessen gewiß werden muß, daß er aus
dem ewigen, substantiellen Geiste
stammt,
bevor er Hoffnung hegen darf, wieder „in
den Geist”
zu gelangen.
.Es ist dem Suchenden, auch beim besten
Willen, nicht einmal
möglich, die ihm von
mir erteilten Anweisungen zu gebrauchen,
solange er noch nicht in sich den festen
Glauben an sich selbst und seine ewige
Geistigkeit geschaffen hat.
.Dieser Glaube darf aber nicht ein Für‐
wahr-halten sein, oder eine bloße Annahme.
.Nur der
dynamische Glaube: ‒ dieser
Glaube, der Kraft
ist und Kraft aus sich
erzeugt, ‒ kann auch die innere
Sicher‐
heit geben, die jeder besitzen muß, der
den Weg in den Geist beschreiten will.
.Hingegen ist das „Glauben” an irgend‐
welche
Vorstellungsbilder ‒ mögen sie
nun der Wirklichkeit entsprechen oder nicht
‒ eher ein Hemmnis als eine Hilfe. ‒
.Nicht um Vorstellungsbilder im Gehirn
des Schülers schaffen zu helfen, versuche ich
die dem physischen Auge entrückten Welten
in Worten darzustellen, sondern um eine
Brücke zu schlagen für das voraufgehende
Verstehen der Forderungen, die ich im Inter‐
esse des Suchenden an seinen Tatwillen stel‐
len muß.
.Wo man in solchen Darstellungen „
Wider‐
spruch” zu finden glaubt ‒ was zuweilen
nicht schwer ist, ‒ dort lasse man vorerst
alles auf sich beruhen, bis eigener
dyna‐
mischer Glaube scheinbaren Irrtum auf‐
zulösen lehrt.
.Dynamischer Glaube ist gesichert
in
sich selbst und kann niemals durch Fehl‐
deutung eines Wortbildes erschüttert werden.
.Das ärgste Hindernis auf seinem inneren
Wege ist für den Suchenden nicht etwa
eine allezeit zu vorschnellem Zweifel be‐
reite, hypertrophierte Skepsis, sondern die
in vielerlei Masken ihn bedrängende ‒
Angst!
.Selbst die vermeintliche Skepsis ist aller‐
meist Angst, die sich nur im Mantel der
Zweifelsucht zu verstecken trachtet.
.Angst, einem Irrtum, oder gar Schlim‐
merem anheimzufallen, ‒
Angst, sein
eigenes Weltbild revidieren zu müssen, ‒
und schließlich
Angst, etwa von Anderen
verlacht zu werden.
.Die Menschen nennen einander gar zu
gerne große und beachtenswerte Gründe
für ihr Tun, indessen sich hinter ihm nur
irgend eine Form der
Angst verbirgt.
.Oder, sie verstecken sich vor ihr hinter
hohle Wortvorwände, um sie nicht sehen
zu müssen...
.Es gibt mehr Opfer der
Angst in der
Welt, als je eine mörderische Seuche an
Menschenopfern für sich verlangte!
.So ist es kein Wunder, daß auch der
Suchende nach sich selbst und seinem in
ihm verborgen thronenden
lebendigen
Gott, von mancherlei Formen der Angst
bedrängt wird und harte Hemmung durch
sie erfährt.
.Es wird nicht Allen ganz leicht, alle
Angst zu besiegen, ‒ doch ist es weitaus
leichter als das
Aufspüren der Angst
in ihren vielen, und sie gar gut verber‐
genden
Masken...
.Der Suchende kann nicht sorgfältig ge‐
nug prüfen, ob sich hinter dem, was er
seine Gründe, seine Motive, seine Absich‐
ten nennt, nicht irgend eine Form der
Angst verbirgt.
.Übersieht er auch nur
eine solche
Maskierung, dann hat er dauernd die Be‐
feindung quasi: „im eigenen Haus”, und
vermag sie nicht hinauszuweisen, da er sie
als solche ja nicht
erkennt.
.Die Angst ist für viel mehr Torheit
und Greuel in der Welt verantwortlich,
als die Verängsteten ahnen, und zugeben
möchten. ‒
.Wo man auch hinsehen mag, dort wird
man in unzähligen Fällen hinter den Ent‐
scheidungen der Menschen die
Angst ge‐
wahren!
.Angst um dieses und jenes, ‒ Angst
um tausenderlei, ‒ Angst in den trüge‐
rischsten Masken.
.So quält sie den Suchenden vor allem
gerne als „
Gewissensangst”, weil er nicht
zu fassen vermag, daß ihm,
trotz seinen
Fehlern und Mängeln, der Zugang zum
ewigen Geiste offenstehen soll.
.Aber „Gewissensangst” hat es durchaus
nicht immer mit dem
Gewissen zu tun!
.„Gewissensangst” hat nur zu viel „auf
dem Gewissen”, womit Gewissenhaftigkeit
den Menschen nie belastet haben würde. ‒
.In solchen zeitweiligen Nöten tut der
Suchende gut, seine innere Entfaltung
einige Zeit
unbeachtet zu lassen, und sich
in keiner Weise mit
sich selbst zu be‐
schäftigen, bis es ihm gelang, die offene
oder verkappte
Angst zu
besiegen, und
sie dann von ihm gewichen ist.
.Er wird dadurch nicht das Geringste
verlieren, denn: ‒ niemals kann aus der
Angst
Gutes kommen!
.Hat ihn die Angst verlassen, ‒ einerlei
in welcher Form sie zu ihm gekommen
war, ‒ dann wird er gewahren, daß seine
Entfaltung in der selbstauferlegten Warte‐
zeit keineswegs wirklich unterbrochen war.
.Angst ist nur, wo Mangel an Vertrauen
in die eigene Selbstberechtigung aufkommen
konnte, ‒ aber in Zeiten solchen Ver‐
trauensmangels zu sich selbst, soll man
nicht an sich arbeiten wollen!
.Vergebens wird man die ganze Welt
durchsuchen nach irgend einer fördernden
Tat, die
in Angstbesessenheit gewirkt
worden wäre!
.Dort, wo man behauptet, irgend ein
Gutes sei aus irgend einer
Angst hervor‐
gegangen, liegt nur ein Übersehen vor,
weil man nicht beachtet, daß das spätere
Gute keineswegs aus der Angst, sondern
aus dem dazwischenliegenden Moment plötz‐
licher
Angstüberwindung seine Kraft
empfing um ins Dasein zu kommen.
.Angst ist
schlimmer noch als bloße
„
Furcht”, weil sie alle Lücken stopft,
durch die noch der
Mut Zugang finden
könnte, der von der Furcht nur „vergessen”
wird, um, im Moment des Wiedererinnerns,
oft plötzlich mit erneuter Kraft herbeige‐
rufen zu werden.
.Angst aber
will keinen Mut! ‒
.Der geängstete Mensch betrachtet den
Zuruf: seine Mutlosigkeit von sich abzutun,
als feindliche Einmischung in seine ver‐
meintlichen Rechte.
.Angst ist wie ein Zustand der Selbst‐
hypnose, aus dem es nur dann ein baldiges
Erwachen gibt, wenn es zu angstfreier Zeit
energisch „befohlen” wurde.
.Der irgendwelchen Formen der Angst
leicht Zugängliche kann sich kaum oft ge‐
nug solchen Befehl erteilen.
.Der Schüler im Geistigen aber würde
allen Erfolg seiner Arbeit an sich selbst in
Frage stellen, wollte er Angstzustände in
sich gewähren lassen.
.Immer wieder muß er sich selbst be‐
lehren, daß es tatsächlich
nichts gibt, vor
dem er Angst haben müßte.
.Solange sein Wille nicht sein hohes
Streben verneint, sind ihm außerdem jeder‐
zeit hohe Helfer zur Seite, die seine Abwehr
durch ihre eigenen Kräfte auf höchste Wirk‐
samkeit steigern.
.Hat der Suchende seine Angst
über‐
wunden, dann wird er jedesmal aufs neue
entdecken, daß all sein Sich-ängsten nur
durch ein von ihm selbst erzeugtes Schreck‐
gespenst verursacht war.
.Durch solche selbstgeschaffene, ihre Kräfte
zersprengende Bedrohung haben sich schon
viele Menschen selbst
getötet, ohne es zu
wollen!
.Tod aus bloßer
Angst ist viel weniger
selten, als gemeinhin angenommen wird.
.Angst ist nichts
außer uns Seiendes,
sondern empfängt all ihr Leben nur durch
den Menschen.
.Angst ist natürlich nicht gar etwas
„Geistiges”, und ebensowenig etwas „Seeli‐
sches”, obwohl man das Wort „Seelenangst”
geprägt hat!
.Diese „Seelenangst” ist wie alle andere,
als solche
erkennbare, oder
maskierte
Angst, nichts anderes als eine Art „Krampf”
gewisser allerfeinster
Nerven, der durch
die Rückwirkung bestimmter
Vorstellun‐
gen auf die Gehirnbewegung erregt wird:
‒ also eine
nur in der
Physis und dem
rein physischen
Gehirnbewußtsein sich
abspielende Störung. ‒
.Daß es sich bei den
Vorstellungen,
deren Rückwirkung den speziellen Angst‐
krampf auslöst, um solche aus dem
gei‐
stigen, oder dem
seelischen Gebiet
eben‐
so handeln kann, wie um solche aus dem
Gebiet der
physisch-
sinnlichen Welt, darf
nicht dazu verführen, das Phänomen der
Angst in seelische oder gar geistige Bereiche
zu
projizieren!
.Die
Bekämpfung der Angst wird nur
dann erfolgreich vor sich gehen, wenn die
im jeweiligen Fall wirksamen, angsterzeu‐
genden
Vorstellungen klar erkannt, und
die
angstbewirkenden Momente dieser
Vorstellungen durch nüchterne Betrachtung
zur Zersetzung gebracht werden.
.Da diese Vorstellungen nicht nur in den
einzelnen angstanfälligen Menschen ver‐
schieden sind, sondern auch im Einzelnen
selbst vielfältig wechseln können, so ist es
ratsam, sich immer wieder den schon er‐
wähnten Gehirnbefehl zu geben, sofort aus
dem eingetretenen Angstkrampf zu „er‐
wachen”.
.Danach aber muß unbedingt die angst‐
bewirkende Vorstellung gedanklich isoliert
und auf ihre angsterzeugenden Momente
hin untersucht werden.
.Hat man diese Momente genau festge‐
stellt, dann sind sie leicht im Denken
auf‐
zulösen und können dann fernerhin nicht
mehr zur Wirkung kommen.
.Ich will hier nicht Dinge erörtern, die
den
Arzt angehen, sondern nur meinem
Schüler Anweisung geben, wie er das ärgste
Hindernis seines inneren Voranschreitens
auf seinem Wege zu beseitigen vermag.
.Das ist umsomehr nötig, als auch die
im Außenleben mutigsten Menschen zuwei‐
len in die wunderlichsten verkappten Angst‐
zustände verfallen, nachdem sie begonnen
haben, an der Entfaltung ihres geistigen
Organismus ernstlich zu arbeiten.
.Erklärbar wird das, wenn man sich vor
Augen hält, daß zwar viele Menschen ge‐
wohnt sind, ihren
physischen Körper
irgendwie zu trainieren, andere, ihr
Gehirn
auf die höchste Leistungsfähigkeit zu bringen
suchen, und wieder andere ihr
seelisches
Empfinden pflegen, ‒ daß aber für die
Allermeisten der eigene
substantiell-
gei‐
stige Organismus, ‒ vom Erdentier her
instinktiv gemieden, ‒ durchaus im Latenz‐
zustand bleibt, so daß er eine vollkommen
unbekannte, dem Gehirnbewußtsein „un‐
heimliche” Region darstellt.
.Das Ungekannte, nicht Durchforschte,
bildet jedoch immer den
unbestimmtesten,
und darum
am liebsten vorgestellten
Schauplatz aller durch die Angst erzeugten
Schreckbilder menschlicher Phantasie.
.Solange solche Schreckbilder, ‒ aus
den im Gehirn verbliebenen Ablagerungen
frühgehörter
Kindermärchen, einst ge‐
glaubter
Behauptungen des überkom‐
menen Religionssystems, und den Vor‐
stellungen selbstbegangener, vermeintlicher
oder wirklicher „Schuld” gebildet, ‒ nicht
endgültig gebannt sind, ist ein resolutes
Weiterschreiten auf dem Innenwege, der
„in den Geist” führt, noch kaum möglich.
.Daher erwächst
dem Suchenden die
Pflicht zu tagtäglich wiederholter Über‐
prüfung der
wirklichen Motive seines
Denkens, Redens und Handelns, um so
allmählich die
Angst in allen ihren Mas‐
kierungen zu
erkennen, und aus ihren
Schlupfwinkeln zu treiben.
.Das ist wahrhaft
fördernde Kontrol‐
lierung des innern Lebens, und hilft weit
mehr, als alle „Gewissenserforschung”, die
nach jedem Splitterchen wirklicher oder
nur eingebildeter „Schuld” sucht, und da‐
durch zu einem Fluch werden kann, dem
gerade die
gewissenhaftesten Naturen am
ehesten zum Opfer fallen...
.Weniges verträgt wirkliche geistige Schüler‐
schaft so schlecht, wie den
Ehrgeiz!
.Während bei allem anderen menschlichen
Tun das Bestreben,
mehr zu wissen,
mehr
zu können als Andere, den so Beflissenen
voranbringen kann, wirkt für den Schüler
im
Geistigen schon der leiseste Wunsch,
seine Gefährten und Mitstrebenden
über‐
flügeln zu wollen,
retardierend.
.Eine Regung des
Neides gar, die nicht
augenblicklich
bekämpft und zum dauern‐
den
Verlöschen gebracht wird, bringt
alles geistige Wachstum zum
Stillstand,
‒ wie sehr sich der Schüler auch weiter‐
hin mühen möge...
.Erst wenn er auch die letzte Neidregung
in sich
spurlos ausgetilgt hat, darf er
auf wirkliches Weiterschreiten hoffen.
.In diesen Dingen gibt es keine „Aus‐
nahme”: ‒ keine Sonderstellung für ein‐
zelne Menschen, ‒ mögen sie auch an er‐
habenster Stelle stehen, oder sich in be‐
wunderungswürdigster Weise um die ganze
Erdenmenschheit verdient gemacht haben. ‒
.Was sich mit solcher Unerbittlichkeit
auswirkt, ist das allem substantiellen gei‐
stigen Leben innewohnende, ihm selber
entstammende, und von ihm nicht geson‐
dert zu denkende „
Gesetz” allen geistig
realen Geschehens, das in aller Ewigkeit
keinen Übertreter zu befürchten hat.
.Es
kann niemals im Bereiche geistigen
Geschehens ‒ bis an seine äußerste Pe‐
ripherie hin ‒
auch nur das Geringste
geschehen, was diesem „Gesetz”
nicht
entsprechen würde, das inhärente und inte‐
grierende
Bestimmtheit des substantiellen
ewigen Geistes ist.
.Dem hier gemeinten eigenen „Gesetz”
des substantiellen, ewigen Geistes gegen‐
über gilt nur
das am Menschen, was des
Geistes ist.
.Ob das, was an ihm „des Geistes” ist,
bereits zu seinem
Bewußtsein erwachte,
ist zwar für den einzelnen
Erdenmen‐
schen wichtig, aber niemals für den
Geist,
dem es ja angehörig bleibt, auch wenn es
nicht in einem Menschenbewußtsein ver‐
nehmbar wird.
.Man darf sich nicht irreführen lassen,
durch die zwar Dichtern allenfalls erlaub‐
ten, aber so wenig wirklichkeitsnahen ele‐
gischen Träumereien von einer Gottheit,
die des Menschen
Leid als das
ihre er‐
lebt, und vom Menschen her ihre eigene
Erlösung erwartet!
.Die Dinge liegen in Wirklichkeit recht
wesentlich anders...
.Stets soll sich der Schüler gegenwärtig
halten, was ich von unser aller
ewigem Seins‐
grund zu sagen suche, wenn auch gerade
bei
diesem Sagenwollen die Unzulänglich‐
keit aller erdenmenschlichen Worte noch
quälender empfunden und dennoch hin‐
genommen werden muß, als bei jedem
anderen Darstellungsversuch...
.So über alle Begriffe erhaben
das auch
ist, von dem ich da in meinen Büchern
immer wieder zu handeln habe, so darf
doch der natürliche Drang des Menschen,
sich von Allem
Vorstellungen bilden zu
wollen, nicht ganz ohne Hinweis und An‐
deutung gelassen werden.
.Ich spreche in erlebender Ehrfurcht von
einer
höchsten Triade, die ich:
Ursein,
Urlicht und
Urwort nenne, ‒ von ihrer
Selbstdarstellung, die ich in Menschen‐
worten faßlich zu machen suche in der
Trias:
Urlicht,
Urwort,
Ur-
Geistes‐
mensch, ‒ und ich zeige, wie das, was
ich voll erschauernder Anbetung als „Ur‐
Geistesmensch” zu benennen versuche,
„
Vater” ist ‒ und auch „Mutter” zugleich:
‒ der
erscheinenden Dreiheit des
gei‐
stigen,
seelischen, und
verstandesartig
begreifenden Menschen...
.Ich versuche, zu zeigen, wie solcher‐
weise der wirkliche „
Mensch” hinauf- und
hineinreicht in die innerste
Gottheit, die
sich ihm liebend erlebensfaßbar macht, als
sein, ihm
individuell vereinter „
leben‐
diger”
Gott...
.Ich habe schließlich darzulegen, wie in‐
folgedessen begriffen werden muß, daß das,
was man auf Erden als den „Menschen”
bezeichnet, nicht etwa
der ewige Mensch
ist, sondern
das erdgehörige Tier, in dem
sich ewige Menschenemanationen zu erleben
suchen, die
über den Kulminationspunkt
ihres Individualzustandes
hinausgelang‐
ten, was für sie ein
Fallenmüssen zu
bedeuten hatte, ‒ einen „sündhaften”,
weil
verschuldeten „Fall” aus höchstem
Leuchten, ‒ für den es keinen, den Wieder‐
aufstieg ermöglichenden Ausgleich gibt, als
die Inkarnation in einem der
schuldfreien,
physischen Wesen des Weltalls: ‒ einem
Tiere, ‒ wobei allerdings nur eine Tier‐
form in Betracht kam, die Eignung zeigte,
ewig Menschlichem dereinst
Ausdruck
werden zu
können.
.Wir kennen diese Tierform nur zu gut
aus eigenem physischen Erleben! ‒
.So gut wir aber auch unsere Tierform:
das „Menschtier”, in seinen Bedürfnissen,
Neigungen und Trieben selbsterlebend
kennen, so sehr finden wir uns bereit, ihm
vieles
abzusprechen, was ihm in Wahr‐
heit
zukommt, ‒ nur, weil wir es schwer
ertragen, daß wir weit mehr, als wir wün‐
schen könnten, mit den anderen Tieren ge‐
meinsam haben, während gerade das
Eine,
was wir ‒ als Tiere ‒
nicht mit unseren
Mit-Tieren zusammen uns zurechnen dürfen:
‒
die Schuldlosigkeit ‒ Gegenstand
heißen Sehnens für uns wäre,
könnten
wir hieran noch Anteil haben, nachdem
die in rein tierhafter Unschuld verbrachten
allerersten Kindheitsjahre hinter uns lie‐
gen. ‒
.Nicht nur, daß wir unseren gehirnbe‐
stimmten irdischen Verstand gar zu gerne
aus dem Bereiche der Tierheit lösen möch‐
ten, wie ein reichgewordener Emporkömm‐
ling sich gerne aus seinem Herkunfts-Milieu
zu lösen sucht, ‒ sondern es liegt uns
auch recht nahe, unseren Mit-Tieren
das
abzusprechen, was wir nach landläufigem
Gebrauch unsere „Seele” nennen, und was
sich nur
durch bewußte Entwicklung
über die primitivere Region, die es in an‐
deren Tieren bildet, in uns erhebt. ‒
.Um hier sich kein Hindernis der Ent‐
faltung zu schaffen, muß der Schüler er‐
kennen, daß
fast alles, was wir gemein‐
hin „seelische” Regungen nennen, noch der
vergänglichen
Tierseele zugeschrieben wer‐
den muß, die wir mit allen anderen Tieren
gemeinsam haben, auch wenn sie in uns, ‒
durch die Influenz der nur dem
Menschen
eigenen, aus
unvergänglichen Kräften
der Gottheit hervorgegangenen Seele, ‒
für ihre irdisch begrenzte Lebensdauer
eine reichere Empfindungs- und Ausdrucks‐
fähigkeit erlangt.
.Aus der
tierischen „Seele”, und
nur
aus ihr, stammt aller Ehrgeiz, alle Wett‐
bewerbsucht und aller Neid, die dem Schüler,
der die Entfaltung seines
Geistigen er‐
strebt, so überaus verhängnisvoll werden
können! ‒ ‒
.Es liegt auf der Hand, daß es Sache
des Schülers sein muß, die vergängliche
tierhafte „Seele” den
ewigen Seelen‐
kräften, die ihm als gottgezeugten seeli‐
schen „
Menschen” eignen, so weit es nur
möglich wird, zu
unterordnen.
.So müssen
alle tierseelischen Regungen,
die mit der erstrebten Einung der ewigen
Seelenkräfte in der Erlebensform ‒ „
Ich”
‒
übereinstimmend gefunden werden,
während dieser erdbegrenzten Lebensdauer
des Tiermenschenleibes
erhalten, gepflegt,
und zur Erleichterung des Einheitserlebens
der
ewigen Seele eingesetzt werden.
.Alle Regungen der Tierseele aber, die
der Einung
ewiger Seelenkräfte in der
Identitätsform: ‒ „Ich” ‒, oder der Ent‐
faltung des substantiellen, ewigen mensch‐
lichen Geistorganismus
entgegen wirken,
müssen nach und nach zum austönenden
Abklingen gebracht werden, ‒ und wenn
auch dieser Prozeß mit der alle Verwand‐
lung fördernden Zeit zu rechnen hat, so
muß doch schon
vom Anfang an allem
Störenden
gewehrt werden.
.Das Trachten nach der
Überflügelung
des Mitstrebenden in der geistigen Schulung,
oder gar der
Neid auf den Grad geistiger
Entfaltung, den der Andere bereits erreichte,
sind bloße Äußerungen der
Tierseele,
und haargenau dem
Kampf der Tiere um
das Futter, und dem wohlbekannten Futter‐
neid gleichzusetzen.
.Der Suchende aber muß nicht nur
Herr
über derart niedere Tierseelenregungen sein,
sondern die
gegenteiligen Empfindungen
in seiner
ewigen Seele erwecken.
.Er darf nicht rasten, bis es ihm gelingt,
beglückende
Freude zu empfinden bei der
Wahrnehmung, daß seines Mitschülers gei‐
stige Entfaltung schon viel weiter gediehen
ist, als die eigene!
.Es muß ihm zur Selbstverständlichkeit
werden, dem hinter ihm Zurückbleibenden
alle nur mögliche
Hilfe zu bringen!
.Auch
die Menschen, die als „Meister”
der Kunst des Lebens in den drei Welten
(‒ der Welt des verstandesartigen Begrei‐
fens, der Welt der Seelenkräfte, und der
Welt des substantiellen ewigen Geistes! ‒)
angesprochen werden, handeln niemals
anders.
.Sie sehen einzelne ihrer „Brüder” in
fast unerreichbaren
Höhen wandelnd, und
andere noch in
Niederungen, die sie
selbst lange schon überstiegen haben, oder
niemals zu durchmessen hatten.
.Würde es mir, oder einem aus meinen
Brüdern, auch nur noch
möglich sein,
die glühende
Freude vermissen zu lassen
beim Hinaufblick zu dem
erhöhten Bru‐
der, oder den brennenden Helferwillen dem
vorerst noch
durch seine Tiefen schrei‐
tenden gegenüber, ‒ so hätten wir auf‐
gehört, das zu sein, was wir sind, und un‐
ser Leuchten im Urlicht wäre unmöglich
geworden. ‒ ‒
.Eine weitere Regung der
Tierseele,
die der Geistschüler von allem Anfang an
überwinden lernen muß, ist der hämische
Trieb, die
Fehler und
Mängel des Mit‐
strebenden zu entdecken, und sie womög‐
lich Anderen auch noch aufzuzeigen.
.Auch
diese Regung bildet ein
verhäng‐
nisvolles Hemmnis wirklicher geistiger
Entfaltung, und ehe sie nicht
bis auf die
letzte Spur getilgt ist, bleibt alles ver‐
meintliche „Weiterschreiten” auf dem Wege,
nichtige Selbsttäuschung...
.Der Schüler, der vom ewigen, substan‐
tiellen Geiste her Belehrung und Hilfe er‐
wartet, darf die
Fehler und
Mängel seines
Gefährten nicht einmal
sehen wollen,
und wenn sie ihm
unvermeidbarerweise
dennoch bekannt geworden sind, dann hat
er die
Pflicht sie zu
ignorieren!
.Sollte es sich aber um Dinge handeln,
die dem Fehlenden selbst und Anderen
wesentliche
Schädigung bringen könnten,
sodaß sie also
nicht ignoriert werden
dür‐
fen, dann möge der unfreiwillige Ent‐
decker solcher Mängel sie nur
solchen
Menschen offenbar machen, von denen er
mit aller Bestimmtheit weiß, daß sie kein
anderes Bestreben leiten wird, als den Feh‐
lenden
vor sich selbst und die Anderen
vor ihm zu schützen.
.Es findet sich auch da eine Parallele
zu den im Urlicht Leuchtenden.
.Da es sich bei ihrer biologischen We‐
sensart um Jahrtausende vor der irdischen
Geburt erlangte
Bestimmtheit des Da‐
seinswillens handelt, so muß im vorausge‐
gebenen Zeitpunkt Geburt angenommen
werden, die
alle psychophysischen
Voraussetzungen für die übertragene
Aufgabe verbürgt,
auch wenn in ihr
zugleich Erbteil mitgegeben ist, das der
Geborene während seines Erdendaseins
nur gerade im Zaum zu halten suchen
kann, weil er seine Kräfte
anderwärts
braucht, und weil zugleich ein
Nieder‐
ringen des Nichtgewollten, so wünschens‐
wert es auch wäre, die physische Basis
seines Wirkens in nicht zu verantworten‐
dem Grade
verengen würde.
.Die in seiner vergänglichen physischen
Natur ihm solcherart „mitgegebenen” offen‐
sichtlichen Fehlneigungen können auf je‐
dem Gebiet erdenmenschlichen, durch die
physisch-tierischen Kräfte bedingten Han‐
delns sich bis zu einem gewissen Grade
zeigen, auch wenn der Leuchtende des Ur‐
lichts immer erneut Barrieren aufrichten
wird, um allzudrastische Äußerungsformen
unmöglich werden zu lassen.
.Kein Leuchtender im Urlicht
hatte
jemals den kinderhaft törichten, eitelkeit‐
genährten Ehrgeiz, als ein „Heiliger” gelten
zu wollen, und keiner wird je solchen Ehr‐
geiz in sich nähren
können!
.Wehe aber dem Leuchtenden, ‒ und
stehe er auch auf menschlich kaum vor‐
stellbarer geistiger Höhe, ‒ der die Äußer‐
ungen physisch-erdenmenschlicher Mängel
an einem seiner geistigen „Brüder” etwa
in
anderer Art aufnehmen wollte, als
mit humorgetränkter, wissender
Nachsicht!
.Da eine andere Haltung in diesem gei‐
stigen Kreise
unmöglich ist, darf es hier
nur als dem Verstehen dienende
Fiktion
aufgefaßt werden, wenn ich, um der gei‐
stigen Bedeutung dieser Dinge willen er‐
klären muß, daß auch schon die leiseste
Neigung eines Leuchtenden im Urlicht,
sich über den in physisch-irdischen Dingen
fehlbar gewordenen Bruder „
erhaben” zu
fühlen, die Selbstvernichtung des eigenen
Geistesorganismus bedeuten müßte...
.Der Schüler des substantiellen, ewigen
Geistes kann nur dann auf den wirklichen
Erfolg seiner Mühen rechnen, wenn er in
jedem Mitstrebenden, ‒ sei er ihm per‐
sönlich nahe, oder ganz unbekannt, ‒ alles
vergängliche, physischirdisch Bedingte, in
wahrer Herzensgüte und verstehender Nach‐
sicht betrachtet, jedoch mehr und mehr dahin
gelangt, zu begreifen, daß der individuelle
Geistorganismus, den sein
Gefährte in
sich bewußtseinsnahe erreichen will,
glei‐
cher Substanz ist, wie sein eigener.
.Wer ein großes Erbe in einer bestimmten
irdischen Geldwährung erhalten soll, der
wird schwerlich darauf ausgehen, eben diese
Währung zu
entwerten, nur weil ihm ei‐
nes Anderen Gehaben wenig zusagt, der
Reichtümer in der gleichen Geldwährung
besitzt, oder zu gewärtigen hat.
.Wenn aber schon aus diesem Beispielsfall
klar hervorgeht, daß sich ein unvernünftiger
Erbe um sein ihm zugedachtes Gut bringen
würde, gelänge es ihm, die Geldwährung sei‐
nes Erbes zu schädigen, so dürfte erst recht
begreifbar sein, daß man im Geistigen nicht
das, wonach man
selber in sich strebt, ‒
für sich selbst bejahen, im Anderen aber
zugleich
verneinen kann. ‒
.Es handelt sich hier um ein Gut, das
zwar mit dem Gut des Anderen keineswegs
identisch, wohl aber seiner Qualität und
seinem Ursprung nach, dem Gut des Anderen
in jeder Beziehung „
gleich” ist!
.Wer die Erlangung dieses urgeistigen
Gutes einem Anderen verwehrt sehen möchte,
der entzieht es sich damit selbst.
.Wurde nun bisher bezeichnet, was ver‐
mieden werden muß, so sei hier jetzt ge‐
sagt, was sein soll:
.Die Erlangung identischen Bewußtseins
im
verstandesartig-
begrifflichen, im
seelischen, und im
substantiell-
geisti‐
gen Erfassen ist gewiß ein Postulat der
substantiell-geistigen Welt, aber keineswegs
lautet diese Forderung etwa dahin, daß der
Inhalt des verstandesmäßig-begrifflichen
Bewußtseins einfach nur
gewechselt werden
solle, so daß fortan lediglich
Begriffe von
geistsubstantiellen Dingen aufzunehmen
wären.
.Es handelt sich vielmehr um drei,
dis‐
tinkt in ihrer Erlebensart voneinander
geschiedene Bewußtseinsarten, die in der,
selbst dem innersten Göttlichen eigenen,
Erlebnisform: ‒ „Ich” ‒ gemeinsamer
Besitz eines Individuums werden sollen!
.Darum hängt so Außerordentliches hier
vom Willen des Menschen ab: ‒ von seiner
Bereitwilligkeit,
ganz neue Bewußtseins‐
formen in sich kennenzulernen, die mit dem
ihm bisher bekannten
verstandesartig‐
begrifflichen Bewußtsein sehr wenig ge‐
meinsam haben, und sich auch in Worten
nicht schildern lassen, da sie nur durch
eigenes „
Innewerden” erfahrbar sind.
.Es würde den Suchenden aber in keiner
Weise weiter bringen, wenn er sich nun
darauf verlegen wollte, sich allerlei „aus‐
zumalen” um zu irgend einem Begriff von
der besonderen, ihm noch nicht bekannten
Eigenart des Bewußtwerdens in den ewigen
Kräften der
Seele, und im substantiellen,
ewigen
Geiste zu gelangen.
.Was wirklich
vom Geiste her von je‐
dem Schüler des Geistes erwartet wird, liegt
auf physisch greifbarem Gebiet, wenn die
Auswirkungen auch bereits weit darüber
hinaus in rein seelische und geistsubstan‐
tielle Gefilde reichen.
.Hier ist nun die Rede von der Ver‐
pflichtung eines jeden Geistes-Schülers, im
Leben der Außenwelt, und den ihm etwa
verbundenen Gleichstrebenden gegenüber,
seiner, wenn auch noch in der Latenz ver‐
harrenden Geistigkeit jederzeit ein würdiger
und währender Ausdrucks-Schöpfer zu sein.
.In dem Augenblick, in dem sich ein
Mensch entschließt, Schüler des Geistes zu
werden, um sein ewiges
seelisches, und
das Bewußtsein des ewigen
Geistes im
eigenen geistigen Organismus zu erreichen,
hat er zugleich, auch wenn das Selbstver‐
ständliche hier keine Gelübde benötigt,
sich
willentlich von allen Daseinsäus‐
serungen seiner Mitmenschen
zurückge‐
zogen, die der Entfaltung seines geistigen
Organismus
hemmend im Wege stehen,
oder sie ganz
unmöglich machen.
.Das alltägliche Vergnügungsleben unserer
Zeit ist eine wahre Sammlung von „Schul‐
beispielen” solcher, die Erlangung des Be‐
wußtwerdens im Geiste sabotierenden Da‐
seinsäußerungen des zu mancherlei Raffine‐
ment gediehenen Menschentieres, ‒ aber
auch auf anderen, sehr ernst zu nehmenden
Gebieten, fehlt es nicht an Daseinsbekun‐
dungen, die kaum noch auf der Höhe der
Tierseele stehen.
.Wer mich verstehen
will, der
wird
mich verstehen! ‒
.Dem allem aber soll der Schüler des
Geistes
nicht kämpferisch begegnen, son‐
dern nur dadurch, daß er Derartiges für
seine Person
ignoriert, ‒ daß er dem
ewigen Geiste
Entsprechendes an die
Stelle des
Abgeschmackten,
Tierbrün‐
stigen, und der
manischen Lebensver‐
zerrung zu setzen sucht, soweit es in
sei‐
nen Kräften steht, ‒ und daß er nicht
müde wird, im eigenen Verhalten Anderen
zu zeigen: wie es sich bei alledem über‐
haupt nicht um wünschbare und beachtens‐
werte Dinge des Lebens
handelt.
.Nur bitte ich dringend darum, mich
nicht falsch zu verstehen!
.Ich kann
keine Art der Ablehnung
geistig geächteter Lebensäußerungen ernst
nehmen, der das
Lachen und
Auslachen‐
können nicht mehr recht gelingen will!
.Sauertöpfisches Abseitsstehen, Nörgeln
und Räsonnieren sind
schlechte Mittel,
Anderen die Augen dafür zu öffnen, daß
sie Sklaven törichter Selbstsuggestionen und
überreizter Nerven wurden! ‒
.Wirksamer als alles Andere vermag
immer das
Beispiel zu wirken, und
bei‐
spielgebend voranzugehen, ist daher die
vornehmste Aufgabe eines Menschen, der
„in den Geist” gelangen will.
.Eine einzige beispielhafte Handlung kann
dem
Gefährten weit wertvollere Lehre
sein, als stundenlange Disputation, und so
wird auch das Wirken eines Geistschülers
in engerer oder weiterer
Öffentlichkeit
desto wertbringender sein, je mehr er sich
ganz auf die Wirkung seines
Beispiels
verläßt, und infolge eigener straffer Selbst‐
erziehung auch jederzeit verlassen
kann...
.Der Schüler wird scharf der Tatsache
bewußt werden müssen, daß er tief im
trüben Nebel törichten Verstandesdünkels
steckt, solange er noch glaubt, ein Sieg in
der Disputation mit seinen Gefährten sei
etwa gleichbedeutend mit dem Besiegen
eigener innerer Finsternis. ‒
.Nicht durch Worte, sondern nur durch
sein
Beispiel kann er erweisen, daß er in
sich selber wirklich Sieger wurde.
.Daß Suchende nur insofern „meine”
Schüler sein können, als sie sich bei der
Richtung und eigenen
Bestimmung ihres
Strebens an die in meinen Büchern nie‐
dergelegten Mitteilungen, Anweisungen und
Lehrtexte halten, ohne in meiner Person
anderes sehen zu wollen, als den berufenen
Vermittler und
Former der dargebotenen
Einblicke und Ratschläge, habe ich hin‐
reichend deutlich ausgesprochen.
.Es handelt sich um ein
rein geistiges
Schülerverhältnis, bei dem ich für jeden
Suchenden, der sich in solcher Weise nach
meinen Lehren richtet, daß er wahrhaft
ein
Recht hat, sich meinen „Schüler” zu
nennen, ewige Verantwortung trage.
.Das ist hier nicht etwa gleichzusetzen
mit dem von allen gewissenhaften Seel‐
sorgern der Religionsgemeinschaften gefühl‐
ten und geäußerten „Verantwortungsbe‐
wußtsein” gegenüber ihren Gläubigen, ‒
sondern meine Verantwortung für den Su‐
chenden, der
exakt den von mir erteilten
Ratschlägen
folgt, um „in den Geist” zu
gelangen, besteht in einer unablösbaren
Verpflichtung, die auch in den kommen‐
den
nachirdischen Zuständen weiter ihre
Forderungen stellt, und nicht eher
erfüllt
ist, als bis der Suchende, der sich meinen
Lehren anvertraute,
erreicht hat, was ich
ihm versprechen konnte. ‒
.Allerdings muß ich darum bitten: ‒
genau unterscheiden zu wollen, was ich
in meinen Büchern als geistig
möglich,
und unter gewissen, klar gezeigten Vor‐
aussetzungen
erlebbar bezeichne, und nur
darstelle, um die verschiedenen
Stufen
geistigen Erlebens zu schildern, die ganz
fraglos
nicht allen Menschen schon auf
Erden erreichbar werden
können, ‒ und
was ich deutlich und ganz unmißverständ‐
lich von
jedem Geistschüler während seines
irdischen Lebens erreicht sehen will.
.Daß ich den Strebenden lebendigen An‐
teil nehmen lasse, auch am Erleben der
höheren, ihm möglicherweise hier auf
Erden noch unerreichbaren Stufen geistiger
Erlebensfähigkeit, ist nötig, um ihm zu
ermöglichen, sich selbst „
Richtung” zu
geben, heißt aber gewiß nicht, daß ich ihm
das Erreichen dieser Erlebensfähigkeit im
Geiste etwa
versprechen könne.
.Alles, was ich als erreichbar aufzeige,
setzt einen gewissen geringeren oder höheren
Grad der Entfaltung des substantiell-gei‐
stigen Organismus voraus, und an jeder
Stelle meiner Bücher, die von im geistigen
Leben erreichbaren Erlebnissen handelt,
zeige ich auch auf,
was jeweils bereits er‐
reicht sein
muß, soll die nächst höhere
Stufe des geistgemäßen Erlebens ersteigbar
sein.
.Der Schüler im Geistigen kann nach
aufnahmebereitem Lesen meiner Schilder‐
ungen
selbst genau erkennen, wo er steht,
wobei er sich natürlich hüten muß, die
Charakteristiken der jeweiligen Erlebens‐
fähigkeit, die ich unmißverständlich gebe,
zu seinen Gunsten umzumodeln.
.In
irdischen Dingen kann einer mit‐
unter Grade der Vollendung
vortäuschen,
so, daß Andere glauben, er besäße sie be‐
reits, ‒ aber im
geistigen Leben muß
jeder Versuch, sich „emporzutäuschen”, er‐
barmungslos mißlingen, da ja der zu solcher
Vortäuschung Bereite, nur ‒
sich selber
täuschen kann.
.Die geistige Stufe, die er wirklich er‐
reicht hat, ergibt sich
allein aus seiner er‐
langten
Erlebensfähigkeit im substan‐
tiellen ewigen Geiste.
.Daß es sich nicht um „Stufen” oder
„Grade” handelt, die etwa nach einer fest‐
gesetzten „Rangordnung” einmal für alle‐
mal starr bestimmt wären, sollte dem
Suchenden außer Frage stehen.
.Nachdem ich aber immer wieder sehen
muß, daß man gar zu gerne die Stufen der
Jakobsleiter „
numeriert” sähe, und weil
ich dabei einem Fehlverstehen auf die Spur
kam, das unbedingt behoben werden muß,
sei hier das Folgende gesagt:
.Geistiges kann nur
Geistigem „be‐
wußt” werden!
.Geistiges wird nur
erlebt in der
Ver‐
einung, und was sich Geistigem vereinen
will, muß
selbst des Geistes sein.
.Alles
Nichtgeistige ist dem Geiste
nicht „real”: ‒ nicht „wirklich”!
.(‒ Ich rede vom ewigen, substantiellen,
allein wahrhaft unzerstörbaren,
ewigen
Geiste, ‒ nicht von den Resultaten der
Bewegungen verweslicher Gehirne! ‒)
.Niemals könnte der Erdenmensch „in
den Geist” gelangen, wäre er nur das, was
an ihm auf Erden sinnenfällig in Erschei‐
nung ist.
.Nur weil er zugleich
substantieller,
ewiger Geist ist, kann er nach vollbrach‐
ter
Vereinung Geistiges
erleben, ‒ kann
er in sich selbst, als Geist vom Geiste der
Ewigkeit,
seiner selbst geistbewußt wer‐
den. ‒
.Es ist dazu vonnöten, daß ein bestimmtes
Verhalten, ausdauernd für lange Zeit, ein‐
gehalten wird.
.In meinen Lehrtexten sind die verschie‐
denen Formen, in denen sich dieses Ver‐
halten darstellen kann, genau beschrieben.
.Zweck dieses Verhaltens ist in erster
Linie: ‒ die Gewohnheit, das Leben
zu
denken, statt es zu leben, mehr und mehr
aufzuheben, und wirklich aktiv und be‐
wußt
leben zu lernen. ‒
.Aktives
Leben soll an Stelle des „Ge‐
dankenlebens” treten.
.Vollkommen hat solches Streben seinen
Zweck
dann erreicht, wenn auch das Denken
gelebt wird, nicht mehr nur: „gedacht”. ‒
.Was hier
gemeint ist, kann ich nicht
deutlicher sagen, weiß aber wohl, daß sich
Keiner, der noch gewohnt ist, sein Leben
zu
denken, auch nur schattenhaft
vor‐
stellen kann, was ich hier meine...
.Das ist auch nicht notwendig, denn es
handelt sich nicht um ein Vorstellenkönnen,
sondern um das
Lebenlernen!
.Der sein Leben
denkende Mensch glaubt
in dem Denken:
daß er lebe, und dessen,
was er erlebt, sein
Leben zu umfassen, ‒
aber dem Denken ist das Leben nur
Ge‐
genstand, wenn auch
der Gegenstand,
der alle anderen möglichen Gegenstände
des Denkens
in sich schließt, ‒ und das
Leben ist für das Denken im gleichen
Moment
erloschen, in dem das Denken
selbst erlischt.
.Nun
kann aber das Leben immerhin
doch gedacht
werden, und ungezählte
Millionen
kennen es nur im Denken, ‒
aber
niemals ist der substantielle ewige
Geist im Denken erfaßbar, sondern
nur
im
Leben: ‒ im
geschehenden, ‒
nicht
gedankenbedingten, ‒ Erleben! ‒ ‒
.Während im Denken das Leben immer
nur
gedacht wird: ‒ nur als
Gedanke
Realität aufweist, ‒ bildet das wirkliche
Leben des Lebens ein
Geschehen in das
man
einverwoben ist.
.Daher ist „
leben lernen” die Aufgabe
dessen, der „in den Geist” gelangen will,
denn in den Geist gelangt man nicht im
Denken, sondern durch ein erhabenes
Geschehen, das nur
dem erfahrbar ist,
der dort, wo Andere zu leben
denken,
erfahrungsfähig im aktiven
Leben wurde.
.Dieses
Leben-
lernen wird nicht „mit
einem Schlage” erreicht, und das Leben‐
können kommt nicht über den Menschen
wie eine „urplötzliche Erleuchtung”.
.Es muß vielmehr
erarbeitet werden!
.Es ist ein „
Lernen”, ‒ wenn auch
kein Lernen
mit dem Verstand, ‒ und
wie
jedes Lernen hat es seine verschiedenen
Stufen, oder, wenn man bei dem Gleichnis
des inneren
Weges bleiben will, ‒ seine
verschiedenen Wegstationen! ‒
.Um einen verstandesmäßigen Begriff des
Aufeinanderfolgenden zu vermitteln, da
doch der Suchende vorerst nur
denkt und
begreift, aber nicht
lebt (vom passiven
Gelebtwerden des Körpers, das man als
„leben”
bezeichnet, rede ich hier nicht!)
haben zu allen Zeiten die „Meister” der
Kunst des
Lebens von aufeinanderfolgenden
„Stufen”, oder nacheinander zu erreichenden
Wegstationen gesprochen, aber niemals soll‐
ten dadurch
starr bestimmte Lehrplan‐
stufen, im Sinne einer Lehr-„Methode”,
bezeichnet werden.
.Man könnte statt dem Bilde des Weges,
oder der Stufen einer Treppe, einer Leiter,
auch das Bild des wachsenden
Baumes
wählen, an dem vielleicht
klarer würde,
wie sich bei dem Vorgang des
Leben‐
lernens im Laufe der Jahre
ein Wachstums‐
zustand an den
anderen reiht, ‒ wie einer
in den anderen übergeht. ‒
.Ich kann natürlich das Wachstum des
Baumes nach den verschiedensten Systemen
einteilen, und ebenso das Vorangelangen
beim
Lebenlernen, ‒ aber alle solche
Einteilung mag zwar das Verständnis für
das Allmähliche, Aufeinanderfolgende des
Wachstums beim Baum, des Voranschreitens
beim Lebenlernen, wecken, ‒ kann aber
jederzeit auch durch
andere Einteilung
ersetzt werden.
.Der Vorgang des Vorangelangens wird
in keiner Weise verändert, ob ich ihn nun
in sieben, in achtundsechzig, oder zwei
tausend Stationen, Stufen, Grade, einteile! ‒
.Man kann also nicht sagen: ‒ „Der,
oder Jener, steht auf der soundsovielten
Stufe”, sondern nur: ‒ „er steht wohl erst
am
Anfang, er ist schon
ziemlich, oder
schon
sehr weit vorangekommen”. ‒
.(Abzusehen ist natürlich hier von „Gra‐
den” im Sinne der Freimaurerei, oder ähn‐
licher Orden, in denen der erlangte „Grad”
vergleichsweise dem erlangten militärischen
„Rang” entspricht.)
.Alles Andere ist Unsinn!
.„Unsinn”, weil
ohne wirklichkeits‐
entsprechenden
Sinn!
.Das scheint aber manchen meiner Schü‐
ler noch nicht überzeugend klar geworden
zu sein, weshalb ich es nun so deutlich wie
nur möglich dargelegt habe.
.Ich trage hier keine Theorien vor, bei
denen sich „B” aus „A”, und „C” aus „B” er‐
gibt, sondern spreche aus eigenem
Erleben!
.Ich
denke mein Leben seit vielen Jahren
nicht mehr, sondern
lebe es, ‒ und ebenso
lebe ich seitdem mein
Denken!
.Ich war durchaus nicht „bevorzugt” auf
meinem Wege, sondern mußte das „
Leben‐
können” in unvergleichlich
intensiverer
und
schwererer Art lernen, als das einem
meiner Schüler möglich würde!
.Es wurde mir wahrhaftig nichts „ge‐
schenkt”!
.Auch gibt es bei diesem „Lernen”
kein
Ende, denn es fordert immerwährende
Aus‐
übung, sobald es „gelernt”
ist.
.Der Tod des Erdenleibes berührt diese
„Ausübung” des „Gelernten” nur insofern,
als danach
dieser Leib nicht mehr
gelebt
wird, ‒ wohl aber das von diesem Leibe
gelernte
Denken, das ein Mensch im
ewi‐
gen Leben nur dann
zugleich zu leben
weiß, wenn er es hier im irdischen Leibe,
durch den Leib, „gelernt” hat...
.Wer es
nicht „leben” lernte
im Leib,
der kann es auch nach des Leibes Tod nur
träumend denken, wie er auch
sich selbst
noch lange Zeit ‒ bis er das Geistige
leben
lernt ‒ traumhaft
denkt, wenn auch
die‐
ses Denken nicht mehr in einem Gehirn
registriert wird.
.Ich rede auch nicht umsonst von unserem
substantiell-geistigen
Organismus!
.Ein „Organismus” ist mir etwas aus sich
selbst Erwachsenes und im eigenen Leben
Stehendes.
.Der irdische Leib ist mir in meinem
Sinne
kein „Organismus”, sondern eine
Kombination von
Organen.
.Ich weiß wohl, daß man auch in
anderer
Terminologie denken kann, und als ich noch
mein Leben
dachte, war sie auch die meine,
‒ aber seitdem ich mein Denken zu
leben
vermag, kann ich sie nicht mehr brauchen...
.Es mag aber jedem meiner Schüler un‐
benommen bleiben, sich alles, was ich ihm
in den
mir möglichen Worten sage, in seine
eigene Redeweise zu „übersetzen”.
.Ich meine: ‒
man sollte das Wort
nicht
„lassen stahn”, sondern man soll es vielmehr
wandeln und
sich bewegen lassen! ‒
.Aber ich werde hier meinem Schüler
noch sagen müssen, weshalb ich leider in
meinen Büchern auch recht viel
von mir
zu berichten habe: ‒ weshalb ich mich
immer wieder erwähnen muß, obwohl mir
nichts schwerer ankommt, als mich im irdi‐
schen Leben auch nur genannt zu finden.
.Daß ich also ganz gegen alle Lust und
Neigung zu verfahren gezwungen bin, hat
zweierlei Ursachen:
.Erstens bin ich, zu meinem nicht geringen
Leid, vom Geiste her
verpflichtet, mich
vor denen, die meine Worte lesen, quasi
„auszuweisen”, ganz einerlei, ob mir das
gefällt, oder nicht, und ohne Rücksicht dar‐
auf, wie ich die Art der
Aufnahme meiner
Mitteilungen durch Andere
empfinden mag.
.Ich bin, kurzweg gesagt, geistig in Pflicht,
den Lesern meiner Bücher Einblick zu ge‐
ben, auf welche Weise ich dazu gelangte, das
niederzuschreiben, was ich niederschrieb.
.Zweitens aber bin ich natürlich mir selbst
das nächstgelegene und bestbekannte, sowie
in allen Stücken
bestkontrollierbare
Erlebensfeld.
.Da ich mich nun bis in die unwahr‐
nehmbar winzigsten Neigungsfalten absolut
frei weiß, auch vom leisesten Schimmer
persönlicher, wenn auch noch so „unschul‐
diger” Selbstbetonungslust, sondern mich
selbst, weit mehr wie jeden anderen Men‐
schen, sachlich nüchtern zu betrachten ge‐
wohnt bin, so weiß ich mir auch am besten
Rede und Antwort zu stehen, wenn es sich
um Dinge handelt, deren Erleben mir ver‐
traut ist, und die ich Anderen verstehbar
machen soll.
.Es wird kein Mensch, der mich auch
nur einigermaßen kennt, den törichten Ge‐
danken je
erwägen können, ich würde mir
etwa
deshalb Material der Darstellung, weil
es mir dabei in irgend einer Weise
um
meine, mir wahrhaftig nur in strengen
Diensten stehende
Person gehe.
.Hätte ich Neigung zu persönlichem
Selbstgenuß in eitler Eigenbespiegelung,
dann wüßte ich ihn mir wahrlich auf mir
wünschenswerte Weise zu bereiten, denn
ich bin kein Asket, und die wunderliche
Lust des Asketen, sich an dem zu freuen,
was ihm
Pein bereitet, ist mir fremd...
.So, wie ich aber wahrlich sagen darf,
daß ich nicht
mich selbst suche in meinem
Wirken, so muß ich doch auch sagen, daß
mir nicht nur „das ewige Heil” meiner
Schüler Motiv meines rastlosen Wirkens
ist, sondern in gleicher Weise die Aus‐
lösung ihrer sichernden, zu jeglichem Auf‐
bau in der
Außenwelt nötigen Kräfte.
.Scharf wird freilich der Schüler schei‐
den müssen, was
ich um seinetwillen
gei‐
stig zu wirken vermag, und was an all‐
täglicher Arbeit an sich selbst
von ihm
allein getan werden kann...
.Das Leben im Geiste ist
keineswegs
dem Alltag
feind, und so muß auch der
Suchende nach geistiger Erlebnisfähigkeit,
in
allererster Linie seinem
Alltag Ge‐
nüge leisten lernen.
.Man darf sich nicht durch die über‐
spannten Phantasten aller Zeiten einreden
lassen, der Geist der Ewigkeit sei nur dann
erreichbar, wenn der Suchende aller
er‐
denhaften Darstellung des Wirklichen
den Rücken kehre.
.Das
Gegenteil von solcher Annahme
entspricht der Wahrheit!
.Wohl darf der Suchende sich niemals
derart kurzkettig an die Erde verhaften,
daß er sich nicht mehr zu „
erheben”
vermag, doch muß er jederzeit wissen, daß
auch das Irdische von Ewigkeit umschlos‐
sen ist.
.In der irdischen Außenwelt wird zwar
nur das mehrfach umgewandelte, letzte
Resultat, vom ewig Wirklichen ausgehen‐
der Kräfte ‒ in der
Reflexwirkung die‐
ser Kräfte aufeinander ‒ erfahren, aber
damit ist dem Erdenmenschen keineswegs
nur ein Schein und Schatten gegeben!
.Alle irdische Erscheinung läßt sich für
den seiner
geistigen Sinne bereits Mäch‐
tigen zurückverfolgen bis zur
Anschau‐
ungswende, von der an die alle Form
wirkenden Urseinskräfte dann als ein sub‐
stantielles
Geistiges erlebbar werden.
.So ist das Alleräußerste kontinuierlich
dem Allerinnersten
verbunden, wenn das
„
Äußere”, seiner Darstellungsform nach,
auch der ewigen
Starre: ‒ dem absoluten
„Nichts”, ‒ schon zu nahe ist, als daß es
jemals in das
Allerfreieste, das in ewiger,
unfaßlicher
Bewegung verharrende „In‐
nere”
einzugehen vermöchte.
.Da der Erdenmensch aber ein in das
Alleräußerste verirrtes
Inneres ist, so darf
er auch nur dann hoffen, wieder seiner
selbst als eines substantiell wirklichen
Inneren bewußt zu werden, wenn er von
dem Punkte ausgeht, auf dem er sich nun
einmal findet, ‒ also vom
Alleräußer‐
sten: ‒ von seiner eigenen leiblichen, und
der dieses Erdenleibliche umgebenden „
Aus‐
senwelt”. ‒
.Diese Außenwelt wird ihm, soweit es
sich um sein eigenes
Leibliches handelt,
empfindungsbewußt, und alle
Zustands‐
veränderung wird
fühlend wahrge‐
nommen.
.Was aber außerhalb des eigenen Erden‐
leibes, diesen
umgibt, gelangt nur inso‐
weit zu einer Wahrnehmung im leiblichen
Fühlen, als es eben dieses Leibliche
be‐
eindruckt, mögen die Einwirkungen
kaum
wahrnehmbar oder
überaus heftig sein,
‒ mögen sie das Gefühlsvermögen
ange‐
nehm oder
quälend erregen.
.All dieses sinnenfällig Wirkende ist je‐
doch dem Fühlen nur für den jeweiligen
Augenblick gegeben und wird sogleich
durch
neues Fühlen abgelöst, mag auch
dieses Aneinanderreihen von Augenblicks‐
inhalten zuweilen als konstantes
Währen
des Fühlens erscheinen, wie die unzähligen
Projektionsbilder, die von einem Film‐
streifen herrühren,
als währendes Bild
aufgenommen werden, solange in dieses
Bild keine Bewegung der Darsteller oder
anderer bewegungsfähiger Erscheinungen
eintritt.
.Für begrenzte Zeit, ‒ im äußersten
Falle bis zum Tode des Erdenleibes, ‒
können sich dem Bewußtsein
Erinner‐
ungsbilder ehemaligen Empfindens der
eigenen leibesbedingten Existenz, sowie des
jeweiligen Gefühlswertes der sinnenfälligen
Beeindruckungen durch die Außenwelt, er‐
halten.
.Alle
weitere Beziehung zur Außenwelt
wird dem Erdenmenschen
nur durch sein
Vorstellungsvermögen, ‒ aber die
Pro‐
dukte, die das Vorstellungsvermögen her‐
vorbringt, sind derart dem menschlichen
Willen ‒ in seinem Aspekt als
Glaube ‒
unterworfen, daß der philosophische Irrtum
auftauchen konnte, als sei „die Vorstellung”
Schöpferin der außenweltlichen Erschei‐
nungsformen.
.Wenn sie das nun auch freilich gewiß
nicht ist, sondern vielmehr das Resultat
des Vermögens darstellt, sinnlich unerfaß‐
bare Wirkungen der Ur-Seinskräfte in
Bild‐
form zusammenzufassen: ‒ gleichsam Ab‐
breviaturen komplizierter Geschehensab‐
läufe, in einer, den menschlichen Sinnen
angepaßten Formierung zu gestalten, ‒ so
bildet doch die Welt der Vorstellung auch
keineswegs die wirkliche, den physischen
Sinnen zugängliche Welt.
.Wie tiefgründig verankert dem Einzelnen
seine Vorstellungswelt auch erscheinen mag,
so wird es doch für ihn zuweilen Momente
geben, in denen er sich vor der Erkenntnis
findet, daß er noch
sehr weit davon ent‐
fernt ist, die seinen physischen Sinnen
mög‐
liche Aufnahmefähigkeit vollständig in Ge‐
brauch genommen zu haben. ‒
.Die Welt der
Vorstellung ist aber un‐
streitig die für den Einzelnen
maßgebende
Welt, einerlei, wie wenig sie der Welt ent‐
spricht, die ihm bei gänzlicher Ausnützung
der Möglichkeiten seiner Erdensinne erfaß‐
bar werden könnte.
.Nun ist aber diese, für das menschliche
Handeln so folgenschwer bedeutungsvolle
Welt der selbsterzeugten Vorstellungsbilder
ein sehr variables Gebilde, das nicht nur
durch eigene Einsichten und Erfahrungen
beeinflußt wird, sondern gleichzeitig auch
durch die Vorstellungswelten der Anderen.
.So bilden sich denn Menschengruppen
aus
vielen Einzelnen, die ihre Vorstellungs‐
welten sehr weitgehend einander angeähnelt
haben, und aus der
Feststellung solcher
Ähnlichkeit wird den Einzelnen ein schein‐
bar „schlagendes” Argument für die „Rich‐
tigkeit” ihrer Vorstellungsbilder, obwohl
diese vielleicht nur
Karikaturen der Welt
sind: der Welt, die
unverblendeten phy‐
sischen Sinnen wahrnehmbar ist.
.Der Schüler im Geistigen wird also nicht
nur immer wieder sein
eigenes Vorstellungs‐
weltbild zu überprüfen haben, sondern auch
das der
Gruppe, zu der er im Verlauf
seiner Lebensumstände hinfand, ‒ oder
auch der,
viele Untergruppen oder „Par‐
teien” umfassenden
Volksgruppe, in die
er sich hineingeboren weiß.
.Da die Forderungen des Geistes die glei‐
chen bleiben, ob es sich um den
Einzelnen,
oder um eine „
Masse” Einzelner handelt,
so
kann man nicht als Einzelner den For‐
derungen nachleben, deren Erfüllung
Vor‐
aussetzung sind für Jeden, der „in den
Geist” gelangen will, ‒ und
gleichzeitig,
ohne klaren Vorbehalt, dem Vorstellungs‐
weltbild einer Gruppe dienen, deren Äus‐
serungsformen automatisch den inneren Weg
in den Geist
verbauen.
.Es ist eine wahnwitzige Verkennung
der
Universalität des substantiellen, ewi‐
gen Geistes, etwa zu glauben, man könne
„in den Geist” gelangen, während man noch
irgend etwas, das dem Geiste zugehört,
mißachtet, oder gar mit
Haß verfolgt!
.Da aber
alle Erdenmenschheit laten‐
tes Geistiges in sich birgt, so ist
sehr sorg‐
lich zu unterscheiden zwischen der strikten
Ablehnung dieser oder jener, im Tier‐
menschlichen verankerten
Meinung oder
Haltung, und der überheblichen Ab‐
schätzung anders Meinender, handle es sich
nun um Einzelne, um Gruppen, Völker,
oder Rassen. ‒ ‒
.Daß ein Hegen von
Haßgefühlen
„geistestaub” und „geistesblind” macht,
wird leicht verstehbar sein. ‒
.Wohl soll die
Fähigkeit, Haß empfin‐
den zu können, nicht etwa
ausgerottet
werden, denn mit ihr wäre auch die Fähig‐
keit, urgeistige, ewige
Liebe zu empfinden,
ausgerottet, ‒ aber die aufkeimende Empfin‐
dung des Hasses darf nicht
gehegt, sondern
nur „
konstatiert” werden, wonach für
den Schüler im Geistigen die große Tat
beginnt, den eben in seiner ganzen Wucht
in sich vernommenen Haß ‒ in
Liebe
umzuwandeln, deren Gegenpol er ist, als
Äußerungsform
einer und der gleichen
Kraft...
.Wo also Haß ‒ gegen Einzelne, gegen
Parteigebilde, oder gegen andere Völker
gehegt wird, dort ist für den Schüler des
Geistes keine Entfaltungsmöglichkeit, und
er möge füglich den ihm dargebotenen, oder
bereits eingenommenen Platz einem über‐
lassen, der
nicht über seine mehr oder
weniger emporgezüchtete Tiernatur hinaus
will! ‒
.Welcherlei Einflüssen der Außenwelt
ein Suchender aber auch gegenüberstehen
mag, ‒ er muß stets dessen bewußt bleiben,
daß ihm
nichts in dieser Außenwelt den
Weg in den Geist ungangbar machen
kann,
solange er in genauer Befolgung den Rat‐
schlägen
nachlebt, die ich ihm überreichlich
in meinen Lehren dargeboten habe.
.Aber auf das „
Nachleben” kommt es
an, ‒ nicht auf das
Gutheißen und dafür
Schwärmen!
.Das Nachleben meiner Lehren bedingt
aber, daß der Schüler zum
allerersten:
Ordnung schaffe in Bezug auf seinen ganz
persönlichen
Alltag. ‒
.Erst wenn
da alles „
im Reinen” ist, ‒
in
allen Stücken und in
jeglicher Be‐
ziehung, ‒ hat sich der Suchende das Recht
erworben, weiterstreben zu
dürfen, und
erst dann ist auch seine Erwartung
be‐
rechtigt, daß er das ihm auf Erden
Er‐
reichbare im Geiste, auch wirklich wäh‐
rend seiner Erdenlebenszeit erreichen
werde.
.Die sehr verbreitete und beliebte „Groß‐
zügigkeit”, die da glaubt, im Streben nach
dem Geiste alles Alltägliche als Bagatelle
behandeln zu dürfen, ist sehr vom Übel!
.Mag auch eine Sache an sich
wirklich
„Bagatelle” sein, so ist doch
nie und nim‐
mer Bagatelle, ob sie
geistgemäß behandelt
wurde, oder nicht. ‒ ‒
.In einem Gleichnis der Evangelien wird
dem getreuen Haushalter gesagt: „Da du
Weniges
getreu verwaltet hast, will ich dich
über
Vieles setzen!”
.Was da gleichnishaft geformt ist, be‐
trifft aber eine der wichtigsten Forderungen
des Geistes!
.Wer es nicht dahin bringt, daß er in
seinem vergänglichen
irdischen Leben be‐
reits sich so zu verhalten weiß, daß sein
Denken, Reden und Handeln vom
Geiste
her
anerkannt werden kann, der hat noch
nicht begriffen, wozu ihm die Außenwelt
zu dienen vermag, und all sein Streben
nach urgeistigem Bewußtwerden kann ihm
nichts nützen.
.Wer aber hier in seiner Alltagswelt
auch die kleinste Entscheidung zum Han‐
deln, ‒ und werde sie auch in äußerster
Eile von ihm verlangt, ‒ mit aller
Selbst‐
verständlichkeit in
solcher Weise trifft,
als sei sein ewiges Heil
nur von dieser
einen Entscheidung
abhängig, der steht
dem geistigen Bewußtwerden schon viel
näher als er ahnt, und selbst wenn seine
vererbten Anlagen einer vollen Entfaltung
hier in seinem Erdenleben entgegenstehen
sollten, geht er doch
als ein Bewußter
in die Ewigkeit ein! ‒
.Weniges ist im Verlauf der Mensch‐
heitsgeschichte ‒ auf allen Weltteilen und
jeder Kulturstufe ‒ derart
mißverstan‐
den worden, wie die in jedem Erdenmen‐
schen mehr oder weniger regsame Erahn‐
ung des substantiellen, ewigen Geistes im
eigenen menschlichen Selbst!
.Verführt durch platte gedankliche Schluß‐
folgerung, meinte und meint heute noch
der dem Geistigen suchend Zugewandte, es
müsse das alltägliche, physisch-sinnlich zu
erlebende Dasein dem Geiste gewissermaßen
greuelhaft und ein Abscheu sein.
.Aus solcher Meinung glaubt man sich
berechtigt, folgern zu dürfen, daß es un‐
möglich sein müsse, in den Geist zu ge‐
langen, wenn nicht das erdenhafte Alltags‐
leben verachtet, und wie eine arge Schmach
und Schande betrachtet werde.
.Bis auf den heutigen Tag kann man
die Wenigen leicht zählen, die über solche
hemmende Überlieferung hinausgelangten
und alsdann erkennen lernten, daß der
Weg in den
ewigen,
substantiellen Geist
mitten im zeitlichen, scheinbar so nichtigen
Alltag beginnt...
.Es kann aber Niemand
Schüler gei‐
stiger Schulung sein, der sich nicht zu
solcher primären Erkenntnis durchzuschla‐
gen weiß!
.Als ich, bald nach der Jahrhundert‐
wende, vor über dreißig Jahren, die ersten
Versuche unternahm, das, was mir bis da‐
hin an lebendig erfahrenen geistigen Auf‐
schlüssen geworden war,
in sprachliche
Form zu fassen, ‒ aber auch noch ein
Jahrzehnt später, nachdem mein geistiges
Erleben wie meine Versuche das Erfahrene
darzustellen, zu einem vertrauten Ge‐
schehen und Tun geworden waren, ‒ dachte
ich nicht im Traum daran, etwas aus dem,
zur Verhütung jeglicher Profanation in
von mir eigens ersonnener Geheimschrift
Niedergelegten, schon
während meines Er‐
denlebens zu veröffentlichen.
.Es war mir vielmehr zu selbstgetroffener
Anordnung geworden, daß ich in entspre‐
chender Zeit den „Schlüssel” meiner Ge‐
heimschrift einer mir vertrauenswert er‐
scheinenden Persönlichkeit übergeben würde,
der es dann obliegen sollte, das Vorgefun‐
dene
nach meinem Tode in geeigneter
Weise herauszugeben.
.Zwischen meinen Papieren befand sich
außerdem jahrelang in verschlossenem Um‐
schlag eine diesbezügliche „letztwillige Ver‐
fügung” und eine zweite Aufzeichnung
des Schriftschlüssels, für den Fall plötz‐
lichen Todes,
vor der erfolgten Einsetzung des
zu betrauenden „Testamentsvollstreckers”.
.Ich ahnte nicht, daß ich eines Tages
selbst diese vorzeitige „Hinterlassenschaft”
der Öffentlichkeit zugänglich machen, und
das sorglich in nur mir selbst verständ‐
licher Schrift Niedergelegte, für den
Setzer
transkribieren sollte. ‒ ‒
.Nachdem mein bedeutsamster geistiger
Führer und Belehrer, der begreiflicherweise
allein für mich „
Autorität” geworden
war, bei Gelegenheit eines Besuches, mir
zum erstenmal überzeugend klargelegt hatte,
daß es mit dem bloßen
Hinterlassen von
Lehrtexten nicht getan sei, sondern daß
auf mir die Verpflichtung laste, das Nieder‐
geschriebene
persönlich,
während mei‐
nes äußeren Erdendaseins, vor aller
Welt zu vertreten, ‒ geriet ich für lange
Zeit in einen Zustand unsagbarer Be‐
drückung, da ich Tag um Tag vergeblich
nach einer Möglichkeit suchte, ein solches
notgedrungene Sich-selbst-offenbaren-müs‐
sen mit meinem geistbegründeten Bedürf‐
nis nach Verborgenheit und Isolation zu
vereinen.
.Diesen inneren Plagen vermochte ich
mich erst zu entwinden, nachdem mir der
gleiche, voll Ehrfurcht geliebte, väterliche
geistige Leiter
erneut begegnet war, ‒
diesmal fern von meiner Heimstatt, ‒
und ich dann, während eines Jahres gei‐
stiger und künstlerischer Arbeit in Grie‐
chenland, auch noch mit anderen Männern
bekannt gemacht wurde, deren geistiger
Bruder ich fortan sein sollte.
.Von
Athen aus sandte ich daraufhin
auch das erste kleine Manuskript, unter
dem Titel „Das Licht vom Himavat”, ‒
vorerst nur mit den drei
Anfangsbuch‐
staben meines mir von Lehrer und Brü‐
dern übertragenen geistigen Namens signiert,
‒ probeweise in eine begrenzte Öffent‐
lichkeit.
.Das geschah im Jahre 1913.
.Die Aufnahme der kleinen Lehrschrift
war weit besser als ich vorher erwarten
zu dürfen glaubte.
.Jetzt ist das damals
einzeln Veröffent‐
lichte dem „Buch der Königlichen Kunst”
wieder einbezogen, dessen Material ich es
zuerst entnommen hatte.
.Als dann in der Folgezeit fast kein Jahr
verging, in dem nicht eines der, wenn auch
zumeist wenig umfangreichen Bücher von
mir erschien, ‒ oder gar Verschiedenes
zugleich herauskam, ‒ wußten manche
Leser nicht recht, sollten sie solche reiche
Produktion bewundern, oder den Autor
unter die „Vielschreiber” einreihen?
.Man konnte ja nicht wissen, wie vieles
von dem, was da so bald nacheinander
herausgegeben wurde, schon viele Jahre lang,
fast druckfertig geformt,
in meinem
Schreibtisch verschlossen lag, oder aber
in Griechenland, lang vor dem Erschei‐
nen, niedergeschrieben worden war.
.Es gehört dazu: fast alles im „
Buch
vom lebendigen Gott” und im „
Buch
vom Menschen”, ‒ fast alles in „
Mehr
Licht!” und im „
Buch der Königlichen
Kunst”, sowie manches im „
Buch der
Gespräche”, ‒ ganz abgesehen von dem
vielen, das zwar schon einmal schriftlich
niedergelegt war, aber von mir umgeformt
werden mußte, weil es in seiner erstmals
gegebenen Form nur
nach meinem Tode
hätte veröffentlicht werden sollen.
.Nachdem mir die Aufgabe verpflichtend
geworden war, schon
während meines
äußeren Erdendaseins über alle in mei‐
nen Büchern zur Sprache kommenden Dinge
reden zu müssen, konnte das unmöglich
in der ehedem gewählten Form einer
geistigen
Hinterlassenschaft geschehen.
.Ich erwähne alle diese Dinge hier, weil
ich zuweilen einer allzu „literarisch”
eingestellten Auffassung meines lehrenden
Wirkens begegne, die sich unerlaubt weit
von den gegebenen Tatsachen entfernt.
.Mich hat zu keiner Zeit auch nur der
mindeste literarische Ehrgeiz geplagt!
.Die Dinge über die ich schreibe ‒ trotz
ihrer Gegenwehr gegen alles Dargestellt‐
werden ‒ in sprachliche Form zu zwingen,
war mir jederzeit härteste, hart verantwort‐
liche
Verpflichtung, deren ich mich nur
zu gerne entledigt haben würde, wäre das
möglich gewesen.
.Ich schreibe nicht um mich am Schrei‐
ben zu erfreuen!
.Nichts von allem, was ich bis zu dieser
heutigen Stunde schriftlich gegeben habe,
ist etwa „
leicht” geschrieben worden, was
auch ganz unmöglich wäre, da die fast un‐
tragbare
ewige Verantwortung, die mir
nicht abgenommen werden
kann, mir zur
Pflicht setzt, nicht nur jeden
Satz, sondern
jedes
Wort und jede
Silbe daraufhin zu
prüfen, ob sie taugliche Träger des ihnen
anvertrauten Inhalts sind, ‒ nicht im
lite‐
rarischen Sinn, sondern in Bezug auf die
in den Worten dargebotene Tragfähigkeit
für
substantiell Geistiges!
.Überall, wo es nötig wird, sind die von
mir formulierten Sätze, Worte und Silben
mit substantiellem Geistigen ‒ gleichnis‐
weise gesagt: ‒ „
geladen”.
.Ich kann den dazu nötigen, im
höch‐
sten Sinne „magischen” Vorgang, weder
beschreiben noch lehren, sondern nur dar‐
auf hinweisen, daß es sich dabei um gar
nichts Mysteriöses, wohl aber um das Be‐
nützen der in fast allen Sprachelementen
latent vorhandenen, und beim lauten oder
auch nur „gedachten” Aussprechen frei‐
werdenden substantiell geistigen Schwing‐
ungen handelt.
.Viele haben sie bewußt
empfunden,
ohne zu ahnen, wie die von ihnen wahr‐
genommene Hilfe in den ihnen dargebotenen
Worten „akkumuliert” war...
.Aus dieser Darlegung eines außerge‐
wöhnlichen Sachverhalts, ‒ die ich nur
mit erzwungener Überwindung begreiflicher
Scheu vor den Unterstellungen des Unver‐
standes niederschreiben kann, ‒ ergibt sich
schon klar genug: wie man meine Bücher
nicht gebrauchen soll!
.Man soll sie
nicht wie etwas mehr oder
weniger Interessantes, Phantastisches, Seltsa‐
mes, oder auch vertrauend Hingenommenes,
auf die Art „lesen”, wie man gemeinhin
heute zu lesen pflegt: ‒ also indem man
nur noch in
Satzgruppen, ‒ kaum mehr
in Sätzen, ‒ liest, und immer schon
irgend‐
woanders ist als beim
Sinn eines
Wortes,
das man soeben „überflogen” hat. ‒
.Man soll sie nicht lesen in der Meinung,
sie seien nach der längst stereotyp gewor‐
denen Auslegung zu verstehen, die man
gewohnheitsmäßig allem Gelesenen zuteil
werden läßt. ‒
.Ich bin schon aus den oben erwähnten,
das
substantielle Geistige betreffenden
Verpflichtungen heraus genötigt, sehr oft
das sonst Gewohnte in
ungewohnter Weise
anzuwenden, weil ja Rhythmen, Vokal- oder
Konsonantwiederkehr und Ähnliches,
nicht
nur
stilistisch bedingt sind, ‒ ganz ab‐
gesehen davon, daß ich mir das Recht geben
muß, die Worte so anzuordnen, die Sätze
so zu gestalten, daß sie
mir selbst das aus‐
drücken, was ich anderen Menschen ver‐
mitteln will.
.Unmöglich kann ich anders beurteilen,
ob ich meiner Pflicht Genüge leiste, oder
nicht!
.Um wirklich das
aufnehmen zu können,
was in meinen Büchern
gegeben ist, wird man
sehr bedachtsam lesen lernen müssen. ‒
.Allerdings wird sich
solches Lesen dann
lohnen!
.Beim
allerersten Lesen sollte man sich
vorerst noch um nichts anderes kümmern,
als um den allgemeinen „
Inhalt”, so, wie
er sich auch dem
eilfertigen Leser dar‐
stellt, der niemals „Zeit” hat.
.Das Buch, das der Schüler in der Hand
hält, muß bereits seine Neugier: zu wissen,
was drinnen steht,
befriedigt haben, wenn
er es dann auf eine
andere Art zu lesen
unternimmt, die in seiner ewigen Seele und
in seinem eigenen
substantiell-
geistigen
Organismus ein helles, beglückendes
Auf‐
klingen bewirken kann...
.Solange eine Stelle in einem meiner Bü‐
cher, die vom wirklichen ewigen Geiste und
den Dingen des substantiellen geistigen Le‐
bens handelt, noch nicht den
freudigen
Widerhall weckt, den man empfindet, wenn
etwas lang Vergessenes, dem voreinst unsere
Liebe gehörte, wieder vor uns genannt
wird, ‒ solange ist die betreffende Text‐
stelle noch nicht verstanden!
.Es hat aber gar keinen Zweck, nun über
diese Stelle zu
grübeln, oder gar eine Emp‐
findung
künstlich herbeiführen zu wol‐
len, die nun einmal noch nicht von innen
her zum Aufklingen kommt.
.Auf solche Weise könnten nur die übel‐
sten Selbsttäuschungen Nahrung erhalten!
.Ist die Empfindung des
Wiederer‐
kennens, die sogleich volle
Sicherheit
gibt, und mit einer tiefen
Freude auf‐
genommen wird,
noch nicht da, dann lasse
man jede solche Textstelle vorläufig auf
sich beruhen, und wende sich
anderen
zu, die im gegebenen Augenblick etwas zu
sagen haben.
.Der Schüler wird das gleiche Buch noch
unzähligemale zur Hand nehmen müssen,
wenn es ihm geben soll, was es zu geben
hat! ‒
.Durchaus verfehlt wäre es jedoch, wenn
man sich in den Kopf setzen wollte, dieses
eine Buch in dem man gerade liest, nun
solange
immer wieder zu lesen, bis es
alles, was es zu geben hat, dargeboten habe.
.Auf diese Art würde der Suchende nicht
nur nichts erreichen, sondern sich innerlich
derart abstumpfen, daß er bestenfalls erst
nach Jahren wieder fähig würde, eines der
Bücher aufgeschlossenen Sinnes und mit
Nutzen zu lesen.
.Man darf mir wahrhaftig glauben, daß
es nicht aus Willkür geschah, wenn ich das,
was mir zu lehren oder darzustellen oblag,
auf die verschieden in sich abgeschlossenen
kleinen Bändchen verteilte.
.Und wenn ich jeweils ein solches Bänd‐
chen als „Buch” bezeichne, so entspricht
das durchweg seinem
Inhaltsgut, dem ich
weit leichter in
umfangreichen Darleg‐
ungen hätte Ausdruck schaffen können,
als es in der, zum Besten des Schülers
durchgeführten, auf den knappesten Raum
gedrängten Form möglich war.
.Wer etwas näher zusieht, der wird nicht
nur bemerken, daß es gewiß nicht schwer
gewesen wäre, den Inhalt eines solchen,
wenig umfangreichen „Buches”, zum An‐
laß eines recht voluminösen Bandes werden
zu lassen, ‒ aber man wird bei solcher
Prüfung auch entdecken, daß es nicht nur
seine guten Gründe hatte, weshalb ich statt
dessen, dem Menschen unserer Tage, ‒
der „keine Zeit” zum Lesen hat, ‒ alles
in „Büchern” darbot, deren Umfang zu
beschränken meine stete Sorge war, son‐
dern man wird auch sehen, daß die von
mir getroffene
Sonderung durch
psycho‐
logische Gegebenheiten gerechtfertigt ist.
.Wenn einer seine Mitmenschen über
persönliche, vielleicht recht unmaßgebliche
Auffassungen außererdensinnlicher Dinge
belehren will, dann kann das gewiß
in
einem einzigen Buche geschehen, das dann
zum Volumen eines Lexikonbandes an‐
schwellen mag, ohne dadurch an Wert zu
gewinnen oder zu verlieren.
.Wenn ich aber Menschen, die in ihre
substantielle
Geistigkeit hinzufinden su‐
chen, derart führen will, daß sie zu
Fin‐
dern werden, dann muß ich mit den durch
die Art des Ablaufs der Gehirnbewegungen
gegebenen
Auffassungsmöglichkeiten
im Menschen rechnen, und noch mit vielem
Anderen mehr, ‒ so daß ich
nur dann
Hilfe bringe, wenn ich das erstrebte Hoch‐
ziel immer wieder von
anderer Seite her
sehen lasse.
.So habe ich denn auch meinem gei‐
stigen Schüler nur zu raten, daß er sogleich
zu einem
anderen meiner Bücher greifen
möge, sobald er bemerkt, daß den eben
aufgenommenen Lehrworten und Schilder‐
ungen kein inneres Entgegenklingen zu
antworten vermag.
.Und zwar soll er solchen Wechsel
so oft
vornehmen, bis er bei
dem Buche ange‐
langt ist, das ihm Werte zu geben hat, die
im gegebenen Zeitpunkt innerlichen
Wider‐
hall wecken.
.Wir sind durchaus nicht zu jeder Zeit
imstande,
das Gleiche aufzunehmen!
.Zu verschiedenen Zeiten bedarf es nicht
nur verschiedener Ausdrucksgestaltung, son‐
dern auch einer anderen „Perspektive”
aus der wir den befragten Gegenstand un‐
seres Erfahrenwollens erblicken können,
soll er uns die von ihm verlangte Antwort
geben.
.Da aber nun in meinen einzelnen Bü‐
chern dem Geistigen immer
neuer Aus‐
druck gesucht und gefunden wird, und da
ich das, was des Geistes ist, auch aus allen
nur in Betracht kommenden Gesichtspunk‐
ten heraus betrachten
lehre, so wird der
Suchende nie in Verlegenheit kommen,
welches meiner Bücher er im gegebenen
Augenblick zu wählen hat.
.Man wird aber gut tun, das, was in
meinen einzelnen Büchern zu Worte kommt,
nicht miteinander zu
vermischen!
.Alles
vereint sich zwar mit Notwendig‐
keit Allem, was ich jemals darzustellen im‐
stande bin, aber ich habe es von Anfang
an nicht für zwingend nötig erachtet, in
allen Büchern streng nach der gleichen Wort‐
Verwendungsweise zu sprechen, weil solche
Ausdrucksbegrenzung mich gezwungen hätte,
Allzuvieles ungesagt zu lassen, was zu sa‐
gen mir am Herzen lag, ‒ nachdem ich
wußte, wie sehr die Suchenden seiner be‐
dürfen.
.So könnte es denn, ‒ da ich in meinen
Büchern kein „System” einer „Weltanschau‐
ung” zu geben trachtete, und jeweils das
geschilderte Erleben nur als
für sich ge‐
sehen zu schildern suchte, leicht zu gewiß
nicht gewollten Irrtümern führen, wenn
die Redeweise des einen Buches mit der
des anderen
untermischt werden würde.
.Einer tieferen Einsicht wird sich den‐
noch natürlich bald zeigen, daß alle Aus‐
sage miteinander im Tiefsten harmoniert,
möge sie nun in
dieser oder
jener Hin‐
sicht auf Besonderes, ihre
eigene Betonung
tragen.
.Immer wieder wird es sich darum han‐
deln, ob man meine Bücher nur als „
Lese‐
stoff” betrachtet, oder in ihnen taugliche,
und wahrlich schon von Vielen
erprobte
Hilfen sieht, um auf den Weg zum Geiste,
und zuletzt „in den Geist” zu gelangen. ‒
.Als
Anweisungen, den Weg „in den
Geist” zu
finden, sind diese Bücher ge‐
dacht!
.Das Motiv meiner Niederschriften lag
von Anfang an sehr ferne dem Wunsche
oder der Hoffnung, als Schreibender etwa
von anderen Schreibenden beachtet werden
zu wollen.
.Es ging mir viel zu sehr um den von
mir selber bestimmten
Zweck meines
Schreibens, als daß dieses selbst mir be‐
achtenswert
an sich erschienen wäre.
.Ich kann aber freilich keine Wunder
wirken, und wenn ich es könnte, würde ich
es gewiß nicht tun, da ich schon den bloßen
Wunsch: „es möge sich ein Wunder er‐
eignen”, nicht mit der Struktur des mir
erlebensoffenen substantiellen ewigen Gei‐
stes in Einklang zu bringen vermöchte.
.Trotz allem, was ich meinen Büchern
mitgegeben habe, genügt es daher nicht,
sie nur gelegentlich zur Hand zu nehmen,
darin zu blättern, und sich irgend eine
Stelle eine Zeitlang durch den Kopf gehen
zu lassen.
.Wenn diese Bücher
richtig gebraucht
werden sollen, so daß sie zu geben
ver‐
mögen, was sie zu geben haben, dann
müssen sie
ständige Lebensbegleiter des
Schülers im Geistigen werden.
.Es darf kein Tag vergehen an dem sie
nicht vernommen würden! ‒
.Das ist schon darum nötig, weil der
Suchende sich in einer
Zeit und einer aus
ihr gezeugten
Welt findet, deren Tendenzen
noch immer auf Durchdringung und mög‐
lichste Beherrschung des
Alleräußerlich‐
sten gerichtet sind, während er selbst seine
Eigenrichtung auf das
Allerinnerste zu
bewahren suchen muß.
.Die heutige
Zeit ist nicht besser und
nicht schlechter als irgend eine andere!
.Die heutige
Welt ist in jeder Beziehung
Ausdruck dessen, was der heutige Mensch
auf Erden
durchlebt haben muß, soll seine,
seit vielen Jahrhunderten beibehaltene Stre‐
bensrichtung ins
Äußere und
Aller‐
äußerste, wieder
umkehrfähig werden
und sich dem Inneren zuwenden
können.
.Man darf sich nur eine solche Umkehr
nicht wie eine Art „Massenbekehrung” vor‐
stellen!
.Was wirklich
wandlungsfähig wurde,
wird
ganz unvermerkt gewandelt, ‒ und
so stehen wir heute bereits mitten
in der
Verwandlung, während doch die Meisten
meinen, es gehe immer noch
weiter nach
außen hin...
.Die Augen sind vorerst noch zu sehr
an das Suchen
weit draußen vermuteter,
oder nur erhoffter Horizonte gewöhnt, als
daß sie heute schon klar zu erkennen ver‐
möchten, wie
verkrampft bereits alles Stre‐
ben ins Äußere, Alleräußerlichste wurde,
weil es nur noch peripheres
Ausbeben‐
müssen längst schon in ihre Triebkraft‐
quelle
zurückgenommener Allmensch‐
heitsimpulse ist. ‒
.Wie ein kaum noch leuchtendes Kerzen‐
licht kurz vor dem Erlöschen noch einmal
überhell aufflackert, so feiert heute der
Trieb ins Äußere Triumphe die nichts
anderes als Bestätigungen seines
Erlöschen‐
müssens sind, weil die Richtungsumkehr
bereits unvermerkt überall dort
begonnen
hat, wo sie die ihr gemäßen Bedingungen
erfüllt fand.
.Die großen Allmenschheitsimpulse
bie‐
gen die Strebenskräfte
um, aber sie
bre‐
chen sie nicht!
.In solcher Zeit ist das Denken, Reden
und Tun des Einzelnen weitaus bedeutungs‐
voller als
inmitten der noch
nicht end‐
nahen Auswirkung zeitbedingter Allmensch‐
heitsimpulse.
.Mehr als jeder Andere braucht aber der
Suchende nach seinem eigenen geistgegebenen
Seinsmittelpunkt, in solcher Zeit eine innere
Erfahrungswelt, in der schon das dem Äus‐
seren noch
Zukünftige, in wirklichkeits‐
gemäßer Gestaltung
wirkungskräftig ist...
.Diese geistig bestimmte Erfahrungswelt
im Innern des Suchenden ihm eröffnen
zu
helfen, ist eine der vornehmlichsten Auf‐
gaben meiner Bücher.
.Sie können diese Aufgabe aber nur dann
erfüllen, wenn der Suchende sie
Tag für
Tag zu Rate zieht und dabei stets der
tausendfach erwiesenen Tatsache eingedenk
bleibt, daß er sie
niemals zu
erschöpfen
vermag.
.Ich darf getrost behaupten, daß ein
Mensch, wenn er viele Jahrhunderte auf
Erden in seinem Leibe zu leben vermöchte
und tagtäglich in innerer Gemeinsamkeit
mit meinen Büchern wäre, doch den Tag
nicht erleben würde, an dem er behaupten
dürfte, diese Bücher hätten ihm nichts Neues
mehr zu sagen.
.In Zeiten der
Umkehr der allmensch‐
heitlichen Strebensrichtung hält sich gar
Vieles für sehr fortschrittlich und zu‐
kunftsbildend, was in Wahrheit nur letzte
Nachwirkung des bedenklichen Willens zum
Festhalten des
Gewesenen ist.
.Daher ist der Suchende immer in Gefahr
arger Täuschung, wenn ihm nicht Einsichten
zugänglich sind, die das
in Wahrheit
Zukunftsbildende klar erkennen lassen.
.Solchen Einsichten aber wird er fast
auf jeder Seite meiner Bücher begegnen.
.Läßt er sich tagtäglich durch sie beraten,
dann wird sich ihm die Zukunft
in seiner
eigenen Gegenwart bereits offenbaren,
und er wird
Mitschöpfer des
Kommen‐
den sein aus
eigenem vorempfangenen
Erleben!
.Dann erst wird er an sich selbst erfahren,
daß das irdische Dasein auch in den
schwer‐
sten und
traurigsten Zeiten seinen „Sinn”
nicht verlieren kann, ‒ daß es ihn aber
nicht etwa im
Denken und
Gedachten
hat, sondern in der Fähigkeit, geistgemäß
handeln zu können.
.Wer mir „Schüler” im Geistigen sein
will, der ist es keineswegs schon, weil er
so
denkt, wie er mich denken findet oder
zu finden
glaubt, ‒ sondern wird es erst
dann, wenn
sein tätiges Leben sich derart
umgestaltet, wie die Ratschläge meiner Bü‐
cher das nahelegen!
.Kann er sich dann eines Tages sagen,
daß diese Bücher ihm zum Anlaß wurden,
ein neues, von innerer
Gewißheit und frü‐
her ungekannter
Tätigkeitsfreude erfülltes
Leben zu beginnen, und daß er nicht mehr
ohne die Lehren und Anregungen, die ich
für ihn niederschrieb, leben möchte, ‒
dann hat er meine Bücher gebraucht, „
wie
sie gebraucht sein wollen”!
.Gleich anderen Dingen dieser Welt, wer‐
den auch Bücher nicht allein durch ihren
Eigenwert zum Segen oder zum Fluch,
sondern mehr noch durch die Art, wie man
sie
gebraucht.
.So hängt denn auch die Auslösung der
substantiellen geistigen
Hilfe die meine
Bücher zu bringen vermögen, in hohem
Maße von der Art des
Gebrauchens durch
den Leser ab.
.Es gibt nichts auf Erden, was man nicht
mißbrauchen, ‒ was man nicht seinem
segenbringenden Gebrauchtwerden ent‐
fremden könnte! ‒
.Meine Bücher machen da gewiß keine
Ausnahme.
.Wer sie aber heute noch nicht in rechter
Weise zu gebrauchen versteht, der lege sie
lieber einstweilen noch beiseite, bis er sie
so zu gebrauchen
weiß, wie sie es verlangen
müssen.
.Er wird
nicht vergeblich auf sein
besseres Verstehenkönnen warten, wenn nur
der
Wille, zu Licht und Klarheit zu kom‐
men, lebendig bleibt!
.Nur
solche Menschen werden durch
den Gebrauch meiner Bücher den inneren
Frieden finden, die in Wahrheit vor ihrem
eigenen Gewissen: „
guten Willens” sind....
ENDE
WEGWEISER
gegründet 1816
KOBER`SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
Bô Yin Râ ist der Autorenname von
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Unveränderter Nachdruck
der 1928 erschienenen Erstausgabe
©
1971 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Letztes Laub löste herbstlicher Sturm
von erstarrten Ästen.
.Welk und gelb, oder rostbraun und
rascheldürr, deckt es weithinverweht den
Weg.
.Was einst im Frühling zu grünem Leuch‐
ten sproßte, was kühlen Schatten bot in
schwüler, mittäglicher Sommersonnenhitze,
das liegt nun abgestorben und zertreten auf
der feuchten Erde:
‒ Beute des Moders und der Fäulnis Fraß!
.Das ist die bange, nebeltrübe Zeit der
Sonnenferne!
.Das ist das große Sterben der Natur! ‒ ‒
.So sagen die empfindsamen Dichter und
trauern dem entschwundenen Sommer nach.
.Aber: ist wirklich alles Leben nun er‐
storben?
.Sind wirklich die Äste so starr und leb‐
los geworden, seit sie ihre Blätter lassen
mußten? ‒
.Hebe deinen Blick vom Boden und bleibe
nicht im Banne der Verwesung, dann wirst
du allerorten schon die treibenden Knospen
gewahren, und dort der Haselnußstrauch trägt
gar schon die ersten, noch unerschlossenen
Blütengehänge!
.Kaum ist die Frucht geerntet und das
letzte Blatt gefallen, da zeigt sich schon Ver‐
heißung neuen Grünens, neuen Blühens,
neuer Frühlingsherrlichkeit.
.Würde jetzt eine kurze Reihe warmer
Sonnentage kommen, dann könntest du als‐
bald das erste junge Grün an jedem Busch
entdecken.
.Noch aber sind eisige Stürme zu erwarten,
so daß es gut ist, wenn vorerst die treibende
Knospe noch umpanzert bleibt. Das Leben
in ihr braucht noch Schutz.
.Doch: ‒ kaum ist der Schnee zu Wasser
geworden und in die Furchen der Felder
versickert, so regt sich auch, was jetzt noch,
fast mit Gewalt, in der Knospe zurückge‐
halten wird.
.Alljährlich willst du wieder aufs neue
so recht geruhsam den Frühling einziehen
sehen, und immer wieder überrascht er dich
mit seinem jungen Grün fast über Nacht.
.Ein paar Sonnentage nach einem warmen
Regen, und an jedem Ästchen ist bereits
das neue Laub.
.Für eine dir gar zu lange währende Zeit
muß das Leben alle Kraft gebrauchen, sich
selbst zurückzuhalten um seine Gebilde vor
der Zerstörung zu schützen.
.Dann aber befreit es sich von allen Ban‐
den und leuchtend sproßt Gestaltetes all‐
überall hervor...
.Gewahrst du nicht, wie hier Natur dich
belehrt?!
.Auch du bist wahrlich nicht immer in
Lichtesnähe.
.Auch du hast deine Gezeiten, deren Ab‐
lauf dein eigener Lebensrhythmus bestimmt.
.Kaum glaubtest du alles errungen und
fühltest dich nur allzugesichert in deiner
prangenden Kraft, ‒ da überkam dich plötz‐
lich ein Ermatten, das mit jedem Tage dir
mehr von deiner Zuversicht nahm, und end‐
lich liegt alles, was deinen Stolz verursacht
hatte, vor dir am Boden...
.Nun glaubst du alles Leben in dir er‐
storben, und eitle Torheit meinst du zu
vernehmen, wenn man dir sagt, daß deine
Ermattung die gewisseste Verheißung neuer
Lebenswirksamkeit in sich birgt.
.Noch kennst du deine Gezeiten nicht
und willst nicht begreifen, daß auch
dein
Geist nur
in rhythmischem Wechsel
sich auswirken kann. ‒
.Auch in den Tagen deiner größten Lichtes‐
ferne ist das Leben in dir wirksam.
.Das Kommende wird in dir vorbereitet,
auch wenn du nicht darum weißt...
.Siehe: auch du wirst wieder dem Lichte
so nahe sein wie ehedem!
.Du wirst dich entfalten zu neuer Pracht,
nachdem du deine stillen Zeiten jeweils in
Geduld ertragen hast! ‒
.Laß' dich nicht betören, traurig und
dumpf, düsteren Trübsalsträumen Sinn und
Sehnen zu überlassen, wie einer, der nichts
mehr zu hoffen hat!
.Sei deiner stets sich erneuernden Kraft
bewußt, und glaube an dich selbst!
.Du schaffst dein Schicksal in deinen
stillsten Stunden, und in den Tagen deiner
weitesten Lichtesferne bilden sich in dir
die Keime, denen dann ein neuer Früh‐
ling sichtbarliche Form verleiht! ‒ ‒
.Lerne dir selbst vertrauen und vertreibe
alle Unrast aus deiner Seele, damit die
Stille in dir gestalten kann, was weiter
werden soll!
.Der Grad der Wahrheitserkenntnis eines
Menschen wird bestimmt durch seine
Er‐
lebnisse; durch die
Intensität seines Er‐
lebens, ‒
nicht aber durch die
Erschei‐
nungen, die dieses Erleben
auslösen.
.So einfach und leicht begreiflich diese
Tatsache auch ist, so wenig wird sie begriffen.
.Man begegnet allerorten einer maßlosen
Überschätzung des
Phänomens, während
die
Erlebnisfähigkeit in den allermeisten
Fällen derart
verkümmert ist, daß es erst
besonderer Sensationen, unerhörter äußerer
Anregungen bedarf um sie vorübergehend
noch zu erwecken.
.Wer darf sich wundern, daß dann auch
die so erzielten „
Erlebnisse” der vermin‐
derten
Fähigkeit zum Erlebenkönnen ent‐
sprechen?!
.Was man „erlebt”, ist nur noch
Schaum
der Oberfläche, da die Fähigkeit fehlt,
tiefer in die Erscheinung einzudringen, mag
sie auch mit der Lanzette scheinbar bis ins
Innerste zerlegt und unter dem Mikroskop
bis zu den feinsten Fasern erforscht werden.
.Auch wenn die physikalischen Bedin‐
gungen der Erscheinung genauestens nach
exakter Forschungsmethode erkannt sind,
bleibt dennoch ein letztes, auf solche Weise
niemals Erkennbares: ‒ die „
Seele” der
Erscheinung, die nur erkannt werden kann,
wenn die Erlebnisfähigkeit derart entwickelt
ist, daß sie auch auf Anstöße reagiert, die
den physischen Sinnen
völlig unwahr‐
nehmbar bleiben.
.Für solches Erkennen ist es belanglos, ob
man die Erscheinung bis auf ihre innersten
Fasern seziert, oder sie in der Gesamtheit
ihrer Formkomplexe auf sich wirken läßt,
ohne sie erst mechanisch, sei es auch durch
die Mechanik des Denkens, in ihre einzel‐
nen Teile aufzulösen.
.Es besteht an sich durchaus keine Be‐
dingtheit der Tiefe und Bedeutung des
Erlebens durch die Umfänglichkeit, oder
die mechanische Wucht in der eine
Er‐
scheinung wahrgenommen wird!
.Ein Feuerwerk kann das Auge blenden,
und mit ungeheurem Geprassel und Ge‐
knatter enden, ‒ dennoch kann ein win‐
ziger Glühwurm im Dunkel sommernächt‐
lichen Waldes Anlaß zu einem weit tieferen
Erlebnis werden als es jemals die Künste
des Pyrotechnikers in uns hervorzurufen
vermöchten...
.So ist es mit
aller Erscheinung, möge
sie nun durch das Auge, das Ohr, oder einen
anderen physischen Sinn von uns „aufge‐
faßt” werden!
.Gewiß kann die Majestät ragender Hoch‐
gebirgsgipfel, oder die tosende Wildheit an‐
stürmender Meeresbrandung Ursache tiefen
und starken Erlebens werden, aber auch
Allerkleinstes und
scheinbar Unbe‐
deutendstes kann gewaltiges Erlebnis
wecken.
.Unzählige Menschen, ‒ und wahrlich
nicht die seelisch kältesten, ‒ sind dauernd
in der
Erwartung eines ungeheuren Er‐
lebens, das ihre innersten Tiefen erschüttern
könne, ‒ und weil alle Sehnsucht dieses
Erleben nicht herbeiziehen kann, hasten
sie unstet suchend von Erscheinung zu Er‐
scheinung, befangen im Wahn, das erhoffte
Erleben müsse zu
erreichen sein, fände
man nur die gewaltige
Erscheinung, die
durch ihre Ungeheuerlichkeit die Seele über‐
wältigen könne.
.So bleibt ihnen schließlich kein Wunder
der Natur mehr fremd und alle Erdteile
werden ihnen vertraut, aber die Sehnsucht
der Seele bleibt dennoch ungestillt.
.Andere wieder suchen die große Erfül‐
lung in den Bereichen der Kunst, der Wissen‐
schaft, oder des abstrakten Denkens, ‒ und
wieder andere, besonders in heutigen Tagen,
erwarten alles Heil von den „Wundern der
Technik”, wenn sie nicht gar die sportliche
„Sensation” und den Kitzel verwegenen
Spiels um Leben oder Tod, als Opfer einer
Selbsthypnose, für das mit allen Kräften
ersehnte
Erlebnis halten.
.Keiner denkt daran, daß alle die zeit‐
weiligen
Erregungen, die er sich solcherart
verschafft, ‒ mögen sie ihm nun auf Höhen
oder in den Niederungen der Erscheinungs‐
welt zuteil werden, ‒ nur
Betäubung,
ja
Betrug an der eigenen
Seele sind, die
nach
wie vor ihr Recht verlangt,
das Glück
des Erlebens zu empfinden in dem sie
ihrer selbst bewußt zu werden vermag.
.Solches Erleben aber kann jeder
in
seinem allernächsten Umkreis zur Ge‐
nüge finden, und
weiß er es zu finden,
dann wird ihm alle Sucht nach fernem Un‐
bekannten töricht, aller Nervenkitzel den
er andere als „Erlebnis” preisen hört, nur
als bedenkliches
Surrogat echten Erlebens
erscheinen.
.Doch ‒ wie schon zu Anfang gesagt
‒ setzt
wirkliches Erleben: Erlebnis‐
Fähigkeit voraus.
.In jedem Menschen ist, latent, diese
Fähigkeit vorhanden, aber keiner wird sie
zu gebrauchen wissen, der sie nicht bis zu
einem gewissen Grade in sich
entfaltet
hat, und solche Entfaltung ist das Werk
steter Übung.
.Erlebnis erfordert äußerste
Konzen‐
tration: ‒ Einstellung allen Aufnahme‐
willens auf jeweils einen einzigen Punkt,
‒ und stete Bereitschaft, sich bei
gege‐
benem Anstoß sogleich in solcher Konzen‐
tration zu „
sammeln”.
.Wer dagegen stets nach „
Zerstreuung”
Ausschau hält, der wird ganz gewiß nicht
seine Erlebnisfähigkeit entfalten!
.Er jagt nur von Phänomen zu Phänomen,
unersättlich wie ein Sklave berauschender
Gifte, um bestenfalls am Ende seiner Tage
einzusehen, daß alles was er je getrieben
hat „eitel” war, ‒ um dann in bitterer Re‐
signation zu enden. ‒
.Man soll das Erlebnis auch niemals
suchen, ‒ noch soll man es als eine Feier‐
tagsgabe betrachten.
.Das echte Erlebnis kommt stets
unge‐
sucht und läßt sich am leichtesten
mitten
im Alltag finden.
.Plötzlich entdeckt man es auf Wegen,
die man gewiß nicht ging um ein
Erlebnis
zu suchen, ‒ doch wenn man sich auf‐
macht mit großer Vorbereitung, wird man
sicherlich zuletzt nach Hause kommen,
leeren Herzens und voll Traurigkeit...
.Das gilt vor allem auch für jegliches
Erlebnis das da Kunde bringen kann von
einer Welt des wesenhaften Geistes.
.Nicht in der irdischen
Erscheinung,
wohl aber im
Erlebnis vermag der erd‐
gebundene Mensch das Geistige zu fassen,
und doch bedarf auch
dieses Erleben der
Auslösung durch Formen und Ereignisse
die zur Erscheinungswelt gehören, ja das
Geistige selbst ist
innere Erscheinungswelt
und läßt nur als solche sich im Innern der
Seele fassen. ‒
.Wo aber
äußere Erscheinung, die den
Erdensinnen faßbar wird, sich aufzu‐
drängen sucht als Bote aus der reinen
Geisteswelt, dort sei man stets auf seiner
Hut, denn seltener als Diamanten in dem
Ufersand des Meeres sind jene Kräftekon‐
stellationen, die das Geistige den
Erden‐
sinnen faßbar werden lassen im
Phäno‐
men, und unter allen Millionen Menschen
auf der Erde sind nur zu jeder Zeit
so
wenige,
daß sie in einer engen Stube
sich versammeln könnten, von denen
solches Phänomen sich fassen
läßt. ‒
.Wer aber
Geistiges, und sei es auch
nur
einmal, in seiner Seele
innerstem
Erleben faßte, der
verlangt nicht mehr,
daß es im Phänomen der Außenwelt sich
offenbare, denn ihm ward eine Offenbarung
jener Art, die manchen Schauenden so
sehr beglückte, daß er vermeinte, alle Aus‐
senwelt sei nichts als Schein und Trug,
verglichen mit der hellen Wirklichkeit die
er in sich erfahren hatte. ‒
.Ist es schon Torheit, zu glauben, man
habe die äußere Erscheinungswelt durch‐
drungen, weil man ihre kleinsten Teile
seinen Sinnen faßbar machte, ‒ ihre Wir‐
kungsmöglichkeiten aufzuspüren suchte und
im Denken sich ein Gleichnis schuf in dem
man sie nun zu besitzen wähnt, so ist es
erst recht unsagbar töricht, verlangt man
gar, daß sich die Welt des
Geistes auf
solche Weise in der sichtbarlichen Erschei‐
nungswelt finden lasse, und schließt man
mit kindlichem Eigensinn: ‒ da sie
so
nicht zu finden sei, so sei sie auch auf
andere Weise nicht erreichbar.
.Nicht minder töricht aber ist auch die
Forderung eines Beweises für das Vor‐
handensein geistiger Kräfte, durch Mani‐
festationen die den
Erdensinnen faßbar
werden.
.Wer noch in solchen Irrgärten der
Ge‐
dankenwelt gefangen ist, der ahnt noch
nicht aus weitester Ferne was „wesenhaften
Geistes”
Art und Gestaltung ist, ja, er
hält wohl gar
den Teil der
Gedanken‐
Welt dessen Dasein er
fühlt, obwohl es
sich ihm noch nicht erschließt: ‒ den Teil,
der
außerhalb des ihn umfangenden Irr‐
gartens ist, ‒ für den ewigen, substantiellen
Geist!
.So hören denn auch manche, daß die
Welt des wesenhaften Geistes nur im
Er‐
lebnis sich offenbart, und wähnen, dieses
Erlebnis längst zu kennen, als das Erleben
ihres hirngebundenen
Denkens.
.Das
Erlebnis aber, von dem ich hier
rede, hat
nicht das mindeste mit dem
Denken zu tun, und die Welt des wahr‐
haftigen, wirklichen
Geistes ist
himmel‐
hoch erhaben
über allen Wundern der
Gedankenwelt! ‒
.So aber, wie jedes Gebiet menschlichen
Erkennens dem sich aufschließt, der die
Bedingungen zu seiner Erschließung erfüllt,
so wird auch ein Mensch der seine
Fähig‐
keit innerlich zu erleben, an allen Erlebnis‐
möglichkeiten der äußeren Erscheinungswelt
schult, allmählich dahin gelangen,
durch
die
Erscheinung den Anstoß zu jenem
Erleben zu erhalten, das ihm die Welt
des wesenhaften
Geistes offenbart.
.Nur im
Erlebnis seiner eigenen
Seele
wird er sie
erfassen, ‒ jene Welt, die
jenseits der Sinne und jenseits des
Denkens ist! ‒
.Dann aber erst wird ihm auch alle Er‐
scheinung das innere
Sein enthüllen, als
dessen Abglanz sie er-
scheint...
.Dann erst wird der Erlebende
sein
eigenes Dasein zu deuten wissen, und
was bis dahin dunkel war, wird aufleuchten
in ewigem Licht! ‒ ‒ ‒
.Es ist ein wesentlich Anderes, ob ich eine
Sache im klaren Lichte des Geistes nur für
mich selbst zu
erkennen vermag, oder ob
mir auch die Gabe geschenkt ist, das so
Erkannte
lehrend zu
vermitteln.
.Abgründig tief kann meine Erkenntnis
ankern, und dennoch kann es mir versagt
sein, aus solcher Tiefe die Schätze zu
heben,
die ich alldorten verborgen
weiß...
.Ich kann aber auch das in der Tiefe
Entdeckte längst gehoben haben und den‐
noch der Kunst nicht kundig sein, ihm
den
strahlenden Glanz zu geben, der seiner
würdig wäre, so daß der Anderen ohnehin
mißtrauenstrüber Blick gewiß nicht der
Schätze Wert und Bedeutung erfassen würde..
.Das ist Binsenweisheit, die jeder zu er‐
greifen vermag, und die Erfahrung des All‐
tags schafft hier wahrlich mehr Bestätigung
als nötig wäre!
.Aber es sitzt ein gar lehrhafter Trieb in
vielen Menschen, der sie immer wieder
vergessen läßt, sich selbst zu fragen,
von
welcher Artung der Gegenstand sein darf,
den sie noch lehrend weitergeben dürfen. ‒
.Mancher könnte
Segen bringen, lehrte
er nur
das, was er zu lehren
vermag,
jedoch die leidige Sucht, auch Dinge lehren
zu wollen, die er nicht lehren
kann, läßt
ihn zu einem Werkzeug des
Unheils werden.
.In
irdischen Dingen ist solcher Lehr‐
sucht immerhin Zaun und Riegel vorge‐
schoben, und die von einem Unberufenen
Belehrten merken nur zu bald, daß sie töricht
vertrauten, wo sie hätten verlachen sollen...
.Dort aber, wo die äußere Erscheinung
keine Korrektur des falsch Erkannten bietet,
kann der Trieb, die anderen zu belehren,
Unheil über Unheil türmen, und es mag
lange währen, bis der seinem Lehrtrieb Frö‐
nende erkennt, was er verschuldet hat, ob‐
wohl er sich stets guten Willens wußte. ‒
.So gibt es auch unter denen, die zum
Licht des reinen, wesenhaften
Geistes
streben, leider nur Allzuviele, die kaum
ihr erstes dürftiges Erkennen erlebten und
schon sich nicht halten können, alsbald und
unverlangt davon zu reden.
.Kaum hat der erste Strahl der Klarheit
sie gestreift, so eilen sie durch alle Gassen,
bis sie einen Menschen finden, der sich auf
Grund des so spärlich Erkannten nun von
ihnen
belehren läßt. ‒
.Anwälte des
Geistes glauben sie schon
zu sein, und sind nur arme Hörige ihrer
Eitelkeit!
.Wagt dann der durch solche Lehre Be‐
glückte gar noch
Einspruch, da er sich
aus
eigener Erkenntnis
weit belehrter
als sein Lehrer weiß, so offenbart sich dieser
meist in seiner ganzen kümmerlichen Ar‐
mut, ohne es zu wollen, denn es ist ihm
unerfindlich, daß ein Anderer, den er
tief
unter sich zu sehen wähnt, Erkenntnis
haben könne, die ihm selbst noch fehlt...
.Gemeinsam allen Lehrsuchtkranken ist
die hohe Meinung, die sie von sich selber
haben! ‒
.Was sie vielleicht in Wahrheit schon
erkennen, benützen sie um sich ein Piede‐
stal zu bauen, auf dem sie sich schon
„
höherstehend” fühlen können als die
Andern, und wenn sie reden, senken sie
alsdann die Augenlider, um „
herabzu‐
sehen” aus erträumter Geisteshöhe...
.Sie ahnen nicht, wie sie sich
selbst
das
Urteil schaffen: ‒ daß sie zwar „
be‐
rufen” waren, aber nun um ihres Dünkels
willen
ausgeschieden werden müssen aus
der Zahl
der wirklich „
Zählenden”, die
unbeirrbar weise Wahl der Ewigkeit sich
„
auserwählt”! ‒ ‒ ‒
.Sie ahnen nicht, daß ihre Lehrsucht
ihnen zum
Verhängnis wird, so daß sie
niemals aus der ersten Dürftigkeit zur
lichten
Fülle der Erkenntnis hingelangen
können, die nur
denen sich erschließt, die
erst den Mund zur Lehre öffnen, wenn es
geistiges Gebot erheischt, und die
selbst
dann nur unter Zagen und Erbeben
ihrem inneren Erkennen Wortgewänder
wirken, stets bewußt der fast untragbaren
Verantwortung, die jeder auf sich nehmen
muß, der Geistiges zu
lehren unternimmt!
‒ ‒
.Ach, daß doch in allen, die so gerne
sich als
Lehrende berufen fühlen möchten,
nur
ein Weniges wäre von dem
Bewußt‐
sein der Verantwortung, wie es in denen
lebt, die Geistiges lehren
müssen! ‒
.Wer auch nur
ahnend fühlt, was es
hier zu verantworten gilt, der wird sich
gewiß nicht so vermessen, daß er Andere
lehren möchte, bevor er selber
in der
untrüglichen Fülle der Erkenntnis steht!
.Es gibt keinen Tag in meinem Leben,
an den ich mit solchem Erschauern denken
müßte, wie an jenen, der mir die Pflicht,
zu lehren, auferlegte. ‒ ‒ ‒
.Wahrlich: ‒ es war ein gar schweres
Erleben, an mir selbst erfahren zu müssen,
wie anders es ist, für
sich selbst in lichter
Erkenntnis zu stehen, und was es dann
heißen will, das Erkannte
in Worte der
Lehre zu kleiden! ‒ ‒
.Nur allzunahe lag damals die Versuchung,
zu beten: ‒ „
Herr,
lege mir diese Last
nicht auf! ‒
Erbarme Dich und suche
Dir einen anderen Knecht!” ‒ ‒
.Aber solches Gebet wäre
Lästerung ge‐
wesen und geistige
Selbstvernichtung...
.Nicht einem aus denen, die jemals
als Berufene vom Geiste sprachen, ist
diese furchtbare Stunde erspart geblieben. ‒
.Wer aber wirklich vom Geiste reden
darf, weil er
aus eigener Erfahrung
reden
kann, der vermag kaum zu fassen,
daß es Menschen gibt, die leichthin über
kaum Erkanntes sprechen, ‒ vorlaut
sprechen, ohne Not und Zwang. ‒ ‒
.Schicksalhafte Nötigung bleibt je‐
dem, der aus dem Geiste lehren muß, jedes
Wort der Lehre, obwohl er weiß, daß er
voreinst sich selbst zu solchem Schicksal
dargeboten hatte, als er noch nicht wußte
um die Qual, die ihm aus erdenhafter Hem‐
mung werden würde...
.Man steht an einem urtiefen Brunnen
und hält einen winzigen Becher in der
Hand um zu schöpfen, auf daß man den
Verschmachtenden zu trinken geben könne.
.Wohl quillt der Trank aus unergründ‐
barer Tiefe, aber ‒
wie wenig ist das,
was der winzige Becher
faßt, gemessen an
dem nie versiegenden Überfluß, der immer‐
fort tausendfach ersetzt, was der Quelle ent‐
nommen wurde! ‒
.Keiner erlebt so sehr das Gefühl seiner
menschlichen Ohnmacht, wie der, dem es
Pflicht ward, aus diesem Brunnen zu
schöpfen, und der mit
Eimern schöpfen
möchte, aber auf ein Schöpfgefäß verwiesen
ist, das
kaum mehr in sich aufnehmen
kann als eine
hohle Hand. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Was aber soll man von denen dann
halten, die vielleicht
ein Tröpflein des
lebendigen Wassers benetzte, und die sich als‐
dann gebärden, als hätten sie
den Brunnen
ausgeschöpft!?!
.Es ist menschlich verzeihlich, wenn einer,
der zu seiner ersten kleinen Erkenntnis
kam, so überwältigt von seinem Erleben
ist, daß er nun glaubt, er könne nichts
Besseres tun, als auch Anderen mitzuteilen,
was er erkannte, oder zu erkennen meint.
.Dennoch ist solches Verhalten nicht nur
Torheit, sondern
Schuld, weil es die
Ehr‐
furcht vor dem Ewigen vermissen läßt,
denn jeder, der bei Sinnen ist, muß sich
zu sagen wissen, daß auch
unerhörtes Er‐
leben geistigen Erkennens ihn nicht mit
einemmale in die Fülle der Erkenntnis ver‐
setzen kann, ‒ daß er nicht berufen ist,
zu
lehren, solange er selbst noch der Lehre
bedarf. ‒
.Wohl darf er den Anderen sagen: ‒
„Seht,
so habe ich es von denen ver‐
nommen,
die mich lehrten, und
einiges
davon ward durch
Erkenntnis mir
be‐
stätigt!” ‒ aber wenn er nicht mit Schuld
sich schwer beladen will, dann muß er auch
die Demut in sich finden, zu bekennen:
‒ „Dieses und auch jenes weiß ich zwar, so
wie man Dinge wissen kann, die man
von
einem Anderen hört, allein,
mir selber
ist das alles noch erlebensfremd!” ‒ ‒ ‒
.Niemals darf sein spärliches Erkennen
ihn verleiten, nun den Anschein zu er‐
wecken, als sei auch
Anderes, das er nur
aus der
Lehre kennt, in seinem Innersten
bereits durch eigenes
Erleben aufgenommen
worden, auch wenn er längst der festen Über‐
zeugung ist, daß dieses nur aus Menschen‐
mund Vernommene
die gleiche Wahr‐
heit in sich birgt, wie das, was er in sich
erkennen und erleben durfte! ‒ ‒
.Er würde sonst nur sein Erkennen
hemmen und zuletzt
unmöglich werden
lassen, denn alles, was er sich vor anderen
als Erkenntnis seines eigenen Innern
zuspricht, noch
bevor er es erkennend in
sich selbst
erlebte, wird dem wirklichen
Erkennen
unerreichbar bleiben...
.Unzählige, die einer Wahrheitslehre folg‐
ten und auf dem besten Wege zur Erkenntnis
waren, haben so sich
um ihr wirkliches
Erkennen selbst betrogen, weil sie sich
nicht enthalten konnten, Anderen den An‐
schein zu vermitteln, als
hätten sie bereits
im Innersten erkannt, was die als wahr er‐
fühlte Lehre sie vorerst erkennen
lehren
wollte. ‒ ‒ ‒
.Die Lehre, die in dieser Zeit nunmehr
mein Wort erneut der Welt vermittelt, er‐
reichte vor Jahrtausenden schon Seelen, die
zuletzt sie
in sich selbst bestätigt fanden,
durch das eigene Erleben.
.Sie soll
auch heute wieder solche
Menschen finden, und sie
fand bereits nicht
wenige, die in sich selbst
erlebten, was
meine Worte als erlebensmöglich künden.
.Obwohl nun aber alles, was ich lehre,
Gemeinschaftsgut und wohlerprobtes Wis‐
sen aller derer ist, die jemals in der
Fülle
des Erkennens waren, wie derer, die in
kommenden Jahrtausenden aus
gleicher
Fülle lehren können, mußte ich doch erst
selbst in dieser Erkenntnis stehen, bevor
ich aus ihr reden durfte. Es ist aber noch
nichts gewonnen, wenn man nur vernimmt,
was
meine eigene Erkenntnis ist, solange
man nicht willens ist, Bestätigung dafür
auch
in sich selbst zu suchen. ‒
.Auch was die
Schüler dieser Lehre, die
sie in sich selbst bestätigt
fanden, nun
etwa vermitteln können, bleibt nur sehr
bedingten Wertes, solange man sich nicht
bestrebt, auch
in sich selbst Gewißheit
zu erlangen.
.Die Art und Weise aber, wie die einzelne
Seele solche Gewißheit
erlangt, ist gar sehr
verschieden, weshalb denn auch mein
Wort sich stets aufs neue müht, gesondert
aller Möglichkeiten zu gedenken.
.Hier ist der Grund dafür zu suchen,
daß ich die Lehre stets in einer anderen
Form in Abhandlungen gebe, die in der
Einheit eines kleinen Buches immer das zu‐
sammenschließen, was
besonderer Seelen‐
artung Hilfe bringen soll. ‒
.Gewiß wird
Jeder nun aus
jedem
dieser kleinen Bücher mancherlei entneh‐
men können, was ihn angeht, allein es wird
auch Jeder die
für ihn in Sonderheit
bestimmten Lehrkomplexe finden, so daß
er dann aus meinen Worten leicht erfühlen
kann, was
seiner Seelen-Art gemäß ist, ‒
was er von sich
fordern muß, und was
er wohl von sich
erwarten darf.
.Es ist jedoch
nicht ratsam, ‒ wenn
es auch dem Urteilsfähigen kaum schaden
wird ‒ den Inhalt dieser Buch-Einheiten
wahllos in ein anderes Gefüge einzuordnen.
.Ich will, daß man als
Einheit zu er‐
fassen suche, was ich schon äußerlich als
Einheit gab, und nicht die Worte
eines
Buches
willkürlich mit den Worten eines
anderen mische!
.Nur so wie ich die Abhandlungen an‐
einanderfügte, wollen sie gelesen und be‐
trachtet werden.
.Das will nicht heißen, daß man nicht
dennoch manchen Ausspruch finden könne,
der mit anderen aus meinen
anderen
Büchern sich vereinen ließe, ‒ ja, es könnte
sein, daß sich hier eine reiche Sammlung
bieten würde, wollte man vereinen,
was
sich dem Sinn nach wirklich anein‐
anderschließt.*)
.Ich will nur warnen vor der Neigung,
Sätze und Gedankenreihen, die in
einem
Buche wohlbegründet ihren Platz gefunden
haben,
willkürlich dem Zusammenhange
zu entreißen, um sie
ähnlichen Bekun‐
dungen des
anderen Buches gleichzusetzen,
.*) Mittlerweile ist dies geschehen. Siehe: Rudolf Schott OO
„Brevier des Werkes von Bô Yin Râ”!
in dem sie einen nicht von mir ge‐
wollten Sinn erhalten könnten.
.Es würde sich dann
sicher nicht um
„Widersprüche” handeln, denn wie
könnten
Widersprüche
möglich sein, wo jedes Wort
aus
gleicher Wirklichkeitserkenntnis fließt,
‒ doch wäre Gefahr gegeben, daß als Wider‐
spruch
empfunden werden könnte, was
nur
von anderem Gesichtspunkt her
gesehen ist.
.Letztlich aber bleibt das wichtigste Er‐
fordernis für jeden Menschen der sich
meiner Lebenslehre widmet, daß er nach
ihren Anweisungen
handelt...
.Dann wird ihm aus der Lehre der Weg
zum
Leben im urewigen
Licht, und
höchstes Erkennen in der
Liebe. ‒ ‒
.So aber, wie man nicht
lehren soll,
was man selbst noch nicht
erkannte, so
soll man auch nicht schon zu „
erkennen”
glauben, was man erst nur
in der Theorie
erfaßte, und was dann noch weit entfernt
ist von
praktischer Bestätigung!
.Wie kannst du wissen, ob du
Wahrheit
weitergibst, solange das, was du zu geben
hast, sich
dir noch nicht
als wahr er‐
wiesen hat?! ‒
.Nicht,
daß ich also lehre, darf dir als
Bestätigung der Wahrheit meiner Lehre
gelten, sondern
was ich lehre, muß sich in
deiner Erfahrung
bewährt haben, als
un‐
anfechtbare Wahrheitserkenntnis!
.Dann erst darfst
du weitergeben, was
vordem
ich dir gegeben habe! ‒ ‒ ‒
.Daß nicht jeder, der gute Augen hat,
auch „sehen” kann, haben die Maler all‐
mählich den Menschen beigebracht, die sich
für ihre Kunst interessieren.
.Man hat gehört, man müsse erst sehen
„
lernen”, wolle man wie die Maler sehen
können, um dann zu verstehen, daß Wiesen
nicht unter allen Umständen
grün, ‒ daß
Eichbäume auch zuweilen blau zu malen
seien...
.Es handelt sich hier um die Erkenntnis,
daß es
nicht genügt, gesunde Augen zu
haben, um auch richtig „
sehen” zu können,
sondern daß
künstlerisches Sehen
er‐
lernt und
geübt sein will.
.Ist es aber mit dem rechten
Lesen nicht
ebenso?! ‒
.Jeder, der in der Schule die Bedeutung
der Buchstabenzeichen erfaßt hat und so
nach und nach zum „Lieben Leser” einer
Zeitung heranwuchs, bildet sich felsenfest
ein, er könne „lesen”, und wenn du es
ihm nicht glaubst, dann liest er dir was
du nur hören magst im schönsten Pathos
vor, um es dir zu beweisen.
.Ob er aber wirklich „
lesen” kann,
weißt du dann immer noch nicht!
.Du hast dich nur überzeugt, daß er Buch‐
stabenzeichen und ihre Kombination zu
Worten oder Sätzen richtig durch Mundlaute
auszudrücken vermag.
.„
Lesen” ist aber denn doch noch
etwas
anderes!
.Von einem der behauptet, „
lesen” zu
können, darfst und mußt du getrost ver‐
langen, daß er nicht nur Buchstabenzeichen
ins Mundgerechte übersetzen und dir bei‐
läufig den Sinn der Worte, korrekt nach
dem Wörterbuch, zu Verstande bringen, oder
die Sätze grammatikalisch analysieren kann,
‒ sondern daß er
vor allem „versteht”,
was der Verfasser des Geschriebenen mit
Buchstaben, Worten und Sätzen anderen
Gehirnen
übermitteln wollte. ‒ ‒
.Das aber wird sich oft gar nicht so leicht
aus dem gerade gelesenen Satz
allein ersehen
lassen, sondern der Leser wird das Schrift‐
stück an den
verschiedensten Punkten
nach der Meinung des einen Satzes befragen
müssen, um zur Sicherheit im Verstehen
zu gelangen, ‒ und
ein andermal wieder
wird der, der wirklich „lesen”
kann, so‐
fort wissen, daß er von allen anderen Sätzen
absehen muß, will er zum richtigen Ver‐
stehen eines in sich selbst beschlossenen
Satzes kommen.
.„
Lesenkönnen” verlangt als Voraus‐
setzung ein möglichst hochentwickeltes
Ein‐
fühlungsvermögen.
.Nicht nur der ehrliche Wille,
den Autor
(und
nicht sich selbst) zu vernehmen,
muß vorhanden sein, sondern zugleich auch
die Fähigkeit,
sich in die Gedanken‐
gänge des Autors zu versetzen, und so
dann gleichsam an
seinem Denken
teil‐
zunehmen.
.Handelt ein Schriftwerk nur von Dingen,
die
alltäglich erfahrbar und mit Wohl‐
bekanntem leicht vergleichbar sind, dann
kann wohl auch schon
geringes Einfüh‐
lungsvermögen zu richtigem Verstehen ge‐
nügen, ‒ aber
anders werden die Bedin‐
gungen der Übertragbarkeit von Gedanken
durch geschriebene oder gedruckte Worte,
sobald es sich um Mitteilungen handelt, die
wenig Vergleichsmöglichkeiten im Allbe‐
kannten finden, ‒ und
ganz unmöglich
ist ein richtiges Verstehen ohne intensive
Einfühlung, wenn irdischer Erscheinungs‐
form
nicht zu Vergleichendes der Vor‐
stellung des Lesers deutlich werden soll...
.Wir Menschen werden uns verstehbar,
indem der eine das ihm
bekannt gewor‐
dene, soweit es anderen noch
unbekannt
ist, darzustellen sucht mit Hilfe dessen, was er
als
allgemein bekannt voraussetzen darf.
.Nun ist aber wirklich
nicht alles allen
erfahrbar, und nur engstirnig-eitle Ahnungs‐
losigkeit kann diese Tatsache leugnen.
.Je weiter jedoch des Einzelnen geistiger
Umfang reicht, je respektabler sein „
For‐
mat” ist ‒ um dieses Modewort hier als
Verdeutlichungsbehelf zu gebrauchen, ‒
desto sicherer besitzt er die Erkenntnis, daß
noch gar Vieles ihm selber
nicht erlangbar
ist, wohl aber
durch Andere, die es
er‐
langten, auch ihm begreifbar werden kann.
.Die Frucht aus fernen Landen, die deine
Tafel ziert, brauchst du nicht selbst zu pflük‐
ken, und dennoch kannst du sie genießen!
.Soll dir darum in einer Niederschrift noch
Fernes, deinen Vorstellungen
Fremdes
übermittelt werden, so wirst Du es nur
prüfen können, indem du
in dich auf‐
nimmst, was dich so erreicht, auch wenn
du vorerst noch
nichts anderes kennst dem
es
vergleichbar wäre. ‒
.Das heißt mit anderen Worten:
.Je ferner dir des Autors eigene Erfahrung
ist, ‒ je ferner Vergleichen mit der Sinnen‐
welt, ‒ desto mehr mußt du versuchen,
dich in seine Ausdrucksweise
einzufühlen,
wenn du wirklich ihn
verstehen lernen
willst! ‒
.Du mußt
dich selbst in deiner Vor‐
stellung an
seiner Stelle sehen und in
deinem eigenen Erfühlen
nacherleben,
was er durch das Wort dir so erkenntnis‐
nahe bringen möchte, wie er es in sich
selbst erkennt. ‒
.Dann wirst du von dir sagen dürfen, daß
du zu „
lesen” weißt, wie jeder Redliche
zu lesen wissen sollte, bevor er sich an Worte
wagt, in denen seelisches Erleben sagbar
werden will! ‒
.Und
solches „Lesen” wird dich auch
belehren, ob das, was du als „lesenswert”
erachtest, wirklich
Lesens-
Werte in sich
trägt, denn alles
Hohle wird dir seine
innere Leere zeigen müssen, da es nicht
in deiner Seele Tiefen sinken kann, die
nur das wahrhaft
Vollgewichtige erreicht.
‒ ‒ ‒
.Man liest heute viel, vielleicht nur all‐
zuviel, und doch verstehen wenige die Kunst
des rechten Lesens.
.Das Zeitungslesen hat diese Kunst ver‐
nichtet.
Die Ehrfurcht vor dem Buche
ist dahingeschwunden.
.Man weiß nicht mehr anders zu lesen
als in fliegender Hast, so wie man gewohnt
ist, täglich das Morgenblatt zu durchstöbern.
.Daß ein Buch
gebaut sein kann wie
ein Tempelbau, ‒ daß jede
Silbe dann
einen Baustein bildet, der nicht fehlen darf,
kommt dem gierigen Leser nicht zu Be‐
wußtsein. ‒
.Wer weiß noch etwas von der
Magie des
Lesens, die in dem Leser das Gelesene
neu
erstehen läßt zu unverlierbarem Besitz?!
.Man sollte wissen, daß man durch ein
Buch mit seinem Autor in
seelische Ge‐
meinschaft tritt, und sollte
zu wählen
wissen,
mit wem man in solche Gemein‐
schaft treten mag. ‒
.Ein Buch ist das magische Mittel,
Ge‐
dankenbilder in dir zu erzeugen, die
denen gleichen, die sein Autor schuf. Du
wirst aber kein Gedankenbild in deiner
Seele gestalten oder gar liebevoll hegen
können, das nicht auf geheimnisvolle Weise
teilhat an Deiner
Seele Formung.
.So ist denn dein Lesen sehr verantwort‐
liches Tun.
.Nur dort solltest du lesen, wo du gewiß
sein kannst, daß die Gedankenbilder, die
dein Lesen in dir zeugt, deiner Seele höchste
Formung fördern.
.Es müssen durchaus nicht immer ab‐
gründig ernste Bücher sein, die solches
bewirken.
.Auch Humor und Satire können gött‐
liche Kräfte in dir erwecken, die du bei
der Formung deiner Seele wahrlich nicht
missen darfst!
.Ja, es ist möglich, zuzeiten Bücher mit
hohem Gewinn zu lesen, deren einziger Wert
in der Macht der Spannung liegt, die der
Autor im Leser zu erzeugen weiß.
.Ich will hier gewiß kein Puritanertum
des Lesens predigen!
.Wenn du aber lesen willst, dann lies
‒ was immer du lesen magst ‒ als einer,
der da bewußt das Wunder erlebt, daß Reihen
seltsamer Zeichen auf einem Blatte Papier
seine eigene Schöpferkraft erregen können,
so daß in ihm selber die gleichen Gedanken‐
bilder erstehen, die einst in eines anderen
Menschen Seele erste Gestaltung fanden.
.Erziehe dich selbst zur Ehrfurcht vor
dem Wort!
.Eine einzige Seite so gelesen, daß dir
eines jeden Wortes weitester Umfang deut‐
lich zu Bewußtsein kam, wird dir mehr
Segen bringen, als wenn du das beste Buch
„in einem Zuge” durchgelesen hättest, kaum
noch der
Sätze achtend, geschweige denn
dem einzelnen
Worte hingegeben.
.Erst wenn du recht zu lesen weißt, ge‐
hört das Buch dir allein.
.Deine eigene Wertung wird seine Worte
wandeln, so daß du
anderes lesen wirst als
alle anderen, die das gleiche Buch in Händen
halten. ‒ ‒
.Ein Buch kann so für dich einen Wert
erlangen, der hoch über seinem sichtbaren
Inhalt steht. ‒
.Du kannst sogar seelisch reicher werden
durch das rechte Lesen eines Buches, als
der Autor, der es schuf...
.Ich rate dir: ‒ wage den Versuch und
lies einmal ein Buch auf solche Art. Wenn
du dich selber festzuhalten weißt, so daß
du dir nicht unvermerkt dabei entschlüpfen
kannst, dann wirst du gewiß nicht mehr
auf andere Art zu lesen wünschen.
.Es ist nur geringe Mühe, die man hier
von dir verlangt, vergleichst du sie mit dem
Gewinn, der dir auf diese Weise werden
kann.
.Auch „leichte” Lektüre werde niemals
anders von dir gelesen, als
mit treuer
Wortbeachtung, denn wie sollte Formungs‐
kräftiges, das auch im Scherz und in gar
wenig gedankenbeschwerter Rede sich ver‐
stecken kann, dir zu Bewußtsein kommen,
wenn du nur gleichsam in weiten und
flüchtigen Sprüngen die Sätze „überfliegst”,
statt alle ihre Deutungsmöglichkeiten auf‐
zuspüren?! ‒
.„
Lesen lernen” heißt: ‒ sich selbst
als Lesenden
achten, und somit sich selbst
zu gut sein zu unfruchtbarem Tun! ‒
.Alles, was du lesen magst, kann dir
reiche
Frucht tragen, so du nur recht zu
lesen verstehst! ‒ ‒ ‒
.Es ist etwas Geheimnisvolles um das
Stückchen Papier, das da, bedeckt mit selt‐
samen Zeichen, von einem Menschen zum
anderen geschickt werden kann, und des
einen Gedanken wie seine Gefühle dem
anderen vermittelt.
.Da aber der briefliche Verkehr von
Mensch zu Mensch ein Bedingnis des All‐
tagslebens geworden ist, so ward er uns nur
allzusehr vertraut, und es bedarf erst eines
Herausrückens unserer selbst aus dem Ge‐
leise alltäglicher Denkgewohnheiten, sollen
wir wieder das Geheimnisvolle solcher Mit‐
teilungsmöglichkeit empfinden können.
.Dieses hier gemeinte Geheimnisvolle aber
ist keineswegs schon umschrieben durch den
Hinweis auf den so wundersamen Vorgang,
daß ein Gedanke sich in Schriftzeichen
bannen läßt, und daß er dann jederzeit
aus solchen Zeichen wieder zu lösen, gleich‐
sam „aufzulesen” ist, denn der gleiche Vor‐
gang wiederholt sich ja bei jedem gedruckten
oder geschriebenen Wort in der nämlichen
Weise.
.Es handelt sich hier vielmehr um das
unsichtbare und nur dem
Fühlen wahr‐
nehmhafte Fluidum, das mit dem Stück‐
chen Papier und seinen Schriftzeichen
zu‐
gleich an den Empfänger gelangt und von
ihm aufgenommen, „aufgesogen” wird, mag
er darum wissen oder nicht.
.Jeder auch nur einigermaßen sensitive
Mensch
fühlt dieses Fluidum ebensodeut‐
lich wie er die Schriftzeichen durch das
Auge zu
sehen vermag, aber wer es
nicht
fühlt, der wird nicht weniger davon beein‐
druckt, ‒ nur vermag er sich darüber keine
Rechenschaft zu geben.
.Es ist dabei ohne Bedeutung, ob ein
Brief handschriftlich oder mit Hilfe eines
mechanischen Apparats geschrieben wurde,
wenn er nur aus des Schreibers Händen
kommt, also nicht erst in Buchdruck um‐
gesetzt wurde und auf anderes Papier über‐
tragen! ‒
.Das Papier an sich ist der Träger des
hier gemeinten Fluidums, und dieses Flui‐
dum wäre auch übertragbar, wollte der Ab‐
sender nur das Papier „
bedenken”, statt
es zu beschreiben. ‒ ‒
.Auf diese Weise besteht der „
Inhalt”
eines Briefes durchaus nicht nur in dem,
was die niedergeschriebenen
Worte besagen,
ja, der wichtigere und nur
fühlbare In‐
halt kann geradezu das
Gegenteil von dem
übermitteln, was die sichtbaren Sätze sinn‐
gemäß bedeuten. ‒ ‒ ‒
.Daraus ergibt sich aber, daß man einen
Brief immer nur dann wirklich beurteilen
kann, wenn er soeben eröffnet, direkt vom
Schreiber kommt, denn das besagte Fluidum
verflüchtigt sich
sehr schnell, und in we‐
nigen Tagen schon ist kaum mehr viel da‐
von zu fühlen.
.Ein Brief ist nun aber auch ureigentlich
nur für seinen
Empfänger bestimmt, auf
den ja dann unweigerlich das mitgesandte
Fluidum übergeht, es sei denn, er wisse
um dessen Existenz und fühle Veranlassung,
sich dagegen zu wehren und es von sich
abzuschleudern...
.Aber wie könnte man nun, im Wissen
um all diese Dinge, noch die heute gras‐
sierende Unsitte rechtfertigen, die Brief‐
wechsel aller möglichen und unmöglichen,
bedeutenden und herzlich unbedeutenden
Menschen unter irgend einem fadenschei‐
nigen Vorwand auszugraben, um sie zur
Vermehrung des offenbar noch immer zu
dürftigen alljährlichen Bücherzuwachses auf
den Markt zu werfen!??
.Um keinerlei Zweifel Raum zu geben,
will ich hier deutlichst kundtun, daß mir
Weniges in der Welt so verhaßt ist, wie
solche widerliche und gleichsam „leichen‐
schänderische” Briefwechselfabrikation!
.Wer immer Schriftstellerruhm zu den un‐
entbehrlichen Lebensnotwendigkeiten rech‐
net, aber selbst nichts auch nur irgendwie
Bedeutsames zu sagen hat, der sucht mit
der Herausgabe eines „Briefwechsels” sich
einen „Namen” zu ergattern, und Herr
Neureich kann sich eine ganze Bibliothek
aus Briefwechselbänden zusammenstellen
lassen, was für ihn auch recht praktisch
ist, denn er kann nach einigem Durch‐
blättern eines Briefwechselbandes schon sehr
unterrichtet erscheinen, auch wenn er nie
sonst eine Zeile des betreffenden Schriftstel‐
lers gelesen hat.
.Der arme Briefschreiber selbst kann sich
ja nicht mehr wehren und muß sich aus‐
plündern lassen, einerlei ob es dem Her‐
ausgeber darum zu tun ist,
seinen eigenen
Namen bekannt werden zu lassen, oder ob
er mit dem Hervorzerren der alten Briefe
deren Autor zu ehren glaubt...
.Die Manie, Briefe von irgendwie be‐
achtsameren Menschen nach ihrem Tode
zu veröffentlichen, ist geradezu
kultur‐
feindlich zu nennen. Briefe eines Men‐
schen die man vor
Fremde zerrt, für die
sie
nicht bestimmt waren, ergeben schon
deshalb ein unrichtiges Bild, weil sie
doch niemals alle die Umstände erkennen
lassen können, aus denen heraus sie ge‐
schrieben wurden. Außerdem ist jeder solche
Briefwechsel, da ursprünglich nur Ange‐
legenheit zweier bestimmter Menschen, für
den späteren Leser als ungebetenen Dritten
denn doch ein recht bedenkliches Förde‐
rungsmittel der Erkenntnis, weil hier ganz
selbstverständlich subjektive Nachempfin‐
dung an Stelle objektiven Aufnehmens tritt,
auch wenn man das nicht wahrhaben will,
und es selbst wohl auch nicht mehr bemerkt.
.Eine Ausnahme bilden nur Briefe ganz
allgemeinen Inhalts: wie
Schilderungen
von Reisen oder Zeitbegebenheiten,
humoristische Ergüße, und auch
Liebes‐
oder
Erziehungsbriefe, da es in allen
diesen Fällen wenig verschlagen kann, ob
der Leser das Mitgeteilte nun objektiv an
sich herantreten läßt oder ob er sich sub‐
jektiv in die Rolle des Briefschreibers
einfühlt.
.Nun gibt es freilich auch Briefe, die
schon geradezu im Hinblick auf spätere Ver‐
öffentlichung geschrieben wurden...
.Hier handelt es sich aber schon kaum
mehr um die geheimnisvolle Brücke von
Mensch zu Mensch, als die ich den „Brief”
aufgefaßt sehen will, sondern mehr um eine
Art von
Essays in Briefform, die man
gewiß nicht an sich abzulehnen braucht,
sobald ein Mensch, der etwas zu sagen hat,
aus irgend einem Grunde sich ihrer be‐
dienen mag!
.Es soll aber immerhin leider Menschen
geben, die es nicht unter ihrer sonst so
sorglich gehüteten und betonten Würde
finden, auch ihre scheinbar intimsten Privat‐
briefe im Gedanken an eine mögliche spätere
Veröffentlichung zurechtzustilisieren...
.Auch eine Form menschlicher
Eitel‐
keit, wenn auch eine gar merkwürdige
Geschmacksbekundung! ‒ ‒
.Wenn aber Briefe wieder das werden
sollen, was sie in guten Zeiten und für so
manche, ihrer Ewigkeit wirklich
bewußte
Menschen schon
waren, dann wird man
wieder zur
Unbefangenheit in der gegen‐
seitigen Aussprache zurückfinden müssen,
denn, was seinen Wortinhalt angeht, bleibt
der Brief nur sterile „Mitteilung”, wenn
seine Worte nicht aus einem wirklich „ge‐
öffneten Herzen” kommen, und nie wird
ein Brief das Herz dessen zu öffnen ver‐
mögen, an den er gerichtet ist, wenn man
zwischen den Zeilen nur allzudeutlich spürt,
daß jedes Wort daraufhin besehen und ab‐
gewogen wurde, ob es möglicherweise
auch
in die Öffentlichkeit kommen könnte! ‒
.Ein Brief, der
erfüllen soll, was ein
Brief erfüllen
kann, muß aus
jener Re‐
gion des Innern kommen, in der wir alle
die gleiche gemeinsame
Urheimat haben,
und muß jeweils so geschrieben sein, daß
er
keinem anderen Menschen gelten könnte,
außer dem
einen, für den er
bestimmt
ist. ‒ ‒
.Diese Einstellung auf
ein einziges
„
Du” ist das wesentlichste Charakteristikum
des eigentlichen „Briefes”! ‒
.Ein Brief an Viele zugleich ist seiner
besten Kraft beraubt, ja ist im strengen
Sinne überhaupt kein „Brief” mehr, sondern
ein Rundschreiben, ein Bericht, oder eine
Abhandlung. ‒ ‒
.Ich rede hier selbstverständlich nicht
von Briefen im
Geschäftsverkehr, ob‐
wohl es auch da durchaus nicht so nötig ist,
wie mancher kleine Geschäftsmann glaubt,
die notwendigen Korrespondenzen
so un‐
persönlich wie möglich zu halten, und
die „Könige” unter den Kaufleuten längst
wieder wissen, daß man mit betont
persön‐
lich gehaltenen Briefen, wie sie einst auch
die alten Hanseaten zu schreiben wußten,
denn doch erheblich weiter kommt. ‒ ‒
.Was ich vielmehr hier im Auge habe,
ist die Wiedereinsetzung des „Briefes” in
seine guten alten Rechte als überaus wichtiger
Faktor gegenseitiger Emporführung, geisti‐
ger Hilfe und Stärkung. ‒ ‒ ‒
.Hier ist nur zu
gewinnen, wenn man
sich von aller Schablone und aller Über‐
ängstlichkeit frei machen will!
.Das bedeutet aber freilich andererseits
auch noch lange nicht, daß man jedem uner‐
probten Mitmenschen sofort die geheimsten
Eröffnungen zu Füßen legen müsse, und
es braucht zweifellos einigen Takt, um je‐
weils den für jeden Einzelnen gerade rich‐
tigen und ihm gemäßen Ton zu treffen! ‒ ‒
.Kehrt aber das
Vertrauen, das der
Brief einst besaß, ihm wieder, so kann eine
in ihrem Wert kaum abzuschätzende Be‐
reicherung unseres irdischen Lebens hier
wieder aufs neue erlangt werden.
.Gewiß verbieten es die Lebensumstände,
in denen die Menschen von heute sich zu‐
rechtfinden müssen, daß man zu der Brief‐
seligkeit ruhigerer Zeiten zurückkehre, allwo
„der Posttag” wochenlang erwartet wurde und
wieder Wochen vergehen konnten, bis Ge‐
legenheit zur Absendung der Antwort kam.
.Allein auch heute besteht noch immer
kein Zwang, einen Briefwechsel
im Eil‐
tempo zu betreiben.
.Die
Möglichkeit, sofort antworten zu
können, darf nicht zu einer
Nötigung
mißbraucht werden!
.Mag es auch schwerer sein als ehedem,
die Ruhe zum Briefschreiben zu finden,
so braucht der Brief dennoch nicht die
Spuren der Hast zu zeigen, die dieses heutige
Zeitalter für sein ihm angemessenes Lebens‐
tempo hält.
.Solange Menschen auf dieser Erde leben,
wird man es nicht verhüten, nicht verwehren
können, daß gewisse
Einzelne, die irgend‐
wie das Wohl
Aller fördern, oder wohl
auch nur zu fördern
scheinen, von jenen
ihrer Mitmenschen, die solches Tun als per‐
sönliche Wohltat empfinden, Dank und Ver‐
ehrung empfangen.
.Dank, wenn es sich um unleugbare
Hilfe handelt, ‒
Verehrung aber, wenn
der Beglückte in dem Verehrten sich selbst,
‒
sein eigenes Menschentum, ‒ zu einer
Höhe emporgerissen fühlt, die er aus eigener
Kraft nicht zu erreichen vermag und den‐
noch als dem Menschen erreichbar erahnt. ‒
.Wer wollte Dank für geleistete Hilfe,
‒ wer
solche, hier bezeichnete, Verehrung
verargen!?
.Zu tief sind beide Empfindungstriebe
in jedem, nicht völlig verkommenen Men‐
schen verwurzelt, als daß nicht hier deut‐
lichst zu erfühlen wäre, welche Bedeutung
ihnen für die Erhaltung der Art, für die
Entfaltung des Edelsten der Rasse, inne‐
wohnt. ‒
.Auf bedenkliche Bahnen aber verirrt
sich der Verehrungstrieb, wenn er der
Lei‐
tung des Urteils sich entzieht und dann
wahllos
alles verehrt, was der Kraft seines
Eigners
versagt ist, und doch durch einen
anderen Menschen als
erreichbar er‐
wiesen wird.
.Dann ist der „Herkules” der Jahrmarkts‐
bude, der Gaukler und Feuerfresser, gleicher
Verehrung sicher wie der Schöpfer höchster
geistiger Werte, und ebenso geht auch alle
Unterscheidung zwischen „Kunststück” und
Kunst verloren...
.Aber wenn auch der Blick des Ver‐
ehrenden sich nur auf
wirkliche Werte
richtet, muß doch die Gefahr erkannt und
überwunden werden, daß allzuleicht aus
Verehrung „
Personenkultus” wird, so‐
bald man sie ausarten läßt zu einer
Ver‐
götterung des Persönlichen, wo nur
Tat oder
Werk allein Verehrung gebührt.
.Es läßt sich nicht ändern, daß die
aller‐
meisten Menschen während ihres Erden‐
lebens
nur für sich selbst und ihren
allernächsten Umkreis Bedeutung er‐
langen, während
andere,
wenige, auch
für
weite Menschheitsbezirke, ja fast
für
die ganze Erdenmenschheit „bedeutend”,
‒ zielweisend ‒ werden können.
.Verständlich und gerechtfertigt ist es,
wird den
allgemein „Bedeutenden” Ver‐
ehrung dargebracht, vor denen, die nur sich
und ihrer engsten Enge etwas zu bedeuten
vermögen, auch wenn diese Enge schon sehr
wichtige Bezirke umfassen kann.
.Verhängnisvoll aber wird auch hier die
Verwechslung dessen, was eigentlich zu ver‐
ehren ist, mit dem Erdenmenschen, der
es zu Tage brachte!
.Mag man auch immer den, der Ver‐
ehrungswürdiges bewirkt, besonders
achten,
ja vielleicht „bewundern” ‒ da man es
wie ein „Wunder” betrachtet, daß ein Mit‐
mensch auf seine Höhe fand ‒ so muß
doch immer sorglichst unterschieden werden
zwischen dem, was er
erlangte, und dem,
was er trotz allem
bleibt: ‒ zwischen gei‐
stigen
unpersönlichen Werten und der
persönlich bestimmten Natur des Men‐
schen, der solche Werte darbietet, weil sie
ihm, sei es durch mühereiche Arbeit oder hohe
Gnade, schließlich
erreichbar wurden. ‒
.Es ist auch nie zu vergessen, daß jeder
„Schöpfer geistiger Werte” dies
nur inso‐
fern ist, als er
aus der Fülle der ihm
offenbaren Geistigkeit „schöpft” ‒ wie
man Wasser schöpft aus einem gewaltigen
Strom ‒, nicht aber in jenem anderen
Sinne, dem „Schöpfung” ein Hervorbringen
aus dem Nichts bedeutet! ‒ ‒
.Und ebenso bleibt
alles, was ein Mensch
jemals aus dem Geistigen holt und erden‐
sinnverständlich macht, „Offenbarung”, sei
es nun Resultat einer jahrelang währenden
Laboratoriumsarbeit, oder die Gabe eines
gotterfüllten Augenblicks. ‒ ‒ ‒
.Ihn selbst dafür zu vergöttern, wäre
nicht nur
Torheit, sondern
Entwürdi‐
gung seiner Tat, ‒
seines Werkes, ‒
ja es käme der Unterstellung gleich, daß
er wohl selbst nicht zwischen sich und dem,
was ihm geworden ist, zu unterscheiden
wisse. ‒
.Bei allem was ein Mensch seinen Mit‐
menschen „be-
deutet”, ist auch immer da‐
nach zu fragen, ob seine Bedeutung mit
ihm selbst und seinem Erdendasein steht
und fällt, oder ob
Weiterzeugendes,
Weiterzeigendes unter den Menschen
lebendig bleibt, auch wenn der Bringer der
Gabe
nicht mehr unter den Sichtbaren
weiterwirken wird. ‒
.Niemals aber besteht auch nur der
mindeste Anlaß, den Bringer, Deuter oder
Künder um seines Tuns willen zu „ver
göttern”, ‒ seiner
Persönlichkeit (auch
wenn man diesen Begriff in dem hohen
Sinne
Goethes erfaßt! ‒)
götzenhaften
Kult zu widmen, und jeder, der für seine
weitere menschliche Mitwelt wahrhaft „be‐
deutend”
ist, wird stets mit Ekel und Scham
solche Vergötzung von sich weisen, mag er
auch noch so weit davon entfernt sein,
seine tatsächliche Bedeutung zu unter‐
schätzen! ‒ ‒ ‒
.Wer in Wahrheit für seine Mitmenschen
etwas zu bedeuten hat, der
kennt auch
aus tiefster Erkenntnis heraus sehr
wohl
Art und
Grad seiner Bedeutung.
.Er würde zum Lügner vor sich selbst
und Anderen, wollte er etwa den „Be‐
scheidenen” spielen und so tun, als ob er
nicht um sein Bedeutendes wüßte!
.Aber, es ist etwas anderes, um seine
Bedeutung zu wissen, Verehrung, ja selbst
Ehrfurcht Anderer um ihretwillen zu er‐
tragen, wie der Abgesandte eines Landes
wohl die Ehrung annimmt, die man seinem
Lande zollt, als um der Bedeutung seines
Wirkens willen und auf ihre Kosten, die
eigene Persönlichkeit, die doch nur
Mittlerdienste leistet, in den Vordergrund
zu stellen...
.Wenn ein Mensch den Mitmenschen
geistige Werte bringt, so wird man gewiß
verstehen, daß er sich auch gedrungen fühlt,
so gut wie es ihm möglich ist, zu bezeugen,
daß er nicht geraubtes Gut verschenkt,
sondern auf rechtliche Weise erlangte, was
er besitzt.
.Ob dieser Besitz aber auch wirklich
einen geistigen Wert darstellt, kann nur
durch Prüfung der Gabe selbst ent‐
schieden werden und niemals durch die bloße
Bezeugung, daß sie rechtlich erlangt wurde,
obwohl es auch auf das „
Wie” des Er‐
langens sehr wesentlich ankommt.
.Werte, die aus dem Reich des
wesen‐
haften,
reinen Geistes stammen, können
niemals durch gedankliche Spekulation oder
naturwissenschaftliches Experiment erlangt
werden, und andererseits wäre es sinnlose
Vermessenheit, eine nur
durch intensive
Denkarbeit erlangbare Erkenntnis mühe‐
los aus den geistigen Reichen her erwarten
zu wollen. ‒
.Aber so, wie eine bestimmte Entdeckung
eines Chemikers ihren Wert nur in sich
selber trägt, einerlei, wer des Gelehrten ein‐
stige Lehrer waren, oder aus welcher Fabrik
die Instrumente und Apparate stammten,
die er benützte, ‒ so muß auch die Gabe
aus dem Reich des wesenhaften reinen
Geistes
in sich selber probehaltig be‐
funden werden, ganz abgesehen von der
Bezeugung des Bringers über die Art und
Weise,
wie er sie
erlangte, oder wie er
zu ihrer Erlangung
fähig wurde. ‒ ‒
.Es ist nicht eindringlich genug zu warnen
vor dem Annehmen einer geistigen Gabe
lediglich
auf Autorität hin, denn ‒ wer
überhaupt auf Autorität hin etwas annimmt,
das nur
auf die Bestätigung des eigenen
inneren Lebens und Erlebens hin an‐
genommen werden dürfte, der ist stets
in Gefahr, auch von
Fälschern, autoritäts‐
gläubig,
Gefälschtes anzunehmen, oder
von betrogenen Betrügern Talmi statt Gold
zu kaufen...
.„Personenkultus” aber schafft so recht
die Treibhauswärme, in der die Neigung,
auf Autorität hin anzunehmen, was nur
nach eigener innerer Prüfung übernommen
werden darf, üppig gedeihen kann...
.Weit entfernt von solchem Kultus aber
ist das
menschlich begründete Ver‐
trauen gegenüber dem Vermittler einer
geistigen Gabe!
.So wie man wertvolle Dinge des äußeren
Lebens nur bei einem Kaufmann erstehen
wird, dessen Rechtlichkeit erwiesen und
dessen Fähigkeit zu urteilsicherem Einkauf
seiner Ware wohlerprobt ist, so soll man
auch
geistige Werte niemals aus der Hand
eines Menschen nehmen, dem man nicht
felsenfest
vertrauen kann, wodurch man
sich keineswegs des Rechtes begibt, das Er‐
haltene dennoch erst im eigenen Innern
nachzuprüfen. ‒
.Ist solches Vertrauen vielfach
bestätigt
worden, so kann es freilich zu einer Sicher‐
heit führen, die im voraus weiß, daß alle
Nachprüfung nur die Echtheit des Erhaltenen
erweist, ja das eigene Urteil kann sich im
Laufe der Zeit zur Urteilsgewißheit des
Vermittlers erheben, ähnlich, wie mancher
Kunstsammler etwa sich allmählich einen
Blick für das Echte erwarb, der ihn befähigt,
auch ohne Anwendung besonderer Prü‐
fungsmethoden, sofort Wert von Unwert
zu unterscheiden.
.Und dieser hier herangezogene Vergleich
mag auch noch deutlicher werden lassen,
wie es bei jedem Bringer geistiger Werte
nur um
das geht,
was er bringt, und nicht
um eine Vergötzung seiner Person.
.So gibt es beispielsweise Sammler, die
einem bestimmten Meister alter oder neuerer
Kunst vor allen anderen den Vorzug geben
und alles aufzubieten trachten, um seine
Werke zu erhalten.
.Wohl wird ein solcher Sammler auch
den Menschen, der die Werke
schuf, zu
ehren wissen, allein ‒
nur um seiner
Werke willen, und weil nur dieser eine
Mensch eben
diese Werke schaffen konnte
oder schaffen kann. ‒
.Niemand wird hier von „Persönlichkeits‐
kultus” reden wollen!
.Ebenso aber müssen auch Sammler
geistiger Schätze verfahren lernen.
.Mögen sie auch in hohem Grade den
Vermittler solcher Gaben verehren, so soll
dies doch nur um der Gabe selbst willen
geschehen, und vielleicht auch um der Tat‐
sache willen, daß echte Künder aus dem
Reiche wesenhaften Geistes doch wohl
noch
seltener in dieser Erdenzeiten Lauf zu finden
sind, als echte Künstler. ‒ ‒ ‒
.Bei gewissen Krankheiten, deren Sym‐
ptome den Nervenärzten wohlvertraut sind,
macht man die seltsame Beobachtung, daß
die Erkrankten jeder Heilungsabsicht inneren
Widerstand entgegensetzen, weil sie den
krankhaften Zustand geradezu wie eine be‐
sondere Wertbetonung ihrer lieben Per‐
sönlichkeit empfinden und somit keineswegs
wirklich von ihm befreit sein möchten.
.Nicht allzuferne von derart patholo‐
gischem Zustand sind in heutigen Tagen
leider allzuviele Menschen, über die eine
seuchenhaft grassierende
Kritiksüchtig‐
keit derart Herr geworden ist, daß es ihnen
nicht mehr wohl in ihrer Haut wäre, fänden
sie nicht allenthalben um sich her stets neuen
Anlaß zu berechtigter, oder auch oft sehr
unangebrachter Verneinung des Tuns und
Werkes ihrer Nebenmenschen.
.Es kommt den hier gemeinten Kritik‐
triebkranken gar nicht mehr zu Bewußtsein,
daß
normales und
gesundes Bedürfnis
zu kritischem Verhalten
erst dann sich
einstellt, wenn
kenntnisgefestigte und
ihrer Sicherheit gewisse Prüfung jeweils
die Momente im Wirken und Werk des
Anderen entdeckt, durch die entweder seine
Absicht
gefährdet erscheint, zum erstrebten
Ziel zu gelangen, oder durch die eine
un‐
lautere Absicht erkennbar wird.
.Kritik, die aus
nicht entartetem Kri‐
tiktrieb erwächst, ist
immer „wohlwollend”,
denn der seines gesunden Triebes mächtige
Wille erstrebt da in der Auswirkung ent‐
weder das Wohl des kritisierten Handeln‐
den, oder das Wohl der vor diesem zu
schützenden anderen Mitmenschen.
.Von einem gesund gebliebenen Kritik‐
trieb ausgehende Kritik läßt sich auch stets
durch Belehrung
korrigieren und wird
nie in eigensinnigem Beharren besserem
Wissen Widerstand leisten.
.Das
krankhaft überreiztem Triebe
entstammende Kritikbedürfnis will hingegen
nur
die eigene Befriedigung und fühlt
empfindlichen Mangel, wenn es ihm schwer
wird, sich die gewohnte, fast wollüstig er‐
sehnte Selbstbefriedigung zu verschaffen.
.Über diese Dinge ist sich so Mancher
nicht klar, der sich viel darauf zugute hält,
daß er an allem und jedem was seine Neben‐
menschen treiben und schaffen, „etwas aus‐
zusetzen” hat, weil er seinen ursprünglich
gesunden Kritiktrieb zur Hypertrophie ent‐
arten ließ durch fortgesetzte, selbstgewollte
Überreizung...
.Was aber hier gesagt wird, geht auch
alle an, die ihren Kritiktrieb noch gesund
zu erhalten wußten, denn der beste Schutz
vor seiner möglichen Entartung ist stete
Achtsamkeit auf die ihm drohende Gefahr.
.Es liegt unbestreitbar ein gewisser sinn‐
licher Reiz darin, seiner Kritiklust die Zügel
zu lockern und an Anderen der Wirkung
froh zu werden, die ungehemmte Verneinung
immer auslöst, sei es in der Form froh‐
lockender
Zustimmung, oder als entrüstete
Abwehr.
.Gerade diesem Anreiz aber gilt es zu
widerstehen, denn wer ihm des öfteren er‐
liegt, der wird unmöglich seinen Kritiktrieb
gesund erhalten können.
.Hier handelt es sich nicht etwa um harm‐
loses Spiel, das keinem verwehrt werden
dürfe.
.Allzuviel Unheil wird tagtäglich durch
eilfertiges und vorlautes Kritisieren herauf‐
beschworen, in verhängnisvoller Auswir‐
kung krankhaft entarteten Kritiktriebes, als
daß es nicht an der Zeit wäre, dem Übel
endlich festen Willens entgegenzutreten.
.Es handelt sich hier nicht um berufs‐
mäßige Kritik, die sich mit bildender Kunst,
Literatur, Musik und Theater befaßt, denn
da liegt doch zumeist das Amt des Kri‐
tikers in der Hand von Publizisten, die auf
diesen Gebieten genügend Orientierung be‐
sitzen um mit der Kritik der Werke dort
einsetzen zu können, wo fruchtbare Wir‐
kung zu erwarten ist.
.Man wird auch schwerlich unter be‐
rufsmäßigen Kritikern vielen Kritiktrieb‐
kranken begegnen, und wenn berufsmäßige
Kritikausübung auch keineswegs vor Irr‐
tümern geschützt ist, so bleibt doch das
kritisierte
Werk bestehen und kann sich
im Laufe der Zeit die
Revision des Fehl‐
urteils erzwingen.
.Anders aber liegen die Dinge bei den
wilden Äußerungen entarteten Kritiktriebes
gegenüber dem
Tun und
Reden des Neben‐
menschen, denn hier können Unkenntnis,
Vorwitz, oder böser Wille jede gute Wir‐
kung im Keim ersticken und jede spätere
Korrektur unmöglich machen.
.Besonders gilt das im Bereich des öffent‐
lichen menschlichen Gemeinschaftslebens,
allwo Unzählige das Recht des Einzelnen
zur Mitbestimmung seiner äußeren Lebens‐
bedingungen als
ein Recht zu ahnungs‐
loser Kritik an allen und allem auf‐
fassen, und so unweigerlich zu kläglicher
Entartung ihres Kritiktriebes gelangen.
.Gerade hier aber wirkt solche Entartung
auch ansteckend wie eine Seuche...
.Da sich jeder Einzelne zur Kritik
be‐
rechtigt fühlt, auch wenn ihm jede Sach‐
kenntnis abgeht gegenüber dem Tun oder
Reden, das zu kritisieren er unternimmt,
so wirkt auf ihn die kritische Äußerung
eines Anderen als überaus suggestive Auf‐
forderung, sich in gleicher Weise hören zu
lassen, wobei dann die Eitelkeit dafür sorgt,
daß die Aufblähung der eigenen Persön‐
lichkeit des Kritikers aller sachlichen Kritik
überordnet wird...
.Einer besonderen Vorliebe erfreut sich
bei solchen an der Kritiksuchtseuche Er‐
krankten
das Schlagwort als bequemstes
und immer effektvolles, kritisches Schein‐
argument.
.Der Dümmste vermag noch, ein Vir‐
tuose des Schlagworts zu werden, das stets
ein sicherer Köder für alle Denkträgen und
Urteilsunmündigen ist und bleiben wird.
.Die Beliebtheit des Schlagworts genügt
aber allein schon zur Entlarvung der da‐
mit operierenden Kritik, als eines verant‐
wortungslosen Bestrebens, die zumeist recht
dürftige Geistigkeit des Kritikers gewichtig
und bedeutsam erscheinen zu lassen.
.Man darf wohl sagen, daß
jegliche
Kritik im gleichen Maße an Gültigkeit und
Wert verliert, als sie genötigt ist, ihre Zu‐
flucht zu wirkungserprobten
Schlagworten
zu nehmen. ‒
.Kritik als Auswirkung des
gesunden
Kritiktriebes aber kennt das Schlagwort
kaum.
.Der noch nicht erkrankte Kritiktrieb
weckt vor aller Auswirkung das
Verant‐
wortungsgefühl des Kritikers.
.Nicht um die
Selbstbetonung einer
Persönlichkeit handelt es sich bei der Be‐
tätigung des gesunden Kritiktriebes, sondern
um die Mitwirkung an der Vervollkomm‐
nung eines Zustandes, einer Einrichtung,
oder sonstigen menschlichen Werkes.
.Hoch erhebt der Kritiktrieb den Men‐
schen über das Tier!
.Auch das intelligenteste Tier nimmt seine
Umwelt hin wie sie ist, und äußert nicht
die leisesten Anzeichen wirklich kritischen
Verhaltens.
.Freudiges Annehmen, oder Abwendung
und Widerstand im Verhalten des Tieres
zur Außenwelt, sind nur Äußerungen seines
Selbsterhaltungstriebes und dürfen nie‐
mals als Ergebnis kritischen Erwägens ge‐
deutet werden.
.Der Kritiktrieb des Menschen setzt die
Erahnung eines vollkommeneren Zustandes
der Dinge voraus, als er jemals hier auf
Erden anzutreffen ist.
.Wäre der Mensch hier im Leben der
physischen Erscheinungswelt
heimisch, wie
das Tier, ‒ wie würde er
Kritik üben
können an seiner ihm äußeren Welt!? ‒
.Nur weil sein Geistiges
Vollkomme‐
neres kennt, als die ihn umgebende irdische
Welt, konnte der Mensch den Trieb zur
Kritik in sich erzeugen.
.Die ihm heute nicht mehr bewußtseins‐
gegenwärtige Erfahrung seines urgegebenen
geistigen Seins ist dennoch Ursache seines
kritischen Verhaltens gegenüber der ihn
nun umgebenden
physischen Welt.
.Durch eigene Willens-Strebung ausge‐
stoßen aus dem Bewußtseinsbereich des
reinen Erlebens wesenhaft geistiger Ge‐
staltung, bleibt die ewige Geistsubstanz, die
im Erdmenschtiere sich nun physisch-sinnlich
erlebt, doch immer noch Träger der Er‐
innerung an ihren vormaleinst erlebten
Seinszustand, und wenn auch das erden‐
tierhafte Gehirn nicht ohne weiteres fähig
ist, an solcher „Er-Innerung” teilzunehmen,
so wird es gleichwohl ihrer ahnend teil‐
haftig durch Influenzwirkung. ‒
.Alle Auswirkung gesunden Triebes zur
Kritik ist bestimmt durch unbewußtes Ver‐
gleichen des im Irdischen Dargebotenen
mit der Form absoluter Vollkommenheit,
die ihm in
geistiger Erscheinung ent‐
sprechen würde.
.Wir Menschen hier auf Erden leben
unter dem Einfluß
zweier, voneinander
äußerst verschiedener Vollkommenheits‐
Ideale, mögen wir unsere Doppelstrebigkeit
ignorieren, oder ‒ wie alle nicht ganz
irdisch verkrusteten Naturen ‒ bitter an
ihr leiden...
.Wären wir nur
irdisch-sinnliche Na‐
turen, dann wäre die Zwiestrebigkeit und
alles ihr entspringende Leid
unmöglich.
.So aber sagt uns das physische Dasein
zwar mit brutaler Vehemenz, was ihm
für
sich „Vollkommenheit” heißt, während wir
durch das gleiche physische Gehirn auch
rein
geistige Influenz aufnehmen, womit
uns die Vorstellung einer Vollkommenheit
gegeben wird, neben der alles
irdisch Voll‐
kommene für uns zur
Unvollkommen‐
heit verdammt erscheint. ‒ ‒
.Es
muß zu innerer „Zerrissenheit”
führen, wenn ein Mensch danach strebt,
Dinge, die ganz der
physischen Gesetz‐
lichkeit unterordnet sind, zu einer Voll‐
kommenheit zu führen, die nur im
Gei‐
stigen gegeben ist!
.Alles Streben nach „Vergeistigung” des
Körperlichen gehört hierher...
.Es ist uns nur die erhabene Möglichkeit
geboten, hier im Physischen den Geist zu
verkörpern, aber auch diese Geist-
Verkör‐
perung ist nur nach der Weise
physisch‐
sinnlicher Vollkommenheit vollziehbar, ‒
wird also der Vollkommenheit des ewigen
Geistes gegenüber allzeit als „
unvoll‐
kommen” gelten müssen. ‒ ‒ ‒
.Nun verleitet uns aber der zwar
geist‐
gezeugte, jedoch nur
im Physischen sich
auswirkende Kritiktrieb immer wieder zu
der irrtümlichen Annahme, wir könnten
das in der physisch-sinnlichen Erscheinung
Gegebene zu
jener Vollkommenheit führen,
die nur im
Geistigen möglich ist.
.Daher dann die Übersteigerung unserer
Ansprüche an uns selbst und die mit uns
Lebenden, ‒ daher die
Hypertrophie
des ungehemmten Kritiktriebes! ‒
.Die einsehen können, was hier einzu‐
sehen ist, sollten sich wahrlich endlich klar
darüber werden, daß Kritik am Tun und
Treiben ihrer menschlichen Umwelt nur
dann
berechtigt ist, ‒ daß der Kritiktrieb
nur dann
gesund erhalten werden kann, ‒
wenn sorglichst geachtet wird auf die
Bedingungen, denen alles Wirken des
Menschengeistes hier auf Erden unter‐
stellt ist.
.Auch die irdisch-vollkommenste Lei‐
stung des Menschen innerhalb der
physisch‐
sinnlichen Erscheinungswelt bleibt ein
Un‐
vollkommenes gegenüber dem, was dem
ewigen, wesenhaften
Geiste Vollkommen‐
heit heißt. ‒
.Um wievielmehr ist alle Nachsicht
dort
geboten, wo nach Lage der Dinge nicht
einmal die „Vollkommenheit” nach
physi‐
scher Möglichkeit erwartet werden darf...
.Kritiksucht ist die Krankheit, mit der
die „Schlange” des „Paradieses” die Mensch‐
heit infizierte, und vielleicht versteht man
nach dem, was hier zur Erörterung kam,
nun besser die verlockenden Worte, die
innerhalb der mythischen Erzählung durch
das
satanische Prinzip dem Menschen ein‐
geflüstert werden:
.„
Ihr werdet sein wie die Götter, ‒
erkennend Gutes und Böses!” ‒ ‒ ‒
.Gar trübe und endlich vergängliche
„Götter” sind es, die solcher „Erkenntnis”
teilhaft sind!
.Vor dem ewigen, wesenhaften
Geiste
aber ist alles „Böse” nur zeitlich erschei‐
nender, vergänglicher
Irrtum, dessen
phy‐
sische Realität für geistiges Bewußtsein
ein „
Nichtsein” ist, denn was
allein im
Geiste sich selbst erlebt, ist ewige
Voll‐
kommenheit: ‒ das urgezeugte und ewig
sich selber weiterzeugende „
Gute”. ‒ ‒ ‒
.Und nun noch ein Wort über
Selbst‐
kritik!
.Daß auch
diese Art der Auswirkung
den Kritiktrieb zur
Entartung bringen
kann, wenn er nicht durch rechte Einsicht
geleitet wird, das dürfte am ehesten vielleicht
doch allen denen verstehbar werden, die
selbst an solcher Triebentartung
leiden...
.Kritik am
eigenen Verhalten kann
ebenso fördern oder hemmen, wie unsere
Kritik an
Anderen diesen zur Förderung
oder Hemmung gereichen kann.
.In beiden Fällen wird die Auswirkung
des Kritiktriebes nur dann
Segen bringen,
wenn vor allem anderen
das Gute erspürt
und wertgeachtet wird,
ehe man nach
Fehlern und Mängeln an sich oder seinen
Nebenmenschen forscht. ‒
.Ein einziger positiver Wert kann
die Fülle aller vorhandenen Fehler
und Mängel überwiegen!
.Die Sage erzählt, daß Sodom vernichtet
wurde, weil die Sünde seiner
Tausende
ihm zum Verderben gereichte, aber ‒ um
„
zehn Gerechter” willen wäre
die ganze
Stadt gerettet worden...
.Scheinbar ist es recht überflüssig, hier
aufs neue diese Frage zu stellen.
.Alte und neue Deuter des seltsamen
Werkes, das den
Namen Böhmes trägt,
haben sich bald mit mehr, bald mit weniger
Glück auch mit der Deutung des
Menschen
beschäftigt, der hinter diesem Werke steht.
.Daß Böhme ‒ außer dem was er
war
‒ auch Schuhe nähen konnte, wissen selbst
Leute, die nie eine Zeile von ihm gelesen
haben, und wenn auch gewisse Deuter seines
Werkes von dem Urheber als dem „Gör‐
litzer Schuster” sprechen, so ist das ‒
bestenfalls ‒ Geschmackssache, wenn man
nicht mit mir der Ansicht zuneigt, daß
zwar die Schuhmacherei ein sehr ehren‐
wertes Handwerk ist; daß auch dieser Hand‐
werkerstand recht stolz sein kann auf seinen
berühmten Zunftgenossen; daß es aber ge‐
wiß nicht „
geistige Nähe” verrät, wenn
man dem abgründig tiefen
Geisteskünder
Jakob Böhme gegenüber, auch nur an das
alltägliche Tun
erinnern mag, mit dem er
sein Brot verdiente. ‒ ‒
.Allerdings hat es auch niemals an Men‐
schen gefehlt, denen das Wesentliche eines
geistig so bedeutenden Menschen wahrlich
nicht durch seine irdische Erwerbstätigkeit
bestimmt erschien, ‒ denen es belanglos
blieb, daß dieser Lehrer
außerhalb der
abgesteckten Pferche landläufiger Bildung
aufgewachsen war.
.Böhme selbst aber zeigt nur zu deut‐
lich in seinen Schriften, wie sehr er es als
Mangel fühlte, daß ihm die Gelehrsamkeit
seiner Zeit nicht zu eigen geworden war,
und bis an das Ende seines Lebens müht
er sich, der gelehrten Freunde Begriffswelt
zu erfassen: in den
Worten, die er bei ihnen
hört, von seinem
eigenen Schauen und
Denken Kunde zu geben.
.Die Nötigung, das einmal erlernte Hand‐
werk betreiben zu müssen, um nur leben
zu können, war ihm eine stete
Störung,
und alles, was man um seine äußeren Le‐
bensumstände weiß, zeigt deutlich, wie sehr
er sich dieser Störung zu entwinden suchte,
um nur dem inneren Antrieb seines hohen
Geistes folgen zu können.
.Will man das Geistesgut, das sich in
dem Menschen
Jakob Böhme seinen ir‐
dischen Schrein geschaffen hatte, wirklich
erkennen lernen, dann darf man wahrhaftig
den Schriften des Weisen sich nicht in der
vorgefaßten Meinung nahen, hier nun den
mehr oder weniger hausbackenen Ergeb‐
nissen des sinnierenden Grübelns eines
biederen Handwerksmannes zu begegnen,
der bei seiner Schusterkugel vergißt, daß
er brauchbares Schuhwerk schaffen soll und
statt dessen lieber den mancherlei meta‐
physischen Fragen Antwort sucht, die sein
frommes Gemüt nicht in Ruhe lassen wollen.
.Das sei allen gesagt, die zwar den
Namen des Weisen kennen, aber seine
Schriften nicht gelesen haben, oder sie gar
bald aus der Hand legten, weil sie Anstoß
nahmen an dem dunkeln Wort der freilich
oft sehr eigenmächtigen und seltsam tönen‐
den Redeweise!
.Wer aber Böhmes Schriften
wirklich
durchforscht hat, ‒ wer es sich Mühe
kosten ließ, in ihre Sprache sich einzuleben,
‒ der hat stets auch gelernt, sich vor dem
Manne, der solches niederschreiben durfte,
in
Ehrfurcht zu beugen, und es ist längst
bezeugt, daß diese Ehrfurcht sich gerade
dort am stärksten einstellt, wo
eigener
Seele Tiefe aufklingt, sobald die wunder‐
samen Schätze erst ertastet werden, die Jakob
Böhmes Weltentiefe in sich birgt...
.Das gilt allerdings nur von seiner Er‐
kenntnis der rein
geistigen Welt!
.Aber trotz der Fehlgriffe in die Gebiete
des physisch-sinnlichen Universums, bei
denen er sich von anderen das Hebezeug
borgt, trotz aller zeitlichen Bedingtheit seiner
Folgerungen, ‒ und selbst trotz aller Ketten‐
fesseln dogmenstarrer Religionsform, steht
einer der
Weisesten hier vor uns, unter
denen, die jemals die letzten Urtiefen
menschlichen Erkennens zu ergründen
suchten! ‒
.Ein „Brunnenbauer”, der seinen Schacht
bis zu den Urwassern des Lebens vertiefte!
.Wer immer den Mut aufbringt, in diesen
Brunnenschacht niederzusteigen, ‒ denn es
ist kein angeseilter Eimer da, mit dem er
etwa schöpfen könnte, der wird die Bestä‐
tigung finden, daß er nur in sich selbst
einen Schacht von
gleicher Tiefe zu bauen
brauchte, um auf die
gleichen lebendigen
Quellen auch
in sich selbst zu stoßen...
.Wer freilich hängen bleibt in dem
Wurzelwerk
religiöser Allegorien, das
an den Wänden des Brunnenschachtes, den
Böhme in sich selbst hinein baute, immer
noch Halt findet, um den Arglosen in sein
Gewirre zu verstricken, der wird froh sein
können, weiß er sich endlich wieder
befreit,
und die Wasser der Tiefe werden ihm nur
sein eigenes verstörtes Antlitz spiegeln. ‒
.Dies alles sei zuerst ausgesprochen, be‐
vor ich der Frage antworten kann,
wer
dieser seltsame und auf seine Art der Welt
des Geistes so kundige Seher Jakob Böhme
war, dem neuere Forschung endlich den
Rang in der Geistesgeschichte der Mensch‐
heit zuweist, der ihm gebührt, auch wenn
es ihm nie an
Verehrern fehlte, denen
bald
diese, bald
jene Seite seines Wesens
staunenswert erschien, weil keiner
das
ganze Bild dieses großen Menschen in sein
Blickfeld fassen konnte. ‒
.Die Antwort, die ich hier nun zu geben
habe, gilt nur der
geistigen Herkunft
Böhmes, so wie ich sie kenne aus gesicher‐
tem Erkennen, und was mir da nun zu sagen
möglich ist, wird denen verstehbar sein,
die bereits erkannten, daß alles geistige
Geschehen hier auf Erden nur letzte Aus‐
wirkung aus der Liebe geborener hoher Im‐
pulse im Reiche des wesenhaften
Geistes
darstellt. ‒
.Man wird sich alles dessen erinnern
müssen, was ich bereits unzählige Male zu
bekunden hatte, wenn ich davon sprach,
daß Göttliches nur
durch den Menschen‐
geist dem Menschen faßbar werden kann,
und daß aller Einfluß, den die Erden‐
menschheit
aus dem Reiche des wesen‐
haften Geistes empfängt, von einem un‐
sichtbaren Tempel
hier auf Erden aus‐
geht, dessen fundamentbildende Bausteine
Menschen dieser Erde sind, die
gleich‐
zeitig, vollbewußt und ohne jeden Unter‐
bruch ‒ trotz allem irdischen Tun, ‒
im reinen Geiste leben. ‒ ‒
.Von
dort her ward auch
Böhme zu
seinem Wirken geführt! ‒
.Als geistiger „
Schüler” des von mir
so oft bezeichneten verborgen wirkenden
geistigen Kreises erstieg er Stufe um Stufe,
soweit es ihm während dieses Erdenlebens
möglich war, und er selbst wußte wahrlich,
woher ihm seine Erleuchtung kam.
.Nach außenhin aber war er durch
strenges Gebot zum
Schweigen verpflichtet.
.Er selbst war ja nicht dazu bestimmt,
hier auf Erden im Kreise der „Leuchten‐
den des Urlichts” ein Leuchtender zu werden.
.Allzu irdische Flammen umlohten in
ihm noch das goldweiße Licht des göttlichen
Geistes, und keineswegs lag jene geistige
Entfaltung, die Jahrtausende währt und die
jeder „Leuchtende”
erreicht haben muß,
bevor er sich im Erdentiereskörper hier
erlebt, schon hinter ihm, als er ins irdische
Dasein trat.
.Was aber ein wahrhaft würdiger Mensch
erlangen kann, der „angenommen” wurde,
um ein Schüler des Lichtes zu werden,
das hat Jakob Böhmes Werk der Welt ge‐
zeigt, obwohl sie nicht darum wissen konnte,
woher die Kraft zum Werke zugeflossen
war...
.Unmöglich war es den Deutern von
Böhmes Schriften, über die
ursächliche
Bedingung seiner Seherschaft Authenti‐
sches zu
wissen, ‒ unmöglich war es ihnen,
auch nur zu
ahnen, daß in ihm eine gei‐
stige Leitung wirksam war, von deren Da‐
sein auf der Erde stets nur einige wenige,
die nicht reden durften, Kenntnis erhalten
hatten. ‒ ‒ ‒
.Und dennoch ist es nicht unmöglich,
daß Böhme vertrauten Freunden einst eine
ihm noch erlaubt erscheinende Andeutung
machte, die zu einer späteren Erzählung
seines ersten Biographen Anlaß gab, einer
Erzählung, mit der man heute nichts mehr
anzufangen weiß, so daß man in ihr nur
die Mythenbildung am Werke glaubt.
.Beachtlich dürfte es daher wohl sein,
daß der Lebensbeschreiber und Freund
Böhmes zu berichten weiß:
.„Und kan wohl seyn, daß auch
von
außen durch
Magisch-
Astralische Würk‐
kung der
gestirnten Geister, zu diesem
heiligen Liebe-Feuer, gleichsam ein
ver‐
borgener Glümmer und Zünder mit an‐
und eingelegt worden.” *)
‒ ‒ ‒
.*) Ich lasse hier mit Absicht die Worte, auf die es an‐ OO
kommt, gesperrt drucken, während ich im übrigen wörtlich OO
nur dem Original folge.
.Es liegt zum mindesten sehr nahe, daß
der Biograph einiges von den wirklichen
Zusammenhängen
ahnte, wenn er nicht
gar, aus andeutenden Reden Böhmes, mehr
wußte, als er sagen wollte. ‒ ‒
.Zweifellos gibt es für jeden, der hier
den wirklichen Zusammenhang durchblickt,
doch sehr zu denken, daß im Anschluß an
obiges Zitat erzählt wird, wie einstmals
„ein frembder, zwar schlecht bekleideter,
doch feiner und ehrbarer Mann” in Böhmes
jungen Jahren zu ihm in den Laden seines
Meisters getreten sei, während Böhme dort
allein war, und daß dieser Mann ihn dann
plötzlich, trotz aller Unbekanntheit, beim
Namen genannt habe, nicht ohne Böhme
dadurch sehr zu erschrecken.
.Dann aber heißt es weiter:
.„Da ihm der Mann eines Ernst-freund‐
lichen Ansehens, mit Liecht-funckelten
Augen, bey der rechten Handt gefasset, ihme
strack und starck in die Augen gesehen
und gesprochen: Jakob, du bist klein, aber
du wirst groß und ein gar anderer Mensch
und Mann werden”... usw. usw.
.„Worauff der Mann ihme die Hand
getrücket, wiederumb starck in die Augen
gesehen, und also seinen Weg für sich
gangen.”
.Es wird dann im gleichen Zusammen‐
hang noch berichtet, wie Böhme daraufhin
anders geworden, und „nach weniger Zeit
darauff” sei dann seine Erleuchtung, sein
„Geistlicher Außruff und Sabbaths-Tag...
erfolget.”
.So ferne es mir auch liegt, rechten
zu wollen darüber, welchen Wert man dieser
Erzählung zuerkennen soll, so glaube ich
doch, daß hier ein Hinweis immerhin nicht
ganz fehlen darf. ‒
.Da ich mir nicht die Aufgabe stelle,
Böhmes Schriften deuten zu wollen, so
darf ich es aber auch wohl bei diesem
einen Hinweis bewenden lassen, trotzdem
ich es durchaus nicht für unmöglich halte,
daß gründliche Kenner dieser Schriften
mir auch in Böhmes
eigenen Texten so
manche geheimnisvolle Stelle zeigen könnten,
die hier genannt werden dürfte. ‒ ‒
.Es möge genügen, die Aufmerksamkeit
der Leser auf das Erwähnte hingelenkt zu
haben.
.Was aber hier ausdrücklich gegeben
werden soll, ist die nur aus einer einzigen
Quelle erlangbare Darlegung von Böhmes
geistiger Herkunft und wurde veranlaßt
durch die stets wiederholte Beobachtung,
daß auch die besten Erklärer des geistigen
Phänomens
Jakob Böhme, weder den
Menschen restlos zu deuten vermögen,
noch die
Schriften, solange sie nicht um
die Beziehungen Böhmes zu dem geistigen
Kreise der „
Leuchtenden des Urlichts”
wissen.
.Die Gründe, durch die einst der
weise Seher selbst zum Schweigen ver‐
pflichtet wurde, bestehen heute längst
nicht mehr, und seinen Schriften wird
nur die Wirkung erleichtert, wenn man
um seine geistige Herkunft
weiß und ihre
Spuren in seinem Werke
richtig deuten
kann.
.Was zeitlich und allzupersönlich be‐
dingt war an seinem Werke, ‒ was einer
Vorstellungswelt entstammt, mit der er
fertig werden mußte, wollte er nicht noch
weit herberes Leid durch deren Anhänger
erdulden, als sie schon ohnehin ihn er‐
dulden ließen, ‒ das alles läßt sich aus
diesem Werke lösen, ohne ihm irgendwie
Wesentliches zu nehmen.
.Was aber als Wesentliches
bleibt, das
wurde vor mehr als dreihundert Jahren
wahrlich auch für die
heutige Zeit ge‐
schrieben!
.Niemals kann es veralten, da es der
Ewigkeit entstammt: ‒ dem
immer‐
währenden „
Heute”!
.Jakob Böhme gab dem Schauen seiner
Seele nur die Wortgestalt, in der es
für ihn
selber bleibend faßbar und
be-
haltbar
werden konnte, da er ja nicht Herr und
Meister dieses Schauens war, sondern immer
warten mußte, bis es ihm aufs neue vom
Reiche des Geistes her eröffnet wurde, so
daß ihm das jeweils Erschaute in Gefahr
geriet, wieder verloren zu gehen. ‒ ‒ ‒
.Es ist nicht zum Verwundern, wenn
er wirklich Wesentliches oft so kraus und
wirr
verzierte, weil ihm nur solche Ara‐
beske Unsagbares formhaft zu umschließen
schien.
.Als ein naturhaft starker Sprachge‐
stalter in der Weise seiner Zeit,
zwang
er die Worte, seinem bildhaften Erleben
Form zu werden, und es bekümmerte ihn
wenig, wenn die Worte sich auch
sträuben
mochten, die Überfülle seiner inneren Ge‐
sichte aufzunehmen.
.Aus seinen Worten
auszulösen, was
sie fassen, wird stets nur
liebender Ver‐
senkung möglich sein. ‒ ‒ ‒
.„Da aber das Volk dieses sah,
fürchtete es sich, und pries Gott,
der solche Macht den Menschen
gegeben hat.” Matthäus, IX, 8.
.Es wurde berichtet von einem Maori auf
Neuseeland, der ganz unerhörte
Heilungen
vollbringe. Der Mann sei ein getaufter
Christ und er verlange von denen, die er
heilen solle, daß sie die Heilung nur der
„
Heiligen Dreieinigkeit: ‒
Vater,
Sohn
und Heiliger Geist”, danken dürften, ja
er drohe, daß die Heilung nicht bestehen
bleibe, sobald der solcherart verlangte Glaube
in dem Geheilten schwinde.
.In christlichen Kreisen aber sah man
das Wirken dieses Maori als handgreifliche
Bestätigung des Dogmas an...
.Dann kam in Europa Herr
Coué, ver‐
langte nichts weiter von dem Kranken, als
daß er an die Macht seiner
eigenen Ein‐
bildungskraft glaube, und erzielte nicht
weniger „wunderbare” Erfolge.
.Und nun kommt schon wieder neue
Kunde von einem Heiler, der
durch bloßes
Handauflegen allerlei Krankheit zum Ver‐
schwinden bringen soll.
.Diesmal ist es
ein buddhistischer
Mönch ‒ angeblich ein Chinese ‒ der
durch seine Heilungen in dem an „Wunder”
gewohnten
Indien Staunen und ehrfürchtige
Scheu erregt.
.Da er
allein nicht mehr imstande ist,
allen Kranken die zu ihm kommen, die
Hände aufzulegen, so „
überträgt” er seine
Heilerkraft an fünf seiner Schüler. ‒ ‒
.Zeitungsmeldungen lassen erkennen, daß
man die Tatsächlichkeit der Heilungen nicht zu
bezweifeln vermag und daher ‒ wie gewöhn‐
lich in solchen Fällen ‒ vor Rätseln steht.
.Nun wird ja freilich von Zeit zu Zeit genug
des Wunderbaren aus Ostasien berichtet,
und bei näherer Nachprüfung bleibt dann
oft recht wenig davon übrig, obwohl nie‐
mals die „durchaus glaubwürdigen Augen‐
zeugen” in den ersten Berichten fehlen.
.Was man aber hier von diesem Bud‐
dhistenmönch berichtet, ist durchaus nicht
so wunderbar, daß man es schon aus bloßer
Vorsicht bezweifeln müßte.
.Zum Verwundern ist es vielmehr, daß
man immer wieder
staunend und
um Er‐
klärung verlegen vor solchen Heilungen
steht, ja daß man sie selbst dem sympa‐
thischen und nüchternen Herrn
Coué, der
doch wahrlich sich keinerlei Wundermantel
umhing, in manchen Kreisen nicht so recht
glauben will. ‒
.Freilich sprach Herr Coué nur von der
„
Autosuggestion”, während es sich hier
um Kräfte handelt, denen eben durch die
Autosuggestion nur
die Fesseln abge‐
nommen werden, aber das Wesentliche
bleibt bei seinem Erklärungsversuch doch
der Hinweis, daß Kräfte, die jeder Mensch
in sich selbst trägt, die Heilungen be‐
wirken.
.In Wahrheit kann kein Arzt der Welt
auf eine andere Weise wirklich
heilen, als
dadurch, daß er diesen Kräften die Mög‐
lichkeit schafft, sich auszuwirken, einerlei
durch welche Mittel er dazu gelangt, mag
er auch chemische oder chirurgische Ein‐
griffe vornehmen.
.Das ist nun nichts Neues und man hat
sich von je her mit der billigen Erkenntnis
beholfen, daß der Arzt nur die Heilkraft
der Natur
anregen könne, ansonsten aber
mit den besten Medikamenten, ja selbst
durch Entfernung kranker Organe, kaum
viel vermöge.
.Es sind aber noch
andere Dinge hier
im Spiel, und die sympathisch-bescheidene
Geste des Herrn Coué, daß
er selbst gar
nichts mit der Heilung zu tun habe, sondern
nur lehre wie der Patient
sich selber
helfen könne, darf beileibe nicht als un‐
umstößliche Mitteilung eines Tatbestandes
aufgefaßt werden, selbst wenn Herr Coué
in seinem tiefsten Innern von der Richtig‐
keit dieser Auffassung durchdrungen gewesen
sein mag. ‒
.Immer und überall wird die
Persön‐
lichkeit des Heilers von ausschlaggebender
Wichtigkeit sein, einerlei, ob es sich um die
durch Herrn Coué nun populär gewordene,
von den amerikanischen sogenannten „Neu‐
denkern” seit einem halben Jahrhundert
bereits praktizierte Methode der
Autosug‐
gestion handelt, ‒ um
Glaubensheilung,
oder
Handauflegen, ‒ oder schließlich
um die Heilung durch
medizinische und
chirurgische Eingriffe.
.Gewiß kann der
Wille, besonders in seiner
höchsten Potenz: als
Imagination, als
Einbildungskraft wirkend, im Menschen
wahre „Wunder” vollbringen, und das gilt
auch hinsichtlich der Freimachung jener
Heilkräfte, die als automatisch wirksame
Ordner in jedem menschlichen Organismus
vorhanden sind, aber durch die leiseste
Einrede der
Gedanken schon
gelähmt
werden, so daß alles darauf ankommt, wie
man am besten die
Fesselung durch solche
Gedanken-Einrede
entferne.
.Darüber hinaus aber handelt es sich hier
‒ wie bei allen Bekundungen der Lebens‐
kräfte ‒ um ein Wirksamwerden
zweier
Pole, deren einer im triebhaften Willen
der Zellen des erkrankten Organismus zur
Entartung, deren anderer im
geistigen
Willen (nicht „Wunsch”!) zur
Gesundung
zu finden ist.
.Bei der
Selbstheilung ist es unum‐
gängliche Voraussetzung, daß der Kranke
seinen Willen zur Gesundung objek‐
tiviere; ihn gleichsam sich selber „fremd”
mache, damit die nötige
Spannung ent‐
steht zwischen dem
organhaften Willen
zur
Krankheit und dem
geistigen Willen
zur
Gesundung.
.Das ist nicht immer ganz leicht und zu‐
weilen fast unmöglich, während die An‐
forderungen an den Kranken auf ein letztes
Minimum herabgesetzt werden, sobald der
geistige Wille zur
Gesundung: ‒ zur
Ord‐
nung des im Organismus
Ungeordneten
‒ wenigstens zu Anfang,
von außen her
auf ihn einwirkt und durch Influenzwir‐
kung seinen
eigenen geistigen Willen ent‐
sprechend zur Tätigkeit
anregt.
.Dieser
äußere geistige Wille kann ein
Kollektivwille sein, wie er an Wallfahrts‐
orten z. B. in Wirksamkeit ist, ‒ er kann
aber auch von einer
einzelnen Persön‐
lichkeit ausgehen und ist alsdann bedingt
durch die
einwohnende Kraft dieser Per‐
sönlichkeit, solchen „heilenden” Willen auf
Andere
übertragen zu können. ‒
.Bekanntlich hat man auf dem Gebiete
der medizinischen Heilpraxis unzähligemale
die Erfahrung gemacht, daß gewisse Heil‐
methoden in der Hand des
einen Arztes die
erfreulichsten Heilerfolge sicherten, während
andere, nicht minder tüchtige Aerzte mit
den gleichen Methoden kaum etwas anzu‐
fangen wußten.
.Auch der Umfang des
Wissens, ja selbst
die Fülle der
praktischen Erfahrung,
vermag nicht Ersatz zu bieten für die
an‐
geborene Eignung zum wahren
Heiler,
und es sollte darum
nur dann ein Mensch sich
heilärztlichem Wirken zuwenden, wenn
er diese Eignung:
den geistigen Willen
zum Gesundwerden alles Erkrankten
auf Andere übertragen zu können, deut‐
lich an sich wahrgenommen hat. ‒
.Alles nur
rein wissenschaftliche In‐
teresse am inneren Gefüge des mensch‐
lichen Organismus und seinen pathologischen
Veränderungsmöglichkeiten rechtfertigt da‐
gegen nur das Streben nach reinem
Forscher‐
beruf, der dann
indirekt den Kranken
hohen Nutzen bringen kann, aber man sollte
auf dem Gebiete der medizinischen Wissen‐
schaft aufs strengste scheiden lernen zwischen
der Eignung zum
Forscher und der Eig‐
nung zum
Heiler. ‒ ‒
.Beide Eignungen sind
angeboren und
lassen sich in ihrer ausgeprägt
echten Form
niemals erwerben, wenn auch so mancher
Arzt, der, zum
Forscher geboren, eine
Heilpraxis betreiben
muß, aus der Not
eine Tugend macht, weil er
aus rein mensch‐
licher Hilfsbereitschaft heilen
möchte,
da man ihn nun einmal dazu gerufen hat,
und dann vielleicht auch zuweilen recht
zahlreiche Heilerfolge erzielt. ‒
.Die Vereinigung
beider Eignungen in
einem Menschen ist
so überaus selten,
daß man hier füglich von ihr absehen
darf. ‒
.Was aber das
Studium des kranken
Menschen durch den
Forscher angeht, der
es ja keinesfalls entbehren kann, so dürfte
es wahrlich
auch dann zu ermöglichen
sein, wenn er die eigentliche
Heilpraxis
dem geborenen
Heiler allein überläßt. ‒
.Wir haben genug Menschen unter uns,
die geborene Heiler
sind und wenn schon
heute die kompliziertesten mechanischen
Methoden zur Anwendung gelangen, um
festzustellen, ob ein Mensch die rechte Eig‐
nung zum Lokomotivführer, oder zu irgend
einem anderen technischen Berufe besitzt,
so sollte es wahrlich auch gelingen, schon
während der Studienzeit festzustellen,
ob der angehende Mediziner zum
Forscher
oder zum
Heiler taugt.
.Es würde sich dann kaum mehr ereignen,
daß irgend ein obskurer Wundermann den
Ruf erlangt, alle erdenklichen Krankheiten
heilen zu können, die der medizinisch ge‐
bildete Arzt
nicht heilen konnte, weil er
eben kein geborener
Heiler war.
.Ein solcher
Heiler aber wird mit
jeder
Methode Heilerfolge erzielen, und seine er‐
worbene Wissenschaft wird stets von seiner
sicheren
Intuition berichtigt werden.
.Bevor man aber zu der Erkenntnis kommt,
daß der rechte Arzt vor allem geborener
Heiler sein muß, werden alle neuen Heil‐
methoden, alle Reformen in der Heilkunst,
nur
sehr wenig Förderung bringen, und
immer wieder wird man erleben, daß alle
Welt aufhorcht, wenn irgend ein wirklicher
Heiler auftaucht, während das Vertrauen
zur
wissenschaftlich fundierten Heil‐
kunst mehr und mehr unterminiert wird. ‒
.Es liegt solchem Verhalten der Menge
stets ein
sicherer Instinkt zugrunde, der
eine Macht zu heilen im Menschen
der
dazu geboren ist
erspürt, und sich wenig
darum kümmert, ob ein solcher Mensch
auch die
wissenschaftliche Einsicht be‐
sitzt, sein Tun zu
kontrollieren.
.Der kranke Mensch will
geheilt werden
und trägt keinerlei Begehr danach, daß man
ihn als einen „interessanten Fall” betrachtet,
was er nur für den
Forscher sein darf,
aber niemals für den
Heiler!
.Dokumente aus allen Zeiten zeugen von
gewissen Menschen, die behaupteten, daß
ihnen
Göttliches nicht nur dem religiösen
Glauben nach gesichert in der Wahrheit
gelte, sondern vielmehr von ihnen
wissend
erlebt und in erprobt untrüglichem Er‐
leben wohlvertraut geworden sei.
.Solche Behauptung gilt allen denen als
Vermessenheit, die allzusicher auf das Axiom
vertrauen, alle Menschen seien „
gleich
vor Gott”, was denn gemeinhin so gedeutet
wird, als könne es keinerlei Erleben geben,
das nicht einem wie dem anderen ohne
weiteres zugänglich sei.
.Aber es gibt Zeugnisse besonderer Men‐
schen, die denn doch beweisen, daß die
Reichweiten des Erlebens unter uns Erd‐
bewohnern
sehr verschieden sind, wie ja
denn auch im Erleben der
Außendinge
schon die größte Verschiedenheit des Er‐
leben-
Könnens offenbar wird.
.Ist es schon im
äußeren Leben wichtig,
welche Veranlagung ein Mensch von Geburt
an besitzt und wie er seine Begabung aus‐
zubilden weiß, so tritt hinsichtlich des
geistlich-
seelischen Erlebens noch eine
ganze Reihe
anderer Umstände hinzu, die
alle in günstiger Weise
zusammenwirken
müssen, wenn
gesichertes Erleben im Un‐
sichtbaren erreicht werden soll.
.Die Fälle, in denen Menschen Geistiges
mit restloser Klarheit und Sicherheit er‐
lebten, sind
äußerst selten, aber es wäre
sehr töricht, sie um ihrer Seltenheit willen
unbeachtet zu lassen oder gar fortleugnen
zu wollen. Dies um so mehr, als es auch
heute Menschen gibt, die in solcher Art
erleben und mit wachester Urteilsfähigkeit
um ihr Erleben wissen.
.Man muß aber stets unterscheiden zwi‐
schen diesem eigentlichen
Erleben und der
Mitteilung des Erlebten, wie es der also
Erlebende in Worten zu geben sucht.
.In solcher Mitteilung strebt der Mensch
mit aller Inbrunst, auszusagen, was sich
doch niemals in Worten sagen
läßt,
und notgedrungen schafft er sich
Bild
und
Gleichnis, um auch anderen Seelen
erfaßbar zu machen, was ihm wider‐
fahren ist.
.Es zeigt sich in diesem Bestreben das
innere Ahnen, daß das eigene Erleben ir‐
gendwie auch für alle
anderen Menschen
Gültigkeit und befruchtenden Wert haben
müsse; zugleich aber weiß der Berichtende
mit Sicherheit, daß dieses Erleben den
meisten anderen
nicht zugänglich ist, sodaß
er sich
verpflichtet fühlt, davon Kunde
zu geben, selbst wenn es ihm schwer werden
sollte, Bekenntnis abzulegen.
.Man könnte, folgt man der Bild- und
Gleichnis-Spur hierhergehöriger Bekennt‐
nisse, gar leicht vermuten, daß es sich
im Grunde stets um das
gleiche innere
Erleben handle, nur verschieden darge‐
stellt, je nach der Darstellungsfähigkeit
des Erlebenden und seiner ihm eigenen
Bildwelt.
.Sieht man aber näher zu, so ist es auch
für den, der niemals von ähnlichen Erleb‐
nissen erschüttert wurde, nicht allzu schwer,
zu entdecken, daß es sich doch um Berichte
sehr wesentlich
verschiedenen Erlebens
handelt, auch wenn oft die gebrauchten
Darstellungsbilder dazu verleiten könnten,
wesentlich
gleichartige Erfahrungen vor‐
auszusetzen.
.Ja, man wird alsbald ersehen, daß es
sich um ganze
Gruppen völlig gesonderter
Erlebnisse handelt, trotzdem in den gleichen
oder sehr
ähnlichen Worten berichtet
werden mag. ‒
.Das hat seinen Grund darin, daß
alles
mit
physischen Sinnen nicht mehr faßbare
Erleben durchaus nur
vergleichsweise
und andeutend ausdrückbar ist: ‒ daß der
Berichtende aber auch außerdem gerne die
Bilder und Gleichnisse anderer aufgreift,
um aus seiner Not des Nichtsagenkönnens
herauszukommen.
.Es handelt sich im Wesentlichsten um
zwei große Gruppen Erlebender, und jede
dieser Gruppen umfaßt wieder
beson‐
dere Arten des
individuellen Erleben‐
könnens.
.Auf der einen Seite stehen jene Men‐
schen, die nur
das Verborgene ihres
eigenen Innern erleben, hier aber schon
vermeinen, „
das Göttliche” erlebt zu haben,
da sie die Höhe und Tiefe, die Weite und
Breite dessen, was die menschliche Seele
umfaßt, nicht kennen, und nicht zu dem
Glauben sich erheben wollen, das alles sei
noch des
Menschen Bereich.
.Hier wird zumeist in
Ekstasen und
Visionen erlebt, immer aber in einem
„anderen Zustand”, der vom normalen
wachen Tagesbewußtsein sehr verschieden ist.
.Auf der anderen Seite stehen die wirklich
im Geiste objektive geistige Wirklich‐
keit Erlebenden, die alle Ekstasen und
Visionen instinktiv scheuen und nur ein
Erleben gelten lassen, zu dem sie mit
un‐
getrübten Außensinnen,
stets ihrer selbst
und ihrer äußeren Umwelt bewußt,
gelangen können.
.Diese Erlebenden sind weitaus
selte‐
ner als die Ekstatiker und Visionäre, denn
solches tagwache Geisteserleben fordert eine
recht strenge innere Erziehung und Selbst‐
kontrolle. Es setzt voraus, daß sich der
Mensch ein durchaus gesundes, geordnetes
Innenleben zu erringen wußte, daß er sich
peinlichst aller schwärmerischen Gefühle
und Ausdeutungen enthält, um nüchternen
Sinnes, aber voller Ehrfurcht vor dem wesen‐
haften Geistigen, die wirkliche Erfahrung
geistiger Wirklichkeit stets freizuhalten
von allem Rankenwerk der Phantasie. ‒
.Man kann nicht scharf genug zwischen
diesen beiden Hauptgruppen unterscheiden,
will man zu einem klaren Urteil gelangen
bei der Betrachtung jener zahllosen Bekennt‐
nisdokumente aus alter und neuer Zeit, die
von wahrem oder vermeintlichem Erleben
des Göttlichen Zeugnis zu geben suchen.
.Es ist auch nicht allzu schwer, hier
sichere Bürgschaft zu erhalten.
.Während die Ekstatiker und Visionäre
ihre Erlebnisse stets in einer Ausdeutung
darstellen, die gewohnte Glaubensvorstel‐
lungen bestätigen sollen, auch wenn sie
diese Vorstellungen allenfalls auszubauen
oder zu vertiefen suchen, wird jeder, der das
Erleben
geistiger Wirklichkeit bezeugt,
recht deutlich erkennen lassen, daß er
frei
wurde von den Fesseln bestimmter, zeit‐
gegebener Vorstellungswelten.
.Er wird zwar oft genug an solche zeit‐
läufige Begriffe
anknüpfen müssen, aber
immer nur, um das bereits allen Bekannte
als
Verständigungsmittel zu benützen.
.Er will die Meinung, die zu seiner Zeit
und in seiner Umgebung in bezug auf gei‐
stige Dinge gerade Gültigkeit hat, durch
den Gebrauch der bekannten Begriffe und
Vorstellungsbilder keineswegs
stützen, son‐
dern, unbekümmert um irgendein dogma‐
tisches Gebäude, kraft seiner ihm gewor‐
denen Einsicht
zeigen, welche Steine eines
solchen Baues
Bestand haben und welche
nicht, ‒ welche
richtig behauen und
welche
verkehrt bearbeitet sind, denn es
liegt ihm nicht daran, niederzureißen, wohl
aber daran, daß der Bau auch der Wirk‐
lichkeit
entspreche, die er aus geistiger
Erfahrung
kennt.
.Viel Irrtum ist entstanden durch das
kritiklose Vermischen von Bekenntnissen
der hier aufgezeigten beiden Gruppen inner‐
lich Schauender und Erlebender.
.Mögen aber auch Zeugnisse der Eksta‐
tiker und Visionäre zuweilen aller
Bewun‐
derung und selbst hoher
Schätzung würdig
sein, so bleiben sie doch immer mehr oder
weniger
zeitlich und
subjektiv bedingte,
dabei
verschleierte und
getrübte Aus‐
sagen über ein zwar nicht alltägliches, aber
keineswegs täuschungsfreies Selbst‐
erleben, vergleichbar dem der
Dichter, aber
ohne die
ordnende Sichtung eines sou‐
veränen Künstlertums.
.Demgemäß kann auch der Wert nach‐
fühlender Aufnahme solcher Bekenntnisse
nur in einer poetischen Anregung oder
einer subjektiv gefärbten religiösen Stim‐
mungserhebung bestehen.
.Bei
distanzierter Betrachtungsweise
aber wird man nur vor bedeutungs- und
beziehungsreichen
Dokumenten mensch‐
lichen Irrens stehen, die erst als
For‐
schungsmaterial ihren Wert erhalten,
mögen sie uns an sich als menschlich
rührend, als groß und gewaltig, als erschüt‐
ternd, oder als groteske Narretei erscheinen.
.Die bestaunte
glaubensgenährte My‐
stik aller Zeiten und Völker
wurzelt in
solchem Humusboden subjektiven Irrtums
und überwuchert allgemach jede Blüte
echten mystischen Erkennens, so daß es fast
nicht mehr angängig ist, noch von „
Mystik”
zu reden, wenn man eben
Anderes meint
als dieses Schlingpflanzengewirre. ‒
.Soll aber das Wort, das entwertet wurde,
wieder zu einiger Bedeutung für das mensch‐
liche Erkennen kommen, so wird es nötig
sein, sehr entschieden zwischen einer
scheinbaren Mystik wie die hier aufge‐
zeigte, und dem
wirklichen mystischen
Erleben, das ein
waches Erleben des
Menschengeistes im ewigen reinen
Geiste ist, zu unterscheiden.
.Das ist sehr wohl möglich, auch wenn
man durchaus nicht gesonnen ist, gewissen
sogenannten „mystischen” Bekenntnissen,
die schon als Werke des Schrifttums alle
Achtung verdienen, fortan seine gewohnte
Ehrerbietung zu versagen.
.Da es sich aber letztlich doch wohl
darum handeln wird, zu einem tieferen,
klareren und vor allem
wahrhaftigeren
Erfassen der Kosmologie
geistiger Welt,
als der uns vorbehaltenen
ewigen Wirk‐
lichkeit, vorzudringen, so ist alles stim‐
mungsmäßige Einfühlen in die durch
Reli‐
gionssysteme und den Glauben an ihre
Dogmen bedingte „mystische” Bekenntnis‐
Literatur beinahe ‒ wenn nicht durch‐
gängig ‒ eine
Gefahr für
den, der hier
nicht zu
sondern weiß, und nicht stark
genug ist, auch liebgewordene Vorstellungen
aufzulösen um der
Wahrheit willen, die
er nur dort finden kann, wo Menschen sich
bekunden, die
tagwach und
nüchtern in
die Welt des Geistes Einlaß fanden. ‒ ‒
.Es kann nicht verborgen bleiben, zu
welcher Gruppe innerlich Erlebender ich
mich selber rechne, denn in allen meinen
Schriften habe ich stets mit allem Nach‐
druck betont, wie ferne ich aller Ekstase,
allem Visionären stehe. ‒ Wenn man mich
dennoch als „Mystiker” rubrizieren möchte,
ob aus Bequemlichkeit, oder aber weil ein
anderes Wort zu fehlen scheint, so muß
ich zum Wenigsten darauf dringen, daß
man die Unterscheidung zwischen
dogma‐
tisch religiöser und
kosmisch-
geistiger
Mystik sich zu eigen mache, deren Not‐
wendigkeit ich hier nun genugsam darge‐
legt zu haben glaube.
.Denen aber, die in den Schriften
dog‐
matisch religiös gebundener „Mystiker”
Bestätigungen für das aufzufinden suchen,
was ihnen heute meine Lehre zu geben
hat, rate ich sehr entschieden, sich die
Mühe zu sparen.
.Sie werden dort allenfalls gewisse Über‐
einstimmungen finden, weit mehr aber durch
einen
recht wesentlich verschiedenen,
wenn nicht
diametral entgegengesetzten
Gebrauch der Worte und Bilder verwirrt
werden.
.Vor allem aber müssen sie sich klar
darüber werden, daß ihr Bedürfnis, meine
Worte anderweitig noch bestätigt zu finden,
allein schon den striktesten
Beweis liefert,
daß sie von einem
eigenen Verarbeiten
dessen, was in meinen Schriften steht, noch
himmelweit entfernt sind. ‒
.Ein neuer geistiger Tag ist im An‐
brechen, und keine, wenn auch historisch
noch so fest verankerte Erdenmacht ist im‐
stande, ihn zurückzuhalten, aber in dieser
Generation werden ihn nur
jene sehen,
die,
freien,
nüchternen Sinnes ihm wa‐
chend entgegeneilen, und
solche nur können
meine Lehre
verstehen! ‒ ‒
.Mir ist es ja wahrlich nicht darum zu
tun, etwa „
Anhänger” werben zu wollen,
und ich bin jedem Leser meiner Schriften
dankbar, wenn er
so wenig wie möglich
Notiz nimmt von ihrem
Autor.
.Es ist mir zur Lebensaufgabe geworden,
in aller Verborgenheit das niederzuschrei‐
ben, was ich meinen Mitmenschen zu geben
habe, und ich habe
nichts anderes zu
geben, als die Aufschlüsse über des Erden‐
menschen Beziehung zum Reiche wesen‐
haften Geistes, wie sie
in meinen Büchern
zu finden sind.
Sollst nicht in den Lüften schweben!
Sollst fest auf der Erde stehn!
Doch, willst du zum Urgrund streben,
Mußt du in die Tiefe gehn! ‒
Dort, wo sich der Wolke Fluten
In der Erde Schoß ergießen;
Wo in Liebesfeuergluten
„Mann und Weib” sich rein genießen!
Wo die zeugenden Gewalten
Stets die Erde neu befruchten: ‒
Dorthin, wo die großen Alten
Schon des Lebens Urstrom suchten! ‒ ‒
Aber dort wird nur begnadet,
Wer von allem Alltags-Staube
Selbst sich sorglichst reingebadet...
Einlaß schafft ihm nur sein Glaube!
So, wie die Welt der Außensinne
Nur kund wird dem,
Der sich als Teil von ihr
In ihr bewegt,
Und, selbst bewegend,
Sich von ihr umschlossen findet,
So wird nur dem die Welt des Geistes kund,
Der alles Geistige in sich
Bereitet hat,
Unendlich sich zu weiten,
Um die Welt des Geistes zu umschließen. ‒
Dann ist er nicht nur Teil
Der Welt, die er erlebt!
Umfangend hält er das Umfangene
Im eigenen Sein
Und keine Grenze scheidet
Den Erlebenden
Fortan von dem,
Was er in sich erlebt: ‒
Zur Einheit wird
Erlebtes und Erlebender
Dann im Erlebnis...
Auf sich gestellt,
In sich vollendet,
So lebt in der Seele
Ewige Kraft
Und wirkt
sich selbst
Zu göttlichem Leben ‒ .
.‒ Nie ward sie geboren,
.‒ Nie kann sie sterben!
Wer sie erkannte,
Erkennt sich selber,
Lebt aus sich selbst
Ihr ewiges Leben!
.‒ Er fürchtet nicht,
.‒ Daß er vergehen könnte.
Wir glühen alle
In einem Leben
Und jedem gehört
Dieses Leben ‒
Allein. ‒ ‒
Wir können uns immer
Das Gleiche nur geben,
Und doch ‒
Wird es immer
Ein Anderes sein...
Heilkräftig sprudelt manche
Quelle,
Heilkräftig ist des
Meeres Welle, ‒
Ernährt wird Wald und Feld und Au
Durch
Regen,
Fluß und
Morgentau;
So ist es des
Wassers ureigene Kraft,
Die allem Nahrung und Heilung schafft...
Hier aber ist noch
mehr beschlossen,
Urewig geistig ausgegossen, ‒
Doch kündet es kein Menschenmund,
Allein den
Wachen wird es kund,
Wie stets in der Erde das Wunder ge‐
.schieht,
Das sich allem Klügeln der „Klugen” ent‐
zieht...
Will einer recht das Wasser
kennen,
Muß er es wahrlich „
heilig” nennen,
Weil nirgends sich der Gottesgeist
In höh'rer Heiligkeit erweist,
Als wo er sich über die Erde beugt
Und aus dem
Wasser: das
Leben zeugt!
Es ist nicht leicht,
so umzudenken,
Daß man im „
Ich” sich selbst
erkennt, ‒
Daß man im tiefsten Sich-versenken
Den findet, den kein Name nennt;
Daß man in
Vielheit sieht den
Einen
Und dennoch in der Einheit bleibt, ‒
Und, ohne selbst sich zu verneinen,
Im
Sein den letzten Trieb zum
Scheinen
Aus seinem Paradiese treibt!
Weil es allzu
nahe liegt,
Wird es
nicht erkannt! ‒
Weil der Sinn
ins Weite fliegt,
Bleibt der Blick
gebannt. ‒ ‒
Und so sucht er denn in weiten
„Kosmischen Unendlichkeiten”,
Was noch
keiner je gefunden,
Der nicht,
mit sich selbst verbunden,
In sich selbst sich tief versenkte,
Bis sich ihm ‒ das Kleinod
schenkte!
Aus Urlichtsonnenfeuern sprühet
.Weltensamen,
Und wird zu Weltensonnen,
Wird zu Welten, die um Sonnen kreisen.
Aus Welten keimen Wesen,
Denen hohe Geister sich im Fall ver‐
.einen...
Vereinigt, ziehen sie empor, was erdge‐
.boren ‒
Und stille Geisterscharen
Steigen stetig nun als Menschengeister
.zu den Sternen auf,
Und werden selbst zu Sternen,
Werden Menschengeistersonnen,
Die den Erdenwesen ferner leuchten.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Noch ist euch eures Leibes Kraft
Nur Quell der Sinnenlust...
Daß sie dem
Geist den Körper schafft,
Ist
Wenigen bewußt! ‒ ‒
Geheimnisvoll verbirgt Natur
Das Wunder hinter dichten Hüllen, ‒
Doch weist sie selber auch die Spur,
Will einer ihr Gesetz
erfüllen! ‒ ‒
Ein
Gleiches führet Mann und Weib
In heißer
Liebesglut zusammen,
Und formt
des Geistes neuen Leib
Aus ewig lichten, reinen Flammen! ‒ ‒ ‒
Wohl war auch ich einst in den Schein
.gebannt...
Wohl war auch ich voreinst im
Traum
.befangen...
Dann aber ward im Lichte ich zu
Licht
verbrannt
.Und bin in seinem
Leuchten aufgegangen.
Nun ist der Erde Dunkel um mich her
Mir wie ein trüber Dunst in weiter
.Ferne...
Im Abgrund hör' ich noch ein grollend
.wildes Meer.
Doch ferne bleiben seine Stürme meinem
.Sterne!
Wenn ich über hohe Dinge
Heilig ernstes Wort gesprochen,
Kommt mir oftmals das Geringe
Kichernd auf den Weg gekrochen.
Doch ich hüte mich, zu schelten,
Wenn es gar vertraulich tut,
Denn in allen hohen Welten
Meint man's auch mit Kleinem gut! ‒
„Wie denn das und jenes sei
Und zusammenhänge?” ‒
So geht ihre Fragerei
Endlos in die Länge.
Was sie tun und lassen sollen?
Hört man nie sie fragen...
Da sie ja nur „wissen” wollen,
Müssen sie versagen! ‒
Wie ein Kind sein Pensum lernt,
„Lernen” sie die Lehren;
Praktisch weit davon entfernt,
Sich daran zu kehren. ‒
Können sie recht „eingeweiht”
Nur vor Andern prunken,
Sind sie schon in Seligkeit
Selbstberauscht versunken...
Stets zu großem Wort bereit,
Zerschwätzen sie die Wahrheit: ‒
Ach! ‒ wie sind sie noch so weit,
Weit von aller Klarheit! ‒ ‒ ‒
Freund, deine „Würde” steht dir schlecht!
Du bist nur deiner „Würde” Knecht! ‒ ‒
Vordem war aufrecht stets dein Gang
Und mancher freie Wurf gelang.
Jetzt aber gehst du krumm gebogen
Und all dein Tun wirkt wie erlogen...
Es ist, als müßtest du dich fragen,
Ob du es weiter dürftest wagen,
Wie früher doch: du selbst zu sein! ‒
Du wirst, mein Freund, dir selbst zur Pein,
Und peinlich wirst du auch den Andern,
Die gerne wollten mit dir wandern! ‒
Dein Pathos tönt in falschem Ton
Und spricht dem Besten in dir Hohn...
Laß ab, mein Freund von solchem Streben,
Willst du zum Geiste dich erheben!
Du mußt erst deine „Würde” zwingen,
Soll je dir Würdiges gelingen! ‒
Erscheinst du dir auch noch so groß
Und wirst nicht deine „Würde” los,
So bleibst du doch nur arm und klein,
Wirst stets nur scheinen, ‒ ‒ niemals
.sein,
Und bleibst zuletzt am Boden liegen,
Denn niemals lernst du so ‒ das Fliegen!
.‒ ‒
Manches mußt du dir ent-innern,
Soll dein Inneres sauber sein!
Darum lasse zum Er-innern
Nur noch Allerreinstes ein! ‒
Es gibt Leute, die möchten mich anders
.haben, ‒
Nicht ganz so, wie ich nun einmal bin.
Und wirklich:
Diese guten Knaben,
Sie haben nichts Schlechtes für mich
.im Sinn!
Wäre ich wirklich
Wie sie mich wollen,
So sähe ich wahrlich
Nicht übel aus, ‒
Nur habe ich nicht so werden sollen,
Und möchte nicht aus meiner Haut
.heraus! ‒
Ich wäre gewiß nicht der ich bin, ‒
Wär' ich nach ihrem Wunsche geschaffen,
Und keiner hätte davon Gewinn,
Macht' ich mich zu eines Anderen ‒
Affen! ‒ ‒ ‒
Soll dein Pfeil dem Adler gelten,
Mußt du nach dem Himmel zielen! ‒
Strebt dein Sinn nach hohen Welten,
Darfst du nicht nach Wolken schielen!
Der Weise
liebt nur dann,
Wenn er
verzichten kann, ‒
Reicht ihm ein Freund die Hand, ‒
Er wird sie freudig
fassen,
Und will er
von ihm gehn ‒ ‒
Er wird ihn ‒ segnend
lassen...
Er weiß im Anbeginn,
Daß jeder Freundschaft Gabe
Stets nur ein
Lehen ist, ‒
Niemals Besitz und Habe. ‒ ‒
Die sich der Blüten schon erfreuen wollen
.in den Vasen,
Dürfen keine Früchte fordern, wenn der
.Zweig verwelkt, ‒
Und alle Zweige ohne Wurzel welken...
Stets alles zugleich tun, was man kann,
Heißt immer übers Ziel geschossen!
Auf einem Pferde reitet man,
Doch pflügt man mit den Arbeitsrossen!
Mancher glaubt, er wüßt' es besser,
Als man es ihm sagen kann,
Und so wetzt er dann sein Messer: ‒
Schneidet fremde Früchte an...
Schneidet sich in allen Längen
Scheiben aus der Frucht heraus,
Läßt das Kernhaus ‒ oben hängen,
Nimmt die Scheiben mit nach Haus'...
Steckt sie dort in seinen Garten, ‒
Sieht in Träumen schon die Sprossen, ‒
Aber ach! Trotz allem Warten,
Hat er sie umsonst begossen! ‒ ‒ ‒
Laßt sie nur recht Dummes schwätzen
Und sich sehr erheblich fühlen!
Laßt sie nur danebenschätzen
Und ihr heißes Mütchen kühlen!
Habt doch Mitleid mit den Armen,
Reicht ihr Horizont nicht weiter! ‒
Ach! ‒ Es ist schon zum Erbarmen,
Denn sie werden nie gescheiter! ‒
Was sie selbst nicht ausgeklügelt,
Ist für sie auch nicht vorhanden,
Und was Andere beflügelt,
Schwätzt ihr seichtes Wort zuschanden...
Teuer müssen sie bezahlen
Ihre immer falschen Schlüsse,
Denn sie finden stets nur Schalen
Und entdecken nie ‒ die Nüsse. ‒ ‒
Nimm dein Leben wie es
ist!
Denke nicht: „
So könnt' es sein.”
Fluche
keinem deiner Tage!
Was du tragen mußt,
ertrage!
Alles, was dir je begegnet,
Segne, und du
wirst gesegnet! ‒
ENDE
DER WEG
ZU
GOTT
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Rhein-Verlag, Basel, 1924
©
Copyright 1958 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Druck: Schellenberg-Druck, Pfäffikon ZH
«ICH SEHE DICH IN HAST UND EILE,
OO
MEIN FREUND!;
WAS IST DEINES WEGES ZIEL?!»
So frug ich gar manchen, und mancherlei
OO
Ziele wurden mir genannt.
Ach, wie so Wenige wussten, dass sie nur
OO
nach
irgend einem Ziele eilten, da sie den
OO
WEG verloren hatten, der zu dem hohen Ziele
OO
führt, das sie einst zu erreichen hofften: ‒
den WEG ZU GOTT!
*
.Ich will nicht die Frage erheben: ob es dem
Menschen dieser Erde «
nötig» sei, an «
Gott»
zu glauben?...
.Alle, die von solchem Glauben
lebten, haben
sie in allen Zonen jederzeit
bejaht! Das hat
denn
Frage sowohl wie alle
Antwort längst
in argen
Misskredit gebracht...
.Ich will die Frage erheben: wie es
möglich
werden könne, dass da ein Erdenmensch be‐
haupte,
er glaube an GOTT!?!
.Es gibt so manche «heilige» Bücher alter
Völker, in denen du lesen kannst, wie da und
dort einstmals ein «
Gott» dem Gläubigen
«
erschienen» sei.
.Wenn ein solcher Beglückter behauptet, er
glaube an diesen Gott, dann mag er vor sich
selbst ein
Recht zu solchem Glauben haben.
.Was immer ihm auch «erschienen» sein mag:
‒ er
hielt die
Erscheinung für den «
Gott»,
und wenn er nun sagt, er «
glaube», so sagt er
nicht
mehr, als dass er an eine
Erscheinung
glaube und nicht den
Wahn erkenne, der ihn
wähnen lässt, er habe «
Gott» gesehen. ‒ ‒ ‒
.Wie aber willst
du, dem
nichts derglei‐
chen geschah, behaupten,
du glaubtest an
Gott?? ‒
.In deinem
Denken nur hast du dir einen
«Gott»
erdacht nach deinem Ebenbilde!
.Du hast
dich selbst in einem
Bilde zur
Vollkommenheit erhoben, und dieses so er‐
dachte
Bild gilt dir als «
Gott». ‒ ‒
.Ein
Bilderanbeter bist du und deines
selbstgeschaffenen
Götzen Diener!
.Aus deiner eigenen Enge kannst du nicht
heraus, und so verhaftest du dich deinem
engen Wähnen!
.So wie du selbst
gestalten musst, was du
gestaltet sehen willst, so wähnst du, dass
auch einer diese weite
Welt gestaltet haben
müsse, die durch deine Sinne dir erfahrbar
wird; und diesen,
aus der Enge deines
Wähnens nur
vermuteten Gestalter, nennst
du deinen «Gott»; ‒ die eigene Wahnverhaf‐
tung nennst du deinen «Glauben». ‒ ‒
.Du siehst in dieser Welt, die dich von aussen‐
her umgibt, gar manches also angeordnet, als
ob es um gewisser Zwecke willen solcherart
geordnet wäre, und weil du selbst in gleicher
Art, als ein Gebilde dieser gleichen Welt,
durch rechte Mittel deine Zwecke zu erreichen
suchst, so wähnst du hinter diesen Dingen
einen, der dir gleichen müsse, und seine
Zwecke also zu erreichen suche. ‒ ‒
.Es stört dich nicht, dass weitaus Meh‐
reres in dieser Welt sehr wenig solcher
Zwecksetzung entspricht, und dass der zweck‐
bewusste «Schöpfer» ein gar arger Stümper
wäre ‒ noch unvermögender als sein ver‐
meintliches «Geschöpf» ‒ wenn er, so wie
dein Wahn es will, aus einem Werke zu er‐
schliessen wäre, das manchen Zweck erreicht
und manchen nicht erreicht. ‒ ‒
.Es stört dich nicht, dass gar zu oft auch das
was dir als «Zweck» erschien, erreicht wird,
nur um durch ein Anderes, das dir in gleicher
Weise äusserst zweckbewusst gefördert schien,
zerstört zu werden. ‒ ‒
.Hier machst du halt; und nie verlegen, setzt
dein Wähnen eine «unergründliche tiefe Weis‐
heit», die auch den Unsinn braucht um sinn‐
gemäss zu walten. ‒ ‒
.Daraus, dass noch zu jeder Zeit und unter
allen Völkern dieser Erde, der Mensch sich etwas
schuf um sich vor dem Geschaffenen zu beugen,
erschliessest du, dass deines Wahnes Schöpfung
einer Wirklichkeit entsprechen müsse, ‒ und
weil dein Denken ihn erdenken konnte,
«glaubst» du den «Gott», den du dir selbst
geschaffen hast, im Sein, und weisst gar
vielerlei von ihm zu sagen. ‒ ‒ ‒
.Bescheiden bist du wahrlich nicht, und selbst
in deiner vielgerühmten «Demut vor dem
Herrn» wird es dir nicht bewusst, wie wunder‐
lich du deines «Gottes» Dasein aus dir selbst
erklärst! ‒ ‒
.Du findest dich im Dasein hier, und darum
«muss» ‒ weil du es willst ‒ dein selbstgeschaf‐
fener «Gott» auch irgendwo in einem «Him‐
mel» sein!...
.Ob du nur nachzusprechen weisst, was An‐
dere, vor dir, von «Gott» und «Gottes Ei‐
genschaften» dir zu sagen wussten, oder ob
du solche alte Mär verachtest und dir selbst den
«Gott»
erdenken magst, ‒ stets bist du in den
gleichen engen Zauberkreis gebannt, den dich
dein überheblich stolzer
Aberglaube ziehen
hiess, selbst wenn du über allen «
Glauben»
dich «
erhaben» fühlst und dich als geistig
«
frei» empfindest! ‒ ‒ ‒
.Von solchem Wahn will ich dich
lösen, mein
Freund, und will dir zeigen, dass es dennoch
möglich ist, «
an Gott zu glauben». ‒ ‒
.Ich will dir zeigen, dass es einen «
Gott» zu
glauben gilt, der
nicht aus deinem oder meinem
engen Wahne erst
erzeugt wird, und den nie‐
mals ein «Beweis» der nur im
Denken seine
Kraft erhält, erreichen kann! ‒ ‒ ‒
.Zuvörderst müssen wir uns einig werden,
was unter dem Worte «
Gott» hier unter uns
nun
zu verstehen sei. ‒
.Dass ich nicht irgend eines Wähnens, dem
Wahn nur wirklich scheinendes Gespenst des
irren
Denkens mit dem Worte «
Gott» be‐
zeichne, zeigt dir schon meiner ersten Worte
heller Hintergrund! ‒
.Wir wollen der
Wirklichkeit nahen, die
das
Denken niemals
erfassen kann! ‒ ‒
.Dem ewig
Seienden wollen wir begegnen auf
unserem Wege!
Nüchtern und
klar muss
dein inneres Auge sein, wenn du ihn
erkennen
willst! ‒ ‒
.Die
Truggestalten deines Denkens
wirst du
vergessen müssen! ‒
.Was dir begegnen wird, ist jenes
Eine, das
kein Zweites neben sich kennt, ‒ das aber in
Unendlichfältigkeit sich selber offenbart,
wo immer es sich Offenbarung werden
kann! ‒
.Du selbst bist seine Offenbarung, obwohl
du noch nicht darum weisst, und
in dir selber
nur kann
das sich Offenbarende dem
Of‐
fenbarten fassbar werden! ‒ ‒ ‒
.Auch dem
Truge bist du
in dir selbst be‐
gegnet; ‒ jetzt aber sollst du
die Wahrheit in
dir selber finden! ‒ ‒
.Nicht allzuschwer ist es für dich, zu
unter‐
scheiden, was da
Wahrheit ist, und was
Selbstbetrug! ‒
.Die sich
betrogen hatten und dann
erwach‐
ten aus ihren Träumen, verloren vielfach allen
Mut, so dass sie also fürchten: neuem Truge
zu erliegen, dass auch die Wahrheit, wenn sie
ihnen je begegnet, gar harten Stand hat, will sie
ihnen nicht als Trugbild gelten...
.Du wirst nicht, ihnen gleich, dich der Ver‐
bitterung ergeben dürfen, denn was dir neun‐
undneunzigmale nicht gelang, kann dir beim
hundertstenmale gelingen! ‒ ‒
.Wer weiss, ob vordem deine Zeit schon ge‐
kommen war, der Wahrheit begegnen zu kön‐
nen?!
.Vielleicht hast du in deiner Ungeduld ihr nur
begegnen wollen, auf einem Wege, den sie
meiden muss?! ‒ ‒ ‒
.Bist du jedoch auf rechtem Wege, und be‐
reitet, sie zu erkennen, dann wirst du wahr‐
lich nicht mehr im Zweifel sein, ob es die
Wahrheit selber ist, oder ein selbstgeschaf‐
fenes Trugbild, was dir in dir selbst sich
zeigt. ‒ ‒
.In dem, was in dir selber Wahrheit ist,
wird sich die ewige Wahrheit bezeugen!...
.Das Licht, das aus sich selber leuchtet,
wird dich erleuchten, und alle Lampen die du
dir einst selbst geschaffen hast, damit sie deinen
Weg umlichten sollten, werden dir
kaum noch
sichtbar bleiben in deiner strahlenden Er‐
hellung! ‒ ‒
.Du wirst deinem eigenen
Leben begegnen in
seiner ewigen Fülle; ‒
dich selbst wirst du
aus Lichteskraft im Lichte
auferstehen sehen
aus deiner Erdengrabesnacht!...
.Mit «Gott» ‒
dem Seinsgrund alles
Seins ‒ wirst du dich selbst in
Einheit fin‐
den! ‒ ‒
.Indem du zu dir selber «ICH» sagst, wirst du
erst verstehen lernen, dass du
seinen «Namen»
heilig halten sollst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Während ich so zu dir rede,
fühlst du in dir
eine
innere Gewalt ‒ mag sie dir
stark
empfindbar werden, oder nur erst
zag an deines
Herzens hart verschlossene Pforte klopfen...
.Etwas ist in dir, das meine Worte
besser
vernimmt, als dein
Verstand, der nur
der
Sätze Sinn sich
übereignen will! ‒ ‒ ‒
.Dieses «
Etwas» aber ist die Kraft des
Glaubens, die du in dir trägst und
noch
nicht kennst! ‒
.Kaum magst du es wahrhaben, dass sie in dir
zu finden sei! ‒ ‒
.Du hast dich zu sehr von Jugend auf dem
Denken übergeben, und alle letzte
Sicher‐
heit, soweit sie Menschen eben noch erreichbar
sei, vermeintest du in
ihm allein zu
finden! ‒ ‒
.Nun hat dich dein Denken tausendmal
be‐
trogen, und heute noch bist du ein
Sklave
dessen, was du dir
erdachtest! ‒
.Dennoch
fürchtest du, in
leeres Nichts
hinabzufallen, wenn du dich Anderem
mehr als
deinem
Denken je vertrauen würdest!...
.Es ist nichts als diese
Furcht, die dich zu‐
rückhalten will, der Kraft des
Glaubens dich
zu übergeben! ‒ ‒ ‒
.Aber
vergeblich wirst du meine Worte hö‐
ren, solange du sie nur zu deinem
Denken
reden läßt, und nur
im Denken sie
bestätigt
finden möchtest! ‒
.Glaube nicht, dass ich hier die Kraft des
Denkens
lästere!
.Ich weiss sehr wohl, dass es
gar vieles hier
in diesem Erdendasein gibt, das nur dem reifen
Denken sich erschliesst; und sehr weiss ich zu
ehren, was die Menschheit denen dankt, die
sie ihre Denker nennt! ‒ ‒
.Aber ein Anderes ist, was sich erdenken
lässt, und ein wieder Anderes, was dir allein
die hohe Kraft des Glaubens fassbar machen
kann! ‒ ‒ ‒
.Du wirst verstehen, dass ich hier beileibe
nicht von einem «Glauben» rede, der nur «für
wahr hält», was er «glaubt»! ‒
.Nicht wert des Wortes «Glaube» dünkt
mich solches Vermuten! ‒
.Die Kraft des Glaubens von der ich rede,
ist wahrlich anderer Art!...
.Hier ist kein Wähnen und kein Meinen,
kein Vermuten und kein Erschliessen!
Wer sich der Kraft des Glaubens überlässt,
auch wenn er sie nur in der leisesten Be‐
kundung erst in sich erfühlt, der wird gewiss
nicht einer Meinung sich zu eigen geben
müssen! ‒
.Alsbald aber wird er fühlen, dass eine Kraft
in ihm waltet, die ihn zu mancher neuen Er‐
kenntnis führen kann, die «Fleisch und Blut»
ihm niemals offenbaren würde! ‒ ‒
.Was du nun in dir
fühlst, obwohl du es
nicht
deuten kannst, ist diese
Kraft des
Glaubens ‒ vielleicht nur erst in ihrer
aller‐
schwächsten Form...
.Es ist etwas in dir, das da
zustimmen
möchte meinen vorigen Worten, wenn es dein
Denken nicht zu
hindern suchen würde durch
Einwürfe aller Art. ‒ ‒
.Willst du deines
Denkens stets gehorsamer
Sklave bleiben, so wirst du freilich von der
Kraft des Glaubens, die dich
frei und
ohne Fesseln sehen will, recht wenig zu er‐
warten haben! ‒
.Nur wenn du dich
loslösen kannst von dei‐
nem
Denken, wirst du die
Kraft des Glau‐
bens in dir am Werke finden!
.Du würdest jeden Handwerker verlachen, der
mit der
Axt das
Eisen spalten wollte, und
Wahnwitz würdest du bekundet sehen, wollte
einer mit der
Säge Fensterglas zerschneiden! ‒
.Du aber versuchst bis jetzt noch ein Gleiches
zu tun, ‒ und noch bemerkst du nicht, dass du
dich selbst betörst! ‒
.Mit
allzu untauglichem Mittel suchst
du zu erreichen, was
niemals sich so erreichen
lässt!...
.Du willst gleichsam Bäume fällen mit dem
Federmesser und nach Erzen graben mit den
blossen Händen!
.Ich aber habe dir zu sagen, dass
Denkkraft
zwar ein
sehr erprobtes Werkzeug ist, so‐
fern es sich um die Durchdringung dieser
Er‐
dendinge handelt, ‒ dass sie jedoch sofort
versagen muss, sobald du strebst, zu der Er‐
kenntnis
dessen zu gelangen, was im
Geiste
wurzelt! ‒
.Hier kann dir
nur die Kraft des Glau‐
bens helfen!
.Glaube nicht, dass sie etwa
weniger geeignet
wäre, dir
Sicheres zu geben, als die Kraft des
Denkens
dort dir gibt, wo
sie allein das
taug‐
liche Werkzeug ist! ‒ ‒
.Noch immer verbindest du mit dem Worte
«
Glaube» nur den einen Begriff des «
Für‐
wahrhaltens» dessen, was man «glaubt», oder
zu «glauben»
vermeint!
Die Kraft des
Glaubens aber ist eine innere Sicher‐
heit,
dass man das erreiche,
was sie
verheisst! ‒
.Sobald du in solcher Weise Gott zu «glau‐
ben» suchst, wirst du gewiss nicht denen glau‐
ben, die dir alten, in der Enge eigenen Erfassens
ausgebrüteten Wahn als Wahrheit darzu‐
stellen suchen! ‒ ‒
.Du wirst nur dir selber glauben, wenn du
der Kraft des Glaubens vertraust! ‒ ‒ ‒
.In dir selber wirst du sie am Werke finden,
und was sie dir zu offenbaren hat, wird in dir
selber begründet sein! ‒
.In dir wirst du erleben, was sie dich lehren
kann! ‒ ‒ ‒
.Nur was du in dir erlebst, mein
Freund, wird dir zu eigen sein! ‒
.Was dir nicht gewiss wird wie dein eigener
Erdenleib, wird dir niemals «Gewissheit»
heissen dürfen! ‒ ‒
.Was du nicht erfassen kannst, so wie du
dich selbst erfassest, hast du gewiss nicht
erfasst! ‒ ‒
.Was du nicht «glauben» kannst, so wie du
an dein eigenes Dasein glaubst, soll dir
nicht «Glaube» heissen! ‒ ‒
.Ich will dich zum «Glauben» führen, ‒ zu
einem Glauben, den du vor dir selbst verant‐
worten kannst!
.Ich will dich zu einem «Glauben» führen,
den du niemals verleugnen wirst!
.Zu einem «Glauben» will ich dich leiten, der
deine Tage auf der Erde überdauern wird!
.Dann erst wirst du auch bezeugen können,
dass du in Wahrheit glauben musst an
«Gott»! ‒ ‒
.Dann erst wird auch der, an den du
«glaubst», dich als einen «Gläubigen» er‐
achten! ‒ ‒
.Vorher ist jedes «Bekenntnis» Lüge! Vor‐
her ist jedes «Bekenntnis» nur ein Bekennen
zu deinem oder irgend eines Anderen heilig
gehaltenen Wahn! ‒
.Hast du jedoch einmal erfahren, was sich
erfahren lässt, dann wirst du fürder allem
Wahn enthoben sein! ‒ ‒
.Hast du erfahren, was nur die Kraft des
Glaubens dir erfahrungsnahe bringen kann,
dann wirst du eine Sicherheit errungen haben,
die man dir in Ewigkeit nicht wieder nehmen
kann! ‒ ‒
.Hast du der
Kraft des Glaubens dich
vertraut, dann wirst du wahrlich einst dahin
gelangen, allwo du dann mit allem
Recht be‐
kennen darfst:
«Ich glaube an GOTT!»
*
.Du wirst gewisslich niemals zu gewissem
«Wissen» kommen, wenn vordem dir die
Kraft des Glaubens nicht den Weg er‐
leuchtet hat! ‒ ‒ ‒
.Siehe, auch ich war einst auf Irrtumswegen,
als ich mich selbst noch nicht kannte! ‒
.Auch ich war meines Wähnens Sklave, bevor
mich jene fanden, zu denen ich gehörte, lange
vor der Zeit, da ich in einem Körper dieser
Erde erstmals mich als dieser Erde Sohn er‐
lebte! ‒ ‒ ‒
.Wohl darf ich davon Kunde bringen, was
Gewissheit schafft, da ich in mir selbst vor‐
dem erleben musste, was der Wahn vermag! ‒ ‒
.Die meinen Worten folgen, werden sichere
Führung finden!
.Des Weges ward ich wahrlich kundig, der
zum Ziele führt, und selbst ward ich zum
«Wege» ehedem, bevor man mir den Auftrag
gab, auch Anderen den Weg zu zeigen! ‒ ‒ ‒
.Im ewig leuchtenden
Lichte ward ich
mei‐
ner selbst bewusst, und dann erst ward mir
die
Pflicht, auch allen die im Dunkel sitzen,
Licht zu bringen! ‒ ‒ ‒
.Dann erst wurde mir geboten, alle, die
mein Wort erreichen könne, zu
erwecken aus
dem
Traum der Finsternis! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Auch ich musste einst der
Kraft des Glau‐
bens vertrauen, bevor ich zu gewissem
Wissen
kam! ‒
.Und
grösseres Vertrauen wurde von mir
verlangt, als jemals du bekunden sollst! ‒
.Es gab einen Tag, an dem ich mich bereiten
musste, dieses Erdenleben dauernd zu
verlas‐
sen, und nur die
Kraft des Glaubens
konnte mich bewegen, einer
Prüfung zu ent‐
sprechen, deren Ausgang mir sowohl das
Ende
meines Erdenlebens hätte bringen können, wie
er mir, ‒ nicht
vorgeahnt, und noch viel we‐
niger
gewusst, ‒ in Wahrheit erst das
wache
Leben brachte...
.Ich darf dir also wohl bezeugen, dass man der
Kraft des Glaubens vertrauen
kann!
.Und weiter darf ich dir sagen, dass du zu ge‐
wissem
Wissen finden wirst, je nach dem Masse
deines
Vertrauens in die hohe
Kraft des
Glaubens! ‒ ‒ ‒
.Hier steht «
Glauben» und «
Wissen»
kei‐
neswegs im
Gegensatz, denn das, was ich
hier «
Glaube» nenne, ist
Voraussetzung,
willst du zum «
Wissen» gelangen! ‒ ‒ ‒
.Die
Kraft des Glaubens schafft in dir erst
die
Möglichkeit des gewissen
Wissens! ‒ ‒
.Solange du noch
Zweifel hegst und dich der
Kraft des Glaubens nicht
vertrauen
magst, hast du keinen Anspruch, jemals ein
«
Wissender» zu werden! ‒
.Es besteht hier eine Kette, deren Glieder in‐
einander greifen.
.Vertrauen ist vonnöten in die
Kraft des
Glaubens, und diese selbe
Kraft des Glau‐
bens schafft dir das
Vertrauen, das du
brauchst, willst du zum
Wissen gelangen! ‒ ‒ ‒
.«
Wissen» ist hier
nicht die Erkenntnis ir‐
gend eines
kausalen Zusammenhangs!
.«
Wissen» ist hier ein gewisses
Innewerden,
das keinen
Zweifel mehr kennt und
in sich
selbst gefestigt steht! ‒ ‒
.Wer
solches Wissen erreichte, dem ist der
«Beweis», den
gedankliches, irdisches Wis‐
sen fordert, nur ein
Notbehelf, dessen er
ent‐
raten kann, da ihm
sein Wissen selbst zu‐
gleich
Beweis des Gewussten ist! ‒ ‒ ‒
.So wie ein Mensch, der auf den Taster einer
elektrischen Klingel drückt, nicht erst des
«
Beweises» bedarf, dass nun auch ein Glok‐
kensignal ertönen
könne, ‒ so wie er auch
keineswegs
Erkenntnis des kausalen Zu‐
sammenhangs benötigt, um die Glocke
zum Tönen zu bringen, so wird der geistig
Wissende seines Wissens
inne, ohne «Be‐
weis», und ohne sich um die kausalen Binde‐
glieder zu bekümmern, die da vonnöten sind,
damit sein
Wissen ihm zu
Bewusstsein
komme...
.Wer so zu gewissem
Wissen gelangen will,
wie der Sehende
sieht, auch
wenn er den Vor‐
gang des Sehens sich keineswegs
erklären
kann, der wird es dahinnehmen müssen, dass
ihm sein
Wissen nicht
ohne hohe Hilfe
werden wird, so wie es der
Sehende wohl da‐
hinnehmen muss, dass er nur
sehen kann,
wenn ein gar sehr verletzliches Organ seines
Körpers ihm dazu behilflich ist...
.Sowohl hier wie dort muss eine Vorbedin‐
gung erfüllt sein, soll das Erstrebte erreich‐
bar werden. ‒
.Die kleinste Trübung in der «Linse» deines
Auges wird dir deine Fähigkeit zu sehen
rauben, oder doch behindern. Nur durch
die Mithilfe eines kleinen Organs deines Kör‐
pers vermagst du zu sehen. ‒
.Willst du jedoch in Sternenweite sehen
können oder Allerkleinstes noch erkennen,
so wirst du gar die Hilfe optischer Instru‐
mente brauchen, die der Mensch sich selbst
ersonnen hat und herzustellen lernte. ‒
.Dies alles erscheint dir sehr in der Ordnung,
und gewiss wirst du nicht von dir verlangen,
dass du auch ohne Auge sehen können müss‐
test, oder dass dir die Ringe des Saturn auch
ohne Fernrohr erkennbar sich zeigten. ‒ ‒
.Ja, längst hast du erkannt, dass auch das
schärfste Fernrohr dir noch lange nicht die
fernsten Sterne zeigt, und dass das beste
Mikroskop noch nicht genügt, um auch das
letzte Allerkleinste noch zu sehen, das du
erschliessen kannst, obwohl es niemals sich
dem Menschenauge zeigte. ‒
.Im
Geistigen aber glaubst du aller Hilfe
entbehren zu können! ‒
.Dein «
Gott» ist dir gerade gut genug, um
mit ihm «
Du auf Du» zu stehen, und du ver‐
langst in törichter «Vermessenheit», ‒ da du
hier jedes «Mass» verloren hast, ‒ dass zwischen
dich und deinen «
Gott» nichts Anderes sich
stellen
dürfe...
.Du bist dem
Kinde gleich, das den
Mond
erhaschen will, weil er ihm nicht weiter ent‐
fernt erscheint, als das Spielzeug, das du ihm
ans Fenster hängtest! ‒ ‒
.Du machst
unter Deinesgleichen hier auf
Erden schon gewaltige
Rangunterschiede. ‒
.Wie immer du die «Grossen»
nennen magst
vor denen du dich beugst: ‒ stets sind es doch
Menschen gleich
dir, auch wenn du sie dir in
Wissen und
Können, an
Weisheit und
Kraft, oder gar nur durch
altvererbte Herr‐
schaft überlegen fühlst. ‒ ‒
.Wie gar
gering musst du vom
Reiche des
Geistes denken, wenn du nicht ahnend
fühlst,
dass auch in diesem Reiche Stufe auf Stufe
folgt, und dass fast unendliche Hierarchien‐
folge sich erhebt, bevor die höchsten Geistes‐
fürsten erst erreichbar sind, die wirklich, als im
innersten Lichte der Gottheit lebend, sich
dem Bilde einen, das menschliche Phantasie
sich von den höchsten «Engeln», vom «Se‐
raph» und «Cherub» schuf! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Aus Deinesgleichen sind dir «Fürsten» er‐
standen auf dieser Erde, und wenn du das
Schöpfertum des Menschengeistes höher
stellst als alle Fürstenwürde, so weisst du um
Menschen, die fast Übermenschliches voll‐
bringen konnten, in dem, was du auf Erden
«geistig» nennst; ‒ aber auch der Höchste,
den du so verehren magst, ist, als er noch im
Erdenkleide lebte, kaum auf der untersten
Stufe derer angetroffen worden, die da bereits
im wesenhaften Geiste leben. ‒ ‒ ‒
.Wie willst du also wähnen, du, der selbst auf
Erden schon sich «Höheren» beugt, seiest
deinem «Gott» so nahe, dass zwischen dir
und ihm nichts Anderes sich finden könne?!? ‒
.Ja, ‒ wenn es sich um jenen Götzen handelt,
den du nach deinem Ebenbilde dir selbst ge‐
schaffen hast, ‒ dann bist du wahrlich im
Rechte! ‒
.Willst du jedoch dich deinem GOTTE einen,
der immerdar von Ewigkeit zu Ewigkeit im
Sein verharrt, und der in dir sich
offenbart,
dann wirst du solcher Torheit
entsagen müs‐
sen! ‒ ‒
.Du wirst dann
aus dir selbst erkennen
lernen, dass du hier der
Hilfe benötigst, und
sobald du solches
erkanntest, wird dir auch
die Hilfe
werden. ‒ ‒ ‒
.Für einen
Jeden ist
Hilfe da, sobald er
nach ihr
verlangt! ‒ ‒ ‒
.Das ewige
Urlicht selbst, das du dir, ohne
Zwischenstufe, gar so leicht
erkennbar wähnst,
hat sich auf diesem Planeten die
Helfer ge‐
schaffen, und sie wissen dich zu
erreichen,
sobald du dich selbst erreichen lassen
willst! ‒ ‒
.In
anderer Rede und oft auch in
anderem
Gleichnis habe ich dir in
andern Büchern
vielfach von dieser Hilfe gesprochen, doch
hier
will ich mehr von dem Zustande reden, in dem
du dich
selber finden musst, wenn du den
Weg zu Gott beschreiten willst....
.Sobald du den Weg
betreten hast, wirst du
gar bald entdecken, dass du ihn
nicht weiter
schreiten kannst, es sei denn, dass dir
hohe Hilfe werde. ‒ ‒
.Wenn du solches
entdeckst, dann bist du
bereit, Hilfe zu
empfangen! ‒ ‒ ‒
.Bekümmere dich
nicht darum,
woher dir
solche hohe Hilfe
komme!
.Sei aber, durch die
Kraft des Glaubens,
in dir selbst
gewiss, dass dir die Hilfe werden
müsse!
.Du wirst sie dann mit aller Sicherheit
er‐
halten, auch wenn du nicht
ahnen könntest,
woher sie dich erreicht!
.Mit
dieser Hilfe allein wirst du zu
gewissem
Wissen kommen! ‒ ‒ ‒
.Du wirst vielleicht, wenn du dem ersten
Schein vertraust, nur
eigenem Erkennen
zu begegnen wähnen, und wirst kaum ahnen,
dass ein
Anderer zu dir in deiner Seele spricht:
‒ einer derer, die auf dieser Erde leben und
zu‐
gleich bewusst sind in der
Geisteswelt, wenn
auch auf der
untersten Stufe jener Hier‐
archie, die in ihren höheren Stufen dir als
Erdenmensch
unerreichbar bleiben müsste.
.Nur in deinen
höchsten Augenblicken wirst
du solche Hilfe in dir erfahren, ob du sie
erken‐
nen magst, oder
nicht! ‒ ‒ ‒
.Dann aber werden wieder die
dunklen Stun‐
den kommen, und du wirst stöhnen in deiner
Not!...
.«
Von Gott verlassen» wirst du dir er‐
scheinen, und wirst nicht wissen, wohin du
dich bergen sollst!...
.Du darfst nur
den Mut nicht sinken
lassen zu solcher Zeit!
.Dann wird dir
plötzlich wieder neue «
Ein‐
sprache» werden, und alles was dich
be‐
drängte, wird mählig
von dir weichen! ‒ ‒
.Beharrlichkeit wird dich zum Ziele brin‐
gen, und du wirst erkennen, dass dich
hohe
Mächte führen! ‒ ‒ ‒
.Du bist durch die
Kraft des Glaubens
vorbereitet!
.Gewisses Wissen willst du nun erlangen!
.Es wird dir wahrlich
werden, so du in
dir
selber suchst! ‒ ‒
.Solange du noch
strauchelst und nicht
weisst was du
willst,
wirst du jedoch
ver‐
geblich nach
gewissem Wissen Ausschau
halten! ‒ ‒
.Du wirst erst
selbst dir gewiss werden müs‐
sen, willst du zur
Gewissheit geistigen «Wis‐
sens» in den
Geist erhoben werden! ‒ ‒ ‒
.Hast du jedoch vertraut der
Kraft des
Glaubens, dann wirst du dir wahrhaftig auch
gewiss geworden sein! ‒ ‒
.In deinem
Allerinnersten wirst du
die
Quelle aller Weisheit entdecken! Ein «
Wis‐
sen» wirst du
in dir selbst erlangen, das dir
die Aussenwelt
nicht geben kann! ‒ ‒
.Nur
in dir selbst, mein Freund, kann dir
Gewissheit werden! ‒ ‒ ‒
*
.Umfangen vom Dunkel erdentierischen Er‐
kennens werden die Seelen auf dieser Erde
in tiefem
Schlafe erhalten aus
eigenem Wil‐
len....
.Traum nur ist all ihr «Erleben» bevor sie
erwachen!
.Noch können sie nicht fassen, was waches,
wirkliches Erleben ist. ‒ ‒
.Erst der
Erwachte weiss zu
sondern
zwischen
wirklichem Erleben und der selbst‐
geschaffenen
Trugwelt, die sein
Traum ihm
bot. ‒
.Nur selten dringt auch in den
Traum schon
das Bewusstsein:
zu träumen, ein...
.Verhaftet an die Welt des Traumes aber
fehlt die Kraft, sich dem Traume zu
ent‐
winden. ‒
.Zu tief ist zumeist der Schlaf, ‒ zu sicher
durch ihn der Traum auch dann noch behütet,
wenn schon der Ruf der wachen Wirklichkeit
in ihm vernommen werden mag. ‒ ‒
.Fast scheint es unmöglich zu sein, die Seelen
jemals zum Erwachen zu bringen! Jede «Er‐
weckung» ist fast einem «Wunder» gleich!
.Die Seelen
wollen ja den Traum! ‒
.Es fehlt der
Wille zum
Erwachen! ‒
.Versunken in das Reich des Traumes,
fürch‐
ten die Seelen ihres Träumens Ende!
.Nur was im Traume ihnen
erträumtes «Er‐
leben» ward, dünkt ihnen des Erlebens wert
zu sein...
.Sie
schaudern davor, den Traum
verlassen
zu müssen. ‒
.Im Traume erträumt sich jede Seele ihre
eigne Welt, auch wenn gar viele sich die
gleiche Welt erträumen. ‒
.Nicht anders erträumt sie sich ihren fernen,
fremden «
Gott» in einer unerreichbar hohen
Überwelt, und weiss nicht, dass sie nur ein
lichtes Abbild
ihrer selber schuf um sich in
solchem Bildnis
selber anzubeten. ‒
.Wie sollte sie erkennen, dass sie erst
er‐
wachen müsste, um ihren
Lebendigen Gott,
«im Geiste und in der Wahrheit»,
in sich
selbst zu finden! ‒ ‒ ‒
.Der
Aussenwelt des Traumes hörig,
sucht sie «
ausser» sich, was sich für sie nur
im
Innern ‒ ja nur im
Innersten des Innern
‒ finden lässt!
.Ihr eigenes Inneres stellt sie in der «Vor‐
stellung» aus sich hinaus, und noch um Sternen‐
weite ferner schafft sie sich des «
Gottes»
Bild nach ihrem Ebenbilde, ‒ eines «Gottes»,
der nur irrem Menschenwahn sein Dasein
dankt...
.Verführerisch ist solcher
Traum der Seelen,
und
länger hält er sie im Schlafe, als sie schla‐
fen
müssten! ‒
.Allzuverlockend sind des Traumes bunte
Bilder, so dass sie auch
jene Seelen noch im
Schlafe erhalten, die bereits
erwachen könn‐
ten, da schon der
Wille zum Erwachen aus
dem Schlafe sich in ihnen regt...
.Nicht eher, als bis der
Wille zum Erwachen
den Schläfer
weckt, kann er sich aus dem
selbsterzeugten Traume erheben! ‒
.Würde er, dem Schlafenden gleich, den ein
lauter Weckruf schreckt, sich taumelnd
vor
seiner Zeit dem Schlafe entwinden, so müsste
er nur alsbald
erneut in Schlaf und Traum
verfallen.
.Auch in ihrem Traume strebt der Seele Seh‐
nen wahrlich nach der
Welt der Wirklich‐
keit.
.Leicht aber wird ihr der Wahn,
sie selbst
sei
wach und alle
Wirklichkeit sei ein
Traum...
.Und sicherlich ist es leichter, sich im Traume
einem selbstgeschaffenen «Gotte» nahe, ja «ver‐
eint», zu fühlen, als in wacher Nüchternheit den
Weg zu wandeln, der nur im
Inneren durch‐
wandelt werden kann und einst im
Innersten
des Inneren zum
Ziele führt: ‒ zur Einigung
im
lebendigen Gott! ‒ ‒ ‒
.Auch jene sind gar sehr im Rausche des
Traumes befangen, die da zu erzählen wissen,
sie seien Gott in sich begegnet und nun ganz
«
zu Gotte geworden»...
.Sie träumen
erregte Träume und glauben
im Traume sich
erwacht, nicht ahnend, dass
ihre «Vergottung» nur ein Werk des Trau‐
mes ist...
.Ach nein, mein Freund, ‒ wenn du dem
leibhaftigen Gotte in dir selbst begegnen
wirst als deinem lebendigen Gott, dann
wirst du gewiss ihn nur in dir selbst erleben
und dich selbst ihm geeint, allein mit nichten
wirst du «zu Gott geworden» und selbst
«vergottet» sein! ‒ ‒ ‒
.Du bist alsdann zu jeder Zeit fürwahr «in
Gott» und lebst in Gottes ewigem Leben,
jedoch: ‒ du bist nicht Gott, und auch in allen
Ewigkeiten kannst du nicht «zu Gotte» wer‐
den!
.Du kannst nur dich selbst in Gott und
deinen lebendigen Gott in dir erleben, ‒
geeint im Bewusstsein des Erlebens,
und dennoch stets der verbleibend, der
du bist! ‒
.Gott aber «erlebt» sich in dir «im Bilde», so
wie sich Gottheit niemals in sich selbst
erleben könnte: ‒ der Sonne gleich, die
ihres Lichtes Strahlen durch ein Brennglas
sammelt und im Brennpunkt Licht und
Feuer zeugt....
.Es ist dein Denken, mein Freund, das dich
erschliessen lässt: ‒ wenn Gott sei, müsstest
auch du selbst, ‒ zur Einigung mit Gott ge‐
kommen, ‒ einst «zu Gotte» werden können!
.Dein Denken aber ist traumbefangen, ist
selbst ein Teil deines Traumes!
.O, wähne dich nicht etwa dem Erwachen
nahe, solange dein Denken dir noch als dein
hellstes Licht erscheint! Dort, wo dein Denken
heimisch ist, mag es dir gute Dienste leisten,
und ferne sei es mir, dein Denken gering zu
achten. Tief unter der Erde, in eines Bergwerks
dunklen Gängen, werde ich ein Grubenlicht
gewiss zu schätzen wissen, ‒ so, wie jedoch
des Bergmanns Leuchte allsobald zur trüben
Flamme wird, wenn er aus seinem Schacht mit
ihr heraufsteigt in das Licht des Tages und der
Sommersonne blendend weisse Helle, so ist auch
alles Denken machtlos, wenn es sich vermisst,
in die Erlebnishelle geisteswacher Wirklich‐
keit hineinzuleuchten...
.Du sollst dein Denken nützen, wo immer es
dir nützen kann, allein: ‒ du sollst nicht deines
Denkens traumbetörter Sklave bleiben! ‒
.Tief in den labyrinthisch dunklen Gängen ir‐
dischen Erlebens wirst du wahrlich immer
deines Denkens Leuchte
brauchen, ‒ bist du
jedoch emporgestiegen an das Licht der
Gei‐
stessonne, dann lösche gelassen die schwä‐
lende Flamme aus, die nur im Düstern leuchten
kann. Hier umstrahlt dich
anderes Licht, das
nicht von
dir entzündet und gehütet werden
muss...
.Erwachend wirst du dann in diesem Lichte
deiner Torheit innewerden, die dich verleiten
wollte: ‒ Sonnenstrahlen mit dem Licht der öl‐
gespeisten Lampe abzuleuchten! ‒ ‒ ‒
.Gar
mannigfaltig sind die Träume der
Seelen, und nicht alle sind in
gleicher Weise
dem wachen Erleben fern. ‒
.So wie in deinem körperlichen, allnächtlichen
Schlafe Klänge der Aussenwelt in deine Träume
dringen und dir, traumhaft verwandelt, bewußt
werden können, so klingt auch gar mancher
Klang aus Reichen wachen Geist-Erlebens in
manchen Träumen der Seelen auf...
.Der Traum wird dann zu einem
fernen
Ahnen des Erwachens, aber dennoch bleibt
er
Traum.
.Vielleicht hast du selbst schon in deiner
Seele Traumschlaf solche Klänge vernom‐
men?! ‒
.Vielleicht hast du selbst schon gefühlt: ‒ du
könntest nun bald erwachen, und bist dann
doch erneut dem Schlafe und seinem Traum
verfallen?! ‒
.Es mag dir dies immerhin ein Zeichen sein,
dass du dem Erwachen nahe bist, wenn auch
kaum so nahe wie du glauben möchtest!
.Verhalte dich mehr und mehr dazu, auch in
deinem Traume und in deines Traumes Selbst‐
genügsamkeit, auf Klänge aus des Geistes wa‐
cher Welt zu hören!
.Auch wenn sie vorerst noch für dich nicht an‐
ders fassbar werden, als nach der Tonart deines
Traumes abgewandelt, so werden sie doch nach
und nach dich immer wacher werden lassen, bis
sie dich endlich zu beseligtem Erwachen
bringen.
.Allmählig sollst du dem Schlafe und seinem
Traum entzogen werden! ‒
.Du sollst nicht im Erschrecken zum Er‐
wachen kommen! ‒ ‒
.Nicht in Verwirrung will man dich finden,
wenn du aus deinem lebenslangen bunten
Traume erwachst! ‒
.Auch dein
Erwachen könnte sonst deiner
Seele zum
Schaden gereichen! ‒
.Des Geistes überhelles Licht will zuerst
er‐
tragen werden, bevor man es
lieben lernt! ‒
.Du wirst es nur dann ertragen können, wenn
du
mählig wacher werdend, dich dem Schlafe
entwunden hast.
.Bist du aber heute noch in Tiefschlaf ver‐
sunken und träumst einen Traum, den kein
Klang aus des Geistes wacher Welt erreicht, es
sei denn, dass solcher Klang dir zwar
vernehm‐
bar, aber als
Störung deines Traumes empfun‐
den werde, dann wisse, dass «
deine Zeit» noch
ferne ist, denn noch könntest du nicht ohne
Schreck aus deinem Schlafe gerissen werden.
.Auch wenn man dich erwecken
könnte,
würdest du kaum für
Augenblicke im Wachen
sein, um alsbald dich erneutem Schlafe hinzu‐
geben...
.Ich kann dir nur raten, dich
langsam an jene
Klänge zu
gewöhnen, die dir jetzt noch «Stö‐
rung» heissen. ‒ ‒
.Liebe nicht allzusehr deinen Traum, und
siehe zu, ob es dir nicht möglich wird, dir selbst
zu sagen, dass auch
deine Zeit einst kommen
muss und dass auch
du einst
erwachen sollst. ‒
.So wirst du alsdann die Klänge aus der wa‐
chen Welt des Geistes bald weniger störend
empfinden, ‒ dein Traum wird nach und nach
lichter und
lichter werden, und schliesslich
wirst du dem
Erwachen immer
näher kom‐
men. ‒ ‒ ‒
.Es ist kein leeres Spiel mit Worten, wenn ich
den
Zustand des Menschen, der noch nicht
vollbewusst im
Geiste lebt, dem
Schlafe ver‐
gleiche, und seine
Vorstellungswelt dem
Traum! ‒
.Ich rede zu Erdenmenschen und muss mich
an erdenmenschliche Gleichnisse halten.
.Wer immer aber diese Worte lesen wird, der
kennt auch Schlaf und Traum.
.So wie dir nun jeder als gar töricht erscheinen
würde, der dir zu sagen wüsste: ‒ nur im
Schlafe sei er im wahren
Leben, und nur der
Traum sei ihm die
erdenhafte Wirklichkeit,
so sollst du auch erkennen lernen, dass dieses
Erdenleben keineswegs die
höchste Wirk‐
lichkeit umschliesst: ‒ dass alles, was du hier
«Erlebnis» und «Erkennen» nennst, gar weit
zurückbleibt hinter dem
Erleben und
Erken‐
nen, das dir in der Welt des
wesenhaften
Geistes werden wird, bist du erst selbst ‒
auch
wenn du noch als Mensch der Erde in
der sinnenfälligen Erscheinung lebst ‒
in diese Welt des Geistes
eingegangen. ‒ ‒ ‒
.Wohl dir, wenn du dich
auf dem Wege
weisst, der dich
in dir selber zum
wachen
Erleben des
Geistes führt! ‒ ‒
.Wohl dir, wenn du zum mindesten erkennst,
dass auch
für dich dieser Weg bereitet ist! ‒ ‒ ‒
.Auch wenn du dich gar ferne noch von dieses
Weges Anfang fühlen solltest, so wird dir doch
das
Wissen um den Weg schon
Kraft verleihen,
ihn, aller Hindernisse spottend,
aufzusuchen,
‒ und weisst du, dass du ihn bereits
betreten
hast, so weisst du auch, dass du nur festen
Schrittes weiterschreiten musst, um in
dir
selbst zu
Gott zu finden. ‒
*
.Was in den Reichen deiner Vorstellung du
so gegründet findest, dass kein Anlauf deines
Denkens dieses Tiefgegründete je stürzen
könnte, das nennst du «wahr». Als «Wahr‐
heit» aber gilt dir auch gar manches Vorstel‐
lungsgebilde, das du nur heute und mit deinen
Kräften nicht zu Falle bringen kannst, so dass
es später, wenn es Andere zu Falle brachten,
auch für dich nicht mehr als Wahrheit gelten
kann. ‒ ‒
.So kommt es, dass die aufeinanderfolgenden
Geschlechter jeweils ihre eigene Wahrheit wie
ein Kleinod hüteten, das für das folgende Ge‐
schlecht sie sorglichst zu verwahren suchten,
während dieses Erbe dann den Späteren kaum
noch den Wert von Kinderspielzeug zu besitzen
schien...
.Und doch blieb bis auf den heutigen Tag die
«Wahrheit» gar hoch im Kurs, auch wenn die
Frage oftmals nahe lag: ‒
was denn
zur Zeit
als
Wahrheit gelten solle?! ‒
.Wenn
hier von der «
Wahrheit» nun ge‐
sprochen werden soll, so wollen wir
bewusst
beiseite lassen, was alles in der Zeiten Lauf als
«Wahrheit» galt!
.In
solchem Sinne nur sei von der
Wahrheit
hier die Rede, wie denn ein jegliches Geschlecht
noch
ausser seiner zeitlich engbegrenzten
Mei‐
nung eine
Wahrheit kannte, die
nicht durch
Spätere entwertet werden konnte.
.In solchem Sinne aber ist als
Wahrheit an‐
zusprechen, dass menschliche
Erkenntnis wie
im
Denken sie erreichbar wird, stets
Stück‐
werk bleibt, und dass in gleicher Weise alle
Macht des Menschen über die Natur ‒ trotz
aller Siege über die Naturgewalten ‒ nur allzu‐
bald gewisse
Grenzen anerkennen muss, die sie
sich selber keineswegs gezogen hat. ‒
.Aus dieser Wahrheit
folgerte das
Denken,
dass die Bereiche des
Erkennens und der
Macht, die
Menschen unerreichbar sind,
in eines
anderen Willens Allgewalt gegeben
seien. Mit dieser
Folgerung jedoch ist schon
ein Vorstellungsgebilde aufgerichtet, das all‐
zuleicht auch wieder
umgestossen werden
kann, da ihm die
Fundamente mangeln auf
denen jene
Wahrheit ruht, die solches folgern
lässt....
.Mag auch das Denken und Erschliessen Vor‐
stellungsgebilde schaffen, die als der Wahrheit
bestes
Gleichnis gelten können: ‒ die
Wahr‐
heit selbst, soweit sie
hier in Frage steht,
wird
niemals zu erdenken oder zu erschliessen
sein! ‒
.Letzte
Wahrheit ist hier allem Denken
hoch entrückt und bleibt dem Denken
ewig
unerreichbar, es sei denn, dass der Mensch
in sich der
Wirklichkeit begegne und im
wirklichen
Erleben innewerde was er sucht,
um es dem Denken
dann als Gabe
darzu‐
bieten. ‒ ‒ ‒
.Unzähligemale hat man sich «Gott»
erdacht
und glaubte im
Denken die Gottheit
gefun‐
den zu haben.
.Auch im sublimsten Denken aber wurde nur
ein
Götze aufgerichtet nach des
Menschen
Vorbild: ‒ ein
Vorstellungsgebilde, das ‒
allein nur
in der Vorstellung der mensch‐
lichen Gehirne ‒ als sinnlich-unsinnlicher
Schemen west...
.Wahrlich, es ist nur allzubegreiflich, dass es
keiner Zeit an Menschen fehlte, die einem sol‐
chen «Gotte» ihren Glauben versagten, ‒ allein,
fast unbegreiflich bleibt es, dass ein solcherart
erdachtes Blendwerk immer wieder Gläubige
fand, die sich vor ihm neigten! ‒ ‒
.Es waren die
Wenigsten nur zu allen Zeiten,
die hier weder leugneten noch glaubten, sondern
sich völlig von dem erdachten Götzen
kehrten, um ihren
lebendigen Gott in sei‐
ner
Wirklichkeit in sich zu
erleben.
.Was so erlebt wird, spottet freilich jeder
Vorstellung!
.Kein
Vorstellungsbild lässt sich schaffen,
das diesem
Erlebten gleichen würde! Durch
keinen
Gedanken ist es darzustellen und in
keinem
Worte wird es mittelbar! ‒
.Der Erlebende selbst nur weiss darum,
und weiss ‒ durch das
Erlebte allein ‒ dass er
wahrhaft
das erlebt, was nicht nur den
Namen
trägt, als
sei es «Gott», sondern was
Gottheit
in sich selber ist von Ewigkeit zu
Ewigkeit...
.Hier hat der
Zweifel, der des
Denkens
wacheste Erkenntnis noch benagt, für immer
jegliche Gewalt verloren!
Es ist ein
Innewerden des innersten Lebensgrun‐
des im eigenen «
Ich». ‒ ‒ ‒
.So wie ein Licht, entzündet in einer bunten
Lampe, der bunten Scheiben
Farben zeigt und
dennoch
sich selbst im Innern der Lampe
nicht färbt, so tritt die
Gottheit in
das
Innerste des Menschen ein, ‒ bekundet sich
in ihm in seiner individuellen Weise, und bleibt
doch was sie ewig war und ist. ‒
.In solcher
Wirklichkeit mit seinem Ur‐
grund eng vereinigt, erkennt des Menschen irdi‐
sches Bewusstsein erst die
wirkliche Wahrheit
und dieser ewigen Wahrheit
Wirklichkeit!
.Hier erst wird ihm bewusst, was Gott
ist in
Wahrheit und
Wirklichkeit! ‒ In graues
Dämmerdunkel sinken hier alle früheren
Vor‐
stellungsbilder von Gott! Der so die Gott‐
heit
in sich selbst erlebt und
seine eigene
Wirklichkeit in ihr, der braucht fürwahr kein
Bild und Gleichnis mehr, und nur wenn
Andere
er belehren will, muss er sich Bild und Gleichnis
für die
Anderen schaffen, damit sein Wort ihr
inneres
Erfühlen wecken könne. ‒
.Ein
Stammeln aber und
unbeholfenes
Deuten muss seine Rede dennoch bleiben, auch
wenn er mit allen Bildern der Sprache von sol‐
chem Erleben Kunde bringen will...
.Nur
der allein, der in solcher Weise seinen
lebendigen Gott in sich erlebte,
weiss in
gewissem Wissen um
Gott, so wie auch er
allein erst um
sich selber in
gewissem
Wissen weiss! ‒ ‒ ‒
.Doch ist auch diese hohe Stufe erst nur
Vor‐
bedingung aller
weiteren Entfaltung in
der geistigen Welt, wenn auch nur Wenige zu
allen Zeiten, während ihres Erdenlebens
diese
Stufe erreichten, oder gar sie überstiegen. ‒ ‒
.Verbrechen ist es, von
Gott zu reden, und
sei es in den wundersamsten Worten, so der
Redende
diese Stufe nicht mit aller Sicherheit
unter seinen Füssen weiss!! ‒
.Hat er sie aber erreicht, so weiss er auch, ob
er zur
Lehre wahrhaft
berufen ist, und nur
der Berufene wird Gottes Namen nicht ent‐
weihen.
.Ihm wird «gegeben» was er reden soll, von
denen, die hier mehr als er erhalten haben, da
sie vor Jahrtausenden schon auf der Bahn ge‐
funden wurden, die er erst heutigen Tages be‐
tritt. ‒ ‒
.Es ist unmöglich, seinen lebendigen
Gott in sich selbst zu erleben, ohne der Füh‐
rung der älteren Menschenbrüder aus
dem Geiste her bewusst zu sein...
.Auch sie mussten einst erst unter solcher
Leitung den Weg betreten, bis sie in sich selbst
dann die Einigung fanden in ihrem lebendigen
Gott. ‒
.Weit mehr aber wurde von ihnen verlangt,
die Helfer aller nachtumdrohten Menschen‐
seelen werden sollten...
.Weit schwerere Bürde wurde ihnen auf‐
erlegt...
.So wurden sie in ihren Erdentagen
schon befähigt, in die Welt des Geistes
vollbewusst und wachend einzugehen,
‒ in die Welt des wesenhaften Geistes, in
der sie heimisch, der sie kundig waren,
lange
bevor sie als Menschen der Erde ihren
Erdenleib erhielten. ‒ ‒ ‒
.Was manche alte
Sage, die du als «Torheit»
bisher verlachtest, dir
dennoch, wenn auch
in dunkler Rede, zu sagen hat, so du solches
nun weisst, mag deiner eigenen Erkundung
überlassen bleiben. ‒
.Ich aber kann dir nur sagen, dass ich
aus
sicherster Gewissheit rede, als einer, der
nur von Dingen zu sprechen weiss, die er selbst
erfahren hat. ‒
.Du wirst, wenn jemals du in dir zum
Erleben
deines lebendigen Gottes kommen willst,
die Hilfe deiner Brüder die bereits im
Geiste
leben,
nicht umgehen dürfen, wie sie da
jeder umgeht, der zwar alle Höhen durchforscht
und alle Tiefen durchgräbt um Gott zu finden,
aber gebunden bleibt an seinen Eigendünkel,
der ihm stetig zuraunt: dass er
menschen‐
geistiger Hilfe
nicht bedürfe.
.Willst du der
Wirklichkeit in dir selbst
begegnen, dann wirst du
achten müssen,
was die Wirklichkeit ins Dasein rief!
.Nicht du hast zu bestimmen,
auf welche
Weise Gott dir bewusst werden solle, sondern:
‒ Gott!! ‒ ‒ ‒
.Nicht «Menschenhilfe» wird dir, wenn dir
die menschengeistige Hilfe wird, von der ich
rede, sondern Gotteshilfe, die sich des Men‐
schen bedient um dem Menschen zu helfen, da
anders ihm in seiner Tierheit niemals Hilfe
Gottes werden könnte! ‒
.Es wird hier von dir gewiss kein «Glaube»
verlangt, als wenn du meinen Worten um der
Worte willen glauben solltest. Ich sage dir
nur, was unerlässlich ist, willst du aus einem
Suchenden zum Finder werden!
.Nicht mehr wird von dir verlangt, als dass
du der Hilfe, die dich geistig ‒ und nur auf
geistigem Wege ‒ erreichen kann, nicht eigen‐
willig widerstrebst. Ob meine Worte «Glau‐
ben» verdienen, lass' dir von denen sagen, die
nach ihnen tun, ‒ und dann erprobe selbst ob
du sie bestätigen kannst!
.Ich will dir keinen «neuen Glauben» brin‐
gen, sondern deine Seele zur Gewissheit
führen: ‒ zu jener Wahrheit die sich nur als
Wirklichkeit erfahren lässt! ‒ ‒ ‒
.Du wirst deiner Seele Kräfte in dir selbst nur
dann also zu sammeln und zu einen wissen,
wenn dir die Ströme geistigen Lebens Kraft
verleihen, die von denen in die Erdennacht
geleitet werden, die aus dem wesenhaften
Geiste wirken, weil sie also wirken müssen! ‒
.Sie selbst sind nur Werkzeuge göttli‐
chen Willens!
.Nicht ihre Kräfte kannst du empfangen, son‐
dern allein des Geistes Kraft, aus der sie leben
in des Geistes wacher Welt. Umformer sind
sie der Kraft des Geistes, die anders nicht
in dieser Erdentieresdunkelheit dir
fühlbar werden könnte...
.Sie glauben nicht «Höheres» zu sein als du,
denn alles was sie einst etwa glauben
mochten, zu sein, haben sie aufgelöst
in dem, aus dem sie sind...
.Wenn du dieses Sein jedoch dir über‐
ordnet fühlst, so wisse, dass auch sie es
allem überordnet fühlen, was sie als Erden‐
menschen einst für sich erreichbar oder
wünschbar wussten. Sie gieren wahrlich nicht
nach Dank für ihre Hilfe, und all ihr «Helfen»
beruht nur in ihrem Sein!
.Sie werden dir auch keineswegs eine andere
Hilfe bringen können, als jene, die du benö‐
tigst, willst du in dir zu deinem lebendi‐
gen Gott gelangen! Wenn dir auch in an‐
deren Dingen geistige Hilfe werden mag,
so leite sie nicht von deinen helfenden
Brüdern auf der Erde ab! ‒
.Wahrlich, es gibt im Reiche des Geistes auch
noch andere Hilfe, deren auch sie, in ihrem
Erdendasein, oft gar sehr bedürfen! ‒ ‒ ‒
.Weder «Übermenschen» noch Zaube‐
rer, sind sie in ihrem irdischen Leben allen
Erdennöten ganz in gleicher Weise
ausgesetzt wie du, und sie erkennen darin
hohe Weisheit, dass sie in allen Stücken hier
das Erdenmenschenlos zu tragen haben...
.Wie sollten sie die Seelen die allhier im Dun‐
kel sind, in liebender Verströmung aller Geistes‐
kraft die sich durch sie ergiesst, aus dieser Fin‐
sternis erretten können, wären des Erdenmen‐
schen Nöte ihnen fremd!? ‒
.Durch ihr Erkennen aller Menschen‐
not wird ja die Kraft des Geistes also um‐
gewandelt, dass sie den Seelen in der Form
der Hilfe, deren sie auf ihrem Weg zu
Gott bedürfen erst
fühlbar und
erfassbar
wird! ‒ ‒
.Du kannst dich wahrlich ihnen anvertrauen,
zumal, da man ja nichts von dir verlangt, als
dass du dich vor jedem
Sträuben gegen ihre
Hilfe hütest.
.Dein
Wille, der in solchem Sträuben Aus‐
druck findet, würde sonst die Hilfe hindern.
.Bist du aber
willig und
bereitet, Hilfe zu
empfangen, so wird sie dir auf deinem Wege
werden
ohne Ruf und Bitte. Nicht
der
Willkür des Helfers ist diese Hilfe anver‐
traut!
.Du
musst gefunden werden, so du dich fin‐
den lassen
willst!
.Dann aber wirst du mit aller Sicherheit auch
die
Wahrheit finden, die du bislang so oft
vergeblich suchtest.
.Erkennen wirst du dann, was meine Worte
immer wieder deiner Seele nahebringen wollen:
‒ dass diese
Wahrheit nur als
Wirklichkeit
gefunden wird. ‒
*
.Du kannst nicht erwarten, deinen Weg zu
Gott zu finden, solange du
in deinem Erden‐
leben deinem «
Ja» und deinem «
Nein» nicht
unverletzlich sichere Grenzen ziehst! ‒
.Dein «
Ja» und «
Nein» darf nicht durch dei‐
ner
Wünsche wechselreiche Ziele jeweils erst
die Richtung finden! ‒
.Noch weniger darf deiner
Triebe erden‐
tierische Gewalt in dir bestimmen, wo dein
«
Ja» gesprochen werden soll und wo dein
«
Nein»! ‒
.Von deiner
Entschiedenheit hängt die
Entscheidung deines Schicksals ab, und
du allein nur wirst dein Schicksal zu tragen
haben! ‒
.Sobald du dich
entschieden hast, dem
Schein dich zu entwinden um das wache
Sein
dir zu erwirken, wird alles was dich noch ver‐
leiten will, ein Anderes zu scheinen als du
bist, stets deinem «Nein» begegnen müssen.
.Sobald du dich entschieden hast, den
Weg zu Gott zu gehen, wird nichts an deinem
«Ja» noch Stütze finden dürfen, was dich be‐
hindern könnte deiner Seele höchste Höhe
in dir selber aufzusuchen. ‒ ‒
.Dein «Ja» und «Nein» kann deinen Willen
festigen, so dass er wie ein Fels im wilden Wo‐
gen allen äusseren Geschehens steht! ‒
.Bisher warst du vielleicht gewohnt, dein «Ja»
oder «Nein» nicht allzu wichtig zu nehmen? ‒
.Je nach deiner Wünsche Begehr wurde dein
«Nein» recht schnell ein «Ja», und dein «Ja»
zum «Nein»...
.Wie wäre dies auch vermeidbar gewesen, da
du unstät allenthalben suchtest, und den einen
Weg, dem all dein Suchen galt, nicht finden
konntest!
.Nun aber wird dir der Weg gezeigt, und
dein schweifendes Suchen ist am Ende.
.Nun wird wahrlich Weniges nur für dich von
gleicher Wichtigkeit sein, wie dein «Ja» oder
«Nein»! ‒ ‒
.Du wirst dich bestimmen müssen, so dass
von diesem Tage an dein «
Ja» ein
unbeirr‐
bares «
Ja» sei und dein «
Nein» ein
un‐
bestechliches «
Nein»!
.Bevor du dich selbst zu solchem «Ja» und
«Nein»
bestimmst, wirst du in bedachtsamer
Wahl zu wählen haben,
was dein «
Ja» erhalten
soll und
wo dein «
Nein» zu gelten habe...
.Dann aber soll dein «Ja» und «Nein» durch
keine Macht der Erde mehr zu berücken sein.
.Selbst wenn du noch
irren solltest in dei‐
ner Selbstbestimmung, wird dein Irren wenig
nur zu besagen haben, ward es durch den
Willen zu deiner höchsten Höhe be‐
stimmt. ‒
.Nur
Unbestimmtheit ist vom Übel; nur
Unentschiedenheit gereicht zum Verderb!
.Siehe, es wird dir auch fürderhin nicht an
Gründen fehlen, dein selbstbestimmendes «Ja»
und «Nein» gar oftmals noch
vertauschbar
zu wünschen, und gerne würdest du zuweilen
auch ins
Unbestimmte flüchten! ‒
.Darum wäge weise,
bevor du dich bestimmst,
denn
jeder Tag stellt seine Frage nach
deinem «
Ja»
und «
Nein», und eines jeden
Tages Frage wird durch dein
bleibendes «Ja»,
‒ durch dein
bleibendes «Nein», ‒ entschie‐
den werden. ‒ ‒
.So wie du dich bestimmt hast,
dort, wo es
für
alle Zeiten gelten soll,
dir selbst Be‐
stimmtheit zu geben, so wirst du auch von Tag
zu Tag in
allen Dingen dieses Erdenlebens,
dir selbst getreu, dein «
Ja» und «
Nein»
bestimmen müssen. ‒ ‒
.Du darfst nicht erwarten,
zu deiner höch‐
sten Höhe in dir selber hinaufzufinden,
wenn du nicht
weisst, wo dein «
Ja» sein soll
und wo dein «
Nein». ‒
.Du darfst nicht erwarten, zu deiner höchsten
Höhe zu gelangen, solange noch dein «
Ja» dem
erdentierischen Behagen sich verdingt,
wo nur dein «
Nein» dich aus der Tiefe lösen
könnte...
.In einer Stunde der Einkehr bei dir selbst,
frage dich sehr genau, was
bisher dein «Ja»,
und was dein «
Nein» erhielt? ‒
.Frage dich aber auch weiter: ‒ wo du in
Un‐
entschiedenheit bisher verblieben bist, um
stets nach deinen trüben Gelüsten, dich
bald
zu einem «Ja», bald zu einem «Nein»
entscheiden zu können!? ‒
.Lass' dich nicht erschrecken, wenn du also
sehen musst, dass der grösste Teil deines Hauses
auf schwankendem Grunde ruht!
.Du sollst ja jetzt den Grund auf dem die Fun‐
damente ruhen, untersuchen, damit du ihn
allenthalben befestigen kannst durch neue
starke Pfähle!
.Wir können aber hier auch jedes Bild bei‐
seite lassen:
.Es handelt sich für dich um eine zu errei‐
chende Bestimmtheit deines Willens,
durch die hinfort entschieden werden soll, was
dein «Ja» erhalte, oder durch dein «Nein»
aus deinem Leben zu entfernen sei.
.Es handelt sich auch keinesfalls um «Welt‐
bejahung» oder «Weltverneinung», son‐
dern um dein engbegrenztes Erdenleben
und die Form in der du es leben sollst!
.Du sollst dich bestimmen, es so zu leben,
dass alles was dich in dir selbst zu Licht
und Läuterung erheben kann, dein
«Ja» gewiss hat, wie denn alles, was dich
etwa niederziehen könnte, mit aller
Sicherheit stets deinem «
Nein» begegnen
muss. ‒ ‒
.Bist
du selbst erst bestimmt, so wird auch
jede Entscheidung die dir nahe kommen kann,
«
von selbst» in
gleicher Art Bestimmung
finden. ‒
.Dein «Ja» und «Nein»
im Alltagsleben
wird nur ein Abbild dessen sein, was
in dir
selbst dein «
Ja» erhielt und was deinem
«
Nein» sich beugen musste.
.Sorge darum:
in dir selbst dein «
Ja» und
«
Nein» zu sichern!
.Alle
andere Sorge ist hier vom Übel! ‒
.Auch wenn du
bestimmt bist in dir selbst,
so dass nichts Äusseres dich mehr bestimmen
kann, so wirst du dennoch nicht
erstarren
müssen.
.Heute kann eine Entscheidung dein «
Ja»
verdienen, die du
morgen durch dein «
Nein»
beantworten musst...
.Heute kann dein «
Nein» dich aus der Tiefe
retten, wo
morgen dein «
Ja» allein dich höher
führen wird...
.Dein eigenes
Wachsen wird sehr oft von dir
fordern, dass du wechselst in deiner Ent‐
scheidung.
.Bist du aber ein für allemale in dir selbst
bestimmt, dann wird in solchem Wechsel
dennoch stets ein Beharren sein.
.Du wirst in allem Wechsel stets beharren
bei deinem eigenen «Ja» und «Nein» in dir
selbst, und wie auch jeweils deine Entschei‐
dung fallen mag, ‒ stets wirst du nur nach
deiner bleibenden Bestimmtheit ent‐
scheiden. ‒
.Dem Äusseren nach kannst du heute an‐
ders als gestern entscheiden, dieweil die äus‐
seren Bedingnisse anders wurden, allein dein
«Ja» und «Nein» darf auch im Wechsel nur
bestimmt sein durch dich selbst: ‒ durch
deine Selbstbestimmtheit, die du dir für
alle Zeit gegeben hast, als du die unverrück‐
bar festen Grenzen setztest deinem allbe‐
stimmenden «Ja» und «Nein». ‒ ‒
.Es geht nicht an, dass du dich selbst betörst
und heute «Ja» sagst, morgen aber «Nein»,
nur weil das eigene Behagen, oder deiner
Wünsche Neigung dich zum Wechsel der
Entscheidung überreden wollen!
.Auch keines anderen Menschen «Ja» oder
«Nein» darf das deine umstimmen können,
sobald du einmal in dir selbst dich so be‐
stimmtest, wie es dein hohes Ziel verlangt.
.Wer nur im Irdischen sein Erdentier er‐
leben will, der wird ein anderes «Ja» und
«Nein» bekunden als ein Anderer, der dieses
Erdendasein nutzen möchte um die höchste
Weisheit die sein Denken ihm erschliessen
kann, hier zu erreichen.
.Und wieder anders wird das «Ja» und
«Nein» des Toren sein, der einem selbst‐
geschaffenen Götzen dient. ‒
.Du aber, der du den Weg zu Gott in dir
finden und beschreiten willst, wirst dich zu ei‐
nem «Ja» und «Nein» in dir bestimmen müs‐
sen, das auch dieses hohen Zieles würdig ist.
.Der Anderen «Ja» und «Nein» kann dir
dabei nicht helfen, auch wenn es sich um
Andere handelt, die du hoch verehrst, ‒ es sei
denn, sie hätten gefunden, dort wo du noch
suchst, und wüssten dir also zu sagen, wie
dein «Ja» und «Nein» in dir Bestimmtheit
finden müsse, damit du, gleich ihnen, einst
dein Ziel erreichen könntest. ‒ ‒
.Es werden gar
wenige sein, deren «Ja» und
«Nein» dir in solcher Weise
helfen kann!
.Weit zahlreicher aber sind jene, die
dich zu
be‐
stimmen suchen nach ihrer Art, obwohl ihnen
selbst noch
jegliche Bestimmtheit man‐
gelt, sei es im guten, oder verwerflichen Sinn. ‒
.Sie sind deine
grösste Gefahr, da dir ihre
innere eigene
Unbestimmtheit nicht offen‐
bar wird...
.Du wirst sie
noch mehr zu meiden haben,
als alle die dein hohes Ziel
verlachen, weil ihre
niedere Bestimmtheit nur das
Niedere kennt
und anerkennt!
.Dort, wo dir das «Ja» der
Anderen mit
klarer Bestimmtheit als
dein «
Nein» ent‐
gegentritt, hast du ebensowenig zu fürchten wie
dort, wo der Anderen «Ja»
deinem «Ja» und
der Anderen «Nein»
deinem «Nein», soweit
dies möglich ist, entspricht.
.Aber hüte dich vor allen,
die dir
stetig nach dem Munde reden!
.Hüte dich vor allen, die ihre Rede auf ein
«
Nein» hin richten und wenn sie sehen, dass
du ein «
Ja» erwartet hast, sie alsbald enden
mit einem «
Ja»!
.«Hüte dich vor allen, die da jederzeit «Ja»
mit «Nein» und «Nein» mit «Ja»
vertau‐
schen können!
.Hüte dich aber auch vor der Neigung, dein
eigenes «Ja» und «Nein» den anderen
auf‐
zudrängen!
.So wie du
dich bestimmtest, so sollst
nur
du selber sein, auch wenn gewiss dir
andere
ähnlich werden können.
.Du kannst nur
dich bestimmen und
nicht
die
Aussenwelt!
.Wo du es dennoch versuchst, und so
hinaus‐
greifst über deinen Bereich, wirst du
ins
Leere greifen, auch wenn du dich gern über‐
reden möchtest, du hättest auch
andere
bestimmt.
.Gewiss kannst du auch andere zu deinem
«Ja» und «Nein»
verleiten, so sie noch
un‐
bestimmt sind in sich selbst, ‒ doch wenn du
wähnen wolltest, dass sie hierdurch nun
Be‐
stimmtheit in sich selbst gefunden hät‐
ten, wärest du nur einem töricht-eitlen Wahn
erlegen...
.Von solchem Wahne sehr verschieden ist
jedoch dein Wissen um die Art und Weise, wie
du ‒ magst du nun wollen oder nicht ‒ die
Anderen
von Innen her stets durch die
eigene Bestimmtheit
mitbestimmst! ‒
.Du kannst dich nicht im Dasein völlig
isolieren, auch wenn du in die Wüste gehen
wolltest, oder dir im tiefsten Urwald deine
Hütte bauen würdest!
.Auch wenn du von heute an keinen Men‐
schen mehr siehst, bleibst du doch mit den
Menschen eng verbunden!
.Durch unsichtbare Schwingungen die
deines Denkens, Fühlens und Erlebens stets
getreue Boten sind, bleibst du
auch aus der
weitesten Entfernung her mit allen
eng
vereint, die deiner
eigenen Artung
ähnlich
sind, und
du empfängst
von ihnen auf die
gleiche Weise stete Botschaft...
.Wohl bist du dir noch dessen
nicht be‐
wusst, ‒ doch, magst du darum wissen oder
nicht: ‒ nie wird das stetige Geschehen hier
sich ändern lassen! ‒
.So helfen sich alle,
die auf gleichen
Wegen sind!
.So wirst auch
du den
Anderen helfen, die
sich selbst bestimmen wollen, wenn du
dich in dir selber bestimmst! ‒
.So wird dein
eigenes «Ja» und «Nein»
auch
Anderen zu
ihrem «Ja» und «Nein»
verhelfen! ‒ ‒ ‒
*
.Dass du bis heute deinen
Gott in dir noch
nicht
gefunden hast und dem
Lebendigen
in seinem
Licht vereinigt bist, mag dir Beweis
genug sein dafür, dass du noch
in eines An‐
deren Gewalt stehst, der dein Gott
nicht ist
und
nicht du selbst...
.In furchtbarer Bindung bist du gebunden,
und nur in hartem Kampfe wirst du dieser Bin‐
dung ledig werden können! ‒ ‒
.Zuvor aber gilt es, zu erkennen: ‒
wer der
ist, mit dem du zu kämpfen hast?!
.Der dich
in unsichtbaren Banden hält,
ist selber
unsichtbar, und gerne lässt er sich
von dir ‒ der du ihn
fühlen kannst, auch wenn
du niemals ihn ergründest ‒ als «Gott» ver‐
ehren und sich Opfer bringen...
.Er ist fürwahr
kein «selbstgeschaffener
Götze» und seine Macht erhält er
nicht aus
deinem Glauben!
.Er ist auch nicht, wie alte Glaubenslehren
wollen, Gottes «Feind» und Gegenspieler, denn
er
weiss nichts von Gott, und aller Gottes‐
glaube ist ihm menschliche Torheit. ‒
.Sieht er den Menschen nach
Gott verlangen,
so ist
er selbst allein sich als ein «Gott» ge‐
wiss und setzt
sich selbst als den Verlangten,
‒ erkennt er aber, dass der Mensch in Wahrheit
einen Weg zu suchen unternimmt, auf dem er
seinen Fesseln sich entwinden könn‐
te, so wird er des Menschen fürchterlicher
Feind und sucht sein Erdenleben zu ver‐
nichten...
.Wären
seiner Macht nicht
mächtigere
Grenzen gesetzt, so würde wahrlich
keiner der
Erdenmenschen je
in diesem Erdendasein
zu
Gott gelangen können! ‒ ‒ ‒
.Es sprach euch einer derer, die aus dieses
unsichtbaren Herrschers starken Fesseln
frei
geworden sind, von ihm, als dem «
Fürsten
der Finsternis», ‒ aber ihr wusstet nicht,
von wem er sprach und wisst es noch heute
nicht...
.Wenn man nicht vorzog, das Wort nur
sym‐
bolisch zu nehmen, dann schuf man einen
Kinderschreck in seiner Vorstellung, dem dieses
Wort entsprechen sollte...
.Der aber, den das Wort vom «Fürsten der
Finsternis» in jenes hohen Meisters bestimmter
Auffassung bezeichnete, ist wahrlich ein
«Fürst» der kosmischen Nacht, auch
wenn seine Herrschaft durch den gleichen Men‐
schen, dessen Mund ihn erstmals so bezeichnet
hatte, gar sehr gemindert wurde. ‒ ‒
.Hier ist die Rede von einer wirklichen
Wesenheit im unsichtbaren physischen Kos‐
mos, der da alles auf der Erde ‒ soweit es irdi‐
scher Natur ist ‒ irdisch unterordnet
bleibt, bis sie selbst einst mit diesem Planeten
zerfällt: ‒ sich auflöst in unbewusste kos‐
mische Kraft! ‒ ‒ ‒
.Mit deiner Erdentierheit ‒ die auch dein
Denken mitumfasst, und alles was der Mensch
der Erde jemals an mechanischen Werken
schuf und schaffen wird ‒ bist du durchaus in
dieser Wesenheit Gewalt.
.Sie ist der «Herr der irdischen Natur»
und so auch deiner Erdentierheit Herr, so
dass du wahrlich sie als «Gott» verehren könn‐
test, wärest du nicht
Anderes noch als dieses
Erdentier! ‒ ‒ ‒
.Nur weil du noch
Anderes bist als
eine
Geburt der Erde, kannst du ihm
entrinnen,
und dich,
soweit du unvergänglich bist,
über den Vergänglichen
erheben! ‒
.Immerhin wirst du
auch dann noch mit
deiner
Erdenleiblichkeit unter seiner
Herr‐
schaft stehen, aber als einer, der nicht mehr
unbedingt in seine Gewalt gegeben ist, auch
wenn er sie zuweilen bitter fühlen muss. ‒ ‒
.Es ist ein gar grosses Unterfangen, diesem
Ge‐
waltigen des Kosmos Fehde anzusagen! ‒
.Mehr als menschlicher «
Mut»
gehört
dazu,
mit ihm zu kämpfen! ‒
.Und dennoch wirst du diesen Kampf
er‐
öffnen und
bestehen müssen, ‒ diesen Kampf,
der
erst dann ein
Ende findet, wenn das
Erdentier in dem du lebst, dereinst von dir,
dem
Unvergänglichen, sich
löst. ‒ ‒ ‒
.Gar mancher blieb schon auf der Walstatt,
der da mit grosser Gebärde sich erkühnte,
diesen Kampf zu kämpfen und nicht wusste,
mit wem er focht...
.Auch
hier ist dir
hohe Hilfe nötig, wenn du
im
Siege bleiben willst, solange du noch auf
der Erde lebst. ‒ ‒
.Hier ist der Kampfplatz keineswegs
nur in
dir selbst!
.Auch von
aussen her wird dir
harter
Kampf geboten, und du wirst stetig dich be‐
währen müssen in der blossen
Gegenwehr,
denn die Eröffnung dieses Kampfes
deiner‐
seits kann niemals
Angriff sein, sondern nur
Absage an den
Herrn des Erdentieres,
das dir fürderhin
ein irdisches Werkzeug
werden soll, während du vordem
dich, den
Unvergänglichen, ihm unterordnet hattest.
.Nie wird
der Fürst der finsteren Materie
dir
willig überlassen, was unter seiner
Herrschaft steht, und was du dennoch
dei‐
nem Willen dienstbar machen musst, willst du
in diesem Erdenleben schon zu deinem
Gott gelangen
in dir selbst! ‒ ‒ ‒
.Er wird auch nie dein Tun «begreifen»
können, es sei denn als
Vermessenheit,
denn ihm ist alles
Geistige, und somit auch
dein
Gott, ein Hirngespinst der
einzigen aus
allen den Geburten dieser Erde die in seine
Macht gegeben sind, die ihm trotz allem
«
fremd» erscheint.
.Er selbst wird
niemals sich im Kampfe
stellen!
.Dazu
verachtet er dich viel zu sehr. Im
Kampfe auch wird er des Erdentieres «
Fürst»
verbleiben und dich allein
durch seine Höri‐
gen bekämpfen lassen...
.Gar
ungleich ist so dieser Kampf, in dem
sich
Einer stets mit
Vielen messen muss, ‒
wobei denn wieder Viele sind, die ihm
allein
schon weitaus
überlegen wären, würde er
nicht
durch des Geistes hohe Kräfte
immer neu gestärkt. ‒ ‒ ‒
.Es ist ein folgenschwerer Tag, an dem dein
Inneres sich gegen dieses unsichtbaren Fürsten
Macht erhebt ‒ dem ausser seinen eigenen
Scharen auch die Tiefgesunkenen ergeben
sind, die einst als «Meister» aus dem
hohen
Leuchten fielen ‒ und sich entschliesst, ihm
nun für alle Zukunft den Gehorsam abzu‐
schwören...
.Zuerst mag es dir leichthin so erscheinen,
als sei dies nur ein kindliches Komödienspiel,
das du dir selbst bereitest, und ohne jede
Wirkung in den unsichtbaren kosmischen Be‐
reichen.
.Bald aber wirst du anderen Sinnes werden,
und nur zu deutlich wirst du sehen lernen,
mit wem du nun im Kampfe stehst...
.Was aber auch dir nun begegnen möge: ‒
sei unverzagt und wisse, dass dir hohe
Hilfe nahe ist, ‒ auch dann, wenn du schon
glauben möchtest, deine Niederlage sei ge‐
wiss! ‒ ‒ ‒
.Du wirst nicht unterliegen können, so‐
lange du nur dein Vertrauen in den Sieg
ausschliesslich in der Kraft des Geistes
gründest.
.Die hier unterlegen sind, waren stets zu
sicher ihrer eigenen Kraft, so dass die Hilfe
aus der Kraft des Geistes sich an ihrem
Kampfe nicht beteiligen konnte.
.Nur dann, wenn du der Kraft des Geistes
Anteil lässt an deinem Kampfe, wird sie für
dich streiten...
.Es sind die Schlechtesten nicht und
nicht die Feigen, die solchen Anteil am
Kampfe nicht gewähren möchten. ‒
.Nicht immer ist es Eigendünkel, wenn ein
Mensch den Kampf allein durch seine eigene
Kraft entscheidbar glaubt. ‒ ‒
.Doch immer ist es menschlich enges Irren,
glaubt der Mensch sich selbst befähigt, ohne
Geisteshilfe hier den Sieg sich zu erkämpfen. ‒ ‒
.Ihm kann dann nicht geholfen werden,
auch wenn er Geisteshilfe dringend braucht,
da all sein Tun die Hilfe abweist, die für ihn
den Kampf zu Ende kämpfen will...
.Wer hier den Sieg für sich errungen
wissen will, der darf ihn niemals aus der
eigenen Kraft erringen wollen!
.Dankbar muss er den Sieg entgegenneh‐
men, den des Geistes hohe Kraft für ihn
erringt. ‒ ‒
.Stets muss er in sich selbst bewusst sein, dass
sein Wille, diesen Kampf zu kämpfen, alles
ist, was man vom Geiste her von ihm ver‐
langt, dass aber dieser Kampf allein vom
Geiste nur entschieden werden kann...
.Der aber, der aus eigener Kraft den Sieg
erlangbar wähnt, der weiss noch nicht, was hier
der Kampfpreis ist: ‒ der ahnt nicht, dass es
letzten Endes gilt, allhier ein Irdisches der
erdenhaften Bindung zu
entreissen, damit es
sich
dem Geiste einen könne. ‒
.Gewiss wirst du
auch dann, nachdem durch
Geisteskraft der Sieg
errungen ist, mit deiner
erdentierischen Natur dem «
Fürsten dieser
Welt» noch dienstbar bleiben müssen, so‐
lange du auf dieser Erde lebst; ‒ allein, es ist nur
das, was einst
verwesen wird, das noch in
seiner Hörigkeit verbleibt...
.Was aber über diese, einst
verwesliche
Substanz hinaus als Erdenmensch dir zuge‐
hört ‒ wie du auch immer es benennen magst ‒
das wird nunmehr auch
nach dem Erdentode
noch
dein eigen sein, und wird dir
zugehören,
‒ dir, dem
Unvergänglichen geeint, ‒
für
alle Ewigkeit...
.So gehe
sicher und
vertrauend denn in
diesen Kampf, in dem du nur mit Geisteskraft,
durch Abwehr, siegen kannst!
.Du wirst den Sieg
gewiss erringen, so du nur
der Kraft des Geistes
Anteil lässt an deinem
Kampf!
.Zwar sollst du hier das Deine
tun, ‒ doch
ist «
das Deine» allzeit nur die
Abkehr von
des Erdendämons kosmischer Gewalt, und
deines
Willens Wendung, ihm die Gegen‐
wehr zu bieten ‒
unausgesetzt,
in jedem
Augenblicke deines weiteren Erden‐
lebens. ‒ ‒ ‒
.Wird dieses «
Deine» stetig durch dich
selbst
getan, dann wird des
Geistes hohe
Kraft für dich den
Sieg erlangen! Du wirst dein
Irdisches, soweit es
nicht verweslich ist,
alsdann mit deinem
Geistigen für alle Zeit
vereinen lernen!
.So,
in dir selbst geeint, wirst du den
Weg zu Gott in dir
nicht mehr verlieren
können, bis du dereinst das hohe
Ziel des
Weges
in dir selbst erreichst! ‒ ‒ ‒
*
.Es sind nicht zwei Menschen auf dieser Erde,
die sich in allem
gleichen würden.
.So aber, wie im Samenkorn der Pflanze ihre
künftige Gestaltung schon beschlossen
ruht, so trägt ein jeder Menschengeist in sich
das
Urbild seiner einstigen Vollendung. ‒
.Unendlichfältig sind die Lebensformen,
in denen sich
Gott erlebt
in sich selbst...
.Unendlichfältig spiegelt sich der Gottheit
Leben in den
Menschengeistern...
.Unendlichfältig sind die Formen der
Vollendung...
.Du kannst für dich nur deine
eigene Voll‐
endung
in dir selbst erreichen und eines
jeden
Anderen Vollendung kann dir nur zum
Ansporn werden, auch die
deine in dir selbst
zu
suchen.
.Des
Anderen Vollendung ist die
deine
nicht und kann dir nie ersetzen, was du
in dir
selber versäumst.
.So stelle
dich selbst in das Licht der Ewig‐
keit, damit du erkennst, was
in dir nur Voll‐
endung verlangt!
.Lasse alle
Eitelkeit beiseite, allen
Hoch‐
mut und alles
Begehren, damit du nicht dich
selbst verleitest, eines
Anderen Vollendung
zu erstreben und die
deine vor dir selbst gering
zu achten! Auch der Grösste der Vollendeten
konnte nur
seine Vollendung erreichen, und
du wirst ihm gleich sein an
Vollendung,
wenn du einst in
deiner Art vollendet bist.
.Hätte er nach
Grösse gestrebt, da er von
Grossen wusste unter den Vollendeten, ‒ wahr‐
lich, er hätte niemals seine
Vollendung er‐
reicht!
.Dein
Ehrgeiz möge dich in dieser
Aussen‐
welt den höchsten Rang erstreben lassen, den
deine Fähigkeiten noch erreichen können, allein
er bleibe
deinem Streben nach der geisti‐
gen Vollendung fern! ‒
.Willst du die
dir allein bestimmte
Vollen‐
dung in dir finden, so wisse, dass du nur
in
der Vereinigung mit deinem Gott Voll‐
endung in dir selber finden kannst! ‒ ‒ ‒
.Darum zeige ich dir den Weg zu Gott, auf
dass du dereinst, in der Vereinigung mit Gott,
vollendet werdest.
.Erst wenn du gottgeeint dein Leben leben
wirst, wird es in Gott die Vollendung er‐
reichen!
.Stets wird es dein eigenes Leben sein, das
sich so erfüllt!
.Du kannst nicht Gottes Leben leben, ‒
wohl aber lebt Gott in dir und du kannst in
Vereinigung mit Gott die höchste Form
deines eigenen Lebens finden. ‒ ‒
.Ein Gleichnis möge dich hier zum Verstehen
führen:
.Betrachte die Lampe in der durch elektrische
Kraft ein haardünner Faden zum Glühen und
Leuchten kommt!
.Noch bist du der Lampe gleich, die der
Kraftstrom noch nicht durchfliesst. ‒ ‒
.Bist du jedoch dereinst zu der Vereinigung
mit Gott gekommen, dann wirst du der Lampe
gleichen, deren sonst kaum sichtbares Aller‐
innerstes in strahlendem Lichte erglüht. ‒
.Es ist nicht die Lampe selbst, die sich
zum Leuchten bringen kann!
.Erst wenn der Strom der Kraft sich ihrem
Allerinnersten
vereint, kann sie erstrahlen!
.Könnte die Lampe aber
sich selbst er‐
fühlen: ‒ sie würde immer nur
ihres Aller‐
innersten innewerden, ‒ wenn auch
erglüh‐
end im Licht, dort wo sie vordem finster
war ‒ und nur in diesem Allerinnersten könnte
der
Kraftstrom der sie durchfliesst, ihr zu
Bewusstsein kommen. ‒ ‒
.So wirst auch du stets nur
dein eigenes
Allerinnerstes erleben, bist du einst deinem
lebendigen Gott vereint...
.Dein Allerinnerstes wird dann in dir
in strahlender Klarheit leuchten, ‒ durch‐
lebt von
der Gottheit lebendigem Licht!
.Nicht
du wirst «
Gott geworden» sein,
aber
Gottes Kraft wird dich durch‐
strömen...
.Du kannst in aller Ewigkeit
nichts anderes
erleben als
dich selbst und
was in dir Er‐
lebnis wird! ‒ ‒ ‒ ‒
.Im selben Gleichnis kannst du auch ver‐
stehen lernen, was da mein Wort besagen will,
dass du nur in
Gott Vollendung finden wirst
und dass der Anderen Vollendung niemals
dich vollendet.
.Die Lampe, die der Kraftstrom nicht durch‐
fliesst, mag wohl durch ihre Konstruktion
geeignet sein, ein wundersames Licht in
sich zu offenbaren und dennoch bleibt sie
unerhellt. Ihre Vollendung wird sich erst
erweisen, wenn sie in den Stromkreis einge‐
schaltet ist.
.So kannst auch du dir alle Vorbedingung
zur Vollendung schaffen, ‒ Vollendung aber
wirst du nur erreichen in Vereinigung mit
deinem Gott! ‒ ‒ ‒
.Und wenn der Lampen viele wohl an einem
Orte sind, so werden doch nur immer jene
sich erhellen, durch die der Strom geleitet
wird.
.Der Anderen Leuchten wird die stromlose
Lampe niemals erglühen lassen.
.So kannst auch du nur dann Vollendung
finden, wenn du für dich nach deiner Voll‐
endung strebst, und aller Anderen Vollen‐
dung ist für dich vergeblich da, solange du
nicht selbst in dir die Einigung mit Gott
gefunden hast...
.Siehe, es gilt, in dir dein ewiges Leben zu
finden!
.Nur in der Vollendung dessen, was in dir
Vollendung finden soll, wirst du es erreichen
können. ‒
.Es soll dir zu Bewusstsein kommen, wie
dein äusseres Alltagsleben in dir zu Be‐
wusstsein kommt, und niemals wirst du das
Bewusstsein deines ewigen Lebens je ver‐
lieren können, hast du es einmal in dir er‐
langt...
.Urteile selbst, ob es dir nicht des steten
Mühens wert erscheint, dieses Hochziel zu er‐
reichen?! ‒
.Du wirst gewiss zu Zeiten aller deiner Kräfte
Anspannung bedürfen um es im Auge zu be‐
halten...
.Es wird gewiss von dir so manches verlangt,
was deines Erdentieres Lüsten widerstrebt und
deinen Erdenwünschen oftmals nicht ent‐
spricht...
.Und dennoch würdest du mit alle deinem
Mühen niemals dieses Ziel erreichen, würde
dir, vom Ziele her, nicht Hilfe dargeboten. ‒
.Es kommt so, letzten Endes, alles darauf an,
ob du auch Willens bist, die Hilfe anzu‐
nehmen. ‒
.Des Weges Anfang, Mitte und Ziel ist in
dir selbst, und in dir selbst nur wird dir
auch die hohe Hilfe werden! ‒ ‒ ‒
.Du fühlst dann deine Kräfte täglich wachsen,
und was dir erstmals allzuschwer erschien, so
dass du schon verzagen wolltest, wird dir beim
Weiterschreiten kaum noch Anstrengung be‐
reiten.
.Je näher du dem Ziele kommst, desto mehr
wird dir Hilfe zuteil und desto sicherer wirst
du sie erfühlen. ‒
.So wirst du im Schreiten wachsen an
Kraft, denn immer steiler wird der Weg,
bis du endlich den Gipfel des heiligen
Berges erreichst...
.Dort wird dein Mühen alsdann zu
Ende sein! ‒ ‒ ‒
.Doch, glaube nicht, dass auch dein Finden
nun am Ende sei! ‒
.Unendlich ist, was du gefunden hast und
ewig wirst du in ihm Neues finden! ‒ ‒ ‒ ‒
.Mit deinem Gott in dir vereint, wirst du
vollenden, was allein in dir Vollendung
finden wollte, ‒ und so wirst du
dir selbst zu
einem
überreichen Funde werden,
der in
Unendlichkeit sich nicht erschöpfen
lässt! ‒ ‒
.Dann aber wird
das Reich des wesen‐
haften Geistes sich dir mehr und mehr er‐
schliessen, und von Beglückung zu Beglückung
weiterschreitend, wirst du innewerden, dass du
auf dieser Erde schon inmitten
deines eigenen
ewigen Lebens stehst! ‒ ‒ ‒
.In dir hast du alsdann
gefunden, was du
einstmals
über Wolkenhöhen suchtest und
nicht finden konntest! ‒
.Vollendet, wirst du das
Verwesliche
dann der
Verwesung überlassen, da dir aus
Unverweslichem die
Neugeburt in
Gott
bereitet wird! ‒ ‒
.Wahrlich: ‒ hier wirst du ewig geborgen
sein! ‒
.Dein
Weg zu Gott war nur
der Weg zu
deiner eigenen Vollendung! ‒
*
ENDE
WELTEN
EINE FOLGE KOSMISCHER GESICHTE
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
ZÜRICH
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Rhein-Verlag, Basel, 1922
©
1956 Copyright by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung
in fremde Sprachen und Reproduktion der Bilder
sind den Rechtsnachfolgern
des 1943 verstorbenen Autors vorbehalten.
Druck und Einband: Art. Institut Orell Füssli AG, Zürich
Die 1922 erschienene erste Auflage von «
Welten» ist seit langem ver‐
griffen. Die vorliegende Neuausgabe berücksichtigt kleine, von Bô Yin Râ
selbst vorgenommene Korrekturen.
Im Handexemplar von Bô Yin Râ befindet sich außerdem, später von
ihm angefügt, das hier folgende Gedicht von GIORDANO BRUNO (nach der
Übersetzung von Kuhlenbeck):
Brenn, ich fleh' dich an, mein Leben,
.brenn in die Brust mir...
Daß ich also mich ganz in
ein
.Licht sehe verwandelt,
Ganz ein Auge nur bin, ein
.allwärts schauendes Auge,
Dem das Jetzt, die vergangene Zeit
.und die künftige vorschwebt,
Ober- und Unterwelt und das All
.im umkreisenden Ringlauf.
Der Verlag
.In diesem Buche wird dem
Worte anschauliches
Bild zur Seite treten,
und beides soll vereint
der Seele Höhenreiche dir erschließen helfen. ‒
.Du wirst jedoch zuerst bei flüchtiger Betrachtung, ehe noch das
Wort
in dir die Seele stimmen konnte, wie man eine Harfe stimmt, vielleicht ver‐
muten können, «neuer Ausdruckswille», wie er zur Zeit, da dieses ge‐
schrieben wurde, in allen Künsten sich versuchte, sei auch in diesen
Bildern Form geworden? ‒
.Ich würde gerne deine Meinung bejahen, wenn dem so wäre.
.So aber reichen die Versuche, das nun Dargestellte zu gestalten, in eine
Zeit zurück, da man noch nichts von solchem neuen Ausdruckswillen
wußte, und ich muß dir gestehen: ‒ ich habe niemals jene Not in mir
verspürt, durch die in unseren Tagen viele Strebende im Reich der Künste
sich berufen fühlen, neue Ausdrucksmittel sich zu schaffen, da die alten
ihrem Drang nach Ausdruck nicht mehr rein und wahr genug erscheinen.
.Wohl kann ich verstehen, was zu solchem Drängen treibt und neue
Wege bahnen heißt, allein mir selbst war das, was ich gestalten wollte,
stets von innen her
zugleich mit seiner Form geworden, so daß ich niemals
in mir anderen Drang erlebte, als diese mir gewordene Form zur Dar‐
stellung zu bringen.
*
.Die hier gezeigten Bilder sind nicht anders in mir entstanden, als alles
andere, das jemals in mir Gestaltung finden wollte.
.Was es hier aber darzustellen galt, war
an sich schon
anders geformt,
so daß
die Formen, die sich in den Bildern finden, notwendig aus der
Anregung zur Darstellung erwachsen mußten. ‒
*
.In einer Innenwelt des
wesenhaften Geistes, völlig wachbewußt wie in
der Welt der körperlichen Sinne, sind diese Formen mir vertraut wie alles,
was die Erdenwelt mir dinglich gibt.
.Doch während Dinge, die das Licht der Erdensonne trifft, zumeist in
festgefügten Grenzen bleiben, stellt sich dort in jener
Geisteswelt die Form
in stets lebendiger Verwandlung dar.
.Während auf Erden alle Form gestaltbar wird aus
einem streng fixierten
Blickpunkt her, schaut man in jener Geisteswelt die Formen
so, als wäre
man ein Hohlraum,
dessen Grenzen tausend Augen bilden...
.Jedoch auch hier ergab sich mir kein Suchen nach der Form der Dar‐
stellung.
.Was ich erlebte, formte sich von selbst zum Bilde auf der Fläche,
und ich versuchte nur, dies Bild
von aller Zutat rein, mit den von mir
beherrschten handwerklichen Mitteln
immer klarer festzuhalten.
*
.Die
Titel dieser Bilder finden sich in dem, was ich in diesem Buche durch
das
Wort erlebnisnahe bringen will.
.Sie mögen nur als «Fingerzeige» gelten, um jene «
Einstellung» zu fördern,
die vonnöten ist, soll das Beschauen in der Seele Klang und
Rhythmus wecken.
.Die Seltenen, die
selbst in dieser Geisteswelt, von der die Bilder zeugen,
wachbewußt zu erleben wissen, werden unschwer
Selbsterlebtes in den
Bildern
wiederfinden.
.Den anderen sei hier gesagt, daß die hier dargestellte
Welt des Geistes
erst
erfahrbar wird, wenn man die niedere
Region okkulter Bilder jener
täuschungsschwangeren Bereiche steter Dämmerung und dunkler Schrek‐
ken längst verlassen hat, aus der sich
Medien,
Somnambule und
Ekstatiker
vermeintliche Bestätigung für die Gebilde ihrer krausen Phantasie zu
holen pflegen.
*
.Da alle Elemente der in diesem Buche dargebotenen Gesichte
im tiefsten
Urgrund eines jeden Menschen so verankert sind, daß dort
Entsprechungen
dafür sich finden, so lassen sich durch diese Bilder auch die
Kräfte wecken,
durch die der Seele «Sinne» sich zu jenem einen
Ursinn ineinanderkonzen‐
trieren, der
Vorbedingung jedes wirklich
echten Erlebens geistiger Gegeben‐
heiten ist. ‒
.Der
Erweckung dieses seelischen
Ursinnes sollen
Wort und
Bild hier
dienen...
.Wie weit dies in jedem einzelnen, der dieses Buch gebraucht, erreichbar
ist, wird einzig von dieses einzelnen bereits erreichter Stufe geistiger Ent‐
wicklung abhängig sein.
.Doch vieles kann dabei auch rechte «
Einstellung» bewirken.
*
.Will man erlangen, was das Buch zu geben vermag, dann möge man
von vornherein auf jede
verstandesmäßige Deutung der dargestellten
Gesichte verzichten!
.Tief innerliches
Versenken und
Einfühlen nur wird hier die Übertragung der
Hieroglyphen des Gestalteten in empfindbare
Seelenbewegung bewirken. ‒
.Stets wird der
Wille zu eigener Einfühlung vorhanden sein müssen, soll
seelisches
Erleben dem Beschauen der Bilder folgen.
.Dies gilt schon von
aller Kunst; doch hier wird dieser Wille in
erhöhtem
Maße nötig sein, will man vom
Äußeren, das dem Auge sich erschließt,
ins
Innere gelangen. ‒ ‒
*
.Sind einst die
Kräfte des Schauens wirklich zum
Erwachen gelangt, so
wird der Erlebende jeweils nach seiner Art gewiß auch
andere Gesichte
haben können, denn was hier zur Darstellung kam, ist nur eine Folge
innerlich verknüpfter Bilder, die mit den
Worten dieses Buches vereint,
ein
inneres Reich der Seele nahebringen sollen, das ihr durch die Außen‐
welt mehr, als nötig wäre, entfremdet wurde. ‒ ‒
*
.Unter solchen, die mit den Lehren uralter Weisheit schon vertraut sind,
denen ich in meinen Schriften Ausdruck schaffen durfte, werden nur
wenige sein, die dieses Buches Sinn nicht alsbald zu fassen wüßten.
.Erfahrung zeigte mir jedoch, daß auch in Fernerstehenden, zumal wenn
sie in irgendeinem Sinne «
künstlerisch»
geartet waren, schon nach kurzer
Einfühlung ein
Erklingen der Seele anhob, das in
urzeithaften Erahnungen
seine Auswirkung fand...
*
.Ich kann und darf, will ich nicht der Seele den Weg
verbauen, hier keine
«
Erläuterung» der Formen- und Farbenwelt geben, die in diesen Gestal‐
tungen bildhafte Darstellung verlangte.
.Ich muß den
Kräften der Seele in jedem einzelnen Beschauer
vertrauen.
.Jeder
Deutungsversuch ist hier vom Übel; könnte nur das
Wesentlichste
durch einen
Gedankenschleier verhüllen. ‒
*
.Im magischen Wirken aller Zeiten und Völker waren
heilige Zeichen
den Eingeweihten bekannt; aber wenige ahnen, daß diese Zeichen aus
geistiger Anschauung stammten, daß sie in den Reichen des wirkenden
Geistes voreinst gefunden worden waren. ‒
.Hier werden solche Zeichen dir in ihrem
ewigen Gestaltungsreich gezeigt!
.Nur wenn du
Versenkung in deine
Urnatur noch kennst, wird sich die
Kraft dieser Zeichen dir offenbaren!
.Wohl dir, wenn du sie alsdann zu deuten weißt
aus ihrer Wirkung auf
deine Seele!
.Dann wirst du wahrlich jeder «
Erklärung» ihrer Werte fürder entraten
können!
.Dann wirst du gewiß den Tag zu segnen wissen, der dieses Buch dir in
die Hände gab. ‒
.Ich aber werde mich
deines Glückes freuen...
.‒ ‒
Suchende Seele ‒ wer du auch sein magst vor dir selbst ‒ ergreife
meine Hand und entschwebe mit mir der längst gewohnten Kerkerhaft,
die dich in deiner Körpersinne enge Fesseln bindet!
.Zu lange schon hast du diese Fesseln getragen, bis sie dir lieb werden
konnten gleich einem königlichen Geschmeide!
.Lerne erkennen, daß nur
du selbst die Macht hast, dich zu fesseln, und
daß nur
dir selbst die Schlüssel vorbehalten sind, die deine Ketten
lösen! ‒
.Gewinne
Mut, die Sicherheit des Kerkers zu verlassen und durch
dich
selbst dir deine
Freiheit zu erringen!
.Lass' nicht umsonst mich deiner dumpfen Zelle schwere Pforte öffnen!
*
.Bereite dich auf ferne Fahrt in dir noch unbekanntes oder nur geahntes
Land; aber wisse, daß ich dich in deine
Heimat führen will, deine Heimat,
die du einst vor undenklicher Zeit verlassen hast und deren lichte Weite
dir nun
un-
heimlich geworden ist, da du nur Kerkermauern als die Grenze
deines Blickes kennst...
.Du sollst nichts von dem verlieren müssen, was deines Herzens Liebe
fand in deiner Gefangenschaft.
.Alles wirst du nach deinem Willen später wiederfinden, und keiner ist,
der dich berauben könnte, außer dir selbst!
.Aber wenn du alsdann, nach unserer Sternenfahrt, zurückkehrst an
diesen Ort, wird deine enge Zelle sich verwandelt haben in ein lichtes,
strahlendes Gemach in einem Königschloß, und ‒
du wirst «
Herr der
Schlüssel» sein...
.Alles, was hier dein eigen war, wird dir auch fürderhin gehören; doch
wirst du wahrlich
besseren Gebrauch davon zu machen wissen, und was
bis heute noch allhier im Schmutze liegt, wird dann von jenem Strahlen‐
glanz umleuchtet sein, den du aus deiner Heimat mit dir nehmen sollst
in dieses Erdendaseins dämmerdüstere Gefilde. ‒
.Ich bitte dich: ‒ säume nicht länger an diesem Orte der Gefangenschaft;
sinne nicht ängstlich nach, ob du mir auch wohl zu folgen vermagst!
.Jedes Zaudern hält dich nur unnütz länger in der Gebundenheit. ‒
.Glaube an deine ureigenste Kraft! Nur durch deine
eigene Kraft wirst
du dich mit mir erheben können! ‒
.Ich aber will dir nur
Führer sein, und deine Heimat schickte mich aus,
dich zu suchen, da du «
gerufen» hast...
.Glaube, solange du noch nicht
verstehen kannst!
.Glaube, damit du einst zu wachem
Wissen kommst!
.Glaube und folge mir nach!
*
.‒ ‒ Endlich, endlich fühle ich deine zögernde Hand!
.Fasse geruhigen Mutes fester zu, damit ich dich sicher führen kann!
.‒ Du fühlst bereits, daß wir uns
erheben, aber bald sollst du
dorthin
erhoben sein, wo alles, was dir bis heute
hoch erschien, tief
unter uns
liegen wird...
*
.‒ Schon sind wir emporgestiegen aus Düsternis und dunkler Enge, und
deine Füße fühlen sich von deines Körpers Last befreit! ‒
.Tief unter uns liegt der Erdball mit all seiner grauen Not.
.Denke nicht zurück an das, was du soeben erst verlassen hast, denn
jeder Gedanke an Schweres und Drückendes hemmt deinen freien Flug!
.Dein Hinunterblicken muß dir wie ein
Abstoßen sein, damit du auch
aus dem
Rückblick Kraft gewinnst, dich zu
erheben.
.Alles Zurückgelassene sei dir wie ein nichtiger Traum, dem du glücklich
entronnen bist und der niemals mehr wiederkehren kann!
.Neuem Erleben trägt dich deine Kraft entgegen, und du wirst es
nur
dann in dir erfassen, wenn du
vergessen kannst, was dir
bisher als dein
höchstes Erleben erschien...
*
.‒ Indem ich noch zu dir rede, glaube ich schon zu sehen, wie dir meiner
Worte Wink genügt, um deinen Willen zu lösen.
.Erleichtert schwebst du bereits empor!
.Dein Auge, das noch vor kurzem trübe blickte, gewinnt Glanz und
Leuchten...
.Es wird noch weit heller erstrahlen, je mehr wir dem Lichte nahen, das
deine ursprüngliche Heimat ist, der du vor Aeonen dich selbst entwunden
hast!
.Noch schweben wir im «leeren» Raum, denn nichts ist hier, das du
schon wahrzunehmen vermöchtest.
.Dennoch ist auch hier um dich die Fülle des Lebens ausgebreitet, und
was dir «leer» erscheint, ist nur deinem ungeübten Blick noch nicht
zu fassen.
.Vernimm hier die Wahrheit, daß es in allen Unendlichkeiten keine
«Leere» gibt, daß alle
scheinbare «Leere» gedrängt erfüllt von Form und
Leben ist, und daß deine Wahrnehmungsfähigkeit für dieses Leben stetig
wachsen wird, je intensiver dein eigenes Leben sich sublimieren und ver‐
feinern kann! ‒
*
.Wir müssen noch weitaus
höher entschweben durch alle Sternen‐
räume!
.Über die fernsten Sonnen müssen wir hoch empor, damit wir in
jene
Sphären gelangen, in denen dein
inneres Auge dir erwachen soll aus
tausendjährigem Schlaf! ‒ ‒
*
.Schon sind auch die Weltenkreise, die man auf Erden nur als lichte
Nebel am samtenen Himmel klarer Nächte sieht, tief
unter uns, und noch
immer hat unser Höhenflug kein Ende gefunden...
.Wir gewahren uns nun in einem unermeßlichen Raum, und du
siehst staunend die gleichen lichten Sternen-Nebel, die tief
unter uns
blieben, auch ferne
über dir und
nach allen Seiten hin uns jetzt um‐
schließen!
.Wir sind wie im Innern einer unfaßbar gewaltigen
Kugel, deren äußere
Umgrenzung durch Myriaden von Weltsystemen gebildet wird...
.Inmitten dieses unermeßlichen Raumes aber gewahrst du nun ein
neues
Licht, heller als der leuchtendste Blitz, strahlender als das hellste Sonnen‐
leuchten auf tropischen Meeren...
.‒ Ich höre deinen ersten Freudenruf?
.Ja, es ist keine Täuschung: ‒ dein inneres Auge hat sich aufgetan! ‒ ‒ ‒
*
.Fester faßt du meine Hand?
.Du fühlst wohl schon, daß alles bisher Bekannte dich nun verlassen hat
und daß du in diesem Lichte hier erst
sehen lernen mußt?!
.Wie jenes Leuchten, das die lange Nacht an den Eispolen des Erd‐
balls erhellt, so lebt auch dieses unendliche Lichtmeer, in dem wir jetzt
schweben, in aber tausend lodernden Strahlen und in wundersamer
Farbenpracht.
.Noch kann dein Auge nichts Formgewordenes in diesem lebenden
Lichte erkennen.
.Dazu bedarf es noch der Zeit und immer höheren Fluges! ‒ ‒
*
.‒ Gewahrst du bereits die ersten schrillweißen Strahlenfunken, die uns
auf unserem Wege entgegenblitzen? ‒
.Wende deine Blicke aufwärts, ihrem Ausgangspunkte zu!
.Erschreckt bebst du zurück?!
.Du fühlst, daß wir längst nicht mehr emporsteigen aus
eigener Kraft,
sondern daß jene unbeschreiblich strahlende URSONNE, die du jetzt im
Innersten des kugelförmigen Raumes erblicktest, mit magnetischer Gewalt
uns erfaßte, um uns in ihres Feuerlichtes Mitte einzusaugen!
.Du kannst nicht mehr Widerstand leisten, und während du noch voll
innerem Beben einzuhalten glaubst, bist du mit mir ihren äußern Licht‐
und Flammenhüllen schon immer näher gekommen...
*
.‒ Ich begreife deine Furcht, auch wenn ich sie längst nicht mehr teile.
.Auch ich habe einst dieses Erschauern durchlebt, als ein Anderer an
meiner Seite mich zum erstenmal in diese Region entführte.
.Aber ich sagte dir nur letzte
Wahrheit, als ich dir versprach, dich in
deine
Heimat zu führen, obwohl dein ganzes Sein jetzt in Furcht vor
Vernichtung erbebt. ‒ ‒
*
.‒ Hörst du die dröhnenden Donner, die uns jetzt entgegenschallen, so
laß dich
auch dadurch nicht ängsten!
.Auch durch diesen «Kreis der Schrecken» wird uns die Kraft dieser
Ursonne schneller emporziehen, als du vermuten magst.
.Bleibe nur
deiner selbst gewiß und deines Willens, in deine Heimat zu
gelangen.
.Gib alles
Fürchten und
Vermuten auf, und selbst die
Sorge um dein
Sein! ‒
.Sein oder Nichtsein muß dir gleichen Wertes dünken, wenn ich dich
nicht vergeblich auf diesem Höhenflug begleitet haben soll! ‒ ‒
.Alles, was du selbst dir
warst, was du selbst aus dir
machtest, mußt du
opfern wollen.
.Du wirst gewißlich in diesem Urfeuer nun
verwandelt werden, du
magst wollen oder nicht wollen, aber hier wird es sich nun erweisen,
wer
du bist! ‒ ‒ ‒
.Du wirst hier verbrennen, um als
leuchtender Stern zurückgesandt zu
werden in die Finsternis, damit sie von deinen Strahlen ewiges Licht
empfange, oder aber: ‒ dein schwankender Wille wird dir zum Verderben
und bringt dir Aeonen erneuter Qual...
.Niemals hätte ich dich aus deinem Kerker geholt und zu diesem Fluge
überredet, wenn du nicht
selbst mich vorher tausendmal «
gerufen» hättest,
in den einsamen Nächten deiner Erdengefangenschaft. ‒ ‒
.Nun ist dir
kein Rückweg mehr möglich! ‒ ‒
.Nun muß es sich zeigen, ob du schon zum «Rufen»
berechtigt warst!
.Nur wer
zu früh nach Erlösung schrie, kann hier seinen Untergang finden
und das Wissen um sich selbst für Aeonen in diesen Urfeuern verlieren. ‒
.Auch er wird einst wieder als «Funke» in den ewigen «Raum» gesandt,
aber er war noch nicht reif geworden, heute schon ein
Stern zu sein und
die Urfeuer dieser Sonne, die seine Heimat ist, konnten ihn nicht zu
seinem höchsten Sein aufs neue gebären. ‒ ‒
*
.Doch löse jetzt die
Furcht von deinen Schultern!
.Furcht hat noch niemals ein großes Ziel erreicht! ‒ ‒
.Solange die
Furcht dich bedrückt, wirst du an diesem
Ur-
Ort nicht
deine Stätte finden, denn du
willst noch nicht
dich selbst zum Opfer
bringen, um
dich selbst zu finden! ‒
.Kennst du die Worte des Meisters nicht, daß deine Seele dir
verloren
sein wird, wenn du sie
erhalten willst, daß
du dich nur
gewinnen kannst,
wenn du die Fesseln lösest, die an dich selbst dich binden? ‒ ‒
*
.Wohl darf ich dir noch nicht
Gewißheit geben, daß du die höchste
Prüfung, die dir jetzt bevorsteht,
ertragen wirst; allein, du wärest wohl
nicht hier, wenn dich der
Absturz hier bedrohen würde...
.Schwerlich wärest du mir gefolgt, als ich eintrat bei dir auf dein
«Rufen» hin, denn du hättest
anderes erwartet, als das, was ich dir raten
konnte. ‒
.Die noch nicht berechtigt zum «Rufen» waren und dennoch «riefen»,
suchten noch immer die düstersten Winkel ihres Kerkers auf, wenn einer
der unseren an ihre Pforte klopfte, und nur vermessenste
Verwegenheit
hat dann und wann der Führung freventlich die Hand gereicht, obwohl
sie sich noch nicht bereitet wußte. ‒ ‒
.Du aber bist nur
zögernd mir gefolgt, und darum glaube ich, daß du
dir
mehr vertrauen darfst, als du dir
zugestehen möchtest...
.Bereite dir nicht selber Qual und vertraue deinem Stern!
.Dem Stern, der
deine höchste Formung darstellt und in den gewandelt
du dann wiederkehren sollst, wenn du dich selbst in diesem Sonnenfeuer
von dir selbst befreitest! ‒
.Wolle nicht mehr
ein Anderes sein ‒
neben diesem Sonnenfeuer, das
alles Sein in sich beschließt, und es wird
neu dich gebären aus seiner Kraft,
so daß du ewig
in ihm dein Leben hast! ‒ ‒ ‒
*
.Ich aber lasse dich, für deine Wahrnehmung, nun allein, denn in Feuer
und Leuchten muß ich mich wandeln, dessen Anblick du jetzt noch nicht
ertragen könntest!
.Meine Stätte im Innersten dieser Ursonne suche ich jetzt auf, und wenn
du mich wiederfindest, wirst auch du als ein Stern mich zurückgeleiten in
das düstere Reich der Erde, um denen zu leuchten, die dort des Lichtes
bedürfen.
.Du wirst nicht wie ich diese Reise tausendfach wiederholen müssen,
und kein Gelöbnis bindet dich an meine Pflicht; allein, dein Sternenlicht
wird aus dem gleichen Sonnenfeuer dir gegeben sein, das mir, längst ehe
ich als Mensch der Erde dir begegnen konnte, einst mein Leuchten
gab! ‒ ‒ ‒
.Gehe nun in deine Heimat!
.Lass' dich verbrennen im Feuerlicht, ‒ und als ein Sohn des Lichtes
kehre erneut mir zurück! ‒ ‒ ‒
.Im innersten Herzfeuer dieser Ursonne will ich deine Geburt erwarten,
und hier in ihren Strahlenreichen sollst du den, der zu dir sprach, dann
hüllenlos in seiner ewigen Gestalt erblicken...
.Ziehe ein in deine Vollendung, auf daß der Erde in ihrer grauen Not
ein neuer Stern geboren werde! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.‒ So finde ich dich nun hier wieder, du Siegreicher, als leuchtender
Stern aus ewigem Lichte neu geboren!
.Wieder sind wir am gleichen Ort, an dem ich dich verlassen hatte, um
in diese Strahlenform mich zu wandeln, in der du nun mich erblickst,
nachdem du selbst in strahlendes Licht dich gewandelt hast.
.Nun kannst du selbst ermessen, weshalb du vorher mich in dieser
Lichtform nicht ertragen hättest...
.Im gleichen Urfeuer sind wir nun bewußt vereinigt durch alle Ewig‐
keiten!
.Und nun weißt du auch, daß jeder, der hier «Meister» ist, eines
Vollendeteren «Schüler» sein muß, und daß die Stufenleiter dieser
Hierarchie kein Ende haben kann, weil Absolutes in sich selbst kein
Ende kennt und jeder «höchsten» Stufe eine höhere erscheint, in die
sie wieder selbst sich wandelt, wenn sie ihr Höchstes in sich selbst ver‐
wirklicht hat. ‒ ‒ ‒
.Wir sind beide noch die untersten Stufensprossen dieser Himmels‐
leiter!
.Mir ward, wie du weißt, das bindende Gelöbnis einst auferlegt, den
Stromkreis des ewigen Geistes, aus dem der Erdenmensch lebt, nicht eher
zu verlassen, als bis auch der letzte meiner Menschenbrüder einging
ins Licht wie du: bis er der Stufenleiter ewig leuchtender Sterne ver‐
einigt ist. ‒
.Darum muß ich gleich dir nun zurück in die Erdennacht, und auch
wenn mein erdenmenschliches Kleid einst ausgetragen ist, darf ich den
geistigen Stromkreis des Erdenmenschen niemals verlassen, solange der
Erdball noch Menschen tragen wird. ‒ ‒ ‒
.Du aber wirst, nachdem einst der Erde Fessel dich nicht mehr bindet,
sogleich zur nächsten Stufe dich wandeln, als die dein geistiges Auge
mich
hier erblickt; doch wirst
du keineswegs
in ihr verharren müssen... Sie ist
für dich auch nur
Form des Empfindens, nicht was sie mir ist: ‒ ureigenster,
selbstgewollter Arbeitsbereich!
.Sobald du in ihr deine höchste Vollendung erreichst, wirst du die
nächste höhere Stufe über dir erblicken, und alsobald auch wirst du
dich
selbst in diese
höhere Stufe wandeln, so wie du dich in
meine Form dereinst
verwandelt haben wirst, wenn du befreit vom Erdentiere dich in deiner
höchsten Vollendung gefunden hast.
.In aller Ewigkeit wird dieses stete «
Empor» kein Ende finden, und
wahrlich: schon die höchste Vollendung
jeder einzelnen Stufe, die
über
uns erscheint, braucht
immer längere Zeitenfolgen, bis dann selbst das,
was wir Menschen «Ewigkeit» nennen, nur ein winziger Bruchteil ist jener
Zeit, in der sich die
höheren Stufen erst zu
ihrer höchsten Vollendung
formen. ‒ ‒ ‒
.Hier ist jedes menschliche Wort, das dieses ewige Geschehen dir be‐
greifbar machen möchte, nur ein Stammeln, und erst wenn du selbst zur
«
Ein-
sicht» in dies alles fähig wirst, kannst du durch
eigene Anschauung
zu letzter Erkenntnis kommen. ‒
.Die
Liebe der Ursonne, die dich nun zum ewigen Stern aus sich geboren
hat, lebt jetzt in
deiner Form in dir, und nur aus dieser
Liebe wirst du die
Kraft der
Ein-
sicht erhalten!
*
.Jetzt aber wollen wir, bevor wir wieder zurück zu den Sphären der
äußeren Weltensysteme, und dann noch weit tiefer, ins Äußere hinaus,
hinab zur
Erde uns senken, noch eine kleine Zeit in diesem Inneren des
Reiches ursächlichen, ewig-wirkenden Werdens verweilen und seine Wun‐
der schauen!
*
.‒ Erstaunend siehst du nun, daß hier, wo dir vordem nur lodernde
Strahlenmeere in allen Farben erschienen waren, eine neue Welt ur‐
sprünglicher Formen dich umgibt. ‒
.Jetzt siehst du alles erfüllt hier mit formenden Kräften, die
selbst ge‐
formt sein müssen, damit sie weiterschaffend Formen
bilden können. ‒ ‒ ‒
Noch ist dir das alles ein
Chaos, und du weißt nicht, wie du es deuten
sollst!
.Bald aber wirst du es zu entwirren wissen, wenn du dein
inneres Auge
nun
gebrauchen lernst!
.Gar vieles wird sich dir dann enträtseln, das hieroglyphengleich dich
hier umgibt, und du wirst zuletzt hier auch den «
Schlüssel» finden, der
jene Fesseln löst, die du auf Erden, als Mensch der irdischen Erscheinung,
tragen mußtest. ‒
.Dein tiefstes
Sein wird dir so «erschlossen» werden!
*
.Tausendfach verschlungen und ineinanderverwoben tauchen unzählige
Bilder innersten Geschehens hier vor dir auf.
.Dir
sind es noch «Bilder», weil dein Sinn noch nicht geschult ist, ur‐
sächliches Geschehen zu erfassen, und weil du gewohnt bist, alles dir zum
Bilde formen zu müssen, bevor du
verstehen kannst. ‒
.In Wahrheit ist das, was du hier siehst, nur das Walten jener urgründig‐
verankerten Kräfte des Werdens, deren Wirkung
alles ist, was je ge‐
worden ist...
.Du kannst deshalb auch alles je Gewordene hier wiederfinden und
erkennen lernen, und bevor du nicht zu erkennen vermagst, was hier zu
erkennen ist, hast du mit aller irdischen «Erkenntnis» dir nur trübe
täuschende
Schleier geschaffen, auf die deine Phantasie jene Formeln
malt, die dir deine Nichterkenntnis
verbergen sollen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
*
.Unter all diesem tausendfältigen Geschehen wird dein innerer Sinn,
den du nun erlangtest und in dem hier
alle anderen Sinne vereinigt sind,
gar bald Einzelnes aus der verschlungenen Vielheit des Ganzen zu lösen
wissen.
.Urweltliches,
schöpferisches Geschehen wird in seinen einzelnen Phasen
sich dir enthüllen!
.Urzeitig Fernes wird dir zur
Gegenwart werden!
Alles, was Menschen jemals erdenken konnten, ist nur
Schatten und
Abbild dessen, was hier
ist! ‒ ‒ ‒
.Erst wenn du dies weißt, wird dir diese Welt der farbenreichsten Wunder
ihre inneren Geheimnisse zeigen...
.Blicke nicht auf
Irdisches zurück und suche nicht durch
Vergleiche das
zu enträtseln, was nur ein
Einmaliges ist und nur aus seiner
eigenen Form
heraus sich erkennen läßt!
.Du wirst Zeichen, Formen und Farben sehen, denen manches
auf Erden gleicht, und
dennoch darfst du nicht
vergleichen wollen,
wenn du nicht
verwirren willst, was in sich
einfach und
ohne Zweites
ist! ‒
.Es ist eine neue
Sprache, die du hier verstehen lernen sollst, und erst
wenn sie in dir die gleichen Klänge
weckt, wirst du allmählich ahnen, was
sie dir zu sagen hat. ‒ ‒ ‒
.Uralte Weisheitsbücher wissen dir auf Erden von dieser Sprache zu
künden, aber du warst zu weit von dem Wissen derer entfernt, die sie
einst niederschrieben, und so hast du stets
deinen Text dem der Weisen
unterschoben...
.Wenn du hier nun erkennen lerntest, wirst du mit Staunen später deine
genügsame Torheit belächeln und wirst nicht begreifen können, daß dir
der Wortlaut dieser Bücher einst dunkle Rätsel barg, oder daß du ver‐
messentlich zu einer «Erklärung» dich berechtigt fühltest, wo Weisere als
du dir
restlose Klarheit geben wollten. ‒ ‒ ‒
.«Das Wort des Herrn ergeht in alle Lande», aber man muß dieses
Wortes
Klang erst zu
vernehmen wissen, bevor man den
Sinn dieser
Sprache deuten will...
.Wenn nicht so viele in ihrer Taubheit
gedeutelt hätten, würde wahrlich
weniger
Verwirrung auf Erden herrschen!
*
.Es gibt keine Kraft in den unendlichen kosmischen «Räumen», die
nicht zugleich als Ton und Zeichen ihre Art dir offenbaren könnte.
.Hier aber, wo alle Sinne in
einem Sinn verschmolzen sind, vernimmst
du auch Ton und Zeichen in
einer Wahrnehmung.
.Erkenne hier
Form und
Farbe, ‒ und Fühlen, Geschmack, Geruch und
Ton wird alsogleich in dir lebendig sein! ‒ ‒ ‒
.Da auch
du selbst durch die gleichen Kräfte, die du hier wahrnimmst,
gestaltet bist, so muß sich in dir für alles, was sich dir zeigt, eine innere
Antwort finden.
.Du darfst in das, was du hier siehst, nichts «
hinein-
legen» wollen, son‐
dern mußt in völliger Ruhe und Sammlung verharren, bis
aus dir selbst
die Antwort
kommt!
.Ist dir die Antwort
geworden, so
zögere nicht, sie
anzunehmen, doch
wisse, daß hier jeder seine
eigene Antwort empfängt, und daß es dich um
dein
Bestes bringen würde, wolltest du nun auf
andere warten, um
deine
Antwort mit den Antworten jener etwa zu vergleichen!
.So wie du allein und ohne Zweiten aus Urfeuersonnenlicht zum leuch‐
tenden Stern geboren wurdest,
so kannst du auch nur
allein für dich selbst
dir höchste Erkenntnis hier erringen, und doch wird dein Erkennen in
deinen
Formen auch die Erkenntnis
aller anderen spiegeln, die hier auf gleiche Art
erkennen lernten...
*
.Du weißt nun, weshalb ich dir hier weder Formen noch Farben
deuten
darf? ‒
.Ich würde dir nur von außenher
meine Deutung geben können und so
dich um
deine eigene Antwort bringen. ‒ ‒
.Nur deine
eigene Antwort aber erweckt
die Kräfte in dir, deren du für
deine höchste Vollendung in
deiner Form bedarfst. ‒ ‒ ‒
.Wir wollen dennoch jetzt beieinander bleiben, aber erwarte du nicht
von mir, daß
ich dir deuten möge, was du nur
selbst für dich
selber
deuten ‒ was du nur selbst für dich selber erfühlen lernen mußt!
.‒ Unendlich ist der Innenraum dieser «Kugel», in der wir schweben,
obgleich sie in jenen Myriaden von Sonnen und Welten, die sie ausstrahlt,
ihre «Grenzen» setzt! ‒
.Unendliches
Geschehen ist hier beschlossen, und alle Ewigkeiten würden
dir wie ein kurzer Tag erscheinen, wolltest du jemals alle Wunder dieses
ewigen Geschehens ergründen! ‒
.Du weißt vielleicht, daß es in alten Zeiten auf der Erde einstmals
«Seher» gab, die, ihres begrenzten Schauens allzugewiß, sich vermaßen,
jene Zeiten errechnen zu wollen, in denen ein Weltall werde und wieder
ins «Unerschaffene» sich löse?
.Wahrlich, sie waren sich ihres törichten Wähnens nicht bewußt und
ahnten nicht, daß
vor ihnen
Weisere waren, deren Worte sie nicht mehr
verstehen konnten, so daß sie jenem Kinde gleichen mußten, von dem
man berichtet, daß es den Ozean in eine kleine Grube schöpfen wollte! ‒ ‒
*
.Ewig im
letzten Sinne:
ohne Anfang und ohne Ende, ist der «
Weltentag»,
den jene errechnen wollten ‒
ewig zu gleicher Zeit jene «Welten-
Nacht»! ‒
.Ewige
EMANATION dieser Urfeuersonne, die dich zum leuchtenden
Stern gebar, setzt ewig sich äußerste Grenze ihres Wirkens in allen den
Weltsystemen, die uns als fernster, trübweißer Lichtnebel hier wie eine
Kugelform umschließen.
.Ewig entstehen dort
neue Weltsysteme in dem nach allen Seiten ge‐
schlossenen Ring der entstandenen, und
ewig werden Weltsysteme mit
unzählbaren Sonnen und ihren Planetenscharen wieder
aufgesogen im
unendlichen «Raum». ‒ ‒
.Keine Berechnung menschlicher Gehirne vermag
die Zeiten darzu‐
stellen, in denen auch nur
eines dieser Weltsysteme
entstehen mag, oder
vergeht!
.Niemals hat geistige Offenbarung sich so erniedrigt, um Menschen‐
geistern auf der Erde
ewig für sie Unfaßliches etwa enthüllen zu wollen. ‒
.Alles, was jemals dem Menschen vom Geiste der Ewigkeit zukam, war
seiner Fassungskraft weise entsprechend, war wirkungsträchtig auch in des
Erdenmenschen verdunkelter Region. ‒
*
.Es scheint dir seltsam, daß dir
Allerinnerstes im Ursein
erschlossen
wird, während das
Äußere dir
unfaßbar bleiben soll?
.Aber besinne dich auf dich selbst und vergiß nicht, daß du hier in
deiner
Urheimat bist, aus der du dich vor Aeonen selbst hinaus in
die Fremde drängtest, obwohl dir bewußt war, daß du dort draußen
nur in
Wirkungen dich bezeugen solltest und nicht in deiner ureigensten
Wesenheit! ‒ ‒
.Deine eigene Größe hat dich einst zu Fall gebracht! ‒ ‒ ‒ ‒
.Auch heute noch kannst du
aufs neue dem Falle erliegen und so deine
dauernde Rückkehr ins Licht um Aeonen aufs neue verzögern. Selbst
Seelen, die das gleiche Gelöbnis gegeben hatten, das als freigewählte
Bürde auch auf meinen Schultern liegt, sind schon solchem
neuen Falle
in die Finsternis erlegen, wenn sie ihrer eigenen Größe nicht gewachsen
waren. ‒
.Darum ward dir meine Leitung, auf daß du dich nicht
verleiten lassen
mögest...
.Hier im Innersten wird dir allein dein «Reich» erstehen, damit du
erneut ins Äußere zu wirken weißt!
.Hier wirkst du dann dereinst aus der gleichen Kraft, der alles Äußere
entstammt, aber im Äußeren würdest du nur abgeleitete Kräfte finden, die
dort dir zu mächtig sind, weil du dort nicht in deiner Lichtkraft dich offen‐
baren kannst. ‒ ‒ ‒
.Alles im unermeßlichen «Raum» ist nur an seinem, ihm vorbehaltenen
Ort seiner eigenen Macht und Kraftbezeugung gewiß, und in seiner Fülle
kann es sich an keinem anderen Orte entfalten...
.Das Urlicht selbst ist nur in sich selber mächtig, obwohl das ganze
unendliche All aus ihm entströmt! ‒
.Je weiter entfernt von dieser einen, alles gebärenden Urfeuersonne,
desto mehr verlieren die aus ihr entströmenden Kräfte die Ähnlichkeit
mit ihrem Sein, bis sie schließlich im Alleräußersten sich zum Gegen‐
Sein gestalten. ‒
.Nur hier im Innern dieser unermeßlichen Kugel sind wir noch in wahr‐
haft «göttlichem» Sein!
.Sobald wir wieder in jene Weltsysteme untertauchen, um den Erdball
dort zu erreichen, sind wir, dem Äußeren nach, diesem «göttlichen» Leben
entrückt, und nur im eigenen Innersten vermögen wir es uns zu erhalten...
.Wohl wird auch das Äußerste von göttlicher Geisteskraft durchdrungen,
allein: dort ist sie nicht in ihrer Macht, und nur die im Innersten erwacht
sind, können sie noch in sich finden. ‒ ‒
.Wenn dir trotzdem auf Erden die äußere Natur schon voll «göttlicher
Wunder» erschien, so bedenke, daß auch das Äußerste aus dem Innersten
stammt, und daß es trotz allem Gegen-Sein noch die äußersten Spuren
seines Ausgangs aus dem Urlicht zeigt!
.Dort im Äußeren aber werden dir die Hände gebunden sein, denn dort
sind die Kräfte des Gegen-Seins an ihrem Ort und so allein in ihrer
Macht. ‒ ‒
.Du mußt stets
vom Innersten deines Innern her diese hohe
Licht‐
region erreichen, wenn du dort,
im Äußeren, auch nur in geringen
Dingen jene Gegenkräfte meistern willst; doch niemals kannst du sie
restlos bezwingen.
.Fakire und machtbegierige Adepten der Magie haben es
anders ver‐
sucht, indem sie gewisse Formen jener Kräfte des
Gegen-Seins in
langem Mühen sich dienstbar machten, aber noch
keiner ist je auf Er‐
den gefunden worden, der nicht zuletzt mit all seinen Künsten elend
zerschellen mußte. ‒
.Die
göttlichen Magier aller Zeiten haben immer nur von
hier aus ge‐
wirkt, aus den Kräften
göttlichen Seins, die uns hier umgeben, und wenn
die Sage sie zu «Wundertätern» werden ließ, so hat sie doch gerade die
wirklichen «Wunder», die sie wirkten,
nicht erkannt, denn diese
echten
«Wunder»
sieht das Menschenauge nicht, und ihre
Wirkung, die es wahr‐
lich sieht, wird nie die wahre
Ursache enthüllen.
.Hier sind
die Zeichen aufzufinden, die jeder, dem die
göttliche Magie
zu eigen werden soll, gebrauchen können muß; aber niemals wurden diese
Zeichen von denen gefunden, die in ihrer Gier nach Macht nach dem
Rufe eines Wundertäters lechzten. ‒
.Hier an diesem heiligen Ort sollst du erfühlen lernen, was dir diese
Zeichen sagen wollen.
.Hier mußt du wahrhaft
heimisch werden, wenn dir deine
Heimat ihre
Schätze anvertrauen soll!
*
.«IN PRINCIPIO ERAT VERBUM...» ‒ Im Anfang war das Wort ‒
sagt dir ein heiliges Buch, und so mancher Sucher zermarterte schon sein
armes Hirn mit der unnützen Frage, warum hier dem «
Worte» solche
Bedeutung gegeben sei ‒ weshalb wohl der Weise den Ursprung alles
Werdens als das «Wort» bezeichne? ‒
.Aber aus tiefster «
Ein-
Sicht» heraus wurde einst diese Lehre in solcher
Form verkündet.
.Urewige
Emanation der Urfeuersonne ewiger Liebe spricht
sich selbst
in ewigem
Werde-Willen aus, wird
sich selbst zu rhythmisch geballter
Bewegung, wird zum
Ur-
Wort, das alles Werden aus
sich selbst hervor‐
spricht, geordnet nach innewohnendem Maß, nach innewohnender
Zahl!
.Das Wort der Sprache des Menschenmundes ist nur
fernster Ausklang
dieses «Wortes», das «
bei Gott» und das Gott
ist von Ewigkeit zu
Ewigkeit! ‒
.Der Weise spricht von einem «
Anfang», der
immer war und
ewig sein
wird!
.Hier taucht vor deinem geistigen Auge dieser «
Anfang» auf, und das
«
Wort» offenbart sich dir in Rhythmus und Farbe, in Form und Klang
als erster Ausdruck des ewigen Willens zur Gestaltung.
.Fühlend verweile und suche in dir selbst, in deinem
Allerinnersten,
dieses Urwortes tiefstes
Sein zu erleben, aus dem
alles wurde, was je
geworden ist, aus dem alles
werden wird, was je werden
kann! ‒ ‒ ‒
*
.Als
«LUX IN TENEBRIS...», ‒ als Licht in der Finsternis, spricht
sich selbst dieses Urwort aus in die unermeßlichen Tiefen des «Rau‐
mes» ‒ erste
Ur-
Form gestaltend aus
sich selbst, und in Schauern ei‐
genen Selbsterfassens baut es sich
hier schon seinen Altar der Anbe‐
tung...
.Urträchtig zeugende Gestaltung steht wie ein Priesterchor voll Ehr‐
furcht um diesen Altar, in erster Seinsgestaltung kristallisiert, noch starr
gebunden, und dennoch schon ein stummes Beten...
*
.Doch hier ist kein Verharren im Gewordenen möglich, und alsbald
siehst du, wie sich aus erster Form der Formenfülle ewige Zeugung
ausergießt, wie immer
neue Formung sich gestaltet, wogt und ineinander
sich verschlingt, bis aus der Fülle immer lichter sich das Kleinod hebt,
in dem das «
Wort» sich selbst in der von ihm gesprochenen Welt erkennt
und formhaft faßt. ‒ ‒
.Und wie es nun inmitten seiner Formung sieghaft leuchtet, erhebt sich
allzugleich der Jubelchor der ersten Schöpfung durch alle Geistes-Sphären.
.«TE DEUM LAUDAMUS...» ‒ Dich Gott loben wir ‒ erklingt der
Hymnus der Form durch die erstgeschaffene Welt des Geistes, und alle
Himmel sind erfüllt von hehrer Anbetung...
.Hier ist das «
Wort» in seiner Schöpfung «
Ich» geworden, und alle Geistes‐
form erkennt in ihm ihres Daseins Grund in jubelnder Verzückung. ‒
.Das Reich des
reinen Geistes ist erstanden, um in seinen Formen ewig
in sich selbst zu kreisen.
.Das Ur-Wort wirkt sich aus in seiner innersten Erfüllung!
*
.Noch aber ist sein schöpferischer Werde-Wille hier in diesem Licht‐
kreis nicht am Ende seines Wirkens. ‒
.Auch dieses Reich der innersten Erfüllung ist
schöpfungsträchtig ge‐
blieben und
zeugt weiter im ewigen unermeßlichen «Raum», ‒ zeugt
selbst sich seine
Grenzen und schafft die
Gegenwirkung ewigen «Raumes»,
ewiger Zeit. ‒
.Was im innersten Reiche des Geistes
Eines ist ‒ hier wird es nun zur
Zweiheit, und vor deinem geistigen Auge siehst du gleichsam eine kos‐
mische Werkstätte erstehen, in der die ungeborene Kraft des Geistes
formend baut, was
Vorbedingung jener Weltsysteme ist, die uns wie ferne
Nebel hier in diese lichte Kugel schließen: ‒ hier wird in schaffendem
Gestalten
RAUM UND ZEIT der äußeren Weltgefüge! ‒ ‒
.Dem
ewigen «Raume» nicht mehr gleich und dennoch seine Gesetze in
sich bergend...
.Nicht mehr der «Raum» des
Geistes, der seine Zeit
in sich beschließt,
wird dieser
neu geschaffene Raum die Zeit erst
aus sich selber bilden. ‒
Während du selbst
hier den ewigen «Raum»
durchdringst, wie du von
ihm durchdrungen
wirst, wird dir dieser
zeitgebärende Raum an allen
Orten
Grenzen setzen! ‒
.Während dein geistiges Auge hier in diesem
ewigen «Raum» in einer
Weise zu sehen vermag, als wäre es
selbst eine unermeßliche Kugel,
die alles in sich enthält und zugleich
von allen Seiten sieht, wirst du
dort nur
von innen nach außen sehen können und stets nur von
einem
Punkte aus wahrzunehmen vermögen. ‒
*
.Nun beginnt erst die
zweite Schöpfung, ‒ gleichsam der
Nachhall des
«
Wortes», das die erste aus sich gebar!
.Wie ein unermeßliches Meer dehnen sich die Wogen der äußersten
Finsternis ‒ doch: «der Geist Gottes schwebt über den Gewässern» und
sein schimmerndes Strahlenlicht voll Kraft und wirkender Gewalt senkt
in ewiger
URZEUGUNG Werde-Willen in das Meer der Finsternis.
.Magische Urzeichen werden zu Formen äußerer Welten, und bald wird
deinem geistigen Auge die Finsternis sich lösen.
*
.WELTENKEIME siehst du erstehen in einem Domgewölbe wirkender
Kräfte.
.Immer
erneut drängen sie ins Dasein, während das Meer der Finster‐
nis sich zu leuchtender Wolke wandelt.
*
.Schon siehst du aus diesen Keimen
WERDENDE WELTEN ins Da‐
sein treten! Urmächtige Formkräfte wirken ihr Werk, und kosmisches
Licht zieht wie Nebelschwaden durch den geschaffenen Raum. ‒
.Bald wird ihr Werden vollendet sein.
*
.Was du nun sehen wirst, ist
DIE GEBURT DES KOSMOS, der Aus‐
gang der gezeugten äußeren Welten aus dem Bereich der formenden kosmi‐
schen Kräfte...
.In der ewigen Weltennacht, in unendlicher Ferne von der Urfeuersonne
ewiger Liebe, die dich zum Stern gebar, sind Weltballgebilde erstanden in
unendlicher Zahl ‒ die äußerste Grenze, die sich das Wirken des Ur‐
Wortes selber setzt ‒ jene leuchtenden Weltennebel bildend, die uns
hier in unendlich weiter Wölbung von allen Seiten, oben und unten, um‐
fassen.
*
.Nun wird sich dein inneres Auge für
jenes Geschehen öffnen, das auf
einer dieser Welten, die nun ihr eigenes Leben leben, sich erfüllt!
.Erinnere dich, daß ich dir sagte, wie nichts in aller Gestaltung je ge‐
schah, noch geschehen kann, das nicht in diesem Lichtreiche innersten
Werdens in ursächlichen Gesichten schaubar ist! ‒
.Hier wirst du nun den Wegen folgen, die der gefallene
Geistmensch, ‒
«gefallen», da er sich seiner Urheimat entwand, um im Äußeren ihrer
Schöpfungsgrenzen sich zu erleben ‒ auf diesen äußeren Welten durchwan‐
dern muß, um sich einst der Torheit seiner Willensrichtung zu entwinden
und die Rückkehr ins Licht seiner ewigen Heimat
wollen zu können. ‒
*
.Zuerst findet er auf diesen Welten nur ein farbenprächtiges, starres,
enges
LABYRINTH, das ihm stetig den Ausgang in ein neues Licht ver‐
heißt, um ihn stets erneut zu betrügen. ‒
.Ermattet hält er schließlich inne, denn er muß sehen, daß seiner Geistes‐
form hier keine Freiheit werden kann.
*
.So erfüllt ihn nun der
DRANG ZUR GESTALTUNG, und er, der
einst über alle Begriffe
frei war, schließt sich nun dem Zuge der Millionen
Wesen an, die auf diesen Welten ihre äußere Formgestaltung ersehnen.
*
.Endlich im Tiere zur Form der äußern Welt gekommen, glaubt er ein
neues Zeichen seiner rechten Wahl zu sehen, doch er verfällt nur der
schaurig grauenerfüllten Sphäre des
ASTRALLICHTES, das jede dieser
äußeren Welten umgibt. ‒
.Täuschend ist dieses Licht, aber seine Kräfte lassen den nicht los, der
seine Region einmal betreten hat, und von Täuschung zu neuer Täuschung
tastend, verfällt er schließlich in
Schuld, um dann in irrer Torheit allem
Lichte Hohn zu sprechen. ‒ ‒
.Das Tier nimmt seine Geistigkeit nun völlig in Besitz, um in zügellosen
Orgien, aus
vertierter Geistigkeit ersonnen, ihm sein
SODOM zu be‐
reiten...
*
.Nun scheint ihm auch die letzte Hoffnung entschwunden, und in
grauenvoller Verfinsterung irrt er durch ein
INFERNO, eine Hölle, die er
sich selber geschaffen hat ‒ gepeinigt von Schrecken, die seiner Wahn‐
sinnstat wie Furien folgen.
.Hier scheint kein Entrinnen mehr möglich. ‒
.Alle Schauer des Entsetzens muß er verkosten, bis ihn Verzweiflung zu
Erinnerung an seine einstige Größe führt und er sich entsinnt, daß er
göttlichen Ursprungs ist. ‒
*
.Nun erst empfindet er zum erstenmal jenes sehnende Zurückverlangen,
das ihn einst wieder aufwärts führen soll, seiner Heimat zu, die jetzt noch
in unendlichen Fernen für ihn verschwunden scheint.
.Der erste Schritt zur Umkehr wird zaghaft und furchterfüllt getan...
.Eine bebende Ahnung möglicher Rettung erfüllt sein neues Sehnen.
*
.Nach schier endlosem, quälendem Suchen gewahrt er aber doch zuletzt
in aller Dunkelheit ein Leuchten, das er als seiner
Heimat Licht erkennt.
.Mit verdoppelter Kraft lenkt er seine im Dunkel tappenden Schritte
diesem Leuchten entgegen.
.Endlich kommt er ihm näher.
.Er erblickt nun ein verborgenes Heiligtum inmitten seines Inferno.
.Schon möchte er sich gerettet glauben, aber furchtbare Augen blicken
ihn gespenstig an ‒ entsetzliche Wächter halten hier drohende Wacht...
.Es bedarf seiner letzten Kraft, um hier nicht von tötender Furcht über‐
mannt zu werden.
.Unzählige Male macht er den Versuch, den hohen Stufen zu nahen, um
die Schwelle zu überschreiten.
.Stets wieder hält ihn seine Furcht vor den Hütern zurück.
.Doch endlich wird seine Ausdauer ihm belohnt.
.Aus der Höhe der Düsternis tönt ihm eine Stimme und erfüllt ihn mit
neuer Kraft.
.Er fühlt sich plötzlich wie an den Händen gehalten, und mit mutigem
Blick sieht er den drohenden Ungetümen ins Auge, um nun die Schwelle
sieghaft wie ein Held zu überschreiten.
.Nun ist er im
Innern des Mysterienheiligtums, und sogleich ist ihm, als
sei das «Tier» von ihm abgeglitten. ‒
.Als
geistiges Wesen fühlt er sich wieder, und aus der tiefsten Inbrunst
seines Fühlens entströmen seinen Lippen die Worte: «
DE PROFUN-
DIS...», aus der Tiefe erlöse o Herr meine Seele!
.Anbetend neigt er sich vor dem Gottesbild, das in der Tiefe des lichten
Raumes er erblickt.
.Erste Erlösung aus unerträglicher Qual erscheint ihm hier sein Gebet...
*
.Aber wie er endlich die Augen hebt, gewahrt er
hinter dem Gottesbild
eine neue strahlende Helle und fühlt sich von unsichtbarer Hand geleitet,
diesen Strahlenraum zu betreten.
.Unsicher wagt er Schritt um Schritt.
.Auch
hier ist noch drohendes Geschehen zu durchschreiten, aber die
Furcht hat ihn nun verlassen.
.Endlich teilen sich vor ihm unter Donnergetöse die letzten Hüllen, und
vor sich erblickt er hell leuchtend das Kleinod der
OFFENBARUNG...
.Längst entwöhnte Erinnerung wird ihm wieder, und er fühlt sich zurück‐
versetzt an jenen geistigen Ort, da einst auch
er seine jubelnde Stimme in
einem «
Te Deum» der Geisterchöre hörte.....
*
.So schreitet er trunken von innerer Freude dem Kleinod entgegen, das
sich vor seinen Augen zu einer
Sonne wandelt, vor der auch die letzten
Hüllen, vom Lichte besiegt, zur Seite weichen.
.Jetzt erst wird ihm völlige
ERLEUCHTUNG, und sein ganzes Sein er‐
strahlt in geistig reinem Licht. ‒
.So
selbst zu reinstem Leuchten vollendet, überblickt er nun seinen Weg,
und aus Urgrundtiefen sieht er die Formen gestaltender Kräfte am Werke
der Schöpfung einen hohen Tempelraum erbauen, in dem die Hüllen des
Allerheiligsten sich langsam vor seinem Auge öffnen und ihm nun in weit
strahlenderer Gestalt ein noch reicheres Kleinod zeigen, als jenes selbst
war, das ihm die
Offenbarung des Gottesbildes brachte.
.ERFÜLLUNG wird hier endlich seinem höchsten Sehnen...
*
.Nun aber verlangt ihn nach der äußeren
Erde zurück, denn nun weiß
er, daß er sich selbst in seiner Erdenform nur erlösen kann, wenn er den
Geist in sich zu
körperlichem Ausdruck bringt.
.Verkörperung des Geistes ist der «Schlüssel», wie er nunmehr fühlt, der
seine Erdenfessel dauernd lösen wird, so daß er als ein
Freier, als ein
Sohn
des Lichtes über den Erdball schreiten kann ‒ ein
Selbsterlöster und
Erlöser seiner Menschenbrüder ‒ ein Helfer jener, die auch ihm, obwohl
er es nicht ahnte, auf dem Erlösungsweg zur Seite standen.
*
.Erfüllt von solchem großem, reinem Willen findet er sich fast im gleichen
Augenblick auf hohen Bergeszinnen, ‒ und aus den Felsenschründen, aus
den Tälern, scheinen Lichtesgarben aufzusprießen.
.Was auch sein Auge sieht, erstrahlt in gold'nem Leuchten, und je‐
der Strahl verkündet ihm den
SIEG!
*
.Doch für den Sieger gibt es kein Verweilen, will er die Frucht des Sieges
bergen.
.Hoch über seinem Standort findet nun sein Blick ein weitaus
höher
ragendes Gebirge, ewig mit strahlenweißem Schnee bedeckt.
.Der Hort des
Ewigen auf dieser Erde hat seinem Geistesauge sich
gezeigt...
.Er fühlt: ‒ der ferne Gipfel dort im reinen Weiß vor golddurchglühtem
Himmel ‒ ‒ ist
«HIMAVAT», der Berg der Einzigen auf dieser Erde, die
das Urlicht selbst zu Priesterkönigen sich weihte!
.Dort ist das
Urbild jenes Tempels und seiner Hüterschar, dort ist die stete
Wirklichkeit, von der die Sage fromme Kunde geben wollte, die Menschen
einst in Formen, die sie
fassen konnten, sprach: vom «
heiligen Gral.» ‒ ‒
*
.Dorthin führt ihn nunmehr sein Weg.
.Wohl sieht er, daß auf diesem Wege noch manche Hinderung ihm
drohen wird, allein, er weiß, daß man ihn dort
erwartet, daß seiner dort
der
Führer harrt, der durch das Erdenleben ihn geleiten soll, und ihm nach
der vollbrachten Zeit die Pforte öffnen wird, damit er, so wie du, zu seiner
Heimat finde.
.Die klebrig grünen, vorgewälzten Massen
dumpfer Trägheit, denen er
zuerst begegnet, wollen seinen Fuß am Schreiten hindern, doch ihm genügt
ein Blick zum fernen Ziel, um sie zu überwinden!
.Der starre Felsenzackenzaun der
Zweifel baut sich siegessicher vor ihm
auf, um seinen Mut zu lähmen, doch keine Kraft der Erde hält ihn mehr
zurück, und wenn er auch aus tausend Wunden bluten müßte, wird er
doch auch dies allerletzte Hindernis besiegen!
.Nach langer, harter Beschwernis endlich am Ziele angelangt, wird er
gewiß nicht mehr an die Gefahren des durchmessenen Weges denken.
.Als
Finder seiner selbst wird man ihn empfangen und ihm den Goldreif
der Erkenntnis um die Stirne legen.
.Man wird ihn in heiliges, weißes Linnen kleiden, so daß kein Makel,
der ihn auf seinem Wege je befleckte, an ihm haften bleibt.
.So wird man ihn dem
Ewigen weihen und ihn die hohe
königliche Kunst
zu lehren wissen, die Kraft des reinen, wesenhaften Geistes durch die
Liebe erdenmenschhaft zu
verkörpern. ‒
.Was vorher dunkle
Tierheit war, wird dann in ihm
verwandelt werden,
und all sein Erdenhaftes wird nur
Ausdrucksform des Geistes sein. ‒
.Man wird ihn lehren, daß im ewigen Geiste nur der
Tapfere seines
geistigen Reiches Krone dauernd behaupten kann, und daß nur
Feigheit
oder angsterfüllte
Torheit der Außenwelt der Erdensinne
entfliehen möchte,
in die sich eigener Wille einst verhaftet hat...
*
.Doch ‒ ‒ ich greife bereits einer Lehre voraus, die
du, der im Geiste
zum
Stern der Ewigkeit Geborene nunmehr von mir erhalten sollst!
.Alles, was du bisher geschaut hast mit geöffnetem inneren Auge, war
ja nichts anderes als dein
eigener Weg, vom Ausgang deines ewigen Seins
bis zu der Rückkehr, die dich nun zum
Stern gewandelt vor mir sieht. ‒
.Du wirst hinfort gar oft in diesem innersten geistigen Reich der wesen‐
haften Schauung, mit mir vereint, als deinem dir verbundenen Führer,
dieses Reiches Wunder an dir vorüberziehen lassen, und es werden stets
andere Gesichte sein, die dir der Urgrund alles Werdens offenbart.
.Wisse aber, daß diese «Gesichte» stets nur
wesenhaftes Wirken zeigen,
daß diese «Bilder» wahrhafte
Urbilder allen Geschehens sind, davon du
auf Erden, in jener äußersten Region der Grenzen des Seins, nur immer
das
Abbild siehst. ‒ ‒ ‒
*
.Wir kehren nun zurück zur Erde, die dein sieghaftes
Leuchten braucht.
.Lasse nicht Trauer dein inneres Licht verhüllen, ‒ gewähre dem Schmerz
keine Stätte in dir, wenn du jetzt das Reich des Lichtes mit mir verlassen
wirst, und dann, zurückgekehrt zur Erde, die trübe Geistesnacht gewahrst,
die dort dich umfängt!
.Wer wie
du zurückkehrt in sein Erdendasein, hat keine Nacht mehr zu
fürchten, denn er trägt
in sich selbst sein Licht ‒
das Licht der Ewigkeit! ‒
.All deine Sorge sei es hinfür: mit dem dir eigenen Lichte alles zu
ver‐
klären, was dir nahekommt, und als Stern aus der Urfeuersonne ewiger
Liebe allen, die noch im Dunkel sind, zu
leuchten.
.Begehre nichts mehr
für dich selbst und du wirst alles, was du brauchst
durch deines eigenen Lichtes Kraft besitzen! ‒ ‒
.Du kannst keinen Strahl deines Lichtes auf andere Herzen ergießen,
der dir nicht tausendfach Herzen
gewinnen würde!
.Du wirst dich nicht etwa
mühen müssen, zu
leuchten; ‒ du wirst dich
nur mühen müssen, das Licht der Ewigkeit, das aus dir strahlen will,
niemals durch äußeres erdenhaftes Tun für andere zu
verdunkeln! ‒ ‒
.Wenn du nur
selbst deinem Lichte dich
vertraust, wird auch dein Erden‐
körper so durchleuchtet sein, daß er
keinen Schatten mehr auf andere
wirft, die deines Lichtes in der Erdennacht
bedürfen! ‒
*
.Mich aber wirst du allzeit finden, wenn du meiner bedarfst, und sollten
unsere Erdenkörper auch weite Meere trennen.
.Nicht in meinem
äußeren Erdenkleide sollst du mich suchen, denn nie‐
mals könnte ich im
Äußeren mich dir so vereinen, wie wir im Allerinnersten
nunmehr vereinigt sind. ‒
.Ins
Allerinnerste deines Fühlens mußt
du selbst dich begeben, wenn ich
dir wieder vernehmbar werden soll, und
nur im Allerinnersten wirst du
auch stets wieder dieses
Reich des wesenhaften Lichtes schauen! ‒ ‒
.Du Liebender, der du in diesem Buche
Licht und
Erleuchtung finden
willst, ‒ wisse, daß Licht und Erleuchtung noch keinem durch
Lesen und
Denken kam! ‒
.Die Lehre, die ich dir zu geben habe, ist
Leben,
Weg und
Wahrheit, aber
du kannst sie nur empfangen, wenn du sie
in dir selbst zu Leben, Weg
und Wahrheit werden läßt.
.Um dir zu zeigen, was deiner wartet, wenn du also tun willst, bin ich
mit Vorbedacht deinem
heutigen Zustand
vorausgeeilt und versuchte, in
dir schon heute und im voraus Empfindungen zu erwecken, die dir erst
wahrhaft und
wirklich werden können, wenn du den Weg beschreiten und
tapfer durchmessen willst, den ich in meinen Schriften von allen Seiten
her zu beleuchten versuche, so daß er schwerlich zu verfehlen ist ‒ den
ich hier nur andeuten kann und der in seiner Art
durchlebt sein muß, um
die seelische Reife zu erreichen, die hier in diesem Buche, am Beginn der
«
Führung», bereits
vorausgesetzt wurde. ‒
.Ich glaube aber aus guten Gründen dennoch sagen zu dürfen, daß auf
dem Wege zum Geiste jede enge Fesselung vom Übel ist, und sei es auch
nur die Bindung durch das Leitseil des Führers.
.Jeder Menschengeist auf dieser Erde trägt seine
eigenen Auswirkungs‐
möglichkeiten
in sich selbst, und jeder wird seinen Weg auf
seine
Weise ‒ selbst an der Hand des Führers ‒ am
sichersten zu gehen
vermögen.
.So soll denn auch keineswegs hier etwa der Irrtum Spielraum finden,
als müßtest du vorher meine übrigen Lehren kennen, bevor dir dieses
Buch zum Antrieb werden könne, in deinem Innersten nach dem Weg
zur ewigen Freiheit zu suchen.
.Es gibt Naturen, die erst dann einen Weg betreten, wenn sie vor‐
her genau auf der Landkarte dieses Weges kleinste Biegung, jede sei‐
ner Höhen und Senkungen sich vergegenwärtigt haben ‒ und es gibt
wieder andere Naturen, die nur das
Ziel ins Auge zu fassen brauchen,
und unbekümmert um die Art des Weges, spontan sich zur Wanderung
entschließen.
.So mögen dem einen die obenerwähnten Schriften gleichsam als «Land‐
karte» dienen, während sie dem andern erst später Begleiter auf seinem
Wege werden.
.Die Art des mir übertragenen Wirkens in diesen Tagen verlangt jedoch,
daß alles, was ich mit den mir eigenen Ausdrucksmitteln zu geben habe,
in sich eine
Einheit bilde, und so ist denn auch dieses Buch hier nicht von
dem zu trennen, was ich bereits vorher gab und was ich noch fürderhin
auszusprechen haben werde.
*
.Den Weg zum Geiste hat das Geröll des Denkens so vielfach ver‐
schüttet, daß er oft den ehrlichsten und mutigsten Suchern nicht mehr
auffindbar erscheint; ‒ ja es sind nicht wenige heute der Meinung, alles,
was jemals in der Menschheitsgeschichte davon verlautete, sei nur be‐
dauernswerter Wahn. ‒
.Wie am Fuße hoher Berge der Alpenwelt den fremden Wanderer eine
Schar von Führern umringt, die alle ihn zum Gipfel zu bringen ver‐
sprechen, so wird in unserer Zeit der Suchende, der den Weg zum Geiste
beschreiten will, von allen Seiten angerufen, und jeder der Rufer ver‐
spricht ihm hoch und heilig, ihn ans Ziel zu bringen.
.Allzu viele vertrauen sich einer Führung an, die
selbst des Weges
nicht
kundig ist, aber noch
keinen fand ich, der so das Ziel erreichte. ‒
.Kein Wunder, wenn dann der Weg zum Geiste als unauffindbar gilt,
ja wenn die wenigen, die ihn unter sicherer Leitung fanden, gar oft be‐
lächelt werden, als seien sie einem frommen Trug erlegen! ‒
*
.Es tut bitter not, der heutigen Welt zu zeigen, daß es dennoch einen
wirklichen Weg zum Geiste
gibt und daß der Wanderer auf diesem Wege
gar wohl sein Ziel erreichen kann.
.Ein wenig
Urteilsvermögen muß allerdings dem Wanderer zu eigen sein,
und er darf auf diesen, doch immerhin auch
gefahrumdrohten Weg, sich
nur dann begeben, wenn er der dargebotenen Führung jene
Zustimmung
des Herzens zu geben vermag, die in jedem Menschengeiste erwacht, wenn
er berufener Führung begegnet ‒ es sei denn, er habe längst sich ent‐
wöhnt, auf diese innere Bestätigung zu hören. ‒
*
.Nicht wenige scheuen auch vor dem Betreten des Weges zurück, weil
seit Jahrtausenden der Albdruck düsterer Lehren auf der Menschheit
lastet, die ihr den Weg
zum Geiste als einen Weg der
Weltentsagung und
des
Leidenwollens erscheinen lassen.
.Furchtbares Unheil, Wahn und Verbrechen am Heiligsten haben diese
Lehren über die Menschheit gebracht, und noch immer ist ihres Wütens
kein Ende...
.Das
Edle und
Gute, in dessen Namen man solcher Unheilsaat auf Erden
Wachstum schuf, wurde wahrlich
allzuteuer von der Menschheit bezahlt! ‒
.Wohl war man guten Glaubens, wenn man
den Weg zum Geiste nur um
den Preis der «
Weltverneinung» gangbar wähnte ‒ und man ist es noch
jetzt...
.Aber wie sehr man auch immer die vermeintliche Notwendigkeit be‐
tonte, der Welt zu
entfliehen, um in den Geist zu gelangen, so sah man sich
in allen diesen Lehren doch gar bald genötigt, dem
Leben ‒ das
Ausfluß des
Geistes ist ‒ und wahrlich
siegreicher sich zeigt als jede Glaubenslehre, ‒
mit Weh und Ach auf weite Strecken hin das Feld zu räumen. ‒ ‒
*
.Man glaube auch nicht, daß solche Lehren wirklich nur die reine,
unverfälschte Weisheit großer Menschheitslehrer überliefern!
.Der einzige, den man hier nennen dürfte, war jener indische Fürsten‐
sohn, der nicht anders seine dekadente Umwelt heilen zu können glaubte,
als durch die Predigt von dem Leid der Welt, dem nur Erlösung werden
könne durch
Verzicht.
.Aber selbst dieses
einen Lehre läßt aus gewichtigen Gründen noch die
Frage offen, ob sie nicht erst als Beute eines Mönchtums, das durch sie
den Ruf der «Heiligkeit» erlangte,
die Form gewann, in der sie überliefert
wird? ‒
.Wo immer aber in
anderen Lehren der Pestbazillus quietistischer Tat‐
entmannung und träumender Weltflucht gezüchtet wurde, dort darf man
sicher sein, nur einem
irrigen Verstehen weiser Lehren zu begegnen.
*
.Im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung ertönt schon die Klage,
daß die Berichte, die Leben und Lehre des hohen
Meisters aus Nazareth
beschreiben, kaum mehr als
authentisch anzusehen seien!
.Und was hat
spätere Zeit in aller Einfalt hier noch
dazugetan und
weg‐
genommen! ‒
.Trotz allem aber ist bis auf den heutigen Tag doch immerhin noch
einiges geblieben, das wahrlich
alles andere zeigt als einen Lehrer, der die
Weltflucht preist. ‒
.Es ist vergeblich Mühen, sich hier auf «das Wort der Schrift» zu stützen ‒
der
gleichen «Schrift», die den Meister klagen läßt, daß man ihn «Fresser
und Weinsäufer» nenne, weil er mit denen, die ihn luden, aß und trank ‒
der
gleichen «Schrift», die als sein erstes «Wunder» zu berichten weiß, daß
er bei einer Hochzeit, als die Gäste nach des Speisemeisters Urteil schon
«genug getrunken» hatten, Wasser in
Wein verwandelt habe. ‒ ‒
.Wer Augen hat zu lesen, und nicht den
Kampf der Weltfluchtswahn‐
erfüllten mit des Meisters
wahrer Lehre sieht, der sich auf jeder Seite der
Berichte, die auf uns gekommen sind, ereignet hat, bevor
der Text ent‐
stand, den
wir nun kennen, ‒ dem mag wohl kaum zu helfen sein!
*
.Es ist eine diabolische
Verwirrung menschlichen Empfindens, die seit
Jahrtausenden von einem üblen Ausgangsherde aus sich über weite Länder
und Geschlechterfolgen hin verbreitet und den Menschen in den Wahn
verstrickt, als sei der Weg zum Geiste quasi zu
erhandeln, als heische einer
da
Tribut an erdenfestem
Leben und lasse keinen diesen Weg betreten, der
nicht willens ist, dem Leben zu entsagen.
*
.Aber solange Menschengeister, die durch eigenen Willens Wahl dereinst
ihr «Paradies» verließen, hier auf dieser Erde sich dem Menschentiere
einen müssen, um den Weg zurück zum Geiste nun zu finden, wird ihnen
stets der hohe Auftrag werden:... «
Beherrschet die Erde und machet sie
euch untertan!» ‒ denn nur als
Herren und
Beherrscher ihres Erdendaseins
können sie in wacher Tat
die Kräfte stählen, die vonnöten sind, wenn sie
den Weg zum Geiste an des Führers Hand beschreiten wollen. ‒ ‒ ‒
.Wer das Leben der Erde
flieht, statt es beherrschen zu lernen, der hat
«die Welt» wahrhaftig
nicht überwunden!!
*
.Es heißt den Freuden, die uns das Dasein im Erdentiereskörper ermög‐
licht, eine lächerliche
Überwertung geben, schätzt du sie so
hoch, daß
sie als «
Preis» für deine
geistige Erleuchtung gelten könnten. ‒
.Du machst auf solche Weise aus deinem
Gotte einen «Wilden», der sich
sein gutes Gold um ‒ Glasperlen abhandeln läßt! ‒ ‒
.Gewiß ist
Beherrschung der Erde auch: Beherrschung ihrer
Freuden;
aber niemals ist Beherrschung: ‒
Verzicht!
*
.Wie einer, dessen ganzes Sinnen von einem großen Werke derart erfüllt
ist, daß er inmitten einer lärmenden Menge dennoch nur die Stimme seines
Innern hört, so sollst du den Lärm der Erdentierestriebe in dir nicht etwa
«
niederschreien» wollen, sondern
dich selber sollst du auch inmitten ihres
Lärmens
allein nur hören!
.Es sind tiefe Kräfte in deinen erdenhaften Trieben verborgen, und du
gewahrst sie oft genug, wenn du ihnen, häufiger, als du möchtest, erliegst!
.Aber diese Triebe verlangen dich als
Herrn, und wenn du nicht
Herr
zu sein
vermagst, und statt dessen deine Triebe
tötest, erschlägst du dir
nur deine besten
Diener...
.Du
beherrschst deine Triebe
nur dann, wenn du jederzeit mit wachem
Willen dich ihnen
anvertrauen kannst, ohne befürchten zu müssen, daß sie
dich
weiter treiben könnten, als du getrieben werden
willst! ‒
.Hast du
das erreicht, dann hast du die
höchste Spannkraft gewonnen, die
dir dein
irdisches Leben für deines
Geistes Entfaltung zu geben vermag...
.Du kannst nur in dein wesenhaftes, ewiges
Geistes-Sein zurück gelangen,
wenn du
hier stets alle die Wirkungskräfte zu benutzen weißt, über die du,
nun einmal dem tierischen Körper verbunden, in
dieser Daseinsart verfügst!
.Alles andere ist nur ein
Erträumen, dem nichts wahrhaft
Wirkliches
entspricht!
*
.Viele haben sich so eine «innere Welt»
erträumt, die oft alle Schönheit
eines echten
Dichterwerkes zeigte, aber auch keineswegs eine andere
Wahr‐
heit in sich barg, als jene, die einer
Dichtung eigen ist. ‒ ‒ ‒
.Andere wieder suchten in der
Ekstase sich ihrem Ewigen zu nähern
und glaubten auch, es so gefunden zu haben.
.Sie ahnten nicht, daß sie nur einem
Trugspiel geheimer Körperkräfte
erlegen waren, die sie durch ihr irriges Streben
selbst erregt und ent‐
bunden hatten, ohne ihrer
Herr zu sein. ‒
*
.Wenn ich dir raten darf, als einer, der von einer Sache redet, die er bis
in ihre letzten Tiefen kennt, ‒ dann gehe allen Lehren aus dem Wege, die
nur auf mystisches
Erträumen und vermeintliches
Hellseher-«Wissen» sich
berufen; ‒ vermeide aber
noch mehr alle Lehren, die dich zur
Ekstase, zur
Preisgabe deines vollen
Wachbewußtseins ver-führen wollen!
.Der Geist der Ewigkeit, aus dem dein innerstes Sein entstammt und in
dem es wieder seine Heimat finden will, ist das
Allerwirklichste alles dessen,
was man «wirklich» nennen kann! ‒
.Er gibt sich niemals Träumern und Phantasten kund! ‒
.Du mußt ihn in dir suchen mit der gleichen
Wachheit, mit der gleichen
Inbrunst, die selbst schon jeden Forschenden erfüllt, der in der
äußeren
Natur erahnte Kräfte zu entdecken sucht!
.Suche aber nicht etwa
weit von dir!
.Es gilt ja, dein
Allerinnerstes zu entdecken. ‒
.Die meisten, die behaupten,
vergeblich gesucht zu haben, schweiften in
die
Weite, glaubten ein völlig
Fremdes finden zu müssen und verbargen
so
selbst ihrem Blick, was ihnen am allernächsten, am
allereigensten war
und ist. ‒
.Nur
in dir selbst, im
Innersten deines
Innern beginnt der Weg, der dich
in deine ewige
Heimat führt!
.Gewiß wirst du, wenn du ihn finden willst, an jedem Tage eine kleine
Zeit der
inneren Versenkung weihen müssen, allein, du darfst nicht ver‐
gessen, daß diese Versenkung dir
nur dann von Nutzen ist, wenn sie dein
übriges Tagewerk
beflügelt, statt es zu erlahmen!
.Wer nicht bei seinem Suchen nach der innersten Wirklichkeit
von
Tag zu Tag die Kräfte zu äußerem Tun und Wirken in sich wachsen
fühlt, der ist auf
falschen Bahnen...
*
.Der Weg zum wesenhaften Geiste ist im Grunde so
einfach, daß du gut
tun wirst,
dich selbst, in deinem ganzen Denken und Empfinden, zu «
ver‐
einfachen»!
.Dies ist der Sinn der Worte des hohen Meisters, wenn er lehrte: «
So ihr
nicht werdet wie die Kindlein, wird euch das Reich der Himmel sich nicht
erschließen.» ‒
.Die meisten Gehirne sind
zu kompliziert geworden, als daß sie noch
fähig wären, ohne bewußte Umstellung zu einfachstem Reagieren das
Mysterium des Menschen zu erfassen.
.Vielfältig sind zwar die
Mittel, die du anwenden kannst, um dich
wieder zu
geistigem Leben zu
erwecken, aber am
Ziel deiner Mühen
wirst du dich immer nur wundern müssen, weshalb du nicht
früher er‐
kanntest, was dir
dann als das
Allereinfachste und
von selbst Verständlichste
erscheint. ‒
.Du bist auch
jetzt nicht getrennt vom geistigen
Leben, doch es
schläft
noch jene einfache
Erkenntniskraft in dir, die es dir
enthüllen könnte, und
durch deinen irrigen Glauben, die geistige Wirklichkeit sei durch dein
Denken zu erreichen, versäumst du es,
diese einzige Kraft in dir zu
er‐
wecken, die dir auf alle deine Fragen
Antwort geben würde, wäre sie in
dir
erwacht...
*
.Was ich dir hier in diesem Buche gebe, sind
Mittel, diese Kraft in dir
zu
wecken.
.Es ist nötig, dein inneres Empfinden «wie eine Harfe
zu stimmen»,
damit der reine
Grundakkord in dir ertönen kann, der diese Kraft allein
dem Schlafe zu entreißen vermag.
.Auch wenn sie zuerst nur
zaghaft und
leise sich in dir zu äußern wagt,
so wirst du sie doch
niemals mehr verlieren können, wenn sie einmal dir
zum
Bewußtsein sprach.
.Glaube aber nicht, daß du ihr Erwachen
erzwingen könntest!
.Du kannst nur immer erneut an jedem Tage die
Vorbedingungen
schaffen und mußt in Geduld verharren, bis sie früher oder später,
spontan
in dir zum
Erwachen kommt.
.Wichtigste Vorbedingung ist eine Einstellung deines ganzen Sinnens
und Trachtens auf
äußerste Einfachheit des Empfindens hin. ‒
.«Selig sind die
Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!»
.‒ Du schleppst noch immer einen ungeheuren Ballast an Gedanken‐
Reichtum mit dir herum, der dir nur
die freie,
leichte Haltung raubt, die
du wahren mußt, willst du das «Reich der Himmel»
in dir selber finden!
.Nur in
diesem Sinne sollst du «
dir selbst entfliehen», sollst du «
dich selbst
verlieren», um dich in wacher
Wirklichkeit finden zu können, denn deine
Gedanken wurden dir längst ein Ersatz
deiner selbst, und
du weißt noch
nicht, daß
du selbst wahrlich
etwas anderes bist als dein
Denken, das dich
in seinem Reichtum erstickt. ‒
.Doch
du sollst
Herr sein auch deines
Denkens, während du heute noch
sein machtloser
Sklave bist!
.Was ich schon vordem von den
Trieben sagte, das muß ich auch hier
in bezug auf deine
Gedanken wiederholen:
.Herr sein heißt nicht, auf die
Dienste seines Dieners
verzichten!
.Aber deine
Diener dürfen niemals deine
Herren werden. ‒
* *
*
.Erfülle dich selbst mit einer ruhigen
Zuversicht, denn wer ein Ziel
erreichen will, der muß vor allem
an sich selbst, und seine
Kraft, es zu
erreichen,
glauben! ‒
.Beginne nicht damit, dir tausend
Fragen zu stellen,
auf die dir erst
Antwort werden kann, wenn du die Lehre
lebst, die ich dir gebe!
.Hier wird
praktisches Handeln von dir verlangt, und das
Resultat dieses
Handelns ist ein neues
Sein, nicht ein anderes
Meinen und
Glauben!
.Lasse ruhig auf sich beruhen, was du bis heute glauben oder meinen
mochtest!
.Wenn du in
Tat und
Leben umsetzest, was ich dir gebe, dann wirst
du
selbst dir einst sagen können, was bis heute deines Glaubens
Wahrheit
und was
Täuschung war.
.Fragen, auf die du
dir selbst nicht Antwort geben kannst, haben
auch
dann ihre letzte Beantwortung nicht gefunden, wenn du von
anderer Seite
eine Antwort
hörst...
.In
dir selbst muß dein ganzes Sein und Denken seine tiefste Begründung
finden. ‒
*
.Erhalte dir in jeder Lebenslage eine
heitere Ruhe, und wenn du dies
noch nicht vermagst, so
erziehe dich selbst dazu!
.Du wirst mir sagen, dein Tagewerk bringe täglich Begebenheiten, die
auch der Weiseste nicht mit Ruhe und Heiterkeit aufnehmen könne.
.Ich will dir gerne glauben, daß es dir
heute noch so
erscheint.
.Du wirst aber
anders urteilen lernen, wenn du
dich selbst zu wandeln
verstehst. ‒ ‒
.Die Dinge und Ereignisse dieses Erdenlebens sind für uns nur immer
das, was wir daraus für unsre Vorstellung
machen. ‒
.Ich erwarte von dir gewiß nicht, daß dich ein leidvolles, schweres
Schicksal zur «Heiterkeit» frei erhalten solle.
.Die
großen Dinge des Lebens aber rauben dir fast
niemals deine Ruhe;
ja man darf sagen, daß schweres Erdulden schon gar manchem half, die
Ruhe zu
gewinnen, die ich dir empfehle.
.Es sind immer die
kleinen Alltagswichtigkeiten, die dich um deine Ruhe
bringen; ‒ Dinge und Begebenheiten, die dir schon nach kurzer Zeit sehr
unbedeutend werden.
.Du sollst der Welt
nicht entfliehen, und so wirst du bestrebt sein müssen,
in dir selbst einen Seelenzustand zu erhalten, der dich befähigt, die Dinge
des Alltags
gelassen hinzunehmen.
.Du kannst in dem
Äußeren dieses Daseins gar vieles nicht ändern, auch
wenn deine Änderung allen zum Heile würde.
.Nur
in dir selbst hast du
fast unumschränkte Macht, und immer mehr
wird sich dir deine Macht erweisen, je mehr du sie in dir
gebrauchen
lernst. ‒
.So töricht war noch nie ein Fürst, daß er in
fremden Ländern den Ge‐
horsam hätte finden wollen, den er im
eigenen Lande nur erwarten durfte.
.So sollst auch
du hinfür nicht mehr von
außen her erwarten, was du nur
in
dir selbst, in deinem
Innenreich, nach Wunsch und Willen ordnen kannst.
.Wohl werden immer äußere Begebenheiten dich beim Zusammenprall
für den ersten Augenblick
erregen können,
allein, der
zweite Augenblick
soll dich schon wieder
in deiner Macht erblicken, zur
Ruhe alle Kräfte in
dir
zwingend, wenn sie noch nicht auf den ersten Ruf gehorchen wollen.
.Du wirst dir viel
Leid auf solche Weise
ersparen und dir erst
selbst
dadurch zur
Freude werden! ‒
*
.Daß du
dir selbst in vollem Maße zur
Freude werden mögest, dazu gebe
ich dir alle Lehre!
.Ich will den «
Künstler» in dir wecken; der aus dir ein
ewiges Götterbild
gestalten kann. ‒
.Du selbst bist hier der «
Künstler» und
zugleich das
Werk!
.Allzulange schon säumte der «Künstler» in dir an deiner
Gestaltung ‒
ja du hast längst vergessen, daß
du selbst es bist, der dir allein deine ewige
Form verleihen kann.
.Immer hast du die Zufallsformung, die dir
von außen her gegeben ward,
als unentrinnbare
Notwendigkeit betrachtet.
.Ich will dich
frei von solchem Glauben sehen!
.Was dir von außen her an Sternengunst und Ungunst zufiel, ist
nicht
ein «
Fatum», dem du nicht entrinnen kannst ‒ soll dich vielmehr zur
höchsten Anspannung bewegen, um Gunst wie Ungunst
deinem hohen Ziel
zu beugen! ‒
.Der «Künstler» in dir benutzt sein Formungsmaterial, wie er es eben
findet, und darin erweist sich seine Kunst, daß er sowohl
Vorzug wie auch
Mängel seines Materials in bester Art
dem Werke dienstbar macht. ‒
.Du mußt nur
selbst den «
Künstler» dieses Werkes
in dir fühlen lernen,
auch wenn du bisher glaubtest, eher ein trockener
Rechner des Lebens
sein zu müssen, um ihm zu entsprechen!
*
.Du hast Unendliches zu
gewinnen, wenn du meinen Ratschlägen folgen
willst, und du kannst dir dabei mit Sicherheit sagen, daß du
keinesfalls
irgend etwas
verlieren wirst.
.Benütze dieses Buch
in der Weise,
wie es benützt sein will, und es wird
dir vieles nützen können!
.Nicht von flüchtigem
Lesen wirst du dir Nutzen versprechen dürfen,
sondern
erst dann, wenn dein «Lesen» dir zum
Erleben wird! ‒ ‒
.Dann aber, glaube ich, wird dir dies Buch zum
Freunde werden, zu
einem Freunde, den du nie mehr wirst missen wollen und der dir dein
eigenes Haus zum
Tempel weihen wird...
*
.Je mehr du lernen wirst, die
Gesichte, die ich dir hier zeige, an der Hand
meiner Führung innerlich zu
erfühlen, desto mehr wirst du auch meiner
Worte letzten Sinn erfassen, so wie dich umgekehrt die
Worte leiten
wollen, diese
Bilder nacherlebend deiner Seele anzueignen.
.Möge dir beides zum Segen werden!
.Möchtest du selbst dich fähig machen,
jenem Zuruf zu entsprechen,
den einst
die Priester eines alten Weihetempels über seinen Eingang meißeln ließen:
«ERKENNE DICH SELBST!»
*
ENDE
WORTE
DES LEBENS
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Der bürgerliche Name von Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag
Greiner & Pfeiffer, Stuttgart, 1923
©
Copyright 1959 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich 48
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck Pfäffikon ZH
Nach mir zu suchen bist du ausgezogen und
klagend fragst du, wo man mich finde! ‒
Ich aber frage dich, warum du bis zum heutigen
Tage mich noch nicht gefunden hast? ‒
Siehe mein Sehen und mein Hören habe ich
dir gegeben und meine Sprache liegt in deinem
Munde!
Warum verstummst du vor mir, da ich dich
reden heisse, während du doch zu reden weisst,
wo Schweigen dir allein die Offenbarung brin‐
gen könnte? ‒ ‒
Du redest vor tauben Ohren hohle Worte und
bist berauscht durch deiner Sinne täuschendes
Erkennen, so dass dir meine Sprache fremd,
und dunkel mein Wort erscheint.
Dennoch wirst du mir einstens Antwort formen
müssen in meiner Sprache, so wie ich sie gab
deinem Munde als ich dich aus mir entliess...
Noch suchst du in kunstreicher Rede Versteck
vor mir, aber wisse, dass ich dir nahe bin wie
das Licht der Leuchte, und dass du dich nie‐
mals vor mir verbergen kannst, obwohl dein
Auge mich nicht sieht, solange du dich blenden
lässt durch deine eigene Torheit! ‒ ‒
Was will ich anderes von dir, als dass du mich
findest, und wahrlich: leicht lasse ich mich
finden! ‒ ‒ ‒
Ich weiss, dass du mich suchst, auch wenn du
irre Wege wandelst und vorgibst Anderes zu
suchen...
Der Tor sucht nach mir, wie der Weise, und
des Toren Suchen ist nur deshalb töricht, weil
er sich selbst den Weg zu mir erschwert,
während der Weise kein anderes Bemühen
kennt, als sich seinen Weg zu erleichtern. ‒ ‒
Alle Last wirft er von sich, Kleid und Wander‐
stab, damit er mich nackt, wie ihn seiner Mut‐
ter Schoss gebar, erreiche...
Du aber schmückst dich mit brokatenen Ge‐
wändern, legst Perlengeschmeide, goldene
Schmuckstücke an und bindest um deine Füsse
schwere, goldene Sandalen. ‒
Dann sinnst du lange nach und forschest nach
dem weitesten Wege, da nur der weiteste Weg
dir der rechte scheint um zu mir zu finden.
Bedrückt durch alles was dich nur beschweren
kann, wanderst du endlose Strecken, um dann
ermattet liegen zu bleiben bis dein hoher Mut
sich in Verzweiflung kehrt. ‒ ‒ ‒
Siehe, du wirst mich auf solche Weise niemals
finden!
Du suchst die Ferne, während ich dir näher
bin als dein eigener Leib, den du mit
Schmuck beladen mir entgegenzuführen trach‐
test, da ich doch deines Schmuckes wahrlich
nicht achten kann und deiner Gewänder Blend‐
werk mich dir nur verbirgt! ‒ ‒
Lass ruhen alle erborgte Rede, damit in Deinem
Munde meine Sprache sei!
Bleibe, wo du dich heute finden magst und löse
alle Last von dir!
Nackt und ohne Geschmeide gehe in dein Aller‐
innerstes ein und lerne schweigen bis dir
meine Sprache wiederkommt um mich dir zu
künden! ‒ ‒ ‒
Ich liebte dich in mir selber, da du bei mir
warst von Ewigkeit her und ich liebe dich,
auch wenn du mich verlassen hast!
Nicht ich bin es, der sich vor dir verbirgt, son‐
dern du selber suchst, dich vor mir zu ver‐
stecken!
Du lässt deinen Blick ins
Leere schweifen,
wähnend, mich dort etwa zu finden, und brauch‐
test dich nur zu
dir selbst zu kehren um
bei
mir zu sein! ‒ ‒ ‒
Du
weisst noch nicht, dass du dich vor
mir
versteckst, wenn du vor
dir selber dich zu
verbergen suchst in schweren Prunkgewändern,
um mir zu nahen!
Du weisst nicht, dass
ich selbst mich dir ge‐
geben habe und dass du alles nur in
dir selber
findest, was du noch aussen suchst!
Siehe,
die Schätze aller Welten sind wie
Staub
vor dem
Kleinod, das du
in dir selber
birgst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
In allen Atomen deines Körpers leuchte Ich! ‒
... Dieser Körper aus festem und halbfestem
Stoffe ist mir wie eine alabasterne Lampe, in
der ich, das Licht, alles durchleuchte. ‒ ‒
Mich hält er nicht!
Mich kann nichts halten!
Alles ausser mir ist mir Bild, und ich bin
Licht allem Gebilde das ich durchleuchte! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Ich bin fluidische Kraft und doch über allen
fluidischen Kräften! ‒ ‒
Ich klinge in allen Lauten, Harfen und Flöten
des unendlichen Raumes! ‒
Ich bin der Meister unendlicher Symphonien,
von denen die Sphären der Ewigkeit wider‐
hallen!
Wer mich erkennen und aus der Kraft des
Lichtes in mir leben will in Ewigkeit, der
muss zu einem meiner Instrumente werden...
Im leuchtenden Tone einer meiner Sym‐
phonien muss er ewigen Sphären erklingen. ‒ ‒
Ich binde die Klänge und ich löse sie auf
nach meinem eigenen Gesetz, das mir von Ewig‐
keit her innewohnt.
Ich habe als Meister meiner Symphonien gute
Spielleute unter mir.
Sie alle gehorchen meinem Winke, und keiner
wird jemals meinen Instrumenten falsche
Töne entlocken...
Ich selbst gebe nur die Zeichen.
Meine Spielleute aber bringen die Instrumente
alsdann zum Tönen, und ich bin hinwieder der
Ton, der ihnen entquillt. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Manche der Instrumente werden sich dessen be‐
wusst, manche aber auch nicht, dass sie nur
durch mein Gesetz geleitet zum Ertönen ge‐
langen, und dass ich der Ton bin, der in ihnen
klingt. ‒
...Dieser Leichnam, den du siehst, wenn du
dich von aussen her betrachtest, bin wahrlich
nicht Ich! ‒ ‒ ‒
In ihm aber habe ich hier meiner Kraft einen
Stützpunkt gegeben, damit ich auf dieser
Erde alles zum Erklingen bringe, und selbst
mich in allem als Klang gebären könne...
Unnennbar ist die Zahl der Symphonien die in
mir verborgen ruhen und offenbar werden
wollen. ‒ ‒
Zu
leuchtendem Klang will ich mich formen
in allem was durch mich erklingen
will!
Auch
dich werden meine Spielleute nicht ver‐
gessen, wenn du zu einem meiner Instrumente
werden
willst. ‒
Auch
du sollst ewig leuchtend tönen in einer
meiner unendlichen Symphonien!
Ich bin es, der dich erlösen kann, denn nur
wenn
ich selbst in Dir erklinge wirst du
ewig
beseligt sein! ‒ ‒ ‒
Siehe, all deine Sehnsucht will nichts anderes,
als dich mir in leuchtendem Klange
vereinen!
Du fühlst zwar deines Herzens Sehnsucht, aber
du weisst sie noch nicht zu deuten. ‒
Verhalten, wie in einer unberührten Saite, birgt
sich in dir
dein eigener Klang; aber nur
wenn
mir du dich einen willst, wirst du
dich
selbst zum Erklingen bringen können. ‒
Ein
neuer Ton wird dann dem
All erklingen
und
du wirst
dich in Allgewalt vernehmen ‒
mir geeint ‒ in deinem eigenen
Ich! ‒ ‒ ‒
Dich selbst musst du vernehmen lernen, wenn
du einst selbst vernommen werden willst!
Noch hörst du auf mancherlei Stimmen und
gibst bald dieser, bald jener den Namen deiner
selbst...
Wisse, dass du ein anderes bist als alle Stimme
der Sichtbarkeit und ein anderes als alles
Unsichtbaren Stimme um dich her!
Noch gilt dir das Angenommene, das ein‐
stens du verlassen musst, als eigenstes Eigen,
so dass es dir dich selbst verbergen muss. ‒ ‒
Noch hörst du auf lautes Rufen um dich her,
so dass du dein eigenes Wort nicht mehr
verstehen kannst! ‒
Noch suchst du auch mich in diesem lauten
Rufen, das dir von allen Seiten in die Ohren
gellt, und mühst dich in krampfhaftem Hor‐
chen, meine Stimme in solchem Lärm zu hören.
Mich aber kannst du nur in dir selbst ver‐
nehmen, und nur nachdem du dich selbst zu
vernehmen weisst! ‒ ‒ ‒
Nicht
neben dir, sondern
in dir selbst bin
ich
in dir verborgen! ‒ ‒ ‒
Suche mich darum nicht als ein anderes
ausser
dir, wenn du mich wahrhaft finden willst!
Solches wäre arge
Torheit und würde dich nur
zur Beute der
Gespenster machen, die du
selbst dir schaffst, sobald du dich verneigend
niederbeugst vor einer Macht, die nicht
in dir
selbst allein sich finden lässt!
Siehe ich bin in allen Weltenräumen, und wenn
du gleich
mir in allen Weltenräumen wärest, so
würdest du auch
dort mich finden...
So aber bist du an
deinem kosmischen Ort
allein! ‒ ‒
Kein Anderer kann dort
bei sich selber sein,
wo
du allein im unermesslichen All
bei dir
selber bist! ‒ ‒ ‒
Dort aber nur, wo du
bei dir selber bist,
kannst du
dich vernehmen, und nur wenn du
dich vernimmst, kann ich
mich dir offen‐
baren. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Schwer wird es dir,
mich also zu fassen, solange
du noch
dich selbst nicht erfasstest! ‒
Es will dir scheinen, als könnte ich dir nicht
unterscheidbar bleiben von dir selbst, wenn
du mich
in dir vernehmen würdest...
Du bist zu sehr gewohnt, nur etwas
neben dir
zu vernehmen, als dass du noch erfühlen könn‐
test was es heisst:
in deinem eigenen «
Ich»
etwas zu erkennen. ‒ ‒
Wahrlich, du hast dich weit von
dir entfernt!!
Du
sagst noch: «
Ich», aber was sich so nennt,
hat
nichts mit
dir selbst zu schaffen.
Bald ist es dein
Leib und seine Triebe, ‒ bald
ist es
unsichtbares Irdisches in dir, das mit
diesem Worte sich bezeichnet, während du
selbst darauf
verzichtest, dich zu ‒ «
äus‐
sern»...
Im
Äusseren aber
musst du
dich behaupten
lernen, soll das Äussere dir nicht zur
Fessel
werden!
Binde
du selbst alles Äussere um dich her mit
den starken Schnüren deines
Willens, damit
es nicht über dich herfalle, wie eine Horde
Wegelagerer den arglosen Wanderer überfällt,
ihn bindet und seines Besitzes beraubt!
Ich habe
mich dir gegeben als meinen kost‐
barsten
Besitz, denn wahrlich:
ich besitze
mich selbst! ‒ ‒ aber du weisst noch nicht,
dass du Grösseres in dir birgst, als selbst das
Grösste deiner Vorstellung, denn noch bist du
nicht
zu dir selbst gekommen. ‒ ‒ ‒
Alles,
was du
über dir wähnst, trägst du
in dir
selbst!
Ach, dass du deine aufwärts gekehrten Augen
in dich selbst hinein zu blicken lehren woll‐
test!! ‒
Dich selbst lerne finden in deines Innern
Innerstem, damit du
in dir selber
mir be‐
gegnen kannst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Wahrlich, ich liebe mich selbst und du sollst
mir gleichen und dich über alles lieben!
Nicht deinen Leib, noch was sonst «Ich»
sagen mag an dir, sollst du so «über alles» zu
lieben wissen, auch wenn du deinem Leibe und
deinen unsichtbaren Kräften stets in Liebe
dich verbinden wirst!
«Über alles» sollst du nur dich selber lieben
im Innersten deines Innern, ‒ dich selber,
der mich in sich birgt! ‒ ‒ ‒
«Über alles» zu lieben soll dir heissen: mehr
als alles was ausser dir ist, dich selbst zu
lieben; und liebst du auf solche Weise dich
selbst, so wirst du erst in dir selber deine
höchste Liebe finden in mir! ‒ ‒‒ ‒ ‒
Du bist gar irrig belehrt, wenn du etwa glauben
solltest, du müsstest alles lieben! ‒
Deine höchste Liebe, die du in mir erst finden
kannst, nachdem du dich selber lieben lern‐
test, ist frei von jedem Gegenstand der Liebe,
und Einige, die nur zur Hälfte erkannten, was
sich erkennen lässt, haben daraus gefolgert,
dass sie alles umfassen müsse. ‒ ‒
Meine Liebe aber folgt nur dem mir innewoh‐
nenden Gesetz und ist in mir selbst be‐
schlossen. ‒ ‒ ‒
Alles was sie umfassen will, muss sie in mich
selber ziehen. ‒ ‒
In mir aber ist nichts, das nicht mich selber
will! ‒ ‒ ‒
So lenke auch du deine Liebe, wenn du nach
aussen liebst, mit weiser Wahl!
Nicht lieben soll dir gewiss nicht etwa: hassen
heissen!
Du wirst Vieles ausser deiner Liebe lassen
müssen, was du durchaus nicht «hassen»
sollst! ‒ ‒
Frei von Liebe und Hass wirst du dem
Allermeisten, was du nicht selber bist, be‐
gegnen müssen...
Lieben sollst du, was dich zu dir selber
bringt, und damit zu mir!
Alles Andere stehe allezeit ausser deiner
Liebe! ‒ ‒ ‒
Wie aber könntest du zu lieben wissen, was
du lieben sollst, wenn du dich selbst nicht
liebst, ‒ dich selbst, in dem sich dir deine
höchste Liebe allein enthüllen kann?! ‒
Bevor du
dich selbst ergründet hast und
dich selber «
über alles» liebst, wird all deine
Liebe nach aussen nur ein
Schein und ein
Blendwerk sein. ‒ ‒
Du wirst dich
selbst betrügen, wenn du vor‐
dem zu «lieben»
meinst, und was du zu «lie‐
ben»
vorgibst, wird von dir
betrogen sein...
Erst dann wirst du ein wahrhaft
Liebender,
wenn du
dich selbst zu lieben weisst! ‒ ‒ ‒
Alle grossen Liebenden waren stets in der Liebe
ihrer selbst, umfingen
sich selbst in allen
Gluten der
Liebe! ‒ ‒
Wisse aber, dass du auch dort, wo du keines‐
wegs
lieben sollst, dich noch viel weniger dem
Hass überantworten darfst, wenn du
mich in
deiner
höchsten Liebe erreichen willst!
Dass du dich des Hassens
fähig fühlst, sei dir
ein Beweis deiner Kraft zu
lieben, ‒ aber
nicht alles, dazu du dich fähig fühlst, dient dir,
dich selber zu erreichen! ‒ ‒
Lieben ist die grosse
Bejahung dessen, das
du liebst, ‒
Nichtlieben die
Verneinung, ‒ ‒
Hass aber das Eingeständnis der
Ohnmacht,
das Verneinte dir aus dem Wege räumen zu
können!
Alles Verneinte aber soll dir gelten als sei es
dir nicht vorhanden!
Du sollst es nicht mehr sehen wollen und ihm
die Kräfte nicht mehr senden, die es durch
deine Beachtung stetig neu erlangt. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Lässt du den Hass aber in dir wirksam werden,
so nährst du das Gehasste immerfort mit
deinen Kräften, und du wirst Sorge tragen
müssen, dass es nicht zum Ungeheuer wird, das
dich verschlingt...
Die wahrhaft Liebenden, die mich in ihrer
höchsten Liebe fanden, waren wahrlich
keine lahmen Ja- und Amensager zu allem
was ihnen begegnen mochte, und sie wussten
kraftvoll zu verneinen wo es nötig war,
aber keiner aus ihnen übergab sich jemals dem
Hass! ‒
So sollst auch du des Hasses Herr zu werden
suchen, und wenn es dir heute noch nicht ge‐
lingen mag, so wirst du morgen den Hass
überwunden haben, sofern du nur wachsam
bleibst, und bestrebt, dich über den Hass zu
erheben. ‒ ‒ ‒
Je mehr du
erkennst, dass all dein
Hassen
nur das Gehasste
nährt, desto eher wirst du
dich dem Hasse
entwinden!
So manche
Quelle des Übels auf dieser Erde
wäre längst
vertrocknet, würde nicht immer
der
Hass aufs neue sie zum Überströmen
bringen! ‒
Wenn du wirklich willst, dass ein Verderbliches
sich in sich selbst verzehre, dann brauchst du
ihm nur deine Liebe völlig zu
entziehen! ‒ ‒
Solange du noch
aktiv bleibst in deiner ver‐
meintlichen «Verneinung», hast du nicht wahr‐
haft
verneint! ‒
Was dir der
Verneinung wert erscheint muss
völlig deiner Beachtung
entschwinden und
darf in keiner Weise mehr von dir deiner Auf‐
merksamkeit gewürdigt werden. ‒ ‒
So wirst du das Verneinte
wirklich entkräften
und deine
Liebe wird, von aller Fessel frei,
bejahen können was sie liebt! ‒ ‒ ‒
In deiner
höchsten Liebe wirst du dann in
mir auch die
höchste Bejahung finden, die
in sich selber ewig nur
sich selber liebt! ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Sehnend durchwachst du die Nächte und rufst
nach mir, dass ich dich erhöre...
Wohl weiss ich um dein Rufen und will dir zu
Hilfe eilen; allein du verschmähst noch meine
Hand und harrest anderer Hilfe!
Wohl suchst du mich, aber du kennst mich
nicht und erwartest statt meiner einen Ande‐
ren zu finden, der dem entspricht, was du aus
mir dir machtest in deiner Schöpferallgewalt
der Phantasie...
Ach, dass ich in deiner Träume Gestalt mich
wandeln könnte, damit du erkennen würdest,
wer dir naht! ‒ ‒
Ich aber bin ewig unwandelbar, mein eigenes
Gesetz und meines Gesetzes Folge, so dass
ich stetig bleibe der ich bin und kein wallen‐
der Wunsch der Wandlung mich je erreicht. ‒ ‒ ‒
Du selbst wirst das Bild dir wandeln müssen,
nach dem du mich dir geschaffen hast, dort
wo du Schöpfer bist! ‒
Du wirst mich sonst niemals erkennen und ich
würde dir wie ein Fremder bleiben müssen,
‒ ‒ ich, der ich dir der Allernächste bin, da
du in dir mich verbirgst. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Dir selbst verbirgst du mich, um dir einen
Götzen zu schaffen, in dem du mich zu finden
wähnst!
Torheit hält dich in Banden, da alle Weis‐
heit dir innewohnt! ‒ ‒ ‒
Wohl mag es die Torheit Anderer sein, die
dich also gefesselt hält, allein nur du selbst
vermagst es, deine Fesseln wieder zu lösen!
Ehe du mich nicht so erkennen willst wie ich
von Ewigkeit her in mir selber bin, wirst du
mich suchen in allen Weltensphären und den‐
noch mich nicht finden! ‒ ‒
All dein sehnendes Verlangen wird dir zu nichts
nütze sein, denn auch wenn ich mich deiner
Sehnsucht neige, bleibe ich dir fremd, wie einer,
an dem du achtlos vorübergehst...
Du wirst erst das Bild, das du dir geschaffen
hast, gar gründlich wandeln müssen, soll es
in Wahrheit meine Züge zeigen! ‒ ‒
Du wirst dein Auge wahrlich anders sehen
lehren müssen, willst du mich erkennen, wie
ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit! ‒ ‒
Siehe, ich selbst bin meines Gesetzes Kraft
und kann mir selber nicht entspringen, selbst
wenn meine Liebe zu dir mich bewegen könnte,
aus meinem eigenen Sein mich zu lösen um dir
Erlösung zu werden! ‒ ‒ ‒
Doch, da ich dich liebe, will es nicht mein
Wille, dass dein Suchen fürder irre Wege gehe,
und darum hörst du heute meine Stimme als
die Stimme dessen, den du noch nicht kennst...
Ich will dir gewisslich Heiland und Erlöser
sein, allein du selbst musst wollen, dass dir
nach diesem, meinem Wort geschieht. ‒ ‒
Du selbst musst alles Bild vergessen um wir‐
kender Wirklichkeit zu nahen, und alles,
was dir deine Phantasie gebar, musst du als
Gaukelspiel bewerten. ‒ ‒
Du musst endlich lernen, dir zu sagen, dass
mich Jene nicht erkannten, die dich lehrten,
und die der krausen Dinge viel von mir zu sagen
wussten, da sie mich sahen, wie der ihren einer,
nur mächtiger und grösser, wie in Heilig‐
keit so aber auch in Schuld, ‒ denn wäre
ich, was Jene aus mir machten, dann müsste
solche Ausgeburt betörten Wähnens als Wider‐
sacher seiner selbst mit sich in ewiglichem
Kampfe liegen.......
Ich aber bin ewig einig, in mir selbst gegründet,
und nichts in mir kann mir selber widerstreben!
Siehe, ich bin höchste Tat! ‒ ‒ ‒
Ich selbst bin mir Wirkung und Ziel!
Ich selbst bin mir Ursprung und Folge!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nicht dein suchendes Sehnen kann mich er‐
reichen, sonst hättest du mich längst schon in
dir gefunden! ‒
Nur in der Tat wirst du mich in dir finden
können, und keine Qual der Sehnsucht banger
Nächte wird mich dir so wesenhaft erkennbar
machen, wie eine wache Tat in der dein Suchen
wahrhaft mir entgegenstrebt! ‒ ‒ ‒
Wähne aber nicht, dass es deine Tat an sich
selber sei, die mich dir erkennbar werden
lässt!
Wohl musst du erwägen, was deine Tat be‐
wirkt, und ob sie wahr und unbezweifelbar
auch in der Richtung deines Suchens, das
nach mir verlangt, zur Folge führen kann. ‒ ‒
Wird dir alsdann Gewissheit, dass dein Wille
rechte Wege wandelt, so zögere nicht länger
und versäume nicht die gute Stunde, die dich
tatbereit und frischen Mutes findet!
In wacher Tat wirst du mir alsdann in dir
selbst begegnen und mit mir in dir ver‐
einigt sein! ‒
In wacher Tat will ich selbst mich in dir,
den ich liebe, erleben! ‒
In wacher Tat sollst du mir Zeichen und
Zeugnis werden! ‒
So will ich dich in dir vollenden: ‒ du, der nur
in mir sich vollenden kann! ‒
Aus mir gezeugt, soll Tat sich aus dir gebä‐
ren, auf dass sie weiterzeugend wirke nach
meines ewigen Willens Geheiss! ‒
Du selbst sollst mir in heiliger Geburt geboren
werden, durch deine wache, selbstgewollte, freie
und des Freien wahrhaft würdig getane Tat! ‒ ‒
Siehe, ich, der Einige in sich selber, werde
dennoch zur Ursache ewigen Kampfes!
Alles was mich erreichen will, kann nur durch
Kampf zu mir gelangen. ‒ ‒
Nur als Kampfpreis wirst du mich erringen!
Ich selbst werde niemals von solchem Kampfe
berührt, denn in mir hat keine Zwietracht
Raum!
Wer noch kämpfen muss, ist noch nicht bei
mir...
Wie aber sollst du mich in dir finden, wenn du
nicht alles in dir niederzukämpfen weisst,
das mich dir verbirgt?! ‒
Ohne Kampf wirst du keines der Hinder‐
nisse die dir den Weg verlegen, jemals besei‐
tigen können!
Du musst Sieger werden in diesem Kampfe,
wenn ich nicht ewig dir unerreichbar bleiben
soll! ‒ ‒
Es wird ein Kämpfen sein, das wahrlich alle
deine Spannkraft braucht!
Es wird ein Kämpfen sein, das alle Ausdauer
verlangt!
Es wird ein Kämpfen sein, das dich nicht
müde sehen darf, bevor der Sieg dir wurde...
Du kannst den Sieg nicht erlangen, wenn du
nicht willens bist, all deine Kräfte aufzubieten
um jedes Hindernis das dir im Wege liegt in
deinen Dienst zu zwingen! ‒
Du sollst wahrlich in diesem Kampfe nicht
töten wollen, denn was du ertöten würdest,
trägt Kräfte in sich, die dir den endlichen Sieg
erstreiten helfen, wenn du sie deinem Wil‐
len beugst. ‒ ‒
Viele sind schon ausgezogen, diesen Kampf zu
kämpfen, aber nach kurzer Zeit schon verliess
sie der Mut und sie paktierten mit allem was
ihnen entgegenstand...
So überwältigt kehrten sie zurück und riefen
allen die da kämpfen wollten zu: «Es ist
unmöglich in diesem Kampfe Sieger zu blei‐
ben!»
Einige aber zu allen Zeiten wussten dennoch
den Sieg zu erkämpfen, und mit dem ewig
grünen Lorbeer des Siegers geschmückt, kehr‐
ten sie zurück. ‒
Auch dich will ich als Sieger sehen!
Siehe, ich rate dir: vergiss niemals, solange
du im Kampfe liegst, dass alles was dir entgegen
steht, nur darauf lauert, dass dich dein
Wille zum Siege verlässt!
Noch niemals wurde ein Streiter besiegt, den
dieser Wille nicht vorher verlassen hätte...
Du magst des öfteren unterliegen, und doch
wird der Sieg dir gewisslich nicht verloren
sein, solange dir der Wille zum Siege, der da
ein Glaube ist an deinen Sieg, nicht unwieder‐
bringlich verloren geht! ‒ ‒ ‒
Aller Kampf aber, der den Willen zum
Töten züchtet, ruft neue Kämpfe wach, auch
wenn er dich vorerst als Sieger sieht. ‒ ‒
Darum sollst du nicht töten wollen in diesem
Kampfe!
Deine treuesten Diener werden dir gerade
jene sein, die du im Kampfe durch hohen Mut
besiegtest!
Sie kennen dann in dir ihren Herrn und wer‐
den dir in allen Fährnissen gehorsam sein.
Mit ihrer Hilfe wird der Kampf dir zum Spiele
werden und nichts mehr kann dir den Sieg ver‐
wehren! ‒ ‒ ‒
Aber vergiss nicht, dass alle diese Feinde, die
du dir zu Dienstleuten machen sollst, dass
Kampf und Sieg und Walstatt des Kampfes
nur in dir selbst zu finden sind!
Auch wenn du nach aussen kämpfen zu müs‐
sen glaubst, wird doch der wahre entschei‐
dende Kampf nur in dir selbst allein zu
durchkämpfen sein. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du erliegst noch der Täuschung und bist in
tausend Sorgen, wie du der Aussenwelt be‐
gegnen könntest!
Was hier dich bedrängt und vielleicht dem
Scheine nach besiegt, wird von dir noch immer
viel zu hoch gewertet!
Noch immer verlierst du den Glauben an
dich selbst, wenn man dich von aussen her
überrennt!
Ach, dass du endlich sehend würdest um zu er‐
kennen, dass aller äussere Sieg wie alle Nieder‐
lage in der Aussenwelt, nur törichte Täu‐
schung bergen!
Nur was du im Innern dir zu Diensten zwingst,
wird wahrhaft bezwungen sein!
Nur wenn du im Innern endlich den Sieg er‐
ringst, wirst du mir Sieger heissen!
Nur
dieser Sieg
in dir selbst wird dir
mich
zum Kampfpreis werden lassen! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Ich gebe wahrhaftig mich keinem, der nicht als
Kampfpreis mich erringt!
Billig,
wertlos und eitler Tand für‐
wahr ist alles,
das ohne Kampf er‐
reichbar sich zeigt!
Aller wirkliche
Wert kann dir nur im
Kampf
zu eigen werden! ‒
Nur als ein
Kämpfender kannst du den Sieg
erringen!
Als
Sieger aber musst du mir entgegentreten,
wenn ich deiner
achten soll, und nur dem Sie‐
ger, der auch den
Kampf nicht scheute, kann
ich mich ewiglich verbinden! ‒ ‒
So sei denn tapfer und fliehe nicht den
Kampf,
der dir so hohen Kampfpreis als Gewinn ver‐
heisst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nach
Frieden verlangt deine Seele, ‒ nach
jenem Frieden, den die Welt nicht geben kann!
Aber nur nach furchtlos bestandenem
Kampfe
wird dir dieser
Friede werden, nach dem du
vergeblich verlangst, solange du Scheu trägst,
dich vorher in den
Kampf zu wagen. ‒ ‒ ‒
Doch kehrst du als
Sieger zu dir selbst zurück,
so wird wahrlich
nichts mehr deinen
Frieden
stören! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Viele wähnen, wenn ihr Kampf
beendet sei, so
hätten sie den
Frieden erlangt.
Töricht ist solches Wähnen, denn des Kampfes
Ende kann dir zum
Verderben werden, so‐
lange du noch nicht erkanntest, dass
kein
Kampf
beendet werden darf
um der Erlan‐
gung des Friedens willen! ‒ ‒
Noch keiner hat jemals den wahrhaften
Frie‐
den sich erkämpft, der nicht den Willen in sich
trug, den Kampf nur als
Sieger zu been‐
den!
Sehnsucht nach Friede ist eine grosse
Ver‐
führung, und wehe dem, der solcher Verfüh‐
rung erliegt!
Sie macht ihn zu wehrloser Beute seiner un‐
sichtbaren Feinde und lässt ihn schutzlos zum
Opfer ihrer Willkür werden, dort, wo selbst
siegloser Widerstand ihm noch der Feinde
Waffen in eigenen Dienst gezwungen hätte...
Darum, wenn du den Frieden willst, lass' dir
den Mut zum Kampfe nicht rauben, und höre
nicht eher zu kämpfen auf, als bis dir deine
inneren Feinde selbst den Frieden bieten! ‒ ‒ ‒
Erst dann wirst du dich wirklich deines
Friedens freuen! ‒
Vorher wird dich deine Kampfesmüdigkeit nur
zu scheinbarem Frieden verleiten, und was
du dann so erlangt zu haben glaubst, wird dir
nur die Wahl noch offen lassen: entweder dau‐
ernd deiner Feinde Höriger zu werden,
oder den neuen Kampf zu suchen, in dem du
dann vielleicht also zu kämpfen weisst,
dass dir der Lorbeer des Siegers werden
mag...
Man hat dich gar oft schon falsch beraten und
dir gesagt, dass jeder, der zu mir gelangen
wolle, nur den Frieden suchen müsse. ‒ ‒
Ich aber will wache
Kämpfer und ein Friede,
der nicht als
reife Frucht des Kampfes vom
Baume des Schicksals fällt, ist mir
verächt‐
lich, und wahrlich vor mir nur
Torheit, denn
eher könnte ich dich noch erretten, wenn du im
Kampfe
unterlegen wärest, als so, wo dein
Mangel an Mut dich das Feld des Kampfes
verlassen liess. ‒ ‒ ‒
Die
Helden des grossen Kampfes, denen
ich
zum ewigen Frieden wurde, wussten zu kämp‐
fen
bis zum letzten Tropfen Blut, der
noch in ihren Adern war, und wahrlich:
sie
haben den
Sieg erfochten, auch wenn es oftmals
scheinen mochte, als seien sie nur ihrer
Kämpfe
Opfer. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nicht anders aber will ich auch
dich einst
siegen sehen!
Nicht anders sollst du in mir den
ewigen Frie‐
den finden! ‒ ‒ ‒
Friede heisst mir die
Sicherheit dessen, der
sich die Sicherheit erkämpfte, dass
nichts mehr
ihn zum
Kampfe laden könne!
Friede ist nur jene
Ruhe in sich selbst,
die aller inneren Kämpfe Preis und entflam‐
mendes Kampfziel bildet!
Friede ist Freiheit vor jeder Not des Zwan‐
ges zu neuen Kämpfen!
Friede ist mir die errungene Macht über alles,
was ehedem Feind und Gegner hiess!
Wer solchen Frieden in sich selber fand,
der nur allein kann in mir seinen ewigen
Frieden finden! ‒ ‒ ‒
Ihm will ich der Hort seines Friedens sein!
‒ ‒ ‒ ‒
Ihm wird in mir der Friede werden, den «die
Welt» nicht geben kann, ‒ der Friede, der
nur jenen wird, die in sich selber siegend,
endlich mich zu erkämpfen wissen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Vergeblich suchst du noch immer die Kraft,
die dir zum Siege im Kampfe verhelfen könnte,
und zu ewigem Frieden, weit ausserhalb
deiner selbst.
Auch hier gehst du noch irre Wege und ver‐
schwendest dich an flackernden Trug!
In allen Weltenräumen könntest du durch alle
Ewigkeiten so vergeblich suchen, wenn du nicht
heute noch dich besinnlich zu dir selber keh‐
ren willst! ‒
Nur in dir selber wirst du mir begegnen; ich
aber bin es allein, der sich dir als die Kraft
zum Siege gibt! ‒ ‒ ‒
Ich bin die Kraft, die alle Kräfte meistert,
denn nur aus mir stammt aller Kräfte wirkende
Gewalt!
Täusche dich nicht und werde nicht irre an mir,
wenn du sehen musst, dass diese Kräfte sich als
Widerpart gegenüberstehen!
In unendlichfältiger Formung sende ich aus mir
selbst unendlichfältige Kräfte in alle Erschei‐
nungswelten und nur infolge ihrer Gegen‐
sätze vermögen sie zu wirken...
Ewig tot und kalt und starr wären die Welten
die ich ewig meinem Sein entgegen setze als
äussersten Gegen-Satz, würden die Kräfte, die
aus mir durch diese Welten strömen, nicht in
ewigen Gegensätzen verharren! ‒ ‒ ‒
Ich aber bin in mir selbst aller dieser sich selbst
entgegengesetzten Kräfte Kraft und Leben,
und in mir finden sie ihre Einigung, so sehr
sie auch in der Erscheinung auseinander‐
streben müssen...
Ist es nicht töricht zu nennen, wenn du dich
mühst, dir einzelne Kräfte in harter Frohn zu
Freunden zu machen, oder wenn du versuchst,
durch List und Gegenwehr über andere Herr‐
scherkraft zu erlangen, da du doch aller
Kräfte Herr und Meister werden könntest,
wenn du nur in mir dich selber finden woll‐
test! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Wahrlich, du würdest jeden verlachen, den du
im täglichen Treiben der Aussenwelt, die dich
umgibt, so handeln sehen könntest, wie du in
unsichtbaren Reichen handelnd angetroffen
wirst! ‒
Nichts aber bindet dich, und du kannst
heute noch dich solcher Torheit entwinden,
sobald du den Willen in dir schaffen magst,
der nichts anderes mehr will, als dich in mir,
in deinem Allerinnersten, zu deiner Vollendung
führen! ‒ ‒ ‒
In dir selbst wirst du dann alle Kraft be‐
sitzen um über alle Kräfte aller Welten als
Sieger zu triumphieren!
In dir selbst wirst du alle Gegensätze dann
vereinigt finden!
Du selbst wirst alles Widerstrebende in dir in
steter Wechselwirkung also bannen, dass wohl
die Kräfte in ihren Gegensätzen verharren, und
dennoch eine heilige Einheit formen...
Nur wenn du in mir dich selber gefunden hast,
kann dir dieses hohe Wunder gelingen!
Du bist dann nicht mehr auf dieser oder jener
Seite, sondern im Innersten der Kraft, die
aus sich selber aller Kräfte Wirkung schafft!
In mir nur kann dir die Sicherheit werden,
die dem Willen zum Siege auch gewisslich den
Sieg verleiht! ‒
Wenn du in mir, in deinem Innersten, in Ich‐
Vereinigung dich einst gefunden haben wirst,
wird keine Kraft in allen Welten dich noch fer‐
ner schrecken können. ‒ ‒
Die Krone des Siegers wird dir keine Macht der
Hölle mehr entreissen, denn was du also nennst,
ist nur ein Gegenspiel der Kräfte, die du dann
beherrschen wirst! ‒ ‒ ‒
Geheimnisreich bist du dir selber, und wahr‐
lich: dieses mit Recht!
Du findest dich im Dasein gegründet und trägst
in dir selbst deines Daseins Urgrund; aber
noch suchst du in allem was dir ewig «aussen»
bleibt und «fremd», deines Lebens Begründung
und äussere Ur-Sache zu erspähen, während
dein Suchen dich nur dann zum Finden füh‐
ren könnte, wolltest du dich versenken in dich
selbst und in deine eigene tiefste Tiefe! ‒ ‒ ‒
Ich selbst bin dort deines Daseins Grund und
in mir nur kannst du die Ursache deines Da‐
seins finden! ‒
Du bist gewohnt, von deinem «Leben» zu
sprechen, als sei dein Leben eine sich selbst er‐
schöpfende Kraft aus der dein Dasein spriesse;
aber allzusehr vertraust du in solcher Weise nur
dem Augen-Schein, der dich betört, weil deines
Körpers äussere Erscheinung aus der Nacht
des Nichtseins aufzutauchen scheint um einst
in Nichts und Nacht sich wieder aufzulösen.
Was diese Erscheinung kurze Zeit im Dasein
erhält, das hast du in irriger Verstrickung dein
Leben genannt!
Wahrlich, wenn du in Torheit hier dein Leben
fassbar wähnst, so bist du argem Wahn er‐
legen! ‒ ‒
Tiefer wirst du in dir schürfen müssen, willst du
in dir dein wirkliches Leben je ergründen!
Lerne vor allem erkennen, dass dein Leben
nichts ausser dir ist, ‒ dass all dein Wissen um
dich selbst nur ein Wissen um die Auswirkun‐
gen dessen darstellt, was sich in dir als eigen‐
gründiges Leben selbst erlebt...
Ich aber bin, was sich so als dein Leben
offenbart, und nur wenn du mich in dir gefun‐
den hast, bist du wissend deinem Leben ver‐
einigt!
Vorher nimmst du noch die Wirkung für die
Ursache und was du als dich selbst empfindest,
ist nur der Widerschein des Lebens in dem
dein ewiges Bewusstsein um dich selbst dir in
mir gegeben ist; denn siehe: mich selbst habe
ich dir geschenkt, auf dass du aus meiner Kraft
dich ewiglich in mir begründet finden mö‐
gest! ‒ ‒ ‒
Versuche es, dich selbst zur Erkenntnis zu be‐
wegen, und zu erfassen, dass ich dir näher bin
als alles andere, das du als von dir verschieden
empfindest; ‒ ‒ ich, den du vergeblich in der
weitesten Weite suchst, um dann, wenn du dort
mich nicht findest, dem Wahn zu verfallen, dass
ich für dich und deinesgleichen unauffindbar
sei! ‒
Viele haben so in der äussersten Ferne gesucht,
was ihnen zu nah war, als dass ihr stets nach
aussen gerichteter Blick es hätte fassen kön‐
nen.
Ich aber bin mir ewiges In-mir-selber-sein
und nichts ist ausser mir für mein Umfassen; ‒
wie sollte ich da für dich, der du in mir beschlos‐
sen bist, irgendwie anders fassbar sein, als in
dir selbst?! ‒
Auch dein Alleräusserstes ist mir allerinner‐
stes Sein und Eigen, und wahrlich, du würdest
Irrtum zu Irrtum häufen, wolltest du vermuten,
dass ich in jenen Fernen, die dein Blick durch‐
späht um mich zu finden, für das nicht findbar
sei, was dort aus mir lebt! ‒ ‒ ‒
So aber, wie du deinen Erdenkörper nur erhal‐
ten kannst, wenn deine Lungen in dir selber
Luft zum Atmen finden und wie er alsobald aus
seiner Lebensform sich lösen müsste, sobald er
nicht mehr in sich selbst die Luft zu nützen
wüsste, die das Erdgestirn auch in den fernsten
Fernen, weit von jener Stätte, die dich atmend
findet, noch umflutet, ‒ ‒ so auch kann dir mein
Sein sich nimmer einen, wenn du mich ausser
dir zu suchen unternimmst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nur als dein eigenes Leben werde ich dir
offenbar! ‒ ‒ ‒
Vergeblich würdest du alle Welten suchend
nach mir durchwandern!
Nur in dir selber bin ich deine Welt! ‒ ‒ ‒
Was du «Bewusstsein» nennst, ist nur das
seiner selbst gewisse Spiegelbild aufleuch‐
tender Seelenatome, vergleichbar jenem
Bilde deines Körperinnern, das der Arzt auf
einem Schirm von chemischer Substanz erhält,
wenn er mit jenen Strahlen deinen Leib durch‐
leuchtet, die dichte, dunkle Körper zu durch‐
dringen fähig sind...
Wie aber der Schirm, der jene Strahlen sichtbar
machen soll, bereitet sein muss nach Gesetz
und Regel, soll er deines Körperinnern untrüg‐
liches Bild in leuchtender Erscheinung zeigen,
so musst auch du selbst dich bereiten,
willst du dir selbst zum Spiegel deines Aller‐
innersten werden! ‒ ‒
Nicht eher wirst du mich in dir als dein inner‐
stes Sein und Leben erkunden, als bis du selbst
dich mit wachem Willen bereitet hast, so dass
deine Seelenatome leuchtend dir das Bild deines
Lebens wiederspiegeln!
Dann aber wirst du in diesem Bilde dich mit
mir vereinigt finden, denn was auf solche
Weise zum Aufleuchten kommt, bin in Wahr‐
heit ich selbst, so wie in dir ich mich er‐
lebe. ‒ ‒
Dunkel bleibt dir, trotzdem ich es durch‐
strahle, alles, was nicht du selber bist! ‒
Dunkel bleibt alles, was nicht mit wachem
Willen bereitet ist! ‒
Jenen irdisch-geheimnisvollen Strahlen gleich,
von denen ich vordem zu dir sprach, bleibe ich
unwahrnehmbar der unbereiteten Seele...
So aber du selbst dich in dir bereitet hast,
wirst du in meinem Eigenlichte erstrahlen, und
als dein eigenes Leben will ich dir mich
enthüllen in dir selbst! ‒ ‒ ‒
Unzählige Arten des Lichtes kannst du auf die‐
ser Erde kennenlernen und doch wird jede Art
des Lichtes die dein Auge je erblicken mag,
weithin überstrahlt von jenem einzigartigen
Lichte, das dem Erdball jenes ferne Sonnen‐
feuer schickt, aus dessen Strahlungskraft das
Kleinste, wie das Grösste dieses Wandelsternes
seine Formung findet. ‒
Aber auch dieses gewaltigste Licht das irdi‐
schem Auge noch erfassbar ist, bleibt trüber
Schimmer, willst du es etwa jenem Lichte ver‐
gleichen, das dich aus Geisteshöhen erreichen
kann, sobald du fähig wirst, es aufzunehmen...
Es ist kein leeres Spiel mit bildhaften Verglei‐
chen, wenn dir von geistigem «Lichte» ge‐
sprochen wird! ‒
Was dir aus geistigem Reiche zukommt, ist
wahrlich «Licht», und alles irdisch wahrnehm‐
bare äussere Leuchten, ist nur insofern «Licht»
zu nennen, als es mit ähnlicher Empfin‐
dung deine Seele erfüllt, wie jene Urkraft die
aus hohen Geistes-Sphären dich erreichend,
sich als «Licht» dir offenbart...
Von diesem Lichte, das «in der Finsternis»
leuchtet und das die Finsternis niemals begrei‐
fen kann, sprach einer der Meinen dir als von
dem «Leben», ‒ und wahrlich: Wahrheit
künden seine Worte! ‒ ‒ ‒
Nur wer mich in sich selbst als sein eigenes Le‐
ben fand, kann auch von dem Lichte Zeugnis
geben!
In seiner urgezeugten Allgewalt soll ewig dieses
Licht des Geistes all dein Innerstes erhellen!
Du selbst sollst in dieses Lichtes Leuchten im‐
merdar erstrahlen und deines Leuchtens soll
kein Ende sein! ‒ ‒ ‒
Wie ein kunstreich geschliffener Diamant nicht
eher sein inneres Feuer wiederstrahlen kann, als
bis er von einem irdischen Lichte durchflutet
wird, so kannst auch du nicht aus deinem Inner‐
sten strahlen, solange du noch das Dunkel liebst
und dich vor mir verbirgst, ‒ vor mir: dem
ewig aus sich selber leuchtenden Lichte,
das Leben allem Dasein ist, in strahlender
Fülle und ohne Unterlass! ‒
Wahrlich, alles Dunkel sollst du dir selbst er‐
hellen, wenn du in mir dich leuchtend finden
wirst!
Alle Wunder deiner selbst sollen dir offenbar
werden und alles was dich umgibt soll im Wie‐
derstrahlen des Lichtes leuchten das dich als‐
dann erfüllt! ‒ ‒
Noch aber genügt es dir, im Dunkel zu liegen
und dich nach dem Lichte nur zu sehnen, wohl
ahnend, dass du in seinen Strahlen aufzuleuch‐
ten vermöchtest, wie ein Kristall, den plötz‐
lich das Licht der Erdensonne trifft.
Oder, wenn du schon hin und wieder deiner
Trägheit dich entwinden magst, so bist du zu‐
frieden, wenn dich nur irgend ein Strahl aus
trüber Leuchte erreicht, der dann ein düsteres
Glühen deinem Innersten entlockt, ‒ ein müdes
Glimmen, das dich selbst nicht zu erhellen
vermag und noch viel weniger deiner Umwelt
Dunkel lichtet! ‒
All deine Fähigkeit zu leuchten glaubst du ge‐
nügsam so vor dir selbst bestätigt, um alsbald
dich wieder im Dunkel zu finden, sobald jene
trübe Leuchte sich von dir entfernt...
Du magst die wundersamsten Facetten zeigen
und dich mit allem Rechte, deines Wertes wohl-
bewusst, deiner kostbaren Formung erfreuen,
aber niemals wirst du dich so aus deinem Inner‐
sten erleben, und als ein Fremder wirst du dir
selbst nichts zu sagen haben, solange du in sol‐
cher Schwere und starrer Trägheit verharrst! ‒ ‒
Die Jahre deines Erdenlebens fliehen dahin und
jede Sonnenwende wird dich am gleichen Fleck,
in gleiche Dunkelheit gebannt, erreichen, bis
einst dein irdisches Auge sich ermüdet für im‐
mer vor dem dir letzten Lichtstrahl der Erden‐
sonne schliesst und du, in gleicher Dunkelheit
verharrend, selbst das äussere Abbild we‐
senhaften Lichtes nicht mehr wahrzunehmen
vermagst, das deiner dichten Finsternis im
Innern immerhin noch wie ein Trost erschienen
war...
Vergeblich wirst du dann in dir eine auch nur
ähnliche Empfindung zu wecken suchen, wie
sie dein äusseres Menschendasein vorher wenig‐
stens im Lichte deines Erdentages finden
konnte...
Alles in dir und alles was dich umgibt, wird, bei
aller Greifbarkeit, in tiefster Verfinsterung sich
bergen, und dennoch wird dein Sehnen nach
Licht-Empfindung unstillbar sein...
Aeonenlang wirst du so in qualvoller Nacht
vielleicht ein ungenütztes Erdenleben bereuen,
stets wirren Erlebens dunkler Regionen Beute,
bis dir dereinst in fernen Weltperioden wieder
der erste Schimmer des Lichtes werden mag...
Darum sagte dir einer, in dem meines Lichtes
Fülle war, einst das tiefbedeutsame Wort:
«Wirket solange es Tag ist, denn es
kommt» ‒ für jeden der hier nicht wirkte ‒
«die Nacht, da Niemand wirken kann»,
weil er alsdann für unberechenbare Zeiten die
Beute jener Dunkelheit ist, der er während sei‐
nes Erdenlebens nicht entronnen war, aus trä‐
gem Sich-bescheiden und in dem Wahn, seines
eigenen Wertes bewusstes Erleben sei des Reich‐
tums genug, so dass er meiner: ‒ des wesen‐
haften Lichtes, nicht bedürfe. ‒ ‒
Siehe, ich komme zu dir an diesem deinem Er‐
dentage, da ich dich liebe, damit du dich
heute, da es in deine Macht noch gegeben
ist, solchem Schicksal entreissen mögest! ‒ ‒ ‒
Bist du erst dem hier waltenden Gesetze ver‐
fallen, so vermag auch ich es nicht, dich aus
seiner weiterwirkenden Gewalt zu erlösen,
denn alles Gesetz ist in mir selbst ge‐
gründet, so dass ich mich selbst verneinen
würde, wollte ich dich vor deiner Zeit zu be‐
freien suchen! ‒ ‒ ‒
Auch wenn du dich heute, da mein Wort dir
naht, den Banden des Dunkels mutvoll ent‐
reissen wirst, folgst du nicht minder in mir ge‐
gründetem Gesetz!
An dir allein ist es, zu entscheiden, ob du
dem Gesetze der Freiheit, oder dem der Bin‐
dung Folge leisten willst! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du selbst bist Herr deines Schicksals gewor‐
den von dem unvordenklichen Augenblicke an,
da ich dich nach deinem Willen aus mir, der
ich ewig im Augenblick verharre, zu dei‐
ner selbstgewollten Wanderung entliess! ‒ ‒ ‒
Vorher erlebtest du dich selbst in mir, im ste‐
tigen Erleben des Augenblicks, gleich‐
sam den steten Querschnitt alles Daseins fas‐
send; ‒ nach deinem Ausgang aber konn‐
test und kannst du, wenn ich im Bilde mich dir
offenbaren soll, nur noch gleichsam den Längs‐
schnitt alles dessen was ist, erleben, bis du der‐
einst ‒ sei es nach dem Gesetz der Freiheit oder
der Bindung in deinen Ausgangspunkt zu‐
rückgefunden hast, der ich selber bin! ‒ ‒ ‒
Tiefstes Geheimnis wird dir in diesen Wor‐
ten kund, und wohl dir, wenn du es erfassen
magst! ‒ ‒ ‒
Öffne dein Innerstes, damit dir dort wieder‐
klinge, was dir mein Wort verkündet!
In deinem Innersten wirst du so erfahren, wes‐
halb dir die Weisen zu sagen wussten, dass du
wahrhaftig tief «gefallen» bist, als du aus
deiner höchsten Höhe in mir, hinab und hinaus‐
begehrtest in diese Dunkelheit, die dich nun‐
mehr umgibt...
Noch aber trägst du auch hier in deiner Ver‐
finsterung die Kraft in dir, dich wieder zu mir
und zu deiner ersten Höhe zu erheben! ‒
Noch bist du in gleicher Gestalt und wirst sie
dir ewiglich erhalten können, in der ich dich in
mir fand, als ich dich entlassen musste, da dein
Wille nicht mehr Höhe sondern Tiefe suchte!
‒ ‒ ‒
Noch vermagst du aufs neue, hell in mir ‒ im
Lichte allen Lichtes ‒ aufzustrahlen! ‒ ‒ ‒
Du selbst aber musst deinen Willen zur Über‐
kehr bewegen, damit du endlich ‒ da du bereits
Aeonen vor deiner Geburt im Tiere der Erde,
durch dunkle Umnachtung irrtest, ‒ in den Be‐
reich des ewigen
Lichtes findest, das
ich sel‐
ber bin, um in mir für alle Ewigkeit erneut zu
leben!
Siehe, ich
leide in dir, da ich in mir selbst nicht
leiden
kann und alles Leid vor meinem Lichte
Lüge wird!
Ich aber bin ewige
Wahrheit und was nicht in
mir sich
erfüllt, ist Trug und Schein!
Darum rufe ich dich, den ich liebe, damit du die
Lüge
verlassen mögest, die sich als Leid dir
bekundet! ‒ ‒
Darum zeige ich dir den Weg aus deiner Ver‐
finsterung, auf dass du in mir ‒ in
ewigem
Lichte ‒ in
Freude erstrahlen mögest, ehe die
Dunkelheit dich aufs neue binden kann! ‒ ‒ ‒
In
mir sollst du selbst zu
Freude dich wan‐
deln und alles,
was Leid war an dir, soll, wie der
Schorf vernarbter Wunden,
abfallen von dir
und nicht mehr dich entstellen! ‒
Du sollst dir selber als
Freude zu Bewusstsein
kommen, denn nicht eher kann ich als
Licht
in dir mich offenbaren, als bis du selber zu
Freude in dir selbst gewandelt dich mir nahen
wirst! ‒
So allein, o Teurer, wirst du mich in dir selber
finden, als Licht, um in den Strahlen dieses
Lichtes ewiglich zu leuchten! ‒
So sollst du selbst in Freude in mir zu lau‐
terem Lichte werden! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Alles wirst du erreichen, was du erreichen
willst, wenn meinem Worte du vertraust!
Du hast vieles schon erreichen wollen und hast
es nicht erreicht, weil dein Vertrauen allzu‐
seicht gegründet war. ‒ ‒
In den tiefsten Tiefen deines Bewusstseins muss
dein Vertrauen Grund gefunden haben, so dass
kein Geschehen das dir widerfährt, es zu ent‐
wurzeln vermag! ‒
Wie einen Baum, der dir kostbare Früchte brin‐
gen soll, musst du es umhegen, damit die Tiere
der Wildnis den jungen Stamm nicht benagen
können und so sein Wachstum behindern!
Alle wuchernden Schösslinge musst du zeitig
entfernen, damit der Stamm sich aus aller Kraft
des Grundes nähren kann und nichts ihm ent‐
zogen wird, von dem, was er zu seiner Erstar‐
kung bedarf. ‒
Aber auch wenn der Baum deines Vertrauens
bereits auf hohem, kräftigem Stamme Äste und
Zweige zeigt ‒ wenn seine Krone sich voll ent‐
falten will ‒ wirst stets du als guter Gärtner
darauf zu achten haben, dass alle allzuüppigen
Zweige sorglichst beschnitten werden, auf dass
die Kräfte des Baumes nicht seinen nährenden
Früchten sich entziehen, so dass er auch in Bälde
schon reichliche Ernte bringen
kann. ‒ ‒
Wenn du bisher gar oft schon glaubtest, dein
Vertrauen sei
zuschanden geworden, so sage
ich dir, dass du nur allzuwenig Sorge darauf ver‐
wendet hast,
dass erst dein Vertrauen
machtvoll erstarke, ehe du
Früchte von
ihm verlangst! ‒
Bist du ehrlich gegen dich selbst, so wirst du dir
gestehen müssen, dass du gewissermassen «
ver‐
suchsweise» vertrautest, und dass ein gewoll‐
tes, künstlich genährtes Gefühl fast eigensinni‐
ger Sicherheit, dir als das unbeschränkte
Ver‐
trauen erschien, von dem dir zu Ohren ge‐
kommen war, dass es mit magischer Macht dich
begaben könne...
Auf
solche Art zu «vertrauen» aber ist
ver‐
messentliches Tun und kann dir wahrlich kei‐
nen Segen bringen! ‒
Willst du in Wahrheit das grosse
Vertrauen
von dem ich hier künde, in dir Wurzel fassen
und sich entfalten sehen, dann wirst du dich vor
aller Torheit des Wähnens und Wünschens hüten
müssen, denn hier soll Wirkliches zur Wirkung
kommen, und dieses Wirkliche kann seine Wir‐
kung nicht erweisen, solange ihm in dir noch ein
Gebilde deiner Ein-Bildung den Raum beengt! ‒
Siehe, das Vertrauen, das ich in dir finden
will, folgt unbeirrbarem Gesetz und keine Will‐
kür wird es also beugen können, dass es in Wir‐
kung sich bekunde, solange seine einverwobene
Gesetzlichkeit ‒ magst du nun deines Tuns be‐
wusst sein oder nicht ‒ missachtet wird! ‒
Du wirst auch gewiss nicht von heute auf
morgen dieses grosse Vertrauen in deinem
Innern wurzelhaft gefestigt und entfaltet sehen
können!
Es wird, wie alles was du in deiner zeitlichen
Form ins Werden rufen willst, seine Zeit des
Werdens brauchen, und du wirst in Ruhe alle
voreiligen Wünsche bannen müssen, die ihm
nur Hindernisse bereiten würden! ‒ ‒
Beginne damit, in dir alle Kräfte des Erfüh‐
lens wachzurufen, um auf solche Weise ahnend
zu erfassen, was in dir erstehen soll!
Hast du es auch nur ahnend bereits erfasst,
dann halte fest, was dir wurde, und stelle alle
deine Gedanken in den Dienst deines hohen
Strebens, den so erfassten Keim vor Schaden zu
bewahren!
Lasse keinen Tag vergehen, ohne dir aufs neue
dessen bewusst zu werden, was du bereits zu
erahnen vermagst, und wehre dich gegen alle
Gedanken des Zweifels, die wie flatternde Vö‐
gel versuchen werden, den zarten Keim zu ver‐
nichten, bevor er in tiefsten Gründen Wurzel
schlagen konnte!
Setze solcher Verwurzelung keinen Wider‐
stand entgegen, sondern lockere selbst das
geistige Erdreich in dir und überlasse es dem
Tau der Gnade, damit es von jenen feinen Wur‐
zeln durchdrungen werden kann, die dein Ver‐
trauen nähren sollen! ‒ ‒
So wirst du es langsam stärker und immer stär‐
ker heranwachsen sehen; wirst, wie ich eingangs
sagte, darauf achten müssen, dass ihm die Tiere
der Wildnis nicht schaden, und dass wuchernde
Triebe ihm nicht seine Kräfte entziehen...
Ist solcherweise dann aber dein Vertrauen erst
mächtig entfaltet, dann wirst du erproben
müssen, ob du auch wirklich das Edelgewächs
gezogen hast, nach dessen Früchten du ver‐
langst. ‒ ‒
Nicht anders wird dir nun Gewissheit werden,
als dadurch, dass du dein Allerinnerstes zur
Antwort aufzurufen unternimmst, und aus dei‐
nem Allerinnersten wird dir dann die Sicher‐
heit kommen, dass du wahrlich Edelfrüchte er‐
warten darfst, ‒ es sei denn, du habest von
allem Anfang an nur deiner wilden Wünsche
Trieb in dein inneres Erdreich versenkt. ‒ ‒ ‒
Bevor dir nicht aus deinem allerinnersten In‐
nern die Bestätigung wird, dass dein Ver‐
trauen edle Ernte verheisst, sollst du in weisem
Bescheiden dir versagen, Früchte zu erwar‐
ten! ‒ ‒ ‒
Bisher habe ich dir nun hier zwar in Bildern
gesprochen, aber auch ohne Bild und Gleichnis
soll dir verstehbar werden, was hier zu ver‐
stehen ist...
So höre denn und erwäge in deinem Herzen:
Urewige Kraft ist es, die in dir zur Wirkung
kommen soll!
Du kannst diese Kraft nur erwecken durch
jene innere Haltung, die in der Sprache des
Menschenmundes als «
Vertrauen» bezeichnet
wird. ‒ ‒
Keineswegs sollst du nun blindlings vertrauen,
dass irgendwelche
Wünsche stets
Erfüllung
fänden, wenn nur das
Vertrauen in ihre Er‐
füllung in dir vorhanden sei!
Grösseres wird von dir
verlangt und
Grös‐
seres sollst du
erlangen! ‒
Ich will, dass du
mir ohne Vorbehalt vertraust
und solches absolute Vertrauen schliesst in sich,
dass du auch
mir allein deiner Wünsche Erfül‐
lung überlassen magst. ‒ ‒
Nur wenn du
mir allein die Erfüllung deiner
Wünsche überträgst, darfst du mit aller Zu‐
versicht erwarten, dass ich sie zu
erfüllen
trachte! ‒ ‒ ‒
Glaube nicht, du müsstest mir Anweisung ge‐
ben,
wie sie zu erfüllen wären!
Ich weiss allein, wie sie zu erfüllen sind und ob
ihre Erfüllung dir zum
Segen wird! ‒
Ich aber weiss auch nur allein,
auf welche
Weise deinen Wünschen, so sie
höherem Ge‐
setz in mir nicht widerstreiten, die Erfüllung
werden kann! ‒ ‒
Ich nur allein weiss in gewissem Wissen, wann
die Zeit erreicht ist, um dir deine Wünsche, so
sie auch vor mir als wünschbar gelten können,
zu erfüllen! ‒ ‒ ‒
Würdest du auf andere Art dir die Erfüllung
erschleichen und erlisten können, so sei si‐
cher, dass die Erfüllung dir zuletzt nur Unheil
bringen würde, und dass du alsdann den Tag
der Erfüllung verfluchen müsstest! ‒
Vertraue mir, wie du vertrauen sollst: ‒ in ab‐
solutem Vertrauen, und du darfst sicher sein,
dass ich alles dir gewähre, was dir und Anderen
zum Heil gereicht!
Hadere nicht mit mir, wenn ich anders erfülle,
als du dir die Erfüllung dachtest!
Hadere nicht mit mir, wenn ich nicht erfülle,
was dir so leicht erfüllbar schien, ja wenn ich
das Gegenteil von dem was du «Erfüllung»
nennen würdest, deinen Wünschen widerfahren
lasse! ‒ ‒
Warte geduldig die Folge des Geschehens ab,
und dann erst fälle dein Urteil, ob ich dein Heil
versah, oder aber um deines Heiles willen An‐
deres bewirkte, um auf solche Weise deiner
Wünsche letztes Sehnsuchtsziel zu erreichen!
Vorbehaltloses Vertrauen zu mir bedingt, dass
du auch dann mir dein Vertrauen nicht ent‐
ziehen wirst, wenn meine Art dir zu entspre‐
chen, in ihrer Weisheit dem nicht entspricht,
was du erwartet hattest! ‒
Vertraue auch dann und du wirst zuletzt er‐
kennen, dass wahrlich deine Wünsche Erfül‐
lung finden, auch wenn der Weg zu ihrer Er‐
füllung dir zuerst wie ein böser Umweg erschien,
oder gar dein Vertrauen auf harte Proben
stellte! ‒ ‒ ‒
Zumeist aber wirst du sehen, dass deine Wün‐
sche alsbald Erfüllung finden, soweit sie nur
die Grenzen achten, die alles Geschehens Ablauf
bestimmen, und soweit du selbst dafür zu sorgen
wusstest, dass die Erfüllung alle Vorbedin‐
gung antrifft, deren sie bedarf. ‒
Ich werde gewiss nicht auf andere Weise zur
Erfüllung schreiten als du es erwartest,
wenn du nicht durch deiner Wünsche Art mich
dazu zwingst!
Wisse aber, dass du erst dann dich deinem Ver‐
trauen zu mir übergeben darfst, wenn ich selbst
dich zu diesem Vertrauen durch die von mir ge‐
gebene innere Gewissheit berechtigt habe! ‒ ‒
Du wirst diese innere Gewissheit mit aller
Si‐
cherheit in dir zu erfühlen vermögen, sobald
du nur in dir selbst jene innere
Haltung genü‐
gend
gefestigt hast, die dich aller Torheit des
Wähnens entrückt, und wirkliche
Kraftbe‐
zeugung genug bekundet, um
meiner Kraft
zu einem festen Hebelpunkt zu dienen...
Vorher aber musst du dich selbst zu der Er‐
kenntnis durchgerungen haben, dass du stets
meiner Kraft
bedarfst, ‒ dass du nur der
Stützpunkt werden kannst, an dem meine
Kraft, die stetig
in dir selber ruht, sich
er‐
weisen kann. ‒ ‒ ‒
Du selbst musst
fest in dir werden und
dir
selbst vertrauen können, bevor du auf
mich
dein Vertrauen setzen darfst! ‒
In gleichem Grade, in dem ich
dir vertrauen
kann, weil
du dir selbst vertraust, wirst
du
auf mich vertrauen dürfen! ‒ ‒ ‒
Siehe, zu
solchem Vertrauen soll mein Wort
deine Seele leiten!
Solches Vertrauen soll in dir Grund und Nah‐
rung finden!
In solchem Vertrauen wirst du wahrlich alles
erreichen, was nur immer du erreichen willst! ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Mit Licht will ich deine Seele erfüllen, ‒ ich,
der ich in dir mich erlebe, und allen Lichtes
ewiges Leuchten bin!
Aus mir nur kann dir deine Erleuchtung
werden, und es ist kein Licht zu finden, so du
ausser dir suchst, das jemals dich erleuchten
könnte! ‒
Alles Licht, das du aussen wahrnimmst,
stammt aus mir; ‒ ich aber bin in deinem Al‐
lerinnersten verborgen und nur von deinem
Allerinnersten her kann ich dich mit mei‐
nem Lichte erfüllen! ‒
Ich selbst, o du, der sich im Dunkel verbirgt,
bin alles Licht, ‒ ich selbst bin allen Lichtes
Leuchten, ‒ ich selbst bin Erleuchtung
allen, die nach mir Verlangen tragen! ‒ ‒
Ich habe Dir mannigfache Wege gezeigt, die du
zu Ende gehen musst, willst du mich erlangen.
Nicht so, als ob alle die gleichen Wege gehen
müssten; aber jeder wird einige dieser Wege die
ich dir zeigte, in seinen Wegen wiedererkennen
und dann nicht mehr zweifeln können, ob er
zu
mir auf dem Wege ist oder nur Luftgebilden
Vertrauen schenkt, die ihn stets weiter in die
endlose Wüste des Irrtums locken...
Hast du aber mit innerer Stetigkeit jene Wege
durchschritten, die du als die
deinen erkann‐
test, so wirst du mit aller Sicherheit am Ende
eines dieser Wege endlich
mir begegnen und
dann wird der Tag erschienen sein, an dem ich
dich
erleuchten kann, so, dass alles, was vor‐
dem finster war in dir, nun zu
strahlender
Helle sich wandeln muss in
meinem Licht! ‒ ‒
«
Erleuchtung» heisst:
Sichtbarmachen alles
dessen, was vorher im Dunkel lag und nicht zur
Erkenntnis kam!
«
Erleuchtung» heisst: alle Winkel im Hause
deiner Seele erhellen, so dass kein Versteck mehr
bleiben kann, in dem Giftkröten und Vipern dir
begegnen könnten!
«
Erleuchtung» heisst endlich: das Haus dei‐
ner Seele so mit
Licht erfüllen, dass weit hin‐
aus in die Täler der Finsternis, des Lichtes reine
Strahlen sich ergiessen, und alles Nachtgetier
sich furchterfüllt zu seinen Höhlen wendet!
Du glaubtest oftmals schon klar zu sehen im
trüben Lichte das dir die Erde gab, der du dich
aus eigenem Willen verhaftet hast!
Hell schien dir alsdann das Licht des
Verstan‐
des zu erstrahlen, und was es auch beleuchten
mochte, schien dir also erkennbar geworden zu
sein, dass du kaum mehr nach hellerem Lichte
verlangen mochtest. ‒ ‒
Du wirst einst erfahren, dass alles, was dein
Verstand dir bisher vermeintlich erhellen
konnte, in Wahrheit noch in tiefem
Dunkel
lag; ‒ dass du wohl die Umrisse erkanntest,
aber nichts von dem erahnen konntest, was
durch sie Begrenzung fand! ‒
Es schien dir Gewissheit, dass alles dir fassbare
Licht die Dinge nur von aussen her
be-
leuch‐
ten könne; ‒ nun aber soll es dir offenbar wer‐
den, dass du in
meinem Lichte
sehend wer‐
den kannst, so dass dir die Dinge ihr
Innerstes
enthüllen müssen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Wahrlich, es ist kein Kleines, das dir werden
soll, sobald du durch
Liebe,
Tat und
Kampf,
den
Frieden, die
Kraft und das
Leben in
mir fandest: ‒ in mir, der ich das
Licht in dir
bin, das dich ewig
erleuchten wird!! ‒ ‒ ‒
Es gab so manchen schon, der nach Erleuch‐
tung strebte, bevor er die Wege durchschritten
hatte, die ihn allein zum Lichte hätten führen
können...
Tausend Truglichter aber lauerten auf sei‐
nem Wege und so verfiel er dann dem, das ihn
am besten zu trügen wusste, und wähnte sich
in der «Erleuchtung», während er tiefer noch
in Nacht versunken war als alle, die zwar plan‐
los suchten, weil sie den Trug als Trug er‐
kannten, aber den Weg nicht zu finden wussten,
den sie durchschreiten sollten. ‒
Dem gar nun vor den Wegen graut, die er erst
durchmessen muss, will er mir begegnen und in
meinem Lichte erleuchtet sein, der ist
wahrlich der Erleuchtung nicht wert und ver‐
dient, dass er in öder Nacht die Dinge tastend
nur wie ein Träumender be-greift, statt dass
er sie in mir erkennt wie man in mir allein er‐
kennen kann: ‒ durchschauend was da ist;
da alles Seiende in mir nur werden konnte, und
ich sein Dasein in mir trage wie die Mutter ihres
Leibes Frucht! ‒ ‒ ‒
Wer die Erleuchtung sucht, bevor er selbst
sich ihrer würdig machte, verdient, dass ihn
der Trug zu äffen weiss; denn er verwechselt
Wirklichkeit mit seinem Wahn, so dass es
wohlbegründet ist, wenn Wahn sich ihm als
Wirkliches erbietet. ‒ ‒ ‒
O, wie erfüllt ist diese Erdenwelt mit
den Betrogenen ihres eigenen Wäh‐
nens, und wie hoch haben sie sich doch
alle Wege verbaut, auf denen sie einer
erreichen könnte, der sie ihrem Wahn
noch zu entreissen vermöchte!!!
Ich will dich wahrlich nicht unter der Schar
dieser Betrogenen sehen, darum rate ich dir,
den ich liebe, da ich in dir mein Tabernakel
habe: ‒ entfliehe den Wegen nicht, die zu mir
dich leiten wollen, auch wenn sie dir dunkel oft
und trostlos erscheinen mögen; denn siehe: ich
bin wie die Sonne und erstrahle dann am leuch‐
tendsten, wenn vorher dunkles Gewölke mich
dem Auge des Menschen verbarg! ‒ ‒
Auch jenen, die sich so im Dunkel bergen, bin
ich in gleicher Weise innerstes Licht und habe
in ihnen meinen heiligen Schrein, ‒ allein sie
umhüllen ihn mit dichter Hülle und suchen
draussen, was sie nur im Allerinnersten
erreichen könnte...
In stolzem Dünkel glauben sie sich selbst be‐
fähigt, das Licht, das sie erleuchten könnte, in
sich aufzufinden ohne jene Helfer, die ich mir
aus ihrer Mitte schuf, damit mein Leuchten
durch sie die Formung fände, die den Tief‐
umnachteten noch fassbar bleibt, will ich nicht
durch die Strahlen meines sonnenüberhellten
Lichtes ihre Augen also blenden, dass sie aller
Fähigkeit des Sehens ewiglich entraten müss‐
ten. ‒ ‒
Der Sonne kann niemand nahen, aber ihres
Lichtes kann jeder teilhaft werden, und wenn
auch Millionen in ihrem Lichte wandeln, so
wird doch jeder alles Licht empfangen und
keinem würde etwa mehr zuteil, wenn er nur
allein beschienen würde. ‒
Der Strahl der Sonne aber muss erst durch gar
mancherlei Schichten des Weltenraumes hin‐
durch, um endlich in irdischer Atmosphäre
so gewandelt zu werden, dass du ihn ertragen
kannst.
Würdest du ihm zu nahen vermögen, dort wo
er aus der Sonne seinen Ausgang nimmt, so
müsstest du gewisslich im selben Augenblick in
seinem Feuer vernichtet werden. ‒
Es würde dir auch sicher jeder als Ausbund der
Torheit erscheinen, der etwa glauben wollte, das
Licht der Sonne könne ihn erreichen, auch
wenn zwischen ihm und dem leuchtenden Ge‐
stirn keinerlei Substanz vorhanden wäre, in
der sich des Lichtes Wellenschwingung bewe‐
gen kann. ‒ ‒
Ähnliches aber erwarten alle, die mich in sich
finden wollen, ohne vorher sich selbst dem
Stromkreis zu öffnen, den ich durch ihresglei‐
chen mir schuf, als transformierende Substanz
für meines Lichtes Strahlen. ‒ ‒ ‒
Wohl trägst du mich in dir und ich bin dir
näher als dein eigener Leib; ‒ aber nur dein Be‐
wusstsein kann mich dir offenbaren!
Doch dein Bewusstsein ist begrenzt in mannig‐
facher Weise und könnte niemals mich in sich
empfinden, hätte ich mir nicht in Einigen, die
so wie du als Menschen hier auf eurer Erde le‐
ben, eine verwandelnde Kraft erzeugt, die
überquellend ihnen nun entströmt und allem
Menschenbewusstsein dadurch erreichbar
ist, sofern es nur durch Tat und Leben die‐
sem Kraftstrom sich entgegenregt! ‒
Seit vielen Jahrtausenden schon werde ich sol‐
cherart dem Bewusstsein des Erdenmenschen
kund, und solange Menschen auf dieser Erde
leben, werden immer Einige unter ihnen sein,
deren Geistnatur mir dazu dienen wird, diese
Wandlungskraft zu erzeugen. ‒ ‒ ‒
Wenn aber jeweils auch nur Einer unter den
Menschen wäre, in dem ich sie zu erzeugen ver‐
möchte, da er in seiner Geistnatur aus freien
Stücken sich dazu erbot, noch ehe er der Erde
Leib empfing, so würde doch auch aus diesem
Einen schon alles Menschenbewusstsein diese
Wandlungskraft erhalten; denn was ich so in
einem dieser Menschen zeuge, ist keineswegs
in ihm allein beschlossen, sondern
wirkt in Schwingungen sich aus, die
über diesen ganzen Erdball sich ver‐
breiten und jedes Bewusstsein in die
gleiche Schwingung setzen, das, wis‐
send oder auch nur gläubig seinem
Fühlen folgend, mit allen Seelenkräf‐
ten nach mir verlangt! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Die so seit unvordenklichen Zeiten schon, fort‐
zeugend zu Leuchtenden ich mir schuf, waren
fast stets gehalten, unerkannt, in ferner Abge‐
schiedenheit von menschlichem Treiben zu ver‐
harren, und äusserst selten nur ward einem der
Ruf, auch in seinem eigenen Tun unter anderen
Menschen zu wirken.
Nur wenn der Zeiten Fülle es erheischte, neuen
Samen auszusäen, der in meinem Lichte keimen
sollte, liess ich solchen Ruf ergehen.
Doch ist ein Anderes die Wandlungskraft,
die ich in denen, die mir zu Leuchtenden wur‐
den, immerfort erzeuge, und wieder ein Anderes
das Wirken im Bereich der Sichtbar‐
keit, das ich zu Zeiten einem aus ihnen ge‐
bot! ‒ ‒
Kein Anderer aber als einer dieser Leuchten‐
den könnte jemals solchen Wirkens Vollbrin‐
ger sein! ‒ ‒ ‒
Was dir durch einen dieser Wirkenden gegeben
wird, betrachte als Lehre, die dich zur Berei‐
tung deiner selbst zu leiten vermag; ‒ aber
was dir die Fähigkeit verleiht, mich in dir zu
finden, sollst du allein in jener Wandlungs‐
kraft erkennen, die ich in jedem meiner Leuch‐
tenden immerdar erzeuge, mag er im Weltge‐
triebe wirken aus Geheiss und Pflicht, ‒ mag er
in tiefster Einsamkeit und keinem Menschenruf
erreichbar, nur die Kraft zu lenken haben, die
in seiner Geistnatur durch mich erzeugt, ihr nun
entquillt, und so dann die Bewusstseins-Sphäre
aller Menschen dieser Erde zu erreichen weiss! ‒
Suche hier nicht durch des Verstandes trübe
Leuchte dir zu erhellen, was dir erst wahrhaft
licht und klar werden kann, wenn es in deinem
eigenen
Erleben sich erfüllt!
Wisse aber, dass viele Tausende mich suchten
und
nicht zu Findern wurden, da sie sich allzu‐
sehr, in irdischem Bewusstsein träumend, in die
Fesseln ihres Eigenwahns verstrickten, bis der
Gedanke, dass sie um Erleuchtung
bitten
könnten ihnen fremd geworden war, und sie
nicht mehr vermochten,
anzuklopfen, dort
wo jedem, der da anzuklopfen weiss, alsbald
geöffnet wird!
Suchst du
Erleuchtung, so
öffne weit dein
Herz und schaffe in dir den Zustand dessen,
der sich
geben lassen
will, was er noch nicht
besitzt!
Sei wie einer, der an die Türe eines Schatzhauses
pocht, und sich
berechtigt weiss, dass man
ihm öffne!
Suche aber nicht, gleich einem Diebe,
mit fal‐
schen Schlüsseln die Pforte zu öffnen und
nicht einem Kriegsknecht gleich, sie
einzu‐
rennen!
Beides würde dir doch nicht gelingen, und er‐
müdet würdest du vor der Pforte in Schlaf ver‐
sinken, um dann in äffenden Träumen zu wäh‐
nen, du seiest eingedrungen. ‒ ‒
Ebenso hü
te dich sehr, etwa
nehmen zu wol‐
len, bevor dir
gegeben wird!
Auch da würdest du niemals ergreifen können,
was du vor dir zu sehen glaubst, und jedes Lan‐
gen nach dem Begehrten würde dich ins Leere
fassen lassen! ‒ ‒ ‒
So du aber handeln willst nach meinem Wort,
wird dein vergebliches Suchen alsbald beendet
sein!
Das Gesetz
erfüllend, das hier erfüllt sein
will, wirst du zu
finden wissen!
Dein Herz der
Gnade öffnend, die keine Will‐
kür kennt, wirst du
Erleuchtung erlangen,
die
ewig dich erleuchten soll! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
O Du,
Unfassbarer,
Urgewaltiger, der
Du in meine Nacht der Nichterkenntnis Deines
Wortes hellende Sterne sendest, lass meinen
Dank vor Dir wie Weihrauchwolken sich erhe‐
ben und Deines Tempels Unermesslichkeit er‐
füllen!
Wahrlich, ich weiss nicht, wie ich Dich
nennen
soll, es sei denn, Dein «
Name» wäre ‒ geheiligt
durch Dein
Sein ‒ der gleiche, in dem
ich
selbst mich vor mir benennen lernte, indem
ich zu mir selber komme und sage:
Ich!
Du
Ur-
Ich,
Ur-
Licht,
Ur-
Wort bist
Ur‐
Grund meines Seins!
Als Deines «
Namens» Abglanz und Bild, lehr‐
test Du selbst meine Seele, ‒ mich benennen! ‒ ‒
Verdunkelt durch alle selbstgeschaffenen Zwi‐
schenwände, die mich Dir verbergen sollten,
strömte dennoch Dein Licht zu mir!
Als «Luzifer», als
Träger Deines Lichtes, war
ich einst Dir nahe, ehe ich mich selbst in grauen‐
hafte Finsternis versinken liess, da ich ver‐
meinte, selbst das
zu sein! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Nun zeugst Du selbst in meinesgleichen, um
mich zu erlösen, Deiner Liebe unbegreiflich hohe
Wandlungskraft, auf dass in mir ‒ der Seele
jungfräulichem Schoss entsprossen ‒ «
Chri‐
stos» der Herr: Dein
Wort
geboren werden könne, mich aus Höllenqual
und lichtesfernstem Dunkel zu Dir zurückzu‐
führen! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du, meines Daseins
Urgrund gibst
Dich
selbst mir kund, ‒ lehrst mich in Menschen‐
wort: zu
Dir zu finden, und zeigst mir, dass in
Dir die
Gnade wohnt, die, aller Willkür hoch
entrückt,
Gesetz ist und Erfüllung heischt, soll
meine Seele sie erreichen können...
O wie ferne waren doch Jene von Dir, die mir
von «Gnade» sprachen, so als ob Du, wandel‐
baren Erdgeborenen gleich, nach Laune Schuld
erlassen oder auf mir lasten lassen könntest! ‒ ‒
Nun kamst Du selbst zu mir, mich zu belehren,
und ich erkenne Dich, auch wenn mein Auge
noch geblendet ist von Deines Lichtes überheller
Klarheit!
Nun weiss ich, dass ich selbst nur
Abbild
Deines Lebens bin, und dass alles, was ich
selbst mir zuschrieb, einzig und allein nur
Dei‐
ner Allkraft Wirkung war! ‒ ‒ ‒
Zu
Dir, Du mein innerstes
Sein, soll sich hin‐
fort nun meine Seele kehren!
In
Dir nur kann sie geborgen ruhen!
Von
Dir nur darf sie das Heil erwarten!
Aus
Dir nur kann ihr die Rettung kommen!
Ach, dass ich nicht eher schon erkannte, wie
mir
Erlösung werden könne, und immerfort
Ausschau hielt nach kommenden Erlösern, wäh‐
rend ich
in mir selbst, Dich, den Erlösenden
trug! ‒ ‒
Doch will ich wahrlich jetzt nicht murren und
will mein Schicksal nicht beklagen.
Heute,
an diesem Tage,
ward mir das
Heil!
Gepriesen sei ewig Tag und Stunde, da Du, mein
Innerstes, zu mir Dich wenden wolltest!
Nicht könnte ich jemals Dir entrinnen, auch
wenn ich niemals zu Dir mich kehrte!
In Nacht versunken, mich selbst verlierend,
bliebe ich dennoch, auch wissenlos, der Abglanz
des Wunders aller Wunder, das da in Ewigkeit
Du selber bist! ‒ ‒ ‒
Nun aber, da Du selbst mir gerufen hast, will
ich wahrlich den Ruf nicht überhören!
Ach, ich wartete ja so manche Jahre mit aller
Inbrunst auf Deinen Ruf! ‒ ‒
O Du, der meine Seele in sich selber trägt, leite
mich fortan durch jene
Wandlungskraft, die
Du in Menschengeistesformen zeugst, damit er‐
kennend ich zum Schauen komme, jenen gleich,
die Du zu meinem Heile Dir zu Helfern schufst!
Siehe,
ich bin Dein Eigen und nichts
mehr ist an mir,
das da Anrecht er‐
heben könnte an mich!
Ich gehöre nur
Dir und habe nichts mehr, das
nicht von Dir
ergriffen werden wollte!
In
Dir allein will ich mein Heil und meine Selig‐
keit finden!
Dir allein soll hinfort all mein Atmen ein Lob‐
preis sein!
Zu
Dir allein soll sich all mein Denken kehren!
Durch
Dich allein will ich ewig dereinst im
Leben sein! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du, ‒
der:
«Ich Bin!»
ENDE
DAS HOHE ZIEL
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
BÔ YIN RÂ
Autorenname von J. A. Schneiderfranken
3. Auflage
Unveränderter Nachdruck der 1961 in der Kober'schen
Verlagsbuchhandlung erschienenen zweiten Auflage
Erste Auflage Verlag Magische Blätter Leipzig, 1925
© 1972, Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung in
fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen. Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Höher als alle Erdenziele ist das
hohe
Ziel, das dieses Buches Worte dir zeigen
wollen.
Vergeblich aber wirst du dieses Ziel zu er‐
reichen suchen, wenn du es etwa in
weiter
Ferne wähnst!
Der
Weg, der dich zu deinem hohen Ziele
führt, ist
in dir selbst, und
in dir selber
nur wirst du dereinst das hohe Ziel
errei‐
chen!
Auch alle
Hilfe deren du bedarfst auf dei‐
nem Wege, wird dir nur
in dir selbst zuteil!
Nur
in dir selber kannst du die helfenden
Hände ergreifen, die sich dir entgegen‐
strecken!
Verwechsle nicht die
Lehre, die dir das
Ziel zu
zeigen sucht und dich auf den
Weg zum Ziele
leiten will, mit dem
Be‐
treten des Weges
in dir selbst!
Erst dann kann dir die
Lehre Segen
bringen, wenn du nach ihrer Weisung
in dir
selber suchst. ‒
Dann erst wirst du auch
Hilfe in dir sel‐
ber finden!
Sollen darum dieses Buches Worte dich zu
deinem hohen Ziele bringen, so wirst du
sie in dir selber wiederklingen lassen
müssen.
In deinem Inneren wirst du alsdann den
steilen Weg entdecken, und wenn du ihn
mutig zu erklimmen suchst, so wird er auch
dich das hohe Ziel einst in dir selber
finden lassen! ‒ ‒
.Es war nicht klügliches Ersinnen, was die
alten Weisen immer wieder zu der Mahnung
drängte, den Geist in der
Stille zu suchen,
bei «verschlossenen Türen» des Geistes Ruf
zu erwarten. ‒
Was dann im
Inneren vernommen werden
kann, wird nur der
Seele hörbar sein, und
fühlend nur wird sie vernehmen können,
was niemals sich in Worte einer Menschen‐
sprache fassen läßt...
Wohl dem, der solcherart
fühlend zu
hören
weiß!
.Nicht allen wird es gegeben sein, den Ruf
des Geistes sogleich zu
vernehmen.
Sie werden oft lange im «
Gebete» verharren
müssen, ehe ihr
Inneres also
aufgetan
wird, daß sie
in sich selbst den Ruf
er‐
fassen...
.Wie fernes Saitenspiel nur das
ge‐
schärfte,
kundige Ohr die
Melodie er‐
kennen läßt, indessen es anderen Ohren nur
undeutbares Klingen bleibt, so wird der
sanfte Ruf des Geistes nur von denen ver‐
nommen, die ihr
inneres Gehör zu schär‐
fen wußten und die Seele geistiger Dinge
also kundig werden ließen, daß sie auch
deuten kann, was ihrem Hören klingt. ‒ ‒ ‒
.Im Lärm des überlauten Tages taub ge‐
worden, irrt so mancher durch die Wüste, ‒
harrend des Rufes, der ihn erreichen könne,
und seiner Taubheit nicht bewußt.
Vergeblich wird der Ruf des Geistes ihn zu
bewegen suchen...
Erst muß der Lärmbetörte seiner Taubheit
inne werden, um dann in der Stille wieder
sein Gehör zu erlangen.
Erreicht dann wieder Geistiges sein Ohr,
dann wird er lernen müssen, sich dem Lärm
der Außenwelt beharrlich zu
verschließen
und dennoch
nicht vor ihm zu fliehen. ‒
Was immer ihn umgeben mag, ‒ stets muß
er
sich selbst in der
Stille erhalten!
Der Lärm des Tages darf nicht in sein
In‐
neres dringen, auch wenn er sein
Äußeres
mit aller Macht umtost. ‒
Wer den Ruf des Geistes hören will, muß
sein Gehör allein nach
Innen kehren.
Nur in seinem
Inneren wird er vernehmen
lernen können, was nie zu Worte ward...
Lärm und Getöse wird ihn nicht betäuben,
wenn er im Inneren zu hören weiß!
Inmitten der Außenwelt, die ihn um‐
brandet, wird er sich selbst eine
Insel der
Stille sein.
Der Wogen Toben und des Sturmes Heulen
wird er überhören lernen, und
aus der
Stille in ihm selbst wird ihm des Geistes
hoher Ruf erklingen! ‒
.Durch
Tat und
Wirken wird die Stille
nicht gestört, die hier vonnöten ist!
Nicht dort, wo nur des
Todes Stille herrscht,
kann je der Ruf vernommen werden!
Nur wo das
Leben seine Wogen wirft, wird
auch die innere
Stille noch voll des Lebens
sein, aus dem der Geist das
Geistige im
Menschen zeugen kann.
Nur solche
Geisteszeugung hört den
Ruf
des Geistes! Durch sie nur kann dem Men‐
schen
Wissen werden ‒ um
sich selbst!
‒ ‒ ‒
Wer anders je
sich selbst bei «Namen»
nennen hören will, wird stets vergeblich war‐
ten können...
Der Ruf, den er ersehnt, kann nur von
Innen kommen, wenn das
Innerste be‐
reits erwachte durch des Geistes zeugende
Gewalt, die in der Stille nur zur Wirkung
kommt. Nur aus dem
Innersten des In‐
nern läßt sich Geistiges vernehmen!
.Die
Lehre, die von
außen her gegeben
wird, soll dir nur zur Vorbereitung dienen.
Sie soll dein
Inneres des Geistes
kundig
werden lassen, damit dereinst der Ruf aus
deinem
Allerinnersten dir faßbar werden
kann.
Die
Lehre wird dir immer nur vom Geiste
zu
sagen wissen, was sich sagen
läßt. Des
Geistes
Wirklichkeit kann dir jedoch nur
nahen im
Erleben!
Du kannst des Geistes Leben anders nicht er‐
fassen, als durch
Innewerden. ‒ ‒ ‒
So kehre dich denn mit aller Kraft deinem
Inneren zu und
bitte den Geist
in dir
selbst, daß er dein
Allerinnerstes er‐
wecken möge!
Verharre in solchem «Gebete», bis du Er‐
hörung findest!
Erhalte dich in der
Stille und in sicherer
Zuversicht!
Selbst dein «
Gebet» darf nicht die
Stille
stören! ‒
Noch weniger aber darfst du
heischen und
fordern, was sich dir
von selbst ergibt,
sobald dein Inneres durch die Stille
bereitet
ist. ‒
Erwarte in
heiterer Ruhe deinen Tag! Sei
tätig mit all deinen äußeren Kräften in der
Außenwelt, doch lasse das Tabernakel dei‐
nes
Innern niemals durch die Sorgen dieser
Außenwelt entweihen! In deinem
Innern
mußt du, unbeirrt durch die äußeren Stürme,
stets die
Stille bewahren!
Kein Geräusch der Außenwelt darf dieses
Innere in dir erreichen!
So wirst du dereinst ‒ an
deinem Tage ‒
deine
tiefste Tiefe ergründen und zu dei‐
ner
höchsten Höhe erhoben werden!
So wirst du dereinst den
Ruf des Geistes
in dir selbst vernehmen und
dich selbst
im Geiste
erkennen! ‒
Im
Leben des Geistes wirst du dann
selbst dich im
ewigen Leben finden!
*
.Mehr als jemals ist es in heutigen Tagen
an der Zeit, stets erneut darauf hinzuweisen,
daß nicht alles «Geheimnisvolle», von dem
wir umgeben sind, zu jenem letzten und hei‐
ligsten Geheimnis führt, das allein der Seele
Erlösung bringen kann.
Ja, es mag vielleicht nötig sein, auch Ver‐
wahrung einzulegen gegen ein allzu leicht
«fertiges» Lesen solcher
Warnung, denn
die Verwirrung mancher Gehirne ist derart
ins Groteske ausgeartet, daß sie die schärfste
Ablehnung ihres Wahns in exaltierter Ver‐
blendung nicht mehr erkennen und das
Wort des Warners vor sich selbst in eitel Zu‐
stimmung fälschen.
.Seit gar vielen Jahren schon, ‒ jahr‐
zehntelang bereits, und längst vor dem Aus‐
bruch des Völkermordens, dessen fluchgesät‐
tigte Atmosphäre noch immer wie eine bran‐
stige Wolke der Blutschuld über allem Erd‐
geschehen lastet ‒ ward eine ihres Wissens
und ihrer Aufklärung stolze Menschheit die
Beute verderblichster Durchseuchung ihres
geistigen Erkennens, so daß heute jede ver‐
borgene Wahrheit ihr Satyrspiel findet.
Es ist wahrlich nicht zum Verwundern, wenn
die Suchenden auf irre Wege gelangten!
.Zu allen Zeiten übte das phosphoreszie‐
rende Flimmerlicht der geheimnisumwitter‐
ten Grenzgebiete menschlichen Erkennens
seinen Zauber aus auf empfängliche Gemüter,
aber gar selten nur sah die Erde einen solchen
Mangel an Sicherheit des Fühlens. ‒
Wie die Motte zur Flamme, so drängt es den
Unerfahrenen, der ohne Warnung bleibt, die‐
sem erregenden Aufflackern aus unbekannten
Regionen entgegenzueilen, aber ‒ es droht
ihm dabei auch die gleiche Gefahr und der
gleiche Untergang...
Aus allen modrigen Kellerwinkeln und Ge‐
rümpelkammern flattert die Verführung auf!
Genarrtes Halbwissen,
halbgebildete
Narrheit und
bewußter Betrug suchen
allenthalben neue Scharen heranzulocken und
wissen gar manchen zu umgaukeln, den man
wahrlich nicht in solcher Gefolgschaft ver‐
muten möchte. ‒ ‒
Aber alledem liegt ein tiefes
Sehnen zu‐
grunde, das durch alles Wissen dieser Zeit
nicht zu stillen ist und so abwegig wird, da
ihm versagt bleibt,
selbst den rechten Weg
zu finden, den ein erkenntnisstolzer Übereifer
derart zu verbauen wußte, daß nur nacht‐
schwarze Wände dort noch entgegengähnen,
wo einst in früher Vorzeit die Freiheit er‐
reichbar war.
.Tief im Menschen verankert ist die Er‐
ahnung einer Überwelt, in der er die Lösung
seines Daseinsrätsels zu finden hofft. Es ist
dies Erahnen nichts anderes, als die schwache
Rückerinnerung an seines Geistes Zustand
vor dem «Fall» in erdenhafte Bindung!
Nun sucht er zurückzuerlangen, was er einst
verlor, und wird in solchem Suchen allzu‐
leicht nur ein Opfer dunkler Gewalten, die er
nicht sieht, auch wenn sie ihn schon längst
gezwungen haben ihrem Ruf zu folgen, bis er
dann
zu spät erst bemerkt, daß ihm die
schwälende Glut abgründiger Tiefen der Ver‐
nichtung für den irdischen Widerschein des
wahren, lebenspendenden
Lichtes galt, dem
er ureigentlich entgegenstreben wollte...
.Wer immer in sich dieses Drängen nach
der Lösung aller Daseinsrätsel erlebt, der
bleibe sich darum wohlbewußt, daß es für
ihn ‒
zwei Wege gibt und daß es allein von
seiner
Besonnenheit abhängt, ob er den
rechten einschlagen wird, der ihn zu seinem
wahren Ziele führt, oder ob er in trunkenem
Taumel der gleißenden Straße der Betörung
sich vertraut. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Der
eine dieser beiden Wege, die sich vor
ihm zeigen, wird ihn zu
Licht und
Er‐
leuchtung und schließlich in das Reich des
reinen
Geistes führen, während der
an‐
dere, auf den ihn verlockend schillernde
Gespenster zerren, die ihm Geistesmacht und
Zauberkraft verheißen, unfehlbar ins Ver‐
derben leitet, ‒ wenn nicht noch aus hoher
Gnade Rettung kommt, und er zu rechter
Zeit erkennt, daß er einem
Truglicht
traute, das nichts anderes mit dem reinen,
goldweißen Lichte der Gottheit gemeinsam
hat, als den Reiz der Verborgenheit vor
Erdensinnen. Aber wahrlich: nicht
alles
Verborgene ist wert, daß man danach for‐
sche! ‒
Obwohl die Sterne sich auch in
Tümpeln
spiegeln, wird man doch nicht den Morast
durchwühlen, um ihr Geheimnis zu ergrün‐
den! ‒
.So wird es den ernstlich Strebenden, der
nach dem wesenhaften Lichte des reinen
Geistes hohes Verlangen trägt, gewiß auch
nicht gelüsten, äußeres Erdenschicksal vor‐
aus zu erkunden, auch wenn er mit Vorteil
sich einer Berechnung bedienen kann und
mag, die ihm, gleich anderer, irdischer Be‐
rechnung, die Strömungen aufzeigt, durch
die sein Tun und Lassen beeinflußt wird, so‐
lange er in den Banden erdenhaft kosmischer
Kräfte lebt und wirkt.
Hier mag er weise fördern lernen, was
ihn
selber fördert, und dem wehren, was ihn
hindern kann!
Er wird aber schwerlich dabei dem Irrwahn
erliegen, als ob ihm ein Schicksal vorge‐
zeichnet sei, dem er nicht entrinnen könne,
sondern den
Ablaufsrhythmus seines
Schicksals sich nur zu
enträtseln suchen,
um dann an Hand seines Wissens ihn also
auszunützen, daß vermieden wird, was zu
vermeiden ist, und herbeigeführt, was
wünschbar scheint. ‒
Sagt doch schon der wunderlich verschnör‐
kelter Weisheit frohe
Paracelsus ‒ als
einer, der es wirklich wissen konnte ‒ das
vielbedeutsame, großes Erkennen wahrlich
bezeugende Wort:
«Die Gestirne gewaltigen gar
nichts; sie sind frei für sich
selbst, wie wir frei für uns selber
sind. ‒»
Und weiter:
«Das Kind bedarf keines Gestirns
und keines Planeten; seine Mut‐
ter ist sein Planet und sein
Stern!» ‒
.Das soll nun gewiß nicht so verstanden
werden, als sei all jener Einfluß irdisch-kos‐
mischer Kräfte, den man «Sternen» zu‐
schrieb, da man nur an
ihrem scheinbaren
Laufe ihn zu bestimmen wußte,
überhaupt
nicht vorhanden, sondern will nur hei‐
ßen, daß trotz allem die Freiheit, diesen Ein‐
fluß folgerichtig zu
gebrauchen, ganz
in
uns selber, in der eigenen
Willenszucht
begründet liegt, so daß auch hier die Berech‐
nung der
Möglichkeiten nur dann zum
Segen gereicht, wenn sie der
Selbsterzie‐
hung dient und uns veranlaßt, alle Kräfte
aufzubieten, unser Dasein
frei zu machen
von der Furcht vor wechselnden Gezeiten
unsichtbarer Ströme, die zwar alles Erden‐
hafte stets durchfluten, jedoch gebrochen
werden an den diamantenen Dämmen, die
des
Geistes unbesiegbare Macht um den
Vertrauenden erbaut, der durch die
Tat
darum zu bitten weiß...
Ein solcher wird auch niemals sich
Orakel‐
sprüchen beugen, die ihm der Zukunft
wandelbares Bild als
unabänderliches
Fatum zeigen wollen; ja er wird sicherlich
nach solcher Kunde kein Verlangen tragen.
Noch weniger aber wird er es dulden, daß
man, um der Erkenntnis willen, Menschen zu
Werkzeugen abgründiger Kräfte werden läßt
und sie so allmählich dann der Macht be‐
raubt, ihrem Erdenkörper zu gebieten.
Niemals wird er andere aus
ihres Willens
Herrschaft
lösen wollen, um ihnen
seinen
Willen
aufzuzwingen. ‒
In allem seinem Tun und Lassen dient er nur
der Freiheit, die allein des
Geistes Kinder
kennen!
.Jedwede Erscheinung äußerer Natur, jed‐
wedes Geschehnis dieses Erdenlebens läßt
sich zum Guten wie zum Schlechten beugen,
und daß man diese Fähigkeit in
rechter
Weise stets zu nützen wisse: dazu dient alle
Lehre der Berufenen. ‒
«Nicht wer zu mir sagt: Herr, Herr, wird in
das Reich der Himmel finden, sondern wer
dessen Willen in seinem
eigenen Wollen
wirken läßt, der mich, als mein „Vater”, aus
sich zeugte!»
So sprach etwa vor Zeiten einer, der da lehren
durfte, weil er in
geistigem Erleben wußte,
wovon er sprach, und der wahrlich von sich
sagen konnte:
«Nicht aus mir selber lehre ich, son‐
dern wie mir der „Vater” gebot, also
lehre ich euch!»
Die Weisheit dieses «großen Liebenden» aber
wurde irdisch-allzuirdisch umgeformt, ehe sie
das heutige Geschlecht erreichte, dem sie in
ihrer Reinheit kaum mehr erkennbar ist.
Seine Lehre wollte nichts anderes bewirken,
als daß der Mensch der Erde sein Leben
nützen lerne: zum
Heile durch die
Tat. ‒ ‒
.Alles bloße
Wissen aber um die so sehr
verschiedenwertigen Dinge, die da jenseits
der Erdensinne liegen, schafft nur sterile
Schein-Erkenntnis, ‒ macht keinen
frei von
irdischer Gebundenheit! ‒ Einzig die tat‐
gebärende, nüchterne
Folgerung, die aus
wahrer
Ein-
Sicht sprießt, kann das
Er‐
lösungswunder wirken, wenn sie in
Tat
und
Wirken umzusetzen weiß, was sich der
Seele offenbarte; und was man je in Worten
lehren mag, wird immer nur dann erst Wert
gewinnen, wenn solche Lehre zum
Erleb‐
nis führt. ‒
Wohl denen, die auf solche Weise zum Er‐
leben ihres
Inneren gelangen und dann im
Innersten des Innern
in sich selbst des
rechten Weges
Ziel erreichen!
*
.Es ist wahrlich viel leichter, mit der Ge‐
bärde des Suchenden die Außenwelt zu
durchforschen und selbst die geheimsten
ihrer Schächte aufzudecken, des Entdecker‐
ruhmes gewiß, ‒ als in sich selbst sein
Allerinnerstes zu finden, das auch noch
denen wohlverborgen bleibt, die längst der
Seele Kräfte so erkundet glauben, daß ihrem
Blick die Seele selbst in schemenhaftes
Nichts sich löste. ‒ ‒
Laßt allen Hochmut darum schweigen, und
wäre euch auch wohl vertraut, was selbst den
Weisesten der Vorzeit dunkles Rätsel schien!
Es mag euch ohnehin gar manches Rätsel
nur «gelöst» erscheinen, weil ihr mit
einer Lösung euch zufrieden geben konntet,
die nichts von jener Tiefe in sich faßt, aus
der einst jenen Alten das Geheimnis seine
Frage raunte...
Auch unter den Suchenden der Vorzeit gab
es solche, die zu finden wußten, und wollt
ihr, ihnen gleich, zu Findern werden, so
müßt ihr euch bereiten, dort zu suchen, wo
sie gefunden haben!
Ich will euch suchen helfen in euch selbst,
denn da nur bleibt euch Hoffnung, allezeit
Gesuchtes für euch selbst zu finden. ‒
Kein Denken und kein klügliches Erschließen
kann euch je belehren, so ihr zu letzter Lö‐
sung aller jener Fragen finden wollt, die stets
vor eurer Seele sich aufs neue antwort‐
heischend aus dem Dunkel erdgebundener
Erkenntnis heben! ‒ ‒ ‒
Verwehret darum hinfort jedem lauten Ge‐
danken in euch die Rede, bis jene große
Stille allein in euch zu finden ist, in der
nichts mehr spricht, was jemals euch von
außen kam! ‒ ‒
Dann aber lernt die hohe Kunst vertrauens‐
vollen Wartens!
Sie wird wahrlich nicht leicht erlernt; aber
jeder, der nachmals fand, was er ersehnte,
mußte sie erlernen, und keinem bleibt diese
Lehrzeit erspart, der in sich selbst zum Fin‐
der werden will...
Hütet euch, so ihr finden wollt, vor der
Versuchung, die Zeit des Wartens kürzen
zu wollen!
Ihr würdet nur desto
länger warten müssen,
wolltet ihr solcher Versuchung in Torheit er‐
liegen! ‒ ‒
.Ja, wahrlich: wer immer diesen Weg des
Suchens auch betreten haben mag und auf
ihm
nicht fand, was er zu finden hoffte,
der darf wohl sicher sein, daß er
nur des‐
halb nicht gefunden hat, weil er vermessen
sich berufen glaubte, die Zeit des stillen War‐
tens
kürzen zu können! ‒ ‒ ‒
Solange noch solches Streben in einem Su‐
chenden ist, hat er die große
Ruhe nicht er‐
langt, die erste
Vorbedingung ist für jedes
Finden!
Wie darf er dann klagen, wenn
vergeblich
all sein Mühen war?! ‒
Auch wer Verborgenes in dieser
Außen‐
welt zu finden strebt, wird stets vergeblich
suchen, so er nicht die
Ruhe in sich selbst
zu schaffen weiß, die ihm
auch hier von‐
nöten ist, will er zum
Finder des Gesuchten
werden! ‒
Alle aber,
die jemals im
Allerinnersten
das Letzte suchten und hier
gefunden ha‐
ben, wonach ihr Sehnen stand, hatten vor‐
dem die
Kunst des Wartens geübt und
waren so zur Kultur der
Ruhe gelangt! ‒
Nur in
stillster Versenkung gab sich
ihnen zu eigen, was Tausende
vergeblich
suchten, die der
Ruhe ermangelten...
«
Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die
Gewalt brauchen, reißen es an sich!» Es ist
aber diese «Gewalt» nichts anderes, als die
Gewalt der
Selbstbezähmung, die alle
Unrast aus der Seele zu verbannen weiß! ‒
Erst wenn du in dir eine solche
Stille ge‐
schaffen hast, daß es dir töricht erscheint,
danach zu fragen:
wann dir die Erleuchtung
werden wird, bist du wahrhaftig der Erfül‐
lung nahe und kannst getrosten Mutes ver‐
trauen, daß du
finden wirst, was dir ver‐
hüllt blieb, als du, noch in Ungeduld gebun‐
den, dich vergeblich mühtest! ‒ ‒ ‒
Es muß dir völlig nebensächlich werden,
wann du auf dieser Erde die höchste Er‐
kenntnis erlangen wirst! Du mußt suchen
wie einer, dem keine zeitliche Grenze jemals
gezogen ist!
Du mußt suchen wie einer, der da
weiß, daß
er finden
wird, weil das, wonach er sucht,
vorhanden ist und sich ihm nicht verber‐
gen
kann, sobald er selbst des Findens
würdig ist!
Je mehr deine Sicherheit wächst und dein
Vertrauen zu dir selbst, desto näher
wird dir auch
hohe Hilfe sein! ‒
.Pflege in dir selbst das gläubige
Ver‐
trauen und meide die zersetzenden Ge‐
danken, die dich immer wieder in
Furcht
bannen wollen, so als ob das Finden dir nicht
beschieden sei! ‒
Lerne erkennen, daß es
Lästerung ist,
wenn solcher Furcht du dich ergibst! ‒ ‒
Du trägst
in dir selbst die Erlösung von
allem Zweifel, ‒ und nur
in dir selbst
kann dir letzte Gewißheit werden!
Schleudere von dir, was immer dich an
solchem Glauben an dich selbst
beirren
will, und sei es auch bis zum heutigen Tage
dir als «heilige Wahrheit» erschienen!
Dort, wo dir letzte Erkenntnis werden
soll, muß alles Denken der Gehirne schwei‐
gen, und sei es auch bereits Jahrtausende
hindurch in höchsten Ehren! ‒
Du bist dort mit dir selbst allein, und
keine Macht der Erde kann dich hindern oder
dir zu Hilfe kommen!
In deinem Allerinnersten allein darfst du
zu finden hoffen, was du suchst, und alle
Wunder ferner Sternenweiten werden dir in
Nichts zerstäuben vor dem, was dir hier
vorbehalten ist! ‒
In deinem Allerinnersten wirst du in
Wahrheit erst dich selber finden, und dann
erst wird dir das Erkennen werden, daß all
dein Suchen nur ‒ dir selber galt.
.Dunkel ward es in den Hütten, und
düstere Sorge liegt über den Palästen.
Man sucht die Öllampen hervor, um der Dun‐
kelheit zu wehren, ‒ man zündet Kerzen auf
den Kandelabern an, ‒ aber die Düsternis
will nicht weichen.
.Ach, es ist
anderes Licht vonnöten,
wenn euch die
Freude wieder werden soll!
Doch, Freunde, so ihr nur
Vertrauen
traget, wird
dieses Licht gewiß die Nacht,
die euch umgibt,
besiegen!
Ihr wisset nicht, daß ihr
euch selbst der
Finsternis verhaftet!
Laßt euch
nicht schrecken durch die
Dunkelheit, die ihr auf allen euren Wegen
ausgebreitet seht!
Ihr selbst habt euch dem
Dunkel zuge‐
kehrt, so daß
Finsternis euch umgeben
muß, bis ihre Zeit zu Ende ist und ihr euch
wieder zum
Lichte wendet!
Doch auch
Finsternis birgt
Verheißung
des Lichtes!
Sie wirket Kräfte, die das Licht
ersehnen
lassen und so zur
Umkehr euch bewegen...
Übet
Geduld und verharret in stillem
Ver‐
trauen!
Über ein kleines werdet ihr sicher wieder im
Lichte der Sonne schreiten!
.Auch in der tiefsten Dunkelheit ist euch
das Licht nicht ferner als in der strahlend‐
sten Helle, so ihr nur
selbst euch dem Lichte
zukehren wollt!
Wendet
euch selbst der Sonne zu, und
alle
Dunkelheit wird
hinter euch liegen!
.So schritten die
Urväter stark und freu‐
dig ins
Licht und ließen hinter sich was
dunkel war...
Doch ihre Enkel lockte mehr und mehr die
Finsternis. ‒
Was
hinter ihnen lag, ward ihnen wich‐
tiger, als was sie noch
durchschreiten
sollten...
Sie lernten das Rückwärtsblicken und
das Rückwärtswandern. ‒
Im Dunkel hofften sie zu finden, was sich
nur im Lichte zeigt.
Ihr aber: jener Enkel späte Enkelkinder,
dürft wahrlich euch nicht wundern, wenn
heute euch, die ihr nach jener Früheren
Ver-führung euch dem Dunklen zukehrt,
‒ dichte Finsternis umgibt!
Ihr werdet umkehren müssen wollt ihr
auch euch dereinst, so wie jene Alten,
im Lichte der Sonne finden!
Es bedarf des Mutes zu solcher Umkehr und
des entschlossenen Willens...
Entwöhnt sind eure Augen längst des Lich‐
tes, das da allein euch einst der Freude
wiedergeben kann!
Nun muß zuerst das Sonnenlicht euch
schmerzen, bevor das Auge Kraft ge‐
winnt, es zu ertragen und alsdann es
lieben lernt...
.Doch sind schon viele bei der Umkehr
angelangt und manche sind schon um‐
gekehrt!
Keiner bleibt hier ohne Führung, so er
nur selbst die Umkehr wagt!
O, so verweilet nicht, ihr Suchenden, die
ihr noch rückwärtsschreitend sucht, auf
euren Irrtumswegen, die euch nur immer
tiefer in das Dunkel führen!
Und ihr, die ihr des Suchens längst schon
müde wurdet, begnügt euch nicht damit, in
euren Hütten und Palästen kümmerliche
Leuchte anzuzünden!
Kehret euch mutig dem ewigen Lichte
zu, und lasset hinter euch die Dunkelheit!
Sehet: ‒ Licht und Finsternis sind stetig
an ihrem Ort. ‒
Nur auf euch selber kommt es an, ob ihr
dem steten Dunkel euch verhaften, oder
euren Blick zum Lichte kehren wollt!
Wahrlich: ‒ euch allen leuchtet ewiges
Licht!
.Der ewigen Sonne
Licht birgt in sich
mancherlei
Farben, und wenigen nur zu
allen Zeiten wird es in seiner
goldweißen
Fülle kund. ‒
Fast allen aber, außer diesen wenigen, zeigt
es nur
eine seiner vielen Farben.
Hier kann nicht
Willkür ändern, was
Ge‐
setz erheischt!
Dein Auge allein bestimmt,
in wel‐
cher Farbe du das Licht erkennen
sollst!
Du kannst mitten im Lichte stehen und den‐
noch nicht das Licht erkennen, solange du
dein Auge
zwingen willst, dir eine
Farbe
des Lichtes zu zeigen, die
nicht die deine
ist! ‒ ‒
So kannst du dich selbst zu jeder
Täuschung
überreden und dich vom Lichte gar weit
entfernen, indem du ihm zu nahen glaubst!
.Siehe, ich rate dir gut, und es ist meines
Erdendaseins
Erfüllung: allen, die mich
hören wollen, guten Rat zu geben! Siehe, ich
rate dir: ‒
verfälsche nicht deine Farbe
und begehre nicht zu schauen, was
anderer
Färbung ist als das, was
dir einst werden
soll! ‒ ‒
Alles
wahrhafte Erkennen kann dir nur in
deiner Farbe werden.
.Nur wenn du
dich selbst aufs sorglich‐
ste betrachtest, wirst du auch deine
Eigen‐
farbe erkennen...
Doch ist es wahrlich
nicht vonnöten, daß
du sie
vorher erkennst, sobald du dich nur
willig deiner
Führung anvertraust und
nicht mehr
selbst die Führung zu
bestim‐
men trachten wirst, in der das Licht der
Ewigkeit dir nahen soll! ‒
Es ist
in dir selbst beschlossen von aller
Ewigkeit her, in
welcher Färbung das
Licht dir
Segen bringen kann!
Es ist
in dir selbst beschlossen, was dein
Auge
erschauen soll! ‒
Dir selbst sollst du vertrauen und deinem
Innersten sollst du
glauben lernen! ‒ ‒
Beachte immerhin, was
andere erschauen
durften und erkenne so in allem, was sie dir
zu sagen haben, des Lichtes
Mannigfaltig‐
keit; doch bleibe stets dir wohl bewußt, daß
dir ‒ wer du auch sein magst ‒
anderes zu
schauen vorbehalten ist, obwohl das
gleiche
Licht in
aller Färbung sich bekundet! ‒ ‒
Dir wird es nur nach
deiner Art sich geben
können, und eines jeden Art ist anders! ‒ ‒
Solange du noch nach der Art der
anderen
in dir das Licht erlangen möchtest,
wehrst
du nur dem Lichte, dich in deiner Art und
Färbung zu erreichen und darfst dich dann
nicht wundern, wenn du andere in ihrem
Lichte, ‒ dich jedoch im steten
Dunkel
findest!
.Man gab dir Lehre und sagte dir, daß
allen, die auf dieser Erde nach dem Lichte
streben, das
gleiche Licht einst leuchte, ‒
und wahrlich: solche Lehre wurzelte in der
Wahrheit tiefem Nährgrund!
Es ist
gut, solcher Lehre zu vertrauen; aber
not ist auch zu wissen, daß das
gleiche
Licht
unendlichfältig sich ergießt, ‒ so
daß es Tausende und Abertausende erreichen
kann und dennoch jedem einzelnen sich
an‐
ders gibt als allen andern! ‒
Einmalig und
einzigartig ist des Lichtes
Selbstoffenbarung in
jedem aus uns, und
jedem wird Erleuchtung nur nach
seiner
Weise! ‒ ‒ ‒
Wer aber das Licht in sich
empfing, weiß
dennoch, daß ihm des
gleichen Lichtes
Strahlen leuchten, die auch in allen seinen
Brüdern, die gleich ihm das Licht empfingen,
wirksam wurden! ‒ ‒
Keinem ward
anderes Licht, aber jeder er‐
schaut in sich das
gleiche Licht in einer
anderen
Farbe! ‒ ‒ ‒
Unendlicher Reichtum liegt so im
Lichte der Ewigkeit beschlossen!
.O, daß ich euch allen, die ihr nach dem
Lichte strebt ‒ gleich Pflanzen, die man wäh‐
rend des Winters in Kellerräume barg ‒ des
Lichtes
Mannigfaltigkeit begreiflich ma‐
chen könnte!
O, daß ich euch allen eures ewigen Erbes
Unerschöpflichkeit in Erdenworten kün‐
den könnte!
Aber gar wohl bewußt ist mir, daß alles Men‐
schenwort nur ein armes Stammeln bleibt,
soll Ewiges in ihm sich offenbaren. ‒ ‒
Ich kann nur, einem Menschen gleich, der
ferne Wunder dieser Erde sah auf weiter
Reise, allhier versuchen,
Vorstellung des
Niegeschauten wachzurufen; doch, wollt
ihr
selbst in euch erschauen, was ich euch
zu künden habe, so müßt ihr
selbst den
Weg beschreiten wollen, der euch an seinem
Ziele, all der Herrlichkeit gewiß, die ich euch
hier verheiße,
in eurem eignen Inner‐
sten zu eigner Schauung führt!
.Magst du als
Weiser dieser Erde gelten,
oder mag man in dir nur einen sehen, dem
wenig kund ward von der Weisheit dieser
Welt, ‒ wisse: daß dir das Licht der Ewigkeit
gewißlich werden kann, so du nur willens
bist, es in dir selbst zu suchen!
Erwehre dich verführerischer Stimmen, die
dich verleiten wollen, mit den Augen ande‐
rer das Licht zu suchen!
Suche es vielmehr in dir auf deine Weise
und wisse: daß es nur in deiner Eigenfarbe
dir einst werden kann, magst du es hier in
diesem Erdenleben schon erreichen, oder erst,
nachdem du hier das Kleid der Erde der Ver‐
wesung überlassen mußtest!
Beschreite geruhigen Mutes deinen dir ge‐
mäßen Weg, und was du nach deiner Art
auch immer erhoffen magst, wird wahrlich
weit übertroffen werden von dem, was dir
einst zu eigen werden soll! ‒ ‒ ‒
.Wahrlich, der Weg ist weit und steil und
rauh, der dich zu deinem
hohen Ziele
führen wird, aber
erkennst du erst, was
deiner wartet an des Weges Ende, so wird
dich gewiß
kein Wegziel, das dir diese Erde
bieten kann, auch nur entfernt so hohen
Wertes dünken!
Ein Kleinod wartet deiner am erreichten
hohen Ziele, das
keiner außer
dir jemals
besitzen kann!
Zwar wird hier
Unzähligen der
gleiche
Siegespreis, und dennoch ist für
jeden, der
das hohe Ziel erreichte, ein Schatz verwahrt,
den
er allein nur heben kann!
Kein anderer kann hier erlangen, was
dir
vorbehalten ist! ‒ ‒
Du selbst mußt kommen, diesen Schatz zu
heben! ‒
Unterlassung ist
Preisgabe hier, denn
in aller Ewigkeit wird kein anderer außer dir
dieses Schatzes Eigner werden können! ‒ ‒ ‒
Erfasse, was dies besagen will! ‒
Werde dir wohl bewußt des Wertes, den du
in dir selber trägst! ‒
.Wisse, o Suchender, daß
Geistiges dir
nur erreichbar werden kann, wenn du Gewiß‐
heit in dir selbst erlangtest, daß du
Weg und
Wegziel in
dir selber birgst!
In deinem
Allerinnersten allein ist jenes
hohe Ziel zu finden, davon dir diese Worte
Kunde geben wollen!
In deinem Allerinnersten trägst du verborgen
einen Schatz, den dir wahrhaftig niemand
rauben kann!
Du selbst nur kannst dich hier durch deine
eigene Torheit um dein Eigenstes betrügen!
.Ich sehe dich zittern hier und der
Furcht
verfallen: allein du würdest wahrlich töricht
meine Worte deuten, wolltest du fürchten,
den Hindernissen zu erliegen, die zwischen
dir und deinem Ziele sich erheben:
Nur furchtloser
Mut wird dich das Ziel
er‐
reichen lassen! ‒ Das Ziel, das in
dir
selber sich verborgen hält! ‒ ‒
.Siehe, mein Freund, es ist Kinderspiel,
auch das höchste irdischer Außenziele
zu erringen, aber Heldenwerk, das hohe Ziel
zu erreichen, das man in sich selber trägt! ‒ ‒
Im äußeren Leben können dich andere
hindern, ein Ziel zu erreichen, das du errei‐
chen möchtest; ‒ hier aber gibt es nur Hin‐
dernisse, die du selber in dir selber schaffst!
Du selbst kannst jedes Hindernis in dir
zur Seite räumen, so du ernstlich willst,
und hohe Hilfe wird alsdann dir Kraft ver‐
leihen!
Aber so sehr du auch nach geistiger Hilfe ver‐
langen magst, so wird sie doch nicht eher
dich erreichen können, als bis dein Wille in
der gleichen Richtung wirkt, in der dich
hoher Hilfe Wirken fördern soll!
Du mußt gleichsam magnetisch werden
für solche Hilfe, soll sie von dir angezogen
werden! ‒
Hier ist keine Willkür der helfenden Mächte
möglich, denn alle Möglichkeit, dir Hilfe zu
gewähren, ist an organisch wirkendes Gesetz
gebunden! ‒
So wie gar mancherlei
Botschaft in Wellen
elektrischer Kraft den Raum durcheilt
und dennoch dich nicht erreichen kann, bevor
sie einem Apparat begegnet, der geeignet ist,
die Wellen aufzufangen, so ist dir auch
hohe
Hilfe allezeit nahe und du bemerkst sie
nicht ‒ es sei denn: du wandelst
dich selbst
zu einem geistigen Empfänger ihrer
geisti‐
gen Wellenströme um! ‒
Einmal an solche hohe Hilfe organisch ange‐
schlossen, wirst aller Sorge du hinfort ent‐
raten können und mit aller Sicherheit dein
hohes Ziel erreichen, ‒ sei es schon hier in
diesem Erdenleben, oder erst, nachdem du
deinen Erdenleib der Erde wiedergeben durf‐
test! ‒ ‒
.Dein hohes Ziel ist die Vollen‐
dung deiner selbst in deiner geist‐
geborenen Erscheinungsform!
Kein
anderer kann sich in aller Ewigkeit
in
deiner Geistesform vollenden!
Du findest in den niederen Bereichen phy‐
sisch-sinnlicher Natur zwar Individuen der
gleichen Gattung oft in solcher Ähnlichkeit,
daß aller Unterschied zu schwinden scheint;
aber schon hier wird die Betrachtung höhe‐
rer Arten dich alsbald belehren, daß jede
höhere Stufe auch in ihren individuellen
Darstellungen eine Mannigfaltigkeit er‐
zeugt, die selbst das ungeübte Auge nicht
mehr übersehen kann.
So gibt es auch im Geistigen gleichsam Ver‐
schiedenheit der Artung. ‒
Es gibt hier gleichsam «niedere» Arten, die
von ungefähr gesehen sich in ihren Individuen
zu gleichen scheinen, und es gibt höhere
und höchste Arten, deren Individuen stets
mehr und mehr sich voneinander unter‐
schieden zeigen. ‒ ‒
Zu welcher dieser Arten du aber auch gehören
magst, so wisse: daß du von Ewigkeit her un‐
abänderlich in dir bestimmt und indivi‐
duell gesondert bist von allen anderen,
die etwa gleicher Artung angehören!
Dir ist ‒ im allgemeinen Sinn gesprochen ‒
gewiß das gleiche hohe Ziel gesteckt, das
allen leuchtet, die im Schoß der Ewigkeit
aus Geist geboren werden, und dennoch ist
die
Form, in der dir dieses hohe Ziel er‐
reichbar wird, von
jeder Form verschieden,
in der es
andere erreichen können! ‒
Von Ewigkeit her trägst du in dir selbst die
einmal nur aus Geist erzeugte Form, die
da die
deine ist, und die nur DU allein in
aller Ewigkeit erreichen kannst, auch wenn
sie in Äonen erst für dich erreichbar würde.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Vielleicht bist du gar lange schon auf dem
Wege zu deinem hohen Ziele und hast es
dennoch bis heute noch nicht erspäht, weil
du das hohe Ziel eines
anderen zu dem
deinen machen wolltest!? ‒
Du hast
dir selbst zu sehr
mißtraut und
glaubtest nur durch
andere zu finden, was
des Suchens Mühe lohnen könnte! Du wuß‐
test nicht, daß du auf solche Weise dich dir
selbst zum
Feinde machtest! ‒
Du wußtest nicht, daß du dich an dir selbst
versündigt hattest, als du das Ziel des an‐
deren zu deinem hohen Ziele machen
wolltest! ‒
Entsühne dich heute, da du diese Worte lesen
wirst, vor dir selbst und suche fortan nur in
dir selbst das hohe Ziel, das keinem ande‐
ren außer dir erreichbar ist! ‒ ‒
Mag dir dein hohes Ziel auch noch in weiten
Fernen sich verbergen, und magst du es auch
vorerst kaum erahnen können, da es heute
deinem Auge noch in dichten Nebelschleiern
sich verhüllt, so hast du dennoch unver‐
gleichlich Größeres gewonnen, als wenn dir
alle hohen Ziele anderer mit Händen greif‐
bar würden! ‒
Nur in der Erreichung deines eigenen hohen
Zieles winkt dir die Vollendung! ‒
Nur wenn du dein eigenes hohes Ziel zu
finden weißt, hast du für dich das hohe Ziel
erreicht! ‒ ‒
Du selbst bist Pfeil und Bogen hier und hohes
Ziel! ‒ ‒ ‒
Dich selbst sollst du erreichen in deiner
höchsten Geistesform!
Kein Gott kann dich erlösen, solange du
nicht
in dir selbst das hohe Ziel vor Augen
siehst, das nur DU SELBER bist, geeint mit
deinem Gott! ‒ ‒ ‒
*
.Töricht wäre es, o Suchender, wolltest du
den Weg zum Lichte, der da der Weg zu
dir selber ist, nur nach der Alten Weise
gangbar wähnen!
Töricht und vermessen aber wäre es desglei‐
chen, wolltest du der fernen Alten Wege in
deinen Tagen verlachen!
Auch jene, die vor dir über dieser Erde
Fluren schritten, wußten wahrlich zu su‐
chen und zu finden, ‒ und gar manches
hatten sie gefunden, was denen, die nach
ihnen kamen, wieder verloren ging. ‒ ‒
Du kannst nur gewinnen, wenn du der
Alten Wege wachen Sinnes und ohne Vor‐
Urteil betrachten lernst!
Sie hatten tief Verborgenes erkannt, um
dessen Erkenntnis sich die Späteren ver‐
geblich mühten, und das auch denen, die
da heute mit dir leben, als ewiges Rätsel
gilt. ‒
Lerne Ehrfurcht empfinden vor den Al‐
ten, wenn du in deinen Erdentagen zur
Erkenntnis gelangen willst! ‒ ‒
.Noch ward keiner auf dieser Erde gebo‐
ren, der zur Erkenntnis gekommen wäre,
ohne auf seiner Vorfahren starken Schultern
zu stehen! ‒
Wohl sucht der
Törichte zu jeder Zeit
nach dem «
unerhörten Neuen», und
doch war Zeugen und Gebären noch zu
aller
Zeit an gleiche Voraussetzung gebunden...
So wirst du auch niemals zu wahrer geistiger
Erkenntnis deiner selbst gelangen, es sei
denn auf wesentlich
gleiche Art wie jene
Alten, auch wenn die
Form des Suchens
mit den Zeiten
wechselt! ‒
Eine jede Zeit hat ihre
eigene Form des
Suchens und Findens; aber wenn du das
Wesentliche in allen Formen zu ergründen
suchst, so wirst du gar leicht erkennen, daß
es stets das
Gleiche bleibt in allen For‐
men. ‒
Suche auch
du nur in der Form
deiner Zeit
und lasse dich nicht verleiten, in alten er‐
borgten
Kostümen suchen zu wollen!
Du würdest nur Mummenschanz treiben und
als Theaterheld wuchtige Tat zu vollführen
glauben, wolltest du jener
Alten Form dir
zu eigen machen, um in ihr dich zu bewähren.
Du
kannst nur
finden, wenn du in
dei‐
ner Form, die stets die Form
deiner Zeit
sein wird, zu suchen dich bemühst!
Wer dir
anderes rät, wird dich dem Irrtum
übergeben, auch wenn er selbst nicht ahnt,
daß er dich also hindert! ‒ ‒
.Die
Weisen einer
jeden Zeit suchten
in ihrer
eigenen Art und in der Form des
Suchens
ihrer Zeit!
So wurden sie zu
Findern! ‒ ‒
Aber sie wußten auch gar wohl das Suchen
und Finden
Früherer zu schätzen und wa‐
ren weit davon entfernt, ihre Vorfahren
«töricht» zu schelten. ‒ ‒ ‒
Es mag an alten Berichten dir vieles wunder‐
lich erscheinen, nur weil du ihre Sprache
nicht mehr zu
deuten weißt!
Anderes wird dich sehr beirren, da es mit dir
bekannten Worten von Dingen spricht, für
die man heute sicher
nicht die
gleichen
Worte wählen würde. ‒
Und wieder anderes ward einst mit weiser
Absicht dunkler Redeweise anvertraut, so
daß der wahre
Sinn der Worte kaum noch
zu erfassen ist, da er nur
denen sich einst
offenbaren sollte, die im sicheren Besitz der
Schlüssel solcher Redeweisen waren. ‒
So sind dir die wahren Wege der Alten heute
auf gar mannigfache Art verschüttet, und
ahnend nur vermagst du zu erkennen, daß
es wahrlich Wege waren, die zum
Ziele
führten, ‒ zum
gleichen Ziele, das auch
du
erreichen willst. ‒
.Gefährliches Unterfangen ist es, die so
verschütteten Wege wieder gangbar machen
zu wollen!
Den wenigsten gelingt es, die Verschüttung
restlos wegzuräumen, und ist dies selbst ge‐
lungen, so zeigt sich plötzlich alle Wegspur
so verwischt, daß jedes Weiterschreiten un‐
gewisser Willkür überlassen bleiben muß...
Willst du in Wahrheit als ein Schüler jener
weisen Alten dich bewähren, so wirst du,
ihnen gleich, stets nur den Weg beschreiten
dürfen, den deine Zeit für dich dir geebnet
zeigt! ‒
Auch jene weisen Alten waren Kinder ihrer
Zeit, und wenn sie auch die Wege ihrer Väter
ehrten, so blieb es ihnen dennoch wohlbe‐
wußt, daß sie auf eigenen Wegen nur, den
Vätern gleich, das Ziel erreichen konnten.
Ehre auch du die Wege der Alten, aber
mühe dich nicht, sie unter der Verschüttung
aufzusuchen, denn was auch immer dir zu
finden vorbehalten bliebe: ‒ es wäre nur die
Kunde von den Wegen anderer, und
wahrlich: niemals ist dein Weg auf solche
Art zu finden! ‒ ‒
.Es gibt in den heutigen Tagen unzählige
Menschen, die nach geistiger Entfaltung
streben, und wenn auch viele zu finden sind,
die jede Kunde von hohen geistigen Dingen
nur verschlingen, um ihrer nimmersatten
Neugier ersehnte Befriedigung zu schaffen,
so sind doch weit mehrere als ernste Sucher
nach der Wahrheit anzusprechen.
Zu allen Quellen pilgern sie und alle Orte, die
im Rufe wundersamer Begebnisse stehen,
sind ihnen heilig!
Aus aller Zeiten schriftlichem Vermächtnis
werden alte Bücher aufgestöbert, in denen
man genaue Anweisung zu finden hofft, wie
man das Wunder an den Alltag fesseln
könnte, denn längst hat man gehört von
hohen Kräften, die denen sich erreichbar zei‐
gen sollen, die des Geistes ewiges Gesetz
erkennen.
Zwar kann man über jener Torheit lächeln,
die das Zaubern lernen möchten, allein
auch viele, die mit aller Inbrunst hin zum
Geiste streben, sind keineswegs von Torheit
frei, und ach so mancher ist des Glaubens,
daß ihm Geistiges erst dann erreichbar sei,
wenn er sich einer äußerlichen Schulung un‐
terziehe, die möglichst wunderliche Übun‐
gen von ihm verlange.
So nehmen sie bald diese und bald jene Wei‐
sung an, die sie in alten oder neuen Schriften
finden, wo da ein abenteuerlicher Mystagoge
mit geheimnisvoller Geste raunend seine
wirre Weisheit, dunkler Worte froh, zum
besten gibt.
Wann immer man ihnen begegnen mag: ‒
stets haben sie endlich nun das rechte
Rezept entdeckt, den Stein der Weisen in
ihrem Tiegel aufzufinden.
Bewundernswert ist nur an ihnen, wie sie von
Enttäuschung zu Enttäuschung schrei‐
ten und nie den sonderbaren Mut verlieren,
jeder neuen Rute auf den Leim zu gehen. ‒ ‒
Es braucht oft lange Zeit, bis sie entdecken,
daß in solcher Weise das erstrebte hohe Ziel
für sie stets unerreichbar bleiben muß. ‒
Nur schwer erst lernen sie verstehen, daß es
doch sträflich engen Urteils Zeugnis war, so
gar gering vom Höchsten und Erhaben‐
sten zu denken, daß man durch «Atem‐
übungen» in halbverrenkten Posituren oder
noch weit üblere Betätigung nach wirrer
Köpfe wirrer Anweisung erreichbar wähnte,
was den Weisen aller Zeiten heilig war als
höchstes Gut. ‒ ‒ ‒
Aber gar sehr ist der Mensch geneigt, sich
vor dem
Seltsamen zu beugen...
Weit lieber geht er kuriose Winkelwege, die
sein Auge nicht verfolgen kann, und läßt sich
wahnberauscht ins
Dunkel führen, als
daß er den geraden Weg zum
Lichte sucht,
um ihn in morgenfrischer
Nüchternheit
und festen Schrittes zu durchwandern wie
ein Wanderer, der stets des Weges Lauf
be‐
achtet, damit er auch das
Ziel des Weges
einst erreiche. ‒ ‒
.Gewiß muß man bei Kräften sein, will
man einen weiten Weg durchmessen, und wer
nicht in Ermattung vor erreichtem Ziele nie‐
dersinken will, der wird auch Sorge tragen,
daß er auf dem Wege selbst noch Stärkung
finde.
So verlangt auch der Weg zum Geiste
Kräftigung und Stärkung von jedem, der ihn
gehen will.
Aber man braucht hier nicht weit zu suchen
und keine bedenklichen Seitenwege einzu‐
schlagen, um solche Stärkung zu finden.
Das Leben des Alltags wird sie reichlich
spenden, wenn man es recht zu leben weiß.
Hier aber wissen wieder wenige, wie hoch die
Kräftigung und Kraft-Erneuerung zu
werten ist, die da aus recht getaner Arbeit
fließt! ‒ ‒ ‒
Viel lieber wiegt man sich in hohen Träumen
und sieht die Arbeit nur als Hindernis auf
seinem Wege, ‒ als Störung seines Schreitens,
der man möglichst aus dem Wege geht...
Wer aber solcherart das hohe Ziel erreich‐
bar wähnt, der wird es sicher nicht errei‐
chen, auch wenn er aller Weisen Weisheit aus
den Worten dieser Weisen kennt und jeder‐
zeit sich hohen, weihevollen Stimmungen
ergibt. ‒ ‒
Es ist viel leichter, seines Alltags Pflichten
zu
verachten, als sie zu
erfüllen!
Viel leichter ist es, sich in weihevollen Stim‐
mungen dem Geiste Gottes «nahe», ja «ver‐
eint» zu fühlen, als seine
Arbeit so zu tun,
daß sie zur Kräftigung des eigenen Geistes
wird und ihn durch solche Kraft ertüchtigt,
einst die Weihe
wirklich zu empfangen! ‒
Hier sind wahrlich Werte verborgen,
die ihre Erlangung lohnen!
.Gewiß hast du schon Zirkusspiele ge‐
sehen und fandest dich in bewunderndem Er‐
staunen, wenn dort Menschen wie du ihre
Körperkräfte derart entfaltet und in ihres
Willens Macht gebändigt hatten, daß sie
Dinge vollbringen konnten, die dir völlig un‐
möglich wären...
Von ihnen kannst du lernen!
So wie sie durch unablässige
Tätigkeit nur
ihre
Körperkraft erlangten,
so kannst du
heute ungeahnte
geistige Kraft aus
jeder
Arbeit schöpfen, die du so zu tun weißt, daß
kein anderer sie besser leisten könnte! ‒ ‒ ‒
So wie jene Zirkusleute in angespannte‐
ster Aufmerksamkeit auf jeden Hand‐
griff, jede Bewegung achten müssen, soll ihr
Werk gelingen und ihr Leben nicht in äußer‐
ste Gefahr geraten, so wirst freilich auch du,
soll deine Arbeit dir geistig fruchtbar wer‐
den, stets alles, was sie von dir verlangt, mit
solcher Konzentration vollbringen müs‐
sen, als hinge dein Leben von jedem ge‐
wohnheitsmäßigen «Handgriff» ab! ‒ ‒ ‒
Ob deine Gedanken oder deine Hände
zumeist bei deiner Arbeit beteiligt sind, stets
wird es eine Menge solcher «Handgriffe» ge‐
ben, die du fast ohne Bewußtsein «rein
mechanisch» und gewohnheitsmäßig machst
und so selbst erniedrigst...
So werden sie dir freilich öde und eintönig er‐
scheinen!
Wie aber jene kühnen Akrobaten, deren Ar‐
beit dir wie ein fröhliches Spiel erscheint, an
jedem Abend, der sie zu gleicher Arbeit vor
eine zum Schauen bereite Menge ruft, aufs
neue stets auf jede leiseste Muskelbewegung
zu achten haben, da die
gleiche Darbietung
ihrer Künste am
heutigen Abend doch
mißlingen könnte, auch wenn sie
gestern
gelang, so wirst auch du dir klar zu machen
haben, daß auch der
gleiche «Handgriff»
immer ein
Neues darstellt, so oft du ihn
auch geübt haben magst? ‒
.So «einförmig» auch, so «geisttötend»
dir deine Arbeit erscheinen mag: ‒
beachte
sie in solchem Sinne und werte sie nicht vor
dir selbst noch mehr herab, ‒ dann wirst du
entweder entdecken, wie du sie aus ihrer Ein‐
tönigkeit
erlösen kannst, oder du wirst den
gleichen «Handgriff», das allezeit gleiche
Tun, das sie Tag für Tag von dir verlangt,
stets mit
neuem Bewußtsein tun, so daß
dein Geist der
gleichen Sache tausend neue
Seiten abgewinnen wird! ‒ ‒ ‒
Erziehe dich selbst dazu, an deiner
Arbeit
Freude zu empfinden, auch wenn sie
keineswegs geeignet scheint, dir Freude zu
bereiten! ‒ ‒ ‒
Bezwinge deine
Abneigung, und du
wirst auch der ödesten Arbeit
überlegen
sein; ‒ sie wird dir
Freude bringen
durch
die Art ihr zu begegnen!
Steht deiner Arbeit Aufeinanderfolge in dei‐
ner freien
Wahl, dann wähle zuerst, was dir
am meisten
widerstrebt und suche es zu
lieben!
Hast du dein stärkstes Widerstreben besiegt
und dich als
stärker erwiesen, so wird dir
schon
daraus allein eine
Freude werden,
die dir auch alle weitere Arbeit in Freude
verwandeln wird! ‒ ‒
.Du darfst deine Arbeit niemals nur als
Mittel betrachten, das eben gebraucht wer‐
den muß, um
das zu erlangen, was deines
Lebens
Notdurft erheischt! ‒
Hier irren die allermeisten!
Gewiß ist jede
Arbeit ihres Lohnes
wert, und du selbst machst dich schuldig,
wenn du einem Ungerechten dienst, der etwa
dir
vorenthalten möchte, was er dir
schuldig wurde als dein Schuldner für dei‐
ner Arbeit
Wert! ‒ ‒ ‒
Allein was so dir als Frucht deiner Arbeit
gehört, ist geistig genau bestimmt! Du
machst dich nicht minder schuldig, wenn du
etwa
mehr für deiner Arbeit Wert dir geben
läßt, als sie dem anderen, für den du sie lei‐
stest, Wertzuwachs schafft, ‒ wobei du nie
vergessen darfst, inwieweit auch der andere
irgendwie durch
seine Arbeit an der deinen
indirekt beteiligt ist! ‒ ‒ ‒
Doch aller Arbeit äußerliche Entlohnung
bleibt nur ein Geringes gegenüber dem, was
dir deine Arbeit an
geistigen Werten ver‐
mitteln kann, so du sie zu schätzen weißt, als
Arbeit um der Arbeit willen!
In der gutgetanen Arbeit selbst liegt
ihr
höchster Wert beschlossen, den dir
keiner vorenthalten, den dir keiner
rauben
kann. ‒ ‒ ‒
.Auch in der
allergeringsten Arbeit
läßt sich
höchste Vollendung erstreben,
und wird sie erreicht, wie sie nur
intensiv‐
ste Hingebung an die Arbeit erreichen
kann, dann ist stets ein unermeßlicher
Zu‐
wachs geistiger Kraft die naturgegebene
Folge. ‒
Der Arbeiter an der Maschine, der Tag um
Tag nichts anderes da zu tun hat als etwa
Schrauben zu drehen, kann auf solche Weise
hohe geistige Kräfte in sich zutage för‐
dern, während ein anderer, der seiner Mei‐
nung nach nur in hohen geistigen Dingen
lebt, aber weit mehr auf seine geheimnis‐
vollen Schauer achtet, als auf die
Güte der
Arbeit, die ihm in irgendeiner Weise aufge‐
tragen ist,
völlig leer ausgeht und sich nur
selbst betrügt, wenn er seine geistigen
Kräfte im Wachsen glaubt. ‒ ‒ ‒
.Zur Erlangung der geistigen Kräfte, die
durch intensive und auf die höchste Arbeits‐
Leistung eingestellte Arbeit zu erhalten
sind, ist es nicht nötig, daß die
Art der Ar‐
beit selbst schon Geistigem diene! ‒
Doch, wenn auch die
dauerwertige Frucht
der Arbeit auf solche Weise in einem steten
Zuwachs
geistiger Kraft besteht, so wäre
es dennoch töricht, wollte man hier der
an‐
deren Früchte nicht achten, die solche
disziplinierte Arbeit auch dem
Alltag
bringt. ‒ ‒
Noch wissen die meisten nicht, was
solche
Arbeit auch im
Alltag bedeutet, obwohl sie
es wahrlich aus manchem Beispiel ersehen
könnten! ‒
Nur
Arbeit um der Arbeit willen: ‒
Arbeit, die das
höchste Resultat erstrebt,
kann jenen ersehnten allgemeinen
Wohl‐
stand schaffen, der niemals zu erreichen ist,
solange Arbeit noch wie ein
lästig Not‐
wendiges nur
erduldet wird! ‒ ‒ ‒
Der weiß noch nichts vom
Segen der Ar‐
beit, der seine Arbeit nicht
lieben lernte! ‒
Der wird den
Segen der Arbeit niemals ge‐
nießen, der sich ein
Glück erträumt, dem
die
Arbeit fehlt! ‒ ‒
*
.Wahrlich, des Menschen Macht ist ohne
Grenzen, so er in der
Liebe lebt!
Wahrlich, die
Liebe ist des Erdenmenschen
höchste Kraft! ‒
Sie haben gar hohe Kräfte als des Menschen
höchsten Wert gepriesen und auf hoher Zinne
sich des Menschen höchste Herrlichkeit er‐
träumt; allein,
weit höher, als des Erden‐
menschen eigenes Ersinnen es erahnen konnte,
ward ihm Ruhm bereitet, und weiter als sein
kühnstes Denken es erspähen konnte, ward
ihm Macht gegeben! ‒ ‒ ‒
Die Himmel fassen nicht, was
Liebes‐
feuerkräfte in den Herzen Erdgeborener
zu wirken wissen, und in allen Abgrunds‐
tiefen ist nicht zu ergründen wo die Weihe
ankert, die da aus
Menschentieren gött‐
lich überformte
Geistesmenschen schafft!
‒ ‒ ‒
Sonnen vergehen in kosmischen Gezeiten
und reißen
Welten in den Abgrund unerfaß‐
lichen Vergehens mit hinab; jedoch des
Menschen Macht bleibt ihm
für alle
Ewigkeit gegeben, mag auch der Boden, da
er zeitlich seine Hütte baute, unter seinen
Füßen wanken und zerbersten! ‒
Er, der aus hohem Leuchten fiel dereinst,
trägt dennoch Macht in sich, hoch über alle
Sterne sich empor zu heben!
.Du fragst, was solche hohe Macht dem
einst Gefallenen verleiht?!
Du fragst, was über alle unsichtbaren Fürsten
kosmischer Gestaltung ihn erhebt?!
Wisse: der Sprache Wort ist nicht vermö‐
gend, letzte Antwort hier zu formen und
tiefstem
Ahnen nur bleibt vorbehalten hier
zu
fühlen, was erfühlbar, aber kaum erfaß‐
bar ist! ‒ ‒
Wie könnte jemals eines Menschen Zunge
künden, was über allem menschlichen Er‐
denken bleibt?
Selbst jenen hohen Sterngewaltigen, die
ihrem Wesen nach nur reinstes «
Denken»
sind, ‒ nur über alles erdenhafte Denken
hoch erhaben, ‒ jenen unsichtbaren «Göt‐
tern» dieser Sichtbarkeit, ‒ bleibt ewiglich
verhüllt, was nur des Menschen
Seelen‐
Innerstes im tiefsten Schauen in sich selbst
erleben kann. ‒ ‒
Höher als dieser Sternengötter höchste All‐
gewalt in kosmischem Geschehen, erhebt sich
Menschenmacht, die in der
Liebe grün‐
det!
.Es ward gesagt:
«
Gott ist die Liebe,
und wer in der
Liebe bleibet,
der bleibet in Gott
und Gott in ihm!»
Doch euch ward die «
Liebe» allzunah der
Lust verwandt; ward euch zu holdem Füh‐
len lustgeschwängerter Gefühle; und statt
in «
Gott» zu
leben, habt
ihr selbst den
Götzen aufgerichtet, vor dem ihr
kniet
und der euch wahrlich nicht zu helfen weiß,
so daß die Klugen, denen solches Blendwerk
nicht verborgen blieb, sich von ihm wandten
und für euch nun «Gottesleugner» heißen,
da sie eures
Götzen «Gottheit» kühn in
Frage stellen und verneinen!...
Ich aber sage euch, daß mancher, der auf
solche Weise sich von Götzen und von Göt‐
tern wandte, der Gottheit
näher stehen mag
als jene die ihn schmähen! ‒ ‒ ‒
Ich sage euch, daß viele derer, die ihr Gottes‐
leugner nennt, wahrhaft in
Gott geborgen
sind und in der
Liebe Gott
erleben, auch
wenn sie nicht in
eurer Weise reden und
selbst nicht wissen mögen, daß sie in der
Liebe sind und
Gott in ihnen sich be‐
kundet! ‒ ‒ ‒
Denn:
«
Gott ist Geist, und die ihn anbeten,
müssen im
Geiste die
Wahrheit anbeten!»
Wer nicht den
Geist in sich zu suchen unter‐
nimmt, wird
Gott in Ewigkeit nicht finden!
.Der
Geist, der
Gott und der die
Liebe
ist, darf freilich nicht dem «Geiste» des
Gedankens gleichgeachtet werden, der in
den Hirnen Staubgeborner im Denken sich
erzeugen läßt!
Von
anderem Geiste ist wahrlich hier die
Rede, und wer nicht in der
Liebe ihn er‐
fühlt, der wird, mag er auch noch so viel von
Gott zu sagen wissen, dennoch
gottlos
bleiben! ‒ ‒
Nur in der Geistesform der
Liebe kann der
Erdenmensch zu
Gott und damit in den
Geist gelangen, von dem er ausging durch das
Wort des Lebens, das sich in Gottheit
selber spricht von Ewigkeit zu Ewigkeit! ‒
Vorher ist all sein Psalmodieren über «Gott»
und «Göttliches» nur törichtes Gerede, und
all sein «Beten», so es nicht in
dieser Liebe
gründet, wird vergeblich sein! ‒
.Der euch einst «beten» lehrte, wie man
beten soll, und nicht, den Gottesfernen gleich,
zu «plappern», der wollte euch in
dieser
Liebe sehen!
Sein ganzes
Leben war ja seine Lehre dieser
Liebe!
Wie wollt ihr ihn verstehen können, solange
ihr noch zögert, euch in gleichem Liebes‐
feuer aufzulösen und euch selbst dahinzu‐
geben, um euch in dieser Liebe dann aufs
neue zu gewinnen?!
.Es ist diese
Liebe, von der ich hier
künde, niemals ganz zu erreichen, solange du
noch einen
Gegenstand der Liebe brauchst,
den du
außer dir suchen mußt!
Du selbst mußt dir Gegenstand dieser
Liebe werden, bis du zuletzt
auch dich in
ihr verlierst und so dann
selbst zu
Liebe
wirst, die keines Gegenstandes mehr bedarf,
da alles, was je wurde oder werden kann, in
ihr beschlossen ruht! ‒ ‒ ‒ ‒
Wenn dir geraten wird mit weisem Rat:
selbst
deiner Seele zu entsagen, so sollst
du nur daraus entnehmen, daß du auch deine
Seele nicht zum
Gegenstande deiner Liebe
machen darfst, wenn du
die Liebe in dir selbst
erfahren willst, als welche
Gott in dir sich
offenbart!
Willst du noch
anderes, als was in deinem
tiefsten «Ich» sich selbst erfassen will, durch
«Liebe» dir
zu eigen machen, so «liebst»
du noch nach irdisch-enger Weise und bleibst
so ferne jener
wesenhaften Liebe, die eine
Geistesform der Gottheit ist!
Du aber sollst in dir die
Liebe finden, die da
Gott ist, und sollst in der
Liebe sein, auf
daß
Gott in dir
sei, und
du in
Gott! ‒ ‒ ‒
.Noch «
bist»
du nicht, denn was du dein
«
Dasein» nennst, ist nicht wahres, seiner
selbst bewußtes
Sein!
Was du dein «Dasein» nennst, ist ebenso nur
übertragenen Sinnes «Sein» zu nennen, wie
das, was dir als «Liebe» gilt, nur in «über‐
tragenem» Sinne:
Liebe heißen kann! ‒
Was du dein «Dasein» nennst, ist tausend‐
fach
bedingt, wie gleicherweise alle Liebe,
die sich an den
Gegenstand der Liebe bin‐
det, stets
bedingt bleibt durch ein
Äußeres,
wie hoch du es auch vor dir selbst erheben
magst! ‒
Über alles dieses
hinaus,
hinauf und
empor muß ich dich führen, will ich dich zu
jener
Liebe leiten, in der dein
Gott sich
dir gebären kann und
du dich in
ihm...
Empor gelangt nur, wer sich in sich selbst
«empört» und
gegen alles Niedere zu stem‐
men weiß, das ihn in seiner Niederung zu
fesseln sucht!
Es ist ja wahrlich schon Empörung gegen
alles Niedere, wenn du nach einem «Gegen‐
Stand» der Liebe suchst, denn ahnend
fühlst du hier, daß du
entgegen stehen
mußt dem Niederen, wenn du es überwinden
willst!
Aber solange du noch den «Gegen-Stand»
deiner Liebe
draußen suchst, kannst du
dich in
dir selbst nicht gründen, und dar‐
um werde vorerst
selbst dir «Gegenstand»
deiner Liebe! ‒
Hast du in solcher Art dich
in dir selbst
gegründet, dann mag es wohl dir leichter
werden, auch diese letzte Stütze dahinzu‐
geben und gegen dich selbst dich zu «em‐
pören», bis du
dorthin emporgelangst, wo
weder Höhe noch Tiefe ist, da alles räum‐
liche Gleichnis
zunichte wird, weil
Unver‐
gleichliches hier zum
Ereignis sich ge‐
staltet! ‒
.Siehe: die Himmel vermögen nicht zu
fassen, was dem Menschen vorbehalten ist,
der seines
Anrechts sich nicht entäußern
mag!
Zwar werden nach Äonen
alle einst zur
«Seligkeit» gelangen; doch jene «Seligkeit»,
die
allen so erreichbar wird, ist keineswegs
dem
hohen Ziele je vergleichbar, das du
erreichen kannst, wenn du in deiner erdge‐
bundenen Erscheinungsform schon dich em‐
porzuringen trachtest und aus den Banden
der Gewaltigen des Kosmos dich zu lösen
weißt, die dich umschlungen halten können
durch Jahrtausende und durch Äonen!
Davon aber ist gesagt, daß keiner Befreiung
finden kann, «
bis er den letzten Heller
bezahlt»! ‒ ‒ ‒
Heute jedoch hast du noch die Möglichkeit,
solcher Fessel zu entrinnen!
Heute noch kannst du wahrlich deines
Schicksals Meister werden, und solche deiner
Erdenbrüder, die es längst geworden sind,
kennen kein höheres Glück, als daß sie dir
helfen dürfen...
.«Und wenn ich mit Menschen- und
mit Engelszungen redete und hätte
der Liebe nicht, so wäre ich gleich
einem tönenden Erz oder einer klin‐
genden Schelle!»
So redete einer, der um die Liebe wußte! ‒ ‒
Doch ein anderer war, der hatte vordem
diese Liebe dargelebt in seines Lebens
unvergänglich hoher Lehre...
Er, den wir den größten aller Liebenden
nennen, war zwar von vielen seiner Brüder
vorgeahnt, doch hatte keiner seiner Liebe
Glut erreicht!
Und viele sind nach ihm gekommen und
werden viele noch erscheinen, die wahrlich
«Liebende» zu nennen sind; jedoch trotz
aller ihrer Liebeskraft war keiner und kann
keiner je erstehen, der ihm vergleichbar
wäre, ‒ obwohl ich hier von seinen geist‐
geeinten «Brüdern» rede!
Doch, was in jedem dieser seiner Brüder
einst zur Offenbarung kam, war stets das
Gleiche, was in ihm in seiner ganzen
Fülle sich zu offenbaren wußte.
Und was noch in der Zeiten Lauf zu Offen‐
barung werden kann, wird nur das Glei‐
che in stets neugeformter Offenbarung
sein! ‒ ‒
Es ist nur hirnverbrannter Wahn, der da
vermeint, daß die Gestalt des Zimmermanns
aus Nazareth der frommen Mythe ange‐
höre; doch der, den nun die Nachwelt nur in
einer Zeichnung kennt, die erst Jahrhunderte
nach seinem Erdendasein seine Züge formen
wollte, sah freilich anders aus als jener
fakirhafte Wundertäter, den man aus ihm
gebildet hat in einer Zeit, da längst der Aber‐
glaube östlicher und westlicher Gehirne um
sein Bildnis rang...
Wer wirklich hier der Wahrheit Spur er‐
kunden will, der muß die Zutat wundersüch‐
tig erdgebundener Geschlechter aus jenem
Bilde tilgen lernen, das ihm von früher Ju‐
gend an als unantastbar galt.
Alsdann erst wird ihm des hohen Meisters
Auge entgegenleuchten und er wird eines
Menschen Antlitz schauen, der ‒ Gott‐
geeint, im tiefsten Sinne solchen Wortes
‒ dennoch als
Mensch dem Menschen dieser
Erde «
frohe Botschaft» brachte von je‐
nem Reiche wesenhaften
Geistes, das er
«
das Reich der Himmel» nannte. ‒ ‒ ‒
.Wenn ich von
anderen ‒ wie von mir
selbst ‒ als seinen «Brüdern» künde, so
würde jeder meine Worte irrig deuten, wenn
er etwa vermeinen wollte, es sei hier ausge‐
sprochen, daß wir anderen dem erdenfernen
Zauberbilde gleichen wollten, das mit dem
Namen dieses Zimmermanns aus Nazareth,
in später Zeit, die ihn dem «Logos» gleichzu‐
stellen suchte, unterzeichnet wurde. ‒
Fern liegt uns solche Torheit!
Die ihn durch ihre zweifelhafte Kunst auf
solche Weise in den höchsten Himmeln si‐
chern wollten, haben ihn nur allem
Erden‐
menschlichen entfremdet, so daß er denen
nicht mehr faßbar ist, die er empor zu
höch‐
sten Geisteshöhen führen wollte!
Was Wunder, wenn er ihnen schließlich dann
zur
Mythe wurde!
.Seht, Freunde, ich weiß gar wohl, wovon
ich rede, wenn ich den größten aller Lie‐
benden den hohen «Bruder» nenne!
Kein einziger aus uns, so hoch ihn auch der
Geist erhoben haben mag, wird je dem Irr‐
sinn huldigen, er ‒ der Sprecher ‒ sei das
«Urwort» selbst, das aus ihm spricht, ‒
und also dünkt es uns: es sei verbrecherische
Schmähung, von jenem Größten aller
Liebenden zu glauben, daß er in solchem Irr‐
sinn sich gefallen habe...
Wir wollen ihn euch zeigen, so, wie er wirk‐
lich war, als er, gleich uns, der Erde Mühsal
trug, ‒ so, wie er heute noch, ‒ der geist‐
geeinte Bruder seiner Brüder, ‒ in Geist‐
gestaltung uns erkennbar und vereinigt, sich
uns Tag für Tag bezeugt!
Wenn wir, die ihn so hoch verehren, uns
seine «Brüder» nennen, so soll dies nur be‐
sagen, daß er als Erdenmensch der Unseren
einer war und daß er auch in geistiger
Gestalt der Unseren einer bleibt, mag
man auch aus dem Sohn des Menschen, der
alles Menschliche in sich erfahren hatte,
als er auf der Erde lebte, in einer heute fer‐
nen, wunderargen Zeit den «Gott» gestaltet
haben, der da aus seiner Gottesherrlichkeit
herniedersteigen mußte, weil eines kleinen
alten Volkes Rachegötze vorgeblich seine
Wut nicht zügeln konnte, bevor der eigene
«Sohn» sich ihm als Opfer dargeboten hatte.
‒ ‒
.Wir reden nicht von einem, den wir nur
aus alter, dunkler Kunde kennen! ‒
Wir sind mit dem, von dem wir künden, so
vereinigt, wie keine irdische Vereinigung
jemals den Menschen mit dem Menschen
einen kann! ‒ ‒ ‒
Wir
wissen, wüßten wir es
anders nicht,
durch den, um den es hier sich handelt, daß
er einst als
Mensch, in allen Stücken
menschlich uns vergleichbar, über diese Erde
schritt und daß er nur an
Liebesfeuer‐
kraft uns also überlegen war, daß er das
überirdisch-hohe Wunder wirken konnte, die
Geistesaura dieser Erde so zu wandeln, daß
jeder, der da «guten Willens» ist, nunmehr
den Weg zurück zum Geiste, in der Liebe
finden kann, ‒ gleichsam «gebahnt», so wie
ein Wanderer durch hohen Schnee den Weg
nicht fehlen wird, den einer bahnte, der des
rechten Weges kundig war...
Auf solche Weise ist es wahrlich seine ei‐
gene Kunde, die euch durch unser Wort er‐
reicht!
Seht ihr an uns des Menschen Mal, obwohl
wir uns als seine «Brüder» euch bezeugen
müssen, so wisset, daß auch er, gleich uns,
ein wahrer Mensch war, dem nichts
Menschliches erlebnisferne blieb! ‒
Nichts Menschliches schien ihm zu niedrig,
als daß er es nicht einstmals in sich selbst, in
eigenem Erleben, mitempfunden hätte! ‒
Er wäre nicht gewesen, der er war, wenn
nicht die ganze Weite alles Menschlichen in
ihm sich auszuwirken Raum gefunden hätte!
Doch war ihm auch wahrlich keine Macht ge‐
geben, seinem Menschentum sich zu ent‐
winden, hätte er sich jemals ihm entwinden
wollen!
Nur, daß er letzten Endes
Sieger blieb,
macht seine Größe aus, so wie ein jeder, der
ihm folgen will, sich nur als «auserwählt»
bezeugt, wenn er der Erde Torheit, der er
niemals ganz entrinnen kann, solange er
auf dieser Erde lebt, für «Nichts» zu achten
weiß und aller «Sündenschuld» sich zu ent‐
winden lernt, um im
Erlösungslicht sich
zu erheben, sich selbst verzehrend in den
Feuergluten jener
Liebe, die in dem Meister,
dem er nur in
Liebe sich
vereinen kann,
das hohe Wunder seines Lebens wirkte...
.Wer da den «
Großen Liebenden» im
Innersten des Innern
in sich selbst zu
finden hofft ‒ denn er ist wahrhaft allen Erd‐
geborenen so nahe, daß er leicht sich finden
läßt ‒ der muß vor allem jenem Wahn ent‐
sagen lernen, der aus dem reinsten
Men‐
schen, den die Erde trug, den «Gott» zu bil‐
den wußte, der seinem Vatergott sich als Ver‐
söhnungsopfer irren Rachedurstes, mensch‐
lich allzumenschlicher Erfindung, bot! ‒
Dann erst kann er den hohen Meister in sich
vernehmen: ‒ den weisen Zimmermann aus
Nazareth!
ENDE
ÜBER DIE
GOTTLOSIGKEIT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1939
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1939
BUCHDRUCKEREI KARL WERNER IN BASEL
.Als Mensch meiner geistigen Wesensart
gänzlich im Bewußtsein Gottes innerhalb
des ewigen substantiellen Geistes lebend,
wird es mir kaum noch
möglich, rück‐
schauend in irdisch gehirnlich bedingte Er‐
kenntnis, eine Vorstellung des Bewußtseins‐
zustandes zu reproduzieren, in dem irdische
Mitmenschen von ihrer lediglich gedanken‐
bestimmten Perspektive her „das Dasein”
Gottes
in Frage stellen, oder gar jeden
Gottesglauben auf Erden als Priesterlüge
und fossile Wahnidee
verwerfen zu müssen
meinen.
.Nur, wenn ich mich ‒ unter allem, heute
damit verbundenen Grauen ‒ jener Zeiten
erinnere, die auch mich voreinst einmal an‐
gesichts eines, aus unwissentlich durch sich
selbst mißgeleitetem menschlichen Gestal‐
tungsdrang und allzuirdischer, Jahrhunderte
währender gedanklicher Spekulation stalag‐
mitenhaft erstarrten, vorgeblichen „Gottes‐
bildes” in schwersten Zweifeln fanden*, wird
mir noch nachfühlbar, was die Seele derart
bedrücken kann, daß sie sich lieber selbst
alle Möglichkeit sicherer Gottbewußtheit ab‐
erkennt, als daß sie weiterhin den Zwang
eines Vorstellungsgebildes in sich zu ertra‐
gen vermöchte, dem das ihr
empfindbare
geistig Wirkliche so wenig entspricht.
.In solchem Zweifeln und Negieren liegt
aber wahrhaftig keine „
Abkehr von Gott”,
sondern vielmehr: ‒ aus ewigem göttlichen
Geiste her dringlich gefordertes Ausschließen
jeglicher
Außenprojektion, wo immer die
Seele zum Empfindungsbewußtsein ihres
wirklichen lebendigen Gottes in ihrem
eigenen allerinnersten Empfindungsbereich
* Siehe: „Mehr Licht”, „Denen, die des Schlafens müde wurden!”
gelangen will. ‒ Abgelehnt wird nicht die
ewige und aus sich das ewige Sein der Seele
be-wirkende
Wirklichkeit, sondern ein im
Ablauf der Jahrtausende von unzähligen Ge‐
hirnen erklügeltes, in sich selbst starres und
bewegungsunfähiges
Gedankenbild, das
den Suchenden immer wieder
aufgezwun‐
gen wurde, weil seine Gestalter in solchem
Gebilde Gott die
Form gegeben zu haben
meinten, deren der Unfaßliche, ihrem Glau‐
ben nach, bedürfen sollte, um der Seele des
Erdenmenschen gegen-ständlich zu sein. So
ist ein „Gott”
ohne Gottheit entstanden: ‒
ein „
Gegenstand” des Glaubens, den dieser
„Glaube”, der nichts als ein immer frag‐
würdiges „
Fürwahrhalten” ist,
anneh‐
men oder aber
ablehnen kann!
.Es ist kaum erstaunlich, daß die Neigung
zur
Ablehnung in gleichem Grade wächst,
wie die erdenmenschliche Einsicht in alle die
Zusammenhänge erdenhaften Geschehens,
als deren alleiniger Urheber der besagte
„
Gegenstand” des Glaubens geglaubt wer‐
den soll! ‒
.Daß sich unter denen, für die das Wort
„Gott” allenfalls nur noch eine Redensart
bedeutet, ‒ unter denen, die jegliche Er‐
wähnung dieses Wortes in gebildeter Gesell‐
schaft als veraltete Hinterwäldlerei bespötteln,
‒ wie unter denen, die es nur als Heraus‐
forderung zu Kampf und Verwerfung an‐
sehen lernten, nicht wenige „gute Köpfe”
finden, darf nicht zu falschen Schlüssen
führen, denn
keiner dieser vorgeblichen
„Überwinder veralteten Menschenwahns” ist
in Tat und Wahrheit „Gottesleugner”! Jeder
lehnt nur auf eine laxe oder brüske Weise
eben diesen von Menschenhirnen gedanklich
gestalteten starren Gottes-
Begriff ab, der
von Anderen ‒ und
unzähligen Anderen ‒
noch gewohnheitsmäßig als „
Gegenstand”
ihres Glaubens und somit als ihr einziger
scheinbarer
Halt im Unsichtbaren, Jen‐
seitigen, ihnen gedanklich aber in Wahrheit
Unzugänglichen und niemals im redlichen
Denken Erreichbaren, angstvoll und freilich
nur
vermeintlich, umfaßt wird. Der in
seiner Selbstkritik strengste und im Denken
unbestechlichste Mensch würde jedoch nie‐
mals dem Gedanken verfallen, daß er
das
ewige Wirkliche, das in Wahrheit nur not‐
weise
Benennung erfährt, wenn von „Gott”
die Rede ist, „
leugnen” könne, wäre es ihm
auch nur ein einzigesmal im eigenen, hoch
allem Denkbaren entrückten Empfindungs‐
bewußtsein, als
geistige Wirklichkeit be‐
wußt geworden! ‒
.Lange vor den frühesten geschichtlich
verzeichneten Spuren des Menschen auf die‐
ser Erde gab es eine Zeit, in der dem schwer
in die bloße irdische
Tierheit gefesselten
Menschen auf diesem Planeten durch die
damals hier geistig Wirkenden des ewigen
Urlichtes wahrhaftige „Er-
Lösung” gewor‐
den war, so, daß jeder Einzelne aus unzähl‐
baren gleichzeitig Lebenden, seines in ihm
selber sich offenbarenden
lebendigen Got‐
tes bewußt, auch um den lebendigen Gott
in seinem Nebenmenschen wußte und
ihm die gleiche
Liebe darbot, durch die er
in sich selbst sich Gottes
innegeworden
sah. In jener Zeit gab es
kein Verbrechen
des Menschen gegen den Menschen! Die ihm
gemäße Tierheit, als
Notwendigkeit ir‐
dischen Daseins, war gebändigt und belehrt
worden von der Liebe aus dem in jedem
Einzelnen gegenwärtigen lebendigen Gott!
Keiner derer, die ihren lebendigen Gott in
sich wußten,
konnte „fremde Götter neben
ihm” wähnen, denn jedem war bewußt ge‐
worden, daß sich Gott nur als
sein Gott
ihm offenbaren mußte und als der Gott
seines Bruders zwar ihm selber unerreich‐
bar, aber im Wesen
kein anderer war,
als der Gott, den er
in sich selbst erlebte.
.Jahrtausende waren so vergangen, ehe
die
Degeneration des ehedem schon geistig
erlösten irdischen Menschen einsetzte, ‒
hervorgerufen durch neuerwachten irdischen
Verdrängungstrieb des Tieres gegenüber dem
Tiere und tierhaften Neid, ‒ die den bereits
im Geiste Bewußten der Tierheit wieder
gänzlich untertan und somit geistig blind
und taub werden ließen. Nur allzudeut‐
liches Symbol des hemmungslosen Wütens
der wieder ganz den niedrigsten Tier‐
trieben unterworfenen gegen die noch
dem lebendigen Gott in sich geeinten
Erdenmenschen ist in der alten, tiefste Er‐
kenntnis bergenden Sage von dem ungleichen
Brüderpaar „Kain und Abel” gestaltet! ‒ Es
ist natürlich naive Deutung, die Richtung
des Opferrauches nur durch uralten Aber‐
glauben für die beiden Brüder bedeutsam
werden lassen zu wollen, während in diesem
Motiv der Sage aufs deutlichste das Auf‐
steigen des „Unteren” ins „Obere” dem
trägen Haften am nur Irdischen gegen‐
übergestellt wird. ‒
.Man sollte vielleicht
etwas vorsichtiger
im Deuten der Einzelelemente solcher alten
Menschheitssymbole sein, ‒ was besonders
in heutigen Tagen anzuempfehlen ist, nach‐
dem die Werte mancher Elemente der in‐
tuitiven echten Symbolik den die
west‐
liche Hälfte des Erdballs bewohnenden
Menschen gänzlich
abhanden kamen, und
auch der Erkenntnis des irdischen geo‐
graphischen
Ostens mehr und mehr
ent‐
schwinden...
.An Gott zu
zweifeln oder gar Gott zu
leugnen, ist für Gottesbewußte nur unbe‐
greifliche
Torheit, wenn je unter dem Namen
„Gott” ‒ wie das doch gemeinhin selbst‐
verständlich ist ‒ das Allem übergeordnete,
aus sich selbst seiende ewige, in
absolutem
Sinne allumfassende schöpferisch Erhaltende
aller geistigen und physischen Welten ver‐
standen werden soll! ‒ Wenn unzählige
Menschen Gott „in Frage” stellen zu dürfen
meinen, so steht ihnen, wie ich schon dar‐
legte, in Wahrheit nicht „Gott” ‒ in dieser
höchsten Bedeutung des Wortes ‒ in Frage,
sondern eine gehirnlich erdachte
Vorstel‐
lungsform, die mit der
Wirklichkeit,
der man den Namen „Gott” gibt, so viel und
so wenig zu tun hat, wie die in allem Wirk‐
lichen bestimmende
Notwendigkeit mit
Willkür! Daß nur so wenige Erdenmen‐
schen bis jetzt und schon während ihres ir‐
dischen Daseins in innerstes
Gottesbewußt‐
sein gelangen, das unbeschreibbar hoch über
jeglichem Fürwahrhalten steht und
keiner‐
lei Zweifel mehr
zuläßt, hat darin seinen
Hauptgrund, daß man
mit vorgefaßter
Meinung sucht und Gott gleichsam
die
Form vorhält, in der er sich in der Seele
offenbaren
müsse, „falls er Wirklichkeit
sei”. . .
.Und was wird nicht alles gar von naiven
Ahnungslosen als Gottes „
Stimme” er‐
klärt! ‒ Wenn es nur wenigstens das echte
und nicht mit allerlei beschönigendem Mei‐
nungsgemengsel verfälschte „
Gewissen”, als
das Zeugnis des ewigen Geistesfunkens in der
Seele, wäre! So aber glauben die sich selbst
so billig und leicht Genügenden bereits „die
Stimme Gottes” in sich bei jedem
Selbst‐
gespräch zu vernehmen, indem sie aus ver‐
schiedenen Auffassungsmöglichkeiten her in
sich die Rollen selbst produzieren und ver‐
teilen, die zu ihren vermeintlichen „Gesprä‐
chen mit Gott” vonnöten sind, ‒ wenn sie
nicht gar sich mit kläglichen animistisch‐
spiritistischen Tändeleien zufrieden geben.
.In solcher Weise lernt man aber nicht
einmal
sich selber kennen, geschweige denn
Gott, und diese selbstgefälligen „Hörer” der
vermeintlichen Stimme Gottes sind wahr‐
haftig davor
gesichert, jemals
Gott in sich
zu vernehmen!
.Es handelt sich jedoch auch nicht um eine
„Aufgabe”, irdischen Aufgaben gleich, die
bewältigt werden müßte, wolle man Gottes
bewußt werden, sondern was not tut, ist die
Bereitschaft der Seele,
in ihr Empfindungs‐
bewußtsein aufnehmen zu wollen, was ihr
aus Gott zuteil werden kann, ‒
ohne Vor‐
behalt und ohne vorgefaßte Meinung!
(Eben deshalb weiß naturgemäß die
ratio‐
nalistische Form des
Buddhismus nichts
von Gott! Sie will nicht
Gott, sondern
ihre
Philosophie bestätigt sehen.)
.Gott ist aber auch wirklich
etwas ganz
Anderes, als was die Gestalter eines starren
Gedankenbildes meinen, das sie in gutem
Glauben als ihrer Annahme nach „verpflich‐
tenden” Glaubensbegriff aufstellen! Auch
ihnen gegenüber läßt sich sagen: „Vater
ver‐
gib ihnen, denn
sie wissen nicht, was sie
tun!” ‒
.In „Briefe an Einen und Viele” habe ich
dort, wo es sich ausschließlich um das Sein
Gottes
innerhalb der Struktur ewigen
Geistes handelt, deutlich genug gezeigt, daß
ich in diesem Sein
alles Ewige
einbegriffen
weiß, da dieses nicht ohne Gott, und Gott
nicht ohne das Ewige ist! Man darf also dem
Worte ‒
Gott ‒ wahrhaftig die denkbar
umfassendste Deutung geben, ohne jemals
einem Irrtum verfallen zu können! Nur muß
man sich davor hüten, im voraus
die Art
der Empfindung ewigen substantiellen
Geistes in sich
bestimmen zu wollen, bevor
man ihrer in Wahrheit
innegeworden ist!
Das erfordert schon die irdisch unvorstellbare
Unendlichfältigkeit des ewigen Geistes,
dessen unzählbare Selbstdarstellungen unter‐
einander in Myriaden von geistigen Relationen
stehen.
Jeder einzelne Mensch kann nur in
der
einen Selbstdarstellung ewigen substan‐
tiellen Geistes zu Gottesbewußtheit kommen,
die gerade
seiner individuellen Eigenart
entspricht, und gelangt dadurch in ganz
präzis gegebene Beziehungen zu
allen un‐
endlichfältigen Selbstdarstellungen ewigen
Geistes.
.Nicht umsonst habe ich in meinen Lehr‐
schriften immer wieder die vielfachen Ein‐
wirkungen aufgezeigt, in denen diese un‐
endlichfältigen Selbstäußerungen des Ewigen
gegenseitig zueinander stehen! ‒
.Ich könnte mein bewußtes unauslösch‐
liches Leben im ewigen substantiellen gött‐
lichen Geiste niemals nur im Allermindesten
behindert sehen, auch wenn
kein einziger
anderer Mensch der Erde in aller Ewigkeit
zu seinem ewigen, in Gott gegebenen Ur‐
sprung zurückkehren würde. Soweit also
mein eigenes Wünschen, Hoffen oder Erwarten
in einer, mein eigenes geistiges Schicksal
irgendwie bestimmenden oder auch nur leise
berührenden Richtung in Frage kommen
könnte, bin ich wahrhaftig an solcher Rück‐
kehr Anderer ganz und gar uninteressiert,
und ich hege auch gewiß keinerlei irdischen
Ehrgeiz, um meines im ewigen substantiellen
Geiste bewußten Daseins willen von den
gleichzeitig oder später Lebenden gefeiert
zu werden.
.Es wird mir schwer genug, mich zu diesem
Leben im Geiste Gottes
bekennen zu
müssen, das ich ‒ meiner ganzen Artung
nach ‒ wahrhaftig lieber als mein stillstes
Geheimnis hüten würde.
.Ich weiß nur aus geistigem unbeirrbaren
und niemals täuschendem erschauernden
Wirklichkeits-Wissen um die unsagbaren
seelischen Qualen, die Keinem erspart oder
abgenommen werden
können, der die Heim‐
kehr in seinen geistigen Ursprung: ‒ in das
Leben
in Gott! ‒ dem er durch seinen Fall
in das materielle Dasein entfiel, nicht schon
während seines irdischen Lebens mit allen
Kräften und ‒
bedingungslos ‒ wieder
anstrebte. In „Gelassenheit”
göttlicher Be‐
stimmung überlassend, ob ihm das Bewußt‐
werden in seinem lebendigen Gott schon
innerhalb der körperlich dargebotenen
irdi‐
schen Lebenszeit, oder erst nach ihrer Be‐
endigung, dann in neuer Lebensform, zuteil
werden soll. Ich will aber nicht Andere im
Leide wissen und unvermeidlichem Leid ah‐
nungslos entgegengehen sehen, die ich durch
Klärung ihrer Meinungen und durch Offen‐
barung des mir geistig Bewußten vor unnützen
seelischen Qualen zu behüten vermag! Wenn
ich also vermieden sehen will, daß sich Men‐
schen der Erde selbst ins Unheil stürzen,
indem sie alles Göttliche in diesem Erden‐
dasein negieren, nur weil sie außerstande
sind, einen ihnen als „Gegenstand” des Für‐
wahrhaltens gestalteten „Gott” als ewige
Wirklichkeit anzusehen, so handle ich wie
doch wohl jeder nicht ganz Gefühlsrohe auch
im praktischen Außenleben handeln würde,
wenn er einen Unkundigen vor nicht von ihm
geahnten Unglück sähe. Man wird nicht er‐
warten wollen, daß meine mir im substan‐
tiellen Geiste geborenen und in gleicher
Einung wie ich geistig in Gott bewußten
Brüder etwa anders handeln könnten, wären
sie an meiner äußeren Stelle, wenngleich je‐
der aus ihnen ebenso wie ich weiß, daß seiner
eigenen geistigen Seligkeit dadurch weder
Minderung noch Mehrung geschieht.
.Das
Unheil aber, vor dem wir die sich
ihm ahnungslos Aussetzenden aus liebege‐
zeugter Pflicht zu bewahren trachten, ist
weder göttliche „Strafe” noch Folge gött‐
licher „Erziehungsabsichten” oder gar Erfül‐
lung vermeintlicher „Forderung göttlicher
Gerechtigkeit”! ‒ Es handelt sich dabei viel‐
mehr einzig und allein um unvermeidbare
Folgen der Nichtbeachtung bestimmter,
dem Leben im substantiellen ewigen Geiste
auf allen seinen Stufen ‒ seiner Struktur
nach ‒ eigener inhärenter Gesetze, die nicht
aufzuheben sind, ‒ durchaus vergleichbar
den Wirkungen von Verstößen gegen
physi‐
kalische Gesetze
im irdischen Alltag.
.Gott hierfür „
verantwortlich” zu glau‐
ben, wäre gleich töricht, wie wenn man den
Konstrukteur eines Hochofens dafür verant‐
wortlich erklären wollte, daß der glühend
flüssige Stahl die Hand vernichten müßte,
die in ihn einzutauchen versuchen wollte!
Ebenso könnte ein Unzurechnungsfähiger
eine chemische Fabrik dafür verantwortlich
machen wollen, daß sie dem Erdenmenschen
unzuträgliche Gifte, die keinesfalls dem Ge‐
nuß durch Menschen dienen sollen, erzeugt,
‒ oder Haftung der Ingenieure verlangen,
wenn ein Unvorsichtiger ahnungslos eine
Hochspannungsleitung berührt, während sie
„unter Strom” steht und damit eine Kraft
repräsentiert, die dem erdenmenschlichen
Körper zwar durch mancherlei Instrumen‐
tarien wahrhaftig
zum Heil gereichen kann,
aber ebenso bei direkter Berührung der
nichtisolierten Stromleiter
zum Verhäng‐
nis werden muß.
.Es ist einer der betörendsten blinden
Trugschlüsse menschlichen Denkens, anzu‐
nehmen, göttliche „Allmacht” müsse die
in Gott
gegebenen ‒ durch sein Dasein
„gesetzten” ‒ Auswirkungsgesetze ewiger
geistsubstantieller Kräfte auch je nach Be‐
lieben wieder aufheben können, sobald
das dem Erdenmenschen wünschbar erschei‐
nen würde! ‒
.In meinem geistig geleiteten äußeren ir‐
dischen Leben wußten die es vom ewigen
göttlichen Geiste her Lenkenden mich von
Anbeginn davor zu bewahren, mich dem
gehirnlichen Denken auch dort anzuver‐
trauen, wo alle Ergebnisse folgerichtigen
Denkens noch nicht einmal zu der alleräußer‐
sten „Pforte” zu führen vermögen, die auch
jeder andere Mensch der Erde durchschrit‐
ten haben muß, wenn er hoffen will, jemals
den Weg zu erreichen, der allein ihn zu
seinem ewigen Ziele geleiten kann. Es gab
zwar gewiß keine Zeit meines äußeren Da‐
seins, in der ich nicht dankbar manches auf‐
genommen hätte, was sich mir als Ergebnis
des Denkens anderer Erdenmenschen oder
auch meiner eigenen denkerischen Bemü‐
hungen darbot, wenn es nur den Anfor‐
derungen jener gedanklichen „Reinlichkeit”
entsprach, die mir lange schon ganz selbst‐
verständlich bestimmend waren, bevor ich
erfahren
konnte, daß seriöses Denken sie
verlangt! Aber niemals kam ich in die
Lage, Aufschlüsse über die Art meiner
un‐
vergänglichen Natur vom
Denken her zu
erwarten, denn ich
bedurfte dergleichen
wahrhaftig nicht, da mir aus meinem ewigen
geistigen
Sein her ja immer alle Aufschlüsse
zuteil geworden waren, so oft ich danach ver‐
langen mochte.
.Ich weiß vielleicht erst heute ausreichend
zu beurteilen, vor wieviel verschlungenen
Irrwegen mein irdisches Bewußtsein nur
dadurch behütet wurde, daß ihm aus dem
in mir, als dem Irdischen, sich darbietenden
ewigen geistigen Leben her längst bereits
geistiger Besitz geworden war, wonach
gehirnliches Denken zu seiner Zeit hätte
„fragen” können. ‒ Es bestanden da in
meinem irdischen Leben, von seinem Beginn
an, ewigkeitsbegründete
geistige Bestim‐
mungen, deren Vorhandensein mir erst
viel
später zur Gewißheit werden konnte, ‒ die
ich aber alsdann in unzählbar vielen Ge‐
schehnissen meines gesamten erdenhaften
Lebens zu sicherster sichtbarer Auswirkung
gekommen sah. Von meinem
gehirnlichen
Denken, Erkennen und Folgern her, hätte
ich mir vielleicht die Bedingnisse meines
Erdendaseins mehr als einmal auch
anders
vorstellen können, als sie sich, mein irdi‐
sches Leben bestimmend, bezeugten. Aber
immer wieder sah ich dann aus
ewig-
gei‐
stiger „Ein”-Sicht in die urtiefen „
Gründe”
des mir da und dort scheinbar wahllos zuteil
gewordenen
Geschehens, so, daß alle Ge‐
fahr verschwand, zu falschen gedanklichen
Schlußfolgerungen zu kommen.
.Das „
Geschehen” hier auf Erden ist
in
erster Ursächlichkeit von jener geistigen
Zone her bestimmt, die ich „das Reich der
geistig erzeugten Ursachen” nenne. Nur
relativ weniges geschieht bereits als Folge
von Impulsen, die sich diesem substantiell
geistigen Bereiche schon
entzogen haben,
und infolgedessen auch nicht mehr von ihm
her aus ihrer starren Auswirkungsrichtung
abgelenkt werden können.
.So sind denn alle
geistigen Einflüsse
auf das
Geschehen innerhalb der irdi‐
schen Umwelt keineswegs etwa durch hirn‐
bedingte
Gedanken,
Neigungen,
Affekte
und
Wünsche bestimmbar, sondern
allein
davon abhängig, ob die jeweilige Veran‐
lassung irdischen Geschehens noch in der
Zone der primären, rein
geistigen und da‐
her auch durch ewigkeitsbestimmte
geist‐
substantielle Impulse
noch lenkbaren
Ursachen zu finden ist, oder bereits im Irdi‐
schen zu
sekundärer, mechanisch weiter‐
stoßender starrer
irdischer „Ursache” wur‐
de! Innerhalb dieser Region der endgültigen
Erstarrung der Zielrichtungen ursprünglich
im Geistigen noch bewegbarer Impulse,
ist selbst ewiger Gottesmacht aus eigener
Satzung jede ändernde Einwirkung verwehrt.
Hier ist aller gedanklich vermuteten „All‐
macht” gesetzte Grenze, die ohne Selbst‐
aufgabe Gottes nicht überschritten werden
kann! Wären nicht die allermeisten Im‐
pulse, die Ursache irdischen Geschehens
sind, noch im bewegbaren ‒ der Ablenkung
erreichbaren ‒ substantiell geistigen Be‐
reich zurückgehalten, solange das irgend
geistig möglich ist, dann müßte das mensch‐
liche Erdenleben erbarmungslos auf allen
aus Gott geschenkten wahrhaftigen „Zu-fall”
verzichten und würde gänzlich zum fürch‐
terlichen Ergebnis starren, ausschließlich
„mechanisch” bestimmten vorausberechen‐
baren Ablaufs unabänderlicher irdischer
Kausalitätsreihen. „Determinismus” in
denkbar schauerlichster und: ‒ lang‐
weiligster Gestalt! Man könnte es keinem
Menschen verübeln, wenn er darauf ver‐
zichten wollte, ‒ gesetzt, er wäre wirklich
dann davon befreit! ‒ ein
solches Leben
weiterzuführen, nachdem er dessen starrer
Unabänderlichkeit innegeworden wäre . . .
Glücklicherweise liegen aber die Dinge
anders, und es ist nicht weniges von dem,
was irdischer Verstandeserkenntnis gemäß,
als unabwendbar
erscheint, vom substan‐
tiellen ewigen Geiste her noch in
andere
Auswirkungsrichtung zu dirigieren.
.Uns im Urlichte Leuchtenden ist es nicht
nur begrüßte geistige Pflicht, alle von unseren
Erdenmitmenschen geschaffenen Impulse so
lange wie irgend möglich in der
geistigen
Zone zurückzuhalten, in deren Bereich alle
Auswirkung noch
bewegbar,
ablenkbar
und
umkehrbar bleibt, ‒ sondern auch
alle unsere Hilfe einzusetzen, um den durch
verderbliche Impulse angetriebenen Wir‐
kungskräften,
vom Geistigen her den größt‐
möglichen Widerstand zu bieten, und ihre
üble Ausgangsrichtung zum noch Rettung
gewährenden Besseren innerhalb des irdi‐
schen Geschehens
umzusteuern. Wo aber
die Auswirkungen der im Willen geschaffenen
Impulse sich bereits der Zone substantieller
Geisteskraft
entwunden haben, in der
jeg‐
licher Impuls seine
primäre Kräftekumu‐
lation hervorbringt, dort ist auch uns
keiner‐
lei Hilfeleistung durch geistsubstantielle
Einwirkung mehr
möglich und wir müssen
zusehen, wie sich nun der in irgend einem
irdischen Willen geschaffene Impuls, seiner im
irdischen Bereich
erstarrten Richtung nach
auswirkt, mag diese Auswirkung Wünsch‐
bares oder Unerwünschtes für
Einzelne
oder
Viele auf Erden herbeiführen.
.Niemals aber ist unsere Hilfe ‒ wo
sie noch
möglich wird ‒ durch gedankliche
Erwägungen, Schlußfolgerungen oder dem
Gehirn entsprossene Urteile über Wert und
Unwert gesetzter Impulse bestimmbar!
.Wir sind aus Ewigem her wahrhaftig
davor gesichert, dem gehirnlichen
Denken
und seinen
ihm gesetzlich eigenen Schluß‐
folgerungen auch dort
vertrauen zu müssen,
wo ihm kein Vertrauen zukommen
kann!
Hilfeleistung und Abwehr sind bei uns ‒
ausnahmslos ‒ nur durch die Forderungen
des urewigen substantiellen Geistes gelenkt,
die hinwieder der lebendigen
Struktur des
Geistes entsprechen.
.Es herrscht im ewigen, allen irdischen
Gehirngedanken unbestimmbar hoch über‐
ordneten substantiellen Geiste
keinerlei
Willkür, und es wäre daher auch denen,
die der ewige göttliche Geist als seine erden‐
hafte Selbstgestaltung in sich bejaht, niemals
eine direkte oder indirekte
geistige Ein‐
wirkung verstattet, wenn eine solche etwa
von gedanklichen oder gefühlsbestimmten
irdischen Urteilen her angeregt würde! ‒
.Die Hilfeleistung aus dem geistigen Rei‐
che der Ursachen her, wie sie nur allein uns
Leuchtenden im Urlichte möglich und da‐
her aus ewiger Liebe gesetzte „Pflicht” ist,
hat jedoch sehr wesentlich andere Vor‐
aussetzungen als die jedem Erdenmenschen
erreichbare Kunst des wirksamen Betens,
die ich in dem Buche „Das Gebet” lehre,
das schon ungezählten Gebetsbereiten die
Augen dafür öffnete, was rechtes Beten
ist und wie es seine Wirksamkeit erhält.
Ich verleugne gewiß nicht, daß ich, von mei‐
nem Irdischen her, auch ein Kundiger des
Gebetes bin, und Ausübender dessen, was
ich in der genannten Lehrschrift lehre, ‒
geistig in meinem Gebet verbunden mit
Allen, die auf Erden wahrhaft zu beten ver‐
stehen, einerlei, aus welcher Glaubens‐
überzeugung heraus sie beten lernten!
Aber in dieser nun hier gegebenen Dar‐
stellung handelt es sich deutlichst um Dinge,
die nur uns Leuchtenden im Urlichte
möglich und geboten sind: ‒ nämlich um
unsere geistige Einwirkung auf eine, sol‐
chem Einwirken zugängliche Zone inner‐
halb der Struktur des ewigen substantiellen
Geistes. Hier kommt keine
Gebetsinten‐
tion in betracht, sondern
die bedingungs‐
lose Darbietung der im eigenen geisti‐
gen Sein sich auswirkenden geistigen
Schwingungsenergien, zum Dienste im
Bereich dieser Zone, gemäß geistverliehener,
aller irdischen Trübung entzogener „
Ein”‐
Sichten in die
primären, ‒ irdischem Er‐
forschen unzugänglichen ‒ noch bewegbaren
geistigen Ursachen erdenhaften Geschehens.
.Erst dann, wenn die
bewußt oder
ohne
Wissen durch Auswirkung der Seelenkräfte
eines Erdenmenschen im geistigen Reiche der
Ursachen gleichsam „automatisch” gesetzten
Impulse bei ihrem unvermeidlichen Rück‐
prall in die Welt irdischen Geschehens, die
Grenze zwischen dem beweglichen substan‐
tiellen geistigen Zustand und physischer Starr‐
heit, bereits
durchschritten haben, wird
diese oben beschriebene Einwirkung auch
uns Leuchtenden des Urlichtes
unmöglich.
.Vergeblich müht sich der menschliche
Verstand, diese Dinge, die viel zu fein sind,
als daß sie ihn eindringen lassen könnten,
zu ergründen! Wie ein schlechter Detektiv,
den seine eigenen Rekonstruktionen eines
verborgenen Tatbestandes derart binden, daß
er die nächstliegenden Beobachtungsmög‐
lichkeiten übersehen muß, geht er an allem
vorüber, was er nicht selbst sich erdachte,
und verliert die Wirklichkeit gerade dann
am allerweitesten aus den Augen, wenn er
ihr in seinen Schlüssen am nächsten gekom‐
men zu sein glaubt. ‒
.Dem Denken zu mißtrauen, wo Erkennt‐
nis irdischer Zusammenhänge nur durch
folgerichtige Denkarbeit zu erlangen
ist, wäre arge Torheit. Noch weit ärgere
Torheit aber ist dort zu finden, wo das Den‐
ken an Aufgaben verschwendet wird, die
nicht die seinen sind, so daß es unter
allen Umständen nur zu irrigen Resulta‐
ten kommen kann!
.Gewiß darf man über geistige Dinge
auch dann nachdenken, wenn man bisher
noch nicht den geringsten Schimmer geisti‐
gen Bewußtseins in sich wahrgenommen hat.
Man kann ja auch die Installierung einer
elektrischen Beleuchtung vornehmen, ohne
bereits eine Zuleitung vom allgemeinen
Stromkabel zum Hause zu besitzen. So aber,
wie gewiß niemand erwarten wird, seine
Räume am Abend beleuchtet zu sehen, bevor
der Kontakt mit dem Stromnetz des Elektri‐
zitätswerkes hergestellt ist, so darf man auch
nicht erwarten, daß geistsubstantielles Be‐
wußtsein jemals im Denken zum Aufleuchten
kommen könne, bevor der nur außerhalb
aller Denkmöglichkeiten liegende Anschluß
des eigenen Bewußtseins an die dem Erden‐
menschen lediglich durch seine geistig be‐
stimmte Empfindungsfähigkeit zugäng‐
liche Schwingungs-Sphäre des ewigen sub‐
stantiellen Geistes effektiv erfolgte.
.Wohl wird das wirklich erlangte Emp‐
findungsbewußtsein der gedanklich unerfaß‐
baren Wirklichkeit, die das Wort: „Gott”
andeuten will, in der dem Erdenmenschen
normalerweise erschließbaren Region ewi‐
gen Geistes sodann eine unerschöpfliche
Anregungsquelle des Denkens bilden
und tausenderlei Probleme erhellen, die
sich vorher auch durch die intensivste Denk‐
arbeit nicht auflichten lassen wollten, ‒
aber zur Erreichung dieses Bewußtseins
im ewigen Geiste ist und bleibt das Den‐
ken nur ein aussichtsloses Bemühen mit
absolut ungeeigneten Mitteln!
.Es kann einer auch sein ganzes Erden‐
leben lang Tag für Tag die erhabensten
Gedanken über Gott formulieren und
„Beweise” des „Daseins” Gottes aufstellen,
die selbst dem schärfsten Dialektiker „zu
denken geben”, ohne bei dieser Tätigkeit
jemals etwas von der Wirklichkeit in sich
zu erfahren, die er so gut zu kennen
meint! Mißtrauen gegenüber allem, was irdi‐
sches Denken sich über „Gott” zu ergrü‐
beln wußte, ist deshalb nur Regung gesunder,
geistig geleiteter Instinkte! ‒
.Gewiß fällt es dem „denkenden” Erden‐
menschen nicht leicht, sich davon zu über‐
zeugen, daß es in ihm eine Bewußtseins‐
möglichkeit gibt, über die zwar, nachdem
sie erreicht ist, nach-gedacht werden kann,
die aber dem Denken nicht primär als Ziel
erreichbar wird, da sie außerhalb aller ge‐
danklichen Erschließungsbereiche liegt. Aber
die Erringung dieser Überzeugung ist aller‐
erste Notwendigkeit, wenn das „Empfin‐
dungsbewußtsein” aus seinem Schlafe er‐
wachen soll!
.Ohne dessen bewußt zu werden, ist der
vermeintlich „Gottlose” durch
psychische
Unfähigkeit gehemmt, Gottes ‒ das Wort
hier wieder im umfassendsten Sinne ge‐
meint ‒
empfindungsbewußt zu werden.
In Wahrheit „gottlos”, also Gottes ledig
oder von Gott gelöst,
kann ja kein Erden‐
mensch sein, da das für ihn heißen würde,
im gleichen Augenblick physisch wie im
Psychischen
ein Nichts zu werden, wenn
das möglich wäre. ‒ Es ist immer eine
„Asthenie”, eine
Fähigkeitsschwäche, die
den Erdenmenschen dazu bringt, sich ein‐
zureden, er sei
losgelöst von Gott; ‒ los‐
gelöst
von dem, was Sekunde um Sekunde
allen irdischen Daseins Voraussetzung aus‐
macht, wie immer man diese ewige Kraft
auch mit Worten benennen mag. Der Mensch
mit intakter seelischer Empfindungsfähig‐
keit ist deutlich der ewigen Tatsache be‐
wußt, daß er nicht auf sich selbst gestellt,
sondern die irdische „Darstellung” einer ihn
himmelhoch überragenden Kraftäußerung
ist, auch wenn er eine so weitgehende Frei‐
heit der Eigenformung genießt, daß er leicht
durch sich selbst verführt werden kann,
Ursache und Wirkung im eigenen Dasein
zu verwechseln...
.Jedweder Versuch, die vermeintliche Los‐
gelöstheit von Gott vor sich selbst und An‐
deren zu rechtfertigen ‒ möge er in vul‐
gärer, bramarbasierender Selbstbetäubung
durch das Überschreienwollen der inneren
Warnungen, oder durch ruhiges und vor‐
nehm gehaltenes Beibringen der subtilsten
philosophischen Argumente erfolgen ‒, er‐
weist in Wahrheit die
Verkümmerung
der seelischen Empfindungsfähigkeit
eines Menschen! Wenn der gleiche Mensch
auch über die staunenswertesten Fähigkeiten
zum „
Denken” und sicheren
Schlußfol‐
gern verfügt, so liegt dennoch seine Schwäche
der seelischen Empfindungsfähigkeit offen zu
Tage und kann durch keinerlei denkerische
Leistung aus der Welt geschafft werden.
.Auch der hervorragendste Reiter kann
ein unfähiger Bergsteiger sein, und an nörd‐
lichen wie südlichen Meeresküsten begegnet
man heute noch wetterfesten, alten, erfah‐
renen Fischern, die mehr als ihr halbes
Leben
auf dem Meere zubrachten, ohne
die ihrem Fahrzeug noch irgend übersteh‐
baren Stürme zu scheuen, die aber dennoch
‒ nicht des
Schwimmens kundig sind, so
daß ihr Mut nur
im Zutrauen zu ihrem
Boote begründet ist.
.Das im
Denken erlangbare und zum
Ausdruck kommende Bewußtsein des Men‐
schen dieser Erde ist im Verlaufe von Jahr‐
tausenden derart hypertrophiert, und es ste‐
hen ihm eine solche Menge Entfaltungs- und
Übungsmöglichkeiten zur Verfügung, daß
man um seine weitere Förderung gewiß
nicht besorgt zu sein braucht, ‒ es sei denn
im Sinne ernster Besorgnis um eine Mensch‐
heit, die sich ihm heute immer noch ahnungs‐
los ausliefert, auf Kosten des allein nur durch
geschulte und gepflegte, lebendige
Empfin‐
dungsfähigkeit zu erlangenden Bewußt‐
seins der ewigen Seele...
.Darum sind alle die Einzelstücke, die
zusammen das von mir geformte geistige
Lehrwerk ausmachen, so gestaltet, daß sie
die
seelische Empfindungsfähigkeit
wecken, befreien, und aus ihrer in den aller‐
meisten Seelen erfolgten Verkümmerung zu
neuem lebendigen Wachstum aufrichten. Es
wäre wahrhaftig allzu wenig gewesen, hätte
ich nur
gedankliche Definitionen ge‐
geben, wie sie in unzählbarer Menge schon
durch Denker erdacht wurden, um durch
andere Denker
zerdacht zu werden! Und
was immer in diesem geistigen Lehrwerk
Ausdruck in Worten fand, ist in
geistigem
Sinne ‒ als vom Standpunkt
geistiger
Einsicht her gezeigt ‒ zu „verstehen”, so‐
weit es dem Verstande
zugänglich werden
kann.
.Wie wollte man auch, angesichts aller
Schrecken, die der Erdenmensch seit Jahr‐
zehnten für den Nebenmenschen ersinnt,
meine Worte als aus
irdischer Einsicht
her gemeint deuten, wenn ich davon rede,
daß des Menschen Bahn wieder an der
Schwelle eines jener lichten Höfe angelangt
ist, die auch inmitten tiefster Finsternis zu‐
zeiten neue Hoffnung für die geistige Er‐
hellung geben?! ‒
.Wie wollte man begreifen, daß ich Hut‐
tens bekanntes Wort zitiere: „Es ist eine
Lust zu leben!” ‒ und diese Behauptung
ausdrücklich auf die heutige und kommende
Zeit beziehe, wenn man nicht als aus
rein
geistiger Einsicht her gesehen und erfühlt
empfindet, was da gemeint ist?! ‒
.Aber alle inneren Unruhen, alle undurch‐
bildeten Triebe und Dränge nach „
ganz
Neuem”,
Andersgeartetem, die jetzt
gespenstige Trennungswälle und Haßburgen
zwischen Menschen und Menschen aufrichten,
sind nur dann sachlich richtig der treibenden
und drängenden
wirklichen Ursache nach
zu begreifen, wenn man eben um das ‒
geistige! ‒ Angelangtsein „an der Schwelle
eines jener lichten Höfe” (Sonnen- und Mond‐
ringe sind hier als Bild benützt!) weiß. Es
ist kein einziger irdisch normal gehirn‐
bewußter Mensch zu dieser Zeit im Dasein,
der nicht dieses
geistig-kosmische Nahe‐
sein einer
Umgestaltung des Erdenlebens
in irgend einem Grade zu fühlen bekäme,
aber die übergroße Mehrzahl der Menschen
auf Erden deutet dieses Fühlen
falsch, indem
sie
in das materielle irdische Gebiet der
Außenwelt projiziert und
hier finden zu
können meint, was sich
im ewigen sub‐
stantiellen Geiste ‒ soweit er dem Erden‐
menschen zugänglich werden kann ‒ in
Wahrheit schon für Wenige ereignet
hat,
und in einem heute erst sachte und zö‐
gernd beginnenden Zeitalter,
nach und
nach für Viele ereignen
wird! ‒ Und
wahrhaftig ist es nur
erst für die Weni‐
gen bereits „eine Lust zu leben”, die im
eigenen Empfindungsbewußtsein sich schon
als Vorerben einer helleren geistigen Zu‐
kunft erkennen!
.Daß diese kommende Erhellung und
Erleuchtung aus dem ewigen Geiste alsdann
auch in das alltägliche
äußere irdische Leben
der Menschen auf Erden ausstrahlen wird,
unterliegt nicht dem leisesten vernünftigen
Zweifel, aber von aller Vernunft entblößt
ist die lächerlich törichte Anmaßung irdischen
Denkens, gänzlich von sich aus das irdische
Außengeschehen, auf die Dauer, nach dem
Vorbild
gehirngezeugter Vorstellungen
gestalten zu können, und seien diese Vor‐
stellungen auch noch so ‒ verführerisch!
.Immer aber ist es nur das unverkümmerte,
wache
Empfindungsbewußtsein, das da
imstande bleibt, Wahrheit und Wahn mit
sicherer Zuverlässigkeit auseinanderzuhalten,
und es hat, was eben diese
Zuverlässigkeit
anbelangt, auch vom schärfsten gedanklichen
Erschließen her nie und nimmer irgend‐
welche ernst zu nehmende Konkurrenz zu
befürchten.
.Darum handelt es sich heute vor allem
und mehr als je darum, die erdenmensch‐
liche Empfindungs-
Fähigkeit aus ihrer
Ver‐
kümmerung zu erwecken! Diese Fähigkeit
ist zwar in jedem irdischen Menschen bis zu
gewissem Grade noch
vorhanden, aber durch
Angst, ihrer nicht richtig mächtig zu sein,
sowie durch die Scheu vor jeglichem
Ver‐
such, sie zu gebrauchen, bei den Allermeisten
dermaßen
entartet, daß es vieler Geduld
und der tagtäglich ganz bewußt erneuerten
innerlichen Zuversicht bedarf, um sie aus
der Verkümmerung heraus zu kraftvoller
Entwicklung zu bringen.
.Diese Entfaltung der
Fähigkeit zur
Wahrnehmung des substantiellen ewigen
Geistes in seiner ihm eigenen Struktur,
kann im Menschen dieser Erde in der
beginnenden Zeitperiode erreicht werden,
als Folge des Angelangtseins der
geistig‐
kosmischen „Bahn” des Erdverhafteten an
einem der „lichten Höfe”, von denen ich
sprach, ‒ und es ist wahrhaftig „eine Lust”
zu leben in dieser beginnenden Zeit, für
jeden Menschen, der bewußt dazu fähig wird,
ihre
geistige Gestaltung mitbestimmen zu
dürfen, denn es handelt sich ja hier um nichts
Geringeres als das Freiwerden des vergäng‐
lichen irdischen Lebens für die ihm aufnehm‐
baren Einwirkungen substantiellen ewigen
Gottesgeistes! ‒
.Es ist kein Wunder, daß die ganze
menschliche Natur sich durch dieses von ihr
vorgefühlte, aber ihr noch nicht deutbare
Anderswerdenwollen der
geistig-kos‐
mischen Einflüsse auf das irdische materielle
Leben,
erregt und
zur Unruhe gedrängt
fühlt, in der irrigen Meinung, daß sich ein
Neues in ihr rege, was
auf Grund ver‐
standesmäßiger Erwägungen ‒ die
sich ja auch mit Vorliebe der
Affekte als
Attrappen bedienen ‒ von ihr im irdischen
Außenleben geschaffen werden wolle.
.Gerade darum aber handelt es sich
nicht! ‒
.Alles, was aus
verstandesmäßiger Er‐
wägung her in das Blickfeld des Erden‐
menschen gelangt, ist ‒ von gewissen
grundlegenden, rein mathematischen Er‐
kenntnissen allenfalls abgesehen ‒ : „
Pro‐
visorium”, und selbst höhere
mathema‐
tische Erkenntnis dürfte zuweilen provi‐
sorischen Charakters sein. (Das mögen die
Mathematiker entscheiden!) In jeder Wissen‐
schaft, jeder Praxis der Technik und jeder
Form gesellschaftlichen Lebensverbandes,
die aus gehirnlichen Denkschlüssen, Beo‐
bachtungen, Erfahrungen und affektbetonten
Folgerungen her ihre Direktiven empfangen,
reiht sich so
ein Provisorium an das
an‐
dere, wobei die Aufstellung eines neuen
immer ‒ zu Recht oder zu Unrecht ‒ so‐
lange als Fortschritt, Vertiefung der Ein‐
sicht, oder Verbesserung angesehen wird,
bis ein
allerneuestes Provisorium Geltung
erlangt.
.Jedes gerade geltende verstandes‐
mäßige Provisorium der Erkenntnis, der
Weltansicht und der Lösungsbereitschaft
wirtschaftlichen, physikalischen, chemischen,
wie mechanisch technischen Problemen ge‐
genüber, wirkt eine zeitlang ‒ und mit‐
unter sehr lange Zeit! ‒ mit hypnotischer
Gewalt auf die in betracht kommenden Ge‐
hirne, denn es ist ihnen Anlaß zu unge‐
wollter, weil unbewußter
Selbsthypnose,
aus der auf jedem Einzelgebiet wieder eine
unberechenbare Menge von Selbstsuggestio‐
nen hervorsprießen wie Pilze nach warmen
Regennächten. Jede
Wahl und
Wertung
ist infolge solcher Selbsthypnotisierung
un‐
möglich gemacht, bis irgendwo Einzelne
doch durch besondere Umstände ihrer Frei‐
heitsbenommenheit innewerden, um kraft
ihrer wiedererlangten Urteilsfähigkeit die
bisherigen Wege abzulehnen und neue zu
bahnen, die aber
auch nur wieder
neue
Provisorien sind. ‒
.Was dem Erdenmenschen jedoch, durch
die
Entfaltung seiner verkümmerten
Emp‐
findungsfähigkeit, aus dem ewigen sub‐
stantiellen Geiste her
aufnehmbar werden
soll, ist zuerst die hohe Geistesmacht des
Schutzes gegen das ungewollte Verfallen
in irgend eine Art der Selbsthypnose aus
eigenen erdgebundenen Gedankenkräften. Er
soll nicht der Sklave seiner selbst bleiben,
sondern aus ewigem Lichte
Herr seines ge‐
danklichen Meinens, Fürwahrhaltens und
exakten Wissens werden, der frei von aller
hypnotischen Bindung an Provisorien, in
untrüglicher Sicherheit wählt und wertet
nach einer
geistigen Einsicht, die nur dem
Ewigen in ihm offenbar werden kann!
.Dann aber wird er wahrhaft auch von
aller
Angst vor
Gott frei, die aus der
Schwäche der Empfindungsfähigkeit genährt,
den Menschen dazu verführen kann, sich
„gottlos” zu wähnen, nur um sich dadurch
solcher Angst zu erwehren! ‒
.Nehmt auf, was ich euch bringe, wie ihr
es aufnehmen
könnt, aber seid
um eurer
selbst willen, willens, euch den immer
nur provisorischen, gehirnerzeugten „
Hyp‐
nosen” zu entziehen, damit ihr
zu geisti‐
gem Erwachen gelangt, das euch nicht wie‐
der in die trüben Bereiche der durch euch
selber euch suggerierten Träume zurück‐
fallen lassen wird!
.Ich habe nicht die leiseste Absicht, euch
irgendwohin zu führen, wohin ihr
nicht
wollt. Nur jenes Ziel, das ihr, noch auf
Irrwegen,
selbst zu erreichen strebt, will
ich euch auf sicheren Pfaden auch
wirklich
erreichen lehren!
.Unter denen, die sich vor sich selber
„gottlos” glauben, sind nicht wenige, die
voreinst allzusehr litten unter der Furcht
vor dem „Gegenstand” eines ihnen aufge‐
zwungenen Fürwahrhaltens, der ihnen ver‐
pflichtend und drohend als „Gott” dar‐
gestellt worden war. Diese „Furcht des
Herrn” ließ manch einen dahin gelangen,
daß er ‒ seiner Schwäche und „Sündhaftig‐
keit” vermeintlich unwiderlegbar bewußt ‒
kaum mehr vom Boden aufzusehen wagte,
aus Angst, den Gegenstand seines Fürchtens
plötzlich vor Augen zu erblicken. So schuf
sich der in solcher Bedrängung lebende
Gottesfürchtige Vor-Wand auf Vor-Wand
um sich vor dem vermeintlichen Gotte ver‐
steckt zu wissen, bis endlich Zweifel die
Angst ermatten ließen und den Gequälten
frugen, ob er sich nicht etwa vor etwas zu
verbergen suche, das allen Grund habe, sich
vor ihm selbst zu verbergen? ‒
.Und wenn dann der vorher durch Furcht
Bedrückte es wagte, das Haupt zu
erheben,
so gewahrte er alsbald ein aus
Hirngedan‐
ken gestaltetes Gebilde, dem seine
eigenen
Gedanken sich mehr und mehr „gewachsen”
fühlten, bis sie es allmählich
aufzulösen
vermochten und er damit des vermeintlich
zu Fürchtenden sich entledigt hatte.
.Aus dem „Gottesfürchtigen” war ein
„Gottesleugner” geworden!
.In Wahrheit aber war nichts anderes
geschehen, als daß eine dem Fürwahrhalten
dargebotene
Vorstellung sich als irrig er‐
wiesen hatte, wonach der bisher durch sie
Bedrängte in seiner Enttäuschung den Mut
nicht mehr in sich fand, nun noch weiter
und nun
erst recht, nach der
Wirklich‐
keit zu suchen.
.Was aber
in Wirklichkeit ‒
Gott!
‒ ist, das kann
niemals in
Furcht, son‐
dern allein nur
in Liebe empfunden und
empfindungsbewußt werden!
.In
Gott ‒ so wie Gott
wirklich ist ‒
findet sich weder Grimm noch Zorn, weder
Vergeltungslust noch Rachedurst, und auch
keine andere vermeintliche „Eigenschaft”,
die zu „fürchten” wäre.
Gott ist
Liebe und
Gnade! ‒ Liebe, seiner selbstgezeugten
essentiellen Natur nach, und Gnade in
ebendieser „Natur”, aber aus dem Emp‐
finden dessen, was
außerhalb ihrer exi‐
stiert, und was
nicht „Liebe aus sich sel‐
ber” ist!
.Doch, nichts liegt mir ferner, als Theo‐
logie betreiben zu wollen, und so sei nur
gesagt, daß es auch für den räudigsten
„Sünder” keine
Furcht vor Gott hinfort
mehr geben darf, ‒ wohl aber:
Scham!
.Es ist vermessen, unbegründet und ver‐
ächtlich,
Gott gegenüber das gottfremdeste
aller menschlichen Gefühle in sich zuzu‐
lassen und Gott zu „
fürchten”, aber es ist
durchaus der in Gott begründeten Relation
des Menschendaseins zu dem, was Gott
ist,
angemessen, ‒ tiefste
Scham in sich zu
erwecken, sobald man erkennt, daß man zu
träge, zu lüstern oder zu feige war, um seine
Fähigkeiten so gebraucht zu haben, wie man
sie hätte gebrauchen können,
ohne sich
selbst vor Gott
beschämt fühlen zu müs‐
sen. Nur
Scham ist dem Fehlbaren ‒
Liebe und Gnade gegenüber ‒ geistnatur‐
entsprechend,
nicht aber: ‒
Furcht! ‒
Wo der Fürchtende
zurückweicht, weil
er Schädigung entgehen möchte, dort ist
der Mensch, der
Scham empfindet über
sein zuvor erwiesenes Verhalten, bereits auf
dem Wege, seine Versäumnis oder seinen
geschehenen Rückschritt auszugleichen und
wieder voran zu schreiten.
.Furcht ist ein hemmendes Gespenst,
das allen Mut
erstickt, ‒
Scham aber
eine fördernde Hilfe, die kraftvoll
neuen
Mut
erweckt!
.Es ist natürlich hier nicht von
sexueller
Scham die Rede, die darauf beruht, daß der
Mensch, der sich körperlich tierischer Natur
weiß, in bestimmten Relationen zu seinen
Nebenmenschen
nicht als Tier
erscheinen
und
nicht als Tier
gewertet werden will, ‒
oder aber aus
ästhetischen Gründen, be‐
stimmt durch Eitelkeit, seine tierhafte Gestalt
nur darum zu verhüllen und vor anderen zu
verbergen sucht, weil er ihre sichtbaren
Mängel nicht gesehen wissen möchte. (Wie
weitgehend daneben die
sexuelle Scham
durch
Konvention bedingt ist, zeigen
die verschiedenen Anschauungen exotischer
Völkerschaften über das,
was zu verhüllen
sei am Körper und was
nicht, wobei
auch
metaphysische Anschauungen mit‐
bestimmend sein können, so daß der in
einem blickgeschützten Park Indiens „mit
den vier Weltgegenden bekleidete” [das
heißt: völlig nackte!] hochgebildete Sannyâsi
sehr ungehalten wäre, wenn der ihn auf‐
suchende, des Sanskrit kundige europäische
Gelehrte es sich einfallen ließe, die Be‐
kleidungsfrage in der gleichen, für ein
abnorm heißes Klima recht praktischen
Weise zu lösen. Nach des weltabgeschieden
lebenden Einsiedlers Ansicht hat nur ein
Mensch, der geistig so hoch emporgelangte,
daß er alles Irdische ‒ seiner Meinung
nach ‒ unter sich zurückließ, das heilige
Recht, gänzlich auf jede Verhüllung seines
Körpers zu verzichten, nicht aber der nur
zu Gehirnwissen gelangte Mann, der ihm
gegenübersitzt um mit ihm metaphysische
Fragen gedanklich zu erörtern.)
.Die
Scham der Seele
vor Gott, von
der ich hier sage, daß sie die
Furcht Gottes
ablösen soll, ist Folge
der Erkenntnis
des eigenen Versagens, wo die Kräfte
der Seele ausgereicht hätten,
Widerstand
gegen die Verlockung zu seelisch nicht ge‐
mäßem Gedankengebrauch, wie zu seelisch
unverantwortlichem Reden oder Tun, zu
leisten!
.Aus dieser
Scham vor Gott: sich selber
und seinen gegebenen Kräften
nicht ent‐
sprochen zu haben, obwohl man dazu
imstande gewesen wäre, resultiert ‒ wenn
die Scham wirklich
echt ist ‒ unweigerlich
ein Willenswiderstand gegen
neuerliches
Versagen, der schon an sich
ein Voran‐
schreiten darstellt, weil er den Menschen
veranlaßt, nach allen Mitteln und Wegen
zu suchen, die dienlich dazu sein könnten,
weiterhin der Herzensträgheit, Hemmungs‐
losigkeit und Lüsternheit
zu entgehen.
Scham in
dieser Form ist die mächtigste
Erweckerin aus einem bis dahin traumhaft
verlebten Leben! Alle vorhandenen Kräfte
seelischer Erneuerung werden durch sie
wachgerüttelt und zu wachsamer Tätigkeit
aufgerufen.
.Die in solcher Scham der Seele vor Gott
Erwachenden zu sich selbst, sind für alle
Ewigkeiten
be-
kehrt: ‒ das heißt
umge‐
kehrt aus ihrer von Gott
abgekehrten
Richtung ihres gesamten irdischen Strebens
zu der
Hinwendung auf Gottes Wirk‐
lichkeit.
Gott ist ihnen nicht mehr ein
Gegenstand des Fürwahrhaltens, an den
man zwar „glauben”, den man aber auch
„leugnen” kann, sondern
erlebtes Fak‐
tum: ‒ unangreifbare, allersicherste „Ge‐
gebenheit”,
gegeben durch sich selbst!
Wer einmal bis hierher gelangte, der ist für
alle Zeiten gesichert davor, jemals wieder
an dem „Dasein” Gottes ‒ also an Gottes
substantiellem geistigen „
Sein” ‒ zwei‐
feln zu
können, denn er hat eben dieses
„Sein” ja
in sich selbst wach und nüch‐
tern
erlebt! ‒
.Es ist ihm für alle Zeiten
unmöglich
geworden, sich selbst für „gottlos” zu halten,
aber auch alle „Furcht” vor Gott hat ihn
verlassen, weil er in sich untrüglich er‐
kannte, daß es
nichts in Gott gibt, was
von dem Menschen der Erde
zu fürchten
wäre!
.Gar nicht selten aber versteckt sich hinter
der vermeintlich empfundenen, konventio‐
nell in manchen Kreisen so hoch gewerte‐
ten „Gottesfurcht” nichts anderes, als platte
Lebensangst, die dem Verängstigten nur
als „Furcht vor Gott”
verstehbar erscheint.
.Ein solcher Mensch ist dann freilich
durchaus nicht bereit, in sich
Scham der
Seele vor Gott zu empfinden, sondern seine
„Gottesfurcht” ist Auswirkung verängstigten
Hasses gegenüber der halb gläubig, halb
abergläubisch vermuteten geistigen Instanz,
von deren Reagieren auf sein Denken, Reden
oder Tun er pädagogisch gemeinte absicht‐
liche Schädigung seines Daseins und Beein‐
trächtigung des damit verbundenen Befrie‐
digungsgefühls fürchtet. Der als „Gegen‐
stand” des Glaubens angenommene „Gott”
eines derart aus purer Lebensangst „Gottes‐
Fürchtigen” steht diesem nur im Wege
und bedeutet ihm desto ärgerlichere Störung,
je fester er an ihn glaubt. ‒ An dem ei‐
genen Verhalten Kritik zu üben, fällt ge‐
rade einem derart durch sich selbst Ver‐
ängstigten am allerwenigsten ein. Wie sollte
er also dazu gelangen, Scham vor Gott zu
empfinden? ‒ Vermeintlich dann doch
eines Tages Gott „los” geworden, ahnt der
Mensch, der nun sich einzureden versteht,
daß sein Tun und Lassen lediglich in sein
eigenes Belieben gestellt sei, niemals, ‒
daß er nur um entsetzlichen Preis sich
Lösung aus seiner Lebensangst erkaufte,
die ihm vordem einst „Gott” geheißen
hatte!
.Unzähligemale zitiert, ist doch nur sel‐
ten das Wort des in seiner Skepsis weg‐
werfend und müde resignierenden römi‐
schen Prokurators zu Jerusalem in dem nur
verächtlichen und überheblichen Sinne
verstanden worden, in dem es die Welt der
Zeit des Johannesevangeliums verstehen
mußte und allein verstehen konnte. Es
wird ja als die Antwort des Prokurators
auf die Angabe des vor ihm Angeklagten
berichtet, daß dieser in die Erdenwelt ge‐
kommen sei, um die Wahrheit zu künden,
und daß die in sich selber Wahrhaftigen
ihn gewiß zu verstehen wüßten! Lächer‐
lich und nur für den offenbar allzu engen
Gesichtswinkel des vor ihm Angeschuldigten
zeugend, mußte dem Manne antiker Bildung
die Berufung des hilflos ihm Überantwor‐
teten ‒ an dem er „keine Schuld” fand ‒
erscheinen, wenn dieser nichts anderes an‐
zuführen wußte, als daß er die „
Wahrheit”
zu bringen wisse! ‒ Hatten nicht römische
und griechische Weltweise Widersprechen‐
des genug zu sagen gewußt, wenn es um die
Frage nach letzter „Wahrheit” ging, und nun
wollte dieser arme todesbedrohte religiöse
Wanderlehrer sich gar „
die Wahrheit” zu
Hilfe holen! ‒ Wie harmlos mußte im
Grunde seine, von der fanatisch unduldsa‐
men jüdischen Priesterschaft sicherlich arg
überschätzte Lehre sein, wenn dieser arme
wunderliche Tor nicht einmal wußte, daß
doch selbst der geübteste philosophische
Spürsinn vor der Frage versagte, was denn
unangreifbar sichere, unbedingte „Wahrheit”
sei!? ‒
.So ungefähr sahen die Argumente aus,
die hinter der achselzuckend hingeworfenen
und keinerlei Antwort erwartenden Frage
zu suchen sind, in der so knapp wie ein‐
deutig über die zynische Skepsis einer an aller
Erkenntnismöglichkeit zweifelnden Zeit, im
Bilde des Beispiels eines Einzelnen, berich‐
tet werden sollte!
.Man wird nicht lange zu suchen brau‐
chen, um gänzlich gleicher übermüdeter
Resignation auf jede
Gewißheit Ewigem,
Seelischem, Göttlichem gegenüber, auch in
den heutigen Tagen zu begegnen, ‒ und
ebenso begegnet man schon in geringer Ent‐
fernung von den Kreisen wirklicher Gläu‐
bigkeit, dem auch im späten Rom geläufig
gewordenen „Jargon”, über Gott und Gött‐
liches schamlos zu reden, wo man längst
alles „überwunden” zu haben wähnt, was
die mißbrauchten Worte meinen.
.Es braucht keinen besonderen Scharfsinn,
um zu erkennen, daß Menschen, die zu sol‐
cher seelischen Armut herabgesunken sind,
nur durch unsägliche
Schwäche der Emp‐
findungs-
Fähigkeit zu der bei ihnen kon‐
statierbaren Verkümmerung
entarten konn‐
ten. ‒ Heute, wie ehedem und wo immer! ‒
.Pathologisches seelisches
Unvermögen!
.Daß der Erkrankte seiner Erkrankung
nicht bewußt zu werden vermag,
fördert
nur die
Auswirkungsmacht seiner Krank‐
heit!
.Wer bereits
weiß, wie krank er ist und
wo seine Krankheit ihren Sitz hat, der ist
auch schon auf dem Wege zur Gesundung,
vorausgesetzt, daß die gegebene Konstitution
Heilung noch zuläßt, und die rechten Mittel
angewendet werden, um die Wandlung zum
Bessern herbeizuführen. Das ist im Bereiche
des unsichtbaren
psychischen Organismus
durchaus nicht anders als wie in dem Le‐
bensgebiet des
physischen, auf
sinnen‐
hafte Wahrnehmung beschränkten mensch‐
lichen Körpers!
.Nun ist zwar die Wiederaufrichtung und
Erkräftigung des verkümmerten seelischen
Empfindungsvermögens gewiß nicht so leicht
zu erreichen wie die Beseitigung eines leich‐
ten, nach etwelcher Überanstrengung aufge‐
tretenen körperlichen Schwächeanfalls, aber
sie ist in vielen Fällen dennoch durchaus
möglich, solange dem Menschen noch die
Resonanzkräfte seines irdischen Körpers als
Heilfaktoren zur Verfügung stehen, wenn er
nur wirklich mit aller Zuversicht zur Ge‐
sundung seiner seelischen Empfindungsor‐
gane gelangen will, ‒ so, wie auch ein am
physischen Erdenkörper Erkrankter den
Willen zur Gesundung in sich tragen muß,
soll ihm ‒ falls die organischen Voraus‐
setzungen gegeben sind ‒ Genesung wer‐
den! Da aber in der geistig seelischen Sphäre
unzählige Hindernisse fortfallen, die in den
Bereichen physischer Körperlichkeit zuweilen
wirklicher Heilung entgegenstehen, so sind
auch die Möglichkeiten unverhoffter Heilung
alldorten unvergleichlich ausgebreiteter.
.Freilich genügt es wahrhaftig nicht,
über die in religiös bestimmten Bezirken
gängigen und als „unwiderleglich” betrachte‐
ten „
Gottesbeweise” zu meditieren oder
sonstwie Gott in
Gedanken-Netzen einfangen
zu wollen! Es muß vielmehr die
Wirklich‐
keit empfunden werden im eigenen Inner‐
sten! Kein bloßes Beglücktsein über die
Ergebnisse gedanklicher Spekulation!
.Um die verkümmerte Empfindungsfä‐
higkeit so zu erkräftigen, daß der Erden‐
mensch in sich selber
gottesbewußt zu
werden vermag, ist die Erweckung freier
und froh zuversichtlicher
Bereitschaft,
Gottes inne werden zu wollen, nötig.
.Diese Bereitschaft verlangt kein
Glau‐
bensbekenntnis und keine verstandes‐
mäßig erklügelte oder gar aus gewollten
Gefühlsüberschwängen erzeugte
Vorstel‐
lung, sondern besteht nur im Willen, das,
was des eigenen
übertierischen Bewußt‐
seins „
Ursache” ist, in dieses und zugleich
in das erdentierische Bewußtsein
aufneh‐
men zu wollen, ohne irgendwelche Hin‐
dernisse durch selbstgesetzte Meinungen zu
schaffen. Es ist im Grunde nur
Allerein‐
fachstes hier als Voraussetzung gefordert,
aber zugleich damit ein Beiseitelassen aller
erdenmenschlichen Neigung, Einfaches zu
komplizieren!
.Alles, was von uns Leuchtenden im Ur‐
licht aus dem in uns selber Gottes Bewuß‐
ten her über Gott gesagt werden kann, will
nicht „Vorstellungen” schaffen, sondern die
Wirklichkeit in Worten
um-
schreiben.
Aber jedes Wort jeder Sprache muß bei
solcher Umschreibung unumgänglich seine
Unzulänglichkeit bekennen. Es kann nur
zur
Richtungsweisung dienen, ‒ kann
zeigen, wie und wo das höchste aller gei‐
stigen Ziele zu
erreichen ist, ‒ kann aber
niemals
das Ziel selbst zum Gegenstand
einer Darstellung machen.
.So ist ‒ in rein
geistigem Sinne ge‐
meint ‒ sehr wohl zu sagen: ‒
Nicht der
Mensch ist Gott, aber
Gott ist „
Mensch”,
doch kann diese Rede
dem nur richtung‐
weisend werden, der bereits in sich selber
zur Gewißheit gelangte, daß ihm das Men‐
schentier in das er sich irdisch gefesselt fin‐
det, nicht als „der Mensch” gelten darf, son‐
dern unerbittlich und unbedingt nur als
irdisch animalisch zeitweilig nötiger Aus‐
drucksorganismus, in dem sich jedoch ebenso
die niederste Bestialität wie die höchste Gei‐
stigkeit Ausdruck zu schaffen vermag. Erst
dort, wo dem ewigen Geistesfunken, der
sich in jedem zur Welt gekommenen neuen
Menschtierwesen Eingang zu schaffen sucht
und zuerst auch
aufgenommen wird, vom
Tierhaften her, der tiergemäße Organismus
für alle Dauer als Ausdrucksmittel
über‐
lassen wurde, ist füglich vom „
Menschen”
zu reden! ‒ Nicht aber dort, wo dem
ewigen Geistesfunken vom Tierischen her
die Ausdrucksmöglichkeit dauernd
versagt
wird, und der vermeintliche Mensch nur das
vielseitiger Entwicklung fähige bloße
Tier
noch ist, das als einziges unter allen Erden‐
tieren durch sein Dasein Matrize des ewigen
substantiellen Geistes in dieser Sinnenwelt
hätte sein können.
.Wahrhaftig: ‒
Gott ist Mensch! Wer
aber wollte auch nur einen Augenblick daran
denken, das Wort „Mensch” könne hier das
Erdentier meinen, das des ewigen Men‐
schen sinnlich wahrnehmbare Ausdrucksge‐
staltung in seinem Tun und Lassen auf
Erden zu
werden vermag!?
.Es ist jedoch hier auch keineswegs vom
ewigen Geistesmenschen in einem
indivi‐
duell gemeinten Sinne die Rede, sondern
von dem
aus sich selbst urewig be‐
stimmten geistigen Sein, in dem
alles
lebt, was substantieller
geistesmensch‐
licher „Natur” ist. Gott ist die tröstlichste
Gewißheit, die dem zum Wiedererwachen sei‐
ner Empfindungsfähigkeit gelangten Men‐
schen dieser Erde werden kann! Aber
Gott ist
nicht ein gedanklich definierbares „Wesen”,
sondern
das ewige geistige Menschsein
an sich, das sich als „männlich” und „weib‐
lich” und zugleich in dem, was seiner ewigen
Zeugung ewige „Frucht” ist, darlebt ‒ Ur‐
sprung und Ursache allen Geistesmenschen‐
tums ‒, wie auch des Geistesfunkens im
tierverhafteten Menschen dieser Erde...
.In den Benennungen: „
Ursein” ‒ „
Ur‐
licht” ‒ und „
Urwort” ist das bezeich‐
net, was in dem in mir
Gottesbewußten
die stets gegenwärtige
Wirklichkeit Gottes
ausmacht. Ich brauche meine Verstandes‐
kräfte wahrhaftig nicht, um zu meinen, mir
geistig eröffneten Einsichten zu kommen,
wohl aber ‒ und in einer zuweilen selbst
physisch peinigenden Weise ‒, um immer
wieder zu kontrollieren, inwieweit meine
Darstellungsform von allem Vermeidbaren
freibleibt, was Mißdeutung und Irrtum be‐
wirken könnte, statt jedes Abirren unmög‐
lich machende,
eindeutige Klarheit zu
schaffen. So sind denn alle Schriften, die
nach dem Abschlußband meines geistigen
Lehrwerkes „Hortus conclusus” noch ent‐
standen,
Führungen zu dem, was in den
Schriften dieses Lehrwerkes bereits von An‐
fang an gesagt worden war. Obwohl ich im‐
mer wieder gerne glaubte, daß nichts von
dem, was ich niedergeschrieben hatte, je‐
mals einer Kommentierung
bedürfen könn‐
te, mußte ich doch mit der Zeit zu meiner
Bestürzung erfahren, daß ich mit allzuviel
nüchtern objektivem Aufnahmewillen ge‐
rechnet hatte. Zu arg sind die Gehirne ver‐
wirrt durch anerzogene Begriffsgewöhnun‐
gen, die sich niemals mit der bestehenden
Wirklichkeit im substantiellen ewigen
Geiste in Einklang bringen lassen können!
.So nahe ich allerdings in meinen Wor‐
ten dem Ewigen komme, aus dem ich als
Mensch meinen Mitmenschen Kunde zu ge‐
ben verpflichtet bin, so wenig kann ich ver‐
hüten, daß auch die dem Ewigen nächsten
Worte noch: ‒ Umschreibungen bleiben
müssen, deren höchste Werte nicht in dem
liegen, was sie dem Verstande etwa zu
„erklären” vermögen, sondern in den nur
der Seele erfahrbaren realen substantiell
geistigen Kräften, deren Träger sie bei
ihrer Gestaltung ein für allemal wurden.
Der Wille, diese Kräfte in sich aufnehmen
zu wollen, führt alsbald auch zu der beton‐
ten „Bereitschaft”, Gottes inne zu werden.
Erst nach diesem Innegewordensein im
Empfindungsvermögen der Seele läßt sich
beurteilen und ermessen, was meine Worte
zum voraus gegeben hatten.
HINWEISE
zu meinem geistigen Lehrwerk
und den es umgebenden Schriften
.Wie ich dieses ganze geistige Lehrwerk im
Titel seines letzten Buches „Hortus conclusus”
umschrieben empfinde, einem aller bloßen Neu‐
gier verschlossenen „Garten” gleich, der sich nur
solchen Suchenden aufschließt, die sich zu seinem
Betreten als berechtigt erweisen, so betrachte ich
„DAS BUCH
DER KÖNIGLICHEN
KUNST”
als den „Heiligen Hain”, der sich sogleich nach
dem Durchschreiten der aufgeschlossenen Pforte
dem Suchenden darbietet um ihm die seelische
Stimmung zu geben, in der er allem was er weiter‐
hin wahrnimmt begegnen muß, wenn es sich
seiner Seele zu eigen geben soll. Man wird gut
tun, sich zuerst
nur den seelischen Schwin‐
gungen dieses Buches ruhig zu überlassen und
nicht allzu eilig
seine Symbolik verstehen
lernen zu wollen, die sich zur rechten Zeit dem
berechtigten Suchenden ganz von selbst enthüllt.
.Es folgt dann ‒ auch der zeitlichen Ent‐
stehung nach ‒ die Trilogie:
„DAS BUCH
VOM LEBENDIGEN GOTT”
„DAS BUCH VOM JENSEITS”
und
„DAS BUCH VOM MENSCHEN”
deren seelische Aufnahme dem nicht in Vor‐
urteile Gefesselten keinerlei Schwierigkeiten be‐
reiten wird, aber notwendig ist, wenn der Suchen‐
de sich künftig sogleich auf allen Wegen des
„Gartens” der Lehre zurechtfinden will.
„DAS BUCH VOM GLÜCK”
zeigt sodann seinem Leser, daß von ihm wahr‐
haftig kein Verzicht auf irdisch erlebbares Glück
erwartet wird, sondern daß er sogar dazu
ver‐
pflichtet ist, sich das ihm erreichbare irdische
Glück zu erringen.
.In dem dann folgenden Buche:
„DER WEG ZU GOTT”
wird dieser geistige Weg in seinem Verlauf über
alle Hindernisse hinweg auf das deutlichste ab‐
gesteckt und bezeichnet, wonach dann
„DAS BUCH DER LIEBE”
aufzeigt, um welche hohe geheimnisreiche ewige
Kraft es sich sowohl in der
geistigen, wie schließ‐
lich auch in der
irdischen Liebe handelt.
„DAS BUCH DES TROSTES”
ist geschrieben für Menschen, die trostbedürftig
wurden, aber wirklichen Trost noch nicht fanden,
und jedem tröstenden Wort eher Mißtrauen ent‐
gegensetzen.
„DAS BUCH DER GESPRÄCHE”
aber läßt den Leser teilnehmen an vielem, was
in meinem geistig gelenkten irdischen Erleben
für mich bedeutsam wurde, und vermittelt zu‐
gleich tiefe Einblicke in ewige Bereiche.
.In erzählender Form führt dann ein Buch, das
die Bezeichnung:
„DAS GEHEIMNIS”
trägt, den Suchenden bis zu einer Erkenntnis‐
höhe, die ihn weiteste Strecken göttlichen Lebens
im Irdischen überschauen, und die daraus zu fol‐
gernden Notwendigkeiten für sein eigenes Leben
erfassen lehrt.
„DIE WEISHEIT DES JOHANNES”
heißt das Buch in dem ich zeige, was mir aus
der Wirklichkeit des Lebens und Sterbens
Jesu,
als unangreifbar geistig gesichert bekannt ist.
„WEGWEISER”
nennt sich ein Buch des Lehrwerkes, das eine
Anzahl von Einzelabhandlungen über vielerfragte
Gebiete, sowie eine kleine Sammlung von Lehr‐
gedichten die nicht verlorengehen durften, in sich
zusammenfaßt.
.Was ich über die gesellschaftliche Lebensbin‐
dung meiner Mitmenschen hier auf Erden, aus
meiner im Ewigen gegebenen geistigen Anschau‐
ung her, zu sagen habe, ist in einem Buche dar‐
gestellt, dem ich die Benennung
„DAS GESPENST DER FREIHEIT”
gab. Ein anderes Buch, das den Titel:
„DER WEG MEINER SCHÜLER”
führt, bringt das Wichtigste zur Sprache, was
jeden Suchenden angeht, der sich als geistigen
Schüler meines Lehrwerkes betrachtet.
.In dem Buche:
„DAS MYSTERIUM VON GOLGATHA”
werden sehr verschiedenartige Dinge behandelt,
über die der im Geistigen Suchende in sich Klar‐
heit erlangt haben muß, wenn sein Suchen ihn
nicht auf Wege des Irrtums gelangen lassen soll.
Seinen Titel führt dieses Buch nach seinem ersten
Kapitel. Auch jeder folgende Abschnitt ist zum
Schluß auf das Mysterium von Golgatha und den
dort Geopferten bezogen.
.Das Buch:
„KULTMAGIE UND MYTHOS”
ist geschrieben um jedem unbefangenen Suchen‐
den die Augen zu öffnen für die wahre Bedeutung
der Werte die hier, dem Titel folgend, aufgezeigt
werden.
„DER SINN DES DASEINS”
ist Betrachtungsgegenstand eines Buches, das
Fragen aufhellt, die sich viele pessimistisch ge‐
fesselte Menschen stellen, denen eine
Sinn‐
gebung dem erdenmenschlichen Dasein gegen‐
über, nur noch als unlösbares Problem erscheint.
.Das Buch:
„MEHR LICHT!”
ist eine Sammlung von Abhandlungen, die sich
mit den verschiedenen Formungen des Suchens
nach geistigem Licht befassen, die der Erden‐
mensch seit den frühesten Zeiten die ihn in Er‐
scheinung treten sahen, sich geschaffen hat.
.In dem Buche:
„DAS HOHE ZIEL”
werden eine Anzahl von Fragen behandelt, die
gelöst sein müssen, wenn das höchste aller geisti‐
gen Ziele erreichbar werden soll.
„AUFERSTEHUNG”
heißt sodann ein wiederum nach seinem ersten
Kapitel benanntes Buch, das in seinen weiteren
Abschnitten durchweg Themen zur Sprache bringt,
die für jeden Suchenden bedeutungsvoll sind, der
selbst aus Irrtum und Moderluft zu geistigem
„Auferstehen” gelangen will.
.Ganz für sich steht in meinem geistigen
Lehrwerk das durch zwanzig Farbendrucke nach
meinen geistlichen Bildern erläuterte Buchwerk:
„WELTEN”
das in einen Bereich der Struktur ewigen Geistes
führt, der ohne bildhafte Darstellung, der Seele
nicht in seiner Eigenformung erfaßbar werden
könnte, ‒ ja, diese Nachgestaltung in Farbe und
Linie kategorisch
erheischt, um die innerhalb
der irdisch bedingten Vorstellungswelt des Erden‐
menschen geschmiedeten Fesseln zu lösen in
die seine Vorstellungen vom Ewigen eingekettet
sind. ‒
„PSALMEN”
nannte ich sodann eine Reihe von Erlebensnach‐
gestaltungen, die den geistig Suchenden in Er‐
griffenheit auf dem Wege vom bloßen
Ahnen
bis zum wahrhaften
Finden des im Ewigen Ge‐
suchten zeigen.
.Daß ich dem großen irdischen Problem:
„DIE EHE”
ein besonderes Buch widmen mußte, bedarf wohl
keiner weiteren Begründung, und kein Leser dieses
Buches wird an einer der Erörterungen die es dar‐
bietet, achtlos vorübergehen.
.Ebenso war es selbstverständlich geboten, daß ich
„DAS GEBET”
zum Thema eines besonderen Buches werden
lassen mußte, dessen Gebetsformularien dann
danach verlangten, in einem kleinen Taschen‐
buch separiert zugänglich gemacht zu werden
unter dem Titel:
„SO SOLLT IHR BETEN!”
.Um aufzuzeigen, wie bedeutungsvoll für alle
äußere
Selbstformung und
Formgestaltung
die Bezogenheit
auf die Struktur ewigen
Geistes ist, habe ich die kleine Schrift:
„GEIST UND FORM”
geschrieben.
.Das Heftchen:
„FUNKEN”
und die zugehörige kleine Begleitschrift:
„MANTRA PRAXIS”
sind entstanden um dem Suchenden eine Reihe
von Wortgebilden an die Hand zu geben, die
durch ihre Einwirkung auf jede sich ihnen er‐
öffnende Seele wieder und wieder zeigen, daß
die geistige Kraft gewisser Lauteformungen, die
altindische Weisheit entdeckte, durchaus nicht
nur an das Sanskrit gebunden ist.
„WORTE DES LEBENS”
mußte ich aus innerster Notwendigkeit eine kleine
Schrift nennen, die ebenso einzigartig in meinem
geistigen Lehrwerk steht, wie ‒ in wieder anderem
Sinne „Welten”. Es sind feierliche Worte Gottes
als des ewigen
Lebens, an die Seele, die zuletzt
in beglücktem „Gelöbnis” antwortet.
.Es folgen dann die drei Bändchen Lehrge‐
dichte ‒ zumeist in freien Rhythmen:
„ÜBER DEM ALLTAG”
„EWIGE WIRKLICHKEIT”
und
„LEBEN IM LICHT”
die wahrhaftig sehr vieles zur Sprache bringen,
was in Prosagestaltung voluminöse Bände gefüllt
haben würde.
.Da man mir jahrzehntelang ungezählte Briefe
widmete, auf die ich auch, solange das physisch
noch möglich war, zumeist antwortend einging,
sah ich mich in der Folge, ‒ als ich mich ge‐
zwungen fand, aller Korrespondenz mit den Lesern
meiner Bücher zu entsagen, ‒ veranlaßt, eine
„Summa” solchen früheren Briefwechsels darzu‐
bieten in dem Buche:
„BRIEFE AN EINEN UND VIELE”
dem ich auch manche aufschlußreiche Verszeilen
mitgab, wo sie dem Ganzen angemessen waren.
.Zuletzt aber formte ich den Abschlußband des
geistigen Lehrwerkes:
„HORTUS CONCLUSUS”
dessen Benennung zugleich für das
ganze Lehr‐
werk gelten kann. Der Inhalt des Buches gibt
Antwort auf viele Fragen, die innerhalb der vor‐
hergehenden Stücke des Lehrwerkes noch keinen
Anlaß zu ihrer Beantwortung gefunden hatten.
.Mein geistiges Lehrwerk war mit dem Ab‐
schluß seines letzten ihm zugehörigen Buches
beendet.
.Aber zugleich war es nun als
Objekt der
Erörterung in Erscheinung getreten. So ergab
sich die Möglichkeit, „Führungen” zu ihm durch
Schriften zu unternehmen, die ihrerseits die
Existenz des abgeschlossenen Lehrwerkes
vor‐
aussetzen konnten.
.Da ich ein Menschenleben lang berufsmäßig
mit bildender Kunst praktisch vertraut war, hatte
ich ohnehin schon vor vielen Jahren in dem außer‐
halb der Einzelstücke des geistigen Lehrwerkes
erschienenen Buche:
„DAS REICH DER KUNST”
manches niedergelegt, was mir im Gebiete der
bildenden Kunst erörterungswert war. Es ist wohl
kaum nötig, zu betonen, daß ich an vielen Stellen
auch aus meiner rein
geistigen Einsicht her zu
sprechen hatte.
.Nichts lag sodann näher, als daß ich eines
Tages auch über meinen Lebensgang als Maler
einigen allgemeinen Aufschluß gab, was überdies
durch meine in farbigen Reproduktionen er‐
schienenen geistlichen Bilder und das bei Franz
Hanfstaengl in München in Wandbildgröße her‐
ausgekommene als „Portrait” aufzufassende
Jesus‐
Bild geradezu gefordert war. So ist denn, eben‐
falls
neben den Schriften des Lehrwerkes, das
Bändchen:
„AUS MEINER MALERWERKSTATT”
entstanden, das sich auch sehr ausführlich mit
dem Werden
der geistlichen Bilder und dem,
nur durch in mir individuell gegebene Voraus‐
setzungen ermöglichten Entstehen
des Bild‐
nisses Jesu befaßt.
.Ohne mein Zutun, Wünschen oder Wollen war
ich im Laufe meines Lebens auch mit mancherlei
okkultistischen Angelegenheiten sachlich bekannt
geworden, so daß ich schließlich unzähligen Fra‐
genden doch zu antworten beschloß, wodurch ‒
wiederum
außerhalb des Lehrwerkes ‒ das
Bändchen:
„OKKULTE RÄTSEL”
entstanden war.
.Hingegen verdankt die kleine Abwehrschrift:
„IN EIGENER SACHE”
der ich aus guten Gründen mein photographisches
Portrait beifügen ließ, nur dem Umstand ihr Ent‐
stehen, daß immer mehr unzulässiges Gerede von
unverantwortlicher und kaum zu fassender Seite
her über mich in Umlauf gebracht worden war.
.Es ergab sich ohne Zwang, dieser genannten
Reihe auch die
neuen Schriften beizufügen,
die nun das
Bestehen des Lehrwerkes
zur
Voraussetzung haben! So erschien das:
„KODIZILL ZU MEINEM
GEISTIGEN LEHRWERK”
das seinen kurialen Titel, ‒ mir, in freilich an‐
derem Zusammenhang, aus der Kinderzeit her
vertraut, ‒ einem Inhalt dankt, der sich besonders
nahe an das Lehrwerk anschließt, ‒ wie ein Ko‐
dizill an das es voraussetzende
Testament.
.Bald danach folgte das Bändchen:
„MARGINALIEN”
als eine Reihe in freie Rhythmen gefaßte Rand‐
bemerkungen zu mancher längst geschehenen
Bekundung. Vor- und Nachwort in Prosa bilden
die erläuternde Umfassung.
.Daß ich mich in dieser gegenwärtigen Zeit
noch zur Veröffentlichung der kleinen Schrift:
„ÜBER DIE GOTTLOSIGKEIT”
gedrängt fand, wird keiner besonderen Begrün‐
dung bedürfen, nachdem der Inhalt dieses Bänd‐
chens einmal zur Kenntnis des Lesers gelangte.
Im März 1939
J.Schneiderfranken
ENDE
KODIZILL
ZU MEINEM
GEISTIGEN LEHRWERK
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
UM DEN BEDINGUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM BÜRGERLICHEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
IN MEINEM EWIGEN SEIN HINGEGEN IMMER DER
WAR UND BLEIBE, DER DIESE BÜCHER ZEICHNET
BÔ YIN RÂ
2. Auflage
Unveränderter Nachdruck
der 1937 erschienenen Ausgabe
© 1969 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
.Dieses „Kodizill” zu meinem geistigen Lehr‐
werk ist mein letztes Wort, das ich
über mein
Werk zu sagen hatte. Die Vielfältigkeit des In‐
halts der einzelnen Abschnitte verbietet, ihnen
hinweisende Titel zu geben.
.Anfangs Mai 1937.
.Wenn ich auch weiß, daß ich in nicht
gar ferner Zeit vielen als Mitlebender feh‐
len werde, da sie erst dann, wenn ich aus
ihrer Mitwelt abgeschieden bin, entdecken
werden, daß ich mitten unter ihnen war und
auch dann für sie lebte, wenn sie mir nie‐
mals im Äußeren begegneten, so ist es mir
dennoch unmöglich, in Parallele zu den Mär‐
chenmeistern, die sich ungebändigte Phan‐
tastik schuf, mein Erdenhaftes ungezählte
Tage ‒ sei es auch in meinem Falle nur
für andere ‒ zu erhalten. Wie lange wird
es dauern, und ich werde nicht mehr Gast
in diesem greifbaren Körper sein, der mir
bis heute noch dient, obwohl er schon über
ein Jahrzehnt hin von Tag zu Tag erneutes
Wunder braucht, um sich mir willig immer
wieder zum Dienste darzubieten. Hätte ich
also aus purem Sagedrang, aus bloßem Willen,
zu helfen, aus Trieb zur Sprachformung oder
gar aus Lehrsucht das gewiß Außergewöhn‐
liche und Überzeitliche bekundet, was in mei‐
nem geistgegebenen Lehrwerk durch mich
aus Pflichtgehorsam dargeboten ist, so wäre
wahrhaftig der irdische Preis der hier von
mir zu fordern war, für diesen vergänglichen
Körper zu hoch gewesen. Nur aus dem Unver‐
gänglichen her läßt sich verstehen, daß sol‐
cher hohe Preis gefordert werden mußte und
darum denn auch von mir im Irdischen ent‐
richtet wurde! Auch nach meiner Erdenzeit
werde ich ihn, so wie ich ihm zustimmte,
auf der anderen Seite des Lebens zu ent‐
richten haben, und niemals wird er mir
lästig sein!
.Daß mein geistiges Lehrwerk schon in
recht nahen Generationen als unzerstörbare,
für alle irdische Zukunft außerordentlich
nötige, man könnte in heutiger Sprache sagen:
„stählerne” Armierung eines
jeglichen
Gottesglaubens erkannt werden wird ‒ wie
eminent „ketzerisch” konfessionell Satten,
ahnungslos stumpf Befriedigten und engher‐
zig traditionell Gebundenen meine Schriften
heute auch noch erscheinen mögen ‒, ist mir
ohne jedes Verlangen nach solcher Voraus‐
sicht zukünftigen irdischen Geschehens in
tiefster Ergriffenheit unbezweifelbar bewußt.
Allerdings weiß ich auch von Wurzeln des
Gottesglaubens zu künden, die
tiefer im
Leben des ewigen Geistes gesichert und unbe‐
rechenbar
älter sind als alle alten „heiligen”
Schriften aller Menschheit auf Erden, ja
älter als diese Erde selbst!
.Aber auch ohne die unaufhaltsame, geistig
gelenkte und gesicherte kommende Erkennt‐
nis Unzähliger aus vielen Rassen und Völ‐
kern der Erde, nicht etwa ausschließlich
innerhalb Europas und des europäisierten
kirchlichen „Christentums” in betracht zu
ziehen, würde es vergebliches Bemühen sein,
an den Bezeugungen der ewigen Wirklich‐
keit, die mein offenbarendes Lehrwerk ent‐
hält, rütteln zu wollen. Seiner Notwendigkeit
entsprechend, ist es auch längst schon tief ins
Leben aufgenommen, wo immer Menschen
leben, die sich die deutsche Sprache, falls sie
nicht ohnehin die ihrer abstammungsmäßi‐
gen Heimat ist, zu eigen gemacht haben, und
auch anderen Sprachbezirken durch Über‐
setzungen nicht mehr ganz fremd, wenn auch
keine, noch so vorzügliche Übertragung seine
Kenntnis
in der Ursprache jemals ersetzen
kann. Man wird eines Tages
Deutsch ler‐
nen, wie man ehedem
Lateinisch und
Grie‐
chisch lernte, weil man die alten Autoren
in ihrer Sprache verstehen wollte. Das ist
keine „Prophezeiung”, sondern unabänder‐
liches Blickbild geistig gesicherter Einsicht,
das sich allerdings nur auf mein Werk und
ausschließlich auf seine
Sprache ‒ um
ihrer selbst willen ‒ bezieht!
.Menschen, die nach den Ratschlägen mei‐
nes geistigen Lehrwerkes zu
leben wissen
oder wenigstens zu leben
streben, gibt es
ja schon in fast allen Teilen der Erde und
unter allen Ständen, Glaubens-, Weltanschau‐
ungs- und Lebenskreisen dieser Zeit.
.Menschen aber, die solche Bücher und
Schriften, wie sie in meinem, die Struktur
ewigen Geistes offenbarenden Lehrwerk ent‐
halten sind, wirklich nach allen Seiten sicher
zu „wägen” und ihr Gewicht zu bestimmen
wüßten, bin ich bis heute ‒ wenn ich von
wenigen, mir menschlich nächsten, allem
Wesenhaften nüchtern zugewandten Freun‐
den allenfalls absehen will, gewiß
noch
nicht begegnet! ‒ Es wäre auch unbilliges
Verlangen, wollte ich die dazu nötige, jedes
Einzelgebiet, das hier in Betracht käme, ein‐
dringlich beherrschende, unbeirrbar sichere
geistige
Tatsachenkenntnis von Menschen
erwarten, denen mein Lehrwerk ja gerade
erst unumstößliche Urteils-
Sicherheit und
nicht mehr zu zerstörende
Gewißheit durch
seine Ratschläge
bringen kann, falls das
Erwachenwollen der Seele schon empfunden
wird, und der zu Erweckende die dazu nötige
innere Reife aufweist.
.Mein geistiges Lehrwerk wird sich über‐
all dort als unentbehrliche, aus dem Ewigen
kommende
Lebensförderung selbst bestä‐
tigen und beglückend auswirken, wo man
seine Offenbarungen
begrüßt, weil sie be‐
reits
innerlich ersehnt und herbei‐
gewünscht worden sind.
.Wo man aber durch die jedes lichte Er‐
kennen abschnürende Meinung gefesselt ist,
man
habe schon längst alles, was man
brauche, oder man habe am Ende gar
kein
Bedürfnis mehr nach dem, was
ich der heutigen Welt aus dem ewigen
Geiste zum Aufnehmen heranzubringen
wußte, dort wird man
unvermeidlicher‐
weise eines Tages erfahren, daß man doch
einer Torheit erlegen war, die man sich
alsdann kaum noch zu verzeihen wissen
wird und nur sehr ungern von anderen er‐
kannt sehen dürfte.
.Man wird sie nur leider dann erkannt
sehen
müssen, da es auch Menschen gibt,
die ihr
nicht erliegen!
.Ich bin zwar der Bezeuger dessen, in
dem ich lebe, und weiß daher nur zu gut
von so mancher folgefordernden Notwendig‐
keit, um die sonst keiner wissen kann, aber
ich vermag wahrhaftig nicht, ewigkeitsbe‐
stimmte Gesetze an ihrer unerbittlichen
Auswirkung
zu hindern. Mir ist es unter
bestimmten Umständen möglich, Geschehens‐
abläufe, die nicht von aller Ewigkeit her
ihre
Notwendigkeit in sich tragen, sondern
ausschließlich durch zeitlich entstandene Im‐
pulse die Anregung zu ihrem Ablauf emp‐
fangen,
vom ewigen Geiste her, fördernd,
leitend und segnend,
zu ihren Gunsten zu
beeinflussen, welcher „Einfluß” allerdings
nur aus dem Geiste der Ewigkeit her seine
Direktiven empfängt. Ihnen allein sind die
von mir ausgehenden geistigen Kräfte unter‐
stellt.
.Wollte man mir auch ‒ im Stile früherer
Zeiten gesprochen ‒ „alle Königreiche der
Erde” anbieten, so wäre ich doch nicht in
der Lage, einen Wunsch zu erfüllen, der
meinen geistigen unausweichlichen Anwei‐
sungen zuwider ginge, die gänzlich unberührt
bleiben von allen Wünschen, Sympathien
oder Antipathien meines erdkörperlichen
Daseins!
.Das alles sind meinetwegen „merkwür‐
dige”, keinesfalls aber leicht verstehbare
Dinge, ‒ doch bin ich weder in der Lage,
sie abzuändern, noch etwa, sie leichter ver‐
stehbar zu machen. Es handelt sich hier um
Unabänderliches! Seher, Philosophen und
Dichter haben sich wahrlich nach Kräften
abgemüht, hinter die Geheimnisse der Wirk‐
lichkeit zu kommen, aber diese Geheimnisse
liegen für die sehende Seele, strahlend aus
sich selber, im Geistigen
ganz offen vor
aller Augen, nur ‒ sind leider die geisti‐
gen Augen des Erdenmenschen unvermeid‐
licherweise „blindgeboren”!
.Um sie
sehend zu machen, mußte mein
geistiges Lehrwerk erwachsen, dem ich zwar
pflichtgemäß kundiger Former wurde, das
ich aber in keiner Hinsicht meinem Ver‐
gänglichen zurechne oder etwa für mich als
Bewertungsfaktor
meiner irdischen Per‐
sönlichkeit in Anspruch nehme, obwohl
diese nun auch im Bewußtsein untrennbar
meinem Ewigen zugehört. Aber
Ewiges will
nicht in irdische,
konventionell gültige
Münze umgewechselt werden!
.Ich „nenne” mich ja auch nicht aus Will‐
kür ‒ wie ein Pseudonymus ‒ Bô Yin
Râ, sondern
bin aus ewigem Sein, was
diese sieben Buchstaben oder drei Silben
im Diagramm geistig darstellen,
substan‐
tiell im Ewigen! Ob man sich allerdings
das, was hier gemeint ist, wirklich und
als
Wirklichkeit vorstellen kann, erscheint mir
recht ungewiss. Eine Vorstellungshilfe bietet
allenfalls die Tonkunst in der Unterschei‐
dung zwischen dem in Notenzeichen
ge‐
schriebenen und dem schwingenden, als
Klang zum
Tönen gebrachten Akkord, ‒
wenn auch dieser Vergleich nur sehr vor‐
sichtig gebraucht werden darf. Dem wenigst
entwickelten Sprachgefühl schon sollten aber
diese drei Silben wahrlich mehr sagen, als
alle „Erklärung” je sagen könnte, denn hier
sind Laute: ‒
Lebensträger!
.Wem das alles etwa „zu phantastisch” er‐
scheint, den bitte ich inständig, sich von
den Schriften meines Lehrwerkes
fernhalten
zu wollen! Er würde ihm sicher ‒ und viel‐
leicht in aller guten Meinung ‒ Inhalte zu‐
schreiben, die ihm so fern wie nur möglich
sind. Ich habe Entsetzliches in dieser Hin‐
sicht erlebt und kann es durch deutungs‐
lüsterne Vielbelesene immer noch erleben,
aber ich vermag dennoch dort nicht zu
ver‐
urteilen, wo nur wirkliche
Unkenntnis
der vorausgesetzten unerläßlichen geistigen
Einsichten den Ahnungslosen, der sich viel‐
leicht gerade für besonders unterrichtet hielt,
zu grotesker Ausdeutung meiner Worte ver‐
führte.
.Wohl aber
muß ich mich zu schärfster
Verurteilung entscheiden, wo meine
War‐
nungen, trotz aller Fähigkeit, sie zu ver‐
stehen, einfach nicht
beachtet wurden. ‒
Wer sich um diese so nötigen Warnungen
nicht kümmert, der
verdient nichts anderes,
als von jedem, die psychologische Urteils‐
losigkeit seiner Mitmenschen ausnützenden,
pfiffig „frommen”, zielbewußten Schläuling
oder von gleichwertigen spiritistischen „Le‐
muren” gefoppt zu werden! Auch das, was
so viele bewußte oder unfreiwillige „Spiri‐
tisten” ihren „Schutzgeist” oder „Führer”
nennen, ist Ausgeburt übler Täuschungslust
aus der unsichtbaren
physischen Welt, ‒
soweit es nicht selbsterzeugter Schemen phan‐
tastischer Selbsttäuschung ist.
.Wer aber gar nach allem, was er in meinen
Schriften lesen darf, noch glaubt, er könne
etwa schon zu meinen Lebzeiten oder doch
bald nachher
außer dem, der
in mir sich
selbst zum Bekenntnis wurde, einem „Leuch‐
tenden des Urlichtes”, ‒ oder
außerhalb
strengstens zurückgezogen lebender, ver‐
borgener Kreise asiatischer Religionen, auch
nur dem
niedersten wirklichen „
Ein‐
geweihten” in die auch heute noch leben‐
digen „Mysterien” begegnen, den muß man
allerdings weder bedauern noch stören. Möge
er durch den
Verbrauch des Trüben zur
Klarheit gelangen! Die meisten, ihrer Ur‐
teilskraft niemals mißtrauenden Menschen
machen sich keine Vorstellung davon, welche
platt niedrigen und geradezu „satanischen”
Willenskräfte am Werke sind, nur um vor
allem die so Selbstsicheren und daher weit‐
aus mehr, als sie ahnen, ‒
Ahnungslosen
‒ durch Befriedigung ihres naiven Selbst‐
bestätigungsverlangens schonungslos aus dem
Unsichtbaren her zu hintergehen, oder in
der Sichtbarkeit, um finanzieller Ausbeu‐
tung willen, wie auch zu manchen anderen
Zwecken, sich hörig zu machen!
.Wer mein geistiges ‒ in einem anderen
Sinne genommen: ‒ „geistliches” ‒ Lehr‐
werk „verstehen” lernen will, der wird ihm
von innen her nahekommen müssen und
keinesfalls glauben dürfen, daß er von
außen
her sich ein Urteil darüber zu bilden ver‐
möge. ‒
.Sein Gehirnverstand vermag ihn jedoch
sehr sicher aufzuklären, sobald ihm einer
der tausenderlei unverantwortlichen Seelen‐
fänger aus der sichtbaren oder auch unsicht‐
baren Welt auf seinem Lebenswege unver‐
mutet gegenübersteht, und bei ihm probiert,
aus menschlichem seelischen Suchen „Kapital
zu schlagen”, mag es sich auch vielleicht zu‐
weilen nicht einmal um klingende Münze,
sondern um die Befriedigung des „Geltungs‐
bedürfnisses” eines Menschen handeln, der
anders seine „Minderwertigkeitsgefühle”
nicht loszuwerden vermag, oder um die bloße
Jagdlust eines
unsichtbaren Seelenjägers,
wie sie mein Lehrwerk ja genügend charak‐
terisiert. Die weitaus meisten Opfer aller
dieser Verderber hätten sich selber bewahren
können, wären sie nicht zuvor ihrem eigenen,
gerne gehegten Aberglauben anheimgefallen,
wodurch sie alles Unterscheidungsvermögen
bereits verloren hatten.
.In den zweiunddreißig Einzelstücken
meines geistigen Lehrwerkes finden sich:
Lehre,
Bericht und
Ratschlag in leben‐
diger Vereinigung. Von den ersten Worten
an, die ich im Druck erscheinen ließ, habe
ich offen bekannt, daß es mir um anderes
geht als etwa um die Darbietung irgend‐
welcher ‒ vielleicht durch Nachdenken oder
geistige Erleuchtung ‒ gewonnener „Über‐
zeugungen”, die, als nur private Meinung,
mich gewiß nicht zur Mitteilung veranlaßt
hätten. Ich habe niemals verhehlt, daß die
Lehre, die durch mich in meiner Mutter‐
sprache Gestaltung fand, viele Jahrtausende
altes Erbgut einiger weniger, ihrem ewigen
Sein bewußt geeinter Erdenmenschen ist,
die jeweils zu ihrer Zeit, verhüllt, in Ver‐
borgenheit, als Leuchtende des ewigen Ur‐
lichtes ihre ihnen zubestimmten Erdentage
erleben. Ich habe immer wieder bekannt,
daß aller Bericht über die Struktur des
ewigen geistigen Lebens, den ich zu geben
vermag, aus meinem eigenen, mir irdisch
bewußt gewordenen urewigen Leben im
Lichte des sich selbst erlebenden ewigen
Geistes hervorgeht, und daß die von mir
erteilten Ratschläge oder Weisungen nicht
primär
von mir ‒ dem irdischen Verkünder
‒ stammen, sondern in ganz bestimmten
Forderungen begründet sind, die sich un‐
abänderlich aus der Struktur geistig sub‐
stantiellen Lebens ergeben, das nur in sich
aufnehmen kann, was aus ihm hervorging,
und
nur dann, wenn das voreinst von seinem
Lebensgrunde Hinwegstrebende wieder mit
allen Kräften ihm
zustrebt.
.Bei denen, für die mein geistiges Lehr‐
werk
bestimmt ist, wird die möglicherweise
vorhandene anfängliche „Fremdheit” in glei‐
chem Grade von innerster Vertrautheit ab‐
gelöst, in dem das Empfindungsvermögen
sich öffnet für mein geistiges
Leben in meinen
Schriften.
Nicht Bericht und Weisung sind
die höchsten Werte dieses Lehrwerkes! Über
alledem steht sein übertragbarer Inhalt an
wirklichem ewigen geistigen Leben, das
ich meinen Worten mitgegeben habe, damit
es der Empfindungsfähige erlangen könne.
Nicht durch Denkarbeit, sondern durch Ein‐
fühlung und
Aufnahme in sein eigenes
Leben!
.Das, von dem ich als von uraltem „Erb‐
gute” spreche, ist irdische
Tradition der
Offenbarungsform, gründet aber letztlich
im Erlebenkönnen substantiellen geistigen
Lebens. Es handelt sich da um das irdisch
bewußt gewordene, in ewiger Dauer sich un‐
ausgesetzt erlebende
Leben des ewigen
lebengebenden Geistes, von dem keiner
künden
kann, der nicht unermeßliche Zeiten
vor seiner irdischen Inkarnation in ihm be‐
reits
seiner selbst bewußt gewesen war!
Alle Erkenntnis der bewunderungswürdig‐
sten irdischen Gehirne war und ist nur
ein
Spiel mit Spielmarken, gegenüber der
vollwertig reinstes Gold greifbar dar‐
bietenden Einsicht, die
wirkliches Erleben
ewigen Lebens den Wenigen aller Zeiten
eröffnet, die aus ihm künden
können!
.Ich vermag es nicht zu ändern, daß ich
für diese Zeit und auf recht zahlreiche Jahr‐
hunderte hin der einzige der hier Gemeinten
auf dieser Erde bin, dem Offenbarung seines
geistigen Wissens aus eigenem ewigen geisti‐
gen Erleben, nicht nur vom ewigen Geiste
her „erlaubt”, sondern zur heiligsten Auf‐
gabe des Erdenlebens zubestimmt ist.
Täu‐
schern freilich wird man gewiß immer, und
so auch in Zukunft begegnen, denn sie fehlen
zu keiner Zeit auf Erden und finden immer
wieder ihre Hörigen.
.Um keinerlei Irrtum irgendwo irgend‐
welchen Raum zu lassen, muß ich hier noch
eindeutig sagen, daß
sämtliche in dem
meinem geistigen Lehrwerke zugehörigen
Buche: „Welten”, sowie in der im Buch‐
verlag der Kunstanstalt Franz Hanfstaengl,
München, erschienenen Monographie: „Der
Maler Bô Yin Râ” teilweise zu
farbiger Re‐
produktion gelangten oder auch in Schwarz‐
druck wiedergegebenen „
geistlichen Bil‐
der”, ‒ die in künstlerischem Ringen um
das gegebene Problem, aus dem wachen Er‐
leben der Struktur innerster,
alle Kräfte
der Seele erschütternder Gestaltungs‐
welten im ewigen Geiste Gottes hervor‐
gingen, ‒ ohne Ausnahme, untrennbar
meinem geistigen Lehrwerke einver‐
woben sind. Das gilt natürlich auch von
den
nicht reproduzierten Originalen, soweit
die privaten Besitzer die geistigen Kräfte
verlangen, die in diesen Bildern leben.
.Für die
Vorstellungswandlungen, die
zur Aufnahme des konkreten geistigen
Le‐
bens in meinen Lehrschriften unerläßlich
sind,
können diese Darstellungen geistiger
Welten mit den Mitteln der Farbe und Linie
den Aufnahmefähigen sogar
sehr Erheb‐
liches gerade dort bedeuten, wo das Wort
der Sprache seine Grenzen gezogen sieht,
auch wenn nicht nötig ist, jede Darstellung
zu kennen. Ich fand das durch Menschen
aller Bildungsgrade, ‒ die aus meinen
Worten geistig „
leben” lernten, ‒ deutlich
bestätigt.
.Die „Wurzeln” unseres geistigen und ‒
irdischen ‒
Lebens sind nun einmal ganz
anders gestaltet, als das nach
allen religiösen
und philosophischen, zu Gemeingut gewor‐
denen Lehren
angenommen wird! ‒ Hier
ist die dringlichste
Umformung der bis‐
herigen Vorstellungsinhalte nötig, wenn der
irdische Mensch sich ein auch nur halbwegs
der Wirklichkeit nahekommendes Wahr‐
bild schaffen will, an dem sein ohnehin vor‐
erst bestenfalls nur „ahnendes” Erkennen
sich erfaßbaren, gesicherten Halt zu erwirken
vermag. Hier muß die Haftung am „Her‐
gebrachten” wahrlich überwunden werden,
will man die
wirklichen Werte heben, die
das Überkommene in sich verbirgt! ‒
.Ich muß aber ernstlich daran erinnern,
daß ich niemals um „Gläubige” geworben
habe oder gar „Anhänger” zu gewinnen
suchte! Wenn der in den Schriften meines
geistigen Lehrwerkes Lesende meinen Worten
glaubt, so wird das
für ihn selbst gewiß
bedeutsam sein, aber ‒ er soll seinen
Glauben nicht wie ein „Geschenk” bewerten,
das er mir darbringen zu können meint!
Die authentische Wirklichkeitsentsprechung
meiner Lehrworte über die Struktur des
ewigen Geistes kann weder durch den in‐
brünstigsten Glauben
verherrlicht, noch
durch Unglaube, Behinderung, Kritik oder
Bekämpfung
herabgemindert werden! Ich
habe zu keiner Zeit nach menschlicher „Zu‐
stimmung” gestrebt, weil ich nichts lehrte,
was ihrer hätte bedürfen können, und noch
unermeßlich weit ferner lag und liegt mir
jedes Erstreben irgendwelcher eigenen irdi‐
schen „
Macht” ‒ sei es auch nur der so
zeitbedingten und ganz im Vergänglichen
wurzelnden Macht, Menschen von der Wahr‐
heit eigener Worte zu überzeugen! Ich will
nicht, daß man mir „glaube”, sondern lehre,
wie man
sich selbst geistige Gewißheit
schaffen kann. ‒ Das ist alles, was ich zu
geben habe!
.Denen, die in einer irrigen Beurteilung
meines Erdenwerkes befangen, sich von einer
persönlichen Begegnung noch mehr verspre‐
chen, als was sie von mir in meinem Lehr‐
werk erhalten haben, muß ich leider sagen,
daß ich ihnen im Gespräch
keinesfalls auch
nur entfernt das zu geben haben würde,
was ich in meinen Büchern aus dem Geiste
Gottes gab, ‒ in ihm allein bewußt und
durch ihn allein bestimmt! Man muß hier
resolut eine sehr scharfe Trennungslinie
ziehen zwischen allen Menschen, die sich
des Buchdrucks bedienen, um ihre Gedan‐
ken darzulegen oder über ihre Gefühle zu
reflektieren, ‒ und mir, der
aus dem
Ewigen spricht und seine Worte zu Trägern
seines eigenen ewigen
Lebens werden ließ.
Man muß in heller Nüchternheit sich klar
darüber sein, daß ich in das Leben dieser
Erde mein urewiges Erbe mitgebracht
habe, ‒ nicht erst das Geistige in mir durch
irdisches Suchen erlangte. Wer den Worten
meiner Bücher begegnet, der empfängt alles
Geistige und alles Persönliche, was in
mir auf dieser Erde lebt! Meine leibhafte
Gegenwart hätte ihm das niemals vermitteln
können. Überdies bin ich kaum in der Lage,
auch nur die mir allervertrautesten Menschen
dann und wann bei mir sehen zu können,
aber außerstande, statt dessen etwa mir un‐
bekannte Besucher zu empfangen. Ebenso‐
wenig ist es mir möglich, durch Briefe
privaten Rat zu erteilen, oder gar private
Kommentare meines Lehrwerkes zu formu‐
lieren, so erwünscht das auch Einzelnen er‐
scheinen mag, und für wie „wichtig” sie
auch ihre Fälle ‒ von ihrem Blickpunkte
her gesehen ‒ nehmen mögen. Anderes
und weitaus Nötigeres braucht nunmehr Tag
um Tag, aus dem Geiste gefordert, bis zum
letzten Atemzug meine erdhaften Kräfte, so‐
lange ich noch körperlich in diesem Erden‐
leben bin. Dieses „Andere” aber läßt
nichts
anderes zu!
.Was diese Worte in ihrer Gesamtheit
besagen, vermag nur ich selbst zu ermessen,
obwohl der Abschlußband meines geistigen
Lehrwerkes, „Hortus conclusus”, wahrhaftig
alles darüber berichtet, was in irdischer
Sprache sich zur Not berichten läßt. Dort‐
hin, wohin ich täglich gehen muß, mein
Werk zu wirken, das mir nunmehr noch
während des irdischen Leibeslebens geist‐
gewollt zu tun obliegt, dorthin kann ich
niemand mit mir nehmen. So kann ich denn
auch keinem zeigen, was meine Kräfte ferner
geistig, wie im irdisch Dinglichen braucht,
denn keiner kennt Beispielhaftes, das ich
ihm nennen könnte, um daran meine Worte
anzuknüpfen.
.Mein geistiges Lehrwerk ist eine nach Mög‐
lichkeit objektive Darstellung der Struktur
des ewigen Geistes, von seiner ihm fernsten,
dem Erdmenschen aber nächsten erdgemäßen
Bekundung bis zu seinem allerinnersten,
höchsten und heiligsten Sein in sich selbst.
„Nach Möglichkeit” objektiv will besagen,
daß absolute Objektivität nur im ewigen
Geiste selbst besteht, aber in sprachlicher
Darstellung unerbittlich und gegen alles
Wollen des Darstellenden, durch die unter
allen Umständen subjektiv bestimmte Art
seines Darstellungsvermögens zu einer re‐
lativen wird, was sich auch durch keine
Kraft des ewigen Geistes gänzlich verhüten
läßt. So gebe ich also das, was ich als einer,
der des Geistes ist, zu geben habe, in der
Darstellungsform, die mir in meinem Erd‐
menschlichen dargeboten ist, aber stets kor‐
rigierender bewußter Kräfte des ewigen
Geistes in mir selber bewußt. Der Vorgang
ist nicht ganz so einfach, wie er hier be‐
schrieben steht, und dennoch, in anderer
Hinsicht, zugleich von unmitteilbarer Ein‐
fachheit! Das Allereinfachste im substan‐
tiellen ewigen Geiste ist nicht mehr mit‐
teilbar, weil es
nichts anderes außer sich
bewußt bleiben läßt, von dem es bei der
Mitteilung zu unterscheiden wäre.
.Wie immer aber auch die sprachliche
Darstellung des Ewigen sich der
absoluten
Objektivität naturgedrängt enthalten muß,
so könnte doch niemals ein wirklicher Irrtum
sich dabei ereignen, denn was aus Ewigem
vernehmbar wird, bleibt ewiger Erkenntnis
eingefügt und ungeschieden von ewiger Wirk‐
lichkeit. Eben darum ist alle Rede über ewige
Dinge erfüllt mit Trug, wenn sie nicht aus
dem Munde eines Menschen kommt, der
selber vollbewußter geistiger Mensch ist in
dieser Wirklichkeit des einzigen Unver‐
gänglichen! Auch Religionen sind nicht
vor solchem Trug gesichert! Soweit sie aus
Irdischem Anstoß schaffen, schlafende Seelen
zu Zellen ewiger Liebe zu erwecken und als‐
dann in Glut und Inbrunst erwacht zu halten,
wie Kult und Gebet das vermag, sind Reli‐
gionen geistgewollte erdenhafte Bünde, die
nicht zu entbehren wären. Wo aber ihre
Diener das, was sie empfangen haben aus
der Wahrheit eines Wirklichkeitsbewußten,
unter andere und eigene Rede mengen um
ein Wissen darzustellen, das nur ein Worte‐
wissen bleibt, dort können die gleichen Re‐
ligionen zu allerärgsten Hemmnissen auf den
Wegen der Seelen werden! Es gibt keine
Religion auf Erden, die hier nicht der Selbst‐
reinigung bedürftig wäre, und am dringlich‐
sten ist diese Reinigung dort, wo man sich
derart vermessen konnte, daß man sich nicht
scheute, aus religiösem Urgut den Stoff zu
einer scheinbaren Wissenschaft zu machen,
statt ehrerbietig
hinzunehmen, was allein
Menschen „verstehbar” ist, die selbst als
Ewigkeitsbewußte leben in ewiger Wirklich‐
keit. Daß wahrhaftig solche Menschen jeder‐
zeit auf dieser Erde erstanden sind und er‐
stehen werden, kann freilich nur ein Mensch
bezeugen, der selber zu ihnen gehört! Als
solcher habe ich diese bis zur Identität ge‐
hende Vereinung Gleicher, aus dem Geiste
her aller Menschheit bewußtseinsnahe zu
bringen gesucht durch das Wort!
.Ich habe die mir untrennbar Geeinten
gleichnishaft als im Geistigen geborene
„Brüder” bezeichnet, in Analogie mit dem
irdischen Begriff, der männliche Menschen
aus gleichem Elternblute meint. Kein Ver‐
gleich, den die Erde bietet, wäre jedoch
hin‐
reichend, um die vollkommene Einung in‐
dividueller Geister begreifbar zu machen,
die real vollzogen ist in des Urlichtes Leuch‐
tenden. Am allerwenigsten darf man den
von mir schließlich gewählten auf die „Men‐
talität” irdischer Brüder aus dem gleichen
Elternhause beziehen, denn ausschließlich
nur auf
das gleiche Blut bezogen, wird er
von mir gebraucht! Irdischer Leibesursprung
aus gleichen Wurzelstämmen, soll
zum Bilde
dienen für eine ewige
geistige Herkunft in
der
geistigen Welt. Seinem Inhalt nach ihr
inkommensurabel und darum aufs schärfste
von ihr geschieden, bleibt mein Vergleich von
aller Gepflogenheit, nach welcher Menschen,
die gleiche Ziele erstreben, sich auf Grund
gedanklicher Zustimmung oder gleicher Ver‐
pflichtung „Brüder” nennen!
Jeder der Leuch‐
tenden des Urlichtes ist nicht nur Formung
gleichen ewigen Willens im substantiellen
göttlichen Geiste, sondern als solche Formung,
unbeschadet aller geistgewollten Unterschei‐
dungsmöglichkeit, dem Sein im Geiste nach
mit allen ihm Gleichgeformten substantiell
identisch.
.Genugsam habe ich wahrhaftig betont,
daß aus geistig gegebenen Gründen niemals
ein Mensch, in dem ein Leuchtender des Ur‐
lichtes sich darlebt, zugleich Diener oder
Leiter irgend einer irdischen Religion sein
kann. Auch der Meister von Nazareth war
wahrlich keines von beiden, was immer für
Worte sie ihm auch späterhin zugeschoben
haben, um sich selbst in dem neuen Glaubens‐
kreise nicht als überaltert zu empfinden. Es
ist törichtes Beginnen, nachdem man kaum
von denen erfahren hat, aus deren Mitte
ich spreche, alle Religionsbezirke der Welt
zu durchstöbern um innerhalb ihrer Gefilde
etwa Leuchtenden des Urlichtes zu begegnen,
denn die Leuchtenden des Urlichtes waren
weder Mysterienpriester noch Hierophanten,
und sind weder Verpflichtende noch im Ge‐
wissen Verpflichtete irgend einer Religion.
Nicht etwa, weil sie, ‒ die geistigen Er‐
wecker aller echten Religiosität, ‒ „Reli‐
gionsgegner” wären, sondern weil sie als im
ewigen Geiste Lebende, ewiger Ordnung
eingefügt sind, und Gesetze
überzeitlicher
Art befolgen! So mußte ich denn auch zur
Einsicht mahnen, wo ich die Meinung Ah‐
nungsloser Verwirrung stiften sah, die Leuch‐
tende des Urlichtes unter Brahmanen, Pun‐
dits, Sâdhus, Sannyâsins und Bikshus, unter
Lamas und ihren „Wiedergeborenen”, unter
Derwischen und Fakiren oder auch wirkli‐
chen „Yogis” verborgen glaubte. Auch jene
gehen nicht minder fehl, die vermeinen, sie
könnten sich aus den Tempeln östlicher Reli‐
gionen Begriffsbilder borgen, in deren Nim‐
bus etwa ein Leuchtender des Urlichtes ein‐
zubeziehen wäre. Alles das ist verwirrende
Sucht nach Bestätigungen der unkontrol‐
lierten Wunschträume einer phantastischen
Romantik! Man muß von alledem absehen
lernen, wenn man auch nur ahnungsweise
sich den lauteren, kristallklaren, firnen‐
frischen Regionen geistig nähern will, die
uns geistiger Seinsodem sind.
.Alle Einwirkung ewigen Geistes auf die
physische Gestaltung der Erde, ‒ alle Be‐
nützung dieser Gestaltung durch geistige
Kräfte der Ewigkeit, ‒ schafft Situationen,
die als Symbole sprechen. Es ist kein „Zu‐
fall”, daß die für die Aufnahme ewiger
Wellenströme und Schwingungen in ihrer
höchsten Potenz einzig vorhandene Stelle
auf diesem Planeten, hoch in der Region
seiner höchsten Berge liegt, mitten in Schnee
und Eis! Erdenmenschlichen Träumen läge
es weit näher, diese Kontaktstelle, die es
den lichten Kräften ewigen Geistes möglich
macht, die zähe düstere Erdaura zu durch‐
dringen, um durch das Innere der Erde die
Seelen der aus ihr lebenden Erdmenschen
zu erreichen, auf einer paradiesischen Insel,
mitten in lichtübergossenen südlichen Meeren
zu suchen, oder zum mindesten doch dort,
wo der physische Körper die seinem Leben
und Gedeihen gemäße Förderung findet.
Aber gerade die für ein Leben im physischen
Erdenkörper nötigen Voraussetzungen sind
in der meilenweiten Hochzone des inner‐
halb der ganzen Erdaura einmaligen Kraft‐
feldes, das hier gemeint ist, wahrhaftig nicht
gegeben. Menschlicher Impuls vermag hier
nur dann sich auszuwirken und die ihm
einmalig hier gebotenen Möglichkeiten zu
nützen, wenn er sich einem anderen Bewußt‐
seinsträger als dem physischen Körper an‐
zuvertrauen imstande ist: ‒ einem Bewußt‐
seinsträger, den die in diesem gemeinten
Erdraum gegebenen physikalischen Verhält‐
nisse meteorologischer Art in keiner Weise
behindern. Es ist aber beileibe nicht etwa
die Rede von der sogenannten „Aussendung
des Astralkörpers”, der hier noch rascher
aufgelöst würde als der alpinistisch genügend
ausgerüstete Außenmensch zum Erliegen
käme, der immerhin mit geeigneten Hilfs‐
geräten ähnliche Bereiche zu durchqueren
vermag! Der Vorgang, von dem ich rede,
erfolgt bei völlig klarem gehirnlichen Be‐
wußtsein durch einen im eigenen ewigen
Geiste geschehenden, unendlich sublimen
Auslösungsakt, und ist allein den Leuchten‐
den des Urlichtes möglich, gleichgültig, wo
sich der physische Körper befindet. Er darf
nur nicht vor einer Narkose oder irgend
einer sonstwie drohenden Betäubung und
Bewußtseinsverengung stehen, weil er dann
nicht mehr erwachen würde, sondern der
Seele verlorenginge durch sofortigen Tod.
Daher käme auch jeder „Trancezustand”
hier einem Selbstmord gleich! Leben im
Geiste kennt keinerlei „abgeblendete” Be‐
wußtseinszustände, sondern bewirkt viel‐
mehr
erweitertes Wachsein in
allen
Bewußtseinsreichen, zu gleicher Zeit!
.Die geistige Gestaltung des „Tempels der
Ewigkeit”, von dem ich in meinem Lehr‐
werk spreche, konnte nur an dieser einzigen
Stelle des Planeten erfolgen, die ich hier
nun nochmals charakterisierte. Von dieser,
durch ein feinstmaterielles Kraftfeld, das nur
ihr eigen ist, auch im Physischen überaus
bedeutungsvoll separierten Stätte allein, die
sich allerdings über einen gewaltigen Erd‐
raum hin erstreckt, vermag es ewiger Geist,
wieder mit den in die physische Erschei‐
nungswelt gefallenen Geistesfunken, die im
Menschen dieser Erde ihre Erlösung suchen,
in Vereinung zu gelangen. An dieser Stätte
ist auch die
absolute „Unio mystika” der
Erdenmenschen, in denen sich die Leuch‐
tenden des Urlichtes darleben, allein auf die‐
ser Erde erreichbar. Es versteht sich von
selbst, daß die geographische Bestimmung
dieser Stätte selbst den Menschen, in denen
sich die Leuchtenden des Urlichtes erleben,
versagt bleiben muß, da
das bloße Wissen
um die genaue erdräumliche Lage des Ortes
in menschlichen Gehirnen schon genügen
würde, um Schwingungen zu erzeugen, die
alle rein geistigen Impulse empfindlichst
stören, wenn nicht gänzlich an ihrer Auswir‐
kung hindern würden. Daß
die Impulse aus
dem ewigen Geiste ihren Weg durch
das
Innere der Erde nehmen, weil die Erdaura
durch den Menschen, infolge des Mißbrauchs
der in seiner Tiernatur ‒ im weitesten
Sinne ‒ gegebenen Möglichkeiten, grauen‐
haft verunreinigt ist, ‒ wurde ebenso Ur‐
sache der Symbolbildung: ‒ heilige Grotten
und Höhlen! ‒ wie das geistige Geschehen
selbst, ‒ das von hohen Bergen her erfolgt!
Die Erdaura, die wie eine über und über
beschriebene Schriftrolle angefüllt ist mit
den dunklen Zeichen des Erdenmenschen,
ist der tötende „Buchstabe”, während Geist
der Ewigkeit „lebendig macht” aus dem
Innern der Erde her, ‒ in die Erde ein‐
gedrungen an einer Stelle, an der die Erd‐
aura nicht durch den Menschen entheiligt
ist, und wie nirgends fähig, geistige Strah‐
lung einzulassen. Durch geistig gelenktes Ge‐
schehen war mir dieser im höchsten Sinne
heiligste Ort der Erde schon in meiner frü‐
hen Jugendzeit innerlich zugänglich gewor‐
den. Ich habe damals nicht geahnt, daß er
mir so sehr viel später dann jederzeit zu‐
gänglich werden würde, und ich verstand
noch weniges von dem, was ich heute weiß.
Ich fand mich nur, wenn man mich „holte”,
ohne jede Bewußtseinstrübung für meine
gewohnte Umgebung,
zugleich an dem so
fernen geheimnisvollen Erdort bewußt, aber
dort in einer unnennbaren erschütternd feier‐
lichen Glückseligkeit, und weinte nach der
„Rückkehr” heiße Tränen, wenn ich zur Be‐
fürchtung kam, daß ich vielleicht zum letz‐
tenmal „hingeholt” worden sei. Es folgten
dann auch tatsächlich viele Jahre, in denen
ich nicht im Traume mehr geglaubt hätte,
die gleiche Stätte könne mir jemals wieder
erreichbar werden. Das war bedingt durch
Entwicklungen mannigfacher Art, die ich erst
übersehen lernte, nachdem sie durchlaufen
waren.
.Gewiß ist es nicht das äußere Erleben‐
können unvergleichlicher hochalpiner Land‐
schaft, das uns hierherzieht, ‒ so gewaltig
auch der Eindruck dieser unzähligen Gipfel‐
pyramiden, Eisnadeln und Felswandschrof‐
fen, die hier aus einem Meere von unermeß‐
lichen Schneefeldern und Gletschern hervor‐
ragen, die Seele erregt. Es erfolgt ja eine
Übertragung dessen, was dem physischen
Auge wahrnehmbar wäre, fände es sich an Ort
und Stelle, in die fernen Gehirnregionen des
physischen Körpers, die normalerweise Au‐
geneindrücke zu Bewußtsein bringen! Wer
in seinen jungen Jahren, wie es mir geschah,
Äquivalente zu allen diesen Eindrücken,
wenn auch nur in alpinen Gebieten erfahren
hat, die sich hier als Vergleichsobjekte nicht‐
einmal nennen lassen, dem ist es freilich wie
ein unbegreifliches Wunder, wenn er hier mit‐
ten im Toben der Elemente auch zu einem
Erleben kommt, das ihn vernichtet hätte,
wäre es körperlich zu erleben gewesen.
Aber das alles ist ja wahrhaftig nicht Grund
unseres gemeinsamen Erlebens in dieser Re‐
gion! Die geistigen Träger unseres Bewußt‐
seins sind vielmehr nur darum hierher diri‐
giert, weil wir nur von hier aus bewirken
können, was uns aufgetragen ist. Um was
es sich da handelt, ist in meinem Lehrwerk
oftmals beschrieben. Ich möchte nur in dieser
Eisregion gar zu gerne zuweilen einen der
Philosophen neben mir haben, ‒ von denen
der Antike bis zu denen neuester Zeit, ‒
aus deren gedanklichen Spekulationen sich
alle Vorstellung vom ewigen Geiste bis auf
diese Tage nährt. Wie würden diese wahr‐
haftig zu verehrenden Männer, deren Namen
jedem Gehirnanbeter als geheiligt gelten,
bestätigt durch die Unfehlbarkeit ihrer Ge‐
dankenschlüsse, vor der Wirklichkeit des
Geistes erbeben und in sich zusammensinken,
gerade weil ihre Ehrlichkeit es nicht ertragen
könnte, nunmehr noch aufrechtzuerhalten,
was sie vor solchem Erleben stets besten
Glaubens für die gedanklich gesichertste
Erkenntnis hielten! Es ist wahrhaftig etwas
anderes, ob man sich mit einem „ewigen
Geiste” zufrieden gibt, der nur Produkt
der körperlichen Gehirnzellen und ihrer
ihnen gemäßen Erregung ist, oder ob man
den unvorstellbar gewaltigen wirklichen
ewigen Geist in seiner Allgewalt am Werke
sieht, wie er sich selbst wieder seinem Ge‐
bilde mitteilt, das gleichsam im „Leerlauf”
sich unvermeidlich zugrunde richten würde,
könnte es nicht neuer Einung mit seinem
Ursprung, aus einer nun aufs neue geistkraft‐
erfüllten fluidischen Substanz des Erdpla‐
neten her, teilhaftig werden.
.Die Allgewalt der Wirklichkeit ewigen
Geistes bleibt allen erdmenschlichen Defini‐
tionen unerreichbar.
Der „Geist”, der sich
erdenken und durch Gedanken bestimmen
läßt, existiert nur in den Gehirnen die ihn
erdacht haben und in denen, die das Er‐
dachte nachzudenken trachten.
Wenn auch
alles Irdische ‒ einschließlich des „Fürsten
der Finsternis”, von dem Jesus sprach ‒
nur
geistfernste physikalische
Projektion
von Reflexwirkungen
wirklicher Geistes‐
kraftstrahlungen ist, so finden sich dennoch
in der physischen Welt Fährten zu der
Wirklichkeit ewigen Geistes. Man findet
sie überall, wo unsichtbare aber urgewaltige
bloße Naturkräfte schon die erstaunlichsten
Vorgänge und Veränderungen innerhalb der
physikalisch faßbaren Formenwelt hervor‐
bringen durch ihre bloße Manifestation.
Solcher Manifestation
ähnlich ‒ wenn
auch keineswegs gleich ‒ muß man sich
die Einströmung des
wirklichen ewigen,
substantiellen göttlichen Geistes vorstellen,
wenn man als Erdmensch endlich aus jahr‐
tausendealtem gedanklichen Irren wieder zu
einem fühlenden Vorahnen des
Wirkli‐
chen gelangen will, das in menschlich er‐
faßbare, fühlbare Form gewandelt, im Men‐
schen dieser Erde erlebbar werden kann!
Wandlung in solche menschenfaßbare Form
zu bewirken, ist Trachten und Tun der im
ewigen Urlichte Leuchtenden.
.Wo immer auf der ganzen Erde echte
Religiosität nach dem ewigen Ziele des Men‐
schen strebt, dort wird der suchenden oder
gläubig verehrenden Seele Hilfe, Trost, Er‐
leuchtung und Führung durch die dazu be‐
stimmten Leuchtenden des Urlichtes aus dem
Geiste Gottes zuteil, von dieser heiligsten
Stätte der Erde her. Darum sagte ich bereits
im Buch vom lebendigen Gott, daß „die ver‐
borgenen geistigen Helfer weiter führen als
nur zu jenen Himmeln, die jede Zeit sich
erschuf als Auswirkung ihres frommen Seh‐
nens.” Freilich ist der Leuchtenden Hilfe und
innere Lenkung gänzlich unabhängig davon,
ob der Mensch, der sie empfängt, von dieser
Instanz innerhalb der Struktur des ewigen
Geistes etwas vernommen hat oder nicht. Da
es jedoch für zahlreiche Menschen Zeit dazu
geworden war, daß sie Authentisches darüber
erfahren sollten, mußte ich, als der einzige
dazu Befähigte unter den mir Geeinten, der
Wirklichkeit die ihr gemäßen Worte sprechen
und mein geistiges Lehrwerk bringen. Nicht
ohne Bedeutung war hierbei, daß ich zugleich
der einzige Mensch des Abendlandes unter
ihnen bin. Sollte die Offenbarung wirkliche
Hilfe bringen, so mußte einer sie formen,
der europäisches Denken und seine Schwierig‐
keiten geistigen Dingen gegenüber aus ei‐
gener Erfahrung von Jugend auf kennt. Wie
ich aber das im Johannesevangelium verkün‐
dete Wort Jesu, ‒ allerdings weitab von aller
kirchlichen Lehrmeinung, ‒ nunmehr auf
meine Erscheinung in der Welt bezogen,
auf Grund der Struktur des Lebens im ewigen
Geiste,
wiederholen darf: „Wer mich sieht,
der sieht auch den Vater!” ‒ den ewigen
geistigen Vater in dem ich lebe, ‒ so muß
ich zugleich sagen:
Wer meine Worte ver‐
nimmt, der empfängt auch die Worte der
mir im Ewigen Geeinten!
.Die auf dieser Erde dem Bewußtwerden
geistiger Erleuchtung zustrebenden Men‐
schen bilden sehr verschiedenartige und ver‐
schiedenwertige Kategorien. Mit
keiner
dieser, der Mehrzahl nach schon
unterein‐
ander inkommensurablen Kategorien see‐
lisch Suchender, die gewiß vom Geiste her
„gefunden” werden können, wenn sie so zu
suchen wußten, wie es der ewige Geist aus
seinem eigenen Leben heraus erheischt, dür‐
fen etwa die Leuchtenden des Urlichtes ver‐
wechselt werden, die eben das von aller
Ewigkeit her sind, was ihre zum ewigen
Geiste strebenden Mitmenschen in einer für
sie erfaßbaren Form zu erreichen suchen.
Die „Schulung”, die auch der vergänglichen
erdgeborenen Erscheinung eines im Urlichte
Leuchtenden nicht erspart werden kann, ist
nicht auf das Finden eines gesuchten Zieles
gerichtet, sondern auf das irdische Aufneh‐
men dessen, was aus dem Ewigen „mitge‐
bracht” wurde und ‒ vorerst sich dem Ver‐
stande durchaus versagend ‒ in dieses ir‐
dische, vergängliche Dasein Eingang fand.
Auch ich mußte lange genug solche Schulung
erleiden!
.Das im ewigen Geiste mir zur Formung
vertraute Lehrwerk, dem ich jahrzehntelang
diente, will die aus seinen geheiligten Schätzen
Schöpfenden nicht etwa ‒ wie manche aus
ihnen zu meinen scheinen ‒ zu einer ab‐
sonderlichen oder gar überheblichen Haltung
dem irdischen Leben gegenüber führen, son‐
dern vielmehr zu wahrer Liebe dieses, nur
dort, wo es die Liebe nicht trägt, der Seele
oft allzuschweren Lebens! Um es tragen und
ertragen zu können, bedarf der Mensch dieser
Hilfe der Liebe, und um solche Hilfe zu er‐
langen, muß er der Liebe aus sich selber
Nahrung bieten, Tag um Tag. Er muß sich
selbst zum seelischen Entbrennen bringen,
damit die Liebe in ihm nicht friert und in
Frost erstarrt. Sehr ungleich dem, was in
der tierhaften Natur tierhafte Form der
Liebe ist und wahrlich keine Entfachung
des Glutbegehrens verlangt, bleibt die hohe
Liebe der ewigen Seele scheu und verhalten,
solange der Mensch in sich nicht den Willen
erweckt, ihr Nahrung und Erwärmung zu
schaffen. Das triviale Allerweltswort, daß
man sich zur Liebe „nicht zwingen” könne,
mag gerne gelten in allen Lebensbereichen,
die letztlich aus Trieben der Tiernatur ihre
Bewegung erhalten. Für die hohe
seelische
Form der Liebe gilt es
nicht! Hier ist der
Mensch vielmehr fähig, selbst da noch Liebe
empfinden zu können, wo alles tierhaft Be‐
dingte in ihm sich auflehnt und widersetzt.
Wo der
Wille die hohe seelische Form der
Liebe
will, dort hält ihm
kein körperlich
erzeugter
Widerwille stand!
.Der Wille
will aber noch nicht die
hohe, seelische Form der Liebe, solange ein
Mensch noch meint, es bedürfe erst außer‐
ordentlicher Ereignisse, damit er Liebe
wol‐
len könne. Nur im gewöhnlichen Lebens‐
ablauf des nicht übersteigerten Alltags gedeiht
der Wille, der den Menschen in seiner Seele
Liebe
wollen lehrt! Keine menschliche Be‐
ziehung im Alltag ist zu unbedeutend, als
daß sie nicht den Willen zur Liebe wecken
könnte, ‒ zur Liebe in ihrer rein
seeli‐
schen Form, die sich selbst die Möglich‐
keiten schafft im Tun und Lassen, durch die
sie zur Auswirkung kommt.
.Mit sich selbst muß der Mensch anfangen,
denn an sich selber kann er am besten die
Anfangsgründe des nicht instinktgefesselten
seelischen Liebenkönnens lernen! An sich
selber wird er am ehesten entdecken, wo ihm
der seelische Liebeswille mangelt, und was
zu tun ist, um diesen Mangel auszugleichen.
Ist die Einsicht bis dahin gelangt, dann weiß
sie schon leichter den seelischen Willen zur
Liebe für die Menschen des leiblich und
seelisch
nächsten Kreises zu erwecken,
und ist sie hier erst
seiner sicher geworden,
dann wird sie weiter und weiter wirken, so
daß der Liebe Wollende zu einem Helfer
aller wird, die seine Lebenswege im weite‐
sten Alltag kreuzen.
.Wer das Lehrwerk, dem ich die Form
gab, nur wie eine Fundgrube sonst nicht
erreichbarer Erkenntnisse auswühlt, der
hat noch nicht entdeckt, daß es nur Men‐
schen gegeben ist, die durch ihren Willen
mit allen Kräften zu Liebenden ewiger Liebe
geworden sind. Ihnen erst kann es sich ganz
erschließen. Auch denen wird es nicht dauernd
unerschlossen bleiben, die, von irgend einer
seiner Darstellungen ausgehend, sich selbst
davon überzeugen, daß es für die Seele
notwendig ist, ewige Liebe empfinden zu
wollen, wenn sie jemals in dieser Liebe
selbst ihre Erlösung finden soll, zu der
ihr jedes Einzelstück meines geistigen Lehr‐
werkes den Weg zeigt. Es handelt sich also
darum, zu begreifen, daß alle Beschäftigung
mit meinen Lehrworten, alles Durchforschen
der in ihnen gegebenen Offenbarung und
alle Zustimmung ganz gleichgültig ist, wenn
die hier Suchenden nicht vor allen Dingen
danach trachten, Ausübende ewiger Liebe
zu werden und als Liebende der Tat sich
dem ewigen Geiste zu eigen zu geben in
ihrem Willen! Ich muß aber sehr vor einer
Art Bekundung vermeintlicher „ewiger
Liebe” warnen, die nichts anderes ist als
eine Ausdrucksweise der Selbstgefälligkeit,
oder aber gar der scheelsüchtigen Furcht,
man könne am Ende die ewige Glückselig‐
keit anderen überlassen müssen, ohne selbst
daran teilzunehmen, wenn man solche schein‐
heiligen Liebesäußerungen unterlassen hätte.
Im Geistigen ist es auch dem raffiniertesten
Charlatan unmöglich gemacht, zu betrügen,
und keine „fromme” Gebärde kann hier die
Täuschung bewirken, die ihr im irdischen
Außenleben doch allzuleicht gelingt! Man
darf aber auch anderseits nicht glauben, das
irdische Leben sei von den dieses Lebens
Müden verleumdet worden und die Abfin‐
dung mit diesem Leben sei für alle, die an
ein
ewiges Leben glauben, nur ein Kinder‐
spiel! Das zeitliche Leben ist dem irdischen
Menschen wahrhaftig nicht leicht gemacht!
Er stammt aus einer dem Irdischen durchaus
inkommensurablen Region und findet sich
nun in eine Welt der tierhaften Instinkte
und Triebe verhaftet, die seiner geistigen Art
in jeglicher Weise unangemessen ist. Kein
Wunder, wenn Irrtümer, Fehler und trieb‐
haft bestimmte irrige Entscheidungen für
den Erdenmenschen unvermeidlich sind!
.Man hat das alles wohl „Sünde” genannt,
aber: ‒ Sü
nde ist nur dort vollzogen, wo
der Mensch im vollen Bewußtsein der gei‐
stigen Verwerfung seines Tuns, dennoch un‐
bekümmert tut, was ihm gefällt. Dieser Tat‐
bestand aber ist nur in den allerseltensten
Fällen unentschuldbar gegeben, und weitaus
häufiger glaubt sich der Erdenmensch der
Sünde schuldig, wo er nur die Kraft nicht
in sich zu fassen vermochte, die ihm ge‐
holfen hätte, allem tierhaft bedingten Trieb
entgegen, nach seiner höchsten seelischen
Entscheidung zu handeln. Ja, ich kannte
eine bejahrte christlich-fromme Frau bäuer‐
licher Herkunft, die sehr gerne lachte, aber
jeden Ausdruck spontaner Fröhlichkeit gleich‐
sam „rückgängig” zu machen suchte durch
den Ausruf: „Gott verzeih' mir mein' Sünd'!”
‒ Soweit kann die Sündfurcht auch die
prachtvollsten Gestalten dieses Erdenlebens
bringen, denn diese Frau war meine leib‐
liche Mutter und sie hätte keinen geringen
Platz eingenommen unter den einfachen
bäuerlich bestimmten Frauengestalten Gott‐
helfs, wäre er ihr in seinem Leben begeg‐
net. Es ist noch lange nicht alles Sünde,
was man „Sünde” heißt, und vieles ist wirk‐
liche Sünde, was kein Mensch als solche
bezeichnen würde! ‒ Unbezweifelbare und
nicht leichte Sünde ist es, wenn einer eine ge‐
ringe Anstrengung aus Bequemlichkeit unter‐
läßt, durch die er einem Mitmenschen eine
Freude bereitet haben würde, ‒ aber sehr
fraglich bleibt es, ob überall Sünde zu suchen
ist, wo klares Unrecht geschah, weil etwa Affekt
dazu trieb. So ist es auch keinerlei Sünde,
mein geistiges Lehrwerk, obwohl man es
kennt, zu mißachten, ‒ wohl aber ist es
Sünde, dieses Lehrwerk oder auch nur ein‐
zelne Lehren, Menschen aufdrängen zu wollen,
die nicht danach begehren! Ein Tier zu töten,
das Menschennahrung werden darf, ist nie‐
mals eine Sünde! Ebensowenig die Tötung
eines Tieres, das menschliches Leben auf die‐
ser Erde behindern will. Wohl aber ist es
Sünde, ein solches Tier ohne Zwang mehr
als unbedingt nötig, leiden zu machen,
oder auch nur das kleinste Insekt zu
quälen, weil es Unbehagen zu erzeugen
wußte durch seinen Stich! Es ist Pflicht
aller Menschen, die Herr über ihre Grau‐
samkeitstriebe geworden sind, ihren noch
nicht soweit gelangten Nebenmenschen die
Befriedigung roher Triebe an Mensch und
Tier unmöglich zu machen oder zum aller‐
wenigsten wirksam zu verleiden, aber das
darf nicht zu der Empfindungsverwirrung
führen, die dem Tiere Gutes zu erweisen
meint, wenn sie es in der Vorstellung zu
vermenschlichen sucht. Man muß sich
klar darüber sein, daß durch solche Ver‐
wirrung des menschlichen Empfindens, im
Tiere nicht das Geringste zu des Tieres
Gunsten geändert wird, während im Men‐
schen ‒ das Bewußtsein, daß außer seiner
vergänglichen Tierseele, eine andauernde
Entelechie: eine unzerstörbare, allem phy‐
sischen Leben überordnete Seele Trägerin
seiner ewigen Seinsmöglichkeit ist, durch
die Aufhebung der klaren Scheidungsgrenze
zwischen beiden Emanationen, mehr und
mehr verkümmert. ‒ Es ist eine ganz folge‐
richtige Erscheinung, daß Menschen, denen
sich diese Grenze gänzlich verwischt hat,
zu so perversem Empfinden kommen, daß
ihnen das Tier unverletzlich wird, aber
jede Hemmung fortfällt, wo es sich um die
Achtung des Leibeslebens ihrer Mitmen‐
schen handelt, sobald diese den eigenen
Strebungen im Wege stehen.
Tierliebe, die
das Tier
vermenschlichen will, führt zu
Menschenhaß! Dem gleichen Gegnertrieb
gegen den Menschen, der in jedem wider‐
standsfähigen waffenbewehrten wilden Tiere
brennt.
.Während aber die, durch verhängnisvolle
Schemen überspitzten Denkens geförderte
Projektion des Empfindens der ewigen Seele
in die niedere und wie alles Irdische vergäng‐
liche Seele des Tieres dazu führen kann, daß
der Mensch jeglichen wachen Bewußtseins‐
kontakt mit seiner
ewigen Seele
verliert,
schafft der Wille zur Liebe
gegenüber dem
Nebenmenschen wachsendes Bewußt‐
werden in der eigenen ewigen Seele, und
immer klarere Bestimmung der wirklichen
Grenzen zwischen eigener vergänglicher Tier‐
seele und der den Menschen so unermeßlich
hoch über seine eigene wie jede Tierheit
erhebenden „Menschenseele”. Hier ist Ein‐
fühlung Pflicht! Hier ist Einfühlung
kein gemeinschaftvortäuschendes Projizieren
eines Empfindens in eine Wesenheit, die
von solchem Empfinden nichts weiß, wie
das beim Tiere der Fall ist, dem nur unser
tierseelehaftes Empfinden korrespondiert,
sondern ein Beiseitelassen der Tierseele‐
situation, um in der eigenen ewigen Seele
erfühlen zu können, was in der ewigen Seele
des Nebenmenschen ersehnt, erhofft und er‐
wartet wird. Es ist oft nur so weniges nötig,
damit solches Ersehnen, Erhoffen oder Er‐
warten Erfüllung findet, und es handelt sich
zumeist keineswegs um große oder schwer
erlangbare Dinge, die da in der exilierten
ewigen Seele des anderen um ein wenig
Widerhall bitten. Nicht große Anstrengungen
kommen in Betracht, sondern nur ein recht
unbedeutender Willensimpuls, der die Träg‐
heit und Eigenliebe überwindet um der
Freude des andern willen! Das ist die
Liebe, zu der man sich wahrhaftig „zwingen”
kann, und weniges wirkt so wohltätig auf
die eigene Seele zurück, als dieser „Zwang”!
.Aber das will durchaus nicht etwa heißen,
daß man nun wahllos jedem Menschen seine
Liebe entgegenbringen müsse! Die vielver‐
langte „allgemeine Menschenliebe” ist wahr‐
haftig ein allzuungenügendes und allzubilli‐
ges Surrogat für die wirkliche Liebe, von der
dieser Abschnitt handelt, denn was bei sol‐
chem Selbstbetrug: „Liebe” genannt wird,
hat mit echter Liebe auch nicht das Mindeste
zu tun.
Wirklicher
Liebe allererstes Kenn‐
zeichen ist
die Auswahl! ‒ Wo das ver‐
langte Gefühlsgeträume
allen und jedem
gelten soll, dort kann von Liebe, wie sie wirk‐
lich ist, nicht die Rede sein! Sorge sich keiner,
daß dann viele Menschen ungeliebt bleiben
müßten! Die hohe seelische Liebe kann viel‐
mehr erst dann diese Erdenmenschheit einen,
wenn jeder Einzelne seine Liebe
nach sei‐
ner Auswahl lenkt. Infolge der Verschie‐
denheit der Sympathien, die den Willen be‐
stimmen, müßte jeder Mensch die Liebe
derer finden, die sich zu ihm hingezogen
fühlen, wenn einmal wahre seelische Liebe
allen Menschen Willensbedürfen würde!
Aber auch innerhalb selbstgezogener Kreise
der Auswahl bleibt die Notwendigkeit be‐
stehen, sorglichst zu differenzieren, damit
jeder in solcher Auswahl das empfange, was
ihm als persönliches Liebeszeichen gilt,
denn ‒ jeder wird hier anderes erwarten,
ersehnen und erhoffen. Nicht anders als im
Bereiche der im weitesten Umfang durch
die Tierseele bestimmten Liebe zwischen
Weib und Mann, wäre es auch in der Region
rein seelischer Liebe verächtlich, erbärm‐
lich und unwürdig, wollte ein Mensch seine
Auswahl mit Seitenblicken auf das, was ihm
erdenhaft nützlich werden könne, treffen.
Selbst eine Auswahl im Hinblick auf jen‐
seitigen, postmortalen Vorteil wäre nicht we‐
niger zu verachten und bliebe außerdem gänz‐
lich zwecklos. Noch bedenklicher aber muß
sich jede fehlgreifende
Abstufung inner‐
halb des eigenen Auswahlkreises auswirken
‒ und man darf wohl, ohne daß da ein Rächer
wäre, sagen: „rächen” ‒ denn wenn man
die allgemeine Auswahl mit der Wägung
durch eine Marktwage vergleichen will, wird
hier nun auf einer Goldwage gewogen! Hier
ist auch nichts rückgängig zu machen oder
zu revidieren, und wer sich hier „geirrt”
hat, wird seinen Irrtum noch im irdischen
Leben bitter büßen müssen. Es ist darum
sehr zu erwägen, wie man in seinem Willen
zur Liebe seine Sympathien verteilen will!
Hier wird das angeblich oder vermeintlich
so ernste Erdenleben
wirklich ernst, denn
überall sonst läßt sich der Fehler, der Irrtum,
die irrige Handlung noch korrigieren, ‒
hier aber nicht!
.Zuletzt aber kommt auch hier alles darauf
an, daß der Mensch in seinem Innersten voller
uneigennütziger
Güte sei. Wirkliche „Güte”
ist seelische Hingabe, ohne Frage, Bedin‐
gung und Einschränkung, zum Wohle de‐
rer, die solche Hingabe anderer benötigen,
wenn sie nicht durch ihr eigenes Unvermögen
zugrunde gehen sollen. Etwas von solcher
Hingabe muß jeder Mensch in sich haben,
wenn er nicht seine dereinstige Erlösung
aus erdentierhaft bedingter Fessel ernstlich
in Frage gestellt sehen will! Und was hier
vom einzelnen Menschen gilt, das gilt auch
von den einzelnen Völkern! Der Bund, in
dem sich die Völker der Erde zu einigen
suchen, wird zu einem Trennpunkt wer‐
den, wenn nicht hingebungsbereite Güte
und Wille zur Liebe, dieses Bundes Ver‐
bindungsbänder weben! Noch ist die Kata‐
strophe keineswegs unvermeidlich, jedoch
wird sie ganz ohne Frage unvermeidlich
werden, ‒ trotz aller herrlichen Gebäude
und des ganzen von ihnen umschlossenen
Apparats, ‒ wenn nicht in letzter Minute
die Erkenntnis durchdringt, daß von neuem
begonnen werden muß, auf neuen Fundamen‐
ten! Wille zur Liebe kann auch hier noch
wahrhafte Güte erwecken! So töricht mein
Wort auch politischen Weisen klingen mag,
so sicher dürfen sie alle sein, daß jede bisher
geleistete Arbeit im Interesse eines Bundes
der Völker, in den Schüttstein geworfen wer‐
den darf, wenn nicht zuletzt noch, an Stelle
eines Scheinbundes gegenseitig sich mißtrau‐
ender Politiker, ein in menschlicher Güte
wurzelnder Bund leibhaftiger, einander in
seelischer Liebe verstehen wollender Völ‐
ker tritt! Solche Wandlung ist selbst heute
noch möglich! Ich rede hier allerdings nicht
als ein Mensch mit politischen Ambitionen,
denn alles, was mit Politik auch nur im ent‐
ferntesten zusammenhängt, war mir jeder‐
zeit fremder als fremd. Ich spreche hier
nur aus, was die Zukunft so oder so be‐
stätigt finden wird. Ich habe nicht von po‐
litischen Dingen, sondern von der ewigen
Liebe zu sprechen! Ich wüßte nicht, wie sie
mit Politik in dem verhängnisreichen
Sinne dieses Wortes, zu vereinigen wäre!
Wohl aber weiß ich, daß Wille zur Liebe
politisches Streben dorthin zu bringen ver‐
möchte, wohin es im Grunde ja doch ver‐
langt und zu Zeiten sogar notgetrieben
drängt, ohne sein selbstgestecktes Ziel je‐
mals allein von sich aus ohne praktisch
geübte Liebe erreichen zu können.
.Ich will hier nicht nochmals begründen,
weshalb die Dinge so liegen, deren ich in
diesem Abschnitt gedachte, denn die in Frage
kommenden Begründungen sind bis zu den
letzten Einzelheiten ausführlichst in meinem
geistigen Lehrwerk gegeben, das
der Struk‐
tur des ewigen Geistes ja nur deshalb Dar‐
stellung schuf, weil der Erdmensch außer‐
stande ist, die Begründung geistiger Forde‐
rung zu verstehen, solange ihm
die Struktur
des ewigen Geistes nicht
vorstellungsge‐
genwärtig ist. Daß die Vorstellungsbilder,
die im Umlauf sind, sich nur an sehr weni‐
gen Stellen mit den Konturen der Wirk‐
lichkeit decken, braucht nicht erst bewiesen
zu werden. Die drastische Folge ist, daß es
Einzelmenschen wie Völkern mehr und
mehr als ein vergebliches Bemühen er‐
scheint, nach gegenseitigem Verstehen zu
streben. Jeder Einzelne und jedes Volk
hängt an Vorstellungen, die viel zu ver‐
härtet sind, als daß sie noch gemeinsam
sich der ewigen Wirklichkeit angleichen
lassen könnten, ohne zu zerbrechen. Es gibt
aber kein dauerndes gütliches Miteinander‐
leben der Menschen auf Erden ohne ge‐
meinsame nachgiebige Bezogenheit auf das
für alle Ewig-Wirkliche!
.Jede sprachliche Formulierung ist für
mich eine rechte Qual. Die zweiunddreißig
einzelnen Schriften, in denen mein gesamtes
geistiges Lehrwerk umschlossen vorliegt, sind
überdies zumeist trotz vielen und schwer
überwindbaren äußeren Hinderungen
entstanden. Die einzelnen Lehrstücke und
Hilfstexte mußten in immer neuer Weise
die Offenbarung ewigen Geistes zur Darstel‐
lung bringen, die fordernde Ursache der Ver‐
kündung war, aber zugleich sollten sie der
Seele in solcher Weise dienen, daß jedem
Seelenzustand und jeder individuellen Sehn‐
sucht der Einzelseelen Genüge geleistet
würde. Es handelte sich nicht darum, ein
Lehrgebäude zu errichten, bei dem jedes neue
Stockwerk aus dem vorher erbauten erwächst,
oder das, was ich zu bringen hatte, durch
möglichst schlüssige „Beweise” gedanklicher
Art der Annahme zu empfehlen, sondern
darum: ‒ das, was sich offenbaren wollte,
in Reihen lebendiger Sprachdarstel‐
lungen aufzuzeigen. Was nicht sagbar war,
mußte durch Bild und Gleichnis gegeben
werden, und was auch Bild und Gleichnis
nicht umfassen konnte, in der weiteren
Spannung einzelner Abhandlungen oder er‐
zählender Stücke Ausdruck finden. Die Seele
des Lesers sollte nicht durch die Dar‐
legungen „überzeugt” sondern wiederer‐
weckt werden, durch Aufruf ihrer eigenen,
bis dahin noch schlafenden Erinnerung.
Das Geistmenschliche in mir hat wahrhaftig
nicht durch meine Verkündung zu einem
Glauben im Sinne eines Fürwahrhaltens
überreden und „bekehren” wollen, was mir
gleichzeitig auch in meiner allerirdisches‐
ten Menschlichkeit gegen allen Geschmack
gegangen wäre. Ich habe nie ein Wort nieder‐
geschrieben in der Absicht, „überzeugen” zu
wollen. Es muß der freien Entscheidung
jeder einzelnen Seele überlassen bleiben,
mein Lehrwerk anzunehmen oder abzuleh‐
nen. Sie allein kann auch entscheiden, was
von den einzelnen Lehrstücken speziell ihrer
Eigenart entspricht, und was offenbar an‐
derer Seelenart zubestimmt ist. Nur darf
das nicht zu der Meinung führen, man
könne sich das Lehrwerk auch dann noch
zu eigen geben, wenn man nach Gutdünken
sondere, was man annehmen und was man
ablehnen wolle!
Wer auch nur ein einziges
wesentliches Wort dieser Lehrschriften seiner
eigenmächtigen Entscheidung zur Ausson‐
derung anheimgestellt glaubt, der erbringt
sich nur den Beweis, daß er dem Ganzen
noch nicht gewachsen ist, und würde viel
besser tun,
das Ganze abzulehnen. Nur,
wenn man nichts davon fortnimmt und
nichts dazutut, kann ich für den Einzelnen,
dem es dienen soll,
die ewige Verant‐
wortung für mein geistiges Lehrwerk tra‐
gen. Wo aber der Einzelne sich selber be‐
rufen meint, fröhlich aussondern zu dürfen
was ihm nicht gefällt, oder einzufügen, was
irgendwo in seinem Kopfe als Lesefrucht
von andern Lesegelegenheiten her verwahrt
ist, dort muß ich strikte meine Verantwor‐
tung entziehen! Da ich um jeden Erden‐
menschen bitter leide, der sein ewiges Ziel
versäumt, welcher Farbe, Rasse und Stufe
der Zivilisation er auch zuzuzählen sein mag,
so liegt mir gewiß der Wunsch nicht allzufern,
es möge jedem Menschen während seines
irdischen Daseins die Einsicht in sein Ewiges
werden, die jedem durch Aufnahme und Be‐
folgung der Schriften meines Lehrwerkes
allmählich erreichbar werden kann. Aber
dieser Wunsch ist nicht nur unerfüllbar,
sondern auch aller Eigensucht entrückt,
denn was ich geschrieben habe, wurde nicht
geschrieben, um den Schriften „Erfolge” zu
erringen, sondern damit es da sei für die,
denen zubestimmt ist, sich das Gegebene zu
eigen zu machen. In deutlichen Worten muß
ich immer wieder einzelnen Lesern meiner
Schriften sagen, daß sie mir keinerlei Ge‐
fallen tun, wenn sie mir den Glauben an
mein Lehrwerk und damit an mich, wie
eine liebe Freundlichkeit, die man mir sagen
will, bekennen, und daß sie mich ebenso‐
wenig „kränken” könnten, wenn sie mir mit‐
teilen wollten, sie hielten alles, was ich
geschrieben habe, für leere Worte und
wesenloses Hirngespinst. Aus rein
sprach‐
lichen Gründen verwahre ich mich jedoch
gegen die unleidliche Redensart: man „stehe
in der Lehre”. Diese muffig konventikel‐
mäßige Phrase sollte wahrhaftig jedem Men‐
schen, der etwas von dem kennt, was ich
lehrte, wider den guten Geschmack gehen
und unaussprechbar sein!
.Daß nicht alles, was zu erörtern oder
zu beschreiben nötig war, von den Lesern
so aufgenommen werden darf, als ob es
wahllos jedem, der meine Anweisungen
befolgt, erreichbar wäre, liegt auf der Hand.
Diese Anweisungen sind jedem für ihre Be‐
folgung reifen Leser dargeboten. Wenn er
sie nicht eulenspiegelartig scheinwörtlich
nimmt, sondern sich von ihrem wirklichen
Sinn durchdringen läßt, ohne sie mit Vor‐
schriften zu vermengen, die ihm etwa von
anderer Seite her bekannt sind und für
deren Wert oder Unwert ich nicht bürgen
kann, dann wird er geistig erlangen was
ihm nötig und was seiner Art gemäß ist!
Um aber Einsicht in die geistigen Zusammen‐
hänge zu vermitteln, wie sie zu einer wirk‐
lichen Befolgung der gegebenen Weisungen
nötig ist, durfte ich nicht nur beschreiben,
was der Suchende für sich selber zu er‐
warten hat! Diese Einsicht ist ohne gerei‐
nigte und nach jeder Richtung hin richtig
bestimmte Vorstellungen von der Struktur
ewigen substantiellen Geistes unmöglich zu
erlangen, was mir, wenn ich wirksame Hilfe
bieten will, die Pflicht auferlegt, den Leser
in weitreichendem Maß an meiner eigenen
geistigen Erfahrung aus vorgeburtlicher wie
postnataler Existenz her teilnehmen zu las‐
sen. Es ist schon unstrittig
schuldhafte
Torheit, wenn der Leser sich nun kurzer‐
hand mit dem ihm nur zur Förderung seiner
Erkenntnis Nahegebrachten einfach identi‐
fiziert, ja frischweg aus den ihm dargebotenen
Mitteilungen her Forderungen für sich selber
ableitbar glaubt. Abgesehen davon, daß es
auch im Außenleben töricht ist, nach Dingen
zu verlangen, die man nicht erlangen kann,
führt im Geistigen ein Fordern des Uner‐
füllbaren ‒ zum Sturz! Wenn es gut geht,
zum mindesten in ein Labyrinth von Selbst‐
täuschungen, aus denen erst nach vielen
Jahren ‒ vielleicht erst lange nach der Ab‐
kehr vom Dasein auf der Erde ‒ ein mühe‐
bringender Ausweg im Dämmerlicht später
Selbsterkenntnis entdeckt werden kann.
.Aber eine so „mechanische” Sache, wie
manche das Lehrwerk Begrüßende glauben,
ist das Befolgen seiner Anweisungen wahr‐
haftig nicht! Und dann ist auch diese Be‐
folgung ganz unmöglich, wo ein Mensch sich
vermißt, ihr „nur so nebenbei” gerecht‐
werden zu wollen. Wer nicht mit seinem
ganzen Menschtum ‒ mit Leib und Seele
‒ dem Bewußtwerden im Ewigen zustrebt,
der darf sich nicht wundern, wenn in ihm
alles bei zeitweilig aufleuchtenden Ahnungen
bleibt, die in Kürze wieder vom Dunkel ver‐
drängt werden und nicht mehr wiederkehren,
wie sehr auch nach ihnen gerufen wird. Wer
sein Suchen sachlich kühl wie eine Labora‐
toriumsarbeit betreibt und meinen Weisun‐
gen zu folgen glaubt, wenn er sie wie Rezepte
ausprobiert, der macht seine Sache ebenso
verkehrt wie einer, der sich in schwärme‐
rische Verzückungen treibt und nicht merkt,
daß er sich selber immer weiter entgleitet,
im Wahn, sich selber „begegnet” zu sein und
im Ewigen zu atmen! Wer aber noch siche‐
rer sein will, daß er sich Selbsttäuschungen
schafft, der braucht nur an meine Anweisun‐
gen heranzugehen ohne den Willen zur Liebe,
von dem ich im vorigen Abschnitt sprach!
Es ist schade um jede Mühe, wenn man
glaubt, man könne dem, was vom ewigen
Geiste erwartet wird, entsprechen, auch wenn
man den Kontakt, den allein geistige Liebe
zu erwählten Mitmenschen schafft, vom Rost
der Herzensträgheit zerstören läßt! Uner‐
bittlich wird im Geiste jeder Selbstbetrug
offenbar, durch den ein Mensch sein Ver‐
halten gegenüber anderen Menschen vor sich
selbst zu beschönigen sucht. Der Weg zur
Erkenntnis verläuft in gleicher Richtung
wie der Weg zur Liebe. Man kann nicht zur
Erkenntnis kommen, wenn man auf dem
Wege zur Liebe die umgekehrte Richtung
einschlägt, auch wenn man sich gut gerecht‐
fertigt glaubt! Jede ungenützte Gelegenheit,
einem Mitmenschen Freude zu bereiten, wirft
den Suchenden wieder und wieder zurück,
auch wenn er sich einreden mag, auf seinem
Wege zum Geiste erhebliche Strecken er‐
wandert zu haben! Die geistverlangte Hal‐
tung ist aber durchaus nicht schwer zu finden,
wenn man seinen Nebenmenschen ‒ liebt
„wie sich selbst”!
.Man darf aber auch nicht glauben, daß
man den Weisungen, die ich anzuraten habe,
nachkommen könne, wenn man ihre Befol‐
gung zu einem Scheingrund dafür werden
läßt, dem Alltag, vermeintlich mit Recht, zu
entziehen, was er zu verlangen hat. Mit
anderen Worten: ‒ es ist nicht nötig und
es geht nicht an, sein Tagewerk leiden zu
lassen, wenn man befolgen will, was nötig
ist, um dieses Tagewerk im Ewigen zu ver‐
ankern! Wer nicht sein äußeres Leben so
liebt, daß er ihm gewährt, was es von ihm
verlangt, der hat auch hier noch nicht die
Liebe in sich erweckt, die in ihm brennen
muß, wenn er sein ewiges Ziel dereinst er‐
reichen will. Was meine Lehrschriften raten,
will nicht als lebensgelöstes abseitiges Tun
betrachtet, sondern muß dem Weltleben ein‐
gewoben werden Tag um Tag und Stunde
um Stunde! Nicht neben und nach der
Arbeit des Tages soll man sich einer neuen
„Arbeit” im Sinne der durch mich vermit‐
telten Ratschläge widmen, sondern mitten
im regen Werktagsleben muß man an sich
geistig „arbeiten” lernen, und jede Tätigkeit
um des leiblichen Lebens willen wird dann
zu einer Quelle geistiger Erkenntnis werden!
Was ich zugleich für Stunden der Stille an‐
geraten habe, wird dem, der sein Werktags‐
tun vom Geiste durchdringen ließ und es
aus dem Geiste lieben lernte, wahrlich dann
Schätze zu geben haben, die keinem erlang‐
bar wären, der nur in ständiger Ruhe ver‐
harren wollte. Ruhe und Tat sind im Zu‐
stande ewiger Dauer ewig vereinigt. Die nur
der Ruhe ergebenen Träumer, die sich in
ewiges Bewußtsein einzuruhen glauben, sind
Gefesselte eines argen Wahns, der sie zwar
immer ungeheuerlichere Schemen ihrer un‐
gezähmten Phantasie gewahren läßt, aber un‐
fähig macht, das Göttliche noch jemals wahr‐
zunehmen. Der mitten im lauten Getriebe
einer heutigen Großstadt mit allen seinen
Kräften Tätige, der sein Tun dem Geiste dar‐
zubieten strebt, ist Göttlichem wahrhaftig
näher als ein Mensch, der sich vor allem
Zwang zum Tun versteckt!
.Wer dem zu entsprechen sucht, was meine
Ratschläge meinen, der wird bald gewahren,
daß auch seinem Werktagsleben ein Zustrom
an geistigen Energien kommt, von dessen Da‐
sein er vordem nichts ahnte. Der Ertrag jeder
irdischen Arbeit, die im Bewußtsein getan
wird, in ihr, ‒ mag sie noch so „geisttötend”
erscheinen, ‒ dem ewigen Geiste in sich zu
entsprechen und sich ihm durch sie zu einen,
erhöht sich deutlich sichtbar oder indirekt
und in der Folge für den so Handelnden,
wie die Menge des Saatgutes sich durch die
Aussaat in einem überreichen Erntejahr er‐
höht!
.Daß jeder derer, die Licht in die Dunkel‐
heit dieser Erde brachten, auf irgend eine
Weise auch leiblichen Tribut an die nächtige
Macht des „Fürsten der Finsternis” zu ent‐
richten hatte, ist nur durch die Weite des
Wirkens der Tat dieser wenigen Einzelnen
provoziert, und hatte immer nur wenig mit
ihrem Dasein als Erdenmensch zu tun, das
gänzlich unbehelligt geblieben wäre, hätte
das zeitliche Fernsehen, das in der bezeichne‐
ten Naturmacht seine zentrale Stätte besitzt,
keine wesentlich über die Zeit des Erden‐
lebens der Wirkenden hinausreichende
Auswirkung gewahrt. Es scheint fast, als ob
man sich durch mich bestätigt sähe, wenn
man die Ursache unerfreulichen irdisch leib‐
lichen Schicksals in der Rache des Fürsten
der Finsternis gefunden sehen will, die dem
Streben nach dem Lichte gelte. Aber in meiner
Abhandlung „Der große Kampf”, die von
dieser Wesenheit handelt, steht kein Wort
von einer rächenden Einwirkung auf ir‐
disch leibliches Schicksal! Es ist aus‐
schließlich von innerem Kampfe und seeli‐
scher Gefahr die Rede, und auch hier wird
gezeigt, daß beide überwindbar sind. „Der
große Kampf” findet seinen Austrag aus‐
schließlich nur in der Seele, obwohl er
auch „von außen her”, sinnlich unwahr‐
nehmbar in die Seele hineingetragen wird.
Auf mich darf man sich wahrhaftig nicht
berufen, wenn man widriges Erdenschicksal
oder irgendwelche Leibespein gar zu billig
und abergläubisch als von dem geistfeind‐
lichen Herrn der Erde verhängte „Strafe”
deuten will! Nur ist solche bequeme Deu‐
tung sehr verhängnisvoll, weil der mit ihr
leicht-fertig Zufriedene sich selbst verhin‐
dert, nach den wahren Ursachen seines Un‐
gemachs zu suchen. ‒ Es ist die gleiche
Geschichte wie mit den „okkulten Angriffen”,
die manche erfahren zu haben meinen, seit
dem sie sich auf dem Pfade zum ewigen
Geiste fühlten. ‒ Man darf ganz sicher
sein, daß einer, der in solchem Zusammen‐
hang leichthin von „okkulten Angriffen”
redet, ‒ wobei er sich selbst sehr interes‐
sant vorkommt und es gar zu gerne auch
für andere wäre, ‒ keine Ahnung davon
hat, wie sich wirkliche okkulte Angriffe
vollziehen, und nicht ein einziges Mal in
seinem Leben einen erduldete, denn auch
der leichteste okkulte Angriff drängt den
von ihm Betroffenen einer Grenze des im
physischen Körper Ertragbaren zu, hinter
der nur noch Irrsinn lauert und Tod! Ich
bin noch keinem Menschen des Erdteils,
in dem mir mein Leib geboren wurde, be‐
gegnet, der fähig gewesen wäre, einen wirk‐
lichen okkulten Angriff abzuwehren. An
Opfern okkulter Angriffe fehlt es allerdings
in den Irrenhäusern und in den Leichen‐
hallen wahrhaftig nicht. Möchten sie eines
Tages seltener werden! Die rechte Befol‐
gung der von mir dargebotenen geistigen
Anweisungen, wie man zu seinem auch schon
hier erreichbaren geistigen Bewußtsein ge‐
langen könne, ist das wirksamste Mittel, um
die Zahl solcher Opfer zu verringern. So
sollte denn auch der „gesunde Menschen‐
verstand”, auf den man sich weitherum gar
zu gerne bezieht, wahrhaftig genügen, um
zu begreifen, daß dem Menschen, der sich
aus all seinen Kräften in Übereinstimmung
mit den Forderungen ewigen Geistes setzt,
die Aufgaben des irdischen Lebens in jeg‐
licher Hinsicht unvergleichlich leichter
lösbar werden als jedem seiner Neben‐
menschen! Voraussetzung bleibt freilich
immer, daß der Mensch nicht sich selber
betrügt. ‒ Wer da glaubt, er handle nach
meinen Anweisungen, während er nur nach
seinem eigenen Gutdünken handelt, für das
er bei mir sich Stützen und Krücken leiht,
der wird sich gewiß nicht zu denen rechnen
dürfen, auf die ein alter Wissender seine
Worte bezogen sehen wollte, als er verkün‐
dete: „Und wenn Tausende fallen zu deiner
Rechten und Zehntausende zu deiner Linken,
so wird es doch dich nicht treffen”,...
„der unter dem Schutze des Höchsten
wohnt!” Es wohnt durchaus nicht, wie so
manche selbstgerechten Frommen meinen,
‒ jeder unter diesem Schutz, sondern nur,
wer auf Leben und Tod sich der ewigen
Liebe anvertraut!
.Ich habe meinem gesamten geistigen
Lehrwerk den Namen seines letzten Bandes:
„Hortus conclusus” vorbehalten und das
Ganze zum Abschluß in diesem Namen zu‐
sammengefaßt, denn es ist wahrhaftig ein
„Hortus conclusus”, ‒ ein verschlossener
Garten, in den kein Mensch gelangt, wenn
ihn seine eigene geistige Führung nicht hin‐
einführt. Ich habe wohl diesen „Garten” an‐
gelegt und mit Liebe, Sorgsamkeit und Hin‐
gabe gepflegt, bis er herangewachsen war,
aber ich bin nur der Gärtner, nicht der Herr
des Gartens, und kann ihn keinem öffnen,
wenn er nicht von dem Herrn des Gartens,
‒ der mein ewiger Vater ist, ‒ erwartet
wird als Freund. Ich kenne die Freunde
meines Vaters in dem ich lebe, und meines
Vaters echte Freunde kennen auch mich und
wissen, wo ich zu finden bin, damit ich ihnen
öffnen könne. Wer aber kein Recht hat, in
diesen verschlossenen Garten zu gelangen,
weil er von meinem Vater
nicht erwartet
wird, dem könnte ich nicht öffnen, auch
wenn ich gegen das Gebot verstoßen wollte,
das mir auferlegt ist!
.Mit anderen Worten gesagt: ‒ wenn
auch alle Schriften, die zusammen mein gei‐
stiges Lehrwerk ausmachen, öffentlich er‐
schienen und dort, wo man Werke des Geistes
sucht, zu kaufen sind, so wird doch keiner,
der diese Bücher erwirbt, ihre verborgenen
Werte erlangen, der dazu nicht bereits be‐
rufen ist! Er kann wohl die Worte lesen und
ihren Sinn sich deuten, aber dennoch wird
er nicht fassen, was er hier fassen lernen
könnte, wenn er bereits dazu berufen wäre.
.Nun ist aber in meinen Schriften zugleich
alle Anleitung enthalten, wie ein Mensch zu
der hier gemeinten Berufung
gelangen
kann, und was hier in Betracht kommt ist
jedem Leser verständlich, wie auch Bäume
und Gebäude eines verschlossenen Gartens
denen sichtbar sein können, die noch keinen
Einlaß haben, um sich auf den Wegen des
Gartens in seine Tiefen zu verlieren. So ist
dennoch die
Möglichkeit gegeben, daß man
mein geistiges Lehrwerk deuten lerne, noch
in dieser Erdenzeit. Nur muß solche Deu‐
tung
von innen her erfolgen und ist nicht
durch Bitten oder Fragen zu erhalten. Ich
kann wahrhaftig keinen in mein geistiges
Lehrwerk einführen, mag er auch alle meine
Schriften besitzen und kennen, wenn er
nicht selbst sich dazu bereitet, daß man ihm
innerlich zu eröffnen vermag, was ihm
derzeit noch verschlossen ist.
.Obgleich dieses geistige Lehrwerk voll
Ehrfurcht im Dienste ewigen Offenbarungs‐
willens erwachsen ist, blieb dennoch viel
mehr Inhalt in Verborgenheit, als offenbar
werden konnte. In den Schlußrhythmen des
„Buches der Königlichen Kunst”, ‒ das in
hohen symbolischen Bildern vom Wege zum
Geiste spricht und bereits alles im Lichte
aufleuchten läßt, was dann in den anderen
Schriften der Seele im Einzelnen von allen
Seiten her erkennbar wird, ‒ habe ich
darauf hingewiesen, daß die mir im Geiste
Vereinten, ja im Geiste mit mir bis zur
Identität Verschmolzenen doch in ihrem
Irdischen zuerst den Gedanken nur schwer
ertrugen, daß da nun im Westen durch den
Buchdruck jedem der lesen könne, ohne
jede Erprüfung dargeboten werden solle,
was sie selbst gewohnt waren, erst nach
härtesten Prüfungen den dafür Vorberei‐
teten mitzuteilen. An gleicher Stelle ist je‐
doch sodann ausgesprochen, wie diese mir
wahrhaftig auch aus dem Fühlen meines
Blutes wohlverständliche Besorgnis entkräf‐
tet wurde durch die Erwägung, daß man
mit Namen nennen kann, was verborgen
ist, ohne es denen offenbart zu haben, denen
es noch nicht offenbar werden kann. ‒ Es
ist im Grunde die ewige Erkenntnis selbst,
die alle Offenbarung bewirkt, und nicht etwa
der Bildner der Texte in denen sie beschlos‐
sen bleibt für alle, denen sie nicht selbst
sich offenbaren will.
.Dahinter steckt keinerlei Geheimnis‐
krämerei, und nichts liegt mir ferner, als
das Bestreben, den von mir verfaßten Schrif‐
ten einen mysteriösen Nimbus anzudichten!
Sie haben das auch wahrhaftig nicht nötig,
denn sie sind selbst Mysterium und leuchten
aus ihrer eigenen Lichtesfülle. Ich kann nur
immer wieder vor der Torheit warnen, die
da vermeint, den „Inhalt” dieser Schriften
erfaßt zu haben, weil die Worte dieser
Schriften
gelesen wurden. ‒ Man kann
sie
hundertmal „lesen”, ohne ihren Inhalt
auch nur zu
ahnen, weil der erst dann
sich mitteilt, wenn der Lesende sich vor‐
her selbst zu seiner Aufnahme bereitet hat.
Ein volles Gefäß kann nichts anderes in sich
aufnehmen, als was es bereits in sich umfaßt.
Erst muß darum der Leser zur Leere kom‐
men, bevor er die
Lehre meiner Schriften
in sich aufnehmen kann! Erst muß er sich
selber gereinigt haben, ehe die reinste
Erkenntnis, die in den Schriften meines
geistigen Lehrwerkes sich verbirgt, ihn zu
erfüllen vermag! ‒ Das ist kein Spiel mit
Worten, sondern nüchterne Feststellung.
.Man kann auch nicht durch „Hinter‐
türen” in den „verschlossenen Garten” ge‐
langen! Es nutzt nichts, daß man alte und
neuere mystische Schriften, alte und neuere
Philosophen, oder gar noch okkultistische
Bücher befragt um seinen Blick zu schärfen
für die Dinge, die in meinen Schriften
stehen, ohne daß sie einer finden könnte,
der nicht dazu berufen ist. Wer solcher Be‐
rufung teilhaft werden will, der muß nicht
nur leben, wie ich ihn leben lehre, und tun,
was ich ihm zu raten habe, sondern auch
tagtäglich wieder und wieder ohne Ungeduld
die Seiten meiner Lehrschriften abfragen,
die ihm noch so vieles verbergen, daß er
später kaum fassen kann, wie ihm vormals
verborgen sein konnte, was ihm dann son‐
nenklar entgegenleuchtet, wenn er die glei‐
chen Sätze liest. Das ist eine Erfahrung, die
jeder macht, der sich zu den Schriften meines
Lehrwerkes hingezogen fühlt, auch wenn sie
ihm längst mehr zu geben haben, als was
er von ihnen zu erhalten erwartet hatte. Und
es gibt kein Gebiet des irdischen mensch‐
lichen Lebens, für das nicht Rat und Hilfe
aus diesen Büchern zu holen wäre. Weit
mehr, als nach Buch- und Kapitelbezeich‐
nung jemals erhofft werden dürfte! Ich sage
das nicht nur ohne die leiseste Regung zu
Ruhmredigkeit, sondern auch fast ohne
Wissen um meine Autorschaft, wie wenn
ein Fremder das geschrieben hätte, dem ich
Formung geben durfte. Freilich kann ich
nicht verhüten, daß ich darum weiß, was
dieses geistige Lehrwerk umschließt, und
was daher in ihm zu finden ist. So wäre
unnatürlich, wollte ich nicht, daß es mög‐
lichst viele meiner Mitmenschen schon in
ihren Erdentagen fänden. Ich habe wahr‐
haftig dieses Findenkönnen, soweit es an
mir lag, so leicht gemacht wie ich konnte,
und ich suche es ja auch hier durch dieses
Kodizill zu meinem geistigen Nachlaß noch
zu erleichtern. Das ist wahrhaftig der einzige
Grund, der mich veranlaßt hat, das was hier
zugefügt wird, noch aufzuzeichnen, und ich
wüßte keinen anderen, der mich noch zu
dieser Niederschrift nach dem Abschluß des
Lehrwerkes hätte bestimmen können. Das
Wesentliche muß aber
der Leser tun, und
wie er es tun kann, habe ich ihm hier noch‐
mals gezeigt.
.Nur in äußerem Zusammenhang sei hier
der Zuschriften gedacht, die mir entweder
in recht wenig erfreulichem Gönnerton mit‐
zuteilen pflegen, man habe sich die Sache
etwas kosten lassen und sich für „die teurere
Halblederausgabe” der Bücher entschieden,
oder aber ‒ unverblümt ihrem Befremden
Ausdruck geben, daß ich mir meine Unter‐
schrift „so hoch bezahlen” ließe. Allen diesen
guten Leuten sei hier zu ihrer besseren
Orientierung gesagt, daß mein Honoraran‐
teil an den Büchern, den ich im Erdenda‐
sein nicht entbehren kann, so gern ich auch
auf ihn verzichten möchte, und so wenig er
gesammelt ergibt, lediglich nach dem Laden‐
preis errechnet wird, den eine broschierte
Ausgabe kosten würde, wenn es eine solche
gäbe, und daß sich dieser Anteil weder bei
Leinen- noch bei Halbledereinband erhöht,
da diese dem Verlag ja nur Mehrkosten berei‐
ten. Meine Unterschrift aber erfolgt selbstver‐
ständlich ohne jegliche Honorierung und
verursacht mir nur die zusätzliche Mühe
neuer Verpackung wie die Kosten und Um‐
stände der Rücksendung. Damit dürften die
wunderbaren Errechnungen, die nach den
Preisverzeichnissen meiner Bücher ‒ offen‐
bar an vielen Orten! ‒ vollzogen wurden,
wohl endlich richtiggestellt sein. Ich muß
diese Dinge für alle Zukunft ausgesprochen
haben, denn ich bin es dem Offenbarungs‐
willen im ewigen Geiste, der alleinige Ursache
meines Lehrwerkes ist, in meinen Erdenta‐
gen schuldig, dafür zu sorgen, daß dieses
geistige Lehrwerk nicht in den Ruf kommt,
es sei
um des Geldes willen entstanden.
Zugleich aber muß ich zu bedenken geben,
daß doch
die Anzahl signierter Sonder‐
exemplare in jedem Einzelfall mit Absicht
so klein gehalten wird, daß aus diesen Vor‐
zugsausgaben für bibliophil interessierte
Leser unmöglich nennenswerte Gewinne für
Autor und Verleger erwachsen
könnten!
.Ich besitze keine Erdkrume des Bodens,
auf dem ich mietweise wohne, und die Kon‐
zentration auf die Niederschrift meines Lehr‐
werkes ließ wahrhaftig keinen Erwerb irdi‐
scher Güter zu. Damit aber dieser kleinen
Abschweifung auch der Humor nicht fehle,
sei sie abgeschlossen mit dem Bericht, daß
mir auch zuweilen in aller Unschuld Briefe
geschrieben wurden mit Bitten, dies oder
jenes in meinen Büchern doch ein wenig
abzuändern, da ich „bei nochmaligem Über‐
legen” sicher zu Resultaten käme, die der
Meinung des Lesers „Recht geben” müßten...
.Daß Leser, die sich zu solchen Äuße‐
rungen gedrängt sehen, noch keinen Hauch
des Geistes verspüren, der das Lehrwerk ver‐
anlaßt hat, dem ich die sprachliche Form
geben mußte, wird allen, dem Gegebenen
etwas näher gekommenen Freunden des
Werkes gegenüber nicht erst „zu beweisen”
sein. Wer in solcher schiefen Einstellung
seines Denkurteils an die Bücher heran‐
kommt, der wird recht lange Zeit brauchen,
um zu entdecken, daß er hier nicht vor will‐
kürlichen Mitteilungen steht, und daß er den
Autor allein aus dem durch ihn Gestalteten
erspüren könnte. ‒ Es wäre für solche Leute
besser, sie würden nicht eine einzige von mir
niedergeschriebene Zeile lesen, weil sie dann
wenigstens ohne Verantwortung vor ihrem
Ewigen blieben! Wer das geistige Lehrwerk,
das hier in Rede steht, einmal kennt, auf
dem liegt Verpflichtung, die Erfüllung er‐
wartet. Verpflichtung gegenüber sich selbst!
Es war kein „Zufall”, daß er diesen Bü‐
chern im Bereich seiner Sprache begegnen
mußte, so zufällig ihm auch vielleicht die
Begegnung erschien, da ihm ja in Wahrheit
etwas zu-gefallen war, von dem er vordem
nichts wußte, und dessen Wert für ihn er
vorerst noch nicht abschätzen konnte. Die
hier gemeinte Verantwortung wird niemals
als eine Last zu empfinden sein. Darum muß
ich die Leser dieser Bücher bitten, ihre Ver‐
antwortung sich selbst gegenüber nicht zu
vergessen, auch wenn sie auf ihren Schul‐
tern kaum zu spüren ist, denn sie ist nicht
minder bedeutsam, als wenn ihre Schwere
den Träger keuchen lassen würde! Leider
kommt diese Verpflichtung gegen sich selbst
den wenigsten Lesern von sich aus in den
Sinn, obgleich fast jede Seite, die ich ge‐
schrieben habe, dazu Anlaß geben sollte,
sich zu fragen, ob man weiterhin nicht vor
sich verpflichtet sei, aus dem Gelesenen auch
Konsequenzen für sich abzuleiten. Viel
lieber nimmt man meine Ratschläge hin wie
die Aufgaben eines Schulungskurses, in dem
man „Fortschritte” zu machen sucht, oder
sich quält, wenn sie zuweilen auf sich warten
lassen. Aber diese Art, meine Weisungen
zu verwenden, ist leider ‒ ihr Mißbrauch,
und kann nicht dahin führen, wohin ich
den Weg durch mein Werk neu bereitet
habe! Diese unerfreuliche, gleichsam alt‐
kluge Art, vermeintlich „in der Lehre zu
stehen” ‒ wie man das immer wieder in
seltsamer Geschmacksbescheidenheit nennt,
ist ein Erlebenwollen neben dem Leben,
während mein Lehrwerk gegeben ist, um
das Leben leben zu lernen! Alles, was ich
anrate, soll das Leben bereichern! Es darf
nicht ein Faden
vermeintlichen Erlebens
neben dem Leben gesponnen und auf se‐
parater Spindel aufgewickelt werden, in der
irrigen Meinung, so würden meine Wei‐
sungen befolgt!
.Alles, was ich in meinem geistigen Lehr‐
werk gegeben habe, lehrt die Liebe zum Leben.
Man wird einst auf der
anderen Seite wenig
Anlaß haben, sein Weiterleben zu
lieben,
wenn man sein Leben ‒ wie es auch sein
mag ‒ hier auf
dieser Seite nicht liebt!
Selbst einer, der weiß, daß er in wenigen
Minuten diesen Erdenkörper verlassen muß,
wird noch gut tun, in diesen letzten Augen‐
blicken dem Leben
Liebe zu erzeigen. Dem
gleichen Leben, das er vorher vielleicht hun‐
dertmal verfluchte, trotz aller Angst, es wirk‐
lich zu verlieren! Wer so sehr das Leben
zu verlieren
fürchtet, der „braucht” zwar
das Leben, auch wenn er es nur zum
Miß‐
brauch braucht, aber ‒ er hat das Leben
niemals geliebt! Wie sollte er auf der an‐
deren Seite des Lebens urplötzlich das Leben
lieben lernen?! Wie sollte er in derer Be‐
wußtseinsreich gelangen, die dort das Leben
lieben in lichter Glut!? Wie sollte sein eigenes
Leben nunmehr in der Liebe leuchten, da
es nie in ihm Liebe fand!? Er wird auch
auf der anderen Seite das Leben nur „brau‐
chen” und dann kaum ertragen, daß es sich
nicht durch ihn verbrauchen läßt... So
ist aber auch hier auf Erden kein geistiges
Licht zu erlangen ohne glühende Liebe
zum Leben! Es ist ein schrecklicher Irrtum,
dem jene erliegen, die meinen, sie müßten
die Liebe zum Leben ertöten, um „in den
Geist” zu kommen! Unsagbares ist durch
solchen Wahn an Erdenmenschen gesündigt
worden! Freilich hervorgerufen durch den
anderen Wahn, als ob Liebe zum Leben
gleichbedeutend sei mit Versinken in tier‐
menschlichen Gelüsten und Affekten. Davon
aber kann keine Rede sein! Auch wer in
den Lüsten des Tiermenschlichen versinkt,
der
liebt das Leben nicht, das ihm in seinem
tierhaften Leibe anvertraut ist, sondern läßt
sich vielmehr nur von dem, was er lenken
und leiten sollte, dorthin treiben, wohin er
im Grunde nicht einmal wirklich will, ‒
und darum
kann er das Leben nicht wahr‐
haft lieben, das ihm erst liebenswert er‐
scheinen würde, hätte er es für alle Dauer
in seiner Gewalt.
.Mein geistiges Lehrwerk lehrt weder
Askese, noch begünstigt es ungebändigten
Sinnenrausch, wobei hier durchaus nicht
nur an
Sexualität zu denken ist, ‒ weder
im Sinne der Verneinung, noch dem unge‐
bändigter Triebhaftigkeit.
Alle Erlebens‐
möglichkeit auf Erden, die dem Menschen
Kraftquelle werden kann zur Erkräftigung
seines
Seelenlebens, kann leider ebenso‐
wohl in einer anderen Weise ausgenützt
werden, die zu seelischer Not, ja zum Be‐
täuben und Ersticken der Seele führt. Wenn
ich von der Liebe zum Leben spreche, so
will ich den Willen im Leser wecken, seiner
Seele Nahrung zu schaffen aus dem Leben
hier auf dieser Erde. Darum lehre ich den
Willen zur Freude! Darum zeige ich, wie
alles Geschehen im irdischen Leben das
rechte Beten lehren kann! Darum ist allem,
was ich lehre, alles
Leben dieser Erde ein‐
bezogen, wie immer es dem Menschen in
seinen Bereichen hier erlebbar werden mag!
Man lese selber im „Buch vom Jenseits”
nach, was ich aus geistiger Urerfahrung über
die Identität des Lebens, ‒ werde es nun
als „Diesseits” oder als „Jenseits” in der An‐
schauung erlebt, ‒ zu sagen habe! Was
dort gesagt ist, will Aberglaube und Irrtum
aus dem Wege schaffen, damit die Seele
sich auch hier auf dieser Erde dem gleichen
Leben anvertraut wisse, das ihr ewig er‐
halten bleiben soll. In dieser Identität des
Lebens hier im Irdischen wie in allen nach‐
irdischen Bewußtseinsreichen ist alles, was
ich zu lehren kam, gegründet!
Der Mensch
dieser Erde ist nur eine untergeordnete, tier‐
gebundene Art des ewigen geistigen Men‐
schen, aber unausgesetzt, wenn auch un‐
bewußt, mit jedem, auch dem höchsten
Menschtum in innerster geistiger Verbindung,
mag er sich ihrer würdig erweisen oder nicht.
Soweit er ahnend erfühlt, daß sein Erden‐
leben nur ein kleines Teilstück des Le‐
bens ist, nennt er das ihm noch unbekannte
andere Leben „jenseitig”, aber sehr wenigen
nur kommt zu Bewußtsein, daß alles irdi‐
sche Erleben nur ein physisch-sinnliches
Gewahren des gleichen Lebens ist, das
als „Jenseits” geahnt, geglaubt oder emp‐
funden wird, und zugleich jeglicher erd‐
menschlicher Willenswirkung letzte Folge
in sich verwahrt.
.Ich weiß um eine Zeit, da es mir wahr‐
haftig noch überaus unbehaglich war, meinen
Mitmenschen bekennen zu müssen, daß mir
im ewigen Geiste wohlvertrauter Besitz ist,
was ihnen unmöglich während der irdischen
Lebenszeit bereits zugänglich werden könnte.
Dieses Unbehagen war um so heftiger, weil
meine irdisch ererbte, Wald und Feld ent‐
sprossene Natur allem sich selbst Voran- und
Hinausstellen geradezu grimmig entgegen‐
gerichtet ist, und sich mit allen Kräften
wehrt, wo immer ihr abgezwungen werden
soll, aus ihrer Reserve herauszutreten. Ich
habe es wahrlich niemals irgendwo erstrebt!
So war es mir aber auch lange Zeit hin kaum
erträglich, daß mir verwehrt sein sollte, mei‐
ner irdischen Neigung entsprechend, alle mit
mir im ewigen Geiste Identischen, ‒ alle
„eingeborenen” Söhne des Vaters, ‒ soweit
sie noch im sichtbaren Erdenkörper lebten
und leben, mit ihren irdischen Namen nen‐
nen zu dürfen und ihre irdischen Wohn‐
stätten postgenau bezeichnen zu können, denn
dazumal fehlte es mir sehr empfindlich, daß
ich vor meinen anderen Mitmenschen nicht
wenigstens meine Person durch eine all‐
gemein nachprüfbare äußere Bestätigung aus
aller Diskussion gezogen sehen durfte. Es
hat recht lange gedauert, bis ich fassen konnte,
daß ich mich selbst allein bestätigen müsse
vor den Menschen, und durch mein eigenes
Wort für mich Zeugnis abzulegen gezwungen
sei. ‒ Selbst das Evangelienwort: „Wenn ich
für mich selber Zeugnis gebe, so ist mein
Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich ge‐
kommen bin, und wohin ich gehe; ihr aber
wißt nicht, woher ich komme, oder wohin ich
gehe.” Joh.8,14, konnte mir die irdische
Tröstung nicht bringen, die mir im Äußeren
vonnöten gewesen wäre, ‒ und wenn ich
mir auch selbst sagte, daß einer, der meinen
Worten nicht zu vertrauen vermöge, auch
keinem Worte derer Vertrauen schenken
würde, die in meinen Worten mit mir ver‐
eint, durch mich bereits zu ihm sprechen,
so blieb mir das doch nur ein im irdischen
Alltag allzu wenig befriedigender Trost.
Wenn es mir aber seinerzeit hart und grau‐
sam erschienen war, daß man mir so sorglich
jede Möglichkeit verwehrte, im Außenleben
Daten zu sammeln, auf die ich notfalls mich
hätte berufen können, so bin ich heute nur
dankbar für solche Bewahrung vor nicht
mehr zu tilgender Schuld, wie sie durch
Preisgabe der Verborgenen, die sich selbst
im Äußeren nicht der Welt offenbaren kön‐
nen, entstanden wäre, mich niedergeworfen
und zertrümmert haben würde, ohne an‐
deren das Geringste zu helfen. Es blieben
mir Momente nicht erspart, die einen Wider‐
stand gegenüber guten Verstandesgründen
erfordert hätten, den der äußere Mensch am
Ende doch in seiner ihn quälenden Bedrän‐
gung nicht mehr aufgebracht haben würde,
so daß mir heute das ehedem nicht Gewährte
so wenig verlangenswert erscheint, daß ich
darum bitten müßte, mich um des Himmels
Willen nicht damit zu belasten, falls man
nunmehr die Besorgnis nicht mehr für nötig
halten wollte... Glücklicherweise ist solche
Entscheidung nun
mir allein überlassen!
.In ähnlicher Weise, wenn auch durch we‐
sentlich andere Notwendigkeiten bestimmt,
bin ich gezwungen, dem
Leser der Bücher
meines geistigen Lehrwerkes um seinetwillen
manches verborgen zu halten und auf manche
„Erklärung” des Dargebotenen zu verzichten.
Ich bin allerdings der mir ja von meinen
früheren Tagen her nur zu gut bekannten
Sucht des Verstandes, alles „erklärt” zu sehen,
dennoch bis zur alleräußersten Grenze des
noch Verantwortbaren entgegengekommen,
was freilich keiner bemerkt, der diese Grenze
nicht kennt. Man sollte aber dessen dennoch
bei der Aufnahme meines Lehrwerkes ein‐
gedenk bleiben, auch wenn man das Mit‐
geteilte nicht selbst überprüfen kann! Es
läßt sich so manches nicht vorher überprüfen,
was nachmals recht spürbar zu werden ver‐
mag. Es ist zwar nichts gegen das Suchen
nach Erklärung für die Dinge, die dem Erd‐
menschen nicht durchsichtig und verstehbar
sind, zu sagen, aber dieses Bedürfnis nach
„Erklärung” ist lediglich in der tiermensch‐
lichen Natur begründet und hat mit der
ewigen geistsubstantiellen Seele nicht
das mindeste zu tun. Es entspricht vielmehr
durchaus der Neugier der Tiere, wenn auch
auf einem dem Menschen vorbehaltenen
höheren ‒ oder genauer gesagt: ‒ durch
seine Fähigkeit, auch abstrakt denken zu
können, bestimmten Niveau. Erklärungsbe‐
dürfnis ist ein niederes, lediglich gehirn‐
liches Verlangen, und darf nicht mit Sehn‐
sucht nach geistiger Erkenntnis verwechselt
werden! Jede „Erklärung” weckt neue „Fra‐
gen”, es sei denn, das Gehirn beruhige sich
freiwillig, oder seiner Unzulänglichkeit für
wirklich geistige Einsichten bewußt, bei
Axiomen.
In der Struktur des ewigen Geistes
gibt es das nicht, was man im gehirnlichen
Bereich „Erklärung” nennt! Hier wird
er‐
kannt, aber nicht „erklärt”! Erkenntnis
weiß sich fraglos begründet im
L e b e n
ewigen Geistes, unabhängig von
erdach‐
ter Begründung. Wo Erkenntnis erreicht
ist, hört jedes Bedürfnis nach „Erklärung”
auf. Die Klarheit wirklicher Erkenntnis
be‐
darf keiner weiteren Er-klärung und steht
hoch über allem, was sich „erklären” lassen
könnte. Mein geistiges Lehrwerk aber ist
gegeben um zur
Erkenntnis zu führen,
‒ nicht um die Dinge geistigen Lebens
zu ‒ „erklären”! ‒
.Man sage sich los von dem verhängnis‐
vollen Drängen nach „Erklärung”, wenn man
den hohen Kräften des Erkennens erreich‐
bar werden will! Erkenntnis wird nur dort
erlangt, wo das Verlangen nach „Erklärung”
im Menschen
überwunden ist. Die Frage
„Warum?” ist ein Überbleibsel aus chthoni‐
scher, erdgefesselt nächtiger Vorzeit, und ist
nur dort noch angebracht, wo der Mensch sich
um Aufdeckung mechanistischer Zusammen‐
hänge müht! ‒ Im Vokabular der suchen‐
den Seele, die nach dem Bewußtwerden im
ewigen substantiellen Geiste strebt, ‒ nach
dem Leben in Gott, ‒ darf dieses Wort
nicht mehr gefunden werden! Wer anderes
lehrt, ist ein Täuscher der Seelen, auch wenn
er fest an seine Weisheit glaubt und ehrlichen
Herzens helfen will! ‒ Nie könnte ein Erden‐
mensch zur Erkenntnis kommen, wenn es
vonnöten wäre, erst allem „Warum?” eine
Antwort zu finden, denn auch hinter der
letzten Antwort erhebt sich neue Frage.
Hier ist die Ur-Schuld zu finden, die jeder
Mythos von einem ersten Fall in die Sünde,
das ist: ‒ in ein geist-widriges, gott-ab‐
gewandtes Verhalten, ‒ aufzeigen will!
Längst glaubt der Mensch der jüngeren Zeit,
wenn nicht Religionsbekenntnis ihn noch
bindet, solchen Mythen hoch sich überhoben,
und es ahnen nur wenige, was diese Ge‐
staltungen weit höherer Einsicht als sie selbst
heute besitzen, für alle Zeiten der Seele zu
verwahren suchen. „
Gott sprach” ‒ will
besagen: Gott ließ den Menschen
erkennen
und sprach aus eines Leuchtenden sprechen‐
dem Mund. Wo aber der Mensch das „Gebot”
übertrat, dort handelte er entgegen der ihm
gewordenen
Erkenntnis. Es ist die im wört‐
lichsten Sinne des Wortes „un-schuldige”
Tierseele, die im Kinde tausende Male
„Warum?” fragt und jedesmal ein „Weil!”
erwartet. Unzählige Menschen bleiben ihr
ganzes Erdenleben lang ihrer Tierseele hörig,
und nur verhältnismäßig wenige lernen all‐
mählich ihre
ewige, geistsubstantiell im lau‐
teren Lichte lebendige Seele kennen. Diese
ewige Seele aber kennt kein „Warum?” und
„Weil!” aus eigenem Bedürfen, wohl aber
weiß sie den Drang der Tierseele
mitzufüh‐
len und in deren Unvermögen zur Erkenntnis
begründet. So sucht sie selbst diesem Drang
zu geben, was ihm gegeben werden kann,
um ‒ ihn
zurückzudrängen, damit
sie der Tierseele Vertrauen finde und willige
Einordnung in die Planung ewigen Geistes‐
willens im Menschen dieses Planeten, dem
niemals durch „Erklärung” die Befreiung
aus der Hörigkeit unter der Tiernatur kom‐
men kann, sondern nur durch Erkenntnis.
.Erkenntnis
im ewigen Geiste ent‐
stammt aber wahrlich anderen und uner‐
meßlich höheren Regionen als das, was
man in den Bezirken irdischen
Denkens
und gehirnlichen
Forschens wohl auch ge‐
wohnterweise als „Erkenntnis” bezeichnet.
Erkenntnis im ewigen Geiste ist eine leben‐
dige, ihrer selbst, auch außer dem Bewußt‐
sein des Erdenmenschen, bewußte Kraft, die
ewigem Geiste entstrahlt, und wie das Ur‐
gute selbst, alles Gute, alle Liebe und alles
Lichte in sich umfaßt. ‒ Was hier gemeint
ist, hat nichts zu tun mit den Denktriumphen,
die das manische Grübeln überzüchteter öst‐
licher Gehirne schon vor Jahrtausenden als
„Erkenntnis” pries! Erkenntnis im ewigen
Geiste ist ein Ewiges, das sich im Zeitlichen
menschlichem Bewußtsein zu eigen gibt.
Nichts, was durch Folgerungen aus Gedanken
entstanden ist! Nichts, was durch Denken
etwa zu „beweisen” wäre oder solchen Be‐
weises bedürfte! Aber nach dieser Erkennt‐
nis verlangt alles Sehnen im Menschen, auch
dann, wenn sein Denken alle Reiche der
äußeren Natur und gedanklicher Spekulation
durchwandert, oder die Meere der Gedanken,
die jemals von Menschen gedacht worden
sind, mit geschwellten Segeln durchfährt.
Was immer auch an „Erkenntnissen” auf
diesen Fahrten und Wanderungen erlangt
werden mag, ‒ stets ist solche „Erkennt‐
nis” nur Feststellung. Aller Freude dieses
„Erkennens” folgt die Resignation und das
Bedauern, daß man am Ende ist, wo man
seinem Streben noch lange kein Ende setzen
würde. Nicht in der Weise solchen Forschens
und Denkens wird man meinem geistigen
Lehrwerk begegnen dürfen, wenn man er‐
langen will, was es darzubieten hat! Darum
warnte ich auf so manchen Seiten dieser
Bücher ebenso vor dem unfruchtbaren ge‐
danklichen Zerspalten wie vor dem bloßen
Einsammeln dessen, was in ihnen zu finden
ist. Wenn nicht ohne Grübeln und Speku‐
lieren aufgenommen wird, was bei dem Leser
Aufnahme erwartet, dann kann es sein Bestes
nicht bei ihm lassen. Er liest und merkt nicht,
daß er nicht das, was ich niedergeschrieben
habe, sondern ‒ seine eigenen Gedanken
liest, so wie sie eben meine Worte in ihm
erregten. Eine Anregung zu Abwandlungen
eigener Gedanken kann freilich aus jedem
Satz eines jeden Autors kommen, aber es
ist nicht der Zweck meiner Schriften, den
Leser zum Weiterdenken zu überreden, auch
wenn sie gewiß genügend dazu Anlaß geben
können. Wie der Sand, den die Gold‐
wäscher sieben, gewiß noch zur Mischung
guten Mörtels gebraucht werden könnte, in‐
dessen man ihn beiseite läßt und nur das
gefundene Gold verwahrt, so handelt es sich
auch in meinen geistigen Lehrschriften wahr‐
haftig um anderes, als um Anregungen des
Denkens! Dieses Andere ist in erster Linie,
‒ da es das Nötige, Unerläßliche ist, aus
dem alles Weitere erwächst, ‒ die Erwirkung
der Erkenntnis im ewigen Geiste, die mit
Sicherheit erfolgt, wo die Lehre das
Leben
durchdringt und nicht nur das Gehirn!
.Ist es einmal dem Leser gelungen, die
rechte Weise des Lesens zu finden, in der die
Bücher dieses geistigen Lehrwerkes gelesen
sein wollen, so wird er sehr bald entdecken, daß
sie ihm die Schätze ihrer Texte nur dann zu
eigen geben können, wenn er auch dort, wo
Notwendigkeit verlangt, daß er sein Fragen
zügle, sich zu meistern weiß. Er wird dann bald
nichts mehr zu fragen haben, da er Erkennt‐
nis erlangte, die keine Frage mehr in der
Seele findet! Es handelt sich, wie ich oft genug
betont haben dürfte, um ein
Werden, nicht
um ein Wissen! Inhalt und Form meiner
Bücher, die das Lehrwerk bilden, schließen
sich zusammen, um den Leser das werden
zu lassen, was er sein muß, wenn er zur Er‐
kenntnis im Ewigen kommen soll. Anders
ist das nun einmal hier auf Erden unerreich‐
bar, und der Leser schädigt sich selbst, wenn
er meine Worte mit seinen schweifenden Ge‐
danken mengt, die allzumeist nicht einmal
die seinen sind, auch wenn er längst ver‐
gessen hat, aus welcher obskuren Küche sie
ihre Nahrung empfingen, bevor er ihnen
Obdach und Nahrung bot. ‒ Lernt lesen,
wie man meine Bücher lesen muß. Ihr
werdet es nicht bereuen! Es ist unmöglich,
das, was diese Bücher vermitteln können,
zu empfangen, wenn man sie wie die Zei‐
tung liest, oder wie Eisenbahnromane! Vor
allem muß man ihnen Zeit geben, in die
Seele einzudringen, um die der Staub so
mancher Nichtigkeit eine dicke Hülle legte.
Je ruhiger der Leser während dieser Zeit
seine Gedanken hält, desto eindringlicher
wird ihm bewußt, was zu ihm gekommen
ist. Das alles ist von vielen lange schon und
oft erprobt, doch dürfte es vielen anderen
immer noch anzuempfehlen sein.
.Ich sehe auch viele, die sich mir zu‐
gehörig und bei mir geborgen glauben, aber
nur
sich selber meinen, wenn sie den Namen
nennen, der mich im Geiste bezeichnet. Sie
glauben in vermessenem Glauben, daß ihnen
alles zu eigen sei, was sie hier auf Erden
sich zu eigen geben, und ahnen nicht, daß
sie dereinst vor der Frage stehen werden,
‒ mit welchem
Rechte sie sich dessen be‐
dienten, was ihnen nicht zugehörte... Ich
muß sie warnen, solange Warnung sie noch
vor Selbstverurteilung bewahren kann, und
wahrlich wollte ich, daß meine Warnung
sie bewahren würde! Aber ich kann nicht
verhüten, daß sie am Ende dennoch zu
Schaden kommen, wenn sie zu rechter Zeit
nicht noch erkennen, daß die Gesetze ewigen
Geistes keine Phantasiegebilde sind, die sich
der Erdmensch nach seiner Neigung zurecht‐
zubiegen vermag. Wenn Wahl und Willkür
gestaltet hätten, was ich in meinem geistigen
Lehrwerk dargeboten habe, dann wäre gewiß
auch der Wahl und der Willkür anheimgestellt,
was sie davon sich zueignen wollten. Da ich
aber nicht aus irdischem Ermessen irdische
Meinung formte, sondern Worte des Vaters
in dem ich lebe, darbot wie ich sie durch
mein eigenes Wort gestalten konnte, so steht
alles, was dieses Lehrwerk umfaßt, nicht mehr
in meiner, des Formers Hand, sondern unter
geistigem Gesetz! Ich hätte gewiß auch, wenn
mich nur Schaffensdrang bestimmt haben
würde und Wille zu helfen, nach freier
irdischer Neigung viel lieber ein systema‐
tisches Werk aus meinem inneren Wissen
heraus gestaltet, das in einem wohldurch‐
dachten Lehrgang den Leser Stufe um Stufe
emporgeführt haben würde. So aber war ich
gehalten, jeweils zu formen, was ich im Vater
empfing, und alles in so freier Folge zu geben,
wie sich Natur gibt, wo sie der Mensch der
Erde nicht in seine Regeln zwängen kann.
.Zu gutem Ende sei hier nun noch ein
Hinweis wiederholt, auch wenn er längst in
meinem Lehrwerk gegeben wurde, dort, wo
ich vom „Wert des Lachens” sprach. Es war
wie eine Probe aufs Exempel, daß ehedem
gerade das Buch, in dem diese Abhandlung
zu finden ist, ein Bild von mir beigeheftet
erhielt, das wohl auch vorher mir wenig ent‐
sprach, das ich aber so, wie es die Kunst‐
anstalt für den Druck bereitet hat, nicht mehr
ausstehen konnte, so daß mir nur übrig
blieb, herzhaft ‒ zu lachen. Wer es fertig
bringen würde, die Worte des Buches mit
dem Bild zu vereinen, der sollte es ruhig
beigeheftet lassen, und wer fühlte, daß da
„ein Riß” durch das Buch ging, der konnte
ja wählen, was ihm lieber war: ‒ Bild oder
Buch, und das, was ihm nicht gefiel, entfer‐
nen. Hier aber will ich darum bitten, doch
öfters nachzulesen, was dort über den Wert
des Lachens zu lesen steht. Es ist für die
rechte Aufnahme meines geistigen Lehr‐
werkes wesentlich! ‒ Ich meine freilich ge‐
wiß nicht, daß man über ernste Dinge lachen‐
den Mundes dahinlesen soll, aber ich möchte
den Leser befreit sehen von der leidigen Ge‐
pflogenheit, sogleich eine Leichenbittermiene
aufzusetzen, wenn von ewigen Dingen und
von Gott die Rede ist! Ein merkwürdiger
„Gott” malt sich da in den Gehirnen, wenn
man ruhig von ihm glauben kann, er erwarte,
daß die Seinen ihm nur trist und mit hän‐
genden Ohren begegnen sollten, weil sie, um
ihre Sünden wissend, voll Trauer sein müß‐
ten! Daß diese traurig enge Gottesvorstel‐
lung der Wirklichkeit gegenüber einer Got‐
teslästerung gleichkommen würde, wenn Gott
wirklich zu „lästern” wäre, was ja ebenfalls
eine solche schauerliche Vorstellungsverir‐
rung ist, wird den armen Hirngefesselten,
die ihrem erträumten Gott nur in der „Zer‐
knirschung des Herzens” vor Augen kommen
zu dürfen glauben, natürlich nicht bewußt,
so daß sie schuldlos bleiben in ihrem Wahn.
Sie, wie ihre glaubensstarken Lehrer solchen
Glaubens, möge er christlichen oder anderen
Lehren zugetan sein! Wer aber klarsehen
will, dem muß ich mit aller Unbedingtheit
sagen, daß jede vermeintliche „Gottesnähe”
eitel Täuschung ist, wenn der Mensch ‒
sei‐
nen Humor dabei verliert! Ich bitte auch
nachzulesen, was ich in den Lehrworten
rhythmischer Fügung: „
Ewige Wirklich‐
keit” über „Göttliches Lachen” und unter
„Selbstüberlegenheit” zu sagen hatte!
.Da nun mein geistiges Lehrwerk nicht
dazu da ist, den Trieb nach Wissen verbor‐
gener Dinge zu stillen, sondern ins
Leben
eingehen soll, so ist es notwendig, sich vor
Augen zu halten, daß nur ein Leben, dem
das Lachen nicht fehlt, das rechte Leben im
Willen meines Lehrwerkes ist. Bei sauer‐
töpfigem Brüten kommt man damit nicht
weiter! Und es behaupte keiner, daß die Er‐
denmenschen heute weniger als je einen
Anlaß zum Frohsein fänden! Hier ist im
Gegenteil zu sagen, daß alles weit besser wäre
auf dieser Welt, wenn die Menschen sich
dazu verschwören würden, vor allem
froh
sein zu wollen und einen bewußten star‐
ken Willen in sich zu wecken, allem Trüben,
Gräßlichen und Schauerlichen, das sie um‐
gibt, ihr Streben nach
Lebensliebe entgegen
zu setzen. Man kann das Böse, das immer
noch da ist, auch wenn einer meinte, in ein
„Jenseits” von Gut und Böse führen zu können,
nicht dadurch aus der Welt schaffen, daß man
darüber „böse” ist. Man kann es nur eindäm‐
men durch eigene
Güte. Freilich wirkt Güte
nicht so plötzlich wie Kanonenschüsse, denn
Güte will ‒ helfen, ‒ nicht zerstören!
.Wer meine Bücher liest und nicht von
Tag zu Tag mehr der Herzensgüte, voll froher
Lebensliebe, Zuwachs in seinem Dasein schafft,
so daß er mehr und mehr für seine Nächsten
und Fernsten zu einer lichten Sonne der Güte
und des frohen Lebens wird, ‒ erst recht,
wenn aller Anlaß vorliegt, tief traurig zu sein,
‒ der lernt vielleicht diese Bücher: „
aus‐
wendig” und könnte sie aufsagen wie das
Kind sein erlerntes Gedicht, aber er ist
dem
wirklichen Inhalt meines Lehrwerkes noch
unendlich fern! Mir sind Leser lieber, die
nichts „im Kopf” behalten, weil alles
in ihr
tägliches Leben eingeht, sobald sie es ge‐
lesen haben!
.Was ich hinterlasse, ist weder eine neue
„Religion” noch schließt es Verpflichtung zu
einem bestehenden „Glauben” ein. Es ist viel
mehr im ewigen Geiste lebendige, mit mir
selbst identische Lehre, wie der Mensch auf
Erden, wo er auch stehe, sein
Leben glück‐
lich und der heiteren Sicherheit des Erken‐
nenden froh,
leben lernen kann, um dann
in heller, freudvoller Zuversicht dem Über‐
gang zu begegnen, wenn dieser Erdenkörper
eines Tages die ihm zu Dank verpflichtete
Seele freigeben wird, die in ihm und durch
ihn sich zeitbestimmt in dieser äußeren Erden‐
welt erlebt. Möchten sich aber nur jene um
meinen Nachlaß bemühen, die hier wahrhaft
„erbberechtigt” sind!
.Wesentlich, und für den wahrhaft in
sich zu Gott Wollenden wichtig wie die
ewige Liebe von ihrer zartesten bis zu ihrer
urmächtigen Äußerungsform ist die Dank‐
barkeit! Das Empfinden seiner selbst als
eines Dankenden muß die Grundhaltung
jedes Erdmenschen sein, der danach ver‐
langt, daß sein lebendiger Gott sich in
ihm „gebäre” und ihn mit seinem ewigen
Lichte erfülle! Alles, was mein Lehrwerk
umfaßt, setzt unausgesprochen den innerlich
Dankenden voraus: ‒ den Menschen,
der nicht nur für sein Dasein voll Dank
ist, möge es ihm auch nur irdische Marter
bringen, sondern auch für das Kleinste
Dank empfindet, was jemals an Freundlich‐
keit, allerbescheidenster Schönheit, Gütig‐
keit, Mitgefühl und sorgender Liebe in sein
Leben trat. Wer sich Rechenschaft gibt, der
sieht zu seinem Erstaunen, daß all sein Erden‐
leben erfüllt ist mit Tausenden von kleinen
und kleinsten Dingen, die noch Dank von
ihm erhoffen, so wenig er sie auch bis heute
beachtet hat. Hier sind die allermeisten
Menschen
unbewußt undankbar, auch
wenn sie tief dankbar sind aus Natur, für
jegliche Förderung, jegliche Hilfe und jede
Wohltat, die sie als solche
empfinden.
.Alle Freude gedeiht erst zu bleibender
Kraft, wo
Dank für genossene Freude ihr
den Boden bereitet. Daß man seinem Beten
die innerste Kraft entzieht, wenn nicht der
Dank auch das
Bittgebet erfüllt, ist deut‐
lich in meinen Worten vom Gebet gesagt. Es
darf aber nie dazu kommen, daß man erst dort,
wo Dank „unumgänglich” ist, ein Dankgefühl
mühsälig*) und unter Zwängen in sich er‐
zeugt, sondern die Dankbarkeit muß
Lebens‐
bedürfnis werden, ‒ muß im Tiefsten Nah‐
rung finden und alles Erdenleben durch‐
dringen. Vor allen Lebensempfindungen muß
sie bevorzugt sein, und ihr muß das wärmste
* Ich weiß, daß man sonst „mühselig” schreibt!
Strahlen
der Liebe gehören! Dankbarkeit
ist keine bloße „schöne Eigenschaft”, keine
„Tugend” und keine „Pflicht” vererbter Kon‐
vention, sondern eine Grundkraft der ewigen
Seele des Menschen. Unzählige andere Kräfte
werden aus dieser Grundkraft genährt. Da
auch die vergängliche Tierseele seines Körpers
sich im Erdmenschen erlebt, so ist es kein
Wunder, daß er auch das Sympathiegefühl
in sich verspürt, das zuweilen Tiere, wo Er‐
innerung an Wohltat in ihnen haftet, so stark
zum Ausdruck bringen, daß man von einer
„Dankbarkeit der Tiere” spricht, ‒ aber von
dieser Art „Dankbarkeit” ist hier nicht die
Rede. Wenn auch das Tier aus seinem Sym‐
pathiegefühl heraus imstande ist, sich selbst
zu opfern, sobald es Gefahr für den Menschen
erkennt, dem seine Zuneigung gehört, die
vielleicht durch eine empfangene besondere
Wohltat vormals ausgelöst worden war, so
ist doch bei alledem nichts von jener Dank‐
barkeit im Spiele, die als Voraussetzung jedes
Menschenleben durchdringen muß, in dem
zu irdischer Zeit sein lebendiger Gott zum
Bewußtsein der ewigen Seele gelangen soll.
Man darf nicht sagen, ich hätte davon zu
selten gesprochen. Fast jede Seite meiner
ersten Schriften schon zeigt deutlich, was
vorausgesetzt wird! Wenn ich nicht wört‐
lich und im besonderen von „Dankbarkeit”
sprach, so hielt mich Besorgnis zurück, daß
man solchen Worten die Deutung unterlegen
könne, es sei auf
persönliche Dankbezei‐
gung für
mich selber hingezielt. Heute aber
hoffe ich, solcher Besorgnis mich entziehen
zu dürfen, so daß ich dieses „Letzte Wort” zu
meinem geistigen Lehrwerk nicht abschließen
will, ohne des hohen Lebenswertes der Dank‐
barkeit noch ausdrücklich zu gedenken.
.Da ich aber wohl annehmen darf, daß
man weithin jetzt weiß, wie ferne mir jeg‐
liches Dankesbegehren liegt und wie wenig
sich meine Art dazu eignet, auch nur im
Gebiet des
äußeren Lebens Dankesworte
anzuhören, so läßt sich wohl auch erwarten,
daß man es nicht mißdeutet, wenn ich mir
dennoch, dort wo es unausweichlich geboten
ist, danken lasse für die irdische Mühe der
Übermittlung dessen, was mir im ewigen
Geiste vertrautes Besitztum ist. ‒ Ich würde
die geistige Kraft der Dankbarkeit
an ihrer
Entfaltung in der ewigen Seele des Dan‐
kenden hindern, wollte ich dort, wo wirk‐
lich Dank
empfunden wird, mich einer
hemmenden irdisch ererbten Idiosynkrasie
überlassen und mich dem Ausdruck des
Dankes entgegensperren. Ich muß hier
Hel‐
fer sein, indem ich zum Empfänger des
Dankesausdruckes werde!
.Dankbarkeit, wie sie vonnöten ist um
in
Ewiges Eingang zu finden, bedarf aber
kaum des Wortes. Von den ersten Tagen an,
als sie begonnen hatten, den Sinn meiner
Rede zu verstehen, hörten meine Kinder
von mir, daß zwar die selbstverständliche
Höflichkeit verlange: „Danke!” zu
sagen,
daß aber das schönste Dankeswort so gut wie
gar nichts bedeute, gegenüber dem Dankes‐
Empfinden und dem daraus folgenden
Dank-Tun! Sie können heute selbst be‐
zeugen, wie reich an innerem Glück das
„Danktun” machen kann. Dank-Tun läßt
nicht ruhen in dem an sich schon beglücken‐
den Suchen nach im Bereiche des Rechten
und Guten zu findenden Möglichkeiten,
gleichfalls Dankeswürdiges zu tun, werde es
nun dem Menschen, dem gegenüber Dank
empfunden wird, bekannt oder nicht. Solches
Bestreben aber kann die besten Kräfte der
Seele zur Entfaltung bringen, den Willen
bei einem bestimmten Ziele halten und den
Verstand ermuntern, alles zur Erreichung
dieses Zieles aufzubieten. Der höchste
Gewinn aber bleibt für die Dauer erhalten,
als Durchdringung des ganzen Lebens
mit jenem Danken-Können, das Vorbedin‐
gung eines jeden echten Aufstiegs zu ewig
geistiger Erkenntnis ist. Niemals darf man
ein Kind zum Danken zwingen! Man hat
als Erwachsener hingegen die seelisch ge‐
forderte Pflicht, ihm zu helfen ‒ wie es
sich
freiwillig helfen läßt ‒ das Glück
des Danken-
Dürfens empfinden zu lernen!
Von dem, der zum innersten
Ursprung
seines Lebens, ‒ zur Bürgschaft der
ewigen
Dauer dieses Lebens in
Gottgemeinsam‐
keit strebt, wird aber im ewigen Geiste ver‐
langt, daß er auch für das Danken-
Dürfen
schon dankbar ist, damit er innewerde, was
ihm in diesem „Dürfen” an Glückesmöglich‐
keit gegeben wurde...
.Das Danken-
Können muß allmählich
so entwickelt werden, daß es auf den leise‐
sten Anlaß reagiert, der Dankesempfinden
hervorrufen könnte. Es ist nichts leichter
als diese Entwicklung, wenn man sie wirk‐
lich
will! Man muß sich nur daran ge‐
wöhnen, Tag für Tag und auf jedem Schritt,
nach Anlaß zu Dankesempfindungen in sich
selbst und in der Außenwelt bewußt zu ‒
suchen. Hier läßt sich schwerlich des Guten
zuviel tun, aber was sich finden läßt, kann
alles Erwarten hoch übersteigen. Freilich
nutzt hier die bloße Selbsteinrede oder gar
die leere Geste nichts! Man darf sich auch
nicht
zwingen wollen zu einem Gefühl,
dem alles im Innern widerstrebt und das nur
Vortäuschung bleibt, auch wenn man es
schlecht und recht zu empfinden glaubt!
Der Himmel aber halte diese Worte des Rates
allen denen fern, die ohnehin schon der
Schrecken ihrer Umgebung sind, weil sie von
morgens bis abends keine Gelegenheit ver‐
säumen, die Ohren zu langweilen mit ihrer
ständig wiederholten Predigt über all das, wo‐
für ‒ die anderen ‒ dankbar sein müßten!
.Soll die große seelische Kraft der echten
Dankbarkeit zur Auslösung kommen, so ist es
am besten,
möglichst wenig von Dank und
Dankesempfinden
zu reden. Ist sie aber ein‐
mal entfaltet worden, so daß jeder Grashalm,
jedes Blütenreis, jeder Sonnenstrahl, jedes
leidlich gute Wort eines fremden Menschen,
den man nach dem Wege fragte, oder schließ‐
lich schon das eigene Wohlbefinden bei guter
Gesundheit, wie die geringste Erleichterung,
wenn der Körper Schmerz oder Krankheit
bewältigen muß, voll Dank im Bewußtsein
begrüßt wird, dann ist auch der Weg nicht
mehr weit zu jener steten Dankes-
Bereit‐
schaft, die fast ein
Vorher-
Darbieten des
Dankes ist, und die kraftvollste Hilfe eines
jeden Menschen, der den Weg beschreitet,
den mein Lehrwerk finden lehrt! Von solcher
Dankes-
Bereitschaft bis zu dem Seelen‐
frieden, „den die Welt nicht geben kann”,
weil er nur in der selbst herbeigeführten
eigenen inneren Ruhe erlangbar wird, ist
dann nur noch ein Schritt!
.Aber auch diese innere Ruhe muß Tag
um Tag gepflegt, geübt, und bei ihrem Kön‐
nen erhalten werden. Sie wird nur äußerst
selten als eine Folge angeborener Neigung
gefunden, sondern muß fast in jedem Falle
durch den Willen
erworben werden und
durch Übung zum „Können” kommen. Mit
dem bloßen Empfinden innerer Ruhe, solange
auch außen alles ruhig bleibt, ist noch wenig
getan. Erst wenn jede äußere Unruhe nur
die Nerven und die Gehirngedanken zu
erregen vermag, während im seelischen Innern
alles ruhig bleibt und den ganzen Sturm be‐
trachtet, als trage er sich zu auf einer fernen,
fremden Welt, obwohl man sich sehr genau
daran beteiligt weiß und seine Stöße heftig
empfindet, ‒ erst dann darf man sagen, man
habe seine innere Ruhe erlangt. Viele Men‐
schen aber kommen niemals zu dieser Ruhe,
weil sie zuviel von sich verlangen. Statt nach
der Erregung ihrer Nerven und Gehirngedan‐
ken nun nach innen zu gehen, wo die Ruhe er‐
halten blieb, meinen sie, es könne in ihnen
erst wieder Ruhe geben, wenn Nerven, Affekte
und Gedanken sich im Äußeren beruhigt ha‐
ben würden. Das ist nur ungeheuerliche Kraft‐
vergeudung, denn die innere Ruhe ist sofort
in der Seele, wo sie erhalten blieb, auch wieder
zu erlangen, und die verstörten Nerven finden
alsbald danach wieder ihr Gleichgewicht.
.Alles aber, was dieser letzte Abschnitt
bisher noch beschrieben hat, ist gleichnis‐
weise nur „Vorland” vor dem „Hortus con‐
clusus”, der mein geistiges Lehrwerk in sich
umschließt, und muß längst bekanntes Ge‐
lände geworden sein, wenn man mit einigem
Recht nun Einlaß zu finden hoffen will.
Aber das Dorngestrüpp dieses Vorlandes
wurde immer wieder von mir gerodet, und
Pfade wurden getreten, die nicht zu ver‐
fehlen sind. Gehen muß man sie freilich
selbst! Ich fürchte, daß noch viele weit
draußen vor dem „Vorland” sind, die sich
behaglich wohl in der Täuschung fühlen,
mir recht nahe zu sein... Ich kann nur
warnen vor solchen allzuwillfährigen Träu‐
men, aber ich kann nicht ändern, was nur
der Suchende selbst allein zu ändern
vermag. Wie oft soll ich noch sagen, daß
hier die Entscheidung nicht in meinen Hän‐
den liegt, da jeder Schritt auf dem Wege
zum Geiste
aus freier Entschließung er‐
folgen muß! Nur Charlatane und durch sich
selbst schon betrogene Betrüger suchen nach
Hörigen, und halten sie unter einem er‐
probten wirksamen Willenszwang!
.Ich müßte den Inhalt vieler meiner
Schriften hier wiederholen, wollte ich allen
Fragen nochmals Antwort bringen, die mich
trotz aller Abwehr immer noch gelegentlich
erreichen. Noch immer begreift man nicht,
daß mir nicht das Mindeste daran gelegen
ist, ob ein Mensch sich Fragen zu machen
versteht. Mein ganzes Werk ist geworden,
damit der Suchende
sich selbst seine Ant‐
wort finden lerne! Ich will jeden, dem meine
Worte gelten,
auf eigenen Füßen stehen
und sich frei bewegen sehen. Nicht an
Krücken humpelnd und nicht auf Stelzen
stolpernd! Auch seine innere Führung findet
nur, wer ihr gemessenen Schrittes auf eigenen
festen Füßen zu folgen weiß! ‒
Joseph Schneiderfranken.
ENDE
AUS
MEINER
MALERWERKSTATT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1932
BÔ YIN RÂ
IST DER DICHTER, PHILOSOPH UND MALER
JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1932
BUCHDRUCKEREI WINTERTHUR A.-G.
.Wenn ich nach langen Jahren steten
Zögerns, mich selbst über
meine Male‐
reien zu äußern, dieses aus vielen inner‐
lichen Gründen mir überaus schwer über‐
windbare Zögern nun doch überwunden
habe, so geschah das wahrhaftig nicht um
von mir als Künstler reden zu machen.
.Ich bin über die Tage längst hinaus, in
denen ich mich noch von wohlmeinenden
Anderen hin und wieder, und sehr gegen
eigenen Wunsch und Willen, dazu drängen
ließ, Bilder von mir in öffentlich zugängliche
Ausstellungen zu geben. Ich male nichts ‒
aber auch rein
gar nichts ‒ für „das
große Publikum”, ‒ habe nicht den min‐
desten Ehrgeiz, Werke meiner Hand von
den offiziellen Stapelplätzen der Erzeug‐
nisse bildender Kunst angekauft zu wün‐
schen, ‒ will um des Himmels willen nicht
etwa Schule machen, ‒ sondern sehe mich
nur immer stärker und unausweichlicher
meinem geistigen Lehrwerk gegen‐
über dazu verpflichtet, Allen, die ich
durch das Wort der Sprache zu ihrem ewi‐
gen Ursprung wieder hinzuleiten suche, auch
zu zeigen, wie sich meine künstlerische Ar‐
beit als Maler, die ja vielen der mir geistig
Nahestehenden lange genug schon in hohem
Grade bedeutsam wurde, meinem ganzen
geistigen Wirken einfügt.
.Dieser Pflicht genügezuleisten, zwingt
mich zwar zu mancher Eröffnung, die mir
hart und sauer wird, da sie, notgedrungen,
den Blick in allerpersönlichste Gebiete frei‐
gibt, die in meinem Lehrwerk immer noch
durch wortgewobene Schleier vor allen ver‐
borgen gehalten werden konnten, die sich
nicht selbst das unbestreitbare Recht auf
solchen Einblick durch ihre eigene geistige
Entfaltung erworben haben.
.Aber auch dieser Umstand darf mich, wie
ich täglich deutlicher sehe, nicht mehr da‐
ran hindern,
das über die Ursachen und Be‐
weggründe meines Kunstschaffens und die
aus ihm hervorgegangenen Werke mitzutei‐
len, was schließlich
nur ich allein bezeu‐
gen kann.
.Dem, was bereits über meine Kunst ge‐
schrieben worden ist, wird das Nachfolgende
gewiß nicht ins Gehege kommen, wenn auch
mancher offenbar aus Mängeln eigener Mit‐
teilung erwachsene beiläufige Irrtum richtig‐
gestellt werden kann.
.Ich gebe diesem ganz persönlichen Buche
keinerlei Reproduktionen mit, weil das, was
ich hier darzulegen habe,
aus der Dar‐
legung selbst verstehbar ist, und keine
Bildbestätigung
braucht.
.Zudem sind Wiedergaben meiner Bilder
in mehr als genügender Anzahl bereits er‐
schienen,* und ich hege nicht den Wunsch,
die vorhandenen Reproduktionen auch nur
um eine einzige vermehrt zu sehen.
.Ich will ja auch hier nicht für meine
Kunst „Propaganda” machen, ‒ meine
Bilder sind in festen Händen, ‒ und ich
denke nicht daran, irgendwelchem späteren
kunsthistorischen
Urteil vorzugreifen!
.Was ich hier mitzuteilen habe, soll ledig‐
lich verstehbar machen, was der Beruf des
bildenden Künstlers: des Malers, in meinem
Leben bedeutet, und weshalb ich nicht etwa
Arzt oder Rechtsanwalt sein könnte, obwohl
ich mein Sein und Wirken gewiß auch dann
nicht von einer Berufs-Sphäre her beein‐
flussen lassen dürfte.
.Es ist hier vor allem aufzuzeigen, was
sich mir selbst in meiner künstlerischen Pro‐
*In meinem Buche „Welten”, Kober'sche Verlagsbuch‐ 00
handlung, sowie bei Franz Hanfstaengl, München und W. I. Stacey, 00
London. Bei Hanfstaengl auch die vorzüglichen farbigen Re‐ 00
produktionen der geistlichen Bilder in dem Buche „Der Maler 00
Bô Yin Râ” von Rudolf Schott.
duktion als
das Wesentliche ‒ auch von
geistigem Standpunkt her gesehen ‒ er‐
wiesen hat, und wie seine Entstehung da‐
durch
vorbedingt war, daß ein dem Er‐
leben im geistig Substantiellen geöffneter
Mensch gleichzeitig die Ausbildung als Maler
erhalten hatte.
.Weiter aber sehe ich mich vor Mit- und
Nachwelt verpflichtet, über ein, auch in
meinem
ureigensten, durch meine Gei‐
stigkeit bedingten Schaffenskreis,
ganz
isoliertes Werk und seine Entstehung Be‐
richt zu erstatten, weil hier der
Gegen‐
stand der Darstellung zu erhaben ist, als
daß ich nicht zeitig jeder
Legendenbil‐
dung wehren müßte.
.Zuletzt ‒ wenn auch wahrlich nicht in
letzter Linie ‒ werde ich hier auch darauf
hinzuweisen haben, daß die mir infolge an‐
geborener geistiger Artung zuteilgewordene
geistige Bewußtseinsentfaltung mit
der künstlerischen Grundbefähigung des
äußeren Menschen, als mit einer geforder‐
ten
Voraussetzung rechnet, einerlei,
nach
welchen künstlerischen Bezirken hin
diese Befähigung tendiert.
.Nicht mein Beruf hat meine
Berufung
bestimmt, ‒ wohl aber bestimmte die Be‐
rufung mir den
Beruf!
.Soviel ist gewiß: ‒ daß ich niemals
einem anderen Künstler Konkurrenz ge‐
macht habe, ‒ niemals gleichen Ehrgeiz
mit anderen Malern teilte, ‒ und niemals
als Maler irgendwo mit in Wettbewerb zu
treten gedenke!
.Wenn Begabte sich der Malkunst zuge‐
wandt haben um ihrem Drang zur
Dar‐
stellung der sachlich gegenständ‐
lichen Umwelt das nötige handwerkliche
Können zu erwerben, andere um ihre
Im‐
pressionen aus dieser Umwelt wieder‐
geben zu lernen, andere um ein Darstellungs‐
mittel zu beherrschen, das ihnen erlaubt,
ihr
subjektives Seelenleben, in was
immer für einer „Kunstrichtung”, bildhaft
dramatisch zum
Ausdruck zu bringen,
und alle schließlich danach streben, in ihrer
Art die Gleichbemühten, wenn irgend mög‐
lich, zu
überflügeln, so waren mir
alle
diese Motive von Anfang an
innerlich
fremd.
.In solcher Mitteilung soll aber gewiß
nicht etwa irgendwelche
Wertung oder gar
Abschätzung getroffen werden.
.Sie ist lediglich
Konstatierung!
.Nötig wird diese Konstatierung, weil
die durch sie bezeichnete, mir von Natur
aus gegebene innere Situation mein Werden
und Schaffen viel stärker bestimmt hat als
jeder äußere Einfluß.
.Vielleicht findet dann aber die mir vom
allerersten Anfang an so selbstverständliche
Auffassung des Zeichnens und Malens als
einer geradezu
sakralen Handlung, auch
dadurch ihre Erklärung, daß ich vordem
durch unerwartetes Schicksal, das meine
Eltern betraf, mich gezwungen fand,
kaum dreizehnjährig und noch fast ein
Kind, ‒ der Schule vorzeitig entnommen,
‒ im Fabriksaal an der Drehbank und am
Schraubstock, brauchbare, wenn auch na‐
türlich einfachste Arbeit leisten zu lernen,
deren Resultate immer
ein Ganzes
sein mußten, und daß mir dadurch
alle
manuelle Arbeit seltsamerweise nicht etwa
verhaßt, sondern geradezu
heilig gewor‐
den war. ‒
.Um wieviel gesteigerter mußte mich die‐
ses Empfinden erfüllen gegenüber einer Tä‐
tigkeit die ich endlich, nach drei harten,
frühzeitig vielerlei fordernden, wechselvol‐
len Jahren, nun als Kunststudierender aus‐
üben durfte, und die mich dazu führen
sollte, späterhin ein wirkliches
Kunst‐
„Werk” gestalten zu können!
.Von da aus ward wohl auch meine Auf‐
fassung des „
Bildes” als geschlossener
Ganzheit: ‒ als eines
in sich ruhenden
Kosmos der zu ihm gehörigen Formen
und Farben, bestimmt.
.Wurde schon die künstlerische
Arbeit,
die einmal zur Bildgestaltung führen sollte,
als besonders geheiligt empfunden, so stand
das Bildwerk selbst, lange bevor ich ein
solches schaffen konnte, erst recht als etwas
Heiliges, ja fast als ein Wunder, vor meiner
Seele.
.Man mag diese Betrachtungsweise als
„primitiv” bezeichnen, aber sie war von
meinen ersten Elementarstudien an die
meine, und ist es bis heute geblieben.
.Niemals wäre es mir in den Sinn gekom‐
men, daß ich wie meine Mitstudierenden,
aus den schon genannten Motiven her
malen könnte, ‒ am wenigsten aber: das
Malenkönnen als Mittel zu betrachten um
dem
Ausdrucksbedürfen der Seele zu
dienen.
.Dazu schien mir schon von der Schul‐
bank her
das Wort und allenfalls
der
Reim gegeben, denn
musikalische Aus‐
drucksmöglichkeit bestand nur in allzu‐
geringer Form, als daß ich ihr mich hätte
anvertrauen mögen, wenn auch die
Sehn‐
sucht nach musikalischem Ausdruck mich
zu den wunderlichsten Torheiten trieb, da
sich ein Nachholen musikalischer Lehre aus
verschiedenen Gründen als unmöglich er‐
wies.
.Resultat meines Malenlernens aber konn‐
te meinem Empfinden nach nur
das Bild
als Gegenstand seiner selbst sein
und das Malen faßte ich immer nur auf
als
Dienst am Bilde, weshalb ich denn
auch weit mehr von mir Gemaltes wieder
zerstörte als ich bestehen ließ, weil ich
nur gelten lassen konnte, was vor meinen
Augen als
in sich beruhendes „
Bild”
bestand.
(Was dennoch
außerdem erhalten blieb,
dankt seine Erhaltung
nicht meinem
Wunsch und Willen.)
.So kommt es, daß die Anzahl der Bilder
die von mir in der Welt sind, recht beschei‐
den ist, wenn man sie als Zeugnis bis jetzt
etwa dreier Jahrzehnte hingebendster künst‐
lerischer Tätigkeit betrachtet.
.Als wahrer Fanatiker des
Bildes: ‒ der
in sich abgerundeten, in sich beschlossenen
Schöpfung, ließ und lasse ich auch meine
Vorstudien niemals bestehen, weil mich
alles dergleichen dem Bilde gegenüber stört,
das nach seiner Vollendung in seinem
eige‐
nen Leben
allein beruhen soll.
.Gewiß gab es neben dieser
Grundströ‐
mung in mir auch gelegentliche
Zuflüsse:
‒ Einflüsse von außenher, mit denen ich
fertig werden mußte, so, wie ich mich auch
zeitweilig darin versuchte, mancherlei mehr
dichterischen Stimmungen in Folgen von
Schwarz-Weiß-
Zeichnungen Formung zu
geben.
.Aber derartiges war immer in kürzester
Zeit wieder überwunden und in mir aus‐
gemerzt, auch wenn es mir verhältnismäßig
mehr Anerkennung und Aufmunterung ge‐
bracht hatte als mein mir wesenseigenes
Streben zum völlig in sich ruhenden,
nur
in den seelischen Werten seiner Formen und
Farben beschlossenen „
Bilde”.
.Mehr als alles andere, was sonst einem
jungen Maler zu schaffen machen mag, gab
mir die schon frühzeitig erlangte Einsicht
innere Beschäftigung, daß auch in der Ma‐
lerei, sogut wie in der Musik, eine
mathe‐
matische Gesetzmäßigkeit herrsche, die
man in sich erfaßt haben müsse, wenn man
in meinem Sinne zum „Bilde” kommen
wolle, als einer wirklich in sich vollendeten,
nicht mehr über den Bildrahmen hinausver‐
langenden,
augenfaßlichen Symphonie.
.Bestätigung und Bekräftigung dieser Ein‐
sicht fand ich zuerst bei
Hans Thoma,
dem ich durch einen eigenen älteren Ver‐
wandten, der mit dem damals erst kurz vor‐
her zu breiterer öffentlicher Anerkennung
gelangten Maler bekannt geworden war, ‒
ganz gegen meinen Willen ‒ zugeführt
wurde.
.Ich hatte große Scheu vor der Begegnung
mit dem dazumal von dem Kunsthistoriker
Henry Thode gerade so hochgepriesenen
Manne, aber Thoma interessierte sich wider
Erwarten sogleich außerordentlich für meine
ersten landschaftlichen Bildversuche und
gab mir dann ohne irgendwelches Entgelt
etwa anderthalb Jahre lang überaus instruk‐
tiven Unterricht, bei dem er den Hauptwert
darauf legte, daß ich, an Hand seiner eige‐
nen Studienmappen, lernen solle, für alles
die möglichst
einfachste Darstellungsart
zu finden.
.Heute noch denke ich voll Dankbarkeit
an jedes Wort zurück, das er mir damals
sagte, und wenn auch die anfängliche enge
Anlehnung an die ureigenste Darstellungs‐
art des großen Malerpoeten bald wieder von
mir aufgegeben worden war, so wirkt doch
seine prachtvoll eindrückliche Unterweisung
bis auf den heutigen Tag lebendig und an‐
regend in mir fort.
.Von dem, was ich für mich: „
die Ma‐
thematik der Raumverteilung und
der Farbenwerte” nannte, wußte Hans
Thoma offenbar mehr, als er zugeben mochte,
denn er sah nicht gerne das innere Leben
eines Kunstwerks allzugenau erforscht, weil
das Bewußtwerden der Schaffenskomponen‐
ten seinen eigenen ‒ von ihm selbst schon
dazumal mir gegenüber als Drang zum
schöpferischen „
Spiel” definierten ‒ künst‐
lerischen Darstellungstrieb irritierte.
.In den Äußerungen
Böcklins, ‒ wie
sie nach seinem Tode durch seine Freunde
und Schüler überliefert wurden, fand ich
nachmals vieles auf sehr ähnliche Art er‐
klärt und aufgelichtet, wie es mir Thoma,
trotz seiner mangelnden Neigung, die be‐
stimmenden Faktoren der Bildwirkung frei‐
gelegt zu sehen, ehedem ratend und war‐
nend, aus seiner eigenen Erfahrung heraus,
an manchem Beispiel aufgezeigt hatte.
.Jene Maler und Kunstkritiker seiner
Zeit, die Hans Thoma den kritisch sichten‐
den „
Kunstverstand” absprechen woll‐
ten, waren
sehr im Irrtum, und ahnten
nichts von der bescheiden verborgengehal‐
tenen
weltweiten Bildung dieses Künst‐
lermenschen!
.Frühzeitig schon durch den von mir mit
Ehrfurcht und Liebe bewunderten großen
Meister in meiner Neigung bestätigt,
die
Landschaft zum Gegenstand meines
Kunstschaffens zu wählen, ging ich bewußt,
und nur höchst selten durch ein anderes
Verlangen gestört, meinen Weg zur Bild‐
gestaltung auf Grund der seelischen Ein‐
drücke, die ich
in der Natur empfing.
.Wie ich ehedem in dem normalen Stu‐
diengang, den Kunstschule und Akademie
vorschrieben, viele Hunderte von Akten,
Modellköpfen, Gewandstudien und Kom‐
positionsentwürfen im Laufe der Lehrjahre
gemalt oder gezeichnet hatte, so folgten
jetzt die intensivsten Studien aller
land‐
schaftlichen Elemente und zwar keines‐
wegs nur im Sinne impressionistischer Auf‐
fassung, sondern allermeist so, daß diese
Studien gut auch als geognostische und
botanische Darstellungen hätten gelten
können.
.Auf solche ‒ fast allzupedantisch gründ‐
liche ‒ Weise vorbereitet, kam ich zu mei‐
nen ersten, von mir auch heute noch künst‐
lerisch anerkannten „
Bildern”.
.Sowohl dem gegenständlich Dargestell‐
ten, wie der Ausführung nach, erstrebte ich
die äußerste
Einfachheit.
.Vorn ein paar Geländeüberschneidungen,
ein paar dunkle, kegelförmige Tannengrup‐
pen oder Tannen- und Kiefern-Stämme, ‒
seltener auch Laubgehölz, ‒ dahinter be‐
waldete Kuppen und in der Tiefe die Linien
ferner Berge über denen zarte oder hochge‐
ballte Wolken sich zeigten: das war gewöhn‐
lich
alles auf dem Bilde
Dargestellte.
.Fast immer waren es Stimmungen der
Morgenfrühe, oder des späten Nachmittags,
der Abendruhe und Dämmerung oder der
lichten Nacht.
.Auch einige Mondscheinbilder stammen
aus dieser Zeit.
.Das ganze Bild pflegte ich in sonoren,
satten Tönen zu halten, doch auch in seinen
dunkelsten Partien von innen heraus durch‐
leuchtet.
.Die Malweise war breit und flächig, aber
so, daß jeder Pinselstrich aufgelöst wurde
in den opaleszierenden oder tiefdunkel in
sich belebten Farbenmassen, die nur höchst
selten einmal mehr pastos aufgetragen wur‐
den.
.Die strengste Aufgabe die ich mir damals
stellte, war: daß man dem vollendeten Bilde
nicht mehr ansehen dürfe, wie es entstanden
sei. Für den sogenannten künstlerischen
„Schmiß” und jegliche Pinselbravour war
natürlich bei solchem Bestreben kein Platz,
hingegen aber gab es auch auf dem ganzen
Bilde keinen Quadratzentimeter in dessen
Fläche die Farbe nicht zum „
Klingen”
gekommen wäre.
.Mein Bild: „Abend im Spessart”, das der
in London lebende Japaner Urushibara, in
die Technik des altjapanischen Farbenholz‐
schnittes übersetzt, auf seine Art wieder‐
gegeben hat, und das unstreitig bis jetzt
auch
die getreueste seiner Wiedergaben
meiner Bilder* blieb, gehörte zu der Reihe
* Sämtlich bei W. J. Stacey, London. (Das genannte Blatt
vergriffen!)
hier
dieser ersten Werke, die ich hier zu beschrei‐
ben suche.
.(Mittlerweile sind meinerseits zwei Varia‐
tionen des gleichen Themas entstanden, bei
denen ich aber dem Aufbau des Bildes durch
die Flächen der Pinselstriche größere Rechte
eingeräumt habe.)
.Hier sei denn auch gleich einiges über
meine Stellung zur
Malweise eines Bildes
gesagt.
.Bestimmend blieb mir in dieser Hinsicht
bis auf den heutigen Tag die durch Hans
Thoma seinerzeit erhaltene künstlerische
Erziehung zur möglichsten
Einfachheit
der Darstellungsmittel, aber ich habe
mich
nie auf eine
bestimmte Malweise
festgelegt, sondern im Laufe der Jahre
die erstrebte äußerste Einfachheit
auf sehr
verschiedene Weise zu erreichen gesucht,
und dabei auch einmal den gelegentlichen
Rat eines zu virtuoserer Kunstauffassung
geborenen, befreundeten Ateliernachbars
dankbar begrüßt, als ich, ‒ damals durch
Segantini stark beeindruckt, ‒ Schnee‐
landschaften, die mich lange Zeit in Bann
hielten, statt in meiner flächigen Art, in
einer äußerst mühseligen schraffierenden
Aufteilung der Fläche zu bewältigen
suchte, deren Nachteile er mir durch eine
verkleinerte rasche Wiedergabe meines Bil‐
des in einer breiten flächigen Manier, auf
einem Malkarton sehr augenfällig zu bewei‐
sen wußte, und mich so wieder auf meinen
eigenen Weg brachte.
.Als ich aber dann in Südschweden Meer‐
und
Felsklippen-Landschaften in den
zerklüfteten Buchten der Halbinsel Kullen
malte, war ich, durch die Struktur des zer‐
rissenen Gesteins veranlaßt, zu einer mir
scheinbar ganz fernliegenden lebhaft be‐
wegten
zeichnerischen Traktierung der
Farbe gekommen, um dann vor den Ruinen
der Antike in
Griechenland mir wieder
eine zu
diesen und den dortigen groß‐
linigen kahlen Bergwänden besser geeignet
erscheinende Malweise die
den breiten
Pinselstrich als Aufbauelement gelten
ließ, zu schaffen.
.So habe ich mich immer in meiner Mal‐
weise dem gegebenen Darstellungsproblem
angepaßt, und es ist daher ganz unvermeid‐
lich, daß eine Datierung meiner Bilder auf
Grund der in ihnen zutagetretenden manuel‐
len Behandlung der Farbe, zu irrigen Schlüs‐
sen führen müßte.
.Auch heute noch wahre ich mir durch‐
aus die Freiheit, mir für jedes neu ent‐
stehende Bild die Malweise
neu zu be‐
stimmen, denn es handelte sich ja bei den
verschiedenen Darstellungsweisen, die ich
jeweils pflegte, nicht um aufeinanderfol‐
gende Stufen einer technischen Entwick‐
lungs-Skala, sondern immer um einen be‐
wußten,
freien Entschluß zur Anwen‐
dung einer anderen Arbeitsweise.
.In
jeder Art der Darstellung, die ich je‐
mals wählte um ein Bild zu gestalten, wird
man aber die mir eigene
ornamentale Auf‐
fassung der Natur gewahren, und selbst die
Formung des Gegenständlichen durch zahl‐
lose Linien- und Farbenfäden, wie ich sie vor
den rissigen Felsklippen von Kullen zur An‐
wendung brachte, durfte keineswegs das Or‐
namentale in meiner Auffassungsart unter‐
drücken.
.Ich muß hierbei darauf aufmerksam ma‐
chen, daß mir
das freie Ornament, schon
von sehr jungen Künstlerjahren an, als die
höchste, weil reinste Form künstlerischer
Darstellung
in der Fläche gilt, und daß
mir das
Auflösen der Fläche, soweit es
über die Darstellung eines innerhalb des
Bildrahmens klar gegliederten Raumes hin‐
aus,
unbestimmbaren Raum zu schaffen
sucht, als
künstlerische Verirrung er‐
scheint, auch wenn auf Grund dieser Ver‐
irrung zahllose Werke der Malerei entstan‐
den sind, deren Bewunderungswürdigkeit
gewiß nicht angezweifelt werden darf.
.Natürlich weiß ich, daß diese hohe Be‐
wertung des „
Ornaments” in der Malerei
nicht nur bereits in den einzigen erhaltenen
altgriechischen Malereien, die ich im Mu‐
seum von
Volo in Thessalien studieren
durfte, erkennbar wird, und weit später
über
Cimabue und
Giotto bis zu
Raffael
führt, sondern auch in vielen
vorgriechi‐
schen Kunstzeugnissen der Welt ‒ von
den asiatischen Kunstdenkmälern ganz ab‐
gesehen ‒ zutagetritt, aber in allen Län‐
dern der Erde ebenso auch
heute zu finden
ist, wo immer Künstler leben, deren Empfin‐
den das materialistisch primitive Kunst‐
stück, die
Fläche zur
Raumillusion zu
mißbrauchen, nur schwer erträgt.
.Daß mir
die Maltechnik an sich,
also das
chemisch Technische, wie die
Präparierung der zu bemalenden Fläche, die
Bereitung der Farben, ihre Herkunft und
ihre Haltbarkeit in der Vereinigung mit den
verschiedenen Bindemitteln, jahrelangen
Studiums wert erschien, so daß es keine
Technik gibt, von der altägyptischen En‐
kaustik über das Fresko bis zu den neueren
Malverfahren, die ich nicht experimentell
und zum Teil auch praktisch erprobt habe,
möchte ich nur nebenbei hier nicht ganz
unerwähnt lassen. Gründliche Studien der
Farbenchemie gaben diesen Arbeiten
sicheren Grund. Daneben war das intensive
Studium der
Alten Meister und ihrer
Technik, ‒ unterstützt durch Kopien, bei
denen diese Technik jeweils Anwendung
fand, ‒ ein stets neuer Genuß.
.Die Galerien in München, Schleißheim,
Berlin, Dresden, Wien und Paris gaben da‐
zu reichlich Gelegenheit, nachdem dieses
Studium schon in der Städel'schen Galerie
in Frankfurt begonnen worden war.
.Auch eine, sonst bei Malern kaum all‐
tägliche Vertiefung in das Studium der
Architektur fiel in diese Zeit und hat mir
späterhin Vieles erschlossen.
.Zu gutem Ende folgte dann noch das
Erlebnis
Italien, und danach, ‒ aller‐
dings erst viel später, ‒ das bis ins
Tiefste erschütternde Erleben
Griechen‐
lands, ‒ sowohl landschaftlich, wie ar‐
chäologisch.
.Alle dem gingen strenge
kunstwissen‐
schaftliche Studien parallel, deren Durch‐
führungsmöglichkeit ich an den verschiede‐
nen Orten immer wieder Gelehrten zu
danken hatte, die an meinen Interessen
lebendigen Anteil nahmen, und mir die
Hilfsmittel ihrer Institute ausgiebig zur
Verfügung stellten.
.Auch andere und mir scheinbar sehr
ferneliegende wissenschaftliche Bezirke sind
mir in gleicher Weise zugänglich gemacht
worden.
.Alles das hier Erwähnte gehört für mich
mit in dieses Kapitel: „
Warum ich malen
lernen mußte”, denn es bekundet die Stre‐
bungen, die schon in mir bis zu gewissem
Grade lebendig waren, als ich, in immer
noch zeitigen Jünglingsjahren, endlich zu
der knappen Möglichkeit des Studiums ge‐
langt, das
Kunststudium wählte, obwohl
ich im schulmäßigen Zeichnen ehedem kei‐
neswegs einer der Ersten war, und mich nun
auch viel leichter einem
anderen, damals
näherliegenden Studiengebiet hätte zuwen‐
den
können.
.Das ganze unendlich reiche ‒ und vom
Elternhause her kaum wie eine ferne, wun‐
dersame „terra incognita” erahnte ‒
Ge‐
biet der bildenden Kunst war innerlich
„
gemeint”, als ich den ersten Schritt zum
Erlernen des Malens endlich wagen durfte
und wagte. Der Beruf als
Maler erschien
mir nur als die praktisch geforderte Weihe,
um in dieses von mir als überaus hehr und
heilig geglaubte Reich Zutritt zu erlangen,
das ich heute, nachdem ich wahrlich in ihm
Heimrecht fand, ‒ auch trotz aller Profa‐
nation, die mir nun einmal doch schlechter‐
dings begegnen mußte, weil sie nur allzu‐
reichlich vorhanden ist, ‒ keineswegs in
geringerem Grade als „
heilig” empfinde,
wie dazumal.
.Die
wirkliche Würde und Erhabenheit
einer so hohen seelischen Auswirkungs‐
fähigkeit des irdischen Menschen, wie sie
in der bildenden Kunst zutagetritt, ist ja
vom substantiellen ewigen Geiste
her bestimmt, und kann
niemals ge‐
mindert werden durch irgendwelche Mas‐
sen Einzelner, die sich in der ihnen dar‐
gebotenen und vom Geiste her vorbehalte‐
nen seelischen Höhenlage
nicht zu er‐
halten wissen.
.Es handelt sich bei diesem Erhalten‐
können im Seelischen
nicht darum, daß
man sich auf Grund seiner besonderen Be‐
gabung ‒ etwa als „Maler”, als „Plastiker”
‒ seelisch
determiniere und
verenge,
sondern darum, daß man sich, ganz
ab‐
gesehen von der spezifischen Begabungs‐
art, als
ungeteilter,
ganzer Mensch,
in der seelischen Höhenlage zu erhalten
strebe, die jeder, seines anvertrauten Talen‐
tes Würdige, in seinem innersten Innern als
die ihm
allein wirklich gemäße Atmo‐
sphäre empfindet.
.Der bohememäßige fatale Beiklang, den
die Berufsbezeichnung bildender Künstler
im Verlaufe der ersten Hälfte des letzten
Jahrhunderts allmählich erhielt, und der
jetzt noch vielfach als Unterton einer ver‐
logenen Romantik mitschwingt, wenn von
„Malern und Bildhauern” etwa die Rede
ist, hat wirklich nichts mit diesen Berufs‐
bezeichnungen zu schaffen, auch wenn er
zu manchem antiquierten „Talentierten”,
der sein Leben lang schlecht und recht in
ungeordneter Weise sein Talent
verschleu‐
dert hat, noch passen mag.
.Der bildende Künstler besitzt auch wahr‐
lich durch sein berufsgefordertes selbstver‐
ständliches
Können keinerlei
Ausnahme‐
stellung gegenüber anderen menschlichen
Berufungen und Berufen, in denen ebenso
das
ihnen gemäße Können und Wissen
selbstverständlich ist.
.Soll ich aber nun, nach so manchen
scheinbaren Abschweifungen auf die ich
nicht verzichten durfte, endlich den mir
heute
bedeutsamsten Grund aufzeigen,
„warum ich malen lernen
mußte”, so ist
hier vorauszuschicken, daß ich allerdings
gerade
diesen Grund zu Beginn meines
Studiums gewiß auch nicht ahnungsweise
kennen konnte.
.Er wurde mir erst dann bewußt, als
schon seit langer Zeit die
Resultate vor‐
lagen, die ihm Bestätigung geworden waren.
.Nicht im Traum hätte ich damals, als
ich mich endlich dem Kunststudium zu‐
wenden konnte, geglaubt, daß es auch mög‐
lich sei, als Maler etwas wiederzugeben, was
durch das physische Auge unmöglich wahr‐
zunehmen ist.
.Daß alle die Darstellungen wie sie die
alten Maler aus der christlichen heiligen
Geschichte wählten, nicht im Augenschein
erlebt worden waren, hatte hier
nichts zu
besagen, da doch alles zur Darstellung
Nötige jederzeit als Studienobjekt zugäng‐
lich war.
.Wie aber hätte ich mir vorstellen sollen,
daß es auch möglich sei, Dinge, die keine
irdischen Dinge sind, in Farben, die nur
selten an irdischen Dingen faßbar werden,
durch die Kunstmittel der Malerei wieder‐
zugeben!?
.Ich hatte ja dergleichen noch nicht
er‐
lebt, obwohl mir Erlebnisse damals schon
lange fraglos waren, die man auch heute
noch als lediglich
subjektiv begründet
glaubt, soweit man von ihnen hört, weil
auch reifste westliche Wissenschaft nichts
von den außerordentlichen Möglichkeiten
weiß, die unter bestimmten Voraussetzun‐
gen im physischen „Natur”-Bereich dafür
geeigneten Menschen dargeboten sind.
.Erst als ich auch jenes, mir in jeder Weise
neuartige Erleben kennengelernt hatte, ‒
das eine ganz neue Art des Er-hörens und
Er-blickens voraussetzte, ‒ konnte mir der
erste Gedanke kommen, ob das von mir
Erlebte nicht auch mit malerischen Mit‐
teln für meine Mitmenschen darstellbar sei,
um ihnen dadurch, in einer für das physi‐
sche Auge aufnehmbaren Übersetzung,
etwas von der erlebten Schönheit der in
aller Erscheinung wirkenden geistigen
Kräftewelten zu vermitteln.
.Eine bildhafte Vorstellung von diesen
Welten
allerursprünglichster,
ursäch‐
licher Realität geben zu können, und durch
die ganz von selbst allmählich wahrnehm‐
bar werdenden, primären geistigen Schwin‐
gungen meiner Bilder dieser Art, die Seelen
ihrem eigenen Ursprung wieder näher zu
bringen, war mir von da an höchste Auf‐
gabe für meine Kunst, der nun die erlebten
Formen der geistigen Kräftewelten genau
so
Material der Bildgestaltung wur‐
den, wie das vordem nur die Formen und
Farbenbeziehungen der irdisch physischen
Landschaft gewesen waren.
.Obwohl ich sehr lange Zeit hin die
äußerste Zurückhaltung geübt hatte, wenn
sich Gelegenheit bot, diese geistlichen Bil‐
der
zeigen zu können, veranlaßte mich
doch eines Tages die Möglichkeit, sie
Max
Klinger vor Augen zu bringen, der seit ein
paar Jahren warmes Interesse an meiner
allgemeinen künstlerischen Entwicklung
nahm, zu einer Überwindung aller Scheu.
.Ich hatte es auch durchaus nicht zu be‐
reuen, denn ich fand bei dem sonst mit Be‐
wunderungsäußerungen eher recht kargen
Künstler eine
begeisterte Bejahung die‐
ser Bilder, obwohl er sich meiner Erklärung
des inneren Erlebens, dem sie allein ihr Da‐
sein verdankten, keineswegs zugänglich
zeigte.
.Es sei ihm gleichgültig, „woher” diese
Bildmotive mir kämen, ‒
er sähe nur
die
Bilder, und
mich, der sie
gemalt habe, ‒
alles andere gehe ihn nichts an.
.Beim Abschied noch konnte er sich kaum
genugtun, mir einzuschärfen, ich möge mich
nur „
ja nicht dekouragieren lassen”,
und ich höre diese lebhaft betonten Worte
heute noch im Ohr, als wären sie gestern
gesprochen worden.
.Diese Mahnung bezog sich darauf, daß
er vorher mit aller Energie meine Abnei‐
gung gegen ein öffentliches Ausstellen die‐
ser Bilder bekämpft hatte.
.Seiner Meinung nach gehörten sie
„
schleunigst” in die Öffentlichkeit, da
ich mich hier ‒ wie er sich ausdrückte ‒
nun wirklich „
gefunden” hätte, ‒ und
so sollten sie, unter Berufung auf ihn, an
seriöser Stelle gezeigt werden.
.Ich habe aber
keinen der mir angerate‐
nen Schritte getan, da meine Gegengründe
doch stärker waren. Er hätte mir das nie
verziehen, wäre er nicht zur Überzeugung
gelangt, daß ich hier gegen die Kraft eines
inneren Widerstandes nicht aufkommen
könne.
.Wie ich Klinger gesagt hatte, verspürte
ich zu jener Zeit, als es noch keinen Expres‐
sionismus, Surrealismus und dergleichen
gab, recht wenig Lust, auf der einen Seite
womöglich das Interesse der Neurologen zu
erregen, auf der anderen aber Formen und
Farben, die für mich mit höchsten geistigen
Erlebnissen unlösbar verbunden waren,
fabrikmäßig vulgärer „kunstgewerblicher”
Ausbeutung preisgegeben zu sehen.
.Daß ich mindestens mit der letzten Be‐
fürchtung im Recht war, konnte ich später,
nach dem Erscheinen der ersten Reproduk‐
tionen meiner geistlichen Bilder, an Theater‐
dekorationen und ‒ lächerlicher noch ‒
an „modernen” farbigen Textilwaren fest‐
stellen, wo in beiden Fällen die nichts‐
ahnenden Nacherfinder in aller Seelenruhe
Formen dieser Bilder
zusammen verwen‐
det hatten, die den ärgsten
Nonsens in
solcher Kombination ergaben... Es ging
den Herren wie jenem Delikatessenhändler,
der sein Schaufenster mit Teepaketen deko‐
rierte und recht geschickt dabei auch einen
mit chinesischer Schrift gezierten Kisten‐
deckel als Beweis des Imports mit zu ver‐
wenden wußte, bis ein des Chinesischen
kundiger Gelehrter ihn auf die Seltsamkeit
solcher Reklame aufmerksam machte, denn
ein Boshafter oder ein Witzbold hatte in
China, in den dekorativen Charakteren der
chinesischen Schrift, auf die Kiste geschrie‐
ben: „Dreimal überbrühter Tee für die
westlichen Teufel”.
.Wenn ich nun aber auch dem so wohl‐
meinenden Ratschlag Max Klingers in mir
zu viel Hemmungen entgegenstehen fand,
als daß ich ihn vor mir selbst hätte befolgen
dürfen, so war begreiflicherweise die freu‐
dige Zustimmung des sonst so vornehm ver‐
haltenen Künstlers doch ein großes Ge‐
schenk für mich geworden.
.Klinger war allerdings nicht nur bilden‐
der Künstler, sondern auch ein eminent
musikalischer Mensch, dem möglicher‐
weise manche Formen- und Farbenbezie‐
hungen auf meinen Bildern Empfindungen
ausgelöst hatten, die er sonst nur durch das
Medium der
Musik zu empfangen gewohnt
war, und ich durfte gewiß nicht von
seiner
spontanen Begeisterung für diese Bilder
auch auf die Empfindungsfähigkeit
ande‐
rer Menschen schließen. Aber zum minde‐
sten mußte ich doch seinem unendlich dif‐
ferenziert abwägenden künstlerischen Urteil
vertrauen, wenn das, was er nunmehr von
mir gesehen hatte, solche
unbedingte An‐
erkennung bei ihm fand.
.Wenn vorher noch irgend ein Schatten
eines Zweifels in mir war, „
warum ich
malen lernen mußte”, so konnte er jetzt
gewiß nicht mehr in mir aufkommen, auch
wenn für Klinger nur
das Kunstwerk, so
wie es vor ihm stand, in Betracht kam, ganz
abgesehen von der mir im Geistigen auf‐
geschlossenen Farben- und Formenempfin‐
dungswelt, aus der es tatsächlich seine Be‐
fruchtung empfing.
.Ich habe mich gewiß auch weiterhin
nicht veranlaßt gesehen, etwa keine Bilder
aus
landschaftlichen Motiven mehr zu
malen, wie Klinger mir ernsthaft angeraten
hatte, und die ganze Reihe von Bildern aus
Griechenland ist erst lange
nach der Er‐
kenntnis entstanden, daß ich in
erster
Linie
darum zum Malen gekommen war,
um meine
geistlichen Bilder schaffen zu
können, ‒ wohl aber wußte ich fortan
immer zu unterscheiden zwischen dem, was
auch
Andere konnten, und dem, was mir
infolge einer ganz singulären Bewußtseins‐
entfaltung
nur allein darzustellen
mög‐
lich war.
.Heute aber weiß ich
mit aller Be‐
stimmtheit, daß ich seinerzeit, ohne es
zu ahnen,
nur um der später ermög‐
lichten Entstehung dieser geistli‐
chen Bilder willen, der
Malerei zuge‐
führt worden war, deren praktisches Stu‐
dium mir damals weit weniger nahe lag und
weit geringere Förderung finden konnte, als
etwa das von mir lange Zeit hin
vorher er‐
sehnte Studium der
Theologie, vor dem
mich seltsamerweise von außenher der Wille
meines streng religiösen irdischen
Vaters,
‒ von innenher aber meine
geistige Füh‐
rung fernezuhalten wußte.
.Ich mußte malen lernen, damit von die‐
ser meiner Zeit an die Realität der sub‐
stantiellen geistigen Welt durch
augen‐
faßliche Gestaltungen
vorstellbar wer‐
den konnte, auch wenn erst ein viel später
kommendes Geschlecht diese Möglichkeit
werten können wird.
.Ich mußte
malen lernen, um ein Zeuge
substantiellen geistigen Lebens zu
werden...
.Die Bildwerke von denen hier nun zu
sprechen ist, sind bisher vielfach, ‒ in der
Verlegenheit, ein Rubrum dafür zu finden,
‒ als „mystische” Bilder bezeichnet wor‐
den, und ich vermochte es ehedem um so
weniger, mich über diese Scheindeklaration
zu ereifern, da ich ja selbst damals keine
Bezeichnung zu finden wußte, die ich als
unbestreitbar richtig empfunden hätte.
.Endlich aber sehe ich mich doch dazu
verpflichtet, hier ein für allemal auszuspre‐
chen, daß
nicht ein einziges dieser als
„mystisch” bezeichneten Bilder auch nur
das Geringste mit „
Mystik”, oder zu Recht
als „
mystisch” bezeichnetem „
Schauen”
zu tun hat, und daß sämtliche, ohne Aus‐
nahme, auf die durchaus normale Weise
entstanden sind, in der jedes wirkliche
Kunstwerk entsteht, also auf Grund ehrlich
erworbenen handwerklichen Könnens, nach
zahllosen Vorstudien und Versuchen, und
in hartem künstlerischen Ringen.
.Es handelt sich bei diesen aus linearen
Gliederungen erwachsenden dynamischen
Farbenkompositionen vielmehr um etwas
Ähnliches, wie etwa um künstlerische Ge‐
staltungen nach jenen Formen und Farben,
die ‒ vergleichsweise gesagt ‒ bei leben‐
den Präparaten zuweilen unter dem Mikro‐
skop sichtbar werden, oder, vielleicht noch
richtiger: ‒ um Darstellungen von Form‐
und Farbgebilden, die ihrer dynamischen
Art nach den „
Chladni'
schen Klang‐
figuren”, ‒ wenn auch auf ganz unermeß‐
lich höherer Ebene entstanden, ‒ ver‐
glichen werden könnten.
.So bestechend dieser Vergleich aber auch
für mich selber ist, wenn es sich darum han‐
delt, verstehbar zu machen, wie ich zu die‐
sen, der Außenwelt sichtlich so fremden
Lineargebilden und Farbengestaltungen
komme, bei deren Formung mir nichts fer‐
ner liegt als etwa künstlerhafte Neuerungs‐
sucht oder irgend eine Art Mystizismus, ‒
so muß ich doch hier, um Irrtümern jeden
Boden zu entziehen, deutlichst aussprechen,
daß es sich in keiner Weise etwa um die
künstlerische Auswertung
physikali‐
scher, wenn auch noch so verborgener, ‒
also „okkulter” ‒ Vorgänge handelt, son‐
dern um Darstellung ewigen
substantiell
geistigen Geschehens.
.Ich möchte aus eigener Erfahrungs‐
bestätigung fast mit Sicherheit annehmen,
daß unter den Musikern:
Johann Seba‐
stian Bach innerlich das
gleiche geistige
Erleben irgendwie in sich erfahren haben
müsse, so daß er
in Tönen darzustellen
suchte, was ich
der Farbe nach wieder‐
zugeben strebe. Daß
Goethe ähnliches Er‐
leben kannte, steht für mich außer aller
Frage.
.Von allen
Bezeichnungen, die man
dieser meiner durchaus in rein
geistigem
Erleben gegründeten und nur von daher
befruchteten künstlerischen Produktion
etwa geben könnte, scheint mir die Benen‐
nung als „
geistliche” Bilder am wenig‐
sten irreführend zu sein.
.Die Bezeichnung als „geistige” Bilder
würde keineswegs das Gleiche besagen, da
es ihr nach ja auch möglich wäre, anzuneh‐
men, die Bilder seien unter irgend einem,
von mir nur
als „
geistig”
empfundenen
Einfluß erzeugt, oder gar auf andere, als
die in aller Kunstgestaltung übliche Weise
der Darstellung entstanden.
.Auch könnte angenommen werden, daß
ich subjektiven Vorgängen in meinem Geiste
eine symbolisierende Darstellung schaffen
wolle.
.Ich stelle aber auf diesen Bildtafeln nichts
anderes dar, als was ich infolge meiner sub‐
stantiell geistigen Bewußtseinsentfaltung in
nur
innerlich zugänglichen, alle Erschei‐
nungswelt
durchdringenden Regionen be‐
wußt empfindend
erlebe ‒ und meiner Eig‐
nung nach, in erster Linie seinen
farbigen
Ausdruckswerten entsprechend aufnehme.
.Ich fühle mich bei dieser Darstellung
durchaus als „Realist”, denn ich suche das
fast Undarstellbare dem Beschauer auf eine
Weise nahezubringen, die ihm meine eige‐
nen, geistig erlebten Eindrücke so getreu
wie nur irgend möglich vermitteln.
.Gewiß soll das nicht etwa heißen, daß
ich das von innen her Wahrgenommene ein‐
fach „abmale”!
.Das ginge schon insoferne nicht, als die
Formen- und Farbgebilde, die ich darzu‐
stellen habe, in immerwährender lebendiger
Bewegung sind.
.Außerdem aber kennen die Regionen aus
denen die
Vorbilder der Gebilde meiner
geistlichen Gemälde stammen, nicht nur un‐
sere äußerlich-irdisch allenthalben gültigen
drei Dimensionen, sondern eine solche
Viel‐
zahl der Dimensionierung, daß ein irdisches
Auge nur Verwirrung erfahren würde, wollte
es diese
vieldimensionalen Welten auf
seine gewohnte Art zu verstehen versuchen.
.Es ist für mich immer eine zuerst fast
unlösbar erscheinende Aufgabe, ein solches
geistiges Geschehen darzustellen, weil zu‐
meist ganz ausgeschlossen erscheint, daß
man für die vieldimensionalen Formen und
Vorgänge eine Möglichkeit der Projektion
in die Malfläche zu finden wisse, die noch
irgendwie zulassen könnte, daß der viel‐
dimensional eingebettete
Vorgang, oder
die vieldimensional bestimmte
Form von
dem an Dreidimensionalität gewöhnten, und
nur für sie eingerichteten physischen, kör‐
pergemäßen Auge des irdischen Menschen
optisch „verstanden” werde.
.Ich muß daher in
vielen und überaus
mühereichen Versuchen erst festzustellen
suchen, welche zweidimensionale Form bei
entsprechender Farbendynamik die gleiche
Empfindung im
Unbewußten hervor‐
zubringen geeignet ist, die in mir in
bewuß‐
ter Weise ausgelöst wurde durch die viel‐
dimensional sich auswirkenden geistigen
Kräfte, deren Wirken ich darzustellen
trachte.
.Das ist keineswegs einfach, und kann
viele Monate, oder auch Jahre währen!
.Nur
äußerst selten wird es mir möglich,
auch allenfalls
ohne solche Studien zum
Ziele zu kommen, aber dann nur auf Grund
vieler, die bereits
früher entstanden waren.
.Erst wenn alle Vorstudien dieser Art
beendet sind, kann ich zur
Komposition
des „Bildes” in meinem Sinne gelangen, des‐
sen
geistlicher „Inhalt” seit langer Zeit
schon Ausdruck durch die Mittel des Malers
finden will.
.Ich bin auch dann keineswegs in gleicher
Weise frei, wie als Maler der irdischen Dinge,
denn alle Projektion vieldimensionaler For‐
men will immerfort
erkämpft sein, bevor
sie der Fläche einer Leinwand sich ergibt.
.Unter Tausenden der Betrachter meiner
geistlichen Bilder werden nur recht wenige
sein, die sich ahnend eine Vorstellung davon
zu bilden vermögen, welche Qual und Pein,
welches Ringen und Bangen, welche Be‐
glückung und Enttäuschung, welche Siche‐
rung und urplötzliche Preisgabe als
Ein‐
satz verlangt werden, bei dem hohen Spiel,
dessen Gewinn endlich ein solches Bild dar‐
stellt. ‒
.Es handelt sich ja nicht um die Wieder‐
gabe von „Schauungen” und „Gesichten”,
sondern um Darstellung eines
Geschehens,
in dem man
mitteninne steht, und das
keineswegs nur in einer dem Sehen durch
das körperhafte Auge analogen Weise auf‐
genommen, sondern im substantiell-geisti‐
gen Organismus nach
aller Empfindungs‐
weise hin
erlebt wird.
.In meinem Buche „
Welten”,* das der
Aufnahme
dieses Buches unbedingt
fol‐
gen sollte, sind ausführlichste Hinweise auf
diese Erlebensform gegeben.
.Sie läßt sich allerdings nur bis zu be‐
stimmten Grenzen durch das Wort der
Sprache beschreiben.
.Man wird vor allem zu verstehen suchen
müssen, daß alle diese Formen, die auf den
Bildern in lebendiger
Farben-Dynamik
dargestellt sind, in Wirklichkeit gleichzeitig
tönen, und daß
Linienform,
Farbe und
Ton nur die
Ausdruckswerte substan‐
tiell-geistig
erlebbarer innerer
Spannun‐
gen,
Strebungen,
Drohungen,
Wider‐
* In „Welten” habe ich noch die Worte: „Schauungen” 00
und „Gesichte” unbedenklich in einem allgemeinen, nicht streng 00
exakten Sinn angewandt. Ich bitte den Leser, diese Worte aber 00
als durchaus das Gleiche meinend, wie „Erlebnisse” und 00
„Bilder” auffassen zu wollen.
stände, und schließlich: ‒
Erlösungen
sind, aus seelisch oft kaum noch ertrag‐
barem Miterlebenmüssen der Urformen
allen Geschehens.
.Ganz abwegig bleibt jeder Versuch, das
Dargestellte verstandesmäßig
ausdeuteln
zu wollen, also z. B. anzunehmen, irgend
eine Form
bedeute irgend etwas, und das
Bildganze sei zu „erklären”, wenn man nur
die „Bedeutung” aller darin enthaltenen
Formen und Farben kenne.
.„Erklären” läßt sich nur etwas, das
noch nicht klar, oder aber
verdunkelt,
also unklar
geworden ist.
.Das aber, was auf diesen, meinen geist‐
lichen Bildern zur Darstellung gelangt, ist
an sich
ursprüngliche Klarheit, denn es
ist
die Matrix aller Erscheinung: ‒ das
Urgeschehen, wie es als
Ursache jeg‐
lichen Geschehens in
allen kosmischen Be‐
reichen, sich von Ewigkeit zu Ewigkeit er‐
eignet.
.Dieses Urgeschehen ist ein durchaus
konkreter, in geistiger
Ursubstanz sich
vollziehender, ununterbrochener und un‐
unterbrechbarer Vorgang.
.Um von der
Struktur geistiger Ursub‐
stanz eine Vorstellung zu geben, kann ich
nur den Vergleich mit einer unendlich‐
fältigen Schichtung hauchdünner
Mem‐
branen oder
Lamellen gebrauchen. Ich
werde immer wieder an die kaum faßlich
feinen, nur mit Hilfe eines subtilen Appa‐
rats erzielbaren, durchscheinenden Schnitt‐
häutchen erinnert, wie man sie zu mikro‐
skopischen Forschungen braucht.
.Aber auch die exakteste Vorstellung der
Struktur geistiger Substanz wird doch nicht
genügen, um eines meiner geistlichen Bilder
wirklich empfindend zu erleben.
.Geholfen ist erst dann, wenn man, auf
jeden Vergleich mit irdisch Gegenständ‐
lichem verzichtend, damit anfängt,
sich
selbst: ‒ sein eigenes Seelisches, ‒ in
diesen Form- und Farbengebilden lebendig
nachzuerleben.
.Dann erst ist man bei der
Möglichkeit
angelangt, das Dargestellte
nacherlebend
auch in sich
erfassen zu können, was aller‐
dings einen seelischen Gewinn zu vermitteln
vermag, der durch nichts anderes auf dieser
Erde gewonnen werden kann.
.Es ist das einzige Motiv meiner überaus
undankbaren Aufgabe bei der Darstellung
dieser geistigen Ur-Vorgänge, Anderen eben
diesen seelischen Gewinn zu vermitteln!
.Er kann aber niemals vermittelt werden,
solange noch das Bestreben besteht, irgend
etwas in den Bildern zu suchen, das
ver‐
standesmäßig verstehbar zu machen
wäre.
.So fern mir auch das, nur durch roman‐
tisch-phantastische Illusion angeregte, tö‐
richte Bestreben liegt, der
Musik augen‐
mäßig faßbare Entsprechung in Linie und
Farbe schaffen zu wollen, so muß ich hier
doch wieder, allerdings in ganz subjektiv
durch mein musikalisches Empfinden be‐
stimmter Weise, an die Tonwerke
Johann
Sebastian Bachs erinnern, denn ich kom‐
me nicht von dem Eindruck los, daß der be‐
deutendste Teil seines Schaffens, in dem
alles unerfaßlich hohe technische Können
nur
Seelischem dienen muß, durch ein
Erleben gleichartiger Erlebensbezirke be‐
stimmt war, wie es mich, ‒ der ich statt
in Tönen,
in Linien und Farben das
sonst Unfaßliche faßbar zu machen suchen
muß, ‒ dazu veranlaßt, meine geistlichen
Bilder zu malen.
.Hier ist zur Verständigung ja nicht ein
Abmessen ganz inkommensurabler künst‐
lerischer
Kapazität vonnöten, sondern nur
die Erkenntnis, daß meine Bilder ebenso
Vorhandenem in der
Seele begegnen, wie
eine Bach'sche Fuge, die ja auch von Din‐
gen erzählt, von denen nur die
Seele
weiß...
.Wer sich einmal mit der Vorstellung
der Situation vertraut gemacht hat, in der
diese meine geistlichen Bilder entstehen,
den dürfte es sicherlich auch nicht befrem‐
den, daß von den dargestellten Gestaltun‐
gen und ihren Farben gleichgeartete Schwin‐
gungen
immerfort ausgehen, wie sie von
den geistigen Urgebilden in dem zur Dar‐
stellung gewählten, erlebten
Augenblick
in schöpferischer Tendenz ausgegangen sind.
.Diese Schwingungen bleiben jedoch un‐
berührt von dem seelischen Erfühlen und
Empfinden des Bildes, so wie die rein opti‐
schen Strahlen die von ihm ausgehen, eben‐
falls sich nicht ändern, einerlei, ob ein
Sehender oder ein Blinder sein Auge dem
Bilde zuwendet.
.Das Wissen um diese Schwingungen, die
nicht nur durch das
Auge aufgenommen
werden, ist der Grund, weshalb es unter
meinen geistlichen Bildern nur einige
we‐
nige gibt, die einem Erleben
zertrüm‐
mernder,
vernichtender, oder auch
nur
drohender Wirkung der dargestellten
geistsubstantiellen ewigen Kräfte ihr Da‐
sein zu verdanken haben... Die Entste‐
hung der hier bezeichneten Bilder liegt
jetzt über zwei Jahrzehnte zurück, und seit
dieser Zeit konnte ich mich, im Wissen um
die erwähnten, von den Formen und ihren
Farben ausstrahlenden Schwingungen, nicht
mehr entschließen, einer
destruktiven
Auswirkung der mir jederzeit erlebnisnahen
Urkräfte im Geistigen, auf einer Bildtafel
ein entsprechendes Äquivalent zu schaffen,
auch wenn mir sehr oft der Verzicht auf die
künstlerischen Möglichkeiten, die sich aus
solchem Erleben ergaben, gewiß nicht leicht
wurde.
.Wenn es sich auch um experimentell
wohl kaum faßbare Schwingungen handelt,
so weiß ich doch nur zu gut, welche gewal‐
tigen Kräftewirkungen sich unter dafür gün‐
stigen Umständen durch diese Lineamente
und Farbengebilde übertragen lassen, ‒ und
es sind in dieser Zeit weit mehr aufnahme‐
bereite lebende Antennen in menschlichen
Gehirnen zu finden, die alles was
irdische
destruktive, zertrümmernde Kräfte
ver‐
stärken könnte, mit wahrer Gier an sich
ziehen, ‒ als es Aufnahmeorgane gibt für
positiv wirkende,
aufbauende,
erheben‐
de geistige Kräfteschwingungsformen...
.Im Grunde handelt es sich bei den durch
die künstlerische Darstellung der farbigen
und linearen Auswirkung substantiell gei‐
stiger Urkräfte ermöglichten Schwingungs‐
übertragungen um nichts Geringeres als um
die schon vorgeschichtlichen Zeiten ‒ und
diesen
besser als der heutigen Zeit ‒ be‐
kannt gewesene „Magie der Zeichen”, wenn
auch in meinen geistlichen Bildern die „Zei‐
chen” nicht isoliert werden, sondern sich in
ihrem „organisch” zu nennenden Seins‐
zusammenhang auswirken.
.Man kann gewiß auch, wie Max Klinger,
in meinen geistlichen Bildern nur intuitiv
geschaffene
Linien-
und Farbensym‐
phonien sehen
wollen, aber das enthebt
mich nicht der Pflicht, die Dinge nach
bestem
eigenen Wissen aufzuzeigen.
.Ein gewisses Recht dazu, diese Bilder
lediglich als
farbige Symphonien zu
werten, ist unstreitig dann gegeben, wenn
von der
Anregung zur Darstellung ganz
abgesehen wird und nur der ornamental
dargestellte Farbenkosmos interessiert, der
durch die verschiedenen formalen und Far‐
benbeziehungen innerhalb des Bildrahmens
besteht.
.Die von mir in meinem substantiell-gei‐
stigen Organismus erlebten und infolge mei‐
ner angeborenen, primär wohl auf das
Optische gerichteten Auffassungsweise, in
erster Linie ihren
Farbenwerten nach
empfundenen geistigen Kräftegestalten
geben ja nur das
Material zur Bildgestal‐
tung, die in ihrem ganzen Aufbau ebenso
meine Komposition bleibt, wie jedes
Landschaftsbild, einzig dadurch be‐
stimmt,
welchem Erleben ich den Weg zur
Seele des Beschauers schaffen will.
.Ich muß ja auch die Formen- und Far‐
benelemente der
Landschaft in ganz ver‐
schiedener Weise verwenden, je nachdem,
ob das Bild
Ruhe und
Frieden,
trost‐
volle Zusprache, oder aber
befeuernde
Hilfe dem Betrachtenden vermitteln soll.
.Die
gleichen gegenständlichen Kom‐
ponenten einer Landschaft werden
wesent‐
lich andere Behandlung verlangen, wenn
ich eine schwere Gewitterstimmung malen
will, als wenn es sich darum handelt, eine
Stimmung der taufrischen Morgenfrühe
fühlbar zu machen.
.Ebenso muß ich auch die mir
innen
gegenwärtigen, farbigen Diagramme und
Projektionen geistiger Kräftewelten in sehr
verschiedener Art behandeln, je nachdem,
welches genau präzisierte geistige Erleben
ich darstellen, oder welchen geistigen Vor‐
gängen ich die analoge Bildform schaffen
will.
.Es wäre auch gewiß kein Sakrileg, die
einmal bis zu ihrer Darstellungsmöglichkeit
in der Fläche gebrachten Formen mit ihren
Farben nun
in völlig freier künstleri‐
scher Komposition intuitiv angeregt zu
verwenden, aber der Reichtum an sachlich
Erlebbarem ist in diesen geistigen Welten
derart unerschöpflich, daß auch im längsten
Erdenleben immer nur erst ein winziger
Teil des Erlebensmöglichen dargestellt wer‐
den könnte, auch wenn der es Darstellende
tagtäglich konzentriert an der Staffelei ar‐
beiten wollte.
.So ist man der freien Erfindung, die
ohnehin nicht meine Stärke wäre, glück‐
licherweise enthoben und kann sich allein
der
Komposition des „
Bildes” widmen,
dessen geistiges Vorbild immer
gegeben
ist, auch wenn die künstlerische Darstel‐
lungsmöglichkeit erst gefunden werden
muß.
.Daß aber diese geistlichen Bilder dem
Betrachter nur dann etwas zu geben haben,
wenn er sich selbst nicht krampfhaft in
irgend einer ihm lieb gewordenen Kunst‐
auffassungsart festzuhalten sucht, sondern
den Mut findet, sich frei und unbeschwert
von Deutelust den ganz andersartigen
Augeneindrücken zu überlassen, die sich
ihm hier darbieten, ergibt sich unschwer
schon aus der fürs Erste befremdlichen
Farben- und Formenwelt, auch wenn man
noch nicht weiß, daß sie einer
Wirklich‐
keit entspricht, die diesen Namen tausend‐
mal mehr verdient, als alles, was in unserem
äußeren physischen Dasein mit gleichem
Namen bezeichnet wird.
.Geradezu
warnen muß ich demgemäß
davor, den
Namen, durch die ich die Bilder
für die Sprache bezeichenbar mache,
etwa einen
Deutewert beizulegen!
.Würde mir eine
andere Bezeichnungs‐
art für die einzelnen Werke
angängig er‐
scheinen, dann würde ich ihnen gewiß
keine „Namen” geben, ‒ oder das doch
nur
in den seltensten Fällen für geboten
halten.
.So aber, auf Wortbenennungen
ange‐
wiesen, bitte ich in den „
Namen” nichts
anderes sehen zu wollen, als Hinweise auf
die mir zum Erfassenkönnen des jeweiligen
einzelnen Bildes am sichersten tauglich er‐
scheinende Empfindungseinstellung.
.Ein solches Bild läßt sich aber erst dann
„
empfinden”, wenn es von dem Betrach‐
tenden
erlebt wird, und zu erleben ist es
von ihm nur, wenn er
sein eigenes Be‐
wußtsein in das Bild versenkt: ‒ sich also
in den Formen und Farben des Bildes selbst
findet, als sei hier
sein eigenes Seelisches
dargestellt, was ja auch oft genug der Fall
ist...
.Nur auf diese Art ist es möglich, in der
Seele den Widerklang zu wecken, der mit
den von mir dargestellten geistigen Kräfte‐
projektionen wirklich korrespondiert.
.Jeder andere Versuch, eines dieser geist‐
lichen Bilder in sich aufzunehmen, muß zu
einem Fehlschlag führen.
.Es darf sich
nichts zwischen Auge und
Seele stellen!
.Jede Zwischenschaltung bewirkt eine
Verfälschung des Dargestellten für die
eigene Erfahrung.
.Das Wesentliche ist also die durch kei‐
nerlei Deutelust behinderte
Einfühlung,
und nur dem sich Einfühlenden kann sich
ein solches Bild zu eigen geben.
.Jedem, der es sich auf
andere Weise
habhaft machen will, wird es nicht mehr
von sich zu sagen wissen, als irgend eine
seltsame Tapete.
.Wie aber der von mir dem Bilde bei‐
gegebene „Name” nur wie das Anschlagen
einer Stimmgabel wirken soll, so sind auch
die zuweilen in den Bildern dargestellten
Formen
fast irdischer Art, die deutliche
Anklänge an Elemente physisch sichtbarer
Erdendinge zeigen, nicht viel anders auf‐
zufassen.
.Es handelt sich hier
nicht um eine will‐
kürliche
Symbolik oder
Allegorie, son‐
dern um Formen, deren
Aufbauelemente
sich in
nichts von denen der
anderen Ge‐
stalten dieser geistigen Kräftewelten
unter‐
scheiden, aber während bei diesen ande‐
ren Gestalten die
ursprüngliche, durch
rein
geistige Strebung bewirkte Formung
vor dem Auge des Betrachters steht, sind
die
dem Irdischen nahen Formgebilde
sekundäre Gestaltungen, bestimmt durch
irdischer Sichtbarkeit entlehnte
Wertbil‐
der wirkensdurstigen
menschlichen Vor‐
stellungsvermögens.
.Diese
Influenz-Gestaltungen treten
überall in den geistigen Kräftewelten auf,
wo durch starke stille Willens-Ströme,
menschlicher Vorstellungsinhalt bis in die
Regionen des substantiell-geistigen Kräfte‐
waltens emporgetragen wird, und es gibt
daher
fast unendlich viele solcher gei‐
stig substantiellen Sekundärformen.
.Kein über das irdisch Tierische hinaus‐
reichendes Streben,
kein Glaubensbezirk
und
keine Vorstellungswelt dem Geistigen
zustrebender Weltanschauungen ist an der
Schaffung solcher
sekundärer substantiell
geistigen
Influenz-Gestaltungen
unbe‐
teiligt.
.Dahin gehören auch die auf manchen
meiner geistlichen Bilder dargestellten,
schneebedeckten Bergesgipfel, die
pflanzenartigen Gebilde, die da oder dort
erscheinenden, rein
geometrischen gei‐
stigen
Ursymbole, so wie die allereinfach‐
ster Vorstellungsart entstammenden
Tuben
auf dem Bilde: „Tempel der Ewigkeit”,* ‒
ferner die scheinbaren
Meeresflächen
und
Wellen, die
Edelsteingebilde und
Blumenkelchformen, wie auch sonst
alles, was rein
irdisch befruchteter Vor‐
stellungsfähigkeit allenfalls entstammen
könnte.
.Die
primären geistigen Kräfteformen
finden hingegen, ihrer
Gesamtgestalt
nach,
keine irdischen Parallelerscheinun‐
gen, außer vielleicht in
allerkleinsten
Aufbauformen, wie sie allein das Mikroskop
offenbaren kann, sowie in
elektrischen
und
elektro-
magnetisch bedingten Er‐
scheinungen (insbesondere solchen, bei Ent‐
ladung hochgespannter Ströme) und ‒ in
gewissen, aus der Notwendigkeit entstande‐
.*) Wandbildreproduktion in Farbenlichtdruck: Neue Photogr. OO
Gesellschaft, Berlin-Charlottenburg.
nen Formen
technischer Gebilde, wie sie
der Ingenieur
er-
findet, weil sie in seinem
rein Geistigen zu
finden sind.
.Löste man aber alle diese vielfältigen
Formen substantiell geistiger Kräfteprojek‐
tionen in
ihre letzten Komponenten
auf, so würde auch von der
primären For‐
menwelt nicht das kleinste Detail übrig
bleiben, zu dem nicht Entsprechungen in
der dem physischen Auge zugänglichen
Natur irgendwie und -wo gefunden werden
könnten, denn alles Naturgestaltete ist ja
nur
Bezeugung der Formen ursächlich
wirkender geistiger Kräftewelten, die in
meinen geistlichen Bildern
künstlerisch
verarbeitetes Bildmaterial wurden, ‒
und auch das in
physischem Leben durch
diese Kräfte Gewirkte kann
keine ande‐
ren Formen zeigen, als die ihm
geistig
zugeteilten.
Anmerkung: Das Bild ist im Buch nicht enthalten.
.Die himmlisch-erhabene Gestalt des
„
Gottmenschen”, wie sie ‒ viel weniger
aus den Evangelien, als aus
anderen, der
beginnenden Dogmenbildung zu ihrer Zeit
weit
weniger erwünschten Schriften, ‒
bis in unsere Tage herunterstrahlt, ist alles
andere eher, als „Portrait”; ‒ als
Bildnis,
das auf
formale Ähnlichkeit mit einer
dahin gegangenen menschlichen Erscheinung
sich berufen dürfte.
.Es ist
nicht die Gestalt des
Rabbi
Jehoschuah, des „Nazareners”, die vor
der Seele auftaucht, wenn von dem
Chri‐
stus Jesus die Rede ist, sondern ein simul‐
tanes Vorstellungsbild, zu dem das Vorstel‐
lungsvermögen ungezählter Wort- und Bild‐
gestalter die einzelnen Elemente im Laufe
von fast zwei Jahrtausenden beigesteuert
hat, ‒ fast in allen Stücken Zeugnis der
Verwirrung und Betörung durch dogmati‐
sche Festsetzungen, die mit der Wirklichkeit
auf sehr gespanntem Fuße bleiben müssen
um sich zu erhalten.
.Und doch sind unter den vielen, von bil‐
denden Künstlern geschaffenen Messiasbil‐
dern nicht ganz wenige zu finden, die offen‐
bar aus dem Willen heraus konzipiert wor‐
den waren, der
menschlichen, voreinst
sichtbaren Erscheinung des Meisters, nach
einer auf Vermutung gegründeten künst‐
lerischen Vorstellung, ein „
vielleicht” der
Wirklichkeit doch irgendwie ähnliches Ab‐
bild zu gestalten, da ja, ‒ von vulgärem
Unfug, der es vortäuschen möchte, hier
natürlich abgesehen, ‒ kein authentisches
Bildwerk aus der Zeit Jesu existiert, das ihn
zur Darstellung gebracht hätte.
.Ganz frühe Kultbilder mögen zwar, ‒
wie ich heute zu vermuten geneigt bin, ‒
auf irgendwelche
Tradition zurückgehen,
an deren
Ausgangspunkt der
optisch
empfangene Eindruck eines mit dem Volks‐
lehrer Jehoschuah
gleichzeitig Lebenden
gestanden haben kann, aber alles was später
gestaltet wurde, ist in jedem Falle
Werk
der Phantasie, die der künstlerischen
Vorstellung jeweils
das Vorbild schuf, das
in der Auffassung des Künstlers seelisch oder
durch äußere Eindrücke
vorbestimmt
war.
.Auch ich habe vor Zeiten einen
Gekreu‐
zigten und einen
Auferstandenen ge‐
malt und in beiden Bildern den Gesichts‐
typus des blonden, blauäugigen Juden fest‐
gehalten, wie er unter den
Chasidim,
den jüdischen Mystikern des europäischen
Ostens, gar nicht selten ist, und wie er mir
zuweilen in geradezu erschütternder Hoheit
des Ausdrucks begegnet war.
.Aber auch der bartlose Christus der
Katakomben hat zeitweilig meine Vor‐
stellung zu bestimmen versucht, während
der menschlich so ergreifende Jesus
Rem‐
brandts für mich stets dermaßen zur sub‐
jektiven Gesamtgestalt
des Künstlers ge‐
hörte, daß ich unmöglich von da her etwas
in mein eigenes Vorstellungsbild überneh‐
men konnte.
.Anders war es gegenüber dem Kopf des
Jesus auf dem „Zinsgroschen”-Bilde von
Tizian.
.Der dort Dargestellte wollte sich in sei‐
ner vornehmen Überlegenheit über die Pha‐
risäer recht gut mit meiner eigenen Vorstel‐
lung von dem irdischen Meister Jehoschuah
vereinen lassen, wenn ich auch seinen
menschlichen Typus nicht als überzeugend
empfand.
.Ich erwähne das alles nur um zu zeigen,
daß auch ich, solange ich auf ein
Vorstel‐
lungsbild angewiesen war, das sich nur
auf
Vermutungen über die mögliche
äußere Erscheinung des erhabenen gott‐
einigen Menschen gründete, genau so von
den vorhandenen Gestaltungen der Kunst,
oder auch durch das Leben, Vorstellungs‐
einflüsse empfing wie jeder Andere.
.Das hörte erst auf, nachdem ich, nach
langen Jahren der Schulung, die, als mit
mir geborene
Pflicht aufgetragene
Be‐
wußtseinsentfaltung im Erkenntnis‐
bereich des
substantiellen ewigen Gei‐
stes erreicht hatte, durch die ich mit dem
in diesem Bereiche ewig Lebendigen, der
ehedem im Irdischen als der wandernde
Lehrer
Jehoschuah durch Palästina ge‐
zogen war, in die Bewußtseinsvereinung
kam, die
alle hier Bewußten einigt.
.In meinem Buche: „
Das Mysterium
von Golgatha”* sage ich über diese Ver‐
einung Folgendes:
.* Richard Hummel-Verlag Leipzig. (Seite 194 der Neuausgabe!)
„Wir stehen... in permanenter, bewuß‐
ter geistiger Verbindung untereinander, so,
als ob ein steter gleichmäßiger elektrischer
Strom uns immerfort alle ‒ auch die
nicht
im Erdenkörper Lebenden ‒ durchkreisen
würde.” Und später sage ich dort:
.„Auf
geistig-reale Weise können wir
uns alle einander
sichtbar und
vernehm‐
bar machen durch bloßen Willensakt.”
.Hier kann ich nur eindringlich auf diese
Worte verweisen!
.Es versteht sich von selbst, daß auch ein
leiblich bereits
von der Erde Geschie‐
dener, wenn er diesen Willensakt voll‐
bringt, dem
irdischen Auge des mit ihm
Vereinten, seine ehemalige
irdische Er‐
scheinungsform darstellt!
.Diese Erscheinungsform aber war mir ja
in Bezug auf den mir seit der Vollendung
meiner geistig realen Entfaltung allerinnerst
Vereinten, von dem ich ehrerbietigst hier
spreche, im rein
geistigen Bewußtsein
ohnehin vertraut.
.Daß ich aber, soweit ich auch
Künstler
bin, den begreiflichen Wunsch haben mußte,
dieser Erscheinungsform ein
künstleri‐
sches Dokument zu schaffen in ihrer
Wiedergabe durch die Mittel des Malers,
dürfte wohl ebensowenig befremden können,
wie die Tatsache, daß die Befruchtung durch
den
optischen Eindruck
auf das kör‐
perliche Auge, einem
jeden Bildnis mehr
bestimmendes
Leben verleiht, als das
bloße Zurückgreifen auf eine innerliche An‐
schauung, bei deren Betrachtung doch
der
Nimbus subjektiver Gefühlswahr‐
nehmung begreiflicherweise die rein
far‐
bige,
plastische und
lineare Gestaltung
ganz erheblich
überstrahlt.
.Bis nun meine erste Studie nach dem
durch oben bezeichneten Willensakt ver‐
mittelten optischen Augeneindruck vor Jah‐
ren zustandekam, war sowohl von Seiten
des Dargestellten, wie von meiner Seite her
keineswegs
mehr erstrebt worden, als eine
intensive optische Beeindruckung meiner
künstlerischen Erinnerungsfähigkeit.
.Erst die im hier gegebenen Falle nicht
von mir vorausgesehene längere
Dauer der
geistig geschaffenen, plastischen, lebendigen
Erscheinungsform aus geistiger Substanz
ließ in mir den Gedanken entstehen: ob
nicht der Versuch zu wagen wäre, die ge‐
liebte Gestalt ebenso wie sonst eine andere
Impression aus den Bereichen der Sichtbar‐
keit, so gut es gehen mochte in Lineament
und Farbe, dem Gesamteindruck nach,
wiederzugeben.
.Da ich ja keine Leinwand vorbereitet
hatte, mußte mir eine beidseitig grundierte
Maltafel dienen, auf deren anderer Seite be‐
reits eine landschaftliche Bildstudie aus
früherer Zeit zu sehen war.
.Es gelang mir, während der Dauer der
Sichtbarkeit der geistsubstantiellen Form,
den ersten Eindruck so festzuhalten, daß
ich nun
neben meinem stärkstens bestimm‐
ten optischen Erinnerungsbild auch eine
äußere Unterlage und Kontrolle für das
später zu malende Bildnis des heißgeliebten
Meisters besaß.
.Nachdem ich aber, von einer Ausnahme
abgesehen, seit Jahrzehnten nichts Figür‐
liches zu malen versucht hatte, weil mir
schon in meinen jungen Jahren klar wurde,
daß die Art meiner Begabung nicht auf
Darstellung der menschlichen Erscheinung
gerichtet ist, so stand diese Bildgestaltung
lange Zeit als eine Aufgabe vor mir, der ich
mich, in Ermangelung der nötigen künst‐
lerischen Zuversicht, kaum zu nahen wagte.
.Als dann der Tag herangekommen war,
an dem ich die Leinwand für das Bild prä‐
parierte,* war auch die Möglichkeit, meine
Arbeit statt an der gemalten Studie, an der
geistig verursachten, zeitweiligen plasti‐
schen
Wiedergestaltung der früheren
irdischen Erscheinung des Darzustel‐
lenden zu kontrollieren, in derart gesteiger‐
tem Maße gegeben, daß ich die erste Studie
nur
nebenbei noch zu Rate zog, und nur
im Hinblick auf gewisse, dort schon er‐
reichte
lineare Bestimmungen, die ich bei‐
behalten wollte.
.Daß ich mich in der Zwischenzeit dazu
bereitgefunden hatte, schon die erste Studie
in einem kleinen Dreifarbendruck reprodu‐
zieren zu lassen, war nur die Gewährung
der Wünsche und Bitten Anderer, denen ich
nicht verhehlte, daß dieses Bild mir später‐
hin als Grundlage für die durchzuführende
Bildgestaltung auf der Leinwand dienen
.*) Jetzt in Farbenlichtdruck als Wandbild reproduziert bei OO
Franz Hanfstaengl, München.
solle. Man wollte aber nicht erst darauf
warten bis das Endresultat vorliegen würde,
für dessen Zustandekommen ich ja auch
keinen Termin anzugeben vermochte.
.Das ist die wahrheitsgemäße nüchterne
Schilderung der Vorgänge, die zur künst‐
lerischen Gestaltung meines Jesusbildes
führten, das durchaus und eindeutig als
„
Portrait” genommen werden will, einer‐
lei wie man das Können des Portraitisten
bewerten mag, der sich selbst der Mängel
dieses Könnens nur zu sehr bewußt bleibt.
.Das Bild ist nicht etwa auf eine beson‐
dere, „geheimnisvolle” Weise entstanden,
sondern so, wie jedes künstlerische Werk
der Malerei entsteht.
.An der bewußt gewollten Selbstprojek‐
tion des mir substantiell-geistig vereinten
Dargestellten fand ich zwar
das Vorbild
für mein Werk, dieses Werk selbst aber
verlangte von mir genau die gleiche hand‐
werkliche Arbeit, wie sie das Portrait eines
gegenwärtig in äußerer irdischer Gestaltung
Lebenden von mir verlangen würde.
.Auch ihn würde ich ja wahrhaftig nicht
„modellstehen” lassen, sondern sein Leben‐
diges im bewegten geistigen Austausch zu
fassen suchen, wie es nicht anders bei der
Darstellung meines Jesusbildnisses geschah.
.Wem dieses Bildnis nicht
aus sich selber
für sich selber spricht, dem dürften auch
alle Aufschlüsse und Bekenntnisse in Bezug
auf das Lebensgeschehen im
substantiel‐
len ewigen Geiste, ‒ so, wie sie in mei‐
nen Büchern vereinigt sind, ‒ schwerlich
etwas zu sagen haben...
.Es gibt jedoch auch Menschen, die sich
sowohl einem
Schriftwerk als auch einem
Bildwerk gegenüber, fraglos auf die er‐
fahrungsbestätigte Urteilsgewißheit ihres
unverbildeten und unverkrüppelten
Emp‐
findens zu verlassen vermögen, und die‐
sen werde ich kaum erst zu bekräftigen
brauchen, daß mein Jesus-Bildnis weder die
gemalte Wiedergabe einer „Vision”, noch
gar einer auf okkulte Weise irgendwie her‐
vorgebrachten „Materialisation” ist, son‐
dern das Bildnis des
Lebendigen, so, wie
er vor fast zwei Jahrtausenden in seinem
Geburtslande allen ihm Begegnenden sicht‐
bar war, und wie er sich jederzeit, aus seiner
substantiellen geistigen Gestalt heraus, ‒
die erdensinnlich nicht erfaßbar ist, ‒
jedem, der ihm
substantiell geistig
Ver‐
einten für dessen erdenkörperliches Auge
sichtbar machen kann.
.Mir war dieses sich Sichtbarmachen
durch eine
andere Persönlichkeit von Kind‐
heit an vertraut.*
.Die zu dem von mir dargestellten Ant‐
litz gehörende
Körpergestalt ist kaum
mittelgroß: schmächtig und zart.
.*) Siehe: „Das Buch der Gespräche”, Kober'sche Verlags‐ OO
buchhandlung (Seite 80 u.f.)
.Unter einer Anzahl ähnlich gekleideter
und fast die gleiche Haar- und Barttracht
zeigender Menschen gleicher Rasse, muß
dieser Mann geradezu wie in einem Versteck
verborgen gewesen sein, und nur schwer
mochten die ihn Suchenden ihn finden.
.Daß die nur
aus der künstlerischen
Vorstellung hervorgegangene Gestalt der
meisten Kunstwerke, die ihn darzustellen
suchen, eine
große, auch schon äußerlich
überragende Erscheinung zeigt, ist leicht zu
verstehen aus der Neigung künstlerischer
Formensprache, das
geistig Große in er‐
haben großer Gestaltbildung ahnen zu las‐
sen, bleibt aber ferne aller „
Ähnlichkeit”!
.Wenn nun auch die in der christlichen
Kunst erwachsenen Darstellungen Jesu, von
gewissen byzantinischen Mosaiken und an‐
deren Frühkunst-Werken abgesehen, dem
Gottmenschen die Proportionen der ihn
umgebenden Gestalten
lassen, so kön‐
nen sich die Künstler dennoch den „Erlö‐
ser”, so, wie sie ihn empfinden, nur als
großgewachsene, „imponierende” Erschei‐
nung vorstellen, da ja, ihrem Glauben ge‐
mäß, hier die „zweite Person der Gottheit”
menschliche Gestalt „angenommen” hatte,
und es doch schließlich einem Gotte ziemt,
sich auch in menschlicher Verkleidung mög‐
lichst respektabel darzustellen, wovon aller‐
dings der arme Zimmermannsgehülfe
Je‐
hoschuah, der Mann aus Nazareth, zu sei‐
ner Zeit nichts wußte.
.Bevor die
Gebildeten auf ihn aufmerk‐
sam wurden, galt er ja auch seinen Zeit- und
Landesgenossen keineswegs mehr, als uns
heute irgend ein braver, noch jugendlicher
Handwerksmann.
.Allen, die aus diesen meinen Mitteilun‐
gen etwa eine Blasphemie heraushören
möchten, gebe ich nur zu bedenken, daß
ich hier nicht von einer theologisch kon‐
struierten und im Verlaufe vieler Jahrhun‐
derte durch die Patina unzähliger Gebete
altehrwürdig gewordenen, ‒ auf gnosti‐
schen Spekulationen fundierten Vorstellung
ihnen liebgewordener Glaubenslehre spre‐
che, ‒ sondern von dem reinen
Menschen,
der durch sein Lehren nachmals Anderen
zum
Anlaß wurde, ihn zum Gotte zu
er‐
klären.
.Auch ihn haben sie voreinst der Blasphe‐
mie beschuldigt...
.Was ich hier und an anderen Orten von
ihm zu sagen habe, ist bis auf das scheinbar
nebensächlichste Wort
auf den geistigen
Austausch mit ihm gegründet. ‒ Wer will
mir verargen, ihm selber
mehr zu glauben
als seinen Chronisten und den so viel später
gekommenen
Ausdeutern seiner wirkli‐
chen Lehren?! ‒
.Nun ist bereits ein Jahrzehnt vergangen,
seitdem sein Bild durch meine Hand ent‐
standen ist, ‒ ein Jahrzehnt, das mir reich‐
lich Gelegenheit zu Kritik und Prüfung gab,
‒ aber ich habe dennoch nur zu sagen, daß
meine Wiedergabe des Dargestellten jeder
erdenklichen Nachprüfung jederzeit stand‐
hielt, soweit es sich hier um den
Eindruck
handelt, den auch seine Zeitgenossen von
der irdischen Erscheinung des Menschen her
erhielten, und den ich seit der Entstehung
meines Bildes unzählige Male wieder und
wieder erhalten habe.
.Nichts Anderes aber wollte ich durch
dieses Bildnis vermitteln, als diesen irdi‐
schen Eindruck seiner Züge und seines
Blickes.
.Des Bildes rein
künstlerische Bedeu‐
tung kann für mich gewiß nicht in erster
Linie stehen.
.Es fehlt mir jeglicher Ehrgeiz, etwa
als
Bildnismaler betrachtet zu werden.
.Daß es mir möglich wurde, den Eindruck
der Erscheinung des irdischen
Menschen
um den es sich hier handelt, wiederzugeben,
verleiht diesem Bildnis seinen
ausschließ‐
lichen Wert, denn dieser Erdenmensch
war der Leuchtende: Jehoschuah = „
Je‐
sus”, aus Nazareth, auf den sich alle Aus‐
sagen der vier Evangelien bezogen wissen
wollen.
.Ich werbe hier wahrhaftig nicht um
„
Glauben” an diesen Bericht von der Ent‐
stehung des einzigen authentischen
Bild‐
nisses des erhabensten geistigen Lehrers,
der je unter Erdenmenschen erstanden ist,
sondern spreche mit aller Bewußtheit und
uneingeschränkter Verantwortung durch‐
aus
autoritativ, als der
einzige, mit den
hier erörterten Möglichkeiten
wissend und
praktisch Vertraute, der in der Zeit die‐
ser Niederschrift innerhalb des westlichen
Kulturkreises zu finden ist.
.Ich sehe mich zwar von innenher ver‐
hindert, hier Antwort auf alle die Fragen zu
geben, zu denen der moderne, naturwissen‐
schaftlich denkende Mensch sich den von
mir berichteten Vorgängen gegenüber an‐
geregt finden kann, ‒ bin aber in der Lage,
auszusprechen, daß eine solche Selbstdar‐
stellung in rein geistiger Substanz
bis ins
Kleinste den
bekannten irdischen For‐
derungen entspricht, die wir „
Natur‐
gesetze” nennen.
.Ich weiß, daß sich mein hier gegebener
Bericht sehr vielen Lesern gegenüberfinden
wird, denen es längst bereits „feststeht”,
daß ich mich „natürlich” einer
Selbst‐
täuschung hingebe.
.Ihnen zum Troste kann ich aber in aller
Bescheidenheit vermerken, daß mir der heu‐
tige Stand der
praktischen Erkenntnisse
innerhalb der Neuropathologie, der Tiefen‐
psychologie, wie der verschiedenen psych‐
analytischen Auffassungsbezirke recht wohl
vertraut ist, und daß ich darüber hinaus
noch von so manchen Täuschungsmöglich‐
keiten weiß, von denen die innerhalb der
genannten Gebiete berufsmäßig Erfahrenen
noch so gut wie
nichts wissen.
.Es wäre wirklich eine klägliche Aus‐
flucht, mir eine „Selbsttäuschung” impu‐
tieren zu wollen, nur um sich nicht ein‐
gestehen zu müssen, daß es für bestimmte
Menschen Möglichkeiten des Erlebens gibt,
die
keineswegs Allen zugänglich werden
können. ‒
.Schwerlich wird einer den der Kunst so
hoch verpflichteten Beruf des Malers
höher
zu schätzen,
ehrfurchtsvoller zu
ehren
wissen, als es mich, mein ganzes Leben hin‐
durch,
von innen her erhobene Forde‐
rung lehrte.
.Beträchtliches weiß ich diesem, mir zu‐
teil gewordenen Berufe zu
danken.
.Dennoch habe ich niemals in ihm meine
ausschließliche „
Berufung” gesehen.
.Auch ehemals nicht, als ich um diese Be‐
rufung noch keineswegs mit Gewißheit
wußte.
.Ich empfand es als unbedingt zu mir ge‐
hörig, daß ich unter anderem auch
mit der
Farbe umgehen können müsse, und das
rein
Handwerkliche des Malerberufes
war mir von allem Anfang an nicht nur
geheiligtes Tun, sondern zugleich auch
liebend umhegtes Gebiet
schaffender
Formungsfreude.
.Es gab eine Zeit in der ich recht fleißig
in Ton modellierte und Holzbildhauerei
versuchte. Auch den Stein hatte ich be‐
arbeiten gelernt. Aber ich gab die Hin‐
neigung zur Plastik auch wieder auf, ohne
je erneut zu ihr zurückzukehren, denn viel
zu deutlich war mir bewußt geworden,
daß mir das
plastische Gestalten niemals,
so wie das Malen,
Beglückung werden
könne.
.Ich bin auch überzeugt, daß
architek‐
turales wie
musikalisches Schaffen mir
niemals zu solchem Beglücken geworden
wären, auch wenn ich den Studiengang des
Architekten, oder den des Musikers durch‐
laufen hätte.
.Der Beruf des Malers hatte mich zweifel‐
los aus tief in meiner seelischen Konstitu‐
tion verankerten Strebungen her angezogen
und gehört in mein irdisches Wirkungsfeld,
‒ organisch verlangt, ‒ hinein.
.Dennoch gab es für mich vom ersten
Tage meines Studienbeginns an keinen
Zweifel, daß der als so erhaben empfundene
Beruf für
mein eigenes Erdenleben nur
sekundäre Bedeutung haben dürfe, was
mich auch gar manche Gelegenheit, durch
ihn zu Ehre und Ruf zu gelangen, zum maß‐
losen Erstaunen Anderer, geruhsam und be‐
wußt übergehen hieß.
.Es war Charakteristikum meiner
Be‐
rufung, ‒ die ich ja heute, angesichts des
bleibenden Werkes das ihr zu danken ist,
nicht erst zu umschreiben brauche, ‒ daß
ich von Kindheit an von innen her geleitet
wurde, allem Leben um mich her, und auch
wenn es mich selbst
sehr entscheidend
anging, als gelassener Zuschauer
gegen‐
über zu stehen, wie man einem
Schau‐
spiel, mag es auch noch so sehr ergreifen,
gegenübersteht: ‒ miterlebend, beglückt,
erschüttert oder entsetzt, ‒ aber niemals
wirklich
miteinbezogen.
.Daraus ergab sich von selbst, daß ich
zwar viele Lebensbezirke, ‒ innerlich auf
überaus tief empfindende Weise miterlebend
was in ihnen zu erleben war, ‒
kennen‐
lernte, ‒ aber nie in Gefahr kam, mich
an einen zu verlieren.
.So fühlte und fühle ich mich auch im
Reiche der
Kunst, als
Maler, aus ein‐
geborenem Erbrecht her
heimisch, und
doch wäre es mir niemals möglich gewesen,
die Grenzen dieses Reiches auch als die Ab‐
steckung der mir selbst gebotenen Grenzen
zu betrachten.
.Es war vielmehr stets ein glühendes Ver‐
langen in mir, in
jedem neuen Bereich
menschlichen Tuns und Strebens, den ich
auf meinem Lebensweg durchwanderte,
oder den dieser Weg auch nur streifte, mög‐
lichst
ebenso heimisch zu werden, wenn
auch oft nur aus dem einzigen Grunde: das
Leben von diesem für Andere
bestimm‐
den Bereiche her
sehen und
verstehen
zu lernen.
.Auch alles
Lesen wurde solchem Ver‐
langen dienstbar gemacht, soweit es über
Fragen der Kunst und Kunstwissenschaft
hinausführen sollte.
.Für
belletristische Kunst blieb da‐
neben ‒ bei aller Bewunderung des in ihr
zutagetretenden Könnens ‒ nur wenig Zeit
und Neigung übrig, umsomehr, als ich stets
vorzog, das Leben in allen mir irgendwie
zugänglichen Bezirken nicht in geformter
Nachbildung, sondern durch
eigenen
Einblick kennenzulernen.
.Nichts wurde dabei etwa durch den
Beruf bestimmt, den ich vielmehr, soweit
es nur möglich war, in allen meinen Bezie‐
hungen zum Leben
fast auszuschalten
suchte, ‒ jedenfalls aber ihm
nur dort
Rechte gab auf Mitbestimmung meiner Ein‐
sicht, wo sein ihm innerhalb des allgemeinen
Lebens vorbehaltenes Gebiet
allein in
Frage kam.
.Meine
Berufung, ‒ nicht mein Be‐
ruf, ‒ hat zu allen Zeiten mein
Werden
und mein wirkendes
Leben bestimmt!
.An dieser, mit der Berufung selbst ge‐
gebenen, inneren Situation würde sich auch
nichts ändern können, wenn ich noch eine
Reihe reicherfüllter Menschenleben hier in
der irdischen Sichtbarkeit zu durchleben
hätte.
.Niemals könnte mir der Beruf als Maler
Anderes sein, als
Akzidenz: ‒ als mir auf
Grund erfüllter kunstgeforderter Voraus‐
setzungsreihen gewährtes
Recht zu schö‐
pferischer Gestaltung im Bereiche der
Sichtbarkeit.
.Niemals könnte von diesem „Recht zur
Gestaltung” her der Umkreis meines irdi‐
schens Wirkens erweitert oder verengert
werden.
.Niemals könnte sich mir aus dem
Beruf
her Anlaß zu einer Bekundung ergeben, die
nicht ausschließlich
künstlerische Be‐
kundung wäre.
.So ist es auch wahrlich nicht der
Beruf,
der mich zu diesen hier gegebenen Berichten
„aus meiner Malerwerkstatt” veranlaßt hat,
sondern ausschließlich der innere Ruf mei‐
ner geistigen
Berufung!
ENDE
MANCHERLEI
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1939
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1939
BUCHDRUCKEREI KARL WERNER IN BASEL
.Was in dieser Sammlung „verdichtet”
OO
zu finden ist, erwartet von dem Aufneh‐
OO
menden vorangehende oder nachfolgende
OO
Kenntnis meiner geistigen Lehrschriften, die
OO
alle einzeln aus der Kober'schen Verlags‐
OO
buchhandlung in Basel, Stapfelberg 2, über
OO
jede sachkundig geleitete Buchhandlung be‐
OO
zogen werden können.
Verzeichnisse sind
OO
auch
direkt vom Verlag zu erhalten.
B. Y. R.
Mancherlei, was sich zusammenfand,
Ist hier vereinigt in einem Band,
Wie es sich selber zusammenfügte
Und seiner inneren Einheit genügte.
Nichts will hier außer der Reihe stehen
Oder nur eigene Wege gehen.
Alles ist so oder so
verbunden
Mit Allem, was sich dazugefunden.
Und wird auch von
mancherlei Dingen
.gesprochen,
So wird doch die Einigung nicht
.unterbrochen.
Nur will auch das
Einzelne für sich
.allein,
Ein Ganzes jeweils
Im Ganzen sein!
J.Schneiderfranken
Es widerstrebt mir tief im Innersten,
Die Worte aufzubauschen: ‒
Mich selbst und Andere
Durch Dithyramben zu berauschen. ‒
Wo ich in irgendwelchen
Rhythmen rede,
Rede ich in Worten, die sich anders nicht
Gesprochen wissen wollen,
Doch nicht, um
Versgebilde auszuformen,
Die nach allgemeiner Metrik Regeln
Sich bestätigt finden sollen.
Mir ist es gleich, wo man in der
Poetik
Unterbringen will, was ich zu formen habe,
Und doch nur forme
als Behältnis
Für die dargebrachte Gabe
Aus dem Meer der Seele,
Das in meiner Barke ich befahre,
Aus ihm zu bergen, was in seiner Tiefe
Ich ‒ für Andere ‒ gewahre.
So, wie ich nur nach
meinem Sinne ‒
Wohl der Wogen und der Stürme kundig ‒
Setze meine Segel,
So flechte ich auch meine Tragekörbe
Aus den wilden Weiden
Und den Uferbinsen,
Nur nach
meiner Regel!
Es ist ein Unterschied
Ob einen Schreibenden
Nur die Bedrängnis seiner Worte treibt,
Die sich
geschrieben finden wollen, ‒
Oder, ‒ ob alles was er schreibt,
Ihm erdenhafter
Übertragung Träger ist,
Und dennoch allzugleich
Im Reiche wesenhaften Geistes bleibt!
Es ist ein Unterschied,
Ob das, was einer mitzuteilen hat,
Erst zum Gebild durch Worte
werden will
Und nach dem
Wortbild strebt, ‒
Oder, ‒ ob seine Mitteilung
Geistige Prägung ist
Aus dem, was sich
im Wirklichen
Der Ewigkeit ereignet,
Wo er selber leibt und lebt!
Daß ich mich selber offenbaren muß,
Dient mir wahrhaftig nicht zum Selbstgenuß!
Ein stilles Menschenleben lang
War ich gewohnt, von mir zu
schweigen
Und mich, „
nicht um die Welt”,
Vor Anderen zu „zeigen”.
Wenn dennoch es zuletzt der
Pflicht gelang,
Mein Sträuben in mir selbst zu überwinden,
So war das nicht ‒ Befreiung,
Sondern hartes
Binden
An eiserne Notwendigkeit, die von mir
.wollte,
Daß ich: was
ich nur von mir wissen
.kann,
Auch selbst
berichten sollte. ‒
Nennt es „Atmân”, nennt es „Purusha”,
.„Brahma”, ‒
Nennt es „Allgeist”, ‒ „Vater”, ‒ nennt
.es „Gott”, ‒
Was da in mir, dem Erdenmenschen, spricht,
Sich selbst bezeugt und dargeboten wissen
will, ‒
Nur seid gewiß: ‒
hier wurde Gott
Euch wahrlich
nicht „zum Spott”!
Ich bin das „Wort”,
Die „Stimme”
Und der Stimme „Schall”, ‒
Der
Sprecher
Und der Stimme
Widerhall!
Versagt ist mir
Zu sondern und zu trennen, ‒
In allem muß ich
zu mir selber
Mich bekennen!
In
Einung bin ich „
Stimme” dem,
Was zu euch spricht!
Mir
selber aber bin ich
still
Und
aufgelöst im Licht! ‒
Wenn ich von mir und den mir geistig
.Gleichen
Euch berichte,
Geschieht das, weil es
gut ist, daß man auch
Von solchen Menschen
weiß,
Wie man in Grönland wohl von
Palmen
Wissen kann,
Und in den heißen Dschungeln
Auch von
Eis. ‒
Ich zeige uns nicht, um euch aufzuzeigen,
Was
ihr erringen könntet, wolltet ihr
Uns gleichen,
Denn was ich zeige, ist
nur uns zu eigen
Und läßt von
keinem Andern sich
Erreichen.
Doch: ‒ daß ihr von uns wißt,
Kann euer Leben wandeln
Und ändern euren Sinn in Denken, Wort
Und Handeln!
Ja: ‒ daß ihr von uns wißt,
Läßt euch im Lichte finden,
Was unauffindbar ist,
Den geistig Ewig-Blinden. ‒ ‒
Sind wir auch Träger dessen, was euch trägt,
So bitten wir euch doch zugleich: ‒ erwägt,
Daß, was wir tragen,
euch wie
uns belebt,
Wenn ihr euch selber
ihm zu eigen gebt!
Es hat für Myriaden Formen Raum und
.Licht,
Nur überläßt es
denen sich wahrhaftig
.nicht,
Die es sich selbst
als Eigengut erstreben
Und sich ihm selber
nicht zu eigen geben.
Erst, wenn
verzichtet wird auf eig'nen
.Schein,
Kehrt das, was
wirklich ist, im Menschen
.ein: ‒
Nur wer sich selbst zu leerem Raume weitet,
Findet sich ewig lichtem Leben zubereitet!
Euch selber aus euch fortzudenken
.liegt euch denkbar fern,
Denn was hier auszulösen ist,
.habt ihr noch viel zu gern!
Und doch muß Jeder lernen,
.von sich fort zu denken
Soll sich ihm wahrhaft
Gott
.zu eigen schenken. ‒
Die nur
sich selber denken
.und
sich selber meinen,
Kann Gott in Ewigkeit
.sich nicht ver-
einen!
Wollt ihr
in Gott
.dereinst euch selber
finden,
Dann darf Vergängliches
.euch nicht mehr
binden!
Was ihr erlebt, das soll euch nicht mehr
.euer: ‒
Soll euch vielmehr der Erdenwelt
.Erleben sein! ‒
Ihr dringt nur, ‒ für ein Mit-Erleben
.„teuer”, ‒
In das euch hier erlebbare Erlebnis
.ein, ‒ ‒
Und müßt euch Tag für Tag, ‒
Was auch der Sinn erfahre, ‒
Dem hier gemeinten Mit-Erleben neu
.entwinden,
Daß es euch nicht zuletzt ‒ als
.Selbstgefesselte gewahre,
An harten Ketten die euch peinvoll binden!
Ein Satz, wie selten einer an Betörung reich,
Gilt vielen Menschen als gesicherte
.Erkenntnis.
Er sagt: ‒ „Vor Gott sind
alle Menschen
.gleich!” ‒
Und wer ihn ausspricht, meint ihn
.‒ als „Bekenntnis”.
Was er besagt, schlägt aller Wahrheit
.in's Gesicht,
Denn nicht nur
gibt es solche „Gleichheit”
.nicht,
Sondern die Wirklichkeit bezeugt ‒
das
.Gegenteil, ‒
Zeigt, daß „vor Gott”
kein einziger
.dem Andern
gleicht,
Zu eines Jeden eigenhaftem Heil!
Nur auf der eig'nen, ihm gemäßen
.Geistesstufe
Kann Erdenmenschliches in Gott Erlösung
.finden,
Will es nicht ‒ angelockt durch
.Täuschungsrufe ‒
Sich Gott für Zeit und Ewigkeit entwinden!
Denn jeder steht, in Geisteshierarchie,
.an seiner Stelle
Vor Gott! ‒ Im Lichte der ihm
.zubedingten Helle...
Wir kennen das Meer
Und beherrschen die Welle,
Und wissen um jedwede
Fischreiche Stelle!
Wir fahren nie leer
Unsre Boote zurück, ‒
Nur, daß sie fast sinken
Voll Fang, heißt uns Glück!
So haben wir schon
Vor vieltausenden Jahren
Zusammen und einzeln
Die Meere befahren,
In deren Tiefen
Die Nahrung sich nährt,
Die jeglicher
Seele
Ernährung gewährt.
Wir treiben ein hartes Gewerbe,
Unser Tagwerk ist wahrlich kein Spiel!
Wir lieben das Klare und Herbe:
Wir sind keine „Flöter vom Nil”!
Auf wogend getriebenen Wellen,
Mit Segel und Ruder vertraut,
Da sind wir der Stürme Gesellen
Und wehren uns unserer Haut.
Doch, sind wir dort
rauh ohne Reue,
So sind wir auch
milde und
zart!
Wir wollen, daß
Keiner sich scheue
Vor uns und unserer Art.
Wir sind Gottes Lotsen und Fahrer
Auf der Seele unendlichem Meer,
Und der strandenden Schiffe Bewahrer
Am „Land ohne Wiederkehr”. ‒
Wir fahren auf winzigen Schiffen, ‒
Doch immer
bewußt der Gefahr, ‒
Zwischen Felsenstürzen und Riffen,
Stets harter Bedrohung gewahr.
Wir fahren bei Nacht und bei Tage,
Wie Pflicht im Gewissen es will,
Und halten nur heiß banger Frage
Und quälender Seelennot still.
Doch, Keiner noch hat uns gesichtet,
Den wir
vordem nicht selbst schon ersah'n
Und zu dem wir die Segel gerichtet,
Weil wir
wußten, er fühle uns nah'n!
Sobald ich unter meinem Fischerboote
Grüne
Perlenmuscheln in der Tiefe sehe,
Folge ich allein nur dem Gebote,
Daß mir keine
Perle, die sie fassen,
Noch verloren gehe!
Ich werfe allsobald die schweren
.Ankereisen,
Daß mich die Wogen nicht hinweg vom
.Fundort reißen,
Und löse eilig alles von mir, was mich
.hindern würde,
Beim Tauchen in die Fluten als nur
.ungemäße Bürde.
Dann aber knüpfe ich das Tauchertau
.am Kielring ein
Und fasse Messer, Beutenetz und
.Taucherstein
Um mich hinabzustürzen in der Tiefe
.dunklen Grund
Und dort zu bergen den erspähten
.reichen Fund!
Ich weiß, daß Ungezählten er ihr Glück
.bedingt,
Wenn ihn mein Arm ins Boot hinein,
.nach oben bringt!
Mit keinem Taucherkleide,
.keinem Taucherhelm bewehrt,
Weiß jeder, der sich sicher
.zu der Tiefe kehrt,
Um auf dem Meeresgrund der
Seele
.Ungehobenes zu heben,
Daß er es nie vermöchte,
Wiederum empor zu steigen,
Wär' ihm des
Geistes Atem
.selber nicht zu eigen.
Es handelt sich jedoch hier wahrlich nicht
Um Atemkünste, die der Yogi Hindostans
In jahrelanger Übung lernt,
Wobei er immer mehr sich ‒ ahnungslos ‒
Von allem wahrhaft Geistigen
entfernt,
Um Kräfte zu entfalten, die
zu Ende sind,
Wenn seines Herzens, ‒ seiner Lungen ‒
Todeslähmung einst beginnt. ‒ ‒
Im Geiste weiß nur der bewußt zu atmen,
Der selber seiner Geistigkeit bewußt,
.bereits im Geiste lebt, ‒
Und wahrlich nicht nach erdenkörperlich
.bedingten Künsten strebt!
Der „Odem Gottes” wird nicht mit des
.Körpers Lungen eingesaugt,
Die auch nicht auszustoßen wüßten,
.was dem Geiste nicht mehr taugt!
Es geht nicht an,
Das, was ich offenbare,
Und was ich ohne Zutun
Geistgesetzt
gewahre,
Dem Werk der
Denker
Und der
Dichter einzufügen,
Will man nicht selber sich
Und Andere ‒
betrügen!
Ich habe
nichts zu sagen,
Was ich mir
erdachte,
Und
nichts, was mir
Ein dichterisches Ahnen brachte!
Ich gebe nur
Bericht
Von dem, was ich erkunde,
Im Meer der Seele
Auf dem tiefsten Grunde.
Man muß scharf scheiden lernen,
Was ich darzubieten habe,
Von dem, was äußere Erkenntnis wohl
.als Gabe
Erbringt um Meinungen zu
.stützen, ‒
Sonst wird man weder Andern,
Noch sich selber nützen!
Was ich vom „
Lebendigen Gott” euch
.berichte,
Das meint
nie das gleiche wie jene
.Gesichte,
Die voreinst sich grübelnde Denker
.erschufen,
Und die nur, ‒ in Worten, ‒ der
.Wirklichkeit
rufen!
Zwar haben wohl „Arhats” sich manches
.ersonnen,
Und „Rishis” sich manches zu eigen
.gewonnen,
Was in das Wirkliche
zielt und
weist,
Doch ‒
keiner war
selbst im lebendigen
.Geist! ‒
Und
ehre ich auch die „Upanishad”,
So ist sie doch immer nur
äußerer Pfad,
Der nicht weiter als
hirnhaftes Denken
.führt,
Und niemals
die Wirklichkeit selber
.berührt...
Wohl ist mir bekannt, was die „Weisen”
.ersannen
Und sich durch ihr Denken zu eigen
.gewannen, ‒
Doch weiß ich auch, wie sie sich irren
.mußten,
Im Wahn: ‒ zu besitzen, wovon sie
.nur „wußten”!
Ich will dem Glauben, der euch
heilig ist
Und dem ihr euch
verbunden fühlt,
.wie ich ihn
ehre,
Nicht Wehrer, sondern
Helfer sein,
Wenn ich euch lehre!
Denn seht: ‒ ich lehre euch das
Ewige
.empfinden: ‒
Den Geist der Ewigkeit,
in dem ich
.wachend lebe, ‒
Doch will ich wahrlich keine Meinung
.binden,
Durch das, was ich euch aus dem Meinen
.gebe!
Ich will dem Glauben, der euch
heilig ist
Und den ich
ehre,
Nicht Wehrer, sondern
Helfer sein,
Durch meine Lehre!
Denn seht: ‒ ich bin euch urgewisser
.Zeuge
Des Wirklichen, das euren Glauben
.schuf!
Damit der Irrtum nicht die Wahrheit
.beuge,
Erreicht euch aus dem Ewigen mein
.Ruf. ‒
Was ich von mir und den mir
.Geistgeeinten weiß,
Die wir, ‒ um unseres
Eigenlebens
.Preis, ‒
Mit Gott vereint in
Gottes Leben stehen,
Soll euch und denen, die euch folgen,
.nicht verlorengehen.
Es wird in unberechenbaren Zeiten
.Keiner euch geboren,
Der sich in gleicher Einheit
.Gott
vereinigt fände, ‒
Und darum wäre, was ich übermittle,
.euch verloren,
Wenn ich es nicht euch in Bericht
.und Gleichnis bände.
Gott ist nicht „unsichtbar”,
Wie wohl die Meisten meinen,
Doch muß er ganz und gar
Der Seele sich vereinen,
Eh' sie ihn
sehen lernt
In allem Seinen!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Und ist auch zu
er-
hören,
Nur darf, was
Täuschung war,
Nicht mehr die Seele stören!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Und ist auch zu
er-
fühlen,
Nur wird Gott
nie gewahr
Gedanklichem Erwühlen!
Gott ist nicht „unsichtbar”
Wie all' die Toren träumen,
Die, ‒ aller Ahnung bar, ‒
Ihn, ‒ und
sich selbst ‒ versäumen!
Der
Redner, ‒
Wenn auch nur der sichere und kühne, ‒
Steht er, benommen von sich selbst,
.auf der Tribüne,
Ist stets der Hörer
Herr und ihr
.Verführer:
Nur
seines eignen Schmiedefeuers Schürer.
Schon jeder Wendung werbende Betonung
Verschafft ihm auf der Stelle die Belohnung:
Den
Beifall derer, die sein Drängen drängt,
Bis sie sein Reden ihm zu Füßen zwängt.
Dem
Geistgeeinten, wäre auch zum
.Redner er „geboren”,
Wär' Wort und Sinn
zugleich im Geist
.verloren,
Wollte er Hörer
überreden und
.bezwingen,
Und all sein Streben müßte ihm mißlingen.
Er darf nur künden, was er selbst in
.sich erkennt,
So, wie die Ewigkeit es ihm mit Namen
.nennt,
Und muß es jedem selber überlassen,
Was er vermag zu finden und zu fassen!
Das, was ich niederschrieb,
Damit es hier verbleibe,
Auch wenn ich diesem mängelreichen Leibe
Mich ganz entziehen muß, ‒
Sobald er nicht mehr Hülle,
Und nicht mehr Werkzeug mir zu sein
.vermag, ‒
Das kam nur unter harten Widerständen,
Und meist auch unter weislicher Mißachtung
Aller Körperqual allhier zutag.
Mein Wort will nichts als
Lehre,
Und der Lehre
Weisung sein.
Es schließt in sich
Kein anderes Bestreben ein!
Und wie man mich auch nannte
Um mich zu „benennen”: ‒
In keinem dieser Worte
Konnt' ich mich erkennen. ‒
Was ich zu sagen kam,
Ist nicht die Ernte mühereichen Denkens,
Und nicht die dargebrachte Gabe
Dichterischen Schenkens!
Ich künde nur aus dem, was „ist”, ‒
Da, wo ich selber „bin”, ‒
Und weder nach Gelehrsamkeit,
Noch dichterischem Schaffen,
Stand jemals mein Sinn!
Vor mir, auf der Akropolis, der Parthenon,
Die Propyläen und das kleine Nikeheiligtum,
Hoch über hohen Treppen, hohen Mauern, ‒
Die Erechteionsäulen
Leicht ins Lichte strebend, ‒
Und neben mir, auf freier Fläche Fluchten,
Links der Theseustempel, ‒
Vorn unter mir die winkelreiche Stadt:
Da saß ich Tag für Tag,
Gewärtig mancher noch verborgenen Lehre,
Daß sie an dieser Stätte mir nunmehr,
Wie vordem zugesagt,
Eröffnet werde und das Meine mehre.
Hier kamen zu mir ‒ ungerufen ‒
Die mir Geistgeeinten,
Deren Vorgeborene einst die
Erwecker
.waren,
Der erhabenen Gestaltung Wunder
Die ich um mich sah, ‒
Bewußt in mir
Der Quelle aller lichten Ströme
Tief im Morgenlande,
Die auch der Abendländer Sinn
Befruchten sollen und befruchten müssen,
Und nicht weniger bewußt im Wissen,
Daß ich auch selber dieser Quelle
Lichte Grundquellader war und bin...
Nur was die Quelle
ursprunghaft
Umschließt,
im Geist der Ewigkeit,
Kann wahre Weihewandlung
Hier
im Irdischen erfahren. ‒
Nicht anders aber kann der Orient
Sein
echtes Geisteslicht
Jemals dem Okzident
in Wahrheit
.offenbaren!
Als mich die gleichen Ewigkeitsvereinten
Wiederfanden dann, ‒ jetzt Bringer
.höchster Gnade, ‒
Entboten sie mich an ein einsames Gestade,
Nur schwer erreichbar auf geheimem Pfade.
Hier ward mir erstmals aus vertrautem
.Mund
In Erdenlauten meine
Wortform kund,
Auf daß der Laute Folge dem Gefüge,
Das mich im
Geiste fügt, im
Ton genüge. ‒
Und klar, wie Widerhall,
Kam bald der
gleiche Klang,
Durch hoher Wogen Schall,
Zu brausendem Gesang . . .
Ein wenig Aberglaube hätte leicht vermeint,
Es habe sich „Natur” hier
Ewigem vereint!
Doch tönt mir heute noch der Ton im Ohr,
Als hört' ich wahrlich kosmischer Gewalten
.Chor.
Im Felsgestade einer Insel,
.das ich oftmals malte,
Wie es das blaue Sommerlicht umstrahlte
Bei dennoch wildbewegtem Meer,
.‒ und auch in Abendstunden,
Wenn sich die Ruhe mild
.zurückgefunden, ‒ *)
Dort ward, was ewig mir gehörte,
.meiner Zeit gewonnen,
Und das vordem Gestörte
.wieder neu begonnen . . .
Dort weihte alte, hehrumhegte Handlung
Mein Irdisches in schöpferischer Wandlung
Zu
geistiger Gestaltung um,
.wie sie
das Licht begehrte,
Das sich aufs neue dieser Welt bescherte!
‒ ‒
* Syra, eine der Kykladen.
Wähnt nicht, daß Geisteswandlung
.Erdenkörperliches
schone,
Und gar die Kräfte, die sie wandelt,
.noch dem Körper
lohne!
Was
hier „geopfert” werden muß, ‒
.muß seinem Erdenhaften „
sterben”,
Und läßt vom Leibe
niemals mehr
.sich
neu erwerben!
Doch diese Wandlung wandelt
.aller Körperzelle
Ererbtes, Dunkles um ‒
.zu strahlend lichter
Helle!
Das, was ich
bin, und was ich
war
.und ewig
bleibe,
Ist
zeitlich einverschmolzen
.nun dem
Erdenleibe!
Doch ist der Leib, ‒ als ein vergängliches
.Gebild der Erde ‒ :
Mir nur
vereint, daß er
.mir
dienstbar werde.
Bin ich ihm auch verschmolzen,
Ist der Leib mir dennoch
fremd und
fern.
Wo er mir dienen muß,
Dient er gewiß nicht „
gern”. ‒
Und wenn ich ihn auch hier
.in mir
erklingen heiße,
So bleibt er doch
mir „
fremd”
.und
ferne meiner „
Weise”! ‒
Nur ist sein Leben unerbittlich mir
.verpflichtet,
Bis es der letzte Atemzug vernichtet...
Der Weinberg, der die Lese bringt,
Von der das Lied der Zecher singt,
Liegt hoch an Südbergsrande
In meines Vaters Lande.
Die Sonne
brütet zwar den Wein,
Der Winzer aber weiß allein,
Was er mit hartem Plagen
An
Dung hinaufgetragen . . .
Denn, wenn dem Weinstock wird verwehrt,
Was aus der
Erde er begehrt,
Dann soll man keine Trauben
An ihm zu finden glauben!
Der Acker war mir anvertraut, ‒
Ich hab' ihn schlecht und recht bebaut
Und viel hat er getragen.
Da wurden in ihm Stimmen laut: ‒
„Er sei mir noch umsonst vertraut, ‒
Ich wüßt' ihn nicht zu fragen!”
Durch solche Mahnung bald belehrt,
Bin ich zum Hof zurückgekehrt
Und holte Hack' und Spaten.
Und grub des Nachts, und grub bei Tag,
Bis mir das Gold zu Füßen lag,
Das nie ich hätt' erraten.
Doch, wo ich grub und wo ich fand,
Läßt gutes altes Ackerland
Sogleich die Spur verschwinden.
Und wühlen Diebe spät und früh,
Sie werden doch, trotz Last und Müh'
Das Meine niemals finden!
Mir ward so mancher Kieselstein
Mehr wert als Diamanten,
Mocht' er auch gänzlich wertlos sein
All' denen, die ihn kannten.
Das machte: ‒ daß ich wiederfand
In ihm ein Altbekanntes,
Und schon aus urgezeugtem Land
Mir ursprunghaft Verwandtes!
Das machte: ‒ daß ich wiederfand
In ihm ein erstes Leben,
Das über starre Scheidewand
Sich wußte zu erheben...
Als ob ich ein Yogi wäre
Oder dunkler Künste Meister,
Suchten sie bei mir Rezepte
Um zu bannen jene „Geister”
Die sie selbst sich selber schufen,
Als verhängnisvolle Früchte,
Durch ihr lüsternes Berufen
Abergläubisch toller Süchte.
Als ob ich ein Fakir wäre,
Suchten sie von mir zu hören,
Wie sie leicht in ihrer Sphäre
Könnten Andere betören.
Manche, ganz und gar von Sinnen,
Glaubten gar, daß ich vermöge
Ihnen Alles zu gewinnen,
Wenn ich in ihr Netz es zöge.
Ließ ich aber sie erfahren,
Daß sie mich
vergeblich suchten,
Ward gar unwirsch ihr Gebaren,
Wenn sie mir nicht gar noch ‒ fluchten.
Glaubt mich nicht
fühllos,
Weiß ich mich auch still zu fassen
Und mag ich manche Ahnungslosigkeit
Mir gegenüber
Auch
gewähren lassen! ‒ ‒
Ich bin trotzdem kein totes Holzstück,
Bin kein Stein, der nicht erfühlt,
Wie euch die
Selbstumschnürung bindet
Und die
Herzenskälte matte Liebe
.kühlt! ‒
Ich
weiß auch, wie
ganz anders
Ihr euch darzubieten wüßtet,
Wenn ihr, des
Erdenvorteils wegen,
Euch bequemen müßtet...
Ihr, die das angeht,
ahnt ja nicht,
Wie ihr euch irrt, ‒
Und wie so klügliches Berechnen
Nur die Rechnung euch ‒ verwirrt!
Ihr rechnet
falsch
Mit jedem meiner Erdentage,
Und schafft euch
Schulden,
Wenn auch vorerst ‒
ich
„Die Kosten
trage”!
Zwar hieß mir mancher langhin „
Freund”
.vor manchen Jahren,
Und dankbar ließ ich meine Freundschaft
.ihn erfahren,
Trotzdem ich wahrlich geistig wußte,
.was ihn zu mir trieb, ‒
Und keiner Illusion Betörung
.mir für ihn verblieb.
Ließ ich nun ‒ scheinbar ‒ mich auch
.gern betrügen
Durch solcher „Freundschaft”
.freundschaftliches Lügen,
Das nur den armen Täuscher
selbst
.in sich beraubte,
So tat ich dennoch stets
.‒ aus milder Schonung ‒ so,
Als ob ich an sie glaubte...
Was mich auf Erden irdisch hier umgibt,
Wird geistig immer wieder
In sich selber neu erwogen und gesiebt.
Und habe es auch tausendmal
Mein Herz betrogen,
Und meine Liebe trügerisch gebunden,
So wird es doch zuletzt im Geist erwogen,
.und: ‒
„Zu leicht” befunden. ‒
Wenn es nicht vollgewichtig ist
Nach geistigem Erwiegen,
Muß es dem geistgesetzten
Ausschied unterliegen!
Von denen, die sich einst als „Freunde”
.gaben,
Dann aber, ‒ geistig ausgeschieden, ‒
Mir entfallen mußten
Oder mich verlassen haben,
War keinem zubestimmt,
Mir dauernd nahzustehen. ‒
So mußte jeder wieder
Seiner Wege gehen!
Ihr, deren
echte Freundschaft
Ich so lange schon gewahre,
Und
immer neu in jedem Wort,
In jedem
Blick und jedem
Brief erfahre,
In jedem
Tun und jedem
Nichttun neu
.empfinde, ‒
Euch widme ich, in froher Dankbarkeit,
Dies' Angebinde!
Ihr wißt: ‒ ich muß euch nicht erst
.„Freunde”
nennen,
Und daß ich
Freunde in euch sehe,
Vor der Welt
bekennen!
Ihr
seid mir Freunde meiner Erdenzeit,
Und
heut'
schon Freunde in der Ewigkeit,
In der ich ewig wirkte und aus der ich lebe,
Wie ich zu ihr ‒
Euch,
meine wahren Freunde! ‒
Heute schon erhebe.
Ihr wißt: ‒ es kann da zwischen euch
Und mir sich keine Trennung mehr ergeben,
Und wo
ich selber lebe, findet ihr
In mir, euch selbst in lichtem Leben!
Ihr seid: ‒ seit aller Ewigkeit
Mir
zugeeint
Und mir
vor jeder Erdenzeit
Im Geist vereint!
Wo ihr mich
sucht,
Dort habt ihr mich bereits
gefunden,
Denn wo wir
ewig leben
Sind wir längst
verbunden!
Vergesst nicht, liebe Freunde,
Daß
der „
Geist”
der Ewigkeit
Aus dem ich zu euch spreche
.wie ich sprechen
muß,
Kein Denken ist,
Kein Schauen,
Keiner Vorstellung Gebilde,
Kein Erkennensvorgang,
.sondern:
Unsichtbaren Lebens
Aethergleicher Ursubstanz Bekundung!
Erkennen, denkend Fassen,
In der Vorstellung erschauen,
Kann zwar
Folge
Des in seiner Ursubstanz
Gelebten Lebens sein,
Doch
keine dieser Fähigkeiten
Dringt in
ewiges, ‒
Aus Ewigem allein
Genährtes
Leben ein!
Es ist kein „Spiel”, dem ich frivol hier
.fröne,
Wenn ich mit meinem
Hinschied euch
.versöhne,
Auch wenn ich immer wieder noch ‒ ‒
Den Leib
erfange, ‒ zu allerletzt! ‒ . . .
Und dann
zurück gelange!
Mir ist der Tod zwar dieses
Leibens Ende,
Doch keineswegs auch meines Lebens
Wende.
Ich habe oft genug ihn klar erfahren und
.empfunden,
Und trotzdem immer wieder überwunden,
In starren, nächtlich dunklen Morgenstunden.
So ward er mir vertraut, wie Weniges auf
.Erden,
Und könnte nie mir mehr zum „Schrecken”
.werden.
Nur allerletztes müdes Leibes-leben
Kann ‒ vor der Endigung ‒ vor ihr
.erbeben.
Der Tod an sich ist ohne Schmerz,
.und keine Pein!
Er kann nur Löser aus des Leibes
.Peinen sein. ‒
Wie auch mein Irdisches sich enden mag: ‒
Seid überzeugt, daß mir sein letzter Tag,
Ob ich vermag, den Leib vor Qualen zu
.bewahren,
Oder ihn enden lassen muß
In ärgstem Pein-Erfahren,
Nur Lösung bringt
Von
lange schon Gelöstem
Aus irdisch Kleinem
Wie aus irdisch Größtem!
Mag sich durch
innere Organzerstörung
Oder
äußere Vernichtung
Letztlich meines Leibes Leben enden,
Es darf dann keine Gegenrichtung
Erdenhaften oder geistentstammten
Willens
Schicksalhaftes
wenden!
Was
vordem oftmals wendbar
war
Ist dann
Bedingung
Zu bleibender
Befreiung
Endlicher Erringung!
Am liebsten würde ich auf hohen Meeren,
An eines
Schiffes Bord gebettet,
Mich vom Leibe kehren,
Den man alsdann versenken
müßte in
.die tiefste Tiefe,
Aus der kein Ruf ihn mehr zum Ufer riefe.
So bliebe doch
die Grabstatt ihm erspart,
Vor der auf Erden ihn kein Wunsch
.bewahrt,
Wenn ich
zu Lande ihm verlorengehe
Und seine Erdenbindung schwinden sehe.
Bin ich jedoch der Körperhaft
.entwunden,
So bleibt an meinen Leichnam
nichts
.gebunden,
Was irgendwie zu
mir gehören würde!
Er ist dann nichts, als
abgelegte fremde
.Bürde. ‒
Euch, die ihr geistig,
Oder meiner Erdenbindung nach
Mir nahesteht und nahestandet,
Euch hier zu sehen nun, ‒
Schön schwarz gewandet, ‒
Um meinen Leichnam stehen
Und in Trauer sich ergehen,
Ist mir: ‒ muß ich das wirklich
Euch noch sagen?? ‒
Ein Bild, nicht ohne Lächeln
Zu ertragen.
Wie gerne möchte ich euch doch gewiß
.verschonen,
Davor, der nötigen Beseitigung
.der Schlacken beizuwohnen,
Die mir dann
fremder sind,
.als je ich Fremdes fand,
Zur Zeit, als
Leben ihnen vordem
.mich verband!
Doch, wollt ihr unbedingt
.den Erdenbrauch begehen,
So fühlt zu gleicher Zeit mich ‒
.frei der Hülle ‒
In meines gottgeeinten Lebens Fülle,
Euch Allen heiter nah vereint
.in innerstem Verstehen,
Im „Unsichtbaren” seelisch sichtbar,
.froh inmitten stehen!
Sucht mich auf keinem Friedhof
.und an keinem Grab!
Das, was ich euch und Kommenden
.einst gab,
Ist nicht an Stätten der Verwesung
.aufzufinden
Und keine Gruft vermag es,
.mich zu binden!
Ich kann euch jetzt nur
.in euch selbst begegnen
Und aus dem
Vater in euch selber
.segnen,
Gewahrt nur
selbst in euch,
.daß ich noch
lebe
Und euch mein
Ewiges
.zu
eigen gebe!
ENDE
MARGINALIEN
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1938
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1938 BUCHDRUCKEREI KARL WERNER IN BASEL
.Daß der Abschluß des in meinem über‐
persönlichen Namen Bô Yin Râ gegebenen
metaphysischen Lehrwerkes keinesfalls
eine Verpflichtung für mich schaffe, den wei‐
teren Konnex mit den mich Liebenden, soweit
er durch meine eigenen Niederschriften noch
während meines äußeren Erdendaseins mög‐
lich werde, zu vermeiden, habe ich bereits
in dem Abschlußband „Hortus conclusus”
betont. Was ich dann noch als letztes Wort
zum Ganzen des Lehrwerkes erläuternd sagen
konnte, wurde in dem ihm zugegebenen „Ko‐
dizill” gesagt. Überdies umfaßt ja auch die
Schriftenreihe selbst schon das Buch „Der
Weg meiner Schüler”, dessen Inhalt wie ein
roter Faden dem ganzen Leitseil der Lehre
eingesponnen ist, und nicht aus ihm gelöst
werden kann, ohne die Fäden dieses Führer‐
seiles mutwillig oder achtlos zu lockern.
.Es ist also wahrhaftig nicht meine Absicht,
hier noch irgend etwas zu dem abgeschlos‐
senen Inhalt des Lehrwerkes als Einschub hin‐
zuzutun oder weitere Anweisungen zu geben,
wie dieser Inhalt zu gebrauchen sei. Was hier
vorliegt, sind wirklich „Marginalien”, ‒
Randnotizen und Lesemarken, wie sie bei
und nach der schriftlichen Formulierung des
Werkes, das ich formen mußte, oder auch
bei gelegentlichem Wiedererblicken entstan‐
den, und ihre rhythmisch skandierte Rede‐
form aus der Art ihres Entstehens allein
empfingen. Wenn dabei dann und wann auch
ein „Reim” sich ergab, so war er gewiß nicht
formhaft gesucht. Es sollten ja nicht Dich‐
tungen vorgelegt, sondern Wahrheiten aus‐
gesprochen werden. Ohne weitere Absicht
suchte ich daher jedesmal nur dem von mir
Empfundenen und mir für mich Erfahrungs‐
gewissen den behaltsamsten Ausdruck zu
schaffen, sobald ich im voraus Fragen in
ihrer Entstehung vernahm, als würden sie
mir schon in irdischer Rede vorgelegt. In‐
sofern ergibt sich allerdings eine Ähnlichkeit
mit dem aus ewigem Geiste gesprochenen
Lehrwerk, das ja auf weite Strecken hin tat‐
sächlich im äußeren Leben an mich ergan‐
gene Fragen zu Ausgangspunkten seiner Er‐
läuterungen machte. Besonders wird man sich
an die drei Stücke des Lehrwerkes „Über
dem Alltag” ‒ „Ewige Wirklichkeit” ‒ und
„Leben im Licht” ‒ mit Recht erinnert füh‐
len. Aber es liegt hier doch außer allem Ver‐
gleichbaren noch ein wesentlich Anderes
vor. Kaum „Lehre” ‒ selten Anleitung ‒,
sondern vor allem ein Teilnehmenlassen an
dem, was mir de facto wahrlich „wirklicher”
ist, als alles nur erden wirkliche Leben, dem
ich mich zeitlich fügen muß um in seine Be‐
reiche einfügen zu können, was mir an un‐
antastbarem Ewigen urhaft eingeboren un‐
verlierbar eignet. Das aber ist weit mehr als
mir jemals in meinem irdischen Dasein mög‐
lich wäre, zu bekunden, auch wenn dieses
Erdendasein tausend Jahre währen könnte! ‒
.Was ich jedoch in den mir irdisch zu‐
gemessenen Tagen aus meinem ewigen gei‐
stigen Sein heraus zu geben
vermag, soll
wahrhaftig nicht zurückbehalten werden,
einerlei, ob man es jetzt schon in sich anzu‐
nehmen willens ist, oder erst in kommenden
Generationen so zu erkennen trachtet, wie
es von allen, die ehrlichen, reinen Willens
sind und von allen
Vor-Urteilen frei, auch
heute schon erkannt werden
kann, und
tatsächlich auch von vielen tausenden gleich‐
zeitig mit mir auf Erden Lebenden, als Hilfe,
Rettung und Befreiung aus aller seelischer
Lebensnot empfunden
wird. Ihnen vor
allen, sei das Folgende anvertraut!
Joseph Schneiderfranken.
Ihr, die ihr
nahe mich meintet
Voreinst wohl eueren Zeichen,
Ihr bleibt mir unvergessen
Und lieb als die Gleichen,
Die ihr gewesen und heute
Noch sein mögt in euren Bereichen!
Müßten wir heute jedoch uns
Nochmals begegnen,
Wäre gewiß die Begegnung
Mitnichten zu segnen.
Wahrlich, uns trennt nicht
Die Weite der weitfernsten Sterne!
Nur, wo ihr
nahe euch meinet,
Scheidet uns schaurige
Ferne!
Ich kann es nicht vermeiden,
Daß alles mir entschwindet,
Was nicht in Lieb und Leiden
Sich gänzlich mir verbindet.
Ich kann mir nicht vereinen,
Was mir nicht selbst sich gibt,
lm Willen eins dem meinen,
Und mich in Wahrheit liebt.
Ewigem Offenbarungswillen
Bin ich Offenbarungsform.
Nichts anderes bin ich mir,
Als was ich
solcherart bin: ‒
„Wort” im Urschoß des „Wortes” ‒
Lichtlohe im Licht!
Nichts blieb mir
Um ein Anderes darin
Mir zu erhalten!
Ich lernte wahrlich
Vor mir selber mich verleugnen,
Und weiß kaum noch, daß „ich” es bin,
Wenn mich die Qualen dieser Erde quälen...
Der Irdische,
Der mir willkommene
Verhüllung ist,
Hat längst verlernt,
Sich selbst zu dienen!
Es spricht das „Wort”: ‒
„Ich bin Jeder und bin Keiner,
Ich bin Viele und bin Einer,
Ich bin Erster und bin Letzter:
Wundenschläger und Verletzter!”
„
Ich bin,
Was vor allem Werden ich war: ‒
Meiner Sendeschar „Herr”
Und zugleich meine Schar! ‒
Urewig
ur-
einsam,
In mir allein,
Schließt dennoch mein Sein
Alle „Leuchtenden” ein!”
Wie ich gekommen bin,
So bin ich auch geblieben.
Ich bin nicht erst „geworden”,
Was ich war und bin!
Was mich aus Ewigem
Zeithaft hierhergetrieben
War wahrlich keine Sucht
Nach eigenem Gewinn!
Ich weiß nicht, wen du meinst,
Der du mich deinhaft nennst?
Ich weiß nur, daß du mich
In dir noch nicht erkennst!
Nicht
im Tode erst,
Hätte mein Werk ich vollbringen können,
Denn dieses Werk,
Das mir zu tun oblag,
Und nun getan ist,
Sollte
Leben lösen
Aus dem Leben
dieser Erde:
Gestaltung aus dem Überfluß
Urirdischen Lebenswillens! ‒
Nicht
Lehre allein
Wollte Formung finden...
Höhere Formkraft galt einer
Saat,
Die nur aus
erdenhaften Kräften
Keimen kann
In geistigen Gefilden. ‒
Zu ihren Zeiten wird die
Ernte
Neuen Menschen
reifen!
Noch
anders, als das Erdenwort es wagte,
Das mir treulich Träger meiner Offenbarung
.wurde,
Hätte ich mich wahrlich offenbaren können,
Wäre unerschütterlich gewiß,
Daß ihr auch
aufzunehmen wüßtet,
Was nicht blutgefesselt engen Denkens
Alter Angewohnheit angeglichen ist!
So aber mußte ich
Das euch
Gewohnte achten,
Und anzuknüpfen suchen das euch Fremde
An das euch Vertraute.
Noch seid ihr ja Gefesselte
Euch fesselnder „Begriffe”, ‒
Noch jeder Glaubensmeinung
Sklaven,
.der ihr flucht, ‒
So kann ich euch nur auf
gewohntem
.Schiffe
Zum Hafen hingeleiten, den verstört ihr
.sucht?!
Ich bin das
Meer, ‒
Und tausendfach millionenmal
Bin ich die
Welle, ‒
Ich bin bewegt in mir durch mich,
Und dennoch rühre ich mich nicht
Von meiner Stelle.
Ihr seht mich,
Doch ihr seht nur,
Was euch euer
Horizont umzieht,
Der immer wieder ‒
Wollt ihr ihn erreichen ‒
Vor euch weiter flieht.
Wohin auch Ruderschlag und Segel
Eure Schiffe treiben:
Ihr werdet, wenn ich euch auch
trage,
Doch ‒ in allen meinen Weiten
Stets in
euren Horizonten bleiben!
Wenn mich, ‒ wie oft jetzt schon! ‒
Der Tod berührte,
So galt mein letztes Denken
Immer nur der Gabe,
Die ich, ‒
Bestimmt, mich zeitlich zu verschenken, ‒
Der Erde, die mich trug,
Zurückgelassen habe.
In dieser Gabe nur
Bin ich gegeben!
In ihr nur bleibe ich
Euch zugeeint!
Verwahrt in unvergangbar
Lichtem Leben
Bleibt euch im Zeitlichen
Mein
Ewiges vereint!
Vielfache
Lasten muß ich tragen!
Mancher Art
Wagnisse muß ich wagen!
Wildfremde
Lande muß ich durcheilen, ‒
Seltsame
Leben mit anderen teilen!
Und keiner weiß, was mich tagtäglich
.bedrängt,
Dieweil es an meinerlei Leben sich hängt. ‒
Ich könnte es wahrlich auch keinem
.schildern,
Und keiner vermöchte hier zu
verstehen,
Denn, spräche ich auch
In den deutlichsten Bildern,
So würde sie doch schon
Sein Atem verwehen! ‒
Es würde auch keinem gar
Nutzen
.bringen,
Könnte er jetzt schon hier Einsicht erringen,
Weil keiner dann wüßte, den Weg zu er‐
.fragen,
Zurück zu ihm heute noch nötigen Tagen.
Glaubt nicht, geliebte Freunde,
Nur
auf euch allein bezogen,
Was ich heute Heutigen
Und Menschen ferner Zukunft sage!
So, wie das Meer
Den fernen Küsten seine Wogen,
So sende ich mein Lehrwort
Auch in fernste Tage!
Was ich hier und heute
Gab und gebe,
Gilt für
alle Zeiten!
Was ich hier und heute
Heimlich lebe,
Lebt
geoffenbart schon
Seelen fernster Weltenweiten!
O seid gebeten, Beste:
Laßt mich ‒ ohne
Mit-Leid ‒ leiden,
Und wollet jede Geste
Trösten wollenden Bedauerns meiden!
Viel eher dürfte jeder
Mich gewiß: ‒
beneiden,
Weiß er den Erdenleib
Der hier mir dient, ‒
In Leiden!
Die Kräfte dieser Erde
Die ich „lösen” muß in meinem „Tage”,
Sind lösbar dem nur,
Der
als Dankender der Erde
Körperleid erträgt: ‒
Als Löser körperhafter Bindung ‒
Losgelöst von Angst und Klage!
Wähnt aber nicht, ihr Freunde,
Daß ich „gerne” leide,
Und leidesgierig Leidbefreiung meide!
Ich bin kein Tor, der hier nach Qualen
.sucht,
Damit sein arger „Gott”
Ihn nicht zuletzt „verflucht”!
Mir zeigt sich jedes Körperleid
Als Notruf eines „Lebens”,
Das um sein Schwinden weiß,
Verhallt sein Schrei vergebens. ‒ ‒
So ist es nötig, ihm Gehör zu schenken
Will man das körperhafte Leben lenken! ‒
Im Leid die „Lüge” sehen,
Heißt: sein Leid „verzehren”! ‒
Wer es vermag,
Der kennt kein Leid-Begehren!
Gewiß, ich weiß wohl:
Muß ich heute euch verlassen,
Und aus den Ätherwellen schwinden,
Die euch hier umfassen,
So seid ihr mitleidslos
In düstertrüben Gassen
Euch selbst
Und denen, die dort hausen
Überlassen...
Und weil ich
weiß
Was jene schon erkennen,
Die allbereits aus meinem Geist
Entbrennen,
Darum
erbitte ich mir Tag um Tage
Erneute Körperpein und Erdenplage,
Denn wollte ich kein Leid mehr
Hier ertragen,
So müßte heute noch
Ich eurer Welt ‒
entsagen!
Ihr sagt mir:
„Welches
Glück magst du empfinden,
Und welche
Würde weißt du Dir zu eigen!”
Doch, ‒ Ihr dürft sicher sein:
Weiß ich mich auch zu finden
Wo Ewige nur Ewigen sich zeigen,
So trage ich doch wahrlich kein Verlangen,
Mich selbst in Hochgefühlen zu umfangen...
Ich kann mich jederzeit
Aus weiter Ferne sehen,
Und weiß mich stets bereit,
Wie „fremd” vor mir zu stehen!
„
Und bist du nicht beglückt,
Hörst du sie alle danken,
Die du der Nacht entrückt
Und nächtigen Gedanken!?”
Ach nein, ihr Lieben: ‒ Nein!
Ich war ja nur in Pflichten,
Und wußte nur allein
Das Dunkel aufzulichten.
Was ich aus mir empfing,
Das gab ich mir zurück: ‒
Wie wäre doch gering
Dagegen alles Glück!
Nicht durch die Arbeit des
Verstandes,
Den
mein Hirn erzeugt und lenkt,
Wird mir die Geisteseinsicht
In mein Ewiges geschenkt.
Und wäre alle Kraft der tiefsten Denker
Aller Zeiten mir
vereint zu eigen, ‒
Sie könnte dennoch mir
mein Ewiges
Nicht „
denkbar” zeigen!
Im Geiste geistig „wissen”,
Heißt: ‒
selbst das Gewußte „
sein”! ‒
Nie dringt das
hirngezeugte Denken
Ein in dieses
geistgezeugte Sein!
Dort, wo ich „bete” in mir selbst ‒
Im allertiefsten Schweigen ‒
Dort ist
mir dieses Sein
Und ich bin
ihm zu eigen!
„
Du sprichst, als solltest
heute gar
Du von der Erde scheiden,
Und dennoch bringst du weiter dar
Dich allen Körperleiden...
Wie ist dein Wissen
Um das
geistige Geschehen,
Hast du kein Wissen
Um dein
irdisches Ergehen?! ‒ ”
Ihr
irret, liebe Freunde,
Glaubt ihr euch auch irrtumsferne,
Denn wüßte ich auch hier im Licht der Sterne
Jedwedes Schicksal
jedem zeitlich zu
.erkunden,
So bliebe dennoch ich noch erdgebunden,
Und hätte keineswegs mich „heimgefunden”!
Mir ist das Wissenwollen
Künftigen Geschehens hier auf Erden:
Zeiterzeugter Wahn: ‒
Nur unerwünschte
Störung
Meiner ewigkeitsbestimmten Bahn! ‒
„
Du lebst in Worten,
Doch du weißt nicht zu verhüten,
Die Höllenbrände
Die auf Erden wüten!”
„
Begreift: ‒ wer dieses Weltalls Weh
Unmöglich werden lassen wollte,
Würde
alles mit dem Leid
zugleich
.vernichten,
Und was Erscheinung ist aus Geistgewalten,
Wüßte nimmermehr sich selbst zu sichten!
Kein
Gott vermöchte solche Torheit zu
.erhören: ‒
Er müßte
alles Sein, so, wie allein es
.sein kann, ‒
Und
sich selbst zerstören...
Wo Leben aus sich selbst Erscheinungsform
.will zeugen,
Muß das Erscheinende sich erst dem Leide
.beugen!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Wer aber sagt euch,
Daß ich Leid, das nicht mehr nötig ist,
Nicht wisse zu verhindern,
Und das noch nötige
Vom Geiste her zu lindern?!...
Was ich
vermag in geistigen Bezirken,
Vermag ich nur
im Lichte zu erwirken ‒
Aus dem ich komme und aus dem ich lebe ‒
Indem mein Wollen
ihm nur ich ergebe.
Und das allein nur ist dabei mein
.„Rituale”: ‒
Aus meiner Seele bilde ich die reine Schale
Und auch den „Weihrauch”, der sich selbst
.verzehrt,
Wo meine Liebe
Heil für andere begehrt!
Was in der ewigen verborgen lichten Stille
Sich noch im Werden
wandelbar erweist,
Das wandelt wahrlich nicht allein mein
.Wille,
Hier hilft ihm
ewigkeitsgezeugter lichter
.Geist!
Es muß nicht schwarz sein,
Was nicht weiß ist, ‒
Es muß nicht Glut sein,
Was nicht Eis ist, ‒
Es muß nicht Herr sein,
Was nicht Knecht ist, ‒
Es muß nicht gut sein,
Was nicht schlecht ist!
Wo Torheit oder Dünkel
Euch getrost betrügen,
Dort ist viel schlimmer
Als ihr dreistes Lügen,
Wenn sie auch
Wahres
Ihrem Wahn vermischen,
Weil sie durch Wahrheit
Ihren Trug
verwischen!
Laßt euch nicht zum besten halten ‒
Ihr, die Jungen, wie die Alten! ‒
Will man „Wunder” euch bescheren
Und Natur vor euch
verkehren!
Wunder sind allein ‒ die Leben,
Die sich zu
Bewußtsein heben:
Aus dem dunklen Trug der Träume
In die ewig lichten Räume!
Mächte die
im Finstern thronen,
Finden sich zu Millionen,
Dort, wo Dunkelheit am Licht
Sich zu grauem Dämmer bricht.
Und die Fürsten der Dämonen,
Die in solchem Dämmer wohnen,
Wissen manches zu gewähren
Aus geheimnisvollen Sphären.
Wer nicht
flieht vor ihren Garnen
Zwischen Nachtgeblüt und Farnen,
Sinkt hinab in ihre Reiche,
Daß er schaurig ihnen gleiche...
Die sich als Gottes „
Diener” fühlen,
Meinen sich durch ihren „Herrn”
Allein schon über sich
erhoben,
Und mancher ist hier gut und gern
In seinem Glauben, ‒ „glaubt” er ihn, ‒
Zu loben,
Der ihm den
Auftrieb bringt,
Sich selbst zu übersteigen
Durch seinen „Herrn”
erhöht im „Dienste”,
Doch sich selbst zu eigen...
Wer aber in Gott
aufzugehen trachtet,
Will sich selbst
entschwinden,
Weil er aus Innerstem verachtet,
Sich
an sich zu
binden. ‒
Weiß er dann endlich
Nur in
Gott zu leben,
Wird er gewiß nicht
Nach „Erhöhung” streben...
Keiner hörte je mich klagen,
Trage ich auch reiche Leiden!
Mußt' ich dennoch davon sagen,
Ließ es nicht mehr sich vermeiden.
Ach, ich dächt' an Körperpeinen
Nicht, die mich am ärgsten quälen,
Hört' ich meiner Tage einen
Nicht von anderer Leid erzählen!
Selbst die allerderbsten Schmerzen,
Die der Körper hier erduldet,
Finden mich bereit zum Scherzen,
Und ich weiß sie nicht verschuldet.
Wo mich aber meine Tage
An der Erde Unrecht binden,
Da kann niemals feige Frage
Mich des Menschen Schuld entwinden.
Hier erst muß ich Leid durchroden,
Dem ich nie gewachsen wäre,
Wäre mir das Korn im Boden
Nicht schon Hoffnung neuer Ähre!
Hätte mein Körper nicht früh schon
.erfahren
Harte Bedrohung dämonischer Scharen,
Die ihn als Reis schon zu fällen versuchten,
Da sie dem Baum vor dem Stamme schon
.fluchten, ‒
Wäre er längst in der Wurzel verdorben
Längst seinem Dasein auf Erden erstorben!
Kraftvoll als Kind diesem Leben erstiegen,
Sollte ich bald schon die Mächte besiegen,
Die in mir erdhaft im Dasein nun wußten,
Einen, den
bald sie vernichten mußten,
Wenn sie ihn
leicht noch vernichten sollten
Und sich ihm später nicht beugen wollten...
Als sie so erstmals geschlagen waren,
Suchten aufs neue in kommenden Jahren
Immer sie wieder den Sieg zu erringen,
Fehlte auch jederzeit jedes Gelingen.
Wenn sie auch
heute zu Boden liegen,
Wollen sie immer noch „
morgen” obsiegen!
Die feindlichen Dämonen, die ich meine,
Waren niemals Menschen dieser Erde, ‒
Und keiner ist, der danach strebte,
Daß er dereinst vielleicht zum Menschen
.werde.
Sie sind „
Lemuren”, die der Mensch
Nach seinem Bilde
umzuformen wußte ‒
So, wie die Gärtner Pflanzen züchten ‒
Und was wurde, muß dann fortan
Nur noch seines Formers „Werkzeug” sein:
Ihm hörig, ‒ dienend
seinem Willen
.nur allein.
Doch,
viele Willen waren immer hier
.verbunden,
Die sich, bestrebt, ihn zu verderben,
Noch bei
jedem meiner Artung
.eingefunden, ‒
Hat sie auch jeder immer wieder über‐
.wunden.
Wer noch nicht glüht
In Gottes Glut,
Der kennt noch nicht
Das höchste Gut! ‒
Will er es erkennen,
Muß er verbrennen
In diesem Glühen
All sein Bemühen
Um eigenes Glänzen
Und Selbst-sich-ergänzen:
Muß sich erheben
Zu ewigem Leben ‒
Aus tötender Dichte
Zu lebendem Lichte! ‒
Doch keine Berückung
Im Rausch der Verzückung
Gibt euch der Wahrheit
Klingende Klarheit,
Die nur in den Feuern,
Die selbst sich erneuern,
Geglüht und gereinigt,
Der Seele sich einigt!
Ich bin wirklich, was ich weiß,
Denn ich weiß nur, was ich bin,
Weiß mein ewiges Geheiß,
Und um meiner Sendung Sinn!
Und ich suche nicht hinieden
Ziele, die nur
zeitlich gelten,
Denn ich bringe euch den Frieden,
Aus
unwandelbaren Welten!
Was vergeht, hat
andere Hüter,
Die
in ihm allein erscheinen,
Und ich dürfte
ihre Güter
Nie den
meinigen vereinen! ‒
Ich bin wahrlich, was ich
weiß,
Und ich weiß wohl, was ich
bin,
Folgend
ewigem Geheiß
Und gelenkter Sendung Sinn!
Was ich hier niederschreibe, soll auch
.Fernste finden,
Die es erfragen werden, wenn ich
nicht
.mehr schreibe,
Weil keine Bande mich mehr an den
.Körper binden,
Obgleich ich liebend hier
im Leben bleibe.
Sie sollen diesen Worten noch begegnen,
Wenn auch kein Auge mehr mir hier
.begegnet,
Und was sie lesen werden, wird sie segnen,
So, wie mein Segen heute schon sie segnet!
Was da erkennt, ‒
In Wahrheit
wahr erkennt: ‒
„Es
ist kein
Ich!” ‒
Das einzig ist urewig
selbst
Das wahre
Ich
In jedem, der sich selbst
Benennt als „Ich”!
Nur das danach
Benannte
Ist
nicht Ich,
Denn Ich ist
ewig: ‒
War stets, was es
ist
Und
bleibt im Sein, ‒
Doch die
Benennung „Ich”
Beginnt zu ihrer Zeit
Und
endet, wenn zu Ende ist,
Was sich als „Ich” benannte,
Für den Augenschein!
Um überkluge Gleichnisbilder nie verlegen,
Lehrt überzüchteter Gehirne alte Lehre,
Daß kein ewig Zeitverbindendes euch trage,
Weil nur einzig wechselweise Wandlung
Wirke eures Erdendaseins immer neue
.Tage.
Die sich in solcher Lehre
Aller Täuschung „überhoben” wähnen,
Wissen wahrlich nicht, daß sie versunken
.sind
Im Wahn, der
Wechsel sei an sich die Zeit,
Und ahnen nicht, daß sie als „Zeit” erleben,
Im Vergänglichen:
die Ewigkeit! ‒
Das eine
Leben
Aus dem
alles lebt und ist,
Bleibt ewig
ungestaltet,
Obwohl es ewig aus sich selbst
Gestaltung
schafft
Und lebend in ihr
waltet,
Als Ursein, Urlicht, Urwort,
Gott und göttliche Enthüllung: ‒
Sich selbst in Formgewalt
Lebendige Erfüllung!
Im Irdischen jedoch
In
keine Form gebunden,
Wird es von Irdischen
Nur dann gefunden,
Wenn es
sich selbst der Seele offenbart,
Die es
gelöst von Erdenwahn gewahrt!
Gott kann als „
Vater” sich empfinden: ‒
.nur als „Sohn”,
Und „Sohn” ist Gott sich einzig nur: ‒
.als „Vater”!
Und beide Selbstempfindungsformen
Sind rein
geistgegeben: ‒
Sind nur erweckt
Aus ewig
geistgezeugtem „Leben”! ‒
Wer hier „Dreieinigkeit” erahnt,
Darf nicht vermeinen,
Erst aus des „Vaters” und des „Sohnes”
.Leben
Lasse sich der „
Geist” vereinen!
Hier ist im „
Geist” der ewigliche
.„Raum” gemeint,
In dem der „Vater” und der „Sohn”
Sich selbst empfinden,
Und der im Geistigen sie beide eint,
Um beide
in sich selber
Zu verbinden! ‒
Ihr müßt nicht wähnen,
Daß ich nicht um eure Nöte wüßte,
Auch wenn ich wahrlich niemals mich
Mit solchem Wissen brüste!
Ich
will nicht wissen,
Was euch
vorzugeben glückt,
Wenn andere, euch ehrend, euch
.umgeben: ‒
Ich weiß nur, was euch ständig plagt
.und drückt,
In eurem nächtig tiefgeheimsten Leben!
Und
dieses Wissen
Ist auch nicht vernichtet,
Wenn sich im Äußeren mein Erdenleben
.endet!
Ihr selber seid durch
euch allein
.gerichtet,
Wenn sich nicht wahrhaft
Euer
Streben wendet!
Glaubt nicht den wundrigen Phantasten,
Die sich „hellgesichtig” nennen,
Und die ihr eigenes Erträumen
Selber nicht erkennen,
Wenn sie euch sagen:
So und
so sei, was die Zukunft künde,
Dieweil sie anders nicht
Sich eurem „Jetzt” verbünde!
Gar mancher Wahnsinn hat gewiß
.„Methode”, ‒
Und Glauben findet jeder finstre Wahn, ‒
Kräht nach der Wahrheit,
Die dem Wahn
verwehrt bleibt,
Auch kein Hahn!
Die Reihe schließt sich selbst
Indem ich wieder künde,
Daß ich nur denen mich
Im Geist verbünde,
Die mir sich selbst
In Liebe
selber geben
Und starken Willens
Mich in sich erstreben.
Will ich auch
Mensch allein
Im Menschen sein,
So schließt mein Menschsein
Doch noch
anderes Menschtum,
Als das Menschsein dieser Erde ein. ‒
Und dieses
Geistesmenschtum
.spricht allein,
Wo ich mich
lieben lehre. ‒
Ich weiß in mir
Um keine andere Ehre!
Ich höre die Frage, wie sich nun das,
was ich als
gesondert von dem Werk der
Lehre erkläre, bei seiner Einwirkung in
die Seele von dem Wort der Lehre
unter‐
scheide? ‒ und ich antworte: „Nur durch
seine anderen Worte”, ‒ geliebte Freunde,
Schüler und Leser meiner Schriften! ‒
Denn was immer ich auch
außer dem Lehr‐
werk geschrieben habe oder noch schreiben
könnte, so konnte und würde doch nichts
von mir ausgehen, was zu ihm in irgend
einem geistigen Gegensatz stünde.
.Das bei seinem Abschluß deutlich um‐
grenzte Lehrwerk ist jedoch die
Erfüllung
der mir im Irdischen aus meinem Ewigen
auferlegten
Pflicht, während alles andere,
was
daneben von mir ausging oder noch
ausgehen wird, meiner freien Entscheidung
allein unterstellt war und ist, und nur mei‐
nem verpflichtungsfreien Ermessen seine Ge‐
staltung verdankt. Es ist
freiwillige Zu‐
gabe zu dem, was ich geben
mußte, ob ich
wollte oder nicht!
.Man mag diese Beigabe ruhig
neben das
Lehrwerk stellen und sich durchaus nicht
scheuen, zu sagen, daß sie ihm aufs engste
verbunden ist. Wie könnte das auch anders
sein, da alles, was ich darzustellen habe, doch
Ergebnis gleicher Einsicht in die Struktur
unvergänglichen Geistes ist?! ‒
.Daß der aus geistig verpflichtendem Ge‐
bot von mir, dem „Gärtner”, angelegte
„
Hortus conclusus” ‒ als aller dreisten
Neugier verschlossener Garten der ewigen
Seele ‒ seine Sämlinge auch über die ihn um‐
schließenden Mauern hinausschickt, dürfte
nicht verwundern. Es kann manches zu
Wurzelfassen, Wachsen und Erblühen kom‐
men, was an seinem schon überreich be‐
wachsenen Ursprungsort dazu kaum noch
unbepflanzten Boden gefunden hätte! So
ist denn alles, was ich geflissentlich bisher
gesondert von dem mir rein geistig auf‐
erlegten Lehrwerk schrieb, jeweils geschrie‐
ben worden, weil ich wußte, daß es sicher‐
lich Menschen finden werde, die seiner be‐
dürften.
.Ich weiß auch, daß
diese, hier von mir
nun ausgeschickte Sammlung rhythmisch ge‐
fügter Bekundungen von vielen Menschen
ersehnt wird, die kaum um mein Dasein, und
noch weniger um meine Schriften wissen.
Möge sie
alle erreichen, die in diesen und
in kommenden Tagen ihrer bedürfen!
.Ich will
helfen, wo ich helfen kann!
.Das kann ich aber nur dort, wo
Liebe
zu den Worten in denen ich mich selbst ver‐
ströme um zu helfen, den Hilfesuchenden
erfüllt. Er darf auch nicht trennen wollen
was ich
geschrieben habe, und was ich
bin, so wie man mit Recht gewohnt ist, die
zeitweiligen Meinungen eines Menschen, die
er in Schriftwerken niederlegt, von ihm selbst
zu trennen. Ich schreibe nicht um ein Schrift‐
werk zu formen, darin „
Meinungen” zum
Ausdruck gelangen, die wandelbarer Einsicht
ihr Entstehen danken und morgen anders
sein können als heute. In meinen Worten
gebe ich auf wahrhaft magische Weise
mich
selbst, aber man kann mich nur dann auf‐
nehmen, wenn man mich in meinen Worten
liebt! Nicht, wenn man das, was sie be‐
sagen, denkerisch zu analysieren sucht! ‒
.Alles hier Dargelegte aber wäre ganz
unwesentlich, wenn ich in meinen Worten
nicht vermöchte, eine Umwandlung in dem
sie Aufnehmenden herbeizuführen, durch
die er sich selbst, sein ganzes irdisches Leben
und seine gesamte Umwelt erst in der je‐
weiligen Relation zur
unvergänglichen
Welt seiner geistig
ewigen Seele zu er‐
kennen vermag, was dann sein ganzes Welt‐
bild klärt und eine beglückende Lebenser‐
neuerung für jeden herbeiführt, der nun
konsequent nach der ihm gewordenen Ein‐
sicht
zu leben bereit ist.
.Diese Umwandlung in Mitmenschen einer
sich selbst zum Problem gewordenen Um‐
welt zu bewirken, wo immer meine Worte
hingelangen, ist Zweck und Sinn meines
geistig dirigierten, aus eigener ewiger Gei‐
stigkeit inspirierten irdischen Daseins. Es
mußte inmitten dieser europäischen Um‐
welt mit ihrem aufgequollenen Überfluß an
Lehren und Meinungen über die vermeint‐
liche oder geleugnete ewige ‒ aller Tier‐
seele überordnete ‒
Menschenseele, ein
geeigneter Mensch in dieses Erdenleben ge‐
langen, der aus
vorgeburtlicher Erfah‐
rung im substantiellen ewigen Geiste heran‐
zuholen vermochte, was die hier bespro‐
chene Umwandlung vom Erdenmenschen als
Voraussetzung fordert. Um der wahrlich re‐
lativ vielen willen, die sich nach Lösung aus
ihrer Tiergebundenheit sehnen, und einer
aeonenlang währenden Nacht allertrübster
Nichterkenntnis nach dem erfolgten körper‐
lichen Absterben von der äußern Erde ent‐
rinnen wollen!
.Es kann aber nichts
ewig-Wirkliches
jemals
erden-wirklich werden, wenn es ihm
nicht möglich wird, sich in der
ewigen
Seele eines vergänglich-erdenwirklichen
Menschen zeitliche Darstellung zu schaffen.
Die ewige Wirklichkeit des substantiellen
Geistes kann sich dem Menschen
nur im
Menschen, ‒ dem Erdenmenschen nur im
Erdenmenschen offenbaren, und zwar nur
in des Menschen
ewiger Seele! Keineswegs
in seiner Tierseele oder in irgend einem ihm
nahen oder fernen Bereich der unsichtbaren,
wie der sichtbaren Natur! Darum ist Ver‐
mittlung der Einsicht in die Struktur des
ewigen substantiellen Geistes jeweils nur
durch einen
Erdenmenschen möglich,
dessen ewiger Seele sich der urgezeugte Geis‐
tesmensch, ‒ ewig leuchtend im Urlicht, ‒
unvorstellbare Zeiten vor der Offenbarung
im Irdischen,
individuell vereinigt hat.
Daß solche Dinge nur erlesenen Seelen emp‐
findbar, ‒ nur erlesenen Gehirnen ertast‐
bar werden können, liegt auf der Hand.
.Gesegnet dürfen sich wahrhaftig alle
wissen, für die meine Worte allein geschrie‐
ben sind!
Gesegnet seien sie auch
mir
mit dem mir
ewig-
eigenen unerschöpf‐
baren Segen!
.Wie weit sich die allgemeine Vorstel‐
lungsfähigkeit der westlichen Erdenmen‐
schen von der unabänderlichen Wirklich‐
keit der „anderseitigen” göttlich-geistigen
ewigen Seinswelt entfernt hat, ist heute
selbst den vor jedem Zweifel sicheren Gott‐
gläubigen auch nicht ahnungsweise bewußt.
.Ich weiß daher sehr wohl die Schwierig‐
keiten zu würdigen, die der heutige Mensch
der europäischen und europäisierten Zivili‐
sationsbezirke in sich zu überwinden hat,
wenn er sich selbst wieder zum gesicherten
Empfinden dessen, was in ihm wahrhaftig
ewig ist, durchringen will. Aber es handelt
sich hier um eine unumgängliche Notwen‐
digkeit für jeden Erdenmenschen, der sich
seiner Scheinexistenz im vergänglichen Irdi‐
schen bewußt wird. Statt gegen eine Welt‐
ordnung, die er nicht kennt, zu protestieren,
weil sie ihn vermeintlich allein läßt in seiner
inneren Not, muß er sich selber wieder
vor‐
stellungsfähig für das
Ewig-Wirkliche
machen, wozu ich ihm alles an die Hand
gegeben habe, dessen er bedarf!
B. Y. R.
ENDE
NACHLESE I
Gesammelte Prosa und Gedichte aus
Zeitschriften
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
Copyright by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung Basel 1953 u. 1990
Druck: Conzett & Huber, Zürich
Anmerkung: Die 2. Auflage der „Nachlese” (1990) ist in zwei
Bänden erschienen, wobei der erste Band der „alten” Nachlese
entspricht, in welcher die Kapitel „Jedem Antwort” und „Selbstverständliches”
etwas verändert und vier neue Kapitel eingefügt wurden, während
das Kapitel „Dank” in den zweiten Band wechselte.
Die Seitennummern im Inh.Vz. unten entsprechen keiner Auflage,
sondern beziehen sich auf die hier gegebene Seitenanordnung und Scans der Buchseiten
von der „alten” Nachlese wurden übernommen.
Die geringfügigen Veränderungen:
nicht farblich unterlegter Text ist in beiden Auflagen gleich,
hell unterlegter Text entspricht der 2.Auflage, dunkel unterlegter
Text ist nur in der 1.Auflage zu finden und wurde in der
2.Auflage weggelassen. Diese Unterscheidung findet sich im
Kapitel „Jedem Antwort” und „Selbstverständliches”, sowie
dem „Inhaltsverzeichnis”, welches in seiner ANORDNUNG
bereits der zweiten Auflage entspricht (zwei Farben bei der
Kapitelanzeige im Inh.Vz. bedeutet eine Titelverschiedenheit
zwischen den beiden Auflagen bei gleichem Inhalt).
INHALT
|
Seite
|
NACHLESE I
|
|
Vorwort zur 2.Auflage
|
4
|
Vorwort zur 1.Auflage
|
5
|
Über meine Schriften
(Flugschrift d. Koberverlags, 1930)
|
Hauptverz.
|
Warum ich meinen Namen führe
(Flugschrift d. Koberverlags, 1927)
|
Hauptverz.
|
Wer ist Bô Yin Râ? (Magische Blätter, 1924)
|
150
|
Das Haus der Seele (Magische Blätter, 1920)
|
6
|
Vorbemerkung zu den «Funken»
Deutsche Mantra (Mag.Blätter, 1920)
|
7
|
Optimistisches Denken (Magische Blätter, 1922)
|
11
|
Politik als Kunst (Der Türmer, 1922)
|
17
|
Magie der Zeichen (Magische Blätter, 1924)
|
21
|
Feilspäne (Magische Blätter, 1925)
|
29
|
Pro Domo! (Magische Blätter, 1925)
|
30
|
Dank (Die Säule, 1927)
|
42
|
Zanoni (Magische Blätter, 1925)
|
154
|
«Wie sie ihn sahen» (Die Säule, 1930)
|
165
|
Optimismus (Die Säule, 1932)
|
46
|
Résumé
Antwort auf eine Anfrage
(Die Säule, 1932)
|
55
|
«Im Spiegel» Eine notwendige Aufklärung
(Die Säule, 1933)
|
172
|
Der oppositionelle Mensch (Die Säule, 1933)
|
58
|
Jedem Antwort erw. Fassung (Die Säule, 1933)
|
68
|
Selbstverständliches erw. Fassung (Die Säule, 1933)
|
86
|
Buchstäbliches Denen, die es angeht
(Die Säule, 1934)
|
88
|
Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934)
|
90
|
Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934)
|
102
|
Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934)
|
113
|
Gefahr der Nacht (Die Säule, 1934)
|
122
|
Selbsterziehung (Die Säule, 1935)
|
125
|
IN GEBUNDENER REDE
|
127
|
Rat (Magische Blätter, 1921)
|
128
|
Heimkehr (Magische Blätter, 1922)
|
129
|
Unsterblichkeit (Magische Blätter, 1923)
|
130
|
Stimmen aus dem Geisterreich
Die uns verlassen mußten (Der Türmer, 1924)
|
131
|
Wille zur Wahrheit (Die Säule, 1931)
|
132
|
Das Bleibende (Die Säule, 1933)
|
134
|
Ewigkeitsbestimmtes Finden (Die Säule, 1933)
|
135
|
Besorgter Freundesliebe zugeeignet (Die Säule, 1933)
|
136
|
Irdische Behinderung (Die Säule, 1933)
|
138
|
Geistige Verbundenheit (Die Säule, 1933)
|
139
|
Orient und Okzident (Die Säule, 1933)
|
140
|
Erkennungszeichen (Die Säule, 1933)
|
141
|
Steine (Die Säule, 1934)
|
142
|
Verborgener Quell (Die Säule, 1934)
|
143
|
Höchste Herkunft (Die Säule, 1935)
|
144
|
Notwendiges Irrenkönnen (Die Säule, 1935)
|
145
|
Trost ist nicht draußen (Die Säule, 1935)
|
146
|
Friede (Die Säule, 1935)
|
147
|
Augenwanderungen (Die Säule, 1936)
|
148
|
An die Säulen des Parthenon (Die Säule, 1936)
|
149
|
|
|
|
|
.Der Verlag freut sich, den Lesern des Werkes
von Bô Yin Râ die Textsammlung der «Nachlese»
neu und stark erweitert in zwei Bänden vorzule‐
gen.
.Dem Wunsch von Bô Yin Râ entsprechend be‐
rücksichtigen beide Bücher nur Texte, die in ir‐
gendeiner Form schon einmal im Druck erschie‐
nen sind. Dieser erste neue Band unterscheidet
sich von der bisherigen Ausgabe vor allem durch
vier hinzugefügte Kapitel. Auch werden die Ab‐
handlungen «Jedem Antwort» und «Selbstver‐
ständliches» nun in erweiterten Fassungen publi‐
ziert, während der «Dank» zum 50. Geburtstag in
einer Sammlung von drei Dankesadressen im
zweiten Band seinen Platz gefunden hat. Im
selbstverfassten Text «Wer ist Bô Yin Râ?» stellt
der Autor Missverständnisse und Fehlbeurteilun‐
gen über seine Person richtig.
.Der zweite Band der somit neuen «Nachlese»
enthält neben einer Anzahl von Texten über
Kunst aus den Jahren 1913 bis 1920 zahlreiche
zeit- und situationsbedingte Aufsätze sowie einige
Buchbesprechungen und persönliche Erinne‐
rungen.
.Bern,
.1990 Der
.Verlag
.In dieser «Nachlese» wurden neben den bei‐
den einleitenden Flugschriften* (Kober'sche Ver‐
lagsbuchhandlung Basel) Aufsätze und Gedichte
Bô Yin Râs vereinigt, die von 1920 bis 1936 in
den Zeitschriften «Der Türmer» (Verlag Greiner
& Pfeiffer, Stuttgart) und «Magische Blätter» (ab
1937 die «Säule», Richard Hummel Verlag, Leip‐
zig) erschienen sind. Bô Yin Râ hat alle diese
Arbeiten nicht in das geschlossene Werk seiner
Lehre, den «Hortus Conclusus», eingefügt, aber
in jedem Wort und in jedem Satz ist die innigste
Verbindung mit dem Lehrwerk fühlbar. In aller
Welt werden die alten Freunde und Schüler von
Bô Yin Râ, denen die wirren Zeitläufte die lang
bewahrten Hefte zerworfen haben, diese Sammlung
der Aufsätze und Gedichte als lang Erwünschtes
begrüßen, die Jungen und neu Herzutretenden
aber, denen ihr Geschick das Buch in die Hände
bringt, werden manchen heiligen Pfad darin ent‐
decken, der sie sicher nach Innen leitet.
.Basel
.1953. Der
.Verlag
* Anmerkung: diese beiden Flugschriften, „Warum ich meinen OO
Namen führe” u. „Über meine Schriften”, sind im Haupt- OO
inhaltsverzeichnis (Nr.42/43) gelistet.
SIEHE, o Suchender, das Land der ewigen Ge‐
staltung steht Dir jederzeit offen!
.Du mußt nur wählen,
wo Du in ihm Dein Haus
erbauen willst. ‒ Wohl Dir, wenn Du zu wählen
weißt mit weiser Wahl!
.In Deinem Hause wirst Du dann ruhig werden,
denn Du wohnst allda in guter Sicherheit. ‒
.In Deinem Hause, wenn Du recht zu wählen
wußtest, ist
Gott kein Fremder mehr. ‒
.Wie einen machtvollen Freund wirst Du ihn
bei Dir haben. ‒ Viele haben
Gott gesucht
und fanden
Götzen, denn sie wußten nicht, daß
Gott nur
dann erscheint, wenn ihm im Lande
der Seele ein Haus errichtet wurde. ‒
SEIT ältester Zeit im alten Indien
bekannt,
dem modernen Europäer aber
fremd gewor‐
den, obwohl
auch hier einst
Runen und
«
Zaubersprüche» von solcher Weisheit wuß‐
ten, ist die
magische Einwirkung gewisser
Laut-
und Wortfolgen auf die Seele.
.In jeder, besonders in jeder
vokalreichen
Sprache, lassen sich solche
Mantra schaffen, und
wenn sie wirklich nach okkulten Lautgesetzen ge‐
formt wurden, sind sie
unübersetzbar, da die
okkulte Wirkung lediglich der, wenn auch nur
innerlich «gehörten»
Lautfolge entspringt,
während der
Sinn der Worte, erst in
sekun‐
därem Betracht, auch als
Meditations-Stoff
in Wirkung treten kann, gleichsam als
Stim‐
mungsmittel der Seele.
.Die altgermanische Literatur ist erfüllt mit an‐
gewandter
Laut-
Magie, und die Liturgie der
griechischen und römischen Kirche stellt zum
größten Teil nichts anderes als
Mantra‐
Sammlungen dar, geschaffen von weisen Ken‐
nern der
okkulten Lautgesetze. ‒
.Wenn heute die Kirche Roms sich weigert, ihre
liturgischen Formeln aus dem Lateinischen in
lebende Sprachen zu übersetzen, so motiviert sie
zwar diese Weigerung mit der durch Uebersetzun‐
gen gegebenen Gefahr einer zwiespältigen Aus‐
legung, allein in Wirklichkeit folgt man hier ‒
bewußt oder nur dunkel ahnend ‒
rein okkul‐
ten Gesetzen, weil alle
okkulte Wirkung
der in lateinischer Sprache geformten Mantra bei
solcher Übersetzung
verloren gehen müßte. ‒
.Es ist aber für die
okkulte Wirkung solcher
Lautfolgen auf den geistigen Organismus des Men‐
schen völlig gleichgültig, ob er den
Sinn der
gegebenen Worte «versteht», den «Sinn», der ja
auch in gänzlich
anderer Lautfolge ausgedrückt
werden könnte. ‒ Die okkulte Wirkung solcher
Lautfolgen tritt erst ein, bei kontinuierlich fort‐
gesetzter
Wiederholung, was manchem ein
Fingerzeig sein mag, der das «tägliche Ableiern» (!)
gewisser liturgischer Formeln, wie er es vielleicht
beim Chorgebet der Mönche irgendwo zu beob‐
achten Gelegenheit fand, nur als «unsinnige» und
«geisttötende» Übung aufzufassen vermag....
.Hier ist
mehr Weisheit in einer traditio‐
nell erhaltenen Gepflogenheit als die Anhänger
der hier in Rede stehenden Religionsform heute
selber noch ahnen. ‒ ‒ ‒
.Nach diesen kurzen Hinweisen wird man viel‐
leicht verstehen, was in den «Funken» gegeben
ist. ‒
.Möge sich jeder einzelne prüfen,
welche der
hier gegebenen Lautfolgen in deutscher Sprache
‒ auch abgesehen von ihrem «Sinn» ‒ am stärk‐
sten zu seiner Seele spricht. Eine
okkulte Ein‐
wirkung auf seinen geistigen Organismus darf
er allerdings
erst dann erwarten, wenn er län‐
gere Zeit hindurch,
Tag für Tag, sich unter
die innere Einwirkung der
innerlich gefühl‐
ten Lautfolgen stellt. Die gleichzeitige
Meditation
über den zu erfühlenden «Sinn» der Worte mag
ihm deren stete
Wiederholung dabei erleich‐
tern.
.Es kann noch gesagt werden, daß bereits viele,
und darunter sehr urteilsfähige und in kritischer
Selbstbeobachtung geschulte Menschen durch
direkte handschriftliche Weitergabe des Autors
diese «deutsche Mantra» kennen und seit eini‐
gen Jahren hinlänglich ihre okkulten Wirkungen
zu erproben vermochten. (Auch von anderer Seite
erfolgte, mit ausdrücklicher Erlaubnis, handschrift‐
liche Weiterverbreitung, nur ist die hier gegebene
endgültige Form noch an manchen Stellen weiter
bearbeitet.)
ES gibt heute besonders viel Menschen, die ihre
geistige Überlegenheit nicht besser beweisen zu
können glauben, als dadurch, daß sie allen Scharf‐
sinn aufbieten, um nur ja in jeder Sache irgend
etwas «Bedenkliches» zu entdecken: Menschen,
die aus innerstem Bedürfen heraus jeden har‐
monischen Zusammenklang durch ihre Unkenrufe
stören.
.Was auch immer geschehen mag, ist ihnen An‐
laß,
Unglück zu prophezeien; und ist wirklich
ein Unglück hereingebrochen, dann können sie
sich nicht genug tun, um ihren Nebenmenschen
auch «recht klar» zu machen, wie entsetzlich das
Unheil sei, das sie betroffen hat. Richtig wütend
aber werden solche Unglücksmenschen, wenn sie
einem begegnen, der gar im Unglück noch der
Hoffnung das Wort spricht, einem, der Gutes aus
Bösem keimen sieht, wie die Lotosblüte aus dem
Schlamme uralter Teiche; und wenn sie dem Spre‐
cher dann ihre volle Verachtung entgegenschleu‐
dern, lautet ihr letztes Wort unfehlbar dahin aus:
er sei ein «
Optimist» und nicht «ernst» zu
nehmen.
.Ach, daß wir doch nur recht viel solcher «Opti‐
misten» hätten! Sie fehlen unter uns, gerade in
einer Zeit, in der wir sie so bitter nötig brauchen
könnten.
.Die traurigen «ernsten» Leute, die nicht trübe
genug in die Zukunft blicken können, ahnen ja
nicht im Traume, daß gerade sie es sind, die immer
aufs neue Sand in das Räderwerk der Maschine
streuen, dorthin, wo wir nichts anderes brauchen
können, als das wohltuend glättende Öl
optimi‐
stischen Denkens.
.Es liegt eine seltsame Kraft in dem geheimnis‐
vollen Vorgang, den wir «Denken» nennen; und
nur die allerwenigsten Menschen sind geneigt, auch
nur das Vorhandensein dieser Kraft als möglich
anzunehmen. Die Natur läßt aber ihrer nicht spot‐
ten; und ihre Kräfte wissen zu wirken, einerlei,
ob der Mensch in stolzer Selbstgefälligkeit dieses
Wirken als «naturgesetzlich» begründet anerkennt,
oder ob er es mit gleicher Selbstgefälligkeit noch
leugnet, bis er einmal dran glauben muß. Schon
daß aller Tat das «Denken» als Vorspann dient,
sollte ‒ «zu denken» geben. Aber hier ist nicht
nur vom Denken als Voraussetzung für jedes Tun
die Rede, sondern ‒ ich möchte hier das
Den‐
ken selbst als Tat gewertet sehen.
.Der Mensch ist mehr als er ahnt: ein Produkt
dieser Tat, ein Produkt seines eigenen Denkens.
Mehr als er ahnt, ist er aber auch im Banne der
Gedanken seiner Nebenmenschen, mag er nun
willig oder wider seinen Willen diesem unsicht‐
baren Antrieb folgen.
.Wer hat es noch nicht erlebt, daß er in nieder‐
gedrückter Stimmung plötzlich in die Gesellschaft
heiterer, hoffnungsfroher Menschen geriet und von
ihnen derart mitgerissen wurde, daß er schließlich
allen eigenen Kummer vergaß?
.Wer ist noch niemals in heiterster Stimmung in
einen Kreis Bedrückter und Hoffnungsloser ge‐
raten und ging von ihnen schließlich weg mit be‐
drücktem Mut, und aller seiner vorherigen Spann‐
kraft wenigstens für Stunden hin verlustig?
.Es ist aber gar nicht nötig, daß Menschen ihre
Gedanken
aussprechen. Es genügt, besonders
für sensible Naturen, längere Zeit in der Gesell‐
schaft irgendwelcher Menschen zu sein, um von
ihren Gedanken beeinflußt zu werden. Unmerklich
stecken Gedanken an, und man bringt die «An‐
steckung» mit nach Hause wie einen Schnupfen
aus der Straßenbahn.
.In neuerer Zeit gibt es eine bereits gewaltig an‐
gewachsene Literatur amerikanischer «Erfolgs‐
Mystiker», die mit mehr oder weniger Moralität,
mit mehr oder weniger ethischem Pathos, ihre
Lehren vorträgt, deren oberstes Axiom heißt:
«Gedanken sind Dinge!» Nein, Gedanken sind un‐
endlich viel wichtiger als «Dinge», sind
leben‐
dige Kräfte und wirken dem Impuls gemäß,
der sie formte; denn all unser Denken ist ja nichts
anderes als ein Formen. Wir schaffen keine Ge‐
danken aus dem Nichts, sondern wir
formen
nur, mittels des Gehirns, gewisse fluidische und von
einem Menschen auf den
andern übertragbare
Kräfte des spirituellen Ozeans, in dem wir leben
und eingeschlossen sind, wie die Fische im Meer.
.Aller geheimnisvolle «Einfluß», den gewisse
Menschen auf ihre Umgebung auszuüben fähig
sind, erklärt sich daraus, daß diese Menschen be‐
sonders begabte
Former der Gedanken‐
kraft sind, daß sie ihre Gedankenformen mit
einem weit stärkeren Impuls zu laden vermögen,
als die übrigen Menschen um sie her. Gerate in
die Nähe eines solchen Gedanken-Formers: und
du wirst, wenn er ein Mensch des geruhigen Lebens
ist, unwillkürlich selbst ruhig werden, wie groß
auch die Unruhe war, die dich vorher bewegte.
Umgekehrt wirst du, ohne es zu wollen, in eine
nervöse Hast und Unruhe geraten, wenn dieser
Former, dem du begegnest, ein Mensch der Hast
und steten Unrast ist. ‒
.Wie können wir nun diese Kräfte, die uns Ur‐
natur in unsere Hand gegeben hat, für uns und
unsere Umwelt nutzbar machen?
.Die Frage fand schon ihre Antwort in dem, was
ich vorher sagte.
.Indem wir mutig und vertrauensvoll zu ‒
denken suchen. Indem wir bestrebt sind, uns
zu hoffnungssicherer Heiterkeit in unserem Den‐
ken ‒ wenn es sein muß ‒ zu
zwingen. In‐
dem wir jeden Gedanken von uns scheuchen, der
uns sagen will, unsere Hoffnung sei eitel Torheit,
sei durch reale Gegebenheiten schon als Hirn‐
gespinst gebrandmarkt und verdammt. «Es ist der
Geist, der sich den Körper baut» ‒ und es ist
der
Gedanke, der unser Wollen und Vollbrin‐
gen schafft!
.Wollte ich dies «erklären», dann müßte ich
tiefste Weisheit der Veden sorgsam zu enthüllen
suchen, doch hier ist dazu nicht der Raum ge‐
geben. Es ist auch nicht nötig: denn die heiligen
Bücher der Christenheit wissen in
anderer
Form auf jeder Seite von der
gleichen Wahr‐
heit zu erzählen; und wer in ihnen suchen
will,
der wird für meine Worte hundertfache Belege
finden.
.In einer Zeit, die alle Früchte
irren Denkens
reifen läßt, mag man mir wohl verstatten, auch die
Heilungskraft des
rechten Denkens aufzu‐
zeigen. Es wird nichts gewonnen mit Trübsalblasen
und öder Hoffnungslosigkeit! Wer nur die Nacht
betrachtet, die über uns hereingebrochen ist, ver‐
sinkt in Schlaf und Traum... Wir müssen alles tun,
uns
wach und wacher zu erhalten, wenn wir
einen neuen
Tag erleben wollen.
WER den politischen Tageskampf betrachtet,
der vermißt am allermeisten die Rhythmik
dieses Kampfes. Statt dem Willen zur Einordnung
in das allgemeine Ganze, statt dem Willen zur
Selbstbehauptung innerhalb der gegebenen Gren‐
zen, findet er allenthalben nur den Willen, den
Gegner aus dem Wege zu räumen. Betrachtet man
aber Politik als die Kunst der Gestaltung eines
lebendigen Gesellschaftsorganismus, dann ist jeder
«Gegner» eigentlich nur ein Gegenspieler, der
ebenso wie sein Partner daran beteiligt ist, das
Kräftegewoge des Ganzen lebendig zu erhalten.
Ich glaube, von allen Parteien und in allen Staats‐
gebilden sind in dieser Hinsicht stets die folgen‐
schwersten Fehler begangen worden, am wenigsten
noch vielleicht in England, dessen parlamentari‐
sches Gefüge stets vor Katastrophen gesicherter
war, weil es ‒ weniger «Kitsch» ist als ander‐
wärts: weil es künstlerischer organisiert ist.
.Wenn «politisch Lied» wirklich so ein «garstig
Lied» geworden ist, dann dürfte das nicht zum
kleinsten Teil daran seine Ursache haben, daß man
in der Kunst der Politik unfruchtbare, mecha‐
nisch wirkende Gepflogenheiten an Stelle des
Gehorsams gegen die ewigen Gesetze alles harmo‐
nischen Gestaltens setzte.
.Ursprünglichkeit ist erstes Erfordernis in jeder
Kunst, und auch die Kunst, die aus der unge‐
ordneten «Masse» die «Gesellschaft» bilden will,
kann ihrer nicht entraten. Wo aber findet man im
Leben der Parteien noch Ursprünglichkeit?? All‐
überall trat an ihre Stelle das «
Parteiprogramm»
als künstlich kombinierter
Ersatz. Man weiß im
voraus, was man sagen
wird, was man sagen
darf
und was man sagen
kann, bevor der Gegenspieler
noch das erste Wort gesprochen hat. Und regt sich
wirklich einmal, gegen alle harte Zucht parteiischer
Gebundenheit, in der Debatte doch der unter‐
drückte Trieb der Urnatur, dann darf der Mann
der Politik gewärtig sein, daß er aus eigener
Gefolgschaft ätzende Kritik erhält. Wie aber soll
bei einer solchen
Mechanisierung der gestaltenden
Kräfte jemals
Leben in die Gestaltung über‐
strömen?! Wie soll man jemals zum Gefüge kom‐
men, wenn sich die Teile stets in sich allein zu
runden streben und niemals willens sind, die Gren‐
zen flüssig zu erhalten, so daß sie bei gegebener
Gelegenheit sich ineinanderfügen könnten?! Wie
soll das Ganze in organischer Gestaltung keimen,
wachsen, blühen und zum Früchtetragen kommen,
wenn die Kanäle seiner Lebenskraft sich niemals
aneinanderschließen?!
.Die menschliche «Gesellschaft» ist nur möglich
als ein
Organismus gleich dem Körper eines Men‐
schen. Gleich wie der Menschenkörper nur ge‐
deihen kann, wenn stetig Blut zum Herzen fließt
und sich von ihm entfernt, so kann auch der Gesell‐
schaftsorganismus nur gedeihen, wenn zentripetale
und zentrifugale Kräfte sich in einem Kreislauf
zu erneuern streben. Kein Punkt dieses Kreislaufs
ist zu missen. Sobald man einen Teil daraus ent‐
fernen will, muß das organische Leben des Ganzen
der Vernichtung entgegengehen. In diesem Sinne
betrachtet, sind alle politischen Parteien einer Zeit
stets aufeinander angewiesen. Wer sie immer wei‐
ter zu trennen sucht, weiter als es sein müßte, treibt
frevelhaftes Spiel.
.Wir sind zu sehr gewohnt, den analytischen Pro‐
zeß des Denkens auch im Leben anzuwenden, und
so zersplittern wir das Leben, statt es zu erweitern.
Ich bin aber der felsenfesten Überzeugung, daß
wir niemals zur «Gesundung» kommen können,
bevor nicht das Bestreben zur
Synthese an die
Stelle analytischer Praxis tritt, im Leben der Par‐
teien. Es ist durchaus nicht nötig, daß deshalb die
einzelne Partei ihren klar umrissenen Charakter
etwa verliert!
.Nur so kann Politik zur
Kunst der Gesellschafts‐
bildung werden; und nur als Kunst betrachtet, die
das edelste Gebilde zu gestalten hat, kann sie die
Menschen derart ineinanderfügen, daß alle sich
zu einem krafterfüllten Ganzen «formen».
WIE ist doch der heutigen Welt so gar vieles
wieder dicht verschleiert worden, was einst
den Menschen früherer Tage offenbar war! ‒
.Wie vieles gilt heute nur noch als «
leerer For‐
melkram», was ehedem hehres
Mittel magischen
Wirkens bildete!
.Wahrlich, die wenigen sind zu zählen, die da
heute auch nur ahnen, welche magische Macht dem
Menschen gegeben ist! ‒ ‒ In mancherlei Weise
wußten die Alten solche Macht zu nützen.
.Wohl waren auch sie gewiß nicht von allem
Aberglauben frei, allein ihr Aberglaube rankte
sich nur um ein
Wissen, das der Nachwelt wie‐
der verloren ging und das die Späteren nun allzu‐
klug als «Aberglaube» entwerten möchten.
.Hier gilt es sorglichst zu sondern, will man der
Wahrheit nahekommen!
ES sei hier die Rede von der
Magie der Zei‐
chen, deren die Alten ebenso kundig waren, wie
die Menschen dieser Tage die Kraft des Blitzes zu
nützen wissen.
.So sehr ist jenes Wissen der Alten gelästert wor‐
den, daß man Gefahr läuft, in den Verdacht der
kritiklosen Schwärmerei zu geraten, redet man von
diesen Dingen, ohne sie dem Aberglauben zuzu‐
rechnen! ‒
.Und doch ist hier vieles verborgen, das einst wie‐
der offenbar werden wird, so sehr man auch heute
derlei mißachten mag! Vergessenes Wissen wurde
noch immer verlacht!...
.Wer aber ‒ außer den wenigen, die hier kaum
zählen ‒ weiß heute noch davon, daß gewisse
geschriebene, graphisch gestaltete oder auch pla‐
stische
Zeichen magische Kräfte in Wirksam‐
keit setzen können, sobald sie «geladen» wurden
mit
Impulsen, die solche Kräfte zu
ent‐
fesseln vermögen!? ‒
.Doch nicht nur Zeichen, die
aus irgend‐
einem Material der Kundige zu formen weiß,
üben solche Wirkung aus.
.Der eigene
Körper des Menschen kann durch
bewußte, entsprechende Haltung zu einem magi‐
schen Zeichen werden: ‒ die
Gebärde kann
solcher Zeichen Formung sein. ‒ ‒
.Während jedoch das aus fremdem Stoffe ge‐
formte magische Zeichen stets in seiner Starre bei
einmal gegebener Wirkung verharrt, verbindet sich
den Zeichen, die der menschliche Körper formt,
zugleich die
Bewegung, ja es ist möglich, ein
Zeichen in ein anderes kontinuierlich überzuleiten
und so die Wirkungsweise mannigfach zu vari‐
ieren. ‒
.Zugleich aber wird alle Wirkung ganz erheblich
gesteigert durch des Wirkenden
Konzen‐
tration auf die geforderte Haltung.
.Nicht
unwillkürlich darf sich Bewegung
an Bewegung, Zeichen an Zeichen reihen!
.Nicht
Neigung persönlicher Gefühle
darf die Gebärde bestimmen!
.In wohlgeordnetem
Rhythmus, bedingt durch
eherne Gesetze jener Sphäre, von der aus die Wir‐
kung erfolgen soll, muß alle Darstellung magischer
Zeichen durch den Körper, wie ihre Überleitung
erfolgen, sollen die unsichtbaren Kräfte tatsäch‐
lichen Anstoß erhalten.
.So wie ein chemisches Präparat nur dann in ge‐
wünschter Weise herzustellen ist, wenn jede Be‐
dingung, die gefordert wird, durch physikalische
Gesetze peinlichste Erfüllung findet, so kommt
auch
magische Wirkung nur zustande, wenn
der Wirkende sich streng an die Erfordernisse
seines Wirkens hält, möge er nun die magischen
Zeichen aus starren Stoffen, oder durch seines
eigenen Körpers Gebärde und Bewegung for‐
men. ‒
Die Weisen der alten Religionen kannten sehr
genau die Gesetze magischen Wirkens.
.Sie wußten, weshalb sie ihre Liturgien an be‐
stimmte Formen knüpften, die strenge eingehalten
werden mußten.
.Hier ist die Kraft verborgen, die selbst
Reste
jener alten Kulte
heute noch im Dasein hält. ‒
.Alle Kultgebärde, alle hieratische Haltung bei
der Ausübung der Riten ist nichts anderes als
Zeichenmagie! ‒
.Die Wirkung erfolgt auch
dann noch, wenn
die Wirkenden längst
nicht mehr wissen,
was sie tun, solange sie durch alte Vorschrift sich
davor bewahren lassen, die Gesetze zu mißachten,
die allhier in Frage kommen. ‒
.Die
Deutung, die man solchem Tun zu geben
sucht, mag sich im Lauf der Zeiten oft genug ge‐
wandelt haben, allein die Wirkung
bleibt und
ist von jeder Deutung unabhängig. ‒
.Gar manche kultische Gebärde, die man heute
nur
symbolisch deuten möchte, stellt ein
magisches Zeichen dar von wohlerprobter
Wirksamkeit. ‒
.So ist es denn auch töricht, Liturgien neu zu
formen, die durch
symbolische Geste die
Magie der Zeichen ersetzen möchten.
.Die alten Liturgien hatten sehr erheblich
an‐
deres zu geben, und es wird
noch jetzt ver‐
mittelt, soweit sie in Fragmenten noch erhalten
sind. ‒ ‒
Weit mehr, als alles ausmacht, was sich heute noch
erhalten hat an magischen Zeichen, die der Wir‐
kende durch die Gebärde formt, ist aus der Vor‐
zeit überkommen in Gestalt der starren Zeichen,
die man
graphisch, in der
Farbe oder
plastisch formte.
.Auch hier zeigt sich gar deutlich jenes Wissen,
das die Weisen alter Religionen einst ihr eigen
nannten.
.Die
Deutung, die den Zeichen dieser Art je‐
weils aus
Glaubenslehren wurde, führt hier
freilich in die Irre. ‒
.Nicht was sie «bedeuten» sollten, ist hier zu er‐
fragen, sondern was sie ‒
wirkten...
.Nur
eigenes Erfühlen dieser Wirkung
kann hier zur Erkenntnis führen, denn noch ist
diese Wirkung nicht erloschen.
.Soweit die Darstellung der
menschlichen
Gestalt im Kunstwerk hier beachtet werden
muß, kommt auch die Zeichenbildung durch
Gebärde sehr wichtig in Betracht.
.Die religiöse Kunst des Altertums
bleibt ohne diesen Schlüssel uner‐
schlossen.
.Was aber,
außer solcher Darstellung des Men‐
schen, noch an Formen, die einst alten Liturgien
dienten, uns erhalten ist, wird wiederum so man‐
ches Werk sakraler Kunst entschleiern helfen, das
der
Magie der Zeichen einst sein Dasein
dankte. ‒
Es sollen diese Darlegungen nur den Blick auf die
erwähnten Dinge lenken und
Ehrfurcht lehren
vor der
Weisheit jener Alten, die weit weniger
dem Aberglauben ausgeliefert waren, als das heu‐
tige Geschlecht vermuten möchte.
.Die Zeichen magischen Charakters, die sich heute
noch in alten Tempeln, Kirchen und Museen fin‐
den, sollen hier wahrlich nicht etwa «gedeutet»
werden!
.Wer sie
gedeutet wissen möchte, zeigt da‐
mit, daß er sie für
Symbole hält, und weiß noch
nicht, daß sie nur im
Erleben sich enthüllen,
durch die
Wirkung auf die Seele, die auch
heute noch von ihnen ausgeht, gibt man sich
dieser Wirkung willig hin und läßt die Glaubens‐
lehren ruhig
unbeachtet, die sich seit alter
Zeit schon um ihr Dasein ranken.
.Wer nur ein weniges von dem
erlebt, was
hier erlebbar ist, der wird durch die
Erfahrung
in sich selbst verlernen, lächelnd nur und
überheblich auf das Wissen jener Alten tief herab‐
zusehen, das sie
Magie benannten. ‒
IST dir eine Pforte verschlossen, so darfst du noch
lange nicht glauben, es sei niemand im Hause!
Durch Brillen muß man
sehen, auf Stühle sich
setzen, wenn man ihre Güte prüfen will, ‒ aber
man darf es nicht
umgekehrt machen wollen...
Wenn Rauch aus dem Schornstein steigt, so
schließe nicht immer daraus, daß man im Hause
Kuchen backe!
Aus mancher Tasche klingt es wie Klang harter
Taler; dreht man sie aber um, so fallen nur
Schlüssel heraus...
Bäume, die sich im Sturme
biegen, können sehr
gerade gewachsen sein.
DROHENDE Wetterwolken umragen hochauf‐
geschichtet allenthalben das Leben der Völker
in diesen Tagen.
.Erhebliche Fragen harren der Antwort, die be‐
stimmend sein wird, weit über unsere Zeit hinaus,
lebenformend für kommende Generationen.
.Wahrlich: das äußere Leben scheint nicht mehr
Zeit zu lassen zu stiller Einkehr und Versenkung!
.Allzusehr lasten die Nöte des Tages auf diesem
Geschlecht. Und dennoch reichen die Lasten des
materiellen Lebens keineswegs aus, die Seelen die
innere Not vergessen zu lassen, die weit herbere
Qual verursacht als alle irdische Daseinssorge. ‒
.Oft scheint man zu fühlen, daß hier
Wechsel‐
wirkung besteht, so daß die
äußere Not
längst
behoben wäre, wüßte man sich der
inneren endlich zu erwehren... Wohl denen,
die noch in alten, engen Gehegen sich geborgen
fühlen, ausreichend getröstet durch ihrer Seelen‐
hirten tröstendes Wort!
.Unzählige aber sind Pferch und Hirtenhut ent‐
ronnen.
.Es trieb sie hinaus auf freie Weide und jeder
suchte eine Tränke die ihm kein anderer trüben
könne.
.Wie sehr sie alle noch der Hürde bedurften,
wußten sie nicht. ‒
.Man sucht in tollem Taumel zu vergessen, was
man nicht vergessen kann, um stets aufs neue,
wenn auch nur für Augenblicke aus dem Rausch
erwacht, zu fühlen, daß die Sehnsucht nach Er‐
lösung aus der Seele irrer Angst sich nicht ersticken
läßt.
.Daß man sich
selber helfen könne, ahnt man
nicht. ‒
.So sucht man, einstmals seiner wilden Freiheit
allzufroh, nun allenthalben wieder nach einer
sicheren Hut, nach Führung und Geleit.
.Weit mächtiger, als sich so mancher Prediger
vor leeren Bänken träumen läßt, ist heute ein
heißes Verlangen nach dem
Seel-
Sorger in
den Seelen! ‒
.Wenn irgend einem Menschen unserer Tage sich
die Not der Seelen bis in ihre dichteste Verborgen‐
heit enthüllte, so wurde dies mir durch mein
Schicksal bestimmt, die Lehre verkünden zu müs‐
sen, die allein solche Not aus dieser Welt schaffen
kann!
.Unsagbares seelisches Elend wurde
mir vertraut und ich lernte wahrhaftig durch die
Erfahrung, daß es kein größeres Glück auf Erden
gibt, als anderen
helfen zu können...
.Nichts anderes möchte ich lieber tun, als Tag
und Nacht allen denen
persönlich Hilfe brin‐
gen, die ihrer bedürfen!
.Kein irdischer Lebensberuf erscheint mir be‐
neidenswerter, als der des Sorgers um das Heil der
Seelen; und wie der Seelensorger
denen fehlt,
die ihn nicht mehr
in einer Religions‐
gemeinde suchen können, da ihre Seele Zwang
und Nötigung in Glaubensdingen nicht erträgt, das
wurde mir in jahrelanger Hilfsbereitschaft Tag für
Tag bestätigt.
.Aber jeglichem menschlichen Wirken sind
be‐
stimmte Grenzen gezogen, soll es sich nicht
im Uferlosen verlieren, und so sah auch ich mich
denn
gezwungen, von aller
persönlichen
Hilfeleistung
abzustehen, um weiter auf
jene
Weise helfen zu können, die mir
allein obliegt.
.Mehr als alle, deren
Briefe ich nicht mehr
beantworten, deren
Besuche ich nicht mehr an‐
nehmen kann, leide ich
selbst darunter, daß ich
durch Pflicht und selbstauferlegten Gehorsam gei‐
stig hoher Weisung gegenüber, in harter
Zwangs‐
lage bin, mich auf
Anderes konzentrieren zu
müssen und den Wünschen nicht willfahren
darf, die mein persönliches Eingehen auf die
Not des
Einzelnen noch täglich von mir for‐
dern. ‒ ‒ ‒
.Was mir zu geben obliegt, ist freilich
trotz‐
dem jedem Einzelnen gegeben, ‒ nur möge er
sich genügen lassen an der
Form in der ich es
geben muß, ‒ durch den Buchdruck allen zu‐
gänglich, ‒ nicht anders als wenn es
für einen
Einzelnen allein geschrieben wäre!
.Mit gutem Willen und einiger Selbstversenkung
ist es wahrlich jedem Einzelnen möglich, aus dem
was ich der Welt gegeben habe,
die Folgerungen
zu ziehen, die
seinen Einzelfall jeweils klären,
und ihn zur
Selbsthilfe leiten.
.Und bleibt er nicht nur «
Leser» dieser Bü‐
cher, sondern sucht sein ganzes
Leben den in
ihnen aufgestellten Maximen anzupassen, dann
wird er
erst recht persönlicher Nachhilfe nicht
mehr bedürfen. ‒ ‒
.Es wird in unseren Tagen viel zu viel Wert auf
«
persönlichen Einfluß» gelegt und das
«
gesprochene Wort» wird weit überwertet.
.Man übersieht geflissentlich, daß durch das Ohr
vernommene Rede und der persönliche Einfluß
zugleich
Verführungsmittel sind, die ihrer‐
seits gar oft
auch dann bestimmen können,
wenn das Mitgeteilte
allein keineswegs genügt
haben würde, Zustimmung zu erwirken. ‒
.Weder meine eigene Neigung noch irgend eine
verstandesmäßige Erwägung haben mich veran‐
laßt, den
Buchdruck als das Verbreitungs‐
mittel der Lehre zu wählen, die ich zu verkünden
habe.
.Ich gehorche auch hier nur einer geistigen Wei‐
sung die für mich
verpflichtend ist und weiß
die hohe
Weisheit voll Ehrfurcht zu würdigen,
die mir in dieser Weisung kund ward...
.Sollen wahre
Seel-
Sorger kommen um
das, was mir zu geben obliegt,
persönlich und
durch das
gesprochene Wort gleichsam in
kleiner Münze weiterzugeben, so werden sie er‐
stehen
ohne mein Zutun.
.Noch aber sehe ich im Ratschluß der geistigen
Welt solchen Plan
nicht erwogen, und
warne
jeden, etwa einer Stimme zu vertrauen, die ihm
zuraunen möchte, er sei für solches Seelsorgeramt
berufen!
.Die
wirklich Berufenen,
wenn sie einst
gesandt werden
sollten, werden
weise, im
ganzen Ausmaß des Wissens ihrer Zeit
erfahrene Männer und Frauen sein, die selbst
das Leben in allen Verflechtungen
kennenlernten, und denen
kein Irrweg un‐
bekannt sein wird, dem jemals die Seele bei
ihrem Suchen nach dem höchsten Lebensziele Ver‐
trauen schenkte um an seinem Ende sich enttäuscht
in einer Wüste zu finden. ‒
.Es werden Menschen sein, die
selbst die
letzte Gewißheit erlangten, an Hand der
Lehre die ich zu verkünden habe, und ihre Wei‐
sung werden sie von
gleicher Stelle empfangen,
von der die durch mich nur
verkündete Lehre
ihren Ausgang nimmt! ‒ ‒
.Doch, wenn ich auch wahrlich mit aller Be‐
stimmtheit solcher «Seel-Sorger»
Art bezeichnen
kann, so ist es mir dennoch versagt, zu bestimmen,
daß sie erscheinen möchten.
.Ich kann zur Zeit nur auf die
Bücher verwei‐
sen, in denen ich alles niederlegte, was gegeben
werden soll, und deren Zahl ich noch vermehren
muß, ‒ nicht um etwas
Unerwähntes noch
zu sagen, sondern um die Lehre so vollkommen
wie nur irgend möglich,
von allen Seiten
her zu beleuchten.
.Es ist zwar gesagt worden: «
Wer dem Altare
dient,
soll auch vom Altare essen», aber
wer etwa wähnen sollte, ich hätte meinen Lebens‐
unterhalt aus diesen Büchern, der wäre wahrlich
übel beraten und meine Verleger könnten ihn eines
Besseren belehren!
.Nur zu gerne möchte ich es ermöglichen können,
daß jeder, dem es schwer fällt, auch nur das
Wenige aufzubringen, was zum Erwerb der Bücher
nötig ist, sie
umsonst erhalten würde.
.Da ich aber selbst der Sorge um des Lebens Not‐
durft keineswegs enthoben bin, kann ich mir eben‐
sowenig diesen Wunsch erfüllen, wie den, alle an‐
deren Menschen solcher Sorge zu entheben.
.Man hat in früheren Zeiten wahrlich oft
mehr
geopfert um seiner Seele willen! ‒
.Hier aber handelt es sich um eine Lehre, die
wahrhaft Erlösung bringt, und jedes dieser
Bücher wurde einzig und allein aus der Pflicht her‐
aus niedergeschrieben, die
Lehre des Lich‐
tes, die Kunde von der geistigen
Wirklich‐
keit, allen Suchenden nahezubringen.
.Darüber hinaus aber lasten wahrlich noch
an‐
dere Pflichten auf mir, ‒ solche
geistiger,
und solche
irdischer Art, ‒ deren jede genü‐
gen könnte, die Kraft eines Menschen
allein zu
absorbieren. ‒
.Die mir im äußeren Leben nahestehen, wissen
darum und sind bemüht, soweit es ihnen möglich
ist, mir meine Bürde zu erleichtern.
.Ich darf aber wohl auch erwarten, daß die Leser
meiner Schriften, denen ich nur
geistig nahe‐
kommen kann, einiges Verständnis dafür haben
werden, daß alle Menschenkraft ihre Grenzen fin‐
det, und daß ein Mensch der ihnen alles was er zu
geben hat,
durch das gedruckte Wort er‐
reichbar macht, nicht überdies noch jedem
Einzelnen
persönlich zur Verfügung stehen
kann! ‒
.Daß ich aber
Mensch bin, und in allen Din‐
gen
irdischen Lebens
anderen Menschen
gleich, könnte aus allen meinen Schriften wahr‐
haftig auch
jenen klar geworden sein, die da,
verwirrt durch phantastische okkultistische Bücher,
nur allzu geneigt sind, in einem Menschen meiner
Art einen
mysteriösen Zauberer zu sehen,
dem es ein Leichtes sein müsse, alles Geschehen
nach seinem Wohlgefallen zu lenken.
.Wer da von mir erwartet, daß ich, als ein rech‐
ter Wundermann, im Handumdrehen alle Folgen
seines törichten, verkehrten Strebens aus der Welt
zu schaffen wüßte, ‒ der erwartet
zu viel von
mir und darf sich nicht wundern, wenn die Wirk‐
lichkeit ihn ernüchtern muß. ‒
.In etwas
abgeschwächter Form hegen aber
Alle
solche Erwartung, die sich in ihren besonderen
Seelennöten an mich wenden, oder gar erhoffen,
eine persönliche Begegnung mit mir müsse alle
Nebel ihres Inneren zerreißen und sie mit einem
Schlage zu «Wissenden» werden lassen. ‒
.Wer immer mir persönlich begegnet ist, der wird
bezeugen können, daß keiner derer, die geheimnis‐
volle Schauer um mich her erwarten, auf seine
Rechnung käme...
.Ich halte es vielmehr für meine Pflicht, auch
den leisesten
Anschein zu vermeiden, der so
gedeutet werden könnte, als benötige
wirkliche
geistige Würde irgend einer irdischen Drapierung.
.So mag sich denn mancher getrösten, der meine
persönliche Nähe nur suchte, weil er in mir einen
Menschen zu finden glaubte, der verlernt hätte:
‒
Mensch zu sein!
.Ich würde unwahr, wollte ich nicht verstehen,
daß man
die Menschen beneidet, die mir auch in
meinem
äußeren Leben nahestehen, ‒ die mir
als
persönliche Freunde teuer sind.
.Aber mag auch alles Schicksal das mein Erden‐
leben formt, die Elemente irdischen, alltäglichsten
Geschehens in sich bergen, so wird man doch dem,
was man «
Zufall» nennt, in meinem ganzen
Dasein, von Geburt an bis zu meinem Tode hier
auf Erden
nicht begegnen.
.Nichts war hier
Willkür überlassen,
nichts wird jemals nur durch meine
Wünsche
zu bestimmen sein. ‒
.So aber konnte ich auch nicht bestimmen, wer
mir Freund werden sollte und wer nicht, und wo
ich es in früheren Tagen, meiner Menschenliebe
nicht genugsam Herr, doch zu bestimmen
suchte,
dort ward mir in der Folge nur zu klar gezeigt, daß
ich vermessentlich in den Bereich der Regionen
die mich
geistig tragen, eingegriffen hatte...
.Wie weit aber auch der Kreis derer, die mir
persönlich nahestehen, sich
erweitern las‐
sen möchte: ‒
niemals könnte er alle um‐
fassen,
die meine Bücher lesen und durch
sie erfahren von der Lehre die ich zu künden kam.
.Sie
alle aber ‒ soweit sie wirklich nach der
Lehre
leben ‒ bilden eine geschlossene Kette,
deren sämtliche Glieder mir in gleicher Weise nahe‐
stehen, mögen sie mir nun
persönlich bekannt
sein oder nicht. ‒ ‒
.Jeder, der neu hinzukommt, schmiedet
sich
selbst dieser Kette ein und wird von dem
Kraftstrom durchdrungen, der durch die ge‐
schlossene Kette fließt...
.Diesen
allen aber gehört das Werk meines
Erdenwirkens, und nicht nur ihnen
allein, son‐
dern in gleicher Weise
allen, die
nach ihnen
kommen! ‒ ‒
ES sind mir zu meinem fünfzigsten Geburtstag
(25. Nov. 1926)
fast unzählige Glück‐
wunschbriefe und Telegramme ins Haus geflogen,
so daß meine anfängliche Absicht, jedem einzelnen
Gratulanten persönlich zu danken, sich leider als
unausführbar erweist, und ich mich in der
Zwangslage sehe, wenigstens von den Lesern dieser
Zeitschrift («Die Säule») die Erleichterung erbit‐
ten zu müssen, daß sie mir gütig erlauben, ihnen
auf
diese Weise von Herzen Dank zu sagen. ‒
.Wenn auch der so überreich gefeierte, mit Blu‐
mengrüßen und Geschenken bedachte Tag für mich
nur insofern von besonderer Bedeutung war, als
noch vor kurzer Zeit nicht allzu sicher stand, daß
ich ihn in dieser Sichtbarkeit erleben würde, so
waren mir doch diese unerwartet zahlreichen Zei‐
chen der Liebe und Verehrung, die mir aus aller
Welt zugesandt wurden, Anlaß gerührter Freude
und Dankbarkeit genug, um ihn in frohem Fest‐
empfinden und mit heißen Segenswünschen für
Alle, die mich liebend zu ehren suchten, als rech‐
ten «Feiertag» zu begehen. ‒ ‒
.Freilich nehme ich die mir entgegengebrachte
Liebe und Ehrung auch gewiß nicht
für mich
persönlich in Anspruch, sondern sehe in dem
allen nur die freudige Dankbarkeit der Seelen, die
an Hand der durch meine Bücher der Welt wieder‐
geschenkten Lehren, beglückt zu sich selber fan‐
den, und in sich selbst zu ihrem
lebendigen
Gott.
.Daß ich noch weiterhin allen zum Lichte Stre‐
benden auf den Weg helfen darf, ist für mich das
schönste Geschenk des Himmels, denn ich weiß
nur zu gut, welche Aufgaben noch darauf warten
von mir getan zu werden...
.In Zeiten hoher religiöser Kultur ist es verhält‐
nismäßig ein Leichtes, den Weg zum Lichte zu
zeigen, da im Vorstellungsleben Aller die grund‐
legenden Voraussetzungen gegeben sind, die zu‐
nächst einmal da sein müssen, soll einige Hoffnung
bestehen daß es gelinge, die Augen der ernstlich
Suchenden zu öffnen.
.Heute aber gilt es vor allem, erst einmal diese
Voraussetzungen
wieder zu schaffen, und
der Weg der gezeigt werden soll, ist überdies der‐
art von dürrem und grünem Gestrüpp überwuchert,
daß es vonnöten ist, ihn erst wieder zu
bahnen
und allenthalben neue Wegmarken zu setzen, da‐
mit der Suchende vor den verderblichsten Irr‐
gängen bewahrt werde. ‒
.So sehe ich denn bis heute
noch kaum das
Allernötigste getan, wenn meine Lebensauf‐
gabe wirklich erfüllt werden soll, und mehr denn
je bin ich mir heute der Tatsache bewußt, daß mein
Wirken durchaus nicht außerhalb der Gesetze
steht, die jegliches menschliche Schaffen bestim‐
men, so daß auch in meinem Verkündigungswerke
ohne Zweifel die Linie einer allmählichen Entfal‐
tung einst feststellbar sein wird, sei es auch nur im
Hinblick auf die Fähigkeit, das oft fast Unsagbare
in Worten menschlicher Sprache zum Ausdruck zu
bringen...
.Aus innerster Gewißheit kann ich sagen, daß
ich wohl auch nach weiteren fünfzig Jahren, wenn
solches im Bereich der mir bestimmten irdischen
Lebensbahn gegeben wäre, mich noch in gleicher
Weise erst am Beginn meines Wirkens fühlen
würde, denn keine Kunst der Sprache ist jemals
vollendet genug, um dessen wahrhaft würdig zu
werden, was ich meinen Mitmenschen hier auf
Erden zu Bewußtsein bringen soll! ‒ ‒
.In solcher Erkenntnis weiterwirkend, danke ich
allen die den «Weg» betreten haben, daß sie nicht
Anstoß nahmen an dem was etwa Mangel mensch‐
lichen Ausdrucksvermögens nicht zu faßlichster
Verständlichkeit kommen ließ, und sich an das
unmißdeutbar Gegebene hielten, das in
ihrem eigenen Herzen Widerhall fand, um so zur
Gewißheit auch dessen zu gelangen, was meine
Worte noch im Dunkel lassen mußten!
.Möge es mir beschieden sein, den Pfad immer
mehr erhellen zu dürfen, zum Besten derer, die ihn
bereits betreten haben, wie nicht minder aller
jener, die ihn, durch meine Worte bewegt, zu‐
künftig in sich suchen wollen! ‒
WER diese Überschrift liest, der wird kaum ver‐
muten, daß ich hier in allererster Linie vor
allzu überschwenglichem Optimismus
warnen
will.
.Die Zeit scheint eher zu fordern, daß man un‐
bedingten Optimismus dringlichst anempfehle, da
die gegenteilige: also
pessimistische Auf‐
fassung des Lebens beinahe zur Norm geworden
ist.
.Aber ich will ja auch ganz gewiß nicht als
Anwalt des
Pessimismus sprechen, obwohl ich
gut begreife, daß er nicht nur den
ängstlichen
Leuten, sondern sogar recht resoluten Naturen
heute beinahe als die einzige, durch den Gesamt‐
zustand einer ermüdeten und verquälten Welt auf‐
gedrungene, mögliche Gemütshaltung erscheint.
.Ich will vielmehr vor den vielen Äußerungsfor‐
men
unberechtigten optimistischen Hoffens
warnen, die immer
dann ihre weiteste Verbrei‐
tung erreichen, wenn sich die Bedingungen des
äußeren Lebens nicht mehr im Einklang finden
mit den persönlichen Anforderungen der Lebens‐
Erhaltung und der
Freude am Dasein. ‒ ‒
.Die
zuversichtliche Auffassung aller Ge‐
schehnisse, aus dem Vertrauen heraus, daß zu guter
Letzt alles Wirre sich entwirren, alles Unharmo‐
nische harmonisch ausklingen müsse, und alles
Ungute nur die Vorstufe für ein kommendes Gute
darstelle, ‒ ist gewiß von großer Bedeutung, und
ihre fördernde, steigernde Wirkung auf das Leben
läßt sich kaum hoch genug werten.
.Es darf aber nicht vergessen werden, daß ein
solcher Lebenswert
nur dann vorliegt, wenn
die optimistische Auffassung des Geschehens in
sich
begründet ist.
.Der Optimismus
um jeden Preis, ‒ auch
wenn ein vernünftiges Abwägen der gegebenen
Umstände klar zeigt, daß die
Vorbedingungen
zu einem guten Ausgang des Geschehens fehlen, ‒
ist entweder Folge bequemen Leichtsinns, oder
eines Denkfehlers.
.Manchen Menschen fehlt einfach «das Talent»
zum Optimismus, und wenn sie sich dann einmal
aufraffen, um es mit dem optimistischen Denken zu
versuchen, machen sie die Sache sicher so unge‐
schickt wie möglich und versuchen
gerade dort
Zuversicht in sich zu erkrampfen, wo der geborene
Optimist ‒ recht
pessimistisch urteilen würde.
.Es ist, ‒ nebenbei gesagt, ‒ ja auch zweifel‐
los
viel leichter, eine pessimistische Lebens‐
auffassung zu pflegen, weil es eben leichter ist,
vorsichtig und ängstlich zu sein, als
zuver‐
sichtlich,
wagemutig und
lebensver‐
trauend! ‒ ‒
.Richtiger Optimismus ist eine durchaus
aktive
Haltung, und selbst der «geborene» Optimist (der
übrigens viel seltener ist, als gemeinhin angenom‐
men wird) kann seinen Optimismus nur erhalten
durch bestimmte, aktive Willensrichtung. Der in
sich gesunde,
verantwortbare Optimismus
beruht nicht auf einer angeborenen
Neigung,
oder erstrebten
Hinwendung zum optimisti‐
schen Denken, sondern ruht zutiefst begründet in
erdenmenschlicher
Lebenserfahrung, ‒ sei
es die
eigene, die durch Andere
vermittelte,
oder die an Anderen
wahrnehmend erwor‐
bene Erfahrung.
.Es ist
Erfahrungstatsache, daß die opti‐
mistische Einstellung dem uns angehenden Ge‐
schehen gegenüber, nicht nur das
eigene Leben
froher und tatkräftiger erhält, sondern auch in
gutem Sinne «ansteckend» auf
unsere Mit‐
menschen einwirkt, so daß durch vereinte, er‐
höhte Tatfreudigkeit Umwandlungen des Ge‐
schehens zu unseren Gunsten eintreten können,
die bei einer weniger vertrauenserfüllten Haltung
unmöglich gewesen wären.
.Es ist auch durchaus keine bloße Behauptung,
daß wir durch unser
Denken, ‒ auch wenn es
niemals durch gesprochene oder geschriebene Mit‐
teilung weitergegeben wird, ‒ in einem verhält‐
nismäßig recht bedeutsamen Grade
äußeres
Geschehen beeinflussen können, was sich
dann solcherart auswirkt, daß der
pessimi‐
stisch Denkende ebenso das Eintreffen des von
ihm Erwarteten durch die Kraft seiner Gedanken
begünstigt, wie der
Optimistische das Ein‐
treffen
seiner Erwartungen.
.So gibt es zum Beispiel nur zu viele Menschen,
die sich «vom Unglück verfolgt» glauben, und
nicht ahnen, daß sie
sich selbst mit Unglück
aller Art verfolgen, indem sie sich alles nur er‐
denkliche Unheil in einem fort
zu-
denken,
nur weil ihnen ehedem wirklich einmal ein Un‐
glück zugestoßen war, dem noch ein zweites und
drittes folgte.
.Man wird aber auch Menschen begegnen, die
durch ein paar Glücksfälle derartig
glücks‐
gläubig wurden, daß sie sich fortan nur noch
Glückliches zu-zudenken wissen, und daher,
bestaunenswerterweise, einen «Glücksfall» nach
dem andern erleben. ‒ ‒
.Das ist alles durchaus nichts Mysteriöses, auch
wenn die Zusammenhänge solchen Geschehens
nicht für Jeden offen zu Tage liegen.
.Nur muß man sich, wenn man solche Dinge ver‐
stehen lernen will, von der landläufigen Betrach‐
tungsart freimachen, als sei dabei irgendwo
Will‐
kür im Spiel!
.Wenn ein reifer Apfel vom Baum fällt, so sieht
das ja auch recht «willkürlich» aus, und doch hat
es seine genauen Gründe, warum sich der Stiel
gerade zu dieser Sekunde vom Zweig lösen mußte.
.Ebenso braucht das, was als Wirkung unserer
Gedanken sich ereignet, die vorherige Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen.
.So ist denn auch
optimistisches Denken
nur dann
sinngerecht, wenn
Vorausset‐
zungen gegeben sind, die zum guten Ausgang
eines Geschehens
berechtigen.
.Vernünftiger Optimismus ist immer das Ergebnis
sachlich richtiger Beurteilung der je‐
weiligen
Gegebenheiten und erwartet nur das
Beste, was sich auf Grund der wirklich
erfüll‐
ten Voraussetzungen ereignen kann.
.So ist der wahre Optimist zu Zeiten geradezu
gezwungen, die Dinge «
pessimistisch»
beurteilen zu müssen, ‒ dann nämlich, wenn keine
erfüllten Voraussetzungen für das Zustandekom‐
men des Erfreulichen vorliegen. ‒ ‒
.Es ist eine ganz unverantwortliche Kräftever‐
geudung, seine Glaubenskräfte für die Erreichung
eines erwünschten Guten anzuschirren, zu dessen
Erlangung die Voraussetzungen
fehlen.
.Optimismus, der nicht
enttäuscht werden will,
muß nüchterner, unvoreingenommener
Prüfung
standhalten!
.Die bloße Illusionsfähigkeit, sich jeden er‐
wünschten Zustand, jedes gute Ergebnis, jede Ziel‐
Erreichung lebhaft
vorstellen zu können, be‐
rechtigt gewiß noch nicht zum Optimismus!
.Es genügt auch durchaus nicht, daß wir ein uns
wünschbares Geschehen für
gut halten.
.Immer bleibt die Art der
wirklich erfüll‐
ten Voraussetzungen dafür bestimmend,
was in
gesunder optimistischer Denkweise «herangedacht»
werden
darf.
.Alles Andere darf vorerst
noch nicht er‐
wartet werden, und wäre es auch nicht nur ein
«
wünschenswertes», sondern selbst ein
dringlich
nötiges: ‒ ein heiß herbeigesehntes
notbehebendes Gutes.
.Hier muß sich aller Wille vielmehr darauf rich‐
ten, zuerst die
Voraussetzungen zu schaffen,
die vernünftigem Optimismus Begründung bieten
können, das erwarten zu
dürfen, was er als so
überaus
not-
wendig erkennt. ‒ ‒
.Man wird aber niemals erkennen lernen,
wel‐
cher Art diese Voraussetzungen sind, solange
man immer wieder seine Kräfte an Illusionen ver‐
zettelt, die jedes, noch unermeßlich weit entfernte,
erwünschte Geschehen schon in nächster Erreich‐
barkeit zeigen.
.Ein solcher
Fernrohroptimismus, wie
ich diese verfehlte optimistische Denkweise nennen
möchte, betört nur durch ein Erwarten, das sich
immer aufs neue enttäuscht finden muß, und bringt
das erwartete Gute um nichts näher. Das alles
gilt sowohl für den
Einzelnen, wie auch für
Gruppen von Einzelnen, und für
ganze
Völker.
.Es ist ‒ trotz allem bitterem Pessimismus ‒
keineswegs zu wenig Optimismus in der Welt, aber
leider
viel zu viel falscher, weil
unbe‐
rechtigter Optimismus, vor dem man gar nicht
eindringlich genug warnen kann!
.Dieses sehend-besorgte Warnen ist besonders am
Platz in einer Zeit, die ihre Kräfte selbst
über‐
bürdet hat, so daß es wahrhaftig dringlichste
Pflicht ist, nicht an einer der
lebenförder‐
lichsten Kräfte
Raubbau zu treiben.
.Und eine solche Kraft ist der nüchtern-sachliche,
durch tatsächlich Gegebenes berechtigte
Optimismus!
RÉSUMÉ
(Antwort auf eine Anfrage)
ALLES, was ich je geschrieben habe, ist künst‐
lerisch getragene Gestaltung meiner lebendigen
Erfahrung. Zum größeren Teil verdanke ich
diese Erfahrung Lebensgebieten, die in Europa
keinem meiner Mitmenschen offenstehen. Aber das
ist nur als «Quellenangabe» in Betracht zu ziehen,
um den Impuls zu kennen, der mich antreibt, mich
in meinen Büchern mitzuteilen.
.«Résumé» meiner Erfahrung? ‒ Daß alles Er‐
kennen, Glauben und Hypothesensetzen wertlos
bleibt, solange es die
Lebensführung nicht
bis ins kleinste bestimmt! Was nicht zur
Tat,
zum
Handeln und
Gestalten führt, ist nur
fruchtloses Spiel mit Gedanken und Gemütsan‐
wandlungen. Alles Verschwommene, nur «Unge‐
fähre» muß man auf sich beruhen lassen, und darf
nichts mehr in sich dulden, was nicht
lebens‐
bestimmend werden will.
.Nur in dem, was als Lebens-
Äußerung von
uns Zeugnis gibt: ‒ nur in unserem
Verhalten
uns selbst und der Mitwelt gegenüber ‒ können
wir uns selbst erkennen! Alles andere ist Selbst‐
betrug!
.So gewiß es in aller Ewigkeit keinen «Himmel
auf Erden» geben wird, so gewiß kann aber das
meiste Unheil, das heute noch die Menschen quält,
aus der Welt geschafft werden.
.Voraussetzung dafür ist: die immer mehr Men‐
schen erhellende Einsicht, daß
nicht die zu
allem willige
Vorstellungsfähigkeit die
Gemeinsamkeit, und damit uns selbst, bestimmt,
sondern nur die
Tatwertigkeit eines jeden
einzelnen.
.Die Welt, die man sich selber schafft, fügt sich
nur zu gerne allen Launen ihres Schöpfers.
.Aber nur selten und nur in Seltenen entspricht
die
selbstgeschaffene Welt auch wirklich
der
Tatsachenwelt, die uns draußen umgibt
und unseren
Wünschen ihren
Willen ent‐
gegensetzt.
.Hier alle Ideologien durchschauen lernen ‒
hier seiner inneren Welt die äußere Aufgabe
setzen ‒ hier den Mitmenschen lieben lernen,
wie sich selbst: ‒ das allein führt zur Er‐
lösung!
DIE Zeiten der Glaubenseinheit in Europa haben
den starrköpfig oppositionellen Menschen nur
als zeitweilige
Ausnahme gekannt, die wohl da
und dort gelegentlich allerhand Unruhe verbrei‐
tete, aber dann immer nach kurz bemessener Aktion
wieder im Gleichklang allgemeiner Meinung ver‐
schwinden mußte.
Seit der im Herzen Europas die früheren Bin‐
dungen allgemach lockernden und lösenden Zeit
der konfessionalen Reformationen des Gemein‐
schaftsglaubens aber, ist der triebhaft in sich selbst
zu irgendwelcher Opposition gedrängte Störer sei‐
ner Zeitgemeinsamkeit zu einer sich dauernd und
zähe am Leben haltenden
Spezies vervielfältigt
worden. Man kann ihr in allen Lebensgebieten be‐
gegnen. Durchaus nicht nur im religiösen, im poli‐
tischen, im wissenschaftlichen und künstlerischen,
sondern ebenso auch im rein privaten Leben.
.Und diese Spezies hat sich auch keineswegs auf
die Länder der Reformation beschränkt, sondern
sich allmählich geradezu über die ganze, in irgend
einem Grade zivilisierte Menschheit verbreitet.
.Die letzten Jahrhunderte boten solcher Ver‐
breitung allen Vorschub.
.An wie vielem Elend die Allgemeinverbreitung
dieser Spezies im Kampfe dieser Jahrhunderte
schuldig oder mitschuldig wurde, läßt sich kaum
beschreiben.
.Aber es ist charakteristisch für die der Spe‐
zies Zugehörigen, daß ihnen jegliches Schuld‐
Bewußtsein fehlt, und jede
Erkenntnis
der Gefahr, sich mit Schuld zu behaften.
.Der oppositionelle Mensch glaubt durchaus nicht
verantwortungslos zu handeln. Er fühlt sich stets
nur in Ausübung seines «guten Rechtes».
.Dieser allzusicheren Haltung gegenüber ist aber
nur leider folgendes zu sagen: ‒
.Der Oppositionstrieb ist einer der
gefähr‐
lichsten aller
eigensüchtigen Triebe des
irdischen Menschen!
.Nichts unterhöhlt den Boden, auf dem die
Menschen sich selber zur Gemeinsamkeit aufer‐
bauen sollen, tiefer, weitverzweigter und verhäng‐
nisvoller, als diese Lust am steten «
Nein»-sagen
um des Neinsagens willen!
.Man muß sich ganz klar darüber werden, daß
in diesem
unter-tierischen, aber die höchsten
über-tierischen Kräfte lustgierig zerfressenden,
wuchersüchtigen Triebe, allem nicht selbstgesetz‐
ten Bestreben
primär opponierend zu be‐
gegnen, das reale satanische Prinzip des Chaos:
‒ der
Selbstzerstörungsdrang, das zu‐
Nichts-werden-wollen, sich auswirkt. ‒
.Der oppositionslüsterne Mensch wütet unbewußt
gegen sich selbst, indem er sich ins Äußere
projiziert ‒ in die Willensäußerung der Anderen,
gegen die er opponiert! Er würde sich selbst zu‐
grundeopponieren: ‒ seinem eigenen Dasein bis
zur Auflösung Widerpart halten, wenn ihm der
Selbsterhaltungstrieb seines irdischen Körpers
nicht doch noch gewachsen wäre.
.Jede andere Deutung ist Beschönigung und
bringt den Deutenden in Gefahr, sein eigenes, und
das Menschentum seines Mitmenschen unerahnt
schwer zu schädigen.
.Um diese, alles Erdenmenschliche aus dumpfen
Chaostiefen heraus bedrängende Bedrohung wuß‐
ten zu allen Zeiten die im ewigen Geiste Wissen‐
den, und darum suchten sie Schutz zu schaffen
durch priesterliche und despotische Satzung, so‐
lange ihnen äußerer Einfluß auf irdischmensch‐
liche Lebensordnung offengehalten war.
.Sehr vieles, was eine jüngere, vermeintlich
erreichbarer «grenzenloser» Freiheit süchtig ent‐
gegenfiebernde Menschheit für Ausgeburten will‐
kürlicher Herrscherlaunen hielt, war nur
Schutz‐
verbauung gegen den Wühldrang menschheits‐
zerstörenden Verneinungstriebes, ‒ war
geistig
geforderte Freiheits-Begrenzung, um
dessen wil‐
len, was voreinst zur Entwicklung kommen
sollte
und infolge solchen Schutzes dann auch zur Ent‐
wicklung
kam.
.Auch Gegenwart und Zukunft werden auf
keinem Gebiet die geistige Gestaltung dessen,
was heutiger oder zukünftiger Zeit obliegt, er‐
stehen sehen, ohne wirklich sichernde
Bändi‐
gung des zerstörungslüsternen Triebes zur Oppo‐
sition um des Opponierens willen, der alles Wer‐
dende unterwühlt und schon an den Wurzeln zer‐
nagt, um dem ihm hörigen Menschen die manisch
gesuchte, gehirnliche Wollust unbewußter, nach
außen gedrängter Selbstvernichtung zu verschaffen,
ohne ihn doch an Leib und Seele zu bedrohen.
.Dieser «Geist des Widerspruchs» darf aller‐
dings nicht in argwohngezüchteter Urteils-Leicht‐
fertigkeit gleich überall vermutet werden, wo viel‐
leicht nichts anderes vorliegt, als eine gewisse
Schwerblütigkeit, die nicht weiß, wie sie aus dem
Banne langgehegter Vorstellungen herauskommen
soll, und die um so heftiger sich im Widerspruch
austobt, je mehr sie sich ihrer Behinderung bewußt
ist.
.Fast jeder Mensch kennt diese Schwierigkeit des
Aufgebenmüssens liebgewordener Vorstellungen
von seiner eigenen Kinderzeit her. Es brauchte da
zuweilen unendliche Geduld von seiten der Er‐
zieher, bis der dann schon selbst fast Erwachsene
durch Selbsterziehung doch zum Herrn wurde
über die ihm angeborene scheinbare Unfähigkeit,
sich, wenn es sein müsse, einer liebgewordenen
Vorstellung entwinden zu können.
.In den jüngsten Lebensjahren tritt diese Unfähig‐
keit schon zutage im Kinde, dem die Mutter ein
gefährliches Spielzeug oder das unreife Obst fort‐
nehmen muß, wonach dann die bekannten Äuße‐
rungen kindlichen Unmuts einsetzen, die gar oft
auch die langmütigste Geduld der Erwachsenen auf
sehr harte Proben stellen.
.Später werden dann
andere Bekundungen
des Unmuts laut, ‒ oft nur
allzulaut in des
Wortes wörtlichster Bedeutung, ‒ wenn etwa ein
Ausflug auf den sich das Kind schon seit langem
freute, nicht ausgeführt werden kann, oder wenn
elterliches Verbot einer Freundschaft im Wege
steht, die dem Kinde glühend erwünscht erscheint,
weil es ja die ihm schädlichen daraus erwachsen‐
den Folgen noch nicht einsehen kann, ‒ und
schwerste seelische Konflikte entstehen endlich,
sobald Regungen der
Liebe aufgegeben werden
sollen, weil ihr Erstarken zu nichts Gutem führen
würde.
.Alle diese Äußerungen innerer Schwierigkeit,
ein bereits die eigene Person bestimmendes Vor‐
stellungsbild plötzlich mit einem noch fremden
anderen zu vertauschen, haben nichts zu tun mit
jener Hypertrophie des Eigensinns, die den von
ihr Befallenen nicht mehr seiner selbst froh wer‐
den läßt, wenn er in der Außenwelt nichts findet,
dem er
widersprechen könnte.
Erst hier
haben wir den Typus des
oppositionellen
Menschen vor uns: des Menschen, der sich gleich‐
sam automatisch dazu gedrängt fühlt, jeder Er‐
scheinung des Lebens, die seine Beharrungsliebe
und die Bequemlichkeit ausgeleierten Denkens
stört, ein «
Nein» und seinen lauten
Wider‐
spruch entgegenzusetzen.
.Wer kennt ihn nicht, oder wem wäre er noch
nicht begegnet?
.Wo immer individuelle Meinung anderer indi‐
viduellen Meinung sich
verbinden will zu
wahrer
Einung, dort tritt er bald schleichend,
bald polternd als Widersacher auf. Im Grunde
fehlt ihm
jede eigene Überzeugung, auch wenn
er andere scheinbar zu überzeugen sucht. Nicht,
daß sie die von ihm jeweils verfochtene Darstel‐
lung der Dinge zu bejahen vermögen, ist ihm wich‐
tig, sondern daß sein Widerspruch
Gefolg‐
schaft findet. Wahrheit und Trug sind ihm in
gleicher Weise willkommen, wenn sie ihm nur
Argumente gewähren für seine unermüdliche
Opposition gegen alles, was Andere
schaffen.
.Er selbst aber ist der
Unschöpferische:
der seelisch
Sterile, mit der hämischen Freude
an Allem, was wahrhaftem Schöpferischen die Ge‐
staltung erschwert. In seiner reinsten, unbeherrsch‐
testen Darstellung ist er der Schrecken aller Pro‐
duktiven innerhalb jeglicher menschlichen Gemein‐
samkeit.
.Aber weiß sich nun jeder, dem diese
ausge‐
prägteste Form des ewigen Krittlers und Nein‐
sagers «auf die Nerven» geht, ganz frei von
eige‐
ner, gelegentlicher Neigung zu zersetzender Oppo‐
sition? Ist nicht gar oft vielmehr schon ein auf‐
reizendes Wort, ja ein bloßes Mißverstehen, ge‐
nügend, um aufzustacheln zu eigensinnigem Wider‐
spruch, obwohl besonnene Überlegung keineswegs
die Gründe gelten lassen könnte, auf die sich solche
versteifte Opposition zu stützen sucht?!
.Jeder Einzelne hat einige Ursache, sich zu fra‐
gen, ob er nicht seinen Oppositionstrieb zuweilen
aus der ihm angemessenen
Beherrschung ent‐
läßt und dadurch Einigungen verhindert, deren das
irdische Leben auf
allen Gebieten
dringend
bedarf, soll das Wertvollste am Menschen in
Erscheinung treten.
.Selbst dort, wo Opposition
gerechtfertigt
erscheinen könnte, wirkt sie sich nur
schädi‐
gend aus und bringt das
mögliche Gute zur
Verkümmerung, während positives, ehrliches
Mitwirken früher oder später
ohne Störung
zu
korrigieren vermag, was anfänglich wohl‐
berechtigten Grund zur Opposition zu bieten
schien.
.An Tausenden von Beispielen läßt sich das Un‐
heil aufzeigen, das der
unbeherrschte Oppo‐
sitionstrieb in unser irdisches Dasein brachte. Laßt
uns endlich auch dafür sorgen, daß am Beispiel
zu sehen sein wird, was geeinigter menschlicher
Wille bei straffer
Beherrschung dieses un‐
glückseligen Triebes vermag!
.Jeder einzelne Mensch wird diese Beherrschung
in sich «
erlernen» müssen, denn viel zu sehr wurde
die vermeintliche
Berechtigung, allem und
jedem
eigene Opposition entgegensetzen zu
dürfen, im Lauf der letzten Jahrhunderte
ver‐
herrlicht, als daß es äußerem Zwange noch
gelingen könnte, die zehrende Lust zu bändigen,
deren durch alle Sophismen der Beschönigung
gefesselter Sklave der oppositionelle Mensch dieser
Tage geworden ist.
Anm.: Unter Berücksichtigung der 2.Auflage von 1990.
Normaler Text ist in beiden Auflagen gleich, hell
unterlegter Text entspricht der erweiterten Fassung
der 2.Auflage, dunkel unterlegter Text wurde
in der 2.Auflage weggelassen.
NICHTS wäre mir erwünschter, als die Möglich‐
keit, jedem Einzelnen, ‒ auch jedem mir bis
dahin äußerlich noch «wildfremden» Menschen, ‒
briefliche Antwort zukommen lassen zu können
auf seinen ganz persönlichen Brief, den gerade
er mir zu schreiben hatte, angeregt durch das in
der vorigen Nummer der «Säule» erschienene
Gedicht: «
Geistige Verbundenheit».
.Aber nichts ist auch ferner dem Möglichen!
.Ich gestehe jedoch, daß ich mich lieber heute als
morgen in Lebenszuständen finden möchte, die mir
ein solches persönliches Eingehen auf die inneren
Nöte des Einzelnen erlauben würden, wobei dann
allerdings ein auserwähltes und mit nichts anderem
beschäftigtes Kollegium vertrautester und erprob‐
tester Schüler mir zur Seite stehen müßte.
.Eines einzelnen Menschen irdische Kräfte kön‐
nen allenfalls dazu ausreichen, die Einzelberichte
mit allen Waagen und Gewichten
abzuwägen,
um dann die rein
geistige Verantwortung für
Antwort und Ratschlag zu übernehmen, ‒ unmög‐
lich aber könnte ich zugleich der
Formulier‐
rung des zu Sagenden mich widmen, die ja doch
nicht zu umgehen ist, auch wenn selbst alle Hilfs‐
mittel zur Verfügung stehen würden, mit denen
heutigentags, beispielsweise, etwa die Direktoren
großer wirtschaftlicher Unternehmen zu arbeiten
gewohnt sind.
.So, wie die Dinge liegen, muß ich wohl oder übel
mit meiner eigenen Kraft
allein auszukommen
suchen.
.In Anbetracht dessen, daß ich
außer aller,
meinen Büchern anvertrauten
Lehre, ganz un‐
umgänglichen, rein
geistigen Verpflichtungen
nachzukommen habe, die alle psychophysischen
Kräfte bis zur Erschöpfung in Anspruch nehmen,
dürfte es leicht verständlich sein, daß mir weder
Kraft noch Zeit zu
brieflicher Unterweisung
bleibt.
.Das sollte selbst denen klar werden, die immer
wieder meinen, bei ihnen handle es sich um einen
«Sonderfall»
und die mitgeschickten Briefmarken
gäben ein Anrecht auf persönliche Antwort.
.(Vor zwölf Jahren schon habe ich an
gleicher Stelle bekanntgegeben, daß eingesandte
Briefmarken oder Anteilscheine von mir nur mehr
den Armen zugewandt werden... )
.Bedingungslos freuen könnte man sich an der
treuherzigen Hilfsbereitschaft, die aus allen den
Ratschlägen spricht, die irgendein
Heilverfah‐
ren aus dem weiten, aber durchaus nicht gleich‐
wertigen Gebiet der «Lebensreformer»-Praxis an‐
preisen. Wenn man nur nicht in allen diesen Brie‐
fen der doch etwas gar zu naiven Ansicht begeg‐
nen müßte, mir seien diese Heilmethoden sicherlich
noch unbekannt.
.Ich weiß gewiß, daß die so rettungslos überzeugten
Berater und Beraterinnen, deren Briefe ich vor mir
habe, mir nur Hilfe bringen wollen, und mir das
Allerbeste, dessen sie habhaft wurden, darzubieten
glauben. Darum sei Allen von Herzen gedankt.
.Aber zeugt es nicht auch von einer doch gar zu
engen Begrenzung der Kenntnis irdisch-leiblichen
Lebens, wenn in sonst recht vernünftigen Briefen
anpreisen und in denen immer wieder als
ganz selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß
es sich bei den mich so sehr in der Hilfelei‐
stung für Andere behindernden, und darum allein
erwähnten Leiden, doch wohl nur um Störungen
handeln könne, wie sie die täglichen Annoncen
irgendwelcher Heilmittel in das Blickfeld der Be‐
obachtung zu rücken suchen?! ‒ Weiß wirklich
die Mehrzahl der Menschen offenbar nichts von
körperlichen Qualen, die fernab von allen Funk‐
tionsstörungen ihre Ursache haben??! Hier darf
ich ruhig verraten, daß noch niemals ein Sterb‐
licher bei klarem Bewußtsein in das Erleben des
reinen,
ewigen Geistes gelangte, ohne dem, was
am Erdenmenschen vergänglicher
Tiernatur
ist, kaum ertragbares
Leid zuzufügen... Die
Alten sagten sogar: «Wer Gott sieht, muß sterben!»
Darum ist es auch keineswegs eines jeden Men‐
schen Aufgabe,
hier, während des erdentieri‐
schen Daseins, schon
im ewigen Geiste be‐
wußt zu werden.
.Den Allermeisten wird es zum höchsten Segen
gereichen, wenn sie, auch nur
ahnend, ihrer
Fähigkeit,
dereinst in den ewigen Geist zu ge‐
langen, zuzeiten innewerden.
.Nun aber will ich hier auch antworten auf die
zahlreichen und zum Teil tief ergreifenden Briefe
aus denen mir die Sorge um das nachirdische
Schicksal der Seelen geliebter, oder doch ehedem
im Außenleben nahe verbundener, nun von der
Erde geschiedener Menschen entgegenhallt.
.Es ist für mich wahrhaftig befreiend und be‐
glückend, jedem Einzelnen, den es angeht, sagen
zu können, daß ihm jeglicher Grund fehlt, um das
Schicksal des von ihm bezeichneten,
vor ihm
Heimgegangenen besorgt zu sein. Auch nicht aus
einem einzigen der hierher gehörigen Briefe blickte
mir ein nachirdisches Schicksal entgegen, das in
irgend einer Weise zu beklagen wäre!
.Das Leben im Zustande «jenseits» der erden‐
körperlichen Wahrnehmungsfähigkeit ist ja nun
freilich nicht so ganz dem übersichtlichen Bilde
des Hauptplatzes einer Kleinstadt am Markttage
zu vergleichen, allwo man dann nur ein paarmal
den Platz zu kreuzen braucht, um lieben alten
Bekannten, oder gesuchten Besuchern des Marktes
zu begegnen.
.Es ist vielmehr auch den überaus wenigen, der
«jenseitig»
Wahrnehmbaren und dortselbst
klar
Bewußten nur in den
allerseltensten
Fällen möglich, eine von der Erde abgeschiedene
geistige Seele zu identifizieren, auch wenn auf
Erden der denkbar präziseste Konnex geschaffen
werden konnte, der ja zu solcher Identifikation
unerläßlich bleibt.
.Und selbst in solchen, überaus seltenen Fällen
fragt es sich sehr, ob der noch dem irdischen
Körper verhaftete Jenseitsbewußte von dem ge‐
suchten und endlich gesichert erkannten Erd‐
befreiten «gesehen» und erkannt zu werden ver‐
mag? ‒ Selbst dann, wenn das sehr nahe zu liegen
scheint, weil der Erdentrückte den ihn Aufsuchen‐
den auf Erden dem Aussehen nach genau kannte,
oder gar in engsten Herzensbeziehungen mit ihm
vereinigt war, bleibt solches Erkennen
sehr er‐
schwert, weil es nicht nur davon abhängt, ob der
Gesuchte bereits in der Region «sehfähig» wurde,
in der sich der ihn Suchende geistig bewegt, son‐
dern auch davon, ob die «angesprochene» Seele
die rein geistige Gestaltung
des sie Anspre‐
chenden zu identifizieren vermag, die kaum je‐
mals dem in der geistigen Seele verbliebenen, zu‐
erst noch sehr einseitig aufgefaßten Erinnerungs‐
bilde entspricht.
.Erst sehr viel später stellt sich die Fähigkeit
ein, von der ich in meinem «Buch vom Jenseits»
spreche, die dann jederzeit die erwünschte Identi‐
fikation mit aller Gewißheit gewährt. ‒
.Ich kann also den vielen ‒ mir nur allzuver‐
ständlichen ‒ Bitten, Beziehungen zwischen Ab‐
geschiedenen und ihren auf Erden in der äußeren
Sinnenwelt Zurückgebliebenen herzustellen, in
keinem Falle irgendwie nachkommen.
.Da überdies fast jeder, nicht bis zum Bersten
irdisch «verkrustete» Mensch in den Zeiten des
Schlafens für kürzere oder längere Spannen
jenseitsbewußt wird, kann jeder, noch im
Tierkörper Lebende
durch seine liebende
Einstellung dem irdisch Entzogenen gegen‐
über,
ohne jede menschlich-irdische Beihilfe in
solche Beziehung gelangen...
.Mir aber ist es nur ‒ bis auf
verschwin‐
dende, und
nicht von
meinem Wollen
allein abhängige Ausnahmen ‒ möglich, nach
hergestelltem irdischen Konnex, den jede, nach
menschlich reiner Absicht wahrheitsgetreue brief‐
liche Schilderung des Heimgekehrten herbeizu‐
führen vermag, mit der Gewißheit der durch jen‐
seitiges Bewußtsein bedingten Intuition zu sagen,
ob ein jenseits angelangter Schicksalsablauf zu
Besorgnissen Anlaß geben kann oder nicht.
.In
jeglichem Falle kann ich aber das wun‐
dervolle, aus tiefster Erkenntnis geborene Wort
der Bibel kaum eindringlich genug der Beachtung
empfehlen:
.«Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke,
für die Verstorbenen
zu beten!» ‒ Das heißt
aber, ‒
richtig verstanden: ‒
an ihrer
Stelle zu beten, da sie es ja nicht mehr ver‐
mögen...
.Eindringlich warnen muß ich nun jedoch vor
der unsagbar törichten Annahme, als könne der
irdische Tod geliebter Menschen gleichsam wie
eine «Strafe» von Gott über die Zurückbleibenden
verhängt werden.
.Glücklicherweise ahnen die solches Vermuten‐
den nicht, welche Gotteslästerung sie aussprechen,
und wie sie sich selbst überheben, indem sie sich
für derart bedeutsame Faktoren im Bereich des
seelischen Schicksals eines ihrer Mitmenschen
halten! ‒
.Da ist nichts anderes zu raten, als daß jeder von
solchen Gedanken Bedrängte, noch
irdisch
Lebenden die herzensreine Liebe zugutekommen
lasse, die er den ihm nun äußerlich Entrückten
nicht angedeihen ließ, solange sie für ihn noch
sichtbar waren!
.Es handelte sich wahrhaftig nicht nur um
Geldgier der Priester, wenn sie zu allen Zeiten
und in allen Religionen darauf hinzuwirken streb‐
ten, daß durch fromme Vergabungen zugunsten
noch irdisch Lebender ausgeglichen werde, was
bereits Heimgegangenen
nicht gewährt worden
war. ‒
.«
Machet euch Freunde mittels des
ungerechten Mammons,
damit sie,
wenn es mit euch zu Ende geht,
euch
in die ewigen Heimstätten aufzuneh‐
men vermögen!»
.Wenn
irgend ein Wort des Evangelisten als
wahres Wort des hohen, liebenden Meisters von
Nazareth,
aus sich selbst heraus ge‐
sichert ist, so dieses!
.Seit den ältesten Zeiten erscheint es dem Men‐
schen als ein Vorzug der Götter oder ihrer Gesalb‐
ten, über zukünftiges Geschehen zum voraus Be‐
scheid zu wissen, und unerhörtester Schwindel
fand in der Menschheit festen Glauben, weil es
als gesicherte Gegebenheit galt, daß die Unsterb‐
lichen alles irdische Schicksal sicher vorauswissen
müßten, ‒ wobei die naive Annahme miteinbe‐
schlossen war, daß sie ihr Wissen auch den von
ihnen Bevorzugten unter den Sterblichen groß‐
mütig mitzuteilen pflegten.
.Eine noch so fromme Gottesvorstellung,
ohne
das Attribut der «Allwissenheit», ‒ also auch des
genauen Vorauswissens kommender irdischer Er‐
eignisse ‒ erscheint selbst heute noch auch «auf‐
geklärtester» Theologie, gleichviel welcher Reli‐
gion, als abgeschmackte Blasphemie, ja schlechthin
als Absurdität, und aller Diskussion unwürdig.
.Tausend Künste hat sich der Mensch ersonnen
um seine Götter ein wenig zu überlisten, und trotz
aller immer wiederholten Verbote solchen «gott‐
versucherischen» Tuns, blüht es heute wie ehedem
unter den gottgefälligen Gläubigen, ‒ ja leider
auch in manchen heimlichen Gärtlein ihrer wohl‐
meinenden Seelenhirten.
.Sie alle wollen, bald in ernster Seelennot, bald
in recht läppischer Neugier, «
ein Zeichen» erhal‐
ten und versuchen nach ihrer Art es ihrem Gott
möglichst bequem zu machen, ein solches «Zei‐
chen» zu
geben.
.Darf man es heute den Menschen nun übel‐
nehmen, wenn sie so scharf darauf aus sind, über
ihre und anderer Zukunft etwas vorauszuwissen?
‒ Auch Männer der Macht haben es ja nicht ver‐
schmäht, sich in Zeiten der Ungewißheit von recht
fragwürdigen Sibyllen die Zukunft verkünden zu
lassen. Warum sollten nicht «die Kleinen und Un‐
mündigen» gleichartige Regung verspüren, über
ihre Aussichten in der Zukunft ein Orakel zu ver‐
nehmen?! ‒
.So verstehe ich es denn auch nur zu gut, daß so
viele Leute glauben,
wenn irgend einer, so
müsse doch
ich haarklein wissen, wie sich die
Zukunft in engeren oder auch weiteren Bezirken
dieses kleinen Planeten gestalte.
.Ich muß aber diese armen Übergläubigen arg
enttäuschen, denn sie suchen
nicht mich, son‐
dern irgend einen Scharlatan, der ihnen mit großer
Gebärde Dinge erzählt, von denen noch keiner
wirklich wußte oder wissen konnte, auch wenn er
der ihm vertrauenden Menge für einen todsicheren
Propheten galt.
.Himmelhoch über der hier angedeuteten Bauern‐
fängerei stehen natürlich die geschickten
Arti‐
sten, die sich
die Rolle des Hellsehers aus‐
erlesen haben, weil sie in ihr am wirkungsvollsten
die gewagtesten Stücklein ihrer Kunst zum besten
geben können.
.Als ich eines Abends mit einem der bewunde‐
rungswürdigsten und geschicktesten Künstler die‐
ser Art nach seiner von mir mit wahrhaft kind‐
licher Begeisterung und Freude genossenen Vor‐
stellung beisammen saß, wollte mir der Gute nun
alle seine «Tricks» aufs deutlichste erklären, und
war sehr verwundert, weil ich ihn schon zu Anfang
bat, mich in Unkenntnis zu lassen, da ich die
Freude am Unerklärlichen höher schätze, als das
Wissen darum, «wie es gemacht wird».
.Ich habe allerdings Produktionen indischer,
arabischer, kalmückischer, kirgisischer und india‐
nischer
religiöser Zauberer gesehen, die sie
nur für mich allein, und unter allen, von mir ge‐
wünschten, strengen Kontrollen ausführten, wo‐
nach ich sehr ernst geworden war, so daß mir alle
Begeisterung, die ich für artistische Kunststücke
immer übrig habe, in der Kehle stecken blieb...
Alles das war mir zuzeiten unverlangt über den
Weg gelaufen. Ich weiß aber dadurch einiger‐
maßen zu
unterscheiden!
.Was nun die Voraussicht zukünftigen Ge‐
schehens anlangt, so ist der Erdenmensch aus seiner
rein
tierischen Organisation heraus derart ver‐
anlagt, daß wir allesamt ein sehr weitreichendes,
sicheres Vorgefühl der Zukunft haben könnten,
hätten unsere noch ganz aus der Tierheit leben‐
den, körperlichen Vorahnen vor Hunderttausen‐
den von Jahren, die nötige Übung ihrer Fähig‐
keiten nicht aufgegeben, als sie die ihnen um so
viel gesicherter erscheinende Möglichkeit an sich
entdeckten, das Zukünftige
durch gedank‐
liche Folgerungen zu erschließen.
.Hierher gehört der Mythos vom «Paradiese», den
alle frühgeschichtliche Menschheit kennt!
.In einzelnen Menschennaturen, die noch bis zu
hohem Grade unter der Herrschaft der
Tier‐
seele stehen, finden sich aber unter allen Rassen
zuweilen
Rudimente ‒ Überbleibsel ‒ der
Organe erhalten, die vormals den Urzeitmenschen
«voraussichtig» gemacht hatten, und so
kann es
wohl geschehen, daß irgendeine Großstadtpythia
ebenso gelegentlich Dinge vorausahnen kann, wie
ein weissagender Priester irgendeines exotischen
Kultes, oder auch nur ein gerissener Gaukler, der
seine ‒ keineswegs beherrschte! ‒ Fähigkeit da‐
zu nützt, das Geld Anderer in seine eigene Tasche
überzuleiten.
.Die
Eitelkeit, die der Erdenmensch ja be‐
kanntlich mit seinen irdischen Mit-
Tieren teilt,
sorgt dafür, daß jede solche Weissagung zu einer
mehr oder minder geschickten Kombination wird,
in der sich das bestenfalls dunkel Erahnte durch‐
flochten findet von allerlei Mutmaßungen, wie sie
das Gehirn des Wahrsagers im gegebenen Fall
spontan produziert, und von recht simplen ver‐
standesmäßigen Schlüssen, die ihm von den auf
ihre Zukunft Neugierigen geradezu aufgedrängt
werden.
.Wer sich zum Wahrsager begibt, begibt sich
immer in Gefahr!
.Ich muß raten,
diese Gefahr zu
meiden,
denn aus ihr geht weder eine Festigung des Cha‐
rakters hervor, noch ist sie Bedingnis menschen‐
fördernder Tat! Wer in jedem Augenblick so han‐
delt, wie es ihm sein von jeder Fremdsuggestion
sorglich gereinigtes
Gewissen empfiehlt, der
kann wahrhaftig
jeglicher Zukunft
unbe‐
sorgt entgegensehen.
.Zum Schluß will ich aber denn doch auch noch
Denen danken, die weder zu fragen kamen, noch
ihren Sorgen Ausdruck schaffen wollten, sondern
sich nur veranlaßt sahen, mir ein paar herzliche,
liebeerfüllte Worte zu sagen, weil ihnen längst das
Leben in der ewigen
geistigen Seele, wie es
meine Schriften lehren, zur klaren Bestätigung der
Lehre Jesu wurde: ‒ daß der Mensch nicht lebt
«vom Brot allein», sondern «von jedem Wort, das
aus dem Munde Gottes kommt».
.Der «Mund Gottes» auf dieser Erde aber war
noch immer
eines Menschen Mund, so, wie
auch der «Satan», dem der tief symbolische Bericht
das hier herangezogene Weisheitswort durch den
jungen Meister zu hören gibt, zu Erdenmenschen
noch niemals anders zu sprechen wußte, als durch
Menschenmund, ‒ es sei denn, er habe den
Menschen, zu dem er sprechen wollte, bereits
«besessen»...
.Es ist mir natürlich beglückend zu wissen, daß
es in allen Teilen der Welt so viele Menschen gibt,
die meine, in andere Sprachen nur recht schwer
zu übersetzenden Bücher, in der deutschen Ur‐
sprache zu lesen vermögen, auch wenn diese, vielen
Lesern von Hause aus recht fernliegende Sprache
mitunter, ‒ und besonders in meiner Gestaltungs‐
form, ‒ respektable Schwierigkeiten macht.
.Es ist jedoch eine rein verlagstechnische Angele‐
genheit, und ganz von mir unabhängig, ob sich alle
die Wünsche der in fernen Erdteilen lebenden,
durch die gemeinsame Muttersprache mir ver‐
bundenen geistigen Schüler erfüllen lassen wer‐
den, daß ‒ wenigstens bestmögliche ‒ Übersetzun‐
gen meiner geistigen Lehrbücher in zum Teil sehr
entlegene Sprachen erfolgen möchten, weil die
erwähnten Schüler bei den der deutschen Spra‐
che nicht mächtigen Freunden in ihren Gastlän‐
dern Interesse für die von mir dargebotenen Leh‐
ren vermuten, oder bei gesprächsweiser Erörte‐
rung wahrgenommen haben.
.Ich muß der Lenkung
ewigen Geistes, der alle
Auswirkung der durch mich geprägten Wortfor‐
mulierungen anvertraut ist, auch darin vertrauen,
daß sie jede nötige Übersetzung herbeiführen wird,
wenn sie den psychologischen Moment dafür ge‐
kommen weiß. Immer wieder aber muß ich dabei
in Erinnerung rufen, daß ein
erschöpfendes
Eindringen in den Inhalt meiner, den Weg zum
ewigen Geiste weisenden Bücher nur dem möglich
wird, der sie
in der Ursprache lesen kann,
auch wenn er das Deutsche dazu erst erlernen
müßte.
.Übersetzungen können nur Behelfe sein, um all‐
mählich auch aus dem Geist einer andern Sprache
heraus verstehen zu lernen, was ich in meiner
Muttersprache geformt habe!
.Allerletzt auch noch ein Wort über «
geistige
Hilfe»! ‒
.Es scheinen mir da reichlich phantastische
Begriffe umzugehen, ‒ genährt durch allerlei vor
fünfzig und mehr Jahren in Amerika modern
gewesene okkultistische Vulgärliteratur, die nun
endlich auch im alten Europa
(durchaus nicht nur
in Deutschland) sich eingenistet hat.
.Was
da alles «geistige Hilfe» genannt wird, hat
allerdings mit der aus dem
ewigen Geiste ge‐
sandten
über-«irdischen» Stärkung und Be‐
freiung der
geistewigen Seele
nicht das
allergeringste zu tun, von der
allein die
Rede ist, wo immer ich über geistiges Hilfeleisten
zu sprechen habe.
.Wirkliche «geistige» Hilfe ist keine zuge‐
sandte «Gedankenkraft», keine mysteriöse Wir‐
kung irgend eines Gebetsmechanismus, keine Fern‐
hypnose, und keine Teufelsvertreibung durch kräf‐
tiglichen Höllenzwang, sondern ein Geschehen
in
den Welten der Ursachen: ‒ ein Vor‐
gang, der nur dem verständlich ist, der ihn selber
herbeizuführen vermag.
.Alles was da geschieht, erfolgt ohne jedes äußere
Zutun, ‒ ja selbst ohne jegliche Mithilfe des
Denkens, ‒ in den Regionen des reinen
ewigen,
von jeder Gehirnbetätigung absolut unabhängigen
göttlichen Geistes, ‒ verlangt aber von jedem noch
irdisch-tiermenschlicher Erscheinung Eingebore‐
nen, der das hier Nötige zu bewirken vermag, in
jedem Einzelfall äußerst heftige Erschütterungen
der irdischen Lebenskräfte, die zuweilen nur sehr
schwer zu regenerieren sind.
.Das
Wissen um die erdverhaftete, geistige
Seele, der solche Hilfe gerade besonders
nötig
ist, übt nur die Aufgabe eines Richtungsweisers
aus. Mit einem Vergleichsbild aus einem heute fast
aller Welt vertrauten Spezialgebiet der Elektro‐
technik könnte man auch sagen: ‒ das Wissen
um die hilfsbedürfende Seele dient nur dazu, die
richtige, ‒ hier
geistige, ‒ «Welle» einzu‐
schalten.
.Der tierhafte Erdenkörper des Helfenden hat
hingegen etwa die Aufgabe einer mit unvorstell‐
baren «Hochspannungen» arbeitenden «Sendesta‐
tion».
.Symbol eines solchen nie versagenden und sich
stets wieder regenerierenden «Senders» ist der
starkbeleibte Buddha
Chinas und
Japans,
während die
indischen Buddha-Darstellungen
fast ausnahmslos nur den auf seine Selbsterlösung
und geistige Erfreuung bedachten Erleuchteten
zeigen. ‒ ‒
.Damit möge nun meine zusammenfassende Ant‐
wort auf die mir zugekommenen Briefe beendet
sein. Ich glaube, daß jede Urheberin und jeder
Urheber den eigenen Brief in der ihm zugedach‐
ten Antwort wiedererkennen dürfte, finde mich
aber daneben zu der Annahme veranlaßt, daß
das, was ich zu antworten habe, auch für manchen
Leser Bedeutung gewinnen kann, der nicht an
mich geschrieben hat.
Anm.: Entspricht der 2.Auflage. "+" kennzeichnet e. Link zum Originalscan
WAS ich hier sagen werde, will in gleichem
Sinne verstanden sein, wie der an dieser
Stelle durchgeführte Versuch «Allen Antwort» zu‐
kommen zu lassen, die auf Grund einer vorherge‐
henden Nummer dieser Zeitschrift an mich ge‐
schrieben haben.
.Selbstverständliches sollte man ja nicht erst sa‐
gen müssen, aber die Briefe auf die ich mich hier
beziehen muß, zeigen mir mit bemühender Deut‐
lichkeit, daß doch recht vielen Leuten das
an sich
Selbstverständliche leider noch wenig zu Bewußt‐
sein kam, was mir allerdings schon die Erfahrung
von über zwei Jahrzehnten öffentlichen Wirkens
reichlich bestätigt hat.
.Da sind vielleicht in erster Linie jene Allzunai‐
ven zu nennen, die es
ihrerseits ohneweiteres für
ganz selbstverständlich halten, daß mir eine Art
«biblischer» Anrede gebühre, wie sie z. B. die eng‐
lische Sprache nur
Gott gegenüber kennt, wie sie
aber daneben auch im Deutschen nur
unter näch-
+
sten Verwandten und Freunden üblich ist, wenn wir
hier von ihrem Gebrauch in bäuerlichen Gegen‐
den oder in Kaserne und Schützengraben abse‐
hen wollen, weil dort
örtliche Verbundenheit die
Anrede in der zweiten Person fast zwangsläufig
herbeiführt.
.Gewiß weiß ich,
was bei manchen, die mich nicht
auf die bürgerlich allgemein gebräuchliche Weise
anreden zu können glauben, letzte Ursache ihrer
Unsicherheit ist.
.Aber ich sehe gar keinen Grund gegeben, Sitte
und allgemein überkommenen guten Verkehrs‐
ton beiseite zu lassen, nur, weil man mit einem
Menschen spricht, der seiner selbst
im lebendigen
ewigen Geiste bewußt ist, und aus seinem ihm zu‐
teilgewordenen
Ur-
Teil heraus das seinen Mit‐
menschen Heilsame aufzuzeigen sucht. Zur Be‐
ruhigung mancher Überempfindsamen und
leicht Verletzlichen will ich hier die Tatsache er‐
wähnen, daß selbst zwischen den mir auf die gei‐
stig geheimnisvollste Weise vereinten Männern
gleichen geistigen Lebens und mir, niemals eine
Anredeform, die unserem deutschen «Du» ent‐
spräche, angängig wäre. Auch habe ich diese An‐
redeform gerade den mir am allernächsten ste‐
henden Freunden gegenüber ‒ von wenigen frü‐
heren Ausnahmen abgesehen ‒ bis auf den heuti‐
gen Tag vermieden, obwohl es sich da zum Teil
um Jugendfreunde handelt.
.Jenen merkwürdigen Zeitgenossen aber, die
sichtlich ihr «gutes Recht» darin sehen, jede weise
Konvention beiseite zu schieben, wenn sie nicht in
ihre überspannten Vorstellungsreihen paßt, muß
ich zu bedenken geben, daß ich unmöglich
im ewi‐
gen Geiste zu leben vermöchte, wenn mir sein ge‐
setzgebundener Ausdruck in irdischer
Form je‐
mals gleichgültig sein könnte.
.Wer die
Form geringschätzen zu dürfen glaubt,
ist noch himmelweit von dem Wege entfernt, auf
dem er dereinst ‒ sei es im nachirdischen oder gar
schon im gegenwärtigen Leben ‒ in den
Geist ge‐
langen könnte! Auch wenn der vermeintlich über
die Form Erhabene alle meine Schriften Satz für
Satz auswendig weiß und sich gerne meiner
Sprachweise zu bedienen pflegt.
Eine andere Selbstverständlichkeit, die ich nun
nachdrücklichst betonen muß, betrifft mein Ver‐
hältnis zu der hier vorliegenden Zeitschrift.
.Obwohl Herausgeber und Schriftleiter in jeder
Nummer genannt sind, scheint es doch nicht gar
wenige Leser zu geben, die
mir eine Verantwor-
+
tung für den Inhalt der Hefte aufbürden möch‐
ten.
.Hier habe ich ein für allemal zu sagen, daß mir
nicht der geringste Einfluß auf den Inhalt der
«Säule»
zusteht und daß ich weit davon entfernt
bin, solchen Einfluß zu
erstreben!
.Was in dieser Zeitschrift je zu lesen war, gegen‐
wärtig zu lesen ist, oder in Zukunft zu lesen sein
wird, ist strengstens abgegrenzt,
nur insoweit meine
Meinung, als es sich um
von mir mit Namen gezeich‐
nete Erörterungen handelt.
Alles Übrige ‒ auch
wenn mein Name darin genannt werden mag,
auch wenn man sich ausdrücklich auf mich beru‐
fen zu dürfen glaubt oder Stellen aus meinen Bü‐
chern zitiert und sonstwie mitverwendet ‒ er‐
scheint lediglich unter persönlicher Verantwort‐
lichkeit der Verfasser und stellt
deren eigene per‐
sönliche Meinung oder Auffassung dar.
.Ich kann da unmöglich das Amt eines Zensors
übernehmen, das mir von manchen Seiten so
dringlich nahegelegt wird, die sich besser und
richtiger an
Verlag und
Schriftleitung wenden soll‐
ten, wenn sie da und dort mit Beiträgen, die mei‐
ner Berichtigung keinesfalls unterliegen, nicht
einverstanden sind. Weder ist es meine Aufgabe,
noch meine Absicht, die mir zugemutete öffent‐
liche Kritik an den Ausführungen der einzelnen
Verfasser aufzunehmen. Ich bitte vielmehr die
Leser der «Säule», überzeugt zu sein, daß jeder
Mitarbeiter, der hier zu Worte kommt, nur
aus
lauterster Gesinnung und
ehrlichem Helferwillen
spricht, auch wenn zuweilen einer selbst nicht be‐
merken mag, daß seine Auffassung Folgerungen
zuläßt, die den von mir vertretenen Lehren fremd
sind und fremd bleiben müssen. Man sollte in
solchen Fällen zum mindesten doch die Ehrlich‐
keit in der Meinungsäußerung
achten, auch wenn
man glaubt, daß ich
nicht alles zu billigen ver‐
möge!
.Es wäre aber auch durchaus irrig, ein etwaiges
längeres Ausbleiben von Beiträgen aus meiner Fe‐
der im Sinne einer abfälligen Kritik auszudeuten.
.Was
ich in diesen Heften darlege, ist immer
durch besondere, mir in direkter Linie berüh‐
rungsnahe gekommene Anlässe bedingt, und ge‐
langt hier zur Aussprache, weil das, was ich auf
solche Art jeweils zu sagen habe, von vielen hier
gesucht wird. Spreche ich mich über irgendwelche
Dinge, über die man vielleicht gerne meine Mei‐
nung hören möchte, aber
nicht aus, so darf man
überzeugt sein, daß ich meine guten Gründe da‐
für habe. Es gibt Dinge über die so viel gespro‐
chen wird, daß es diesen Dingen wohltut, wenn
+
auch einmal, von längst genau präzisierter Stelle
her, darüber
geschwiegen wird. Es gibt weiterhin
Dinge für die mir heute noch lange nicht die Zeit
gekommen ist, darüber zu reden. Und schließlich
gibt es auch Dinge über die zu sprechen ich mich
in keiner Weise berechtigt sehe, da sie weit außer‐
halb meiner, mir Gewißheit bietenden Erlebnis‐
bezirke liegen und mit dem, was ich dem Erden‐
menschen als
ewiges Erleben vorbehalten weiß,
nicht in der mindesten Beziehung stehen.
.Ebenso kann ich aber auch nicht jede
Mißdeu‐
tung meiner Lehrworte aufklären, sondern muß
es denen, die ihre eigene Meinung in meine Texte
hineininterpretieren, in aller Geduld überlassen,
selbst ihrer Irrtümer gewahr zu werden.
.Jeder muß
für sich selber einstehen!
.Ich kann keinem seine eigene Verantwortung
abnehmen, und diese Verantwortung wächst ins
Unermeßliche durch jedes Wort, was
vor der Öf‐
fentlichkeit ausgesprochen wird, ‒ mag diese Öf‐
fentlichkeit auch engste Grenzen aufweisen.
.Jedes öffentlich ausgesprochene Wort ist ein
Saatkorn aus dem eine mehr oder minder reiche
Ernte gleicher Art heranreift, und für diese Ernte
hat allein
der Mensch vor der Ewigkeit einzuste‐
hen, der das
Saatkorn ausgeworfen hatte.
Nachdem ich nunmehr über volle zwanzig Jahre
durch das geschriebene Wort Seelen zum Lichte
der Ewigkeit zu leiten trachte, weiß ich leider
auch aus vieler Erfahrung, wie
wenig selbstver‐
ständlich es den meisten Menschen ist, das
an sich
Selbstverständliche zu erfassen und danach zu
handeln.
.Was den Einzelnen in meinen Büchern
wirklich
angeht, nimmt sich nur recht selten einer zu Her‐
zen. Wohl aber bezieht dieser und jener nur allzu‐
gerne auf
sich, was ihm
gänzlich unzugänglich ist
und bleiben wird, und was nur durch mich be‐
schrieben werden wollte, damit auch der Außen‐
stehende, dem die Voraussetzungen zu solchem
Erleben fehlen, dennoch begreifen lerne, wie das
ihn selbst zu Tat und Wirken Aufrufende,
im ewigen
Geiste verankert ist.
.Und selbst in dem, sie wirklich aufs dringlichste
und nächste
Angehenden suchen sich die Wenigen,
die danach fragen, noch immer lieber nur das ih‐
nen besonders Zusagende und Genehme aus,
während sie alles, was ihrer lieben Eitelkeit kleine
Beschwerden macht, nur für «Andere» niederge‐
schrieben glauben.
.Es gibt auch zu denken, daß ich auf meine Auf‐
forderung hin, außer den mir wirklich erwünsch-
+
ten Briefen geliebter, mir bekannter Schüler, fast
nur von einer Anzahl schlichter Leute aus dem
Handwerk und der Landwirtschaft verbundenen
Berufen Briefe erhielt, an denen ich mich wirk‐
lich
freuen konnte. ‒ Auch fand ich bei einigen die‐
ser sich mir Anvertrauenden bereits ein echtes
geistiges Erleben, wie man es vergeblich bei jenen
suchen würde, die sich möglichst deutlich als gei‐
stig besonders Begnadete einzuführen trachten
und nicht ahnen, daß sie sich mit jeder Silbe selbst
richten, da ihnen jegliches
Zeichen des ewigen Gei‐
stes fehlt, der die Seinen allerdings
wesentlich an‐
ders bestätigt, als jene phantastischen, von geist‐
licher Großmannssucht Überwältigten meinen. ‒
.Als durchaus
nicht selbstverständlich empfinde
ich jedoch eine gewisse
Wehleidigkeit und
Selbst‐
bemitleidung, die manchen der an mich gelangten
Zuschriften ein kurioses Gespräge gibt. Men‐
schen, die meine Lehren kennen, sollten denn
doch wahrhaftig wissen, daß eine wirkliche
geistige
Erneuerung ‒ wo immer in der Welt sie erstrebt
werden mag ‒ nur dann erreichbar ist, wenn
vordem das, was im Menschen rein
tierisch bedingt
ist,
sich selber beherrschen lernte! Das ist
Vorausset‐
zung!
.Ohne
diese Selbstverständlichkeit erfüllt zu ha‐
ben, ist noch
kein einziger Erdenmensch in Wahr‐
heit seiner
ewigen Geistesnatur bewußt geworden,
auch wenn er um alles wußte, was
wirklich im ewi‐
gen Gottesgeist Lebendige aus dem geistigen Sein
zu künden hatten!
ES kann einem, der etwas von den geheimnis‐
vollen Schwingungen der Lautzeichen im Welt‐
äther weiß, nicht gleichgültig sein, ob in seinem
Namen ein «F» oder ein «Ph» vorkommt, auch
wenn das Doppelzeichen nicht anders ausgespro‐
chen wird, wie das einfache.
.Einiges von diesen Dingen wußte der in den
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ver‐
storbene Stuttgarter Opernregisseur Krebs, weshalb
er sich denn auch «Kerning» nannte. Allerdings
tritt hier schon zutage, wie verschleiert sein dies‐
bezügliches Wissen war. Andernfalls hätte er nicht,
der Neigung seiner Zeit erliegend, sich den «spre‐
chenden» Namen «Kerning» gegeben, der zwar
eine Lautzeichenverbesserung gegenüber «KR»
und «BS» darstellt, aber zugleich doch besagen
wollte, daß der mystische Autor nicht den «Krebs‐
gang» gehe, sondern zum
Kern der Dinge vor‐
dringe.
.Kernings leidige Neigung zu einer schrulligen
mystischen Romantik hat schon ihn selbst dazu
verleitet, seine wenigen Ahnungen in bezug auf
den Schwingungswert der Buchstaben zu wirren
Scheinerkenntnissen aufzubauschen.
.Seine freimaurerischen Schüler aber haben aus
dem, was er ihnen hinterlassen hatte, vollends eine
rein phantastische, jeder Wirklichkeitsbegründung
bare Lehre gemacht, deren Behauptungen und
gegebenenfalls zu erzielenden Folgen schon in das
Gebiet der Psychiatrie gehören, weshalb man nicht
genug vor der Lektüre solchen Schrifttums warnen
kann.
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
IHR hegt, wie aus so mancher, mir teuren Äuße‐
rung hervorgeht, voll Vertrauen den Wunsch,
daß ich noch möglichst lange bei Euch bleiben
möge ‒ hier in dieser uns alle umschließenden
Sichtbarkeit?
.Es ist Euch nicht einerlei, ob ich vollbringe, was
mir nur zu dieser Zeit meines
erdenkörper‐
lichen Lebens geistig zu vollbringen möglich
wird, und Ihr wollt auch noch vernehmen, was ich
Euch in
Zukunft noch zu
sagen habe?
.Wenn dem so ist, dann muß ich Euch aber auch
darum bitten, mir die Vorbedingung schaffen zu
helfen, die zu alledem für mich unumgänglich
nötig ist.
Wären wir noch
Urasiaten, und nicht die von
unserem Ursprungslande weit abgewanderten Be‐
wohner der kleinen, dem Kontinent Asien vor‐
geschobenen Halbinsel Europa, dann würde eine
jahrtausendealte und stets heiliggehaltene Tradi‐
tion Euch sagen, wie ein dem ewigen, substantiellen
Geistigen (
nicht etwa dem bloß
Gedank‐
lichen!) zugewandter Mann, ‒ als was immer
er örtlich bezeichnet werden mag, ‒ vor äußeren
Störungen geschützt werden
muß, um seinen,
allem Irdischen
übergeordneten Verpflich‐
tungen leidlich nachkommen zu können.
.Und dabei handelt es sich innerhalb solcher Tra‐
dition nur um quasi «
subalterne» Zugelassene
in geistige Lebensbereiche, wenn nicht gar um
bloße Okkultisten, da die
wirklich im ewigen
Geiste
souveränen Menschen, soweit sie auch
gegenwärtig noch in asiatischen Bezirken leben,
weder
persönlich, oder dem
Namen nach,
noch
indirekt durch ihre
Lehre an die Öffent‐
lichkeit treten, weil sie das als
abgrundtief
unter ihrer Würde liegend empfinden. Der
europäische Mensch ist ‒ in
dieser Hin‐
sicht wenigstens ‒ weitaus bescheidener.
.Ich mache trotzdem keinen Hehl daraus, wie
meine Situation
innerhalb des substan‐
tiellen,
ewigkeitsbewußten Geistes
Gottes gelagert ist, aber meiner europäischen
menschlichen Erdenhaftigkeit entsprechend wider‐
strebt es mir, eine Rangstufe, wie sie mir zukommt,
zu
betonen, weil mir jeder «Anspruch», der
erst «angemeldet» werden muß, von vornherein
lächerlich erscheint.
.Es ist auch nicht zu leugnen, daß in heutigen
Tagen innerhalb Europas weder Gefühl noch In‐
stinkt für die Distanz vorhanden sind, die einem,
dem
Geistigen zugeteilten Menschen gegen‐
über in Betracht kommt.
.Der Europäer unserer Zeit ist allzusehr auf
geist-
ferne Gesichtspunkte eingestellt, und sein
Suchen vermittelt ihm bestenfalls nur
solche
Einsichten, wie sie der Spannweite seines allzu‐
sicheren Blickes gerade noch zur Not sich er‐
öffnen können. Wie dürfte man von ihm
mehr
erwarten, als
er selbst von sich zu erwarten
vermag!
.Und dennoch weiß ich, daß auch der Europäer
zu der selbstverständlichen
Höhe und
Weit‐
räumigkeit asiatischer geistiger Einsicht ‒ wie
sie dort ist, wo sie wirklich
besteht ‒ empor‐
wachsen kann, wenn er
sich selbst nicht
versäumt, was allerdings die meisten Europäer
leider
tun, und für die höchste Aufgabe ihres
Lebens zu halten scheinen.
.Man braucht aber
niemals sich selbst zu
versäumen, ‒ nicht im denkbar aktivsten Leben,
noch im Ringen zwischen Leben und Tod, noch
im rauschendsten Lebensgenuß!
Es handelt sich also bei mir
nicht um das Fern‐
halten äußerer Störungen, wie sie gewiß jeder
Gehirnarbeiter gerne von seiner Arbeitsstätte fern‐
gehalten sieht, damit er unbehindert in seinen
Gedankengängen sich ergehen kann.
.Solche Befreiung von äußerer Störung habe
ich noch
niemals gebraucht!
.Auch inmitten einer tumultuösen Menschen‐
menge bin ich bei mir in der vollkommensten Ein‐
samkeit, und ich würde nichts verbessern, wollte
ich mich in eine weltabgeschiedene Einsiedelei
zurückziehen.
.Unerläßliche Vorbedingung für das wirksame
Einsetzen substantiell-geistiger Hilfe zugunsten
seiner Mitmenschen ist für den im ewigen Geiste
Lebendigen vielmehr, daß er unbedingt befreit
bleibt
von Ansprüchen der äußeren
Konvention seiner Umwelt und seiner
Zeit, soweit diese Ansprüche das gleichzeitige
Verharren in der ununterbrochenen Bewegtheit
innerhalb des substantiellen ewigen Geistes un‐
möglich machen.
.Hierher gehört aller Äußerungszwang, dem nicht
anders entsprochen werden kann als durch zeit‐
weiliges
Unterbrechen des dem Geistgeeinten
im ewigen substantiellen Geiste zugeteilten tätigen
Verhaltens.
.Religiöse Bildersprache weiß zu sagen, daß be‐
wußt im Geiste Lebendige ‒ mit welchen Namen
sie auch benannt, und wie immer sie vorgestellt
werden mögen ‒ unablässig «vor Gottes Thron»
ihr «Heilig, Heilig, Heilig» ertönen lassen, was
einigermaßen ästhetisch gerichteten Skeptikern
eher als Höllenstrafe erscheinen wollte, statt als
Bekundung ewiger Seligkeit. Aber in solcher bild‐
haften Lehre steckt nur die Wahrheit, daß das
bewußte Leben im ewigen Geiste ein unablässiges,
rhythmisch akzentuiertes
Tun ist, und daß dieses
Tun die höchste Verherrlichung des ewigen Seins
darstellt, aber mit Hilfe irdischer Vergleiche nicht
zu umschreiben ist. Daß man dieses Tun als ein
Singen darzustellen suchte, ‒ wohl auch zu‐
weilen als
Musizieren, ‒ zeigt immerhin deut‐
lich, daß solche gleichnishafte Rede von Menschen
stammt, die wahrhaftig aus dem ewigen Geiste
sprachen...
.Nun darf man nicht außeracht lassen, daß bei
einem im ewigen, substantiellen Geiste bewußt
Lebendigen der gleichzeitig noch als Mensch der
Erde lebt, eine den Marconi-Wellen vergleichbare
Verbindung beider Lebensbezirke besteht, deren
Aufnahmeapparatur im irdischen Körper der
ge‐
samte Nervenkomplex dieses Körpers ist.
.Infolgedessen ist eine
Störung dieser Verbin‐
dung auch dem
ganzen irdischen Körper auf das
empfindlichste
fühlbar, ja ein
unvermute‐
tes plötzliches Losreißen kann auf der Stelle den
Tod des Körpers bewirken.
Während nun aber selbst der intensivste Gebrauch
aller körperlichen Sinnesorgane
keinerlei Stö‐
rung der aufgezeigten schwingungsartigen Verbin‐
dung zu bewirken braucht (unter gewissen Um‐
ständen
kann er sie jedoch bewirken ‒) wird
diese Verbindung sofort auf das empfindlichste
gestört, wenn sich das Gehirn gezwungen findet,
sprachliche Formulierungen für Ge‐
danken zu gestalten, die nur
dem irdischen
Dasein zugehören. Das tritt im
stärksten
Maße ein, wenn der im substantiellen Geiste voll‐
bewußt Lebende die irdische Aufgabe übernommen
hat, seinen Mitmenschen
Lehre aus dem Leben
des ewigen Geistes zu vermitteln, wozu er sein
Gehirn in strenger Zügelung erziehen mußte, auf
direkte Ansprache aus dem ewigen Geiste sofort
und präzis zu reagieren. ‒ Meine Schüler werden
verstehen, daß ein solcherart auf eine ganz einzig‐
artige Reaktionsweise hin geschultes und abge‐
stimmtes Gehirn anderen Gefahren ausgesetzt ist,
als das Gehirn des Normalmenschen, der nichts
von den Möglichkeiten auch nur
ahnt, die hier
in Betracht kommen und stets aktuell sind.
.Wenn in orientalischen Religionen der wirklich
oder auch nur vermeintlich aus dem Geiste Leh‐
rende stets von einem hierarchisch abgestuften
Hofstaat, wie von einem System hintereinander
aufgestellter Palisadenzäune umgeben war, damit
ihm nur ja nichts nahen konnte, was für seine
Verbindung mit seinem gleichzeitig bestehenden
wirklichen, ‒ oder auch nur gläubig zugeschrie‐
benen ‒ Leben im ewigen Geiste
Störung
hätte bedeuten müssen, so war das nur folgerich‐
tige Auswirkung des allgemeinen Wissens um die
oben geschilderten Zusammenhänge des Geistigen
und Irdischen innerhalb einer entsprechend ge‐
arteten menschlichen Individualität. Was heute
noch an Spuren solcher Umzäunungen eines mit
mystischem Nimbus umglaubten Menschen da und
dort übrigblieb und weiter erhalten wird, ist es
nicht minder.
Nach alledem wird man nun vielleicht doch zu
einigem Verständnis dafür kommen, daß mir, der
ich niemals «ein fauler Briefschreiber» war, heute
jede Nötigung, einen Brief zu schreiben, zur Qual
geworden ist. Mag auch der Adressat mir überaus
nahestehen! Mag auch das, was brieflich zu be‐
handeln ist, mich im Tiefsten ergreifen!
.Das ist für einen verbundenheitsfreudigen Men‐
schen, dem jeder, der ihm jemals seelisch wirklich
nahe kam, nun auch immerdar gegenwärtig bleibt,
recht schwer erträglich, und es fehlt ja auch wahr‐
haftig nicht an immer aufs neue wiederholten Ver‐
suchen meinerseits, «wider den Stachel zu löcken»,
und trotz aller geistnaturgegebenen Verbote, oft
lang schon versäumte Korrespondenz wieder auf‐
zunehmen. Zum Teil auch aus ganz egoistischen
Gründen, denn es gibt recht viele, mir geistig
nahestehende Menschen, nach deren Briefen ich
mich geradezu «sehne», so daß mir im irdischen
Leben vieles fehlt, wenn Nachricht von ihnen zu
lange ausbleibt. Ich kann aber niemand zumuten,
mir in kontinuierlicher Aufeinanderfolge zu
schreiben, wenn meine Antwortbriefe, die viel‐
leicht nicht minder erwartet werden, immerfort
ausbleiben, ‒ mögen die Gründe dafür auch gegen
jede Verdächtigung in Hinsicht auf «Schreibfaul‐
heit» vor allen Einsichtigen geschützt sein.
.Ernsthaft beunruhigend aber kann mich das
Ausbleiben von brieflicher Nachricht berühren,
wenn ich aus irgend einem Grunde zu der An‐
nahme berechtigt bin, daß ich vielleicht geistig zu
helfen vermöchte, wäre mir nur die derzeitige
Situation des Freundes offenbar.
.Aus solchen Empfindungen heraus spricht mein
im Heft 4, 1933 der «Säule» dargebrachtes Ge‐
dicht: «Geistige Verbundenheit». Es war an die
Allernächsten, der mir persönlich oder auf eine
außergewöhnliche Weise auch nur brieflich be‐
kannten Freunde und geistigen Schüler gerichtet,
weil mir nur deren persönliche seelische und
äußere Verhältnisse vorläufig hinreichend vertraut
sind, daß ich sie, um des Einsatzes geistiger Hilfe
willen, genügend zu beurteilen vermag. Fataler‐
weise hat mir zwar dieses Gedicht eine Flut von
Zuschriften gebracht, die nur in Bewegung gesetzt
wurde durch die irrige Meinung, es mangele mir
an Gelegenheit zur Korrespondenz. ‒ Aber von
diesen wenig erfreulichen Bekundungen anmaß‐
licher, zum Teil schon kaum noch erträglicher, für
alles mögliche, Zauberhilfe heischenden Überheb‐
lichkeit weit abgesehen, haben auch andere bis da‐
hin mir noch nicht bekannte Menschen sich auf‐
gefordert gefühlt, mir zu schreiben, deren brief‐
liche Bekanntschaft gemacht zu haben, ich gewiß
niemals unterschätzen werde. Hochgebildete, gei‐
stig Schaffende, aber auch ganz einfache Leute
sind dabei, und manche wissen mir Wundersames
aus ihrem inneren Leben zu berichten, ohne viel
daraus zu machen, obwohl sie nicht verbergen
können, daß der Atem ewigen Geistes sie berührte,
ohne daß sie es, im kirchlich anerzogenen «Bewußt‐
sein» ihrer vermeintlichen Sündhaftigkeit, für
wahr halten wollten.
.Jedem einzelnen, dieser mir mit dem Siegel des
Geistes neu Nahegetretenen möchte ich eine recht
persönliche Antwort schreiben, und sie wurde in
Gedanken schon geschrieben, als ich seinen Brief
las.
.Wenn aber die hier gemeinten ‒ Frauen wie
Männer ‒ mit der ihnen sichtlich gegebenen Ein‐
fühlungsfähigkeit nun die mir wirklich nicht leicht
gefallenen Darstellungen der mein Erdenleben um‐
fangenden Sonderbedingnisse empfindend sich klar
gemacht haben werden, dürften sie gewiß auch ver‐
stehen, daß ihre vertrauend gegebenen Worte gut
bei mir verwahrt bleiben, auch wenn ich nicht
darauf brieflich zu antworten vermag.
.Ich werde auch weiterhin versuchen, auf die mir
zukommenden Briefe auf ähnliche Weise wie hier,
in der «
Säule» zu antworten, bedacht darauf,
daß möglichst
vielen Lesern, mit solcher Ge‐
meinsamkeitsantwort Aufschluß und Klärung zu‐
kommt.
.In
dieser Weise vermag ich zu antworten,
ohne mein Wirken im ewigen Geiste unterbrechen
zu müssen, was bei
persönlichen Briefen an
Einzelne
ganz unvermeidlich wäre, und zu‐
letzt fraglos zur Zerstörung meines irdisch gege‐
benen Daseins führen müßte, das Ihr alle, geliebte
Freunde, noch so lange als erdbedingt möglich, er‐
halten sehen wollt, ‒ zugleich aber dem Wider‐
sprechendes von mir erwartend...
.Mir selbst, der ich mich
niemals in meinem
Erdenleben zu «
schonen» suchte, vielmehr von
den Tagen meiner Kindheit an die Gefahr verwege‐
nerweise aufsuchte, wo sie am größten war, ist
irgendwelche Besorgnis in bezug auf Erhaltung
meines irdischen Lebens wirklich von Hause aus
fremd, und mein bewußtes, taterfülltes Leben im
ewigen substantiellen Geiste rückte jeden derarti‐
gen Gedanken womöglich noch ferner. Wenn ich
dennoch Euren mir zugedachten Wünschen meine
Mitwirkung zusagen muß, so geschieht dies, weil
ich vom Geiste her weiß, was noch auf Erden für
mich zu tun ist, da es nach meinem Tode in vielen
Jahrhunderten keinen Menschen innerhalb der
Westwelt geben wird, der Eignung in sich zu tragen
vermöchte, es vollbringen zu können, aus den
Kulturkreisen des Morgenlandes aber
niemals
mehr einer dem Abendlande erfahrbar werden
wird.
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
WENN ich die beiden Jahrzehnte meines Leh‐
rens aus der Wirklichkeit ewigen göttlichen
Geistes überblicke, sehe ich eine Auswirkung der
durch mich verkündeten Lehren vor mir, die vom
Blickpunkt des lichten heiligen Geistes Gottes her
als ein leuchtendes Feuer unvergänglicher Freude
erscheint, ‒ in erdenmenschlichem Erfühlen er‐
lebt aber zur umfassendsten Dankbarkeit gegenüber
Denen nötigt, die mir echte geistige Schüler ge‐
worden sind.
.Niemals hätte ich vordem erwartet, daß mein
helfendes Lehren so viel Entgegenstreben aus dem
Innersten, so viel warme, fühlende, wollende Auf‐
nahme bei meinen Mitmenschen vorfinden: ‒ daß
es so vielem lebendig durchglühten seelischen
Suchen begegnen würde.
.Ich kann nur immer wieder
danken für die
Bereitwilligkeit, den durch mich empfangenen
Anweisungen nachzuleben, und wollend dem ge‐
zeigten Ziele zuzustreben!
.Dennoch aber begegne ich neben allem seelisch
wurzelstarken Wollen immer wieder auch einer
Art Sehnsucht
nach zauberhaftem Ge‐
schehen, die durch mich endlich ihrer Erfül‐
lung gewiß zu werden vermeint, ‒ die ich aber
nur herbster
Ent-
Täuschung zuführen muß.
Wer dieses Herausreißen aus einer wohligen Täu‐
schung nicht verträgt, der hat in meiner geistigen
Nähe nichts zu suchen!
.Was ich im Nachfolgenden sage, setzt daher eine
wesentlich
andere Seelenhaltung voraus. Ich
rede hier nur zu Menschen, die ein inneres
Recht
haben, sich als meine geistigen Schüler zu fühlen,
auch wenn sie noch zuweilen erdmenschlichen Nei‐
gungen zu weit nachgeben, oder in Gefahr geraten
können, Irrtümern nachzuhängen, die ganz gewiß
nicht durch mich genährt werden, aber seit alter
Zeit durch törichten Aberglauben heftig in Kraft
sind.
.Allem anderen voraus denke ich hier an die bei‐
nahe nicht auszurottende Sucht, die ewige Wirk‐
lichkeit, wie sie
im göttlichen substantiel‐
len Geiste allein durch Vermittlung der
Seele zu empfinden ist, auf irdisch-physische ‒ ja
physikalische ‒ Weise erleben zu wollen.
.Selbst dort, wo man einiger Einsicht wahrlich
gewiß sein sollte, spukt der Wahn, es müsse mög‐
lich sein, das polar Entgegengesetzte in
gleichem
Polstand erfahren zu können: ‒ also das absolut
Positive als ein ausgeprägt Negatives wahrzu‐
nehmen.
.Ursache dieser Ahnungslosigkeit gegenüber dem
allein Möglichen ist die Überwucherung des
Vorstellungsbereiches durch Vorstellungen die
lediglich Produkte der physischen Sinne darstellen,
‒ und die solcherweise verlorene Fähigkeit, sub‐
stantiell Göttlich-Geistiges ‒ das
niemals phy‐
sisch-sinnlich zu erreichen ist, wenn es auch im
Physisch-Sinnlichen sich darzustellen vermag ‒
als Vorstellung dem bewußten Erleben nahezu‐
bringen.
.Wir können aber weder in der physisch-sinn‐
lichen noch in der substantiellen göttlich geistigen
Welt irgend eine Erfahrung richtig deuten, wenn
wir nicht fähig sind, dem zu Erfahrenden das ihm
gemäße Bild
vor-zustellen. ‒
.All unser Erkennen ist ein
Vergleichen des
schon
Erfahrenen, oder noch als Erfahrung
Gesuchten, mit dem von uns
vor der Erfah‐
rung vorgestellten
Bilde. Nur in diesem
Ver‐
gleich erfahren wir, was an unserer Vorstellung
der Wirklichkeit entsprach und was nicht. Nur
durch
solches Erfahren werden wir der Wirk‐
lichkeit endlich
gewiß!
.Ist aber unser Vermögen, auch substantielles
Göttlich-Geistiges vorstellen zu können, durch die
Gewohnheit, nur
physisch-
sinnlich Erweisbares
vorzustellen, allmählich
kraftlos geworden, so
werden wir des substantiellen Göttlich-Geistigen,
das uns erlebensnahe kommt, nicht einmal
ge‐
wahr, und unmöglich wird uns seine Erfahrung
und Deutung werden.
.Es handelt sich also darum, die Fähigkeit: das
ewige substantielle Göttlich-Geistige vorstellen zu
können, aus aller Ueberwucherung herauszuholen
und zu neuem Leben zu erwecken. Fast in jedem
meiner Verkündungsbücher nimmt diese Befreiung
und Erweckung darum beinahe mehr Wortgestal‐
tung für sich in Anspruch als die Verkündung der
Wirklichkeit substantiellen ewigen Lebens selbst,
und ich hätte mir mein Werk wesentlich verein‐
fachen können, wenn der ewige göttliche Geist
auch
ohne vorgängige Vorstellung: ‒ etwa durch
bloße Selbstversenkung oder durch Anbetung des
Unerkennbaren, ‒ der Erfahrung zugänglich wer‐
den könnte. ‒
.Nicht von ungefähr findet der Schüler in meinen
Büchern jede nur mögliche
Sonderart der Vor‐
stellungsfähigkeit aufgerufen, denn diese Fähigkeit
gelangt nur dann erneut zum Leben, wenn das ihr
am ehesten Vernehmbare sie erweckt.
.Dieses am ehesten Vernehmbare wird aber für
jede einzelne Seele
ein Anderes sein, und man
darf das Erwecken der Fähigkeit, ewiges Göttlich‐
Geistiges wieder
vorstellen zu können, wahr‐
haftig nicht mit dem Gebaren sogenannter «Geistes‐
lehrer» verwechseln, die ihre Schüler mit allen
okkultistischen Zwangseinflüssen dahin bringen
wollen, Gesichte zu «schauen», die lediglich das
Produkt verstandesmäßiger Spekulationen des
durch Geltungsbedürfnis und persönliche Selbst‐
übersteigerung vom ewigen Geiste Gottes herme‐
tisch isolierten, ahnungslosen «Geheimlehrers»
sind.
.Anderseits aber ist die Erklärung dafür, warum
in den Völkern der Länder des Sonnenaufgangs weit
mehr echte Erfahrungsfähigkeit für das ewige Gei‐
stige gefunden wird als innerhalb der westlichen
Welt, durchaus nur in der traditionsmäßig lebendig
erhaltenen Fähigkeit, Geistig-Göttliches
vorstel‐
len zu können gegeben, und keineswegs etwa in
einer, für das Erfahren des Geistigen besser ge‐
eigneten Veranlagung oder gar in einer besonderen
Eignung der von diesen Völkern bewohnten Land‐
striche zu suchen.
.Man scheut sich zuerst, eine solche Binsenwahr‐
heit niederzuschreiben, ‒ aber leider ist es bitter
notwendig, will man die phantastischen Meinungen
aus der Welt geschafft sehen, die immer noch durch
allzu romantisch-schwärmerische Menschen des
Westens in den ihnen zugänglichen Kreisen ver‐
breitet werden.
.Für die
christlichen Mystiker des Mit‐
telalters ‒ und zwar für
alle, ohne
jede Aus‐
nahme! ‒ trifft die oben auf die Völker des Ostens
bezogene Erklärung jedoch
nur zum Teil zu,
denn die noch vorhanden gewesene Fähigkeit, sub‐
stantielles Göttlich-Geistiges
vorstellen zu kön‐
neu, erfährt in der Mystik (einerlei welcher reli‐
giösen Färbung!) einen ahnungslos getriebenen
Mißbrauch, ‒ und außerdem wurde gerade
in der mittelalterlichen
christlichen Mystik
nur zu oft das urwesentlich im ewigen substantiel‐
len Geiste Erfahrene bloß Ausgangspunkt rein ge‐
danklicher «Spekulation», so daß man in vielen
Fällen ‒ besonders bei
Meister Eckehard ‒
eher von christlich mystischer
Philosophie zu
reden hätte.
.Wer nun aber nach den von mir so reichlich ge‐
gebenen Anweisungen handelt, um auf die für ihn
mögliche Art, die Fähigkeit zum Vorstellen des
ewigen, substantiellen Göttlich-Geistigen wiederzu‐
erlangen, der darf gewiß nicht erwarten, daß sein
erster Erfolg ihm sofort die Bildung von Vorstel‐
lungen ermöglichen würde, wie sie für das Erfah‐
ren
höchster, substantiell-geistig gezeugter le‐
bendiger Wirklichkeit unerläßlich sind.
.Ich spreche von dem «
Wiedererlangen» der hier
erwähnten Fähigkeit, weil jeder mit gesundem irdi‐
schem Organismus geborene Erdenmensch sie in
den Zeiten seiner frühen, zum Bewußtsein erwach‐
ten Kindheit in mehr oder weniger ausgebildetem
Maße
besaß, bis sie ihm dann infolge des immer
stärker auf ihn einstürmenden Zwanges, sich durch
die physisch-sinnlich wahrgenommene
Außen‐
welt bedingte Vorstellungen zu bilden, allmählich
abhanden kam.
.Hier ist der
tiefste Sinn des geheimnisvollen
Wortes gegeben:
.«
So ihr nicht werdet wie die Kinder,
könnt ihr nicht in das Reich Gottes
eingehen!»
.Den
Kindern ist noch das Himmelreich
of‐
fen, und sie erfassen davon, was ihrer Fassungs‐
kraft erlangbar ist, weil sie noch die Fähigkeit be‐
sitzen, von der Außenwelt unbehelligte Vorstel‐
lungen des substantiellen ewigen Geistigen bilden
zu können, frei nach ihrer Art!
.Wer diese Fähigkeit aber wiedererlangen will
und darum die ihm von mir erteilten Anweisungen
nach seiner Eigenart zu befolgen sucht, der wird
sich darüber klar werden müssen, daß dem
freien
und dem
Willen unterstellten Bilden von Vor‐
stellungen ewiger göttlich-geistiger substantieller
Wirklichkeit, das
nicht willkürliche Erwachen
der benötigten Kräfte vorausgeht.
.Er wird sich also auf dem besten Wege zu seinem
Ziele sehen dürfen, wenn sich ihm, ‒ sei es etwa
morgens vor dem ersten Augenaufschlag, oder im
Halbschlaf, oder auch in offener Tageswachheit, ‒
Vorstellungen ohne sein bewußtes Zutun bilden,
die von einem Gefühlsinhalt erfüllt sind, wie ihn
keine der bewußt selbstgewollten
physisch‐
sinnlich bedingten Vorstellungen aufweist.
.Jeder, der es erfährt, weiß sofort, daß es sich
um etwas dem irdischen gewohnten Vorstellungs‐
bereich
hoch Entrücktes handelt, ‒ auch
wenn er sich selbst, aus Angst vor Selbsttäuschung,
nicht glauben mag.
.Diese Angst, am Ende sehen zu müssen, daß man
einer Selbsttäuschung erlegen sei, wird in vielen
Fällen auch noch genährt durch ein Verstandes‐
bewußtsein, das immer erneut Anstoß nimmt an der
formalen Simplizität der bewußt gewor‐
denen Vorstellung.
.Aber
gerade diese Naivität der Form‐
bildung weist aufs deutlichste der plötzlich und
vom Willen unabhängig entstandenen Vorstellung
ihren hohen Rang zu!
.Die
ersten, solcherart spontan gebildeten Vor‐
stellungen substantieller geistiger Wirklichkeit kön‐
nen der Form nach unmöglich bedeutsamer und
vielfältiger sein, als es die
letzten, längst ver‐
gessenen aus früher Kinderzeit waren!
.So unbedeutend aber auch die
formale Ge‐
staltung der Vorstellung sein mag, so reich erfüllt
kann sie sein mit Beziehungen zur ewigen geistigen
Wirklichkeit, und so bedeutungsvoll kann für den
Wahrnehmenden die göttlich-geistige Bekundung
werden, die er vorerst auf so seltsam primitive Art
erhält...
.Aus solcher ersten Vorstellungsform, die unse‐
rem überreizten und an die Kompliziertheit irdisch‐
sinnlicher Vorstellungen gewöhnten Gehirn gar
leicht als allzu simpel erscheinen will, werden dann
später freilich auch überaus
reiche Vorstellungs‐
bilder erstehen. Niemals aber werden die Elemente,
aus denen sie sich in all ihrem Formenreichtum
organisch entfalten,
gehirnlich-
verstandes‐
mäßig deutbar sein, denn sie entstammen dem
ewigen «Reiche der
einfachsten Zeichen»:
‒ dem «Lande der
Wirklichkeit».
.Ewig unerfüllbar muß aber auch das törichte
Verlangen bleiben, Göttlich-Geistiges gar
in der gleichen, physikalisch bestimmten Art
erfahren zu wollen, in der wir die Dinge der uns
von Geburt an zur verstandesmäßigen Deu‐
tung gegebenen, physischen Sinnen zugänglichen
und physikalisch zerlegbaren, körperlichen Au‐
ßenwelt erfahren!
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
IN den letzten Monaten mehren sich wieder recht
auffällig allerlei aus meinem Schülerkreis stam‐
mende Vorschläge: «was zu tun
wäre, was man
selbst tun möchte, falls ich die Zustimmung gäbe,
und was
von mir getan werden «
könnte», um
meine Schriften auch Menschen nahezuhringen, die
sie noch nicht kennen, oder von denen man wenig‐
stens
annimmt, daß ihnen diese Lehrbücher gei‐
stigen Lebens noch nicht nahe gekommen seien.
.Daß alle diese Anregungen vom denkbar besten
Wollen getragen werden, bedarf kaum noch der Er‐
wähnung.
.Man weiß, welchen segensreichen Einfluß man
selbst der Begegnung mit den durch mich verkün‐
deten Lehren dankt, und möchte sie darum auch
anderen Menschen zugänglich sehen, von denen
man annimmt, sie müßten diesen Lehren ‒ wenn
sie nur Kenntnis davon erhalten würden ‒ mit
glühender Bereitschaft entgegenkommen.
.Es scheint da gegenwärtig ein von vielen meiner
Schüler heiß gefühlter Wunsch sich zu einem al‐
lenthalben durch die Gehirne schweifenden Vor‐
stellungsbild verdichtet zu haben, von dem nun die
schon geradezu beängstigend zahlreichen Impulse
ausgehen, die jeder Einzelne als nur
in sich al‐
lein entstanden empfindet, wodurch er sich als‐
dann verpflichtet fühlt, mich auf die ihm so be‐
deutungsvoll erscheinenden Möglichkeiten drin‐
gend aufmerksam zu machen.
.Mich aber stimmt diese lebhafte und geradezu
freudige Unruhe meiner Schüler recht traurig,
denn ich muß aus ihr ersehen, in wie geringem
Grade so manches haften bleibt, was ich längst ein
für allemal in allen verankert glaubte, die meine
Bücher kennen.
.Nicht nur die zahlreichen Hinweise darauf, daß
ich
im Ewigen lebe, und dem Zeitatom, das die
Dauer meines leiblichen Daseins ausmacht, nur die
Beachtung schenken kann, die seiner Einzelbedeu‐
tung in dem mir geistig offenbaren Ganzen zu‐
kommt, scheinen den freudig, aber inkonsequent
auf «Unverhofftes» Hoffenden nicht mehr recht
gegenwärtig zu sein, ‒ sondern auch die ausdrück‐
lich ihren Fehlhoffnungen
wehrenden Sätze,
die in dem Buche «
Der Weg meiner Schü‐
ler», Seite 19 bis 25, zu finden sind, allwo doch
unter anderem deutlich gesagt ist: «
Wer also in
diesen Dingen richtig handeln will,
der überlasse es den geistigen Mäch‐
ten,
in deren Obhut meine Bücher ste‐
hen,
wem sie zugeleitet werden sollen.»
.Es ist, als hätte ich alles dort Erörterte niemals
niedergeschrieben!
.Aber wenn ich nicht das bereits so ausführlich
Gesagte hier Wort für Wort wiederholen will, so
bleibt mir nichts anderes übrig, als alle so wohl‐
meinenden Schüler und Freunde zu bitten, doch
die eben bezeichnete Stelle des Buches noch ein‐
mal anzusehen.
.Dort steht deutlich zu lesen,
warum ich von
ihren, in jeder Hinsicht doch Gutes bezweckenden
Anregungen
keinen Gebrauch machen darf,
wenn ich nicht das von mir in der Arbeit eines
Lebensalters Geförderte selbst aus törichter Eil‐
sucht unnötig hemmen will, was mir doch niemand
zumuten wollen wird.
.Zu Eile oder Beschleunigung ist aber auch nicht
der mindeste Grund gegeben.
.Was ich in meinen Schriften niedergeschrieben
habe,
kann zwar gewiß
auch heute von dafür
geeigneten Menschen aufgenommen werden, ‒
wird aber von diesen
keinesfalls so erfaßt, wie
von der Menschheit einer zukünftigen Zeit, die
den psychologischen Moment zeitigen
wird, der das Verlangen nach den verkündeten
Lehren allenthalben dann in jedes Bewußtsein
bringt, das sie braucht.
.Was ich bereits geschrieben habe, und noch ge‐
schrieben haben werde, oder hinterlasse, wenn es
mit meinem leiblichen Erdensein zur Rüste geht,
ist ja nicht «für den Tag» sondern
für alle
kommenden Zeiten geschrieben.
.Es kann ganz unmöglich seinen,
ihm gemäßen
psychologischen Moment mit Dingen
zugleich
haben, für die dieser bereits
in der Gegenwart
gekommen ist, ‒ und was
jetzt von Menschen
der Zeit durchlebt wird, muß ebenso wie alles an‐
dere bereits Vergangene, Vergangenheit geworden
sein, bevor das
Kommende zu seiner Zeit er‐
scheint.
.Hier ist jede Besorgnis, daß etwas versäumt wer‐
den, oder gar verlorengehen könnte, ganz über‐
flüssig!
.Aber auch jeder Versuch, das Kommende
eher
herbeizuziehen, ist überflüssig und wird das geist‐
gesetzte Geschehen um keinen Augenblick zu be‐
schleunigen vermögen.
.Wer heute bereits erfassen
kann, was in den von
mir dargebotenen Lehren gegeben ist, den werden
sie mit aller Bestimmtheit an dem für ihn bestimm‐
ten Tage erreichen, ‒
ohne jede absichtliche
Nachhilfe.
.Die Bücher dieser Lehren sind öffentlich erschie‐
nen, allgemein zugänglich, und daher auf die gleiche
Weise erreichbar wie irgend ein Handwerkszeug
des alltäglichen Lebens. Wer sie bereits brauchen
kann, der findet sie. Man braucht wirklich keine
Angst zu haben, daß sie heute noch irgend einem
Menschen, der die Sprache spricht, in der sie ge‐
schrieben sind, entgehen könnten!
.Es sind ja daneben auch bereits zahlreiche geistig
Suchende
anderer Muttersprache in allen Welt‐
teilen beim Studium meiner Schriften und der Be‐
folgung ihrer Lehren anzutreffen. Einzelne dieser
räumlich so fernen Schüler wußten mir von wahr‐
haft seltsamen «Zu-fällen» zu berichten, denen sie
es zu verdanken hatten, daß die Bücher ihnen zu‐
gefallen waren, ‒ zum Teil in der deutschen Ori‐
ginalausgabe, zum Teil in den bis heute vorliegen‐
den Uebersetzungen.
.Wer reif ist
gefunden zu werden, der
wird
gefunden, wo immer er zu finden ist.
.Darum bitte ich meine Schüler und Freunde in‐
ständigst, ganz ohne Sorge sein zu wollen hinsicht‐
lich jener Menschen, denen sie das eine oder andere
meiner Bücher, oder gar gleich alle, lieber heute
als morgen nahegebracht sehen möchten! Und ich
bitte in gleicher Weise darum, alle etwa in der Seele
auftauchenden, mir zugedachten Vorschläge zu ir‐
gend einer über die normale, verlagsmäßig usuelle
Ankündigung hinausgehenden Propagierung mei‐
ner Schriften, ‒ wieder ins Unbewußte sinken zu
lassen! Dort sind sie zweifellos am besten aufge‐
hoben.
.Es hat mich überdies auch noch
kein einzi‐
ger Vorschlag erreicht, der nicht
lange vorher
schon befolgt gewesen
wäre, hätte ich ihn befol‐
gen können. Alles was mir da ziemlich spät «nahe‐
gelegt» werden soll, ist ja wahrhaftig ohnehin schon
‒ recht naheliegend...
.Darum ist es aber noch durchaus nicht auch den
geistigen Gesetzen entsprechend, aus denen ich
lebe, und die
allein für alle Auswirkung der in
meinen Schriften durch mich formulierten welt‐
zeitalten Lehren das Maß geben.
.Einen
anderen Maßstab zur Beurteilung des‐
sen, was mit dem Meinen geschehen darf oder nicht,
kann ich aber unter keinen Umständen gelten las‐
sen, und noch viel weniger gar selbst gebrauchen!
.Ich bin nicht in der bequemen Lage, alles gut‐
heißen zu können, was von Anderen für gut gehal‐
ten wird, weil es ihnen, von
ihrem Einsichts‐
punkte her, als «gut»
erscheint.
.Es gibt gar manches, was ich gerne gutheißen
würde, wenn mir das aus geistiger Einsicht her nicht
versagt wäre.
.Ich bin und bleibe bestimmt durch meine eigene
geistgegebene Einsicht, und darf nichts «gel‐
ten» lassen, was im Reiche des ewigen Geistes die
Gültigkeit, die es sich selber zumißt, ‒ leider ent‐
behrt.
.Man wird also, wenn man Menschen oder Men‐
schengruppen innerhalb des mir geistig zugehören‐
den Bereiches finden möchte, zuerst sich fragen
müssen, ob ich ihnen den Zugang zu diesen Berei‐
chen offen halten kann?
.Man wird sich klar darüber werden müssen, daß
hier nichts von einer erdbedingten Sympathie oder
Antipathie abhängig ist, sondern nur von der ver‐
pflichtenden Gewalt geistiger Gesetze.
.Hat man aber einmal die hier in Betracht kom‐
menden Faktoren von einem, auch nur einiger‐
maßen unverzerrte Perspektive gewährenden Ein‐
sichtspunkte her erfaßt, dann wird man kaum mehr
Unmögliches von dem Einsatz meiner Kräfte er‐
warten.
.Dann wird man aber auch die Hoffnung zu Grabe
getragen haben, als könne sich jemals das von Natur
aus Inkommensurable zusammenfinden, so sehr
man auch solches Begegnen als wünschbar betrach‐
ten und herbeisehnen mag.
.Die Menschen eines jeden Zeitalters sind in
ihrem Wollen, Denken, Fühlen und Empfinden zu‐
gleich
Erfüller und
Vorbereiter.
.Beide Funktionen sind gesetzmäßig naturbe‐
dingt, und es wäre keine geringe Torheit, von einer
Generation die Erfüllung
dessen zu erwarten,
was sie
vorzubereiten berufen ist, während
sie das erfüllen muß, wozu frühere Zeitphasen die
Vorbereitung hinterlassen hatten!
ALLES irdisch Erlebbare erreicht
dort seinen
höchsten Wert, wo es Symbol wird: Formbild
innerer Lebenszustände.
.Nicht nur
außen erlebbar gibt es somit
Nacht
und
Tag!
.«Nacht» und «Tag» sind in jedem Erdenmen‐
schen, und jeder trägt in sich Entscheidungsgewalt
über die Verteilung ihrer Macht.
.Weh' ihm, wenn er dieser Gewalt
entsagt, und
es kommen läßt, wie es kommen mag: ‒ wie Nacht
und Tag sich in ihm bekämpfen wollen, ohne
sei‐
nem Willen sich zu fügen!
.«Fügen» meint hier: ‒ der durch den Willen
des Menschen gewählten Ordnung sich einbeziehen
und die Form erfüllen, die durch solche innere
Ordnung dargeboten ist.
.Die Nacht muß im Menschen ihren
Gebieter
erkennen, wenn sie ihn nicht verwüsten, und zum
Kampfplatz ihrer eigenen, dem Tage entgegen‐
strebenden Willensauswirkungen werden lassen
soll.
.Die Nacht vernichtet Jeden, der sie nicht
be‐
zwingt.
.Des Menschen
geistbestimmter, tages‐
wacher Wille aber wirkt in ihm das Wunder der
Wandlung des nächtigen
Tieres zum lichtklaren
Gottesgleichnisbild.
.Wen darf es wundern, daß sich das Tier, das den
Menschen dieser Erde ohnehin als Fronvogt emp‐
findet, gegen solche Wandlung
wehrt!?
.Wen darf es wundern, wenn die Nacht, als des
Tieres Genossin, erst alle ihre Schrecken zeigt, be‐
vor sie dem Tage sich endlich ergeben muß!
.Wem das
Licht zum Formbild ewiger eigener
Seins-Sicherheit geworden ist, der kann die Nacht
nur noch als
dienende Macht in sich dulden.
.Ich kenne die Nacht, wie sie wenige kennen! ‒
Wie nur sehr wenige sie kennen lernen, ward sie
mir lebendige Erfahrung.
.Ich weiß alle ihre jemals von Menschen erlebten
heiligen Schauder und überwältigenden Beglük‐
kungen, ihre weltenweite Größe und Höhe, ihre
fromm verzehrende Inbrunst und göttlich bacchan‐
tische Brunst, ‒ ich weiß aber auch um ihre Tük‐
ken und Fallen, um ihre gierende Gemeinheit und
niedrige Geducktheit, ihre Besudelungssucht ge‐
genüber allem, was hell und heiter ist, um ihre gif‐
tigen Dünste und ihre schwirrenden schwarzen
Strahlungen, die allem Verderben wollen, was nur
in lichter Klarheit zu sich selber kommen kann.
.Es muß vieles in harter Selbstzucht aus der un‐
geordneten, triebhaften Sehnsucht des irdisch füh‐
lenden, leicht zu verführenden Herzens für die
Dauer ausgerottet werden, wenn das Böse, das Be‐
lügende, das Zersetzende und Zerfressende, ‒
kurz: das Lebensfeindliche der Nacht, bezwungen
werden soll.
.Aber die Nacht bleibt dennoch
Bedingnis des
Tages, wie der Tag Bedingnis der Nacht, und das
darf Vielen zu wahrem Troste gereichen, die sich
bedrückt fühlen durch noch währende Nacht...
.Auch die
längste Nacht muß dem
Tage wei‐
chen, der aus ihr hervorgeht um sie einst zu über‐
lichten!
GUTE Erziehung» ist in vielen Fällen nichts
anderes als eine eingelernte Technik des Ver‐
haltens zu seinen Nebenmenschen.
.Man sollte Kinder nicht «erziehen» wollen, son‐
dern sie anleiten, sich
selbst zu erziehen.
.Erziehung faßt die Aufgabe der Menschenfor‐
mung von
außen an. Selbsterziehung formt von
innen heraus.
.Erziehung erreicht nur dann ihr Ziel, wenn sie
zu Selbsterziehung führt.
.Das ganze irdische Menschenleben ist ein un‐
unterbrochener Aufruf zur Selbsterziehung. Wer
diesem Appell nicht entspricht, dem muß der Sinn
seines Lebens notwendigerweise zum Unsinn wer‐
den.
.Aeußerungen mangelnder Selbsterziehung sind
ebenso wenig zu «verzeihen», wie Mücken- und
Wespenstiche, die man zwar gewiß als Belästigung
empfindet, aber nicht als Objekte einer möglichen
Verzeihung.
Anm.: Zwischen den beiden Auflagen gibt es hinsichtlich Hervorvorhebung und Zeilenende
manchmal geringe Unterschiede, also zwischen Text (zweite Auflage) und Scan der Buchseite (erste Auflage).
Durch Anmerkungen wird darauf hingewiesen.
Laß eitle Toren sich um Götter zanken
Und um die Wahrheit, die sie ihnen geben! ‒
Wenn aller Götterlehren Götter längst versanken,
Wirst Du in Dir noch aus der Gottheit leben!
Einst war auch ich vom Dunkel noch
umgeben,
Da kam zu mir das Licht,
Und ‒ ich ward Licht...
So fand ich in mir selbst der Gottheit Leben.
Vorher ‒ erkannte ich mich selbst
noch nicht. ‒ ‒ ‒
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Im Sternenlicht
Und im Staube der Erde
Regt sich die gleiche
Lebendige Kraft,
Die auch in Dir
Und mir
Und allen,
Sich selber sich
Zum Bilde schafft. ‒
Du bist in Dir
Aus ihr geboren;
Du lebst,
Weil Du sie selber bist!
Dir ist das Leben
Nie verloren,
Weil sie in Dir
Das Leben ist. ‒ ‒
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Die uns verlassen mußten
Sind uns nicht verloren:
Sie wurden nur zu einem neuen Leben
Neu geboren.
Wir finden sie dereinst,
So wie wir hier sie fanden;
Ihr «Tod» war nur die Lösung
Aus des Leibes Banden.
Das enge Haus der Sinne
Faßt «den Menschen» nicht:
Er ist ein König ‒
Und sein Reich ist Licht!
«Begreifen»
Heißt: mit jenen
unsichtbaren
Urorganen
Die sich
Amoebengleich
Das Menschenhirn
Zu
schaffen weiß
Bisher noch Unfaßliches
Nunmehr
erfassen:
Greifen
Wie man mit Fingern greift, ‒
Umschließend
fühlen, ‒
Durch Betasten
Kennenlernen!
Es ist «begreiflich»,
Daß ihr
ungern nur
Begreifen werdet,
Was euch,
Wenn es begriffen wäre,
Eure Tagesträume
Stören müßte...
Und dennoch
Werdet ihr begreifen lernen
Müssen,
Wollt ihr nicht immerfort
Zu dem, was
ist,
Im Zwiespalt stehen, ‒
Immerfort
Nur Traumgespenstern glauben,
Die euch den Blick verstellen
Auf die Wirklichkeit!
Es liegt
an euch allein
Ob ihr begreifen
könnt,
Denn jene unsichtbaren
Greiforgane der Gehirne
Bilden sich nur dann
Dem zu Begreifenden entgegen
Um es zu erfassen,
Wenn euer Wille
Wahrheit wissen
Will!
Was du warst,
Bist du ‒ gewesen;
Was du bist,
Das bleibst du nicht...
Erst, wenn du von dir genesen,
Blickst du dir ins Angesicht!
Glaubt nicht, geliebte Freunde,
Daß mein Wort die Vielen meine,
Von denen zwölf ein Dutzend sind
Und tausend eine Schar!
Auch wenn ich Euch
Aus allen Völkern eine,
So kommt doch keiner zu mir,
Der nicht ewig bei mir war!
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Schwer wird es Euch, geliebte Freunde,
Zu ertragen, was ich leiden muß!
Schwer wird es Euch auch, zu verstehen,
Daß mir hohe Geisteshilfe,
Ohne die mein Erdenkörper,
Längst nicht mehr im Leben wäre,
Doch nicht dienen kann zur Leidbefreiung,
Weil
solche Hilfe Hemmung meiner
Selbstkraft würde.
Ihr wißt jedoch, daß ich zu sagen kam:
«
Alles Leid ist Lüge!»
Darum, geliebte Freunde,
Muß das Leid von mir «
entwertet» werden!
Wohl kenne ich Wege, um geistgesichert
Allem Leide «aus dem Wege» zu gehen, ‒
Aber
diese Wege sind
die meinen nicht!
Ich muß
erfahren,
Was an körperlichem Leid
Für mich erfahrbar ist,
Sonst könnte ich niemals
Im Leid die
Lüge bannen,
Die ich
niederringen muß,
Will ich für Euch und Andere
Das Leid «entwerten»...
Freut Euch, geliebte Freunde!
Freut Euch mit jedem Tage,
Den ich in körperlichen Leiden
Euch gegenwärtig bleibe: ‒
Erdgebunden im Erdenleibe
Wie Ihr!
Aerger als alle leibliche Plage
Ist mir die Häufung hellklarer Tage,
Die meinem Leben verlorengehen,
Weil sie mich ohne die Kräfte sehen,
Das, was der Geist mir gibt, zu gestalten,
Und das Verschwebende festzuhalten,
Das alle geistigen Räume erfüllt
Und sich nur blitzhellem Schauen enthüllt...
Strahlender Wanderer, walle ich weiter, ‒
Ewige sind meine steten Begleiter, ‒
Ewiges ist meines Alltags Erleben, ‒
Doch es läßt sich nicht weitergeben!
Schmerzmüde wehrt sich irdisches Denken,
Mir die Gedankenformen zu schenken,
Denen ich anvertrauen müßte,
Was ich dem Denken zu geben wüßte.
Gönnt mir Ruhe der Gedanken,
Liebe Freunde,
Aber ‒ laßt mich nicht zu selten
Von Euch hören!
Ruhe, wie ich sie vonnöten habe,
Gibt mir nur die Nachricht,
Die mich stetig unterrichtet,
Wie es Euch ergeht! ‒
Im Seelischen und Leiblichen! ‒
Was mir mein eigenes Erschauen sagt,
Bleibt streng in jenen Grenzen,
Die der ewigkeitsgezeugte Geist sich zog.
Wenn Ihr mir nichts von Euch berichtet,
Weiß ich Anderes nicht von Euch!
Ich aber möchte alles von Euch wissen,
Was Ihr um Euch selber wißt!
Wahrhaftig nicht aus Gier nach Neuigkeiten,
Sondern nur allein, damit ich weiß,
Wo jeweils Geisteshilfe nötig ist!
Die aber werdet Ihr empfangen,
Auch wenn Ihr ‒ notgedrungen ‒
Keine Zeile meiner Hand,
Und nichts, was ich in Worte formte,
Von mir empfangen werdet!
Wenn ich im Morgenlande leben würde,
Wüsste man,
Daß ich zwar alles aufzunehmen willig bin,
Was meine Freunde mir zu senden trachten,
Daß ich jedoch bei aller Anteilnahme
Bleiben muß in dem, was «meines Vaters» ist...
Abendländische Lebensweise
Weiß solches «Bleiben» sehr zu behindern.
Der Mensch des Abendlandes ahnt nicht,
Wo die Grenzen liegen,
Die Irdisches von Ewiglichem scheiden...
Doch auch im Abendlande
Läßt sich nicht umgehen,
Was ewiges Gesetz gebietet,
Wo immer einer derer lebt,
Die Ewiges dem Irdischen vereinen!
Der Mann, der von «Wundern»
.wirklich was weiß,
Geht nur über's Wasser ‒
.auf
Brücken und
Eis.
Auch auf
Schiffsplanken
.mag er sich heiter ergehn,
Doch
nie wird er sich
.ein Mirakel erflehn!
Nicht um einen Schatz zu heben,
Den man könnte kunstvoll schleifen,
Wagt' ich oft genug das Leben
Irgend einen Stein zu greifen,
Wenn in südlichem Gefilde
An der Wege Felsenrinnen
Mir sich zeigte Steingebilde,
Nur beschwerlich zu gewinnen.
Liebe ich auch Edelsteine,
Goldgefaßt und wohlgeschliffen,
Hat mich doch auch oft die Reine
Eines Kieselsteins ergriffen.
Gingen Tausende die Straße,
Die den armen Stein verlachten,
Hob ich doch ihn aus dem Grase
Ihn voll Ehrfurcht zu betrachten.
Steine soll man nie verachten!
Liegen sie auch jetzt im Kote
Bleibt doch jeder Gottes Bote:
Hingestreut auf allen Wegen
Bergen sie noch Kraft und Segen.
Lasse, o Sucher,
Dem Hindu All-Brahma, ‒
Buddha und Padmasambhâva
dem Lama, ‒
Glaube dem Moslim:
«Allah il Allah», ‒
Ehre das Kreuz
Und das heilige Buch!
Achte bei Allen
Das gläubige Suchen!
Was aber alle
Nicht finden, ‒
Das such'!
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Du, Mensch der Erde,
Bist
nicht «Gott»!
Doch, magst du auch
Der ärgste Frevler sein,
So bist du doch aus Gottes
Art: ‒
Aus Gottes Mutterschoß und Samen, ‒
Und birgst in dir verborgen
Gottes
Namen.
Wirst du einst dieses Namens wahrhaft inne,
So öffnen sich dir ungeahnte Sinne: ‒
Du lernst dich selbst in Gottes «Namen»
nennen.
Und in dir selber deinen
erkennen. ‒
Dann bist du allem Nichtigen entwunden,
Und deine Seele hat sich heimgefunden. ‒
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Verachtet euer
Irren nicht,
Ihr Wanderer zum Licht!
Ihr würdet niemals euer irdisches Erkennen
In der
Wahrheit wissen,
Wäre vordem nicht durch euer Irren
Euch das
Maß gewiß geworden,
An dem Wahrheit zu
ermessen ist!
Vornehmlich aber darf euch allen
Euer Irrenkönnen
gut gegründet gelten,
Weil es aus
Gott: ‒
Der
un-bedingten
Wahrheit ‒ stammt,
Die sich in ihren
zeit-bedingten Welten
Selbst die
Möglichkeit des Irrens
schuf,
Um Irrendes auf wunderbaren Wegen
Immer wieder in sich zu
erreichen, ‒
Folgend eigenem myriadenfachen Ruf. ‒ ‒
Suche der Seele Tröstung
.nicht bei Andern, ‒
Im Wahn befangen:
.Trost sei zu «erwandern»!
Trost ist nicht nahe,
.Trost nicht fern zu finden,
Solang noch Grimm und Groll
.die Seele binden!
Will sie nicht aus sich selbst
.getröstet werden,
Wird ihr gewiß kein Trost
.zuteil auf Erden! ‒ ‒
Das, was die Dichter ‒ müde matter Streite....
.unter sich wohl «Friede» nennen,
Das ist der Friede,
.so wie
ich ihn bringe,
.wahrlich
nicht!
Wollt ihr auf Erden schon
.zu
meinem Frieden kommen,
So suchet
in euch selber
.mich ‒ in lauterklarstem Licht ‒ !
Selbst dort, wo wahntoll
.blutbefleckte Leiber
.und verstörte Erdenseelen kämpfen,
Spricht noch
mein Friede
frei
.vor ewigem Gericht!
Ihr heiterfrohen Berge
Wein- und Baum-begrünt,
Die ihr in herben Bogen bald,
Und bald wie Felsenburgen
Meinen See umsiedelt, ‒
Ihr kennt ihn lange schon,
Den Wanderer, der schauend
Euch umschreitet,
Und seines Auges lichte Blicke
Weit im Schauen weitet,
Wenn er euch wiederum und wieder
Ueberwandert,
Damit er eure Gipfel, eure Schrunden
Zärtlich zart betaste,
Nachdem er ‒ fern auf seiner Lagerstatt
Mit seinem Auge euch berührend ‒
Sehnend euch umfaßte!
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Lange sah ich euch nicht mehr:
Lichte aus Lichtem gewonnen!
Reine aus Reinstem geronnen!
Ihr Säulen des Parthenon! ‒
Lichthelle bergend im Innern,
Von außen her honig-gelb
Patina übersponnen.
Lange schon sah ich nicht nächtlich
Das Mondlicht euch übergießen,
Und euer eigenes Leuchten
In seine Helle zerfließen! ‒
Wann aber wollte wohl einer
Euch, Lichte, jemals vergessen,
Der, euren Klängen ergeben,
Zu euren Füßen gesessen?!
OBWOHL alles, was nötig sein kann, um ei‐
nen Menschen zu rubrizieren, längst dort
verzeichnet steht, wo man nach derlei Dingen, so‐
weit sie Bücherautoren betreffen, zu suchen
pflegt, dürfte ich doch selbst am besten über mich
Bescheid wissen. Das wäre mir aber noch lange
kein Grund dafür, von mir selbst hier zu reden,
wenn nicht Schweigen zu allem, was als Legende
umläuft, als Billigung ausgelegt werden könnte.
.Daß ich nicht ein «chinesischer Dichter» bin, als
den man mich allen Ernstes in einer Wiener Zei‐
tung feierte ‒ und Gustav Meyrink, der einst ein
Vorwort zu meinem «Buch vom lebendigen Gott»
geschrieben hat, daneben als «Entdecker» dieses
Zeitgenossen aus dem Reiche der Mitte ‒, hätte
dem freundlichen Rezensenten ein Blick in den
«Kürschner»* allerdings sagen können.
* Kürschners Deutscher Literatur-Kalender, Berlin und Leipzig
.Bedenklicher wird schon die Lesart, ich sei von
«buddhistischen Mönchen» erzogen und «von Fa‐
kiren ausgebildet» worden.
.Dagegen läßt es sich immerhin verstehen, wenn
Buchrezensenten mit wichtiger Betonung ver‐
künden, daß ihr Wissen um meinen deutschen
Familiennamen: Schneiderfranken ihr günstiges
Urteil weiter nicht behindern könne.
.Dem allem gegenüber glaube ich doch die
Pflicht zu haben, einmal auszusprechen, daß ich
meinen Namen Bô Yin Râ mit mindestens der
gleichen Berechtigung trage, wie ein anderer
etwa sein Adelsprädikat. Es handelt sich hier nicht
um ein frei gewähltes «Pseudonym», sondern um
den Namen, der mir einst von Menschen gegeben
wurde, denen ich enger als allen anderen ‒ ja en‐
ger selbst als meiner Familie ‒ verbunden bin, so
daß er denn auch ohne jeden weiteren Zusatz in
meinen wichtigsten behördlichen Papieren ganz
in gleicher Weise wie der Familienname er‐
scheint.
.Wie jene Menschen in mein Leben traten, habe
ich selbst in meinem Buch der Gespräche mit aller
hier erlaubten Deutlichkeit erzählt. Ich spreche
dort gewiss von asiatischen Ariern und Mongolen,
aber weder von «Fakiren» noch von «buddhisti‐
schen Mönchen»!
.Ich sprach in meinen Büchern so oft von der
Art dieser geistigen Vereinigung, daß ich hier
wohl mich damit begnügen darf, zu sagen: ‒ es
handelt sich keineswegs um die Vertreter irgend‐
einer östlichen Religion, Theo- oder Philosophie,
sondern um nichts Geringeres als den seit der Ur‐
zeit stets verborgenen und streng gehüteten gei‐
stigen Tempel, der, von Weisen aller Zeiten stets
vermutet, aber nur von Seltenen gekannt, in Ver‐
bindung mit allen geistigen Strömungen in der
Menschheitsgeschichte stand, soweit sie, über die‐
ses Erdenleben hinaus, die Rätsel der Ewigkeit zu
erforschen suchten.
.Daß ich ein Glied dieses geistigen Kreises
wurde, ist wahrlich nicht mein Verdienst. Ich
hatte nie den sonderbaren Ehrgeiz, ein «Heiliger»
zu sein und wäre auch als ein solcher keinesfalls
diesem Kreise nahegekommen. Mit ihm verbun‐
den aber ward mir die Pflicht, in diesen Tagen al‐
len Suchenden zu künden von dem, was sich mir
auf eine Art enthüllte, die jenseits von allem intel‐
lektuellen Erschließen ist. So entstanden die Bü‐
cher, die meinen Namen tragen und die ich nur
unter
diesem Namen geben durfte, da wahrlich
meine bürgerliche Herkunft nichts damit zu tun
hat, daß ich sichere Kunde von den Dingen brin‐
gen kann, die in diesen Schriften behandelt wer‐
den.
.Literarischer Ehrgeiz lag mir von Anfang an
fern, und Broterwerb brachte mir seit Jahrzehn‐
ten eine andere Tätigkeit, die sich genugsam auch
heute warmer Anteilnahme erfreut.
.Wenn ich auch dort, wo es
nicht unerläßlich ge‐
boten ist, mit dem mir gewordenen Namen
zeichne, so drückt dies nichts anderes aus, als daß
ich mich ihm weit enger als meinem Familienna‐
men verbunden weiß, was wieder Folge innerer
Einheit ist, die in dem nur eigene Geistesart nach
uralten Lautwertgesetzen bezeichnenden Namen
allein sich selbst erkennt.
.Denen, die auch um meine äußere Herkunft
wissen wollen, aber sei gesagt, daß ich vom Vater
wie von der Mutter her aus alter, christlicher Bau‐
ernfamilie Mitteldeutschlands stamme.
.Ich wünschte aber, daß die Tausende, die
meine Bücher lesen, mehr nach dem Inhalt als
nach dem Autor fragten.
IM «Talisverlag» (Verlag Magische Blätter) ist
jetzt ein sehr schöner Neudruck des Bulwer‐
schen Romans «
Zanoni» herausgekommen, einge‐
leitet und mit einem aufschlußreichen Nachwort
versehen durch den Münchner Dichter
Hans
Christoph Ade*, den man wohl heute als besten
Kenner und Deuter des seltsamen Bulwerschen
Romans ansprechen muß.
.Man erwarte nun hier keine Buchrezension!
.Ich wiederhole, was ich vielen Einzelnen, ‒ Ver‐
legern und Autoren, ‒ stets wieder sagen mußte:
daß es im Rahmen der mir gebotenen Zeit völlig
unmöglich ist, Bücher zu
lesen und noch weniger,
sie zu
rezensieren, daß ich aber auch keineswegs
meine Aufgabe darin sehe, dies zu tun.
So muß ich auch hier nun die Rezension einer
an‐
deren Feder überlassen, so sehr es mich
reizen
* szt. Redaktor der «Magischen Blätter», Leipzig.
könnte, sie zu schreiben, denn es ist durchaus nur
sehr Erfreuliches über diese Neuausgabe und ihre
Bearbeitung zu sagen; besonders aber muß ich
der
Deutung, am Schluß meine freudigste Aner‐
kennung zollen.
.Das Buch war eine äußerst angenehme Überra‐
schung für mich, obwohl ich aus Ankündungen
von seiner Vorbereitung wußte, und wenn ich
nun sein Erscheinen zum Anlaß nehme, einiges
zu sagen, so handelt es sich mir darum,
unzählige
Briefe, die ich
sicher jetzt wieder
erhalten würde,
aber dem Einzelnen
nicht beantworten könnte,
im
voraus von mir
abzuhalten, wobei mich hoffentlich
die
Post der verschiedensten Länder nun nicht für
den so entstehenden Ausfall haftbar machen
wird.
Ich gestehe also gleich zum Anfang, daß ich dem
«Schlüssel» den Hans Christoph Ade dem «Za‐
noni» mitgibt, an keiner Stelle etwas zuzufügen
hätte.
.Ich kann auch nur dem Bearbeiter Zustim‐
mung geben, wenn er deutlich darauf hinweist,
daß dieser Roman kein
Lehrbuch der Magie und
noch viel weniger etwa die ‒ wenn auch verhüllte
Darstellung einer außerhalb der Phantasie des
Dichters von ihm erlebten
Wirklichkeit ist, ganz ge‐
wiß auch keine
Lehre darbieten will, die
zur Erlan‐
gung geistiger Erkenntnis führen könnte.
Es ist nötig, das ausdrücklich zu betonen, wie es
auch immer wieder nötig ist, daraufhinzuweisen,
daß
Bulwer selbst weder ein «
Rosenkreuzer» war,
noch zu solchen in Beziehung stand, wie es denn
überhaupt keinen mißbrauchteren Namen gibt
als den der «Rosenkreuzer», die einstmals eine
sehr harmlose Aufklärergesellschaft waren, durch die
Zeitverhältnisse gezwungen, sich im
Geheimen nur
zu etablieren, und die da doch gar sehr bedenk‐
lich ihre Häupter schütteln würden, könnten sie
heute hören, was
Phantastik und
Wundersucht, mit
kategorischer Bestimmtheit, ihnen alles nachzu‐
sagen weiß. ‒ ‒
.So wie aber heute nun sich alle möglichen Ver‐
einigungen «
Rosenkreuzer» nennen, oder gar be‐
haupten, deren «
Schriften» zu besitzen, wenn sie
im Antiquariatsbuchhandel ein paar wunderlich
okkulte Schmöker, angefüllt mit krausen Wortge‐
bilden und absonderlich gebildeten Emblemen
aufgestöbert haben, ‒ so war es auch ganz im Stile
der Zeit, wenn sich
Lord Lytton Bulwer eine
Fiction
für seinen Roman erfand, in der die armen «Ro‐
senkreuzer» etwas
etikettieren mußten, was
ohne
solches Namensschild
Erklärungen erfordert
hätte, die der Autor niemals geben konnte.
Wie
Ade, in klarer Erkenntnis der Zusammen‐
hänge, es sehr deutlich darlegt, war
Bulwer zwar
in
vielen Dingen
gut unterrichtet, von denen freilich
die «Rosenkreuzer» wenig wußten, und die auch
gar zu weit von ihren, heute längst in allgemeiner
Übung stehenden Methoden, die Natur in ihre
Elemente aufzulösen, abgelegen waren, ‒ aber
Bulwers Wissen war ihm erst aus
dritter Hand ge‐
worden, und Allzuvieles blieb ihm noch ver‐
schleiert, so daß ihm schließlich all sein Wissen
und Erleben nur noch abrundbar erschien
in
künstlerischer Darstellung.
Es verbirgt sich hinter dem so wenig romanhaf‐
ten Roman «
Zanoni», wie hinter der «
seltsamen Ge‐
schichte» des «schwarzen Magiers» Margrave, weit
mehr an wahrlich überaus bitterer
Resignation, als
der nichtunterrichtete Leser dieser Werke ahnen
mag! ‒ ‒
.Auch
Lord Lytton Bulwer hatte, wie so mancher
andere,
gesucht, und das Gesuchte
nicht gefunden,
da er sich nicht
genügen hatte lassen an
dem, was
ihm
gegeben worden war, und so auf
falsche Fährte
geriet, auf der ihn seine
erste Führung dann
verlas‐
sen mußte...
.Die
Tragik eines Menschenlebens erhebt sich ‒ nur
leicht verhüllt ‒ hinter Bulwers zwei so sehr
ge‐
heimnisvollen Dichterwerken, die aus der
überrei‐
chen Produktion dieses genialen Schriftstellers
und Staatsmannes, der übrigens auch des
Deut‐
schen vollendet mächtig war und nie seine Sympa‐
thie für Deutschland verleugnet hat, recht son‐
derbar herausragen. ‒
.Die Originalausgabe seines «
Zanoni» zitiert auf
dem Blatt vor der Einleitung ein heute unbe‐
kanntes Wort: «
Kurz,
ich konnte weder Kopf noch
Schwanz daran anbringen». (Der Graf von Gabalis)
als Motto.
.Dieses Wort aber ist hier
mehr als seine scherz‐
haft klingende Form vermuten läßt! ‒
.Hier ist ein
Selbstbekenntnis Bulwers ausgespro‐
chen, ‒ das Selbstbekenntnis eines Menschen, der
berechtigt war, die
ersten Weihen zu empfangen
und sich dann
selbst um dieses Recht
betrogen
hatte, so daß ihm von allem, was man ihm bereits
gegeben haben mochte, nur ein
Torso übrig blieb,
aus dessen Anblick immer neue
Qual erwuchs,
weil er
nicht zu vollenden war! ‒ ‒ ‒
In kurzen, dürren Worten gesagt: ‒ Bulwer war
indirekt einst, und
durch einen Mittelsmann, in den
Führungsbereich der «
Leuchtenden des Urlichtes»
gelangt, hatte sich aber später durch
andere Ein‐
flüsse
irreführen und von Menschen, denen
seine
erste Führung
fremd war, zur
Ausübung experimen‐
teller,
niederer Magie verleiten lassen, so daß seine
erste Führung ihn fallen lassen
mußte. ‒
.Wahrlich,
kein Einzelfall, ‒ aber dennoch hier
be‐
sonders bedeutungsvoll, da der
künstlerische Nieder‐
schlag dieses Erlebens vorliegt!
.Bedeutungsvoll vor allem, weil hier ein
Dichter
nicht nur einen Stoff behandelt, den er von
Ande‐
ren hat, sondern seinem
eigenen Erleben künstleri‐
sche Form zu geben sucht, und weil
unendlich viel
aus seiner Darstellung
zu lernen ist, wenn man sie
recht verstehen will! ‒ ‒
.Und darum ist die durch
Ade besorgte und von
manchem allzubehindernden,
zeitbedingten Bal‐
last in kluger Weise befreite, leicht lesbare Neu‐
ausgabe des «
Zanoni» so sehr zu begrüßen, ganz
abgesehen von der
durchaus auf sicherer Fährte
schreitenden Deutung, die Bulwers Werk zum er‐
stenmale
so sehen lehrt wie es gesehen werden
muß, soll es nicht zum «Steinbruch» für die wil‐
den
Groteskbauten irrer
Phantasterei erniedrigt wer‐
den! ‒ ‒ ‒
.Allen aber, die nach der Lektüre dieses immer
wieder neuen Buches, das man
des öfteren lesen
muß, um seine Winke zu verstehen, nun an mich
schreiben möchten, um Gewißheit zu erhalten, ob
sie auch «
die Symbolik recht verstanden» hätten, muß
ich hier sagen, daß mir
Anderes zu tun obliegt, als
ihnen einen
Kommentar zu geben, so daß sie Ant‐
wort
nicht erwarten dürfen.
.Wie
Ades Nachwort sie so richtig belehrt,
kommt es bei diesem Buche
keineswegs auf die
Ent‐
hüllung der Symbole an!
.Bulwer gebrauchte die Symbolwelt die er sich
geschaffen hatte, viel zu
souverain, als daß es nicht
sofort den
ärgsten Irrtum fördern würde, wollte
man sie einheitlich zu «
deuten» suchen. ‒
.Sie ist ihm auch nicht dazu da, «Bedeutungen»
zu schaffen!
.Als wahrhaft großer Mensch bewahrte er auch
nach der Abirrung von seinem Wege,
dem, was er
einst
erlebend zu empfinden sich gewürdigt sah, die
höchste
Ehrfurcht, so daß es seine stete Sorge blieb,
Erlebtes zu
gestalten und dennoch zu
verhüten, daß
etwa ein Symbol in klarer Weise
deutbar werden
könnte, da er aus
eigener Erfahrung wußte, daß
nicht jeder für den Weg zur Wahrheit schon
berei‐
tet ist, und außerdem die
Grenzen respektierte, die
ihm von früherher gezogen waren. ‒
.So schafft er sich Symbole, die das
Sensations‐
bedürfnis derer zu befriedigen vermögen, die
doch
nicht fähig wären,
jenen Weg zu gehen, den er
selbst im Irrtumswahn dereinst
verlassen hatte...
.Und in der Einleitung läßt er den seltsamen Ge‐
währsmann, den er sich erfand um die
Fiktion zu
stützen, daß er nur
fremde Handschrift übersetze,
von dem Werke sagen:
«Es ist eine Wahrheit
für die, welche es
verstehen
können, und ein
Unsinn für
solche, die es
nicht kön‐
nen.» ‒ ‒ ‒
Also hat es auch
gar keinen Zweck, bei mir anzufra‐
gen, ob man sich in der «
Deutung» der Symbolik
Bulwers irre, oder nicht!
.Entweder, man
gehört zu jenen, die aus diesem
Buche
Wahrheit schöpfen, oder man wird nur
Un‐
sinn fördern, indem man durch versuchte «
Deu‐
tung» der Symbolik
das zu finden hofft, was nur
durch Verstehen der
Gestaltung des Erlebens fühl‐
bar werden kann. ‒ ‒ ‒
Sehr oft ist überdies im Buche reichlich von Din‐
gen die Rede, die sehr geheimnisvoll
erscheinen,
und doch nur
um des künstlerischen Spieles willen
eingeflochten wurden, während an
anderen Stel‐
len
scheinbar völlig unbedeutendes Geschehen
tiefe
Weisheit in sich birgt. ‒
.Wer hier belehrt sein will, der lasse sich nicht
von der
Neugier plagen, ob dies und jenes sich auf
wirkliches Geschehen gründe, oder was es als
Symbol
bedeute!
Er halte fest, daß ‒ wie auch
Ade klar erkannte
und in seinem Nachwort darlegt ‒ «
Zanoni» und
«
Mejnour» zwei
Typen, ‒ oder wenn man will, zwei
Auswirkungsformen, ‒ im Symbol, als
Handelnde zu
zeigen suchen, die
jederzeit und
stetig eng verbun‐
den, in der Vereinung aller «
Leuchtenden des Ur‐
lichts» wirken.
.«
Zanoni» repräsentiert den mehr zur
Milde nei‐
genden, alles
miterfühlenden Pol, «
Mejnour» dage‐
gen den Pol des strengen
Gesetzes, der sich vom
Erdenmenschlichen isolieren
muß, und nur durch
den anderen wirkenden Pol
der Milde und des Er‐
barmens noch mit der Menschheit in Verbindung
bleibt.
.Gewiss sind
beide Pole im Buche
nicht immer ganz
richtig gezeichnet, aber im
Wesentlichen bleiben sie
stets gut bestimmt und erkennbar.
.In
Glyndon aber ist der
Suchende dargestellt, der
sich
zuviel vertraut und sich aus eigenem Willen
aus der schützenden Nähe des Poles der
Milde in
den überstrengen Bereich des Poles harter
Gesetz‐
lichkeit begibt, allwo er die Probe nicht besteht,
sich vom niederen Magischen anlocken läßt und
schließlich dadurch alle weitere Führung
verliert.
Da Bulwer über die wahre Natur Zanonis und
Mejnours, ‒ auch als
Einzelgestalten ihrer Art be‐
trachtet, ‒ nicht sprechen
durfte, ohne
Eidbruch zu
begehen, so sucht er ihre Sonderstellung
auf eine
phantastische Weise darzustellen um sie dem Leser
empfindbar zu machen.
.Sehr vieles bleibt daher
reine Allegorie, oder
deckt sich
nur dann noch, wenn man es quasi «
rück‐
übersetzt», in gewisser
veränderter Form mit der
Wirklichkeit.
.Wirklich
wichtig aber bleibt dem Autor stets nur
das
Erleben, zu dem er seinen Leser durch Er‐
weckung des Mitempfindens zwingt! ‒
.Er will nur als
Gestalter wirken,
nicht als
Lehren‐
der.
.Alles, was er etwa
lehrend sagen zu müssen
glaubt, faßt er in kurze Zitate, die er jeweils den
Kapiteln mit auf den Weg zum Leser gibt.
Ich wünschte, daß
recht viele dieser Leser
nicht eher
ruhen möchten, als bis sie das Buch sich restlos
zu
eigen machen konnten!
.Es glaube aber keiner, daß ich die Verpflich‐
tung hätte, oder auch nur gesonnen sei, ihn, über
das hier Gesagte hinaus, noch in Einzelheiten zu
belehren!
.Der Roman «
Zanoni» ist ein Buch, das
aufrütteln
und
erwecken kann, und, wenn es recht verstanden
wird, auch die
Gefahren meiden lehrt.
.An
Hand des Buches aber
letzte Wahrheit aufzu‐
zeigen, hieße
die Wahrheit wie das Buch mißbrauchen,
und wäre ein Versuch am untauglichen Objekt! ‒
.Und nun: ‒
.Nimm und lies!
ES geht hier um ein
Buch, aber
nicht in der Ab‐
sicht, dieses Buch zu
rezensieren, denn dazu
müßte ich selbst Religionshistoriker sein, wie sein
Verfasser.
.Es geht um ein Buch, das ich allen Lesern mei‐
ner eigenen Bücher in die Hände wünsche!
.Besonders aber denen, die am «Schriftwort»
lei‐
den, seitdem sie nicht mehr
jene Form der «Wahr‐
heit» in den Evangelien gesichert finden, die ih‐
nen heute stenographisch aufgenommene Parla‐
mentsberichte und Gerichtsverhandlungsakten
etwa darzubieten haben...
.Das Buch, dem ich hier Zeugnis geben muß,
weil ich als
Schuld empfinden würde, nicht von sei‐
ner Existenz zu sprechen, ist mir selbst vor wenig
Wochen erst bekannt geworden.
.«
Jesus,
wie sie ihn sahen» nennt
Carl Albrecht Ber‐
noulli, als Autor, dieses lebendige lebenwirkende
Werk!
.Als ich zum erstenmal den Titel las, war mir
zwar wohlbewußt, daß eine religionshistorische
Forscherarbeit vorliegen müsse, deren Daten
man
vertrauen könne, wie man nur dort vertraut,
wo man bereits Bestätigung empfing.
.Vor vielen Jahren hatte ich solche Bestätigung
bereits erhalten, als eben Bernoullis Darstellung
der Freundschaft zwischen dem ihm selbst nah
befreundeten
Franz Overbeck und
Friedrich Nietz‐
sche erschienen war, und mein Vertrauen konnte
sich nur vertiefen durch den Einblick in das drei‐
bändige Werk über
J.
J.
Bachofen, dem vor einigen
Jahren Bernoulli, als genialer Plastiker des Wor‐
tes, ein Denkmal schuf unter dem Titel «
Urreligion
und antike Symbole».
.Wer diese Dinge dergestalt zu deuten wußte,
wie
Carl Albrecht Bernoulli, der hatte auch gewiß
außerordentliches zu sagen, wenn er über die
drei ersten Evangelien und den Jesus ihrer Schil‐
derung schrieb.
.Jedwede Erwartung aber wurde weit übertrof‐
fen, als mir das neue Werk dann endlich
vor Augen
kam...
.Ich wiederhole, daß ich mich nicht berufen
fühle, dieses Buch über «Jesus, wie sie ihn sahen»
vom
religionshistorischen Standpunkt aus zu würdi‐
gen, auch wenn ich nicht leugnen darf, doch im‐
merhin ziemlich ausreichend beraten zu sein
über den Stand der Textklarstellung des «Neuen
Testamentes» durch unvoreingenommene For‐
scherarbeit.
.Mir ist das Buch des großen Basler Gelehrten
als Werk der
Darstellung so überaus bedeutungs‐
voll, daß ich Verpflichtung fühle, eindringlichst
darauf hinzuweisen.
.Ich kenne kein literarisches Bildnis des «größ‐
ten Liebenden», das ihm
auch nur entfernt so «
ähn‐
lich» wäre wie die plastische Gestaltung, die Ber‐
noulli aus dem sorglichst gereinigten Bildhauer‐
ton der Synoptikertexte erwachsen ließ!
.Da ich ja hier zu Menschen rede, die bereits aus
meinen Schriften wissen können, welche Weise
des Vergleichens mir eröffnet ist, so brauche ich
wohl nicht aufs neue darzulegen, was mein Urteil
sichert, gilt es ein
Bild des Meisters von Nazareth
an der
Wirklichkeit zu messen...
.Wohl aber muß ich vor dem Irrtum warnen, als
könne Forscherarbeit und geniale Intuition aus
dem in Evangelientexten eingestreuten, leidlich
sicher auf Bericht Mitlebender hinweisenden Le‐
gendenschatz jemals ein Jesusbild gestalten, das
in
allen seinen Zügen sich mit der Gestalt des Man‐
nes decken würde, der vormaleinst im alten Palä‐
stina lehrte, litt und als Gemarterter am Kreuze
starb, wonach man ihm dann selber seine Tempel
baute.
.Es ist schon
Unschätzbares aufgestellt, vermag
hier Forschung und Gestaltungskraft ein Bild zu
schaffen, das in gewissen psychologisch wichtigen
Zügen
Ähnlichkeit erreicht!
.«
In die Sphäre des Geheimnisses kann die Forschung
nicht vordringen...» sind Bernoullis eigene, Gren‐
zenklarheit schaffende Worte.
.Es liegen uns nur alte «
Lehr»-Kunden, aber kei‐
neswegs wirkliche «Ur»-Kunden vor, so daß es zu‐
erst unsäglicher, mühereicher Kleinarbeit vieler
Forschender bedurfte, um nur das Wenige zu si‐
chern, was vielleicht Anspruch erheben kann, als
Nachhall
ursprünglicher Kunde zu gelten.
.Bernoulli prüft nun mit äußerster Vorsicht das
schon von Anderen gesichtete Wortmaterial aufs
neue, immer sorgsam untersuchend, ob nicht da
oder dort ein Satz die ‒ wenn auch reichlich aus‐
gebleichte ‒
Ursprungsfarbe trage.
.So sichert er nicht nur seinem Bildnerstoff die
Dauer, sondern gibt auch dem Leser, der stets sol‐
cher Nachprüfung beiwohnt, selbst gewisse Ur‐
teilsmöglichkeiten an die Hand.
.Zudem sind die Stellen der alten Texte stets in
der gesichertsten Übersetzung deutlich im Druck
hervorgehoben und immer zugleich auch die
minder wichtigen Verse vermerkt, für den, der
sie selbst vergleichen will.
.«
Jesus,
wie sie ihn sahen», ist durchaus das Buch
eines an
strengste Wissenschaftlichkeit gewöhnten
Geistes, obwohl es etwas völlig anderes ist als
«trockene Wissenschaft».
.Auch der keineswegs «wissenschaftlich» Gebil‐
dete wird von den Seiten dieses Buches kaum los‐
kommen können, so krafterfüllt und lebenerre‐
gend wird auf ihn eingesprochen, und wenn ihm
schon wirklich da und dort ein Fachwort der Ge‐
lehrsamkeit noch unbekannt ist, dann braucht er
nur weiterzulesen, um es durch den gegebenen
Zusammenhang verstehen zu lernen.
.Aber kein Leser darf vergessen, daß sich der
Forscher nur
an das im Schriftwort Gegebene zu hal‐
ten hat, so daß denn auch hier nur gezeigt werden
kann, was der Wissenschaft
zugänglich ist und je‐
derzeit
nachprüfbar.
.Aus diesem Material allein darf der
Künstler im
Gelehrten dann das Bild vergangenen Lebens ge‐
stalten, so wie es sich seiner Gestaltungskraft er‐
gibt.
.Carl Albrecht Bernoulli ist nicht nur
Historiker
und
souveräner Wortgestalter, sondern auch siche‐
rer
Psychologe, der in allen Sondergebieten dieser
Spezialwissenschaft die benötigten Schächte und
Stollen genauestens kennt, und so begibt es sich
denn hier, daß der Historiker gleichsam mit der
Wünschelrute sucht, bis er die Goldverstecke auf‐
gefunden hat, die dann der Psychologe sorgsam
auszuwerten weiß, um endlich dem
Künstler, der
er gleicherweise ist, vorzulegen, was Material zu
plastischer, rekonstruierender Gestaltung wer‐
den kann.
.Es ist allen notwendig, dieses überaus bedeut‐
same Buch zu lesen, denen bisher noch die
Brücke fehlen mag zwischen dem in der Kindheit
schon vernommenen «Wort der Schrift» und den
Mitteilungen über Jesu Leben, Wirken und Tod,
die ich in meiner Aufhellung des vierten Evange‐
liums («Die Weisheit des Johannes») seinerzeit ge‐
geben habe.
.Carl Albrecht Bernoulli hält sich allein an die
drei ersten Evangelien und an das, was er in den
dort als möglichst gesichert geltenden
Textworten
intuitiv erkennt.
.Bei mir ist vom
vierten Evangelium die Rede,
und ich gebe Mitteilung von dem, was die
Schau‐
ungskraft der Seele mir enthüllt, ohne dafür nach ir‐
gendeinem wissenschaftlich überprüfbaren Beleg
zu suchen, da solcher Nachweis hier naturbedingt
unmöglich ist.
.Dennoch wird der Leser beider Bücher leicht
entdecken, wie nahe das aus der Gelehrten
For‐
scherarbeit genial gestaltete, urtümlich lebensvolle
Jesusbild
Bernoullis, dem aller Menschenmeinung
überhobenen Bestand der
Wirklichkeit sich an‐
gleicht, der nun einmal der Wissenschaft leider
entzogen bleibt und nur dem schauenden Erle‐
ben Weniger sich offenbart.
.Ich weiß gewiß, daß man mir allerorten danken
wird für diesen Hinweis auf ein Buch, das keiner
wieder missen möchte, dem es Besitz und inneres
Erleben wurde.
ALS Ende 1917 Gustav Meyrinks phantasti‐
scher Roman «
Walpurgisnacht» erschienen
war, wurde ich von allen Seiten mit Briefen be‐
stürmt, in denen man großer Befremdung dar‐
über Ausdruck gab, daß in einem Kapitel des Ro‐
mans, in stark betonter Weise, Äußerungen zu fin‐
den seien, die doch, trotz dem phantastischen
Rahmen, allzudeutlich ihr Herkommen aus mei‐
nen,
einige Jahre vorher veröffentlichten Einzel‐
bändchen: «
Das Licht vom Himavat» und «
Der Wille
zur Freude» verrieten.
.Ähnlicher Unmut scheint sich auch jetzt wieder
einzustellen, nachdem in einem Nachruf für Gu‐
stav Meyrink, im letzten Heft der «Säule», gerade
die hier in Betracht kommenden Textstellen des
erwähnten Romans besonders hervorgehoben
worden waren.
.Da ich aber unmöglich zulassen kann, daß üble
Mutmaßungen, die ich zu entkräften vermag,
dem Namen Gustav Meyrinks zu nahe treten,
während ich andererseits mich nicht in der Lage
sehe,
in privater Korrespondenz die unberechtigten
Meinungen zu berichtigen, so bleibt mir nichts
anderes übrig, als hier vor den gleichen Lesern,
die durch die Zitate des Nachrufs zu irrtümlichen
Annahmen gelangten, die Zusammenhänge auf‐
zuklären.
Veranlaßt durch die Lektüre meiner oben ge‐
nannten Schriften hatte mich Meyrink im Früh‐
jahr 1917 an meinem damaligen Wohnort, der
etwa zehn Stunden Schnellzugsfahrt von dem sei‐
nen entfernt lag, aufgesucht, und wir waren uns
in mehrtägigen intensiven Gesprächen über den
Inhalt meiner Schriften menschlich freundschaft‐
lich nahegekommen.
.Die Folge war, daß ich ihm,
auf seinen Wunsch
hin, gerne das Recht einräumte, alles, was ihm aus
diesen Gesprächen in der Erinnerung haften
bleibe, sowie auch alles, was in meinen Schriften
niedergelegt sei, unbedenklich
als literarisches
«
Material» zu verwerten, wenn es ihm in seinen da‐
mals beabsichtigten und nur zum Teil später aus‐
geführten neuen Romangestaltungen, von denen
er mir viel erzählte, gerade besonders gelegen
käme.
.Sein erster, seit unserem Bekanntwerden, noch
zu Ende des gleichen Jahres, erschienener Ro‐
man war «
Walpurgisnacht».
.In dem Kapitel «
Im Spiegel» läßt er den unheim‐
lichen Somnambulen «Zrcadlo» auftreten, aus
dem zuerst «
das innerste Ich» des Kaiserlichen Leib‐
arztes Flugbeil, diesem, während der Befragung
des in Trance Befangenen, entgegenspricht, und
die in dem kürzlich erschienenen Nachruf zitier‐
ten Gedanken über die
Freude äußert, die ja deut‐
lich genug meine Abhandlung «
Der Wille zur
Freude» als Anregungsquelle verraten.
.Später spricht dann aus dem Somnambulen
eine
andere Stimme, die sich als die eines gleich‐
zeitig lebenden Weisen, eines «
Mandschu» zu er‐
kennen gibt, und allerlei Dinge über das «
Ich»
sagt, die ebenso deutlich auf meine Schrift: «
Das
Licht vom Himavat» bezogen sind, weit mehr noch
aber Reminiszenzen an das im damaligen Früh‐
jahr zwischen Meyrink und mir
Gesprochene dar‐
stellen.
.Meyrink war durchaus zur
Verwendung des
«Stoffes», um den es sich künstlerisch für ihn han‐
delte,
berechtigt, aber
die Art der künstlerischen
Verwendung gerade des von mir zu ihm
Gespro‐
chenen erschien mir nachgerade
etwas zu sehr «freie
Interpretation», so daß ich ihn alsbald bat, doch
lieber zukünftig auf mich als «literarische Stoff‐
quelle»
verzichten zu wollen.
.Meines Wissens ist dann auch keine Zeile mehr
in Meyrinks weiterem Schaffen entstanden, deren
Anregung irgendwie auf mich zurückgeführt
werden dürfte, wie ja auch andererseits die Ro‐
mane «
Der Golem» und «
Das grüne Gesicht» längst
erschienen waren, bevor ich Meyrink zum ersten‐
mal sah.
In späteren Jahren hat sich übrigens Meyrink
mir gegenüber mehrfach sehr entschieden dahin
ausgesprochen, daß er «nicht im Traum» daran
denke, die in seinen okkulten Romanen behan‐
delten Lehren und Erlebnisse selbst als richtig
oder als erlebensmöglich anzusehen, obwohl er
für alles in seiner Bibliothek literarische Belege,
zum Teil sehr seltener Art, besitze. «Als Roman‐
schriftsteller» behalte er sich jedoch vor,
das Mate‐
rial zu verarbeiten, das ihn «besonders reize», wo‐
bei er jede
eigene Verantwortung für die aus litera‐
rischen Quellen entnommenen und von ihm
künstlerisch dargestellten Lehren
ablehne. Seiner
Auffassung nach sei es jedoch «
einfach künstlerische
Forderung», daß der Autor eines Romans oder
einer Erzählung den Eindruck erwecken müsse,
als sei er selber überzeugt von den Dingen, die
sein Stoffgebiet ausmachen. Ihm falle es leicht,
diese Forderung zu erfüllen, da er ja tatsächlich
von der
Existenz einer, dem Menschen normaler‐
weise unzugänglichen, okkulten Welt überzeugt
sei, deren Einflüsse er oft sogar beim Schreiben
seiner Sätze spüre.
.Man wird dem Gesamtwerk des dahingegange‐
nen Dichters nur dann gerecht, wenn man die in
seinen Romanen und Erzählungen stofflich mit‐
verwendeten
Lehren nur auf die Gestalten bezieht,
denen er diese Lehren in den Mund legt. Er selbst
aber wollte sich niemals etwa als Lehrer okkulter
oder mystischer Anschauungen, sondern als
freier
Künstler beurteilt sehen, dem jede Stoff‐
benützung erlaubt ist, durch die er in künstleri‐
scher Gestaltung sein Werk bereichern kann.
.Die in seinem künstlerischen Schaffen deutlich
erkennbare
Tendenz ist bei Meyrink in seinem
gan‐
zen dichterischen Werk
die gleiche: ‒ Aufstochern
der Gedankenwelt des «Spießers» aller Schichten,
Klassen und Kasten, den er in den früheren Er‐
zählungen ingrimmig
verhöhnt, während in den
okkult-phantastischen Romanen der ganze frag‐
würdige
Unterbau einer allzuselbstgewissen dün‐
kelbeladenen Weltanschauung in grellen Blink‐
lichtern bespiegelt wird.
.Allen, die Meyrinks dichterische Stärke so we‐
nig erfaßt haben, daß sie ihm, ‒ dem phantasie‐
reichsten Menschen der mir je begegnet ist, ‒ zu‐
trauen können, er sei zu heimlichen Anleihen bei
Anderen genötigt gewesen, kann ich mit jeder
Gewißheit sagen, daß seine stets übererregte
Phantasie wahrlich um Erfindungen niemals ver‐
legen war. Wenn er dennoch immer Ausschau
hielt nach ungewöhnlichem Tatsachenmaterial
und nach Bestätigung seiner Ahnungen im Zeug‐
nis solcher Menschen, bei denen er ein unge‐
wöhnliches Erleben vermuten durfte, so waren es
rein
künstlerische Gründe, die ihn dazu bestimm‐
ten, und nur
künstlerische Empfindung konnte für
ihn maßgebend sein, wenn er Berichte über nicht
alltägliches Erleben auf seine Art in sein Schaffen
verwob.
.Daß die Beziehungen zwischen Meyrink und
mir, wie bekannt, allmählich in eine gewisse Ent‐
fremdung übergingen, war gleichsam automa‐
tisch eintretende Folge der übergroßen Verschie‐
denheit in der beiderseitigen Auffassung geistiger
Dinge, die ihm nur Gegenstand künstlerischer
Bearbeitung blieben, während ich ihnen nie an‐
ders als unter höchster Ehrfurcht nahen kann, da
sie mir ja
erfahrungsgewiß sind.
Auszüge aus dem Briefverkehr um 1920
->hier OO
(nicht i.d. Nachlese enthalten - nicht verifizierbar!)
OO
ENDE
NACHLESE II
Gesammelte Texte
aus Zeitungen und Zeitschriften
KOBERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
BÔ YIN RÂ
ist der geistliche Name von
Joseph Anton Schneiderfranken
1.Auflage 1990
© by Kobersche Verlagsbuchhandlung AG
Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk, Fernsehen
und auf Tonträgern jeder Art, auch auszugsweise
ISBN 3-85767-101-7
INHALT
|
Seite
|
NACHLESE II
|
|
Vorwort
|
5
|
AUFSÄTZE UND GESCHRIEBENE ANSPRACHEN ÜBER KUNST (1913 − 1920)
|
|
Die Technik der Wandgemälde von Tiryns
.Athen, Februar 1913 (Sonderdruck aus Athen. Mitteilungen)
|
9
|
Was gibt uns die Kunst?
|
15
|
Das Oberlausitzer Heimatmuseum
|
21
|
Ansprache zur Eröffnung der
.Kunstausstellung Neumann-Hegenberg
|
31
|
Eröffnungsansprache anläßlich der Kunst‐
.ausstellung von Otto Wilhelm Merseburg
|
37
|
Hans Thoma. Zu seinem 80.Geburtstag
|
41
|
Die bösen Modernen
|
48
|
«Kino», Kultur und Kunst
|
53
|
Max Klinger
|
63
|
ABHANDLUNGEN
|
|
Edison und der Spiritismus
.(Magische Blätter, 1921)
|
71
|
Die «Meister» der «Weißen Loge»
.(Magische Blätter, 1921)
|
80
|
Die Grundlagen wahrer Theosophie
.(Theosophie, 1921)
|
94
|
Das «Wunder» der tanzenden Tische
.(Magische Blätter, 1921)
|
106
|
Stimmen aus dem «Geisterreiche»
.(Der Türmer, 1922)
|
115
|
BESPRECHUNGEN
|
|
Dr.Carl Vogl und sein Buch «Unsterblichkeit»
.(Magische Blätter, 1921)
|
131
|
«Meister in Indien» Von F.R.Scatcherd
.(Besprechung der deutschen Ausgabe, Mag.Blätter 1921)
|
138
|
«Nachklang» Von Erika Watzdorf-Bachoff
.(Magische Blätter, 1922)
|
142
|
Rezension, vielleicht auch Selbstanzeige
.(Die Säule, 1927)
|
146
|
Das Bô Yin Râ-Brevier. Von Rudolf Schott
.(Die Säule, 1935)
|
149
|
ZUR MITARBEIT AN DEN «MAGISCHEN BLÄTTERN»
UND AN DER «SÄULE»
|
|
Zuschriften an Bô Yin Râ
.(Magische Blätter, 1921)
|
157
|
Mitteilung an den Leserkreis
.(Die Säule, 1928)
|
160
|
Mein «Glückwunsch»
.(an den Herausgeber der «Säule», Die Säule, 1929)
|
165
|
DANKESADRESSEN ZUM 50. UND 60. GEBURTSTAG
|
|
Dank. Im Dezember 1926
.(Die Säule, 1927)
|
173
|
Dank. Im Januar 1927
.(Magnum Opus, 1927)
|
177
|
Den Gratulanten zu meinem 60.Geburtstag.
.Im November 1936 (Die Säule, 1936)
|
181
|
PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN
|
|
Ein Leben
.(Theosophie, 1915)
|
187
|
Alpenluft
.(Der Türmer, 1922)
|
196
|
Herbst im Tessin
.(Der Türmer, 1923)
|
209
|
Wie wünscht sich der
.Schweizer Schriftsteller seine Leser?
.(Der Schweizer Bücherbote, Osterheft 1937)
|
216
|
.Bereits im Vorwort des ersten Bandes der neu
aufgelegten «Nachlese» konnten wir der Freude
Ausdruck geben, dass es möglich war, die Samm‐
lung von Texten von Bô Yin Râ stark erweitert in
zwei Bänden herauszugeben. Entspricht der erste
Band mit Ausnahme von einigen Erweiterungen
mehr oder weniger dem 1953 erschienenen
Buch, so enthält dieser zweite Band bisher nicht
oder kaum bekannte Artikel von Bô Yin Râ aus
den 20er und 30er Jahren, darunter einige Be‐
trachtungen über Kunst, die zwischen 1913 und
1920 in verschiedenen Tageszeitungen erschie‐
nen und von der Familie des Autors freundlicher‐
weise zur Verfügung gestellt wurden.
.Bô Yin Râ hat sich aber nicht nur über das ihm
eigene Gebiet der Kunst geäussert; er hat ‒ wie er
in einem seiner Aufsätze selbst schreibt ‒ auch
Themen aufgegriffen, «die der Tag nahegelegt
hatte», wenn er sich dadurch für den Leser in be‐
stimmten Fragen mehr Klarheit versprach. Dazu
gehören mehrere Abhandlungen sowie einige
Buchbesprechungen, die Bô Yin Râ für den ihm
freundschaftlich verbundenen Inhaber des Ri‐
chard Hummel Verlags, Leipzig, verfasst hat. Für
den heutigen Leser, der sich die damalige Zeit
vergegenwärtigt, kann es wertvoll sein, sich ein
Bild davon zu machen, wie Bô Yin Râ stets leh‐
rend und hilfreich bestrebt war, einerseits das Po‐
sitive hervorzuheben, anderseits aber auch gele‐
gentliche Fehlinterpretationen mit Nachdruck
richtigzustellen.
.Die Anordnung der Texte ergab sich von selbst;
nach Möglichkeit wurde die chronologische Rei‐
henfolge bevorzugt.
.Leider sind die besprochenen Bücher im Buch‐
handel nicht mehr erhältlich. Der Verlag ist somit
nicht in der Lage, Bezugsquellen zu nennen.
.Bern
.1990 Der
.Verlag
Außer «Die Technik der Wandgemälde von Tiryns» sind 00
alle Artikel in den Jahren 1919 und 1920 in verschiedenen 00
Görlitzer Zeitungen, besonders in den «Görlitzer Nach‐ 00
richten», erschienen.
DIE Malereien, deren Fragmente in Tiryns
gefunden wurden, betrachtet man kurzweg
als Fresken; aus maltechnischen Gründen dürfte
aber eine Modifizierung dieser Ansicht geboten
sein. Durch die Freundlichkeit Prof. Karos wurde
mir eine Untersuchung der Maltechnik dieser
Funde nahegelegt, und ich gebe nun hier die
Resultate.
.Man muß vor allem unterscheiden zwischen
der Technik der Gemälde des älteren und jener
des jüngeren Palastes.
.Die Fragmente vom
älteren Palast zeigen einen
Farben-Auftrag, dessen Konsistenz unbedingt für
ein Bindemittel spricht, das
der Farbe selbst beige‐
mengt war, während bekanntlich beim Fresko
der
Kalk des Wandbewurfs die Farbe bindet, die,
ohne
mit einem Bindemittel versehen zu sein,
auf die feuchte
Wand aufgetragen wird.
.Die Farbe liegt beim echten Fresko
in der kla‐
ren Schicht kohlensauren Kalks, die sich an der
Luft bildet, wie in einen spröden, glasigen, dün‐
nen Firnis eingebettet und zeigt selbst nach star‐
ker Verwitterung noch etwas von der ursprüngli‐
chen Transparenz.
.Die Farbe der Gemälde des älteren Palastes da‐
gegen ist
in pastoser Schichtung aufgetragen. Oft lie‐
gen mehrere Schichten übereinander, wie bei
dem Fragment eines Mannes mit Speer (Tiryns II
Taf.14) sehr schön zu sehen ist. Auf dem blauen
Grund, der hier die ganze Kalkfläche bedeckt,
sitzt das Rot der Hand und des Gesichtes, und auf
letzterem sitzt, sehr pastos, das Gelb des Bartes.
.Um solche dicke Schichten sicher zu binden,
reicht die Bindekraft des an der Oberfläche er‐
scheinenden wässerigen Kalks nicht aus. Die
ganze Konsistenz der Farbe ist die einer dicken
Leim- oder Temperafarbschicht, doch können
diese organischen Bindemittel nach der chemi‐
schen Untersuchung Mr. Heatons keinesfalls vor‐
liegen. Mir ist nur
ein Bindemittel bekannt, das
hier enthalten sein könnte, und dessen Konsi‐
stenz die Farbe zeigt. Es ist die sogenannte Kalk‐
milch, d.i. gelöschter Kalk, der in einer größeren
Wassermenge verrührt wird.
.Mit dieser Flüssigkeit wird die Malfarbe ver‐
setzt. Man kann dann
auf feuchten oder trockenen
Grund malen und die Farbe wird hart an der
Luft. Mitunter wird sie heute noch im Handwerk
verwendet, oft auch mit Zusätzen von Käse‐
Quark, als Kasein-Kalkfarbe. Ob sich ein solcher
Zusatz
hier annehmen läßt, weiß ich nicht. Ich
möchte für
reine Kalkfarbe eintreten. Eine Bestäti‐
gung sehe ich in Mr. Heatons mikroskopischer
Untersuchung (Tiryns II 211 ff.). Mr. Heaton er‐
kannte dabei kleine Kalkteile zwischen den Farb‐
körperchen, für die man, bei der bisherigen Vor‐
aussetzung reiner Fresko Technik, nur die im‐
merhin unbefriedigende Erklärung finden
konnte, sie seien durch den Pinsel zufällig vom
feuchten Grunde gelöst.
.Ganz anders liegt die Sache bei den Stücken des
jüngeren Palastes. Hier wurde zuerst die ganze
Fläche «al fresco» dünn bemalt, und
auf dieser,
die alle Charakteristiken der Freskomalerei auf‐
weist, in der alten Kalkfarben Technik
pastos wei‐
ter gearbeitet. Sehr schön sieht man an dem gro‐
ßen Fragment mit dem Kopf einer Frau (Tiryns II
Taf. IX) den Gegensatz der dünnen, mit dem gla‐
sig spröden Kalkgrund sozusagen verwachsenen
Unterlage, die zweifellos in Fresko gemalt ist, zu
der
nach dem Trocknen des Grundes aufgesetz‐
ten, pastosen und stumpfen Kalkfarbe. Es scheint
fast, als stünde man an der Wiege der Fresko‐
Malerei. Gefärbte Kalktünche war bekannt. Es lag
dann nahe, mit verschieden gefärbten Tünchen
(Kalkfarben) auf die Wände
zu malen. Das Ergeb‐
nis hätten wir beim älteren Palast. Ein Zufall
mochte den Malern gezeigt haben, daß die Farbe
auch
ohne Kalkmilchzusatz hält, wenn sie auf den
noch feuchten Kalkputz aufgetragen wird. Bald
mußten sie sehen, daß man auf diese Art flüssiger,
flotter und leichter arbeiten kann, ja daß die
Technik dies geradezu verlangt. So bemalten sie
wohl die frisch beworfene ganze Wand ziemlich
flüchtig und leicht, solange es die Feuchtigkeit des
Kalkes zuließ, ohne vorerst daran zu denken, daß
man den Kalkgrund
stückweise aneinandersetzen
könnte, um das Gemälde «al fresco» fertig zu ma‐
len, wie das in der Renaissance geschah. Dies
würde auch das Fehlen der für Fresko charakteri‐
stischen Fugen erklären.
.Al fresco malten sie wohl alles, was sich mög‐
lichst schnell auf der
ganzen Malfläche machen
ließ. Die großen Farbmassen füllten sie dann mit
Kalkfarbe, mit der sie auch das Ganze vollende‐
ten, ähnlich wie man heute noch ein trockenes
Fresko mit Temperafarbe retouchiert. Die Maler
von Tiryns dürften jedoch das Fertigstellen in
Kalkfarben keineswegs als Retouche betrachtet
haben, denn beide Techniken haben an der ferti‐
gen Malerei gleichen Anteil.
.Den Vertiefungen im Malgrund darf man, mei‐
ner Meinung nach, keine zu große Wichtigkeit bei‐
messen. Ich halte die Vertiefungen der Gewand‐
teile für Schabungen, die durch Korrekturen nötig
wurden. Auf solchen ausgeschabten Stellen moch‐
ten die Farben nachher sehr roh wirken, weshalb
man sie nach dem Trocknen zu glätten versuchte.
Die Schnüre, bei den Netzen der Jagd, werden
wohl in den noch weichen Grund
eingedrückt sein,
und zwar bei der summarischen Aufzeichnung des
Ganzen. Die geraden Linien des Architektur-Frag‐
ments scheinen mir dagegen in den trockenen
Grund
geritzt. Ich schließe das aus der Beschaffen‐
heit der Ränder. In beiden Fällen liegt die Farbe
flüssig eingelaufen in den kleinen Kanälen. Wäre
sie
mit eingedrückt worden, nachdem die Malerei
beendigt war, so müßte dies unbedingt an der
Oberfläche des Farbflusses zu erkennen sein.
.Sowohl beim älteren wie beim jüngeren Palast
ging die Arbeit sichtlich schnell von statten, und
wenn die Maler des alten Palastes den frischen
Kalkgrund auch noch nicht zur Bindung der
Farbe auszunützen verstanden, so mußten sie
doch keineswegs warten, bis er trocken war.
.Ob die Verschiedenheit der Stücke des älteren
und jüngeren Palastes, infolge der durch die
Fundumstände sicheren Datierung, ein geeigne‐
tes Datierungsmerkmal auch für andere Funde
abgeben kann, entzieht sich meiner Beurteilung.
.Athen, Februar 1913
ES ist eine höchst erfreuliche Tatsache, und
mir persönlich in Wien zum ersten Male auf‐
gefallen, daß immer weitere Kreise der Arbeiter‐
schaft für die bildenden Künste, also Malerei und
Plastik, ein immer regeres Interesse zeigen.
.Der Ruf: «Die Kunst dem Volke!» ist zwar schon
längst gehört worden, aber man packte die Sache
am verkehrten Ende an. Man verlangte von den
Künstlern, sie sollten Werke schaffen, denen ähn‐
lich, die das Volk bereits
gewohnt sei, weil man es
für selbstverständlich hielt, daß «das Volk» ‒ wo‐
mit man zumeist nur einen Teil des Volkes, näm‐
lich die Arbeiterkreise meinte, ‒ gar kein Inter‐
esse für
jene Werke der Kunst haben könne, die
geistige Mitarbeit voraussetzen, will man ihre höch‐
sten Werte erfassen und sie als eine Lebensberei‐
cherung genießen. Man hat sich, wie ich kaum
einem intelligenten Arbeiter zu sagen brauche,
mächtig getäuscht, denn wo man auch bis jetzt den
Versuch machte, der Arbeiterschaft einen Ein‐
blick in die Probleme der bildenden Kunst zu ver‐
mitteln, fand sich
regstes Interesse, verstehendes
Mitgehen auf den Pfaden, die zur sogenannten
«Hohen Kunst» führen, die nichts anderes ist, als
ein Gestalten aus Werten, die tief in
jedem mensch‐
lichen Geiste verborgen ruhen, und die zu heben
und sichtbar zu machen eben des wahren Künst‐
lers Beruf ist. ‒ Es gibt daneben allerdings auch
eine Art Darstellerei, die wohl «gekonnt» sein will,
aber trotzdem nichts mit wahrer Kunst zu tun hat.
Sie serviert der Menschheit immer wieder die
schon tausend- und abertausendmal abgewandel‐
ten Motive, bald ist es ein «schöner» Frauenkopf,
bald irgend eine Anekdotenmalerei, bald eine
süßliche Landschaft, und erfordert vom Be‐
schauer rein
gar nichts an geistiger Mitarbeit. Es ist
begreiflich, daß der Mann der Arbeit an
solchen
Werken, wie an besseren Spielereien, achtlos und
achtungslos vorübergeht, aber sein Interesse wird
sofort geweckt, wenn er sieht, daß auch das Schaf‐
fen des Künstlers
sehr ernste Lebenswerte fördert,
die ihm Freude und Beglückung geben können,
auf die er verzichten müßte, wollte er am Kunst‐
schaffen seiner Zeit teilnahmslos vorübergehen.
.Warum sollte es auch verwunderlich sein, daß
der Arbeiter, und nicht etwa nur der selbst mit
Pinsel und Farbe Bescheid Wissende, sondern
auch der Mann am Schraubstock, an der Dreh‐
bank und an der Maschine, sich für die Probleme
wahrer Kunst lebhaft interessieren kann? Sein
Geistesleben braucht Nahrung und Arbeitsmate‐
rial für die verschiedensten Gehirnzentren. Zu‐
meist wird es ausgefüllt mit den Gedanken, die
seine Alltagsarbeit begleiten, mit Politik im Inter‐
esse seiner Lebensbedingungen, und vielleicht
noch mit populärwissenschaftlicher Lektüre. Das
reiche Gebiet der bildenden Kunst wurde nur sel‐
ten betreten und jene Gehirnpartien, die es sich
erobern könnten, lagen still, sind fast unbenutzt
und warten darauf, daß ihr Eigner sie in Ge‐
brauch nehme und sie ebenso entwickle, wie er
andere Gehirnzentren entwickelt hat. Der aller‐
erste Anfang mag eine gewisse Anstrengung ko‐
sten, aber bald treten bestimmte Beobachtungen
auf, die dem erstaunten Auge zeigen, daß die
Werke bildender Kunst keineswegs nur dem
Schmuckbedürfnis dienen, keineswegs überflüssige
Dinge für reiche Liebhaber sind, sondern: Spiegel
des menschlichen Empfindens einer Zeit, Bekenntnisse
der Seele einer Zeit, Dokumente des Fortschritts,
Predigten einer Religion, die zutiefst in einem je‐
den Menschenherzen lebt, und nicht zum wenig‐
sten in der Brust unter dem blauen Kittel, im Ge‐
dröhne und Gestampfe der Fabriken...
.Man suchte Kunst «ins Volk» zu bringen, indem
man billige Reproduktionen guter Kunstwerke,
billige Künstlergraphik herstellte, damit so der
unwürdige fade «Öldruck» ohne jeglichen Wert,
aus der guten Stube des Arbeiters verschwinde.
Das ist gut und löblich und bereits ein großer
Schritt nach vorwärts, aber man war noch viel zu
ängstlich und ist es noch, so daß man nur solche
Kunstwerke wählte, die zwar alle Ansprüche er‐
füllen, die an einen wertvollen Schmuck der
Wände zu stellen sind, aber dennoch herzlich we‐
nig von jener tieferen Kunstauffassung verraten,
die den Künstler zum Schaffen zwingt, als einen
Künder menschlicher Seelentiefen, einen Gestal‐
ter der Symbole reiner Menschlichkeit. ‒ ‒ Auch
darin wird die Zeit Wandel schaffen, wenn das Be‐
dürfnis sich zeigt. ‒ Aber wer, selbst wenn er Milli‐
ardär wäre, könnte sich jemals alle Kunstwerke
kaufen, die seine Seele befruchten können? Wer
könnte sie ständig auch nur alle um sich sehen,
und sei es auch nur in guten Reproduktionen?
Gewohnheit macht stumpf, verdirbt und ermü‐
det. ‒ Dagegen wird der Eindruck, den ein inten‐
siv sich einbohrender Beschauer vor vielen Jah‐
ren von einem Kunstwerk in irgend einer guten
Ausstellung erhielt, auch nach weiteren vielen
Jahren niemals schwinden. ‒
.Dieser Beschauer ist dann der wahre Besitzer
des Werkes, während es noch sehr fraglich sein
kann, ob es dem Künstler, der mit großen Auf‐
wendungen und seltenen Verkäufen zu rechnen
hat und darum gezwungen ist, scheinbar hohe
Preise anzusetzen, (von denen meist noch vieles
«abgehandelt» wird!) wirklich gelang, einen Käu‐
fer zu finden, der auch das Werk geistig zu «besit‐
zen» fähig ist. ‒ Man braucht keinen großen Geld‐
beutel zu haben, um ein Freund und empfinden‐
der Versteher der bildenden Kunst zu werden. Es
ist noch weniger nötig, dicke Bücher über Kunst
zu lesen, oder gar die Jahreszahlen der Kunstge‐
schichte auswendig zu wissen. Wer so anfängt,
zäumt den Gaul am Schwanze auf und hat nur alle
Aussicht, einer der vielen Halbwisser, der vielen
Schwätzer zu werden, die wirklichem Kunster‐
fühlen im Wege stehen, soviel sie auch mit ihren
zusammengelesenen Floskeln zu imponieren ver‐
suchen. Um sich das Lebensgebiet der Kunst zu
erobern, dazu bedarf es lediglich gesunder, se‐
hender Augen, eines tiefen und echten Lebensge‐
fühls, und des ehrlichen Willens, den Schöpfungs‐
prozeß eines Kunstwerkes in eigener Seele nach‐
erleben zu wollen, des Willens, die Sprache der
Formen und Farben verstehen zu lernen, die der
Künstler spricht, so wie man sich auch im ge‐
wöhnlichen Leben an die Ausdrucksweise eines
Menschen erst gewöhnen muß, wenn man ihn
nicht ständig mißverstehen will. ‒ ‒
DIE «Ruhmeshalle» kennt in Görlitz jedes
Kind, auch wenn sie offiziell «Gedenkhalle»
heißt, aber daß die eigentliche «Ruhmeshalle»
nur der räumliche Mittelpunkt eines zwar nicht
sehr großen, aber reichen und hochinteressanten
Museums ist, dessen scheint man sich in Görlitz
und Umgebung immer noch nicht genügend zu
erinnern, soll es doch vorgekommen sein, daß ein
Fremder nach dem «Kaiser-Friedrich-Museum»
fragte und von einem Einheimischen die Antwort
bekam, ein solches gäbe es hier nicht. ‒
.Gewiß, die Besucherzahl ist in letzter Zeit im
Steigen begriffen und die reichen, besonders auf
die Geschichte der Oberlausitz bezüglichen
Schätze beginnen allmählich auch
Fremde anzu‐
ziehen, die speziell zur Besichtigung des Muse‐
ums nach Görlitz kommen, oder deshalb hier ihre
Reise unterbrechen.
.Es hat aber trotzdem den Anschein, als ob man
sich in Görlitz selbst noch recht wenig darüber
klar wäre, welche Bedeutung das kleine Museum
für die Stadt hat.
.Vielleicht werden die fremden Besucher mit ih‐
rer wachsenden Anzahl darin eine Änderung be‐
wirken und den Einheimischen mit der Zeit zei‐
gen, daß der eigentliche Wert ihrer «Ruhmes‐
halle» denn doch weniger in der dekorativen Wir‐
kung des Gebäudes von außen, als in den
Samm‐
lungen zu suchen ist, die dieser Kunsttempel über
dem anmutigen Neißeufer beherbergt. ‒
.Eine schier übermenschliche Arbeit hat der Di‐
rektor des Museums,
Prof.
Feyerabend, geleistet,
um diese Sammlungen aufzubringen und in wür‐
diger Weise aufzustellen. Das Museum ist eigent‐
lich sein eigenstes Werk, ein Lebenswerk von
nicht unbeträchtlicher Bedeutung.
.Freilich, ohne die Hilfe zahlreicher Gönner des
Museums wäre es ihm nicht möglich gewesen, die
von ihm kahl und leer übernommenen Museums‐
räume zu füllen, aber wer einigermaßen weiß, was
es heißt, ohne irgendeine museumstechnisch ge‐
schulte Hilfskraft, wie er sie längst hätte haben
müssen, ein solches Museum zusammenzubrin‐
gen, zu ordnen und zu leiten, und, was nicht zu‐
letzt genannt werden sollte, in lebendigem Kon‐
nex mit dem übrigen deutschen Museumswesen
zu erhalten, der kam nicht umhin, die Lebensar‐
beit Prof. Feyerabends im allerhöchsten Maße zu
bewundern.
.Er hat sich damit den wärmsten Dank der heu‐
tigen und kommender Generationen in Görlitz
verdient.
.Es wäre leicht, an einer ganzen Reihe von Bei‐
spielen zu zeigen, wie auch ein
kleines, gutgeleite‐
tes Museum in einer kleinen oder mittleren Stadt,
den
Ruf dieser Stadt in kultureller Hinsicht zu
verbreiten geeignet ist, wie es ihre Fremdenziffer
und damit ihren Wohlstand hebt und ihren Gel‐
tungsbereich erweitert. Daß auch das Görlitzer
Museum den Grundstock besitzt, um sich zu sol‐
cher Bedeutung für seine Heimatstadt und weit
darüber hinaus emporzuarbeiten, lehrt ein auf‐
merksamer Rundgang in seinen Räumen.
.Der
Qualität nach am
mäßigsten bedacht ist noch
seine kleine
Gemäldegalerie, sehr zum Leidwesen
des Direktors, der auch hier mit Freuden nur das
Beste zeigen möchte. Die dem Laien so imponie‐
renden Riesenleinwanden mit den Ausklängen
der theatralischen und im eigentlich künstleri‐
schen Sinn so wenig ausgiebigen Piloty- und
Kaulbach-Zeit bedecken da nebst andern künst‐
lerisch belanglosen Repräsentationsbildern gan‐
ze Wände und hindern die so sehr wünschens‐
werte, neuzeitlich mustergültige Verteilung der
zwar noch recht wenigen, aber immerhin
vorhan‐
denen Werke von
wirklichem Kunstwert.
.Besitzt doch die kleine Galerie neben einigen
andern nicht unbedeutenden Stücken tatsächlich
einen echten, wenn auch für das Gesamtschaffen
nicht so ganz instruktiven
Böcklin, zwei Werke des
hochbedeutenden, in seiner Eigenart so beschei‐
denen
Hans von Volkmann, eine zweite Fassung des
«Gestades der Vergessenheit» von
Bracht, einen
sehr guten
Schramm-
Zittau, ein bedeutendes mo‐
numentales Werk von
Lesset Ury, ein gutes Porträt
seines Töchterchens von
Franz Stuck und eine An‐
zahl nicht unbedeutender Gemälde aus dem
älte‐
ren Münchener Künstlerkreis. Immerhin genug,
um neben den hier
nicht genannten bedeutende‐
ren Werken den Ausgangspunkt einer kleinen
guten Gemäldesammlung darzustellen.
.Wichtiger aber, und naturgemäß besser be‐
dacht, ist zurzeit noch die reichhaltige Sammlung
von Stichen, Zeichnungen und andern Kunstblät‐
tern, die sich auf die Geschichte von Görlitz, die
Geschichte der Oberlausitz beziehen.
.Vielleicht am vollständigsten ist dann die eben‐
falls nach den Interessen der Heimatgeschichte
orientierte kunstgewerbliche und kunsthistori‐
sche Sammlung in den beiden Flügeln des Erd‐
geschosses, während die Oberlausitzer Zimmer in
den Souterrain-Räumen nebst vielem andern,
das dort seinen Platz fand, diese Sammlungen le‐
bendig ergänzen.
.Ein kleines Museum für sich ist der Urge‐
schichte gewidmet und ebenfalls in den Keller‐
räumen untergebracht. Der Archäologe, der die
Oberlausitzer Keramik studiert, kann auf die
Kenntnis dieser zum Teil sehr hervorragenden
Funde nicht verzichten, während sie dem Laien
ein Bild fernster Vorzeit geben.
.Erstaunlich viel Belehrendes bieten diese un‐
tersten Räume, in denen zu allem Überfluß noch
zwei recht eigenartige und des Ansehens werte
Kleinwerke der Volkskunst, zwei sogenannte
«
Krippen»-Darstellungen Platz fanden, um die das
Museum wohl von der berühmten Münchner
Krippensammlung im bayrischen Nationalmu‐
seum nicht wenig beneidet werden dürfte.
.Der Fleiß einfacher Handwerker hat diese Dar‐
stellungen in jahrelanger mühevoller Arbeit ge‐
schaffen. Die eine schildert nur die Geburt Christi
mit den üblichen anachronistischen, volkstümli‐
chen Beigaben, so daß der ganze Hergang in die
engere Heimat versetzt erscheint, die andere
«Krippe» ist eigentlich ein vollständiges
Passions‐
spiel, beginnend mit der Geburtsgeschichte und
endigend mit der Auferstehung. Und das alles ist
durch eine Anzahl sinnreicher Anordnungen in
geradezu verblüffend natürlicher Weise beweg‐
lich.
.Bei der Kreuzabnahme wird selbst der Leich‐
nam Christi
frei vom Kreuze heruntergeholt! Al‐
les ist so naiv aus dem Geiste echter Volkskunst
entstanden, daß die Beweglichkeit der Figuren
nur den künstlerischen Eindruck
verstärkt, statt
ihn etwa zu stören. Wer bei dem dreimaligen Ge‐
bet Jesu im Garten am Ölberg nicht durch die Be‐
wegung des bis in den Tod Betrübten ergriffen
wird, der muß jedes Gefühl für volkstümliche
Einfühlung in die Begebnisse christlicher Heils‐
geschichte verloren haben. ‒
.Und das alles hat man hier unten mustergültig
aufgestellt. Ein Beamter des Museums, auch ein
einfacher, tüchtiger Handwerker besten alten
Schlages, obwohl ein noch jüngerer Mann, der
auch die Vorführungen unternimmt, hat all diese
Einzelteile mit feinstem Verständnis wieder zu‐
sammengesetzt, die «mechanische Kunst» daran
in sinngemäßer Weise wiederhergestellt und in
liebevoller Hingabe beide «Krippen» in den zur
Verfügung stehenden Räumen aufgebaut, was
gewiß keine leichte Arbeit war und einen beson‐
ders feinen seelischen Takt erforderte, um das
Unberührte, das Wesentliche der alten Origi‐
nalarbeit zu erhalten.
.Das wäre so in aller Kürze, jedem Besucher des
Museums nicht fremd, der wesentlichste Inhalt
der Räume.
.Eine bedeutende Münzensammlung sowie
noch manches andere harrt des Tages, an dem
ein schon längst geplanter, aber jetzt auf unbe‐
stimmte Zeit hinaus verschobener Erweiterungs‐
bau doch einst seine Vollendung finden wird.
.Es wäre zu wünschen, daß das Museum immer
mehr Gönner finden möge, die es durch Legate
und sonstige Schenkungen, seien es nun kunst‐
und kulturhistorisch wichtige und wertvolle
Werke, seien es die so dringend nötigen größeren
Barmittel, in den Stand setzen würden, seiner ho‐
hen Aufgabe für das kulturelle Leben der Stadt
Görlitz und im weiteren Sinne der gesamten
Oberlausitz in mustergültiger Weise zu genügen.
.Aber schließlich ist auch ein «Heimatmuseum»
keine isolierte, nur auf den Bannkreis seiner Stadt
oder ihrer nächsten Umgebung beschränkte Ein‐
richtung, wenn auch die Vorteile, die es durch
seinen Ruf einer Stadt bringen kann, dieser allein
zugute kommen.
.In diesem Sinne ist jeder Einwohner von Gör‐
litz zwar praktisch an dem Gedeihen und Be‐
kanntwerden des heimischen Museums inter‐
essiert, aber dieser Ruf, dieses Bekanntwerden ist
nur zu erreichen dadurch, daß sich die Museums‐
leitung in den Dienst der gesamten Kunstwissen‐
schaft stellt und die Verbindung mit allen Museen
in deutschem Sprachgebiet stets aufrecht erhält.
Die hierzu nötige Arbeit übersteigt aber die Kraft
eines einzelnen Mannes, sei er auch wie der der‐
zeitige Leiter und Schöpfer des Museums ein
Hüne an Arbeitskraft. Mit ungeschulten und billi‐
gen Hilfskräften ist hier gar nichts geholfen. Nö‐
tig wäre die Assistenz einer wissenschaftlich gebil‐
deten und in den Aufgaben eines Museumsbeam‐
ten nicht ganz unerfahrenen Persönlichkeit.
.Da die Stadt Görlitz zurzeit mit Aufgaben über‐
lastet ist, die es ihr wohl unmöglich machen dürf‐
ten, eine solche Hilfskraft zu besolden (obwohl
der
wissenschaftliche Arbeiter auch heute noch
aus
Liebe zur Sache zu arbeiten pflegt und daher in sei‐
nen Ansprüchen weitaus bescheidener ist als
mancher Fabrikarbeiter), so könnte man es nur
als eine hochherzige Tat bezeichnen, wenn von
privater Seite die Kosten einer solchen Hilfe für
die Museumsleitung übernommen würden.
.Es wäre die denkbar übelste Verkennung des
Nötigen, wenn man den fruchtbringenden Be‐
stand eines Museums in heutiger Zeit als überflüs‐
sigen Luxus ansehen wollte. ‒ «Nicht vom Brote
allein lebt der Mensch, sondern von jedem Worte,
das aus dem Munde Gottes kommt.» ‒
.Ein jedes Werk bedeutender Vorzeit, alles, was
die Gegenwart an wirklich Gehaltvollem schafft,
ist solch ein «Wort Gottes», das zu empfänglichen
Herzen, insonderheit zu den Gemütern der Ju‐
gend, oft wuchtiger sprechen kann als Schule und
Kirche es vermögen, gerade weil all diese sicht‐
baren, greifbaren Dinge so ganz
auf das praktische,
tagtägliche Leben hinweisen. Alles, was heute den
allenthalben im praktischen Leben grassierenden
Materialismus
zurückdämmen kann, dient dem
Wiederaufbau, ist eine nicht zu missende und ihre
Unterschätzung bitter rächende Kraft, die zur
Gesundung unsres Lebens führt. ‒ ‒
Was das
Buch für das
Denken bedeutet, das ist
der
sichtbare Gegenstand, wenn er von Kunst, Ge‐
schmack und handwerklicher Tüchtigkeit zeugt,
für das
Gemüt. ‒ Aus dem
Gefühl heraus aber muß
die Kraft zur Wiederaufrichtung unsres Volkes
kommen. Das Denken geht irre Wege, wenn es
nicht durch das Gefühl in gesunde Bahnen gelei‐
tet wird. ‒ Was wir heute alle beklagen, ist nicht
zum wenigsten die Frucht irregeleiteten Denkens,
die Folge davon, daß man das Volk systematisch
daran gewöhnte zu glauben, alles Gute müsse sich
erdenken lassen, daß man Kopfmenschen, Gehirn‐
menschen erzog, aber keine Menschen, die sehen
können und durch Sehen zu lernen wissen. ‒ Dies
aber lehrt in erster Linie ein Museum.
Im Bankettsaal der Stadthalle wurde gestern gegen 11½ 00
Uhr vom neuen Vorsitzenden des Kunstvereins, Herrn Jo‐ 00
seph Schneider–Franken*, die Ausstellung Neumann–Hegen‐ 00
berg und Paul Polte eröffnet. Ein guter Anfang unter der 00
neuen Leitung, die, wie wir hoffen, noch recht ersprieß‐ 00
liche Arbeit auf diesem Gebiete des Kunstlebens leisten 00
wird, um dadurch der Stadt Görlitz auch nach außenhin 00
in dieser Beziehung einen Namen zu machen. Wir wün‐ 00
schen dem neuen Vorsitzenden den besten Erfolg.
Zur Eröffnung der Ausstellung führte er aus:
Meine Damen und Herren!
.Der Kunstverein hat vor kurzem seinen lang‐
jährigen und verdienstvollen Vorsitzenden durch
den Tod verloren, und mir wird nun die Aufgabe,
die für das kulturelle Leben dieser Stadt so wich‐
tige Vereinigung zu leiten.
* Da die beglaubigte Namensänderung in «Schneider‐ 00
franken» erst Ende August 1920 erfolgte, sind sämtliche 00
Artikel über Kunst mit Joseph oder J. A. Schneider-Fran‐ 00
ken gezeichnet.
.Daß am Beginn meiner Tätigkeit gleich eine so
hervorragende Ausstellung steht, wie die ist, die
ich hier nun eröffnen soll, ist nicht mein Ver‐
dienst.
.Ich danke aber den Herren des Vorstandes,
daß sie den beiden Künstlern, die hier ausstellen,
Gelegenheit gaben, ihre Werke zu zeigen.
.Ich kann mit
voller Überzeugung und
warmen
Herzens für diese Ausstellung eintreten.
.An anderer Stelle zeigte ich vor kurzem, daß die
Richtung, der ein Künstler zugezählt wird, eigent‐
lich
Nebensache ist, daß es einzig darauf ankommt,
ob ein Künstler zu den
Echten und
Wahrhaftigen,
oder aber nur zu denen zu zählen ist, die irgend‐
einer Richtung
nachlaufen, weil sie
selbst nichts Ei‐
genes zu sagen haben.
.Die Ausstellung, die Sie jetzt sehen werden,
zeigt in lebendiger Gestaltung, wie wenig es auf
die
Richtung ankommt, wie die
Persönlichkeit eines
Künstlers
ganz allein für die Wertung seines Schaf‐
fens maßgebend ist.
.Man kann sich kaum verschiedenere
Richtungen
vorstellen als die sind, die durch die beiden aus‐
stellenden Künstler vertreten werden.
.Der
Maler, dem ja der
größte Anteil an der Aus‐
stellung zufällt, geht von der Darstellung der äus‐
seren Umwelt aus und sucht und findet schließ‐
lich die Ausdrucksmittel, um die reiche Bewe‐
gung seiner
inneren Welt zu gestalten.
.Er sucht seine großen Vorbilder in der
Gotik,
vor allem in
Mathias Grünewald, dem Meister des
Isenheimer Altars, und man könnte ihn äußerlich
zu den «
Expressionisten» rechnen, doch ist er eine
ganz auf sich gestellte
Persönlichkeit, der es gar
nicht einfällt, eines
Programmes wegen zu malen. ‒
.Er malt so, wie er malt, weil er so malen
muß,
wenn er sich selbst treu bleiben will.
.Das Gleiche ist von dem
Bildhauer zu sagen.
.Auch er gibt, als Plastiker, was er seiner Natur
nach geben
muß, aber in ihm ist nur
statuarische
Ruhe und
verhaltenes Leben, kein Drang zu
dramati‐
scher Bewegung der Formen, wie in dem Maler.
.Seine
Richtung, wenn man ihn unbedingt einer
zuzählen will, ist die Richtung der großen deut‐
schen
Monumentalplastiker, der
Wrba,
Beermann,
Hahn und anderer, die alle mehr oder weniger
von
Hildebrandt und seiner Auffassung des «
Pro‐
blems der Form» ausgehen.
.Der Plastiker,
Paul Polte, dürfte Ihnen ohne
weiteres verständlich sein.
.Sie sehen die große
Ruhe und
Geschlossenheit sei‐
ner Figuren und die
vollendet schöne Modellierung,
den
feinen seelischen Ausdruck in allen seinen Wer‐
ken ohne Mühe.
.Der Maler,
Neumann-
Hegenberg, verlangt
mehr
willige Einstellung von Ihnen.
.Er will Ihnen seine
Entwicklung zeigen, will zei‐
gen, wieso er dazu kommen
mußte, seine letzten
Werke zu schaffen.
.Die Bilder sind deshalb auch in chronologi‐
scher Reihenfolge aufgehängt, von den starken
und räumlich tiefen Schilderungen der Umwelt
angefangen, bis zu den Werken, in denen er
rein
seelisch Geschautes zeigt, dem oft ein
Naturein‐
druck, oft ein
musikalisches Erleben oder aber
nur
innerlich Empfundenes zu Grunde liegt.
.Neumann-Hegenberg will immer noch
weiter,
sucht stets noch
neue Ausdrucksmöglichkeiten und
betrachtet auch seine letzten Bilder noch nicht als
sein «
letztes Wort».
.Aber vieles von dem, was er zeigt, stellt auch,
ho‐
hen kritischen Ansprüchen gegenüber, eine
restlos
vollkommene Lösung dar.
.Sie haben es mit einem tiefernsten, ehrlich mit
seiner Kunst ringenden Manne zu tun, der alles
Halbe und nur
beiläufig Gute weit hinter sich läßt.
.Er dichtet mit dem Pinsel in der Hand farbige
Werke voller Glut des Erlebens, voller Intensität
der inneren Bewegtheit.
.Sie wissen alle, was der Rhythmus in der Musik
bedeutet.
.Diesen Rhythmus finden Sie wieder, wenn Sie
die Gemälde dieses Malers betrachten, und Sie
müssen nach dem Rhythmus suchen, wenn Sie
den inneren Wert dieser Bilder erkennen und ih‐
nen gerecht werden wollen.
.Folgerichtig sieht man auch seine
Auffassungsart
und seine
Technik sich
entwickeln.
.Nichts ist «
gesucht», alles
Spätere entwickelt sich
mit Notwendigkeit aus dem
Früheren. Er malt, was
ihm sein Innerstes befiehlt.
.Daß außer aller
malerischen Qualität auch viel
Poesie in den meisten Werken steckt, wird ihm si‐
cher auch manche Verehrer gewinnen, die für das
eminent
Malerische der Bilder noch nicht das
rechte Auge haben.
.Ich hoffe, daß niemand diese Ausstellung ver‐
läßt, ohne einen reichen und nachhaltigen Ein‐
druck mitzunehmen.
.Ich möchte hier nur noch sagen, daß ich den
Wunsch hege, den Kunstverein in dieser Stadt zu
einer Instanz zu machen, der das Laienpublikum
bei seinen Ankäufen und Kunstbesichtigungen
absolut vertrauen kann.
.Man soll wissen, daß in seinen Ausstellungen
nur
echte und
reife Kunst geboten wird.
.Ich danke den beiden Ausstellern, daß sie mir
diesen verheißungsvollen Anfang ermöglicht ha‐
ben!
Die neue, überaus reichhaltige Kunstausstellung des 00
Kunstvereins für die Lausitz fand gestern vor geladenen Gä‐ 00
sten im Bankettsaal der Stadthalle ihre Eröffnung. Der 00
Vorsitzende des Kunstvereins, Herr Schneider-Franken, 00
führte in seiner Eröffnungsansprache etwa folgendes aus: 00
.„Der Kunstverein hat sich unter meiner Lei‐
tung die Aufgabe gestellt, an möglichst markan‐
ten Beispielen zu zeigen, wie das wirklich
Wertvolle
in der Kunst ganz
unabhängig ist von der jeweili‐
gen
Richtung, zu der man den oder jenen Künstler
zählen mag. Es ist nicht gerade überflüssig, dies
immer wieder zu betonen, denn in manchen
Kreisen herrscht immer noch die Auffassung,
eine Ausstellungsleitung müsse sich zu dieser
oder jener «Richtung» bekennen und
könne darum
den anderen Richtungen «nicht gerecht» werden.
.Wir sind
weit von dieser Auffassung entfernt!
.Wir wollen allein der
Kunst eine Gasse bereiten,
wo wir sie auch finden, und wir finden in
jeder
Richtung
echte und
wahrhafte Kunst, wie wir in
jeder
Richtung auch allerlei
Scheinkunst abzulehnen ha‐
ben.
.Der Künstler, dem die heute zu eröffnende
Ausstellung gilt, wird Ihnen in schönster Weise
wieder zeigen, was wir unter
Kunst verstehen, und
daß wir durchaus nicht
nur etwa dem «Expressio‐
nismus» das Wort reden wollen, auch wenn wir in
dieser Kunstrichtung besonders
hohe und
zukunfts‐
reiche Werte im Entstehen sehen, Werte, die wir
auf jede Weise ans Licht zu ziehen suchen.
.Otto Wilhelm Merseburg*, dessen Werke Sie nun
in einer reichen Auswahl sehen werden, ist ein
Künstler, der sich längst schon seinen Namen zu
schaffen wußte, auch wenn ihn vielleicht hier erst
noch wenige kennen werden.
.Seine Bilder wurden von großen Staatsgalerien
angekauft und hängen längst in bedeutenden Pri‐
vatsammlungen.
.Sie werden das verstehen, wenn Sie nun Gele‐
genheit finden, sein Schaffen kennen zu lernen.
.Hervorgegangen ist er seinerzeit aus der Schule
Eugen Brachts, wenn auch
Bautzer und andere
* Deutscher Maler und Radierer (1874-1947)
Meister Einwirkungen auf seinen Werdegang
hinterließen.
.Heute steht er
lange schon als ein durchaus im
ei‐
genen Erdreich Wurzelnder vor Ihnen, als ein
Ma‐
ler von hohem Rang, der seine
eigene Richtung sich
selber schuf, und den man vielleicht mit
Boehle,
Thoma und
Steinhausen in manche Parallele setzen
kann. Seine ganze Kunst ist erfüllt von einer star‐
ken und hingebenden
Liebe zur Natur, ‒ insbeson‐
dere zur Natur und zu den Menschen seiner en‐
geren Thüringer Heimat, ‒ und in jedem seiner
Werke spricht sich eine ungemein
reiche,
tief emp‐
findende Seele aus.
.Sie werden diesem Künstler ohne weiteres zu
folgen vermögen, auch ohne jede weitere «Erklä‐
rung» seiner Werke. Ich bitte Sie aber, besonders
auf die großen Bilder an der Stirnwand des Saales
achten zu wollen. Diese Bilder tragen Ewigkeits‐
charakter und bilden gleichsam die Stimmgabel
zur ganzen Ausstellung, in der dieser «Ewigkeits‐
charakter» oft auch noch im kleinsten Blättchen
vielfach wiederkehrt.
.Daß Merseburg auch als Portraitist eine nicht
unbedeutende Stellung einnimmt, möchte ich
nur noch nebenbei erwähnen, und Sie werden ja
selbst Gelegenheit finden, sich jetzt auch in dieser
Hinsicht ein Urteil zu bilden.
.Ich danke auch an dieser Stelle dem Künstler,
daß er keine Mühe, keine Kosten und keine son‐
stigen Schwierigkeiten scheute, um uns diese
reichhaltige Kunstschau zu ermöglichen, und ich
hoffe, daß seine Kunst hier in Görlitz viele neue
Freunde und Verehrer finden wird.”
WENN ich mir die Frage vorlege, wie dieser
große Altmeister deutscher Kunst an sei‐
nem Ehrentage am besten zu erfreuen wäre, dann
glaube ich, es könnte ihm nichts lieber sein, als
wenn ihm eine Schar Kinder, ungeputzt, wie sie
gerade vom Spielen kommen, Buben und Mädel,
schlicht und recht, wie es Kinder eben können,
vor seinem Fenster einfache deutsche Volkslieder
singen würde.
.Wie deutsche Volkslieder, sind ja auch alle
seine Bilder nur entstanden aus der naiven
Freude an der lieben, schönen Gotteswelt, an
Busch, Bach und Baum, an Wiese und Wald, und
an den guten, einfachen Menschen, die das
Volkslied kennt.
.Auch wenn er seine Gestalten aus Mythe und
Sage nimmt, oder wenn sie seiner schauenden
Phantasie entstammen, gibt er sie so, wie nur un‐
verdorbenes, reines und einfachstes Empfinden
sie sich vorzustellen vermag.
.Ein unübersehbarer Schatz ist es, den er in den
achtzig Jahren seines Lebens ‒ oder doch min‐
destens sechzig davon ‒ seinem Volke geschenkt
hat.
.Wohl sah er in dieser so langen Zeit gar manche
bedeutende künstlerische Erscheinung in deut‐
schen Landen neben sich wirken, allein, wenn es
gelten soll,
den Künstler unseres Zeitalters zu nen‐
nen, der am reinsten deutsches Empfinden, deut‐
sche Poesie im besten Sinne, als Maler zum Aus‐
druck brachte, der alle Naturempfindung, die in
unseren Sagen, Märchen und Liedern beschlos‐
sen ruht, seiner Zeit wieder lebendig vor Augen
führte, dann wird sich kein Zweifel erheben, daß
nur
sein Name allein zu nennen ist.
.Auch er ist einst in die Fremde gezogen, um
dort, wo noch lebendige Tradition das Handwerk
des Malers lehren konnte, sich sein Rüstzeug zu
holen, aber als er zurück in die Heimat kam,
wußte er bald, was er mit seinem draußen erwor‐
benen Können beginnen müsse, und streifte alles
ab, was nur Können um seiner selbst willen war,
um seinem schlichten Naturempfinden die ihm
allein gemäße Ausdrucksweise zu schaffen.
.Jahrzehntelang mußte er bitter um Anerken‐
nung ringen, und als sie ihm endlich allgemein
zuteil wurde, hatte er bereits ein halbes Jahrhun‐
dert an Lebensjahren erreicht.
.Spott und Hohn, Geringschätzung und Un‐
verstand hatte er in reichlichem Maße zu erdul‐
den, obwohl das uns heute kaum glaublich er‐
scheint, und nur eine kleine Schar begeisterter
Verehrer seiner frommen und innigen Kunst
wußte ihm zu zeigen, daß seine Bilder
Seelen fan‐
den, die sie
empfinden konnten, Menschen, die
seine damals schon in reicher Fülle vorhandenen
Meisterwerke würdig schätzten.
.Seit dieser trüben und schweren Zeit des Rin‐
gens, die eines jeden echten Künstlers Schicksal
ist, der sich von der Mode entfernt und mehr als
bloße «gefragte Marktware» zu geben unter‐
nimmt, hat ihm dann die Welt alle Ehren ge‐
bracht, die sie an einen Künstler und bedeuten‐
den Menschen nur vergeben konnte, und so
wurde in späten Jahren doch manches gesühnt,
manches ersetzt, was die Zeit seines jüngeren
Mannesalters ihm schuldig geblieben war.
.Selten hat sich deutlicher, als gerade an Hans
Thoma, gezeigt, daß das erste Bedingnis eines
großen Künstlers die eigene bedeutende
Persön‐
lichkeit ist und daß alle manuelle Virtuosität
nichts
bedeutet gegenüber dieser Grundvoraussetzung,
die schließlich auch nach dem härtesten Ringen
den Sieg verleiht.
.Man hat Thoma oft genug mangelndes maleri‐
sches Können, «Verzeichnungen» und ähnliches
vorgeworfen, aber man sehe sich nur einmal die
Jugendwerke an, die noch unter dem Einfluß der
französischen Künstler, besonders dem
Courbets,
stehen, und urteile dann, ob der Maler dieser Bil‐
der nicht mit spielender Leichtigkeit imstande ge‐
wesen wäre, durch alle nur denkbare malerische
Bravour zu glänzen.
.Daß er es vorzog, sich eine einfache, schlichte
Weise zu schaffen, bewußten Willens auf alles, was
nur entfernt nach «genialer Mache» aussah, zu
verzichten, war ein befolgtes Gebot seiner von in‐
nen heraus gefestigten, reifen und im Tiefsten
wahren Persönlichkeit.
.Wer einmal in dieses gütige, klare und so le‐
bensvolle Auge blicken durfte, wer öfters diesen
stillen Weisen aus dem Schwarzwald in den
schmiegsamen warmen Tönen seiner Heimat aus
seinem so reichen Leben erzählen hörte, wer zu
stiller Stunde in seiner Werkstatt den Reichtum all
dieser Mappen aus der Jugendzeit von seinen lie‐
ben Händen ausgebreitet sah, der kann diese
Weihestunden nie vergessen, und wüßte, auch
wenn er niemals die an schöner Menschlichkeit,
Tiefe und Herzenswärme so reichen Schriften des
Meisters gelesen hätte, wie ernst dieser Schwarz‐
wälder Bauernsohn das Wort des Meisters von
Nazareth nahm: «So ihr nicht werdet wie eines
aus diesen Kleinen, werdet ihr nicht in das Reich
der Himmel finden.» ‒
.Wer ihm, wie ich, zu danken hat, daß er die er‐
sten, tastenden Schritte in das Labyrinth der
Kunst gütig und liebevoll auf rechte Wege wies,
der weiß auch, wie dieser so unendlich schaffens‐
reiche Künstler nicht nur zu schaffen, sondern
auch recht zu beraten versteht.
.Und dieses Wissen darum, daß er andere auf
rechte Wege zu führen vermag, hat ihn wohl auch
bewogen, seine Gedanken über Zeit und Ewigkeit
den Seelen der Menschen darzulegen.
.Alle weltläufige Phrase und nichtssagende
Wortemacherei muß vor dieser ruhigen, mensch‐
lichen Größe verstummen, die das Bedeutendste
und Erhabenste in so kindlich reiner und einfa‐
cher Weise zu sagen unternimmt, daß oberflächli‐
ches Urteil nur zu leicht den köstlichen Kern in so
bescheidener Schale übersieht.
.In diesem großen Meister der Kunst steckt
gleichzeitig ein weiser
Seher voll tiefer seelischer
Erlebnisse, und wenn er nicht all seinem Schauen
Ausdruck zu geben trachtet, so hält ihn sicher nur
die Ehrfurcht vor dem Unbegreifbaren, die Sor‐
ge, Heiligstes zu profanieren, davon ab.
.Was Hans Thoma über das Leben der Seele ge‐
schrieben hat, gehört in all seiner unbekümmer‐
ten, schlichten Erzählerweise zu dem Schönsten,
Feinsten und Tiefsten, das in unserer Zeit zu
Worte ward, obwohl er selbst nicht im mindesten
den Anspruch macht, unter die «Denker» und
«Philosophen» oder die «Dichter» gezählt zu wer‐
den.
.Er liebt ‒ um seine eigenen Worte zu gebrau‐
chen ‒ sein «schönes Handwerk der Malerei» über
alles.
.Er sehnt sich nicht nach dem Ruhm eines
Schriftstellers.
.Aber alle, die das, was er geschrieben hat, gele‐
sen haben, werden ihm dankbar sein, daß er in
hohem Alter sich endlich entschließen konnte,
das niederzulegen, was er uns zu sagen hat.
.Und jetzt, an seinem achtzigsten Geburtstag,
gibt er noch gleichsam als Dank an alle, die sich
freuen, daß er dieses schöne Alter erleben durfte,
seine eigene Lebensgeschichte in Umrissen, vom
Schwarzwälder Bauernbuben und Uhrenmaler
angefangen, bis zu der Höhe, auf der er heute
weithin sichtbar für alle steht.
.An ihm können wir sehen, was
unser Bestes ist. Er
zeigt uns, daß all unsere Kraft nur
dann zu wirk‐
lich Bedeutendem führt, wenn sie von allem
Phrasenhaften sich
frei erhält, und fest verankert
ist in einer reinen und im besten Sinne gläubigen,
auf sich selbst und den Weltgrund, der sie trägt,
fest vertrauenden Seele. ‒ ‒
.Möge der Achtzigjährige, der noch heute eine
prachtvoll kernige Handschrift schreibt, die wie
ein Bild seiner eigenen Geradheit und Festigkeit
ist, und aus der keiner sein hohes Alter er‐
schließen würde, uns noch manches erhebende
Wort, noch manches seiner seelisch so tief emp‐
fundenen Bilder schenken.
Görlitz, 2.Oktober 1919.
WO immer eine moderne Ausstellungslei‐
tung, einer ernsteren und heiligeren Auf‐
fassung des Kunstschaffens folgend, mit dem al‐
ten Schlendrian aufräumte und frische, bele‐
bende Luft in ihre Säle einließ, dort erhob sich
noch stets das Zetergeschrei aller derer, die
vorher
an
gleicher Stelle reichlich Gelegenheit gefunden
hatten, mit den Erzeugnissen ihrer braven
Scheinkunst an erster Stelle zu prangen. Sie kön‐
nen es nicht begreifen, daß das nun
anders werden
soll, und fühlen sich gekränkt in ihren ‒ wie sie
meinen ‒ wohlerworbenen Rechten. Nach Grün‐
den suchend für die Unbill, die nach ihrer Ansicht
ihnen widerfährt, gelangen sie
niemals dazu, diese
Gründe
bei sich selbst zu finden, und stets sind es
natürlich nur «Intrigen», «Ungerechtigkeiten»,
«Unterdrückungssucht» und Schlimmeres, wenn
diese bösen «Modernen» ihnen die Plätze wei‐
gern, die sie früher innehatten.
.Es wird als ganz selbstverständlich betrachtet,
daß man wirklich gute,
echte Kunst, zu der jeder
wahre Kunstfreund «Wallfahrten» unternimmt,
wenn er sie irgendwo wittert, ‒ die selten ist, wie
die Perle in der Muschel, ‒ nur
deshalb ablehnen
könnte, weil sie nun einmal der gerade «moder‐
nen» Strömung nicht in den Ausdrucksformen
gleicht. ‒ Man ahnt nicht einmal, welche
Ungeheu‐
erlichkeit in einer derart stupiden Unterstellung
liegt! ‒ ‒
.Aber ein altes Sprichwort sagt: «Es sucht keiner
den andern hinterm Ofen, der nicht selbst einmal
dahinter war!» ‒ Die Herrschaften belieben ihre
eigene Haltung einer Kunstart gegenüber, zu der
sie keinen Zugang haben, weil sie
wirklich aus den
Tiefen aller Kunstgestaltung schöpft, die ihnen
nie erreichbar waren, auch auf
andere Menschen zu
übertragen, denn es ist ihnen schier unfaßbar,
daß diese «Modernen» nicht in gleicher Weise wie
sie selbst das ihnen Fernere
verdächtigen sollten...
.Man
kann oder
will es nicht begreifen, daß einer
guten und ihres Urteils sicheren Ausstellungslei‐
tung ganz und gar nichts daran liegt, aus welcher
«Schule» die Künstler kommen, die sie werten
soll, oder welcher «Richtung» sie vielleicht zuge‐
zählt werden könnten. ‒ Man ist des felsenfesten
Glaubens, daß die Parteilichkeit, die man
in sich
selber fühlt, auch
anderen befehlen müsse, und hat
keine Vorstellung davon, wie
absolut sicher reagie‐
rend sich der Blick für
Echtheit,
Wert und
wirkliche
Ursprünglichkeit entwickeln läßt, und wie er
jede
leise Spur davon entdeckt, wenn sie sich unter ir‐
gendeiner noch so sonderlichen oder alten Hülle
‒ wirklich
findet. ‒
.Bringt doch einmal Werke zu so einer Ausstel‐
lung, die durch die Auswahl eines dieser bösen
«Modernen» ihre Gestalt gewinnt, ‒ Werke, die
auch nur in noch so bescheidener Weise
irgend‐
etwas von jenen Werten zeigen, die noch im letz‐
ten und unbekanntesten Bildchen schlummern,
das irgendein unbedeutender Schüler eines der
alten holländischen Kleinmaler schuf! ‒ ‒
.Bringt einmal Stilleben und Landschaften, die
auch nur
ein Weniges von jener tiefen
Liebe, von
jenem echten
Kunstgefühl in sich tragen, die
auch noch den geringsten Enkelschüler der
alten Großmeister dieser Kunstgebiete auszeich‐
nen! ‒
.Ihr würdet eure blauen Wunder erleben und
euch vielleicht doch beschämt bekennen müssen,
daß der Maßstab, nach dem die «Modernen» mes‐
sen, euch offenbar allzufremd ist, als daß ihr ihn
verstehen könntet! ‒ ‒ ‒ Freilich, für das, was in
euren Werken
euch so wertvoll scheint, hat seine
Skala
keine Eintragung. ‒ Aber deshalb soll man
nicht etwa glauben, daß er nur nach «Geschmack»
und «Mode» messe. ‒ ‒ ‒
.Sobald ein Künstler Ausdrucksformen findet,
die nur
ihm und
seiner Zeit gehören, sollte er nach
der Ansicht dieser armen «Unterdrückten» sofort
unterdrückt werden, damit nur ja
sie selbst ihre
Plätze nicht verlieren...
.Es ist aber ein Gebot der
Pflicht und der
Billig‐
keit, gerade
solchen Künstlern, die
nicht auf den er‐
sten Blick dem großen Publikum verständlich
sind, die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räu‐
men, ganz abgesehen davon, daß eine
neue For‐
mensprache doch nicht die Begründung zur
Ableh‐
nung geben darf, sobald es sich um wirklich
erlebte,
aus ernstem
Müssen geborene
Kunst handelt. ‒
Was man in jenen Kreisen, die noch immer glau‐
ben, die seichte und innerlich hohle Kunstauffas‐
sung am Leben erhalten zu können, in der sie nun
einmal aufgewachsen sind, der neueren Kunst‐
beurteilung zum Vorwurf macht, das ist gerade
das
Gegenteil von «Ungerechtigkeit». ‒
.Es ist die durch keine Vettermichelei zu beir‐
rende, unerbittliche Auswahl des
Echten,
Ur‐
sprünglichen aus der Menge des
Nachempfundenen
und gemächlich
aus zweiter Hand Bezogenen, ganz
einerlei, ob
älteste oder
allerneueste Formen und
Farbensprache dem
innersten Müssen Ausdruck
gibt, oder nur
äußerlich eitles Machwerk, mag es
auch dem ungeübten Laienauge noch so «schön»
erscheinen, zutage fördert.
.Die Zeiten sind viel zu ernst geworden, als daß
sie jener innerlich leeren Samtjackenkunst noch
Raum bieten könnten, die früher ihre Triumphe
feierte. Nur was uns
wirkliche,
dauernde Lebenswerte
aus der Seele Tiefen schürft, hat heute noch seine
Berechtigung und wird sie
behalten, solange es
Kunst und Künstler gibt. ‒ ‒ ‒
SEIT Jahren bringt das Kino seine Schauer‐
dramen, seine verlogenen Detektivgeschich‐
ten und unmöglichen Sensationsfilme, ohne daß
irgendein Mensch Einspruch erhoben hätte, bis
in die jüngste Zeit. Nun allerdings dämmert es all‐
mählich, und es finden sich, ganz abgesehen von
den verschiedentlichen Demonstrationen der Ju‐
gend, die wohl nicht gerade zweckmäßig sein
dürften, immer mehr gewichtige Stimmen im
Kampf gegen den «Kinoschund».
.Einsichtige sahen zwar längst, welche Seuche
sich da in unsern Volkskörper fraß, aber ihr Un‐
wille gedieh nicht zu lautem Einspruch, und
wenn je einer es wagte, das Kind beim Namen zu
nennen, fanden seine Worte wenig Widerhall.
.Auch heute darf man sich nicht dem frommen
Glauben hingeben, man hätte die Mehrzahl der
ernst zu nehmenden Menschen hinter sich, wenn
man auf die Schädlichkeit der Kinodarbietungen
hinweist. In weiten Kreisen, von denen man an‐
nehmen
sollte, daß die psychologische Bedenk‐
lichkeit der Kinodramen für sie durchschaubar
sei, begegnet man einer unbegreiflichen Laxheit
des Urteils. Man glaubt, weil man
selbst imstande
ist, ohne seelischen Schaden die albernsten Ab‐
surditäten des Flimmerbildes an sich vorüberzie‐
hen zu sehen, es handle sich im Grunde doch nur
um eine «recht harmlose Sache», denn man kann,
oder mag sich nicht in den Seelenzustand der Ju‐
gendlichen oder des nur bedingt urteilsfähigen
Volkes versetzen, um so die vergiftende Wirkung
der allermeisten Filmspiele zu erkennen. Ich
denke dabei durchaus nicht etwa nur an Darstel‐
lungen, deren ganze Absicht es ist,
die Sinne auf‐
zureizen, auch wenn
keinerlei Nacktheit, keinerlei
im Sinne der Zensur «unsittliche» Situationen ge‐
zeigt werden, obwohl ich auch wieder in keiner
Weise denen beipflichten kann, die das gröbste
Erregen der Sinnlichkeit beinahe als Kulturzweck
feiern, denn ich bin der Ansicht, daß die sinnli‐
chen Triebe im Menschen von Natur aus
stark ge‐
nug wirksam sind, und bei gesunden Menschen,
am wenigsten bei Jugendlichen, der besonderen
Aufpeitschung gewiß nicht bedürfen. ‒ ‒
.Jedenfalls nimmt das Kino in dieser Beziehung
keine Ausnahmestellung ein, denn was die
plumpe Absicht,
sinnlichen Kitzel zu erregen be‐
trifft, so leistet da so manche «Industrie» minde‐
stens Ebenbürtiges, von der Postkarte angefan‐
gen bis zum literarisch tuenden Roman und dem
auf die Börse der Theaterbesucher wie ein
Strauchdieb spekulierenden Schauspielkitsch.
.Viel schlimmer erscheint mir die verheerende
Wirkung der Kinodramen zu sein, durch die
Ver‐
logenheit der Darstellungen und ihres Milieus. ‒
.Die Filmindustrie, die letzten Endes für alle
Schäden allein verantwortlich ist, denn der Kino‐
besitzer nimmt, was sie ihm bietet, weil er ja nichts
anderes bekommen kann, tut sich nicht wenig
darauf zugute,
so realistisch wie möglich zu arbei‐
ten. Aber man sehe sich diesen «Realismus» ein‐
mal etwas genauer an!
.Wo in aller Welt gibt es soviel Tagediebe wie im
Kinodrama? Wo in aller Welt leben Menschen der
Arbeit, Gelehrte, Erfinder, Kaufleute, Künstler, in
der Art und Weise, wie das Kino ihr Leben zu zei‐
gen vorgibt? ‒ Wo in aller Welt können sich nor‐
mal begüterte Menschen den Luxus des Milieus
leisten, der in diesen Kinodramen immer wieder‐
kehrt? ‒
.Die protzig überladene Wohnung eines Schie‐
bers in Berlin WW, mag er nun seinen Reichtum
vor, im, oder nach dem Krieg «gemacht» haben,
ist doch gewiß nicht der Typus der Wohnung ei‐
nes jeden Begüterten! ‒ Und ebensowenig pfle‐
gen sich Männer und Frauen anständiger, besit‐
zender Kreise in der Art zu kleiden, wie es die
männliche und weibliche Lebewelt der großstäd‐
tischen Nachtlokale liebt, die sich das auf anderer
Leute Kosten leisten kann.
.Was soll der einfache Mann aus dem Volke, der
ohnehin schon mit bitteren Gefühlen von einem
Leben der «Reichen» träumt, wie es höchstens in
seltenen Auswüchsen einmal bei einem Geldprot‐
zen, der aus der Hefe einer Großstadt aufstieg,
zur Wirklichkeit wird, ‒ was soll der Jugendliche,
der aus ärmlichen Verhältnissen kommt, bei sol‐
chen Schilderungen aufnehmen, wenn nicht Haß
und Wut auf alle diese reichen Müßiggänger,
oder, im besten Fall, eine völlig überspannte Vor‐
stellung von dem Leben begüterter Kreise und
angesehener Berufe, und eine ebenso über‐
spannte Sucht, es ihnen nach Möglichkeit bald
gleichtun zu können ?! ‒ ‒ ‒
.Hier steckt meines Erachtens die
allerübelste
Wirkung der Kinodramen, übler noch als die Ge‐
schmacksverbildung in literarischem Sinn, und
übler als alle kitschige Erotik. ‒
.Die Wirkung ist um so verderblicher, weil ja das
Kino
wirkliches Leben vortäuschen will und von
dem naiven Beschauer auch ohne weiteres als
ge‐
naue Darstellung des Lebens, wie es wirklich seiner
Meinung nach
ist, genommen wird. Alles spielt ja
in natürlicher Umgebung. Das Leben der Straße
spielt mit, wie es sich gerade trifft, wirkliche Gär‐
ten und Parks, wirkliche Häuser und wirkliche
freie Luft bilden den Hintergrund der Szenen.
Unwillkürlich wird auch die «Wirklichkeit» der
Innenräume, die nicht wie beim Theater, Kulisse
sind, den Eindruck verstärken, man habe es mit
wirklichen Begebnissen zu tun. ‒
.Dazu kommt noch, daß doch die meisten Kino‐
schauspieler und Schauspielerinnen als solche
mehr oder weniger «Talmi» sind, von Ausnahmen
abgesehen, wo sich eine wirkliche Bühnengröße
des Geldverdienstes wegen für das Kino hergibt.
Die allermeisten dieser Akteure stammen gewiß
nicht aus vornehmen Häusern, kennen das Le‐
ben des
wirklichen Aristokraten gewiß nicht aus ei‐
gener Anschauung, und so geben sie in ihrer
Rolle eben, was sie geben
können: ‒
Talmi und
Kitsch. ‒
.Von der Verlogenheit historischer Milieus oder
ethnographischer Schauplätze und ihrer agieren‐
den Charaktere sei hier nur nebenbei noch die
Rede. Auch hier wird alles, was wirklich beleh‐
rend und wertvoll sein
könnte, durch eine unsäg‐
lich alberne Aufmachung verdorben, und der oh‐
nehin schon allem Kitsch wohlgeneigte Ge‐
schmack der Menge in geradezu raffinierter
Weise noch
unter sein ursprüngliches Niveau her‐
abgedrückt. Das gleiche gilt von den, aller Le‐
benswirklichkeit hohnsprechenden, so sehr be‐
liebten Detektivgeschichten, die noch außerdem
oft geradezu wie «Lehrkurse für Verbrecher und
solche, die es werden wollen», wirken. Es wäre
eine interessante Aufgabe für Kriminalisten, bei
den Verbrechen Jugendlicher, oder sonst Unbe‐
scholtener, einmal nachzuforschen, welcher Pro‐
zentsatz da auf eine «erste Anregung» aus dem
Kino entfällt. ‒ ‒
.Man sieht, es hat gute Gründe, wenn ernste
Männer und Frauen heute mit Sorge das «Kino‐
problem» betrachten, wenn man endlich anfängt
zu sehen, welche verheerende Seuche da mitten
unter uns wütet, und nach Mitteln sucht, sie ein‐
zudämmen. ‒ ‒
.Wie ich schon bemerkte, ist es gänzlich ver‐
kehrt, den
Kinobesitzer als den Schädling anzuse‐
hen. Ein solcher Unternehmer würde mit Freu‐
den auch die kulturell
wertvollste Einrichtung mit
gleicher Liebe ausgestalten, wenn sie ihm mehr,
oder auch nur gleichen
Gewinn bringen könnte.
.Und wenn heute wirklich gute,
wirklich belehrende
Filme überhaupt in so reicher Menge
zu haben wä‐
ren wie der überreich angebotene glänzende
Schund, dann würden sich
schon heute auch Licht‐
spieltheater finden, deren Programm auch einen
leidlich geschmackvollen, und vor allem
verant‐
wortungsbewußten Menschen den Besuch nahele‐
gen könnte.
.Der Kardinalpunkt der ganzen Frage ist die
Filmbeschaffung, und da wieder nur läßt sich etwas
erreichen, wenn ein genügend starker Druck auf
die bestehenden
Filmgesellschaften ausgeübt wer‐
den kann, der ihnen die Frage überhaupt
erwä‐
genswert erscheinen läßt.
.Bis jetzt «geht» das Geschäft ja
auch so. ‒ Wes‐
halb also etwas ändern, wenn der übergroße Teil
des Publikums doch äußerst zufrieden mit dem
Gebotenen ist? ‒ Ohne eine große,
über ganz
Deutschland verbreitete Organisation wird sich
nie‐
mals die Stimmstärke entwickeln, die kraftvoll ge‐
nug ist, das Ohr dieser Finanzmagnaten aufhor‐
chen zu lassen. Konkurrenzgesellschaften zu
gründen, die «nur Gutes» bringen sollen, halte
ich für
völlig verfehlt. Die bestehenden Gesell‐
schaften arbeiten mit einem eingespielten
Riesen‐
apparat und mit
Riesenkapital. Sie
allein werden
auch weiterhin diktieren, und ihr Joch ist der
Menge süß. ‒
.Wenn schon die
Jugend, hier und an andern Or‐
ten, sich der Kinofrage annahm, so meine ich,
wäre es gar nicht so übel, wenn auch von der
Ju‐
gend die Bildung einer machtvollen deutschen
Or‐
ganisation zur Umwandlung des Kinos ausginge. ‒
Hier wäre jedenfalls ein ausgiebigerer Erfolg zu
erwarten, als er jemals von den doch recht dane‐
ben hauenden Demonstrationen in Lichtspiel‐
theatern zu erhoffen ist. ‒ An Unterstützung
würde es wahrhaftig nicht fehlen. Ist erst ein
An‐
fang gemacht, dann zweifle ich nicht mehr, daß in
ein paar Jahren auch
gute Filme in genügender
Menge hergestellt werden, «der Not gehorchend,
nicht dem eignen Trieb», was die Filmgesellschaf‐
ten anlangt.
.Mittlerweile haben hier in Görlitz zwei Männer,
deren Beruf sie in nächsten Konnex mit der Ju‐
gend führt, sehr anerkennenswerte Versuche un‐
ternommen, die
Kunst und die
Heimatliebe ins
Kino einzuführen. Als Bereicherung der
Möglich‐
keiten, die ein Lichtspieltheater bieten kann, sind
diese Versuche
sehr begrüßenswert, wenn sie auch
zur eigentlichen
Lösung der Kinofrage, die eine
Filmfrage ist, nur mittelbar beitragen. Die durch
seine Bemühungen gebotene Gelegenheit, hier
schwer zugängliche
Klingersche Radierungen im
Lichtbild sehen zu können, sichert Hrn.
Oberlehrer
Schulze, neben den hochinteressanten Ausführun‐
gen seines Vortrages, stets gut besuchte Häuser,
zumal er sich an
Erwachsene wendet, unter denen
hier immerhin eine ziemliche Anzahl Kunstinter‐
essenten zu finden ist. Weniger Verständnis zeigt
sich, wenigstens vorläufig, für die schönen Nach‐
mittagsvorträge, in denen Hr.
Zeichenlehrer Haupt
der
Jugend seinen reichen Schatz an eigenen Auf‐
nahmen aus der Heimat darbietet, und ihr,
gleichsam nebenbei, eine Fülle des Interessanten
und Belehrenden aus der Heimatgeschichte, die
er so genau kennt, übermittelt. Es wäre außeror‐
dentlich zu bedauern, wenn diese vom Geist ech‐
ter Heimatliebe und freudigen Gebenwollens ge‐
tragene Veranstaltung aus «Mangel an Interesse»
aufgegeben werden müßte. Wenn Eltern sich
selbst und ihren Kindern eine Stunde gediegenen
Genusses bereiten wollen, so können sie nichts
Besseres tun, als diese Vorträge des Hrn. Haupt
zu besuchen.
.Immerhin, so anziehend und belehrend die
Vorträge beider Herren auch sind, so sehe ich in
ihnen, obwohl zwar Hr. Haupt, der Jugend Rech‐
nung tragend, auch das
Kino mit humorvollen,
einwandfreien oder auch belehrenden
Filmnum‐
mern heranzieht, nur eine Bereicherung des im
Lichtspieltheater möglichen Programms, denn wie
die Dinge heute liegen, hat das Stehbild im «Kino»,
wie schon der Name sagt, doch nur sekundäre Be‐
deutung. Man kommt in erster Linie, um bewegtes
Leben auf der Leinwand zu sehen. Daß dieses be‐
wegte Leben eminent bedeutend, belehrend, er‐
heiternd, und in höchstem Grade interessant sein
kann, ohne verderblich zu wirken, steht außer
Frage. Aber die prächtigen Möglichkeiten des
Filmbildes, das uns alle Wunder der Märchenwelt
als Wirklichkeit schauen lassen, und die tiefste ur‐
sprüngliche Poesie vermitteln kann, werden nie‐
mals in einer andern, als der dem Berliner Nacht‐
kaffeehaus angepaßten Weise ausgenützt werden,
wenn sich nicht in ganz Deutschland eine achtung‐
gebietende Anzahl von Männern und Frauen fin‐
det (die männliche und weibliche Jugend rechne
ich hier in erster Linie dazu), die wenigstens un‐
sern deutschen Filmgesellschaften einmal mit aller
Deutlichkeit sagen, wie das deutsche Volk die an
sich so wunderbare Erfindung des beweglichen
Lichtbildes verwertet wissen will...
ES sind jetzt etwa fünfzehn Jahre her, seit ich
zum erstenmal die Hand des nun Verbliche‐
nen in der meinen halten durfte. Damals, in sei‐
ner Leipziger Villa, kam er mir, von dem er durch
Freunde gehört hatte, zuerst recht feierlich ent‐
gegen, aber das legte sich bei späteren Begegnun‐
gen, als wir uns genügend kennengelernt hatten,
ganz von selbst, so daß, wenn ich heute an Klinger
denke, nur immer das Bild eines Mannes vor mir
steht, mächtig und bedeutend schon in seiner
äußeren Erscheinung, aber nur mit Hose und Fi‐
letnetzjacke bekleidet, und darüber dieser un‐
glaublich kluge Kopf mit dem rotblonden Haar‐
schopf und dem gleichgefärbten Knebelbart. Die
Art, in der er einen so über die Brillengläser weg
anschauen konnte, war ganz unbeschreiblich fas‐
zinierend, und ich glaube gerne, daß diesem Blick
nicht jeder standzuhalten vermochte. Wie er mir
zwischen den Modellen und Vorarbeiten im Ate‐
lier und abends beim Wein erzählte, war er auch
von Natur aus sehr unzugänglich und konnte
eine gewisse «Schüchternheit», wie er es selbst
nannte, nur sehr schwer überwinden.
.So viel auch über seine Kunst geschrieben wor‐
den ist, ‒ den
Menschen Klinger fand ich bis jetzt
noch
niemals gehörig gewürdigt. Man konnte
glauben, er lebe in unserer Zeit, und entdeckte
dann plötzlich, daß man einen vornehmen Rö‐
mer, vielleicht auch einen Griechen der hellenisti‐
schen Zeit vor sich hatte, ‒ ‒ man war versucht,
ihn als einen Spätgeborenen, oder als eine Rein‐
karnation der Antike zu nehmen, und sah ebenso
überraschend stark ausgeprägt einen Menschen
vor sich, der gesättigt war mit allen Werten mo‐
derner Kultur... Musikalisch bis in die Finger‐
spitzen, belesen wie ein moderner Literatur- und
Theaterkritiker, völlig vertraut mit dem Leben
der großen Welt, und dabei so unendlich kindlich
einfach in mancher Urteilsbildung, daß man sich
hätte verwirren lassen können, wenn man auch
nur einen Moment vergessen hätte, was alles die‐
ser mächtige und doch so kompliziert gebildete
Schädel barg. Man hat Klinger oft genug ein
Übermaß an Intelligenz vorgeworfen, einer Intel‐
ligenz, die angeblich seiner Kunst im Wege stehen
sollte, aber wer ihn jemals so kennen lernen
durfte, wie es mir vergönnt war, der wird mir
gerne bestätigen, daß in diesem modernen
Pan
auch eine Gefühlstiefe wurzelte, wie sie, selbst un‐
ter den hervorragendsten Meistern der Kunst ‒
sehr selten ist. Ich glaube, daß man wirklich bis
zu den Gestalten der Antike, bis zu griechischen
Vasenmalern, oder mindestens zu den hervor‐
ragendsten Persönlichkeiten der italienischen
Renaissance zurückgreifen muß, wenn man
irgendwo in einem Menschen diese kraftstrot‐
zende und doch so hochkultivierte Sinnlichkeit
wiederfinden will, die eigentlich Klingers künst‐
lerisches Fundament war. Ihm war das ganze Er‐
dendasein Ausdruck
göttlicher Sinnenfreude, und er
glaubte an seine sinnlich-frohen «Heidengötter»,
wie Schwind an seine Gnomen und Elfen glaubte,
mit der ganzen Inbrunst eines Herzens, dem es
Selbstverständlichkeit ist, daß «die Sonne Homers»
auch
unserem Geschlechte scheint, wenn es ‒ ihrer
würdig ist, wie
er es war. ‒ ‒ ‒
.Die neuere Kunstentwicklung hat anscheinend
Klinger überholt, aber niemand begrüßte das so,
wie Klinger selbst. ‒ Er
wollte keine «Schule ma‐
chen». Er wußte viel zu genau, daß er ein
Einzigar‐
tiger war, dem keiner ohne Gefahr nachfolgen
durfte. Nichts brachte ihn, nach eigenem Geständ‐
nis, mehr zur Verstimmung, als wenn er sah, daß
irgendein junger Künstler auf seinen Fuß-Spu‐
ren zur Kunst zu gelangen suchte. Wie groß aber
war seine Freude, wenn er irgendwo einen fand,
der neue Wege suchte. Nur seine übergroße
Ängstlichkeit vor jeder Zeitungsnotiz konnte ihn
dann davon abhalten, für einen Neuerer öffent‐
lich einzutreten. Ich selbst hatte ihm seinerzeit
Arbeiten gezeigt, zum Teil symbolischen und spä‐
ter rein farbensymbolischen* Inhaltes, die man
heute wohl zum «Expressionismus» rechnen
würde, und ich werde niemals vergessen, wie er
mir mal bis zum Gartentor nachlief, um mir noch‐
mals einzuschärfen, ich möchte mich doch ja
durch Ablehnung nicht «decouragieren» lassen.
Daß ich dennoch nur mit zwei Mappenwerken
rein symbolistischen Inhalts damals in die Öffent‐
lichkeit zu treten wagte und mit meinen farben‐
symbolischen Werken mich nicht bemerkbar
machte, hat er mir, wie ich bei meinem letzten Be‐
such sah, beinahe als Charakterfehler angerech‐
net, obwohl ich ihm damals wenigstens die
Photo‐
graphien meiner griechischen Bilder zeigen
konnte, die ihn, den begeisterten Freund Grie‐
chenlands und seiner antiken Überreste, gerade
deshalb am meisten erfreuten, weil er auf keinem
der Bilder Anklänge an die
heutige Zeit entdeckte. ‒
* Die «farbensymbolischen Werke» bzw. «farbig-abstrak‐ 00
ten Gebilde» wurden später von Bô Yin Râ als «geistliche 00
Bilder» bezeichnet.
.Immer und immer wieder aber kam er auf die
früheren farbensymbolischen Arbeiten zurück
und bedauerte, daß ich den Mut nicht fand, sie
der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich war mir jedoch
nur viel zu klar darüber, daß eben nur Klinger, mit
seinem unglaublich ausgebildeten Musikempfin‐
den, dazu imstande war, das zu erfühlen, was ich
da in Farben-Rhythmen für mich selbst auszuspre‐
chen unternommen hatte, aber ich bedauere tief,
daß ich ihm die letzte Freude nicht mehr bereiten
konnte, ihm zu sagen und zu zeigen, wie der
Drang zu farbig-abstrakten Gebilden mich wieder
erfaßte, und wie er schließlich, nachdem das Er‐
lebnis «Griechenland» Gestalt gewonnen hatte, zu
neuen Resultaten führte. ‒ Immer wieder klagte
er mir, daß man ihn nicht in Ruhe ließe, und wie
Unzählige, meist seiner Ansicht nach völlig Un‐
berufene, von ihm «ein Urteil» haben wollten, be‐
sonders Graphiker. Hier war es nun seine Schwä‐
che, daß er es niemals fertig brachte, rücksichtslos
seine Meinung zu sagen... Für jeden, mochte er
auch noch so unbedeutend sein, hatte er ein lie‐
benswürdiges Wort, auch wenn er nachher dort,
wo er sich geben durfte, wie er war, kopfschüt‐
telnd seine sarkastischen Bemerkungen machte
über die «unglaubliche Borniertheit» der Kerle,
die da «die schönen Kupferplatten zuschanden»
arbeiteten. ‒
.Über sein
eigenes Werk, seine Radierungs‐
Zyklen, seine Plastik und seine Malerei auch nur
ein Wort zu verlieren, hieße «Eulen nach Athen
tragen». (Obwohl ich in dem heutigen Athen
recht wenig Eulenrufe hörte!) Er war ein durch‐
aus Einziger und Unnachahmlicher, eine der
ganz
großen Persönlichkeiten, die man nur würdigen
kann, wenn man das Glück hatte, ihnen persön‐
lich nahekommen zu dürfen, die aber erst von der
Nachwelt ihre feste und unverrückbare Stellung
im Pantheon der Großen eines Volkes erhalten. ‒
.Erschütternd wirkt sein Scheiden doppelt in
diesen schicksalsschweren Tagen, und dennoch
hatte ich niemals bei ihm das Gefühl, daß dieses
starke Leben einst zu einem Patriarchenalter füh‐
ren könne. Der ganze Mensch wirkte wie ein
Fragment einer überweltlichen Architektur, und
als ein solcher sollte er wohl auch seiner Nachwelt
erkennbar werden. ‒ ‒ Was
Rodin für
Frankreich
war, und dennoch zugleich
für die ganze Welt, ‒ das
war
Max Klinger für
uns, und vielleicht ‒ ‒ auch für
einen gar nicht so unbeträchtlichen Teil der
außer‐
deutschen Welt. ‒
KÜRZLICH war in einer Zeitungsnotiz zu le‐
sen, daß
Edison sich mit der Konstruktion ei‐
nes hochsensiblen Apparats befasse, der es den
Seelen Abgeschiedener, falls sie die von überzeu‐
gungstreuen Spiritisten angenommene Sehn‐
sucht verspürten, mit den auf Erden Zurückge‐
bliebenen zu verkehren, sehr wesentlich erleich‐
tern solle, sich bemerkbar zu machen.
.Gleichzeitig hofft Edison, wie er angeblich ei‐
nen amerikanischen Reporter wissen ließ, durch
seinen Apparat endgültig festzustellen, ob der Zu‐
stand der Menschengeister nach dem Tode des
Körpers überhaupt zu einer solchen Kommuni‐
kation
fähig, oder ob alle mit Hilfe von Medien er‐
haltenen Botschaften nur eitle Flunkerei seien.
Jedenfalls traut er, nach dem Bericht, den Medien
nicht viel Gutes zu.
.Es ist ebensowohl denkbar, daß diese Notiz als
fette Ente über den Ozean geflogen kam, wie es
auch durchaus zu verstehen wäre, daß ein bedeu‐
tender Erfinder das Problem des Verkehrs mit
den Jenseitigen auf seine Weise zu lösen versu‐
chen würde. Eine andere Frage aber ist es, ob je‐
mals
durch Apparate die Existenz jenseitiger Intel‐
ligenzen (die trotz ihrer eigenen Behauptungen
durchaus keine verstorbenen Menschen zu sein
brauchen) überhaupt nachgewiesen werden
kann.
.An Apparaten, die den Jenseitigen die Arbeit
erleichtern sollten, hat es bis jetzt durchaus nicht
gefehlt, und es gibt sogar einen Apparat, der an‐
geblich die Medien überflüssig macht (das
Arnold‐
sche Skriptoskop) und mit den minimalen Kräften
medialer Art rechnet, die in jedem Menschen
schlummern. Aber alle diese Apparate brauchen
dennoch die Mitwirkung der im sichtbaren Kör‐
per lebenden Menschen. Immer ist die
Berührung
des Apparates gebotene Bedingung, soll er über‐
haupt in Bewegung geraten. Ich nehme an, daß
Edison, falls die Notiz auf Wahrheit beruht, an der
Konstruktion eines Apparats arbeitet, der diese
Fehlerquelle
ausscheiden will, und
ohne jegliche
Berührung von seiten der Experimentatoren, le‐
diglich durch Kraftanwendung, die von
unsicht‐
baren Agenten ausgeht, deren Dasein erweisen
soll.
.Der Nachricht zufolge erwartet Edison eine
«furchtbare Sensation», falls sein Apparat Erfolg
haben sollte. ‒ ‒
.Nun mag ja gewiß zugegeben werden, daß es
völligen Außenseitern vielleicht sehr imponieren
würde, wenn sie unter dem neuen Apparat plötz‐
lich in sauberer Schreibmaschinenschrift eine
Mitteilung aus dem Jenseits vorfänden, ohne daß
eine Möglichkeit der Mitwirkung sichtbarer Men‐
schen dabei in Betracht kommen könnte. Neu
wäre aber dabei allein die
Form des Experiments,
denn die Geschichte des Spiritismus kennt längst
weit eindrucksvollere Geschehnisse, die sich nicht
nur
ohne Berührung irgendeines Apparats, son‐
dern völlig
ohne besonderen Apparat ereigneten
und mehr als hinlänglich beglaubigt sind. Immer
aber ist die Nähe eines seiner medianimen Bega‐
bung bewußten oder nicht bewußten «Mediums»,
also eines Menschen von abnormer psycho-physi‐
scher Beschaffenheit, Vorausbedingung solcher
Geschehnisse. Was dagegen bei der Beschäfti‐
gung mit Apparaten, die angeblich
keines Medi‐
ums bedürfen, herauskommt, ist so wenig über‐
zeugend, läßt sich so leicht auf unbewußte Bewe‐
gung kleinster Muskeln der den Apparat Bedie‐
nenden zurückführen, daß nur völlige Kritiklo‐
sigkeit hier den Beweis für ein
jenseitiges Eingrei‐
fen erblicken kann, selbst wenn der Inhalt der auf
solche Weise erhaltenen Mitteilungen scheinbar
zwingend auf jenseitige Urheber schließen lassen
mag.
.Wird nun Edisons Apparat die Mitwirkung ei‐
nes menschlichen Mediums
tatsächlich völlig ent‐
behrlich machen? Wird man, von einem Ausflug
zurückkehrend, plötzlich vor der Tatsache ste‐
hen, daß im sicher verschlossenen Zimmer, in
dem der Apparat stand, eine «Mitteilung aus dem
Jenseits» zustande kam? ‒ Ich glaube kaum, und
mein Zweifel gründet sich dabei denn doch auf ei‐
nigermaßen erprobte Untersuchung der in Be‐
tracht kommenden Faktoren.
.Aber nehmen wir ruhig einmal an, es gelänge
Edison, das «Medium» völlig zu eliminieren und
auf diese Weise völlig einwandfreie Botschaften
aus dem Unsichtbaren zu erhalten. Was wäre da‐
bei gewonnen? ‒ ‒
.Erhalten nicht unsere Telefunkenstationen tag‐
täglich unzählige solcher Botschaften? Allerdings
kennt man da den Absender und weiß, daß es ein
in der Sichtbarkeit lebender Mensch ist. Bei dem
Edisonschen Apparat würde man nun bestenfalls
vielleicht Botschaften erhalten, wie sie der Spiri‐
tismus allerdings längst schon kennt, Botschaften,
deren Urheber sich als der Geist Goethes, Napo‐
leons, als «Erzengel Gabriel» oder gar als «Gott‐
Vater» ausgeben würde. Man wäre nach wie vor
auf die
Glaubwürdigkeit der sich manifestierenden
Intelligenz angewiesen, und daß es mit dieser
Glaubwürdigkeit dann doch eine recht eigenar‐
tige Bewandtnis hat, das werden selbst unter den
Spiritisten nur jene nicht zugeben wollen, die in
der Offenbarung ihrer «Geister» ein unantast‐
bares Evangelium sehen. Wir würden also nur
zum tausendstenmal die längst erwiesene Tatsa‐
che feststellen können, die auch der Physiker
Crookes nach unzähligen Experimenten (zum Teil
ausgeführt unter Zuhilfenahme der empfindlich‐
sten elektrischen Kontrollapparate) feststellte,
daß es unzweifelhaft unsichtbare
Intelligenzen gibt,
die sich physikalisch manifestieren
können, daß sie
sich selbst alle möglichen Namen beilegen, daß
aber jeder zwingende Beweis fehlt, der sie als
überlebende geistige Individualitäten «gestorbe‐
ner» Erdenmenschen dartun würde. ‒ Es ist und
bleibt reine Glaubenssache, ob man sie als solche
ansehen mag oder nicht. ‒ ‒
.Wie aber wäre es, wenn man die Hypothese,
daß man es, ihren eigenen Angaben nach, hier
mit «Geistern Verstorbener» zu tun habe, einmal
gänzlich fallen lassen wollte, besonders, da die post‐
humen Äußerungen dieser vermeintlichen Gei‐
ster doch in den weitaus meisten Fällen sehr
merkwürdige Kontraste mit ihrer Geistigkeit bil‐
den, die sie im Körper der Erde dokumentierten
und die nur durch einen schreckenerregenden
Rückschritt zu erklären wären? ‒ (Selbst «Gott‐
Vater» und der «Erzengel Gabriel» bringen es
über triviale Salbadereien nicht hinaus!)
.Wie wäre es, wenn wir es hier mit einer Wesens‐
reihe zu tun hätten, die zwar unseren Sinnen
nicht faßbar ist, aber dennoch einen Bestandteil
dieser physischen Welt bildet? ‒ Haben wir wirklich
schon alles entdeckt, was auf dieser Erde an Irdi‐
schem und dennoch Unsichtbarem zu entdecken
ist? ‒ Ich spreche diese Frage gewiß nicht leicht‐
fertig aus und glaube meine Gründe zu haben, sie
aufzuwerfen.
.Die Frage, ob es überhaupt
absolut einwandfreie
Manifestationen «spiritistischer» Art gibt, bejahe
ich auf Grund unanfechtbarer eigener Erfahrung
durchaus, und diese Frage kann auch heute nur
noch von Menschen gestellt werden, denen ent‐
weder das ganze in Rede stehende Gebiet durch‐
aus fremd ist, oder von solchen, die niemals Gele‐
genheit fanden, jeder nur möglichen Kontrolle
zugängliche, keinerlei Täuschungsmöglichkeit
mehr unterworfene Manifestationen aus unsicht‐
barer Quelle zu erleben. Auch denen könnten die
Erfahrungen von Männern wie
Crookes,
Lombroso,
Schiaparelli,
Zöllner,
Richet,
Rochas,
Baraduc und
von vielen anderen doch zu denken geben... Mit
Schopenhauer möchte ich sagen: «Wer diese Tatsa‐
che
leugnet, ist nicht
ungläubig, sondern
unwissend
zu nennen.» ‒
.Ich will auch durchaus nicht in Abrede stellen,
daß diese Manifestationen sehr oft den Glauben
nahelegen können, man habe es mit Äußerungen
Abgeschiedener zu tun, ja daß es selbst
möglich
sein könne, daß
gelegentlich eine menschliche En‐
telechie, sei sie nun noch an irdische Körperlich‐
keit gebunden oder nicht, als «spiritus rector» sich
solcher Manifestationen
bediene. Trotz alledem
aber glaube ich allen Grund zu haben, die eigent‐
lichen
Urheber aller
spiritistischen Manifestationen,
also aller Vorkommnisse, zu deren Erklärung die
animistische Erklärungsweise nicht ausreicht (die
also nicht durch eigene Seelenkräfte erklärbar
sind), als Wesen einer uns unbekannten,
in der
physischen Welt lebenden, unsichtbaren Wesensreihe
ansprechen zu dürfen, und meine, allerdings aus
gewissen Gründen nur mir persönlich zugängli‐
chen Beweise würden auch selbst durch die stau‐
nenerregendsten Erfolge des Edisonschen Appa‐
rates nicht im mindesten zu erschüttern sein.
.Der Beweis vom Fortleben des Menschengeistes
nach dem Tode ist hier nie und nimmer zu finden
trotz der enormen Ausbreitung der spiritistischen
Glaubenssätze, trotz der über 30000 Bände um‐
fassenden spiritistischen Literatur. Wer diesen Be‐
weis nicht in einer für ihn selbst zwingenden Art in
sich selbst zu finden vermag, der wird ihn in der Welt
der äußeren Sinne vergeblich suchen und im be‐
sten Falle nur der Täuschungslust tief unter ihm
stehender Wesen erliegen, die ihn nur gläubig
finden, weil er nicht imstande ist, sie zu sehen. ‒
Was er gelegentlich, bei den doch immerhin rela‐
tiv seltenen echten «Materialisationen» angeblich
Gestorbener zu sehen bekommt, sind, trotz aller
Ähnlichkeit niemals jene Gestorbenen, sondern
gleichsam galvanisierte astrale Larven, wie sie
jede irdische Erscheinung in der Aura dieses
Weltkörpers zurückläßt, erborgte Masken, deren
sich jene, mir mehr als wünschenswert bekannten
unsichtbaren Wesen bedienen, um ihre Rufer er‐
folgreich zu äffen. ‒ («Materialisationsphäno‐
mene», wie sie Schrenk-Notzing zu untersuchen
Gelegenheit fand, tragen ihren Namen zu Un‐
recht und sind durchaus auf animistischer Basis, als
abnorme psycho-physische Erscheinungen, aber
niemals als echte Materialisationen, wie sie z.B.
Crookes erlebte, anzusprechen.) Es wäre sehr zu
bedauern, wenn etwa durch Edisons Erfindung
eine neue Verwirrung der Geister ‒ aber der in
Gehirnen tätigen ‒ Platz greifen würde; denn die
Enttäuschung wäre zum Schlusse unvermeidbar,
und für viele würde sie nur ein Zurücksinken in
flachste materialistische Denkungsart, ein Verfal‐
len in trostlosen Zynismus bedeuten. Wen Natur
nicht selbst dazu befähigt hat, dem sinnlich Uner‐
forschlichen auf übersinnliche Art zu nahen, der
bleibe ferne einer Region, die zu seinem eigenen
Besten vor seinen Augen verborgen bleibt, und er
«begehre nimmer zu schauen», was die Götter
«gnädig verhüllten mit Nacht und Grauen!» ‒ ‒
FRAU
Helena Petrowna Blavatski gründete im
Jahre 1875 zu New York die «Theosophical
Society». Die Beziehung auf das Wort «Theoso‐
phie» erschien in diesem Titel, nachdem eine vor‐
angegangene Gründung, der «Miracle Club»,
nicht den erhofften Anklang gefunden hatte, und
stammt von dem, später durch seinen «buddhisti‐
schen Katechismus» bekannt gewordenen Ameri‐
kaner
Olcott, der auch der erste Präsident der Ge‐
sellschaft wurde.
.Seit ihrem zwölften Jahre hatte sich Frau
Bla‐
vatski, geb. von Hahn-Hahn, als spiritistisches Me‐
dium betätigt. Im Jahre 1871 noch gründete sie in
Kairo die «Société spirite», und noch kurz vor der
Umwandlung des «Miracle Club» in eine «Theoso‐
phische» Gesellschaft, wußte sie durchaus nichts
von indischen oder tibetanischen «Mahâtmas»,
sondern kannte nur ihren «Kontrollgeist» John
King. ‒
.Eine Änderung trat erst ein, als sie mit einem
Privatgelehrten
Felt in Verbindung kam, der auf
seine Weise das Studium antiker Kulte betrieb
und eine reichhaltige Bibliothek seltener okkulti‐
stischer Werke besaß.
.Hier lernte Frau
Blavatski plötzlich so manches
kennen, das bis dahin nicht in ihren Gesichtskreis
getreten war, und ihr Ehrgeiz, ihre ausgeprägte
Eitelkeit, fanden sich sehr wenig schmeichelhaft
berührt durch die Auffassung
Felts in bezug auf
den Spiritismus.
.Die Folge davon war, daß durch eine energisch
erzwungene Transfiguration aus ihrem «Kon‐
trollgeist» John King ein «Mahâtma», ein im fer‐
nen Tibet verborgen lebender «Wissender» und
Beherrscher der okkulten Kräfte der Natur, ‒ ihr
erster «Meister der Weisheit» wurde. ‒ ‒
.Alle okkulten, spiritistischen Phänomene, die
sie seit früher Jugend begleitet hatten, wurden
von ihr nun diesem «Meister» zugeschrieben.
.Aus den Aufschlüssen, die ihr bei
Felt und in
dessen Bibliothek seltener okkultistischer und
mystischer Schriften geworden waren, hatte sie
bereits die Überzeugung geschöpft, daß es ir‐
gendwie und irgendwo auf der Welt eine verbor‐
gene, keinem, außer ihren Angehörigen und de‐
ren erwählten Nachfolgern, zugängliche geistige
Gemeinschaft geben müsse, und selbstverständ‐
lich war nun
ihr «Meister», alias John King, ein
Zugehöriger dieser geistigen Gemeinschaft. ‒
.Einmal nach dieser Richtung hin auf der Suche,
gelang es ihr auch, auf Grund ihrer abnorm star‐
ken medialen Veranlagung, sowie im somnam‐
bulen Zustand, zwingende
Beweise von dem Da‐
sein einer solchen geistigen Gemeinschaft zu er‐
halten, manches sorglichst Geheimgehaltene, das
von dieser Gemeinschaft ausging, gleichsam
mit‐
anzuhören, wie etwa ein unberufener Dritter das
Gespräch zweier Telephonteilnehmer «abhören»
kann. ‒
.Nun kam die Zeit, in der sie jedem mehr oder
weniger bedenklichen Einfluß okkulter Art hem‐
mungslos unterlag, wie ich das an anderer Stelle
bereits beschrieben habe.
.Jeder solcher Einfluß wurde von ihr einem An‐
gehörigen jener geistigen Gemeinschaft zuge‐
schrieben, die sie in ihrer Wundersucht so völlig
verkannte und zu der sie
niemals in Beziehung tre‐
ten konnte, da ihr dazu alle Vorbedingungen völ‐
lig fehlten. ‒ Es entstand bald der zweite «Mei‐
ster», dann wurden ihrer noch mehrere aktiv,
und hiermit war die «Weiße Loge» ‒ ein Wort aus
dem Sprachschatz
Felts ‒ nach Frau
Blavatskis Mei‐
nung, hinter der ihre glühendsten
Wünsche stan‐
den, zu ihr in handgreifliche Beziehung getreten.
‒ Sie wurde die «Dienerin der Meister» ‒ und
ahnte wohl bis zu ihrem Tode nicht, daß ihre un‐
gestümen Wünsche sie erst zum Selbstbetrug ver‐
leitet hatten, um sie dann zu einer willigen Sklavin
bedenklicher okkultischer Praktiker zu machen. ‒
.Sie ahnte wohl nicht, daß sie auch in den relativ
harmlosesten Fällen nur das Opfer mystisch gerich‐
teter Schwärmer war. ‒ ‒
.Bis zu ihrem Tode spiritistisches Medium, von
seltenen und abnorm starken Phänomenen be‐
gleitet, glaubte sie sich hoch erhaben über jeden
Zusammenhang mit spiritistischen Manifestatio‐
nen und sprach sich späterhin stets in der abfällig‐
sten Weise über den «Spiritismus» aus, immer in
der nach und nach bei ihr stets fester wurzelnden
Meinung, ihr «Kontrollgeist» John King sei von
ihr nur früher verkannt worden, und sie stehe
also schon von Kindheit an unter der Leitung der
«Meister». ‒
.Diese außerordentlich merkwürdige und hoch‐
begabte Frau diente aber dennoch
indirekt der Ge‐
meinschaft des Geistes, mit der sie sich seit dem
Jahre 1875 in Verbindung glaubte...
.Durch ihr eigenes impulsives Werben, und
durch das Tam-Tam ihrer Anhänger wurde die
Aufmerksamkeit weiter Kreise erregt, und eine
dunkle Kunde aus ferner Vorzeit, nur da und
dort in orakelhaften Andeutungen noch erhalten,
erhielt wieder Sinn und Leben.
.Man erwog zum wenigsten wieder die
Möglich‐
keit, daß eine verborgene geistige Gemeinschaft
auf dieser Erde
bestehen könne, wenn auch kritik‐
fähigeren Köpfen jene spiritistischen Phäno‐
mene, durch die das Dasein einer solchen Ge‐
meinschaft «bewiesen» werden sollte, jene allzu
albernen okkulten Kunststücke: ‒ herbeigezau‐
berte Tassen und Broschen, Briefe, die in ver‐
nähte Kissen hineineskamotiert wurden, verzau‐
berte und an anderen Stellen wieder zum Vor‐
schein gebrachte Zigaretten, auf mysteriöse Weise
erhaltene Antworten auf Briefe an die «Mahât‐
mas», bei denen die Antwort im uneröffneten Ku‐
vert des Briefes zu finden war, und ähnliches
mehr ‒ ‒
recht wenig mit der doch immerhin anzu‐
nehmenden Selbstachtung einer solchen hohen
geistigen Gemeinschaft in Einklang zu stehen
schienen. ‒ ‒
.In den mächtigen Folianten, die von Frau
Bla‐
vatski medianim niedergeschrieben wurden, fand
sich, neben einem Wust absurder Annahmen,
doch auch manches, das sich mehr oder weniger
unter oder auch
über der «Schwelle ihres Bewußt‐
seins», aus der
Feltschen Bibliothek hierher geret‐
tet hatte und immerhin zu denken gab.
.Eine gigantische, aber mehr noch gigantisch‐
phantastische Kosmogonie bewirkte, neben der
Verwirrung, die sie in glaubensfreudigen Gehir‐
nen anrichtete, immerhin eine ins kosmische ver‐
breiterte Ausdehnung des Gesichtskreises bei gar
vielen, die vorher nicht die Anregung gefunden
hatten, über einen allzuengen dogmenumhegten
Umkreis hinauszublicken.
.Gewisse alte Weisheitslehren standen wieder
auf, allerdings umgeben von Gespenstern aus den
Gräbern modernden Aberglaubens aller Art, und
behängt mit den seltsamsten Draperien aus zu‐
sammengeflickten Fetzen der ausgetragenen
Priestergewänder aller Zeiten und Völker.
.Trotz allem Tiefbeklagenswerten, das aus dem
ungestümen Wirken dieser rastlos tätigen Frau
resultierte, entstand auf solche Weise
doch auch
ein erneutes Interesse in einer nahezu den Denk‐
schablonen des Materialismus verfallenen Welt,
das die Geister wieder dazu bewog, sich auf ihren
Ursprung zu besinnen.
.Es wurden Vorbedingungen geschaffen, die zu
einem Verstehen der übersinnlichen Dinge
hinlei‐
ten können, auch wenn das, was gegeben ward,
so
wie es vorliegt, eher geeignet erscheint, von ihnen
abzuleiten. ‒
.So mannigfach auch die Irrtümer sein mögen,
die gutgläubig, auf die mysteriöse Autorität der
Frau
Blavatski hin, in der Welt verbreitet wurden,
so übergab sie doch auch der heutigen Zeit eine
Fülle okkulter Begriffe, die schwerlich ohne das
Wirken dieser Frau gangbare Münze geworden
wären.
.Ich neige auch sehr zu der Ansicht, daß ein
Mensch, der bereits geschult wurde durch die
Lehren, denen er in der «Theosophischen Gesell‐
schaft» wie überhaupt im Bannkreis der «theoso‐
phischen» Geistesrichtung begegnen kann, ‒ vor‐
ausgesetzt, daß er sein gesundes Urteil nicht
durch den massenweise mit unterlaufenden
Aberglauben umnebeln ließ ‒ ‒ gar manches vor‐
aus hat, wenn er den Weg zum Geiste beschreiten
will, ‒ gegenüber jenen, die niemals von über‐
sinnlichen Dingen hörten, und denen alle Be‐
griffe fehlen, um sich Übersinnliches auch nur
verstandesmäßig faßbar zu machen.
.Wenn die von Frau
Blavatski ins Leben gerufene
Gesellschaft wirklich «Theosophia»,
Gottesweisheit,
vermitteln
will, wenn sie mehr als bisher zu einem
segenbringenden Faktor innerhalb der menschli‐
chen Geistesentfaltung werden soll, dann dürften
ihre Führer gut daran tun, völlig von der
Entste‐
hungsgeschichte der Gesellschaft
abzusehen, ‒ die
monströsen Folianten der Frau
Blavatski als «Ku‐
riosa» zu betrachten und nicht mehr als die «Bi‐
bel» der alleinseligmachenden Theosophie, ‒ alle
allzu phantastischen Auswüchse der Glaubens‐
meinungen ihrer Mitglieder zu beschneiden, ‒
und, als reinlich denkende Lichtsucher, einem
Ziele erst vorurteilsfrei
zuzustreben, das die impul‐
sive Gründerin der «Theosophischen Gesell‐
schaft» bereits
erreicht glaubte. ‒ ‒ Noch ist es dazu
nicht zu spät.
.Es würde aber eines Tages, und zwar in recht
wohl absehbarer Zeit, «zu spät»
sein, trotz der
hochtrabenden Redensarten nicht allzuseltener
Skribenten aus den Reihen der Gesellschaft, und
das voraussehbare Ende würde bedauerlich ge‐
nug sein für alle ernsthaft und ehrlich Suchen‐
den, die innerhalb der theosophischen Geistes‐
richtung die letzten Antworten auf die Fragen ih‐
rer Seele zu finden hofften. ‒
.Bramarbasierende, hochtönende Redensarten
täuschen nur über die Gefahr hinweg. ‒ ‒
.Ebensowenig hilft das Allheilmittel eines kritik‐
losen Eklektizismus, eine geisteslahme «Tole‐
ranz», die jede leidlich erträgliche, aber auch jede
noch so absurde Eigenbrötelei sonderbarer Heili‐
ger nicht nur gelten läßt, sondern in ihrer inne‐
ren, schlecht verhüllten
Unsicherheit, um keinen
Preis zu kritisieren wagt, weil die Furcht im Hin‐
tergrunde steht, just dort, wo es am tollsten ge‐
trieben wird, oder wo gar irgend ein Orientale in
das Getriebe eingreift, müsse wohl doch «etwas
Wahres» zu finden sein, und man könne sich
durch Kritik eine Blöße geben. ‒
.Das alles
muß nicht notwendigerweise so blei‐
ben.
.Vor allem aber ist eine rigoros-peinliche Sonde‐
rung des Weizens vom Unkraut vonnöten, hin‐
sichtlich der landläufigen Lehrmeinungen inner‐
halb der «Theosophischen Gesellschaft» und ihrer
Tochtergesellschaften.
Es ist nicht nötig, daß uralte, tiefe Weisheit, daß
ewig gültige kosmische Wahrheiten in «theoso‐
phischer» Darbietung als verzerrte, ‒ oft bis zur
Karikatur verzerrte ‒ Bilder erscheinen! ‒ ‒
.Eine «Textkritik» theosophischer Lehren, aus‐
geübt von Berufenen, ebenso ferne von verant‐
wortungsloser Zerstörungssucht, wie von ängst‐
licher Furcht, durch Streichung liebgewordener,
alter Meinungen Mitglieder zu verlieren, würde
gar bald das wahrhaft
Echte finden, und es aus
dem Wust des Unechten, des Abstrusen, und der
mancherlei sonstigen Anhängsel zu retten wis‐
sen. ‒
.Es ist mir nicht unbekannt, daß man schon des
öfteren innerhalb der «Theosophischen Gesell‐
schaft» Stimmen vernehmen konnte, die eine völ‐
lige Preisgabe der Lehre von den «Meistern», den
«älteren Brüdern der Menschheit», forderten.
.Sofern man damit die angeblichen «Meister»:
Koot Hoomi, Morya und andere, kurzum, die
«Meister», die «Mahâtmas» der
Frau Blavatski
meint, die Personen, deren rationalistisch dürren
und großsprecherischen Briefe u.a. in
A.
P.
Sin‐
netts «Okkulter Welt» zu finden sind, ‒ dann hat
man wahrlich
allen Grund, sich endlich loszu‐
sagen. ‒ ‒
.Man würde aber einen sehr verhängnisvollen
Fehlschritt tun, wollte man zu gleicher Zeit das
wenige in Bausch und Bogen mit verloren geben,
was man immerhin durch Frau
Blavatski, wenn
auch also aus einer arg getrübten Quelle, über das
Bestehen einer rein geistlichen Gemeinschaft in‐
nerhalb des Menschentums auf dieser Erde erfah‐
ren hat...
.Zwar steht diese Gemeinschaft des reinen Gei‐
stes auf diesem Planeten
nicht am
Ausgangspunkt
der «Theosophischen Gesellschaft», aber ‒ sie und
ihre geistige Führung zu
erreichen, muß das Ziel ei‐
nes jeden, wahrhaft im Sinne des Wortes «theoso‐
phisch» Strebenden sein, will er wirklich den Weg
zum Geiste, den Weg zum Urlicht finden, den
ein‐
zigen Weg, den das geistige Urlicht dem Menschen
dieser Erde
selbst bereitet hat. ‒ ‒ ‒
.Jeder Wanderer, der sich etwa berufen glauben
sollte, einen Weg zu finden, der an diesem einzi‐
gen Wege
vorbei führt, ihn
umgehen will, und den‐
noch das Leben im reinen Geiste, im Urlicht, zu
erreichen hofft, wird ein Opfer seines Wähnens,
gerät unvermeidlich auf Irrwege und wird nie‐
mals wahrhaft in des Geistes lebenspendendes
Licht gelangen. ‒
.Es ist gewiß nicht
nötig, von jener geistigen Ge‐
meinschaft zu
wissen, die das Urlicht selbst sich auf
Erden zum «Wege» bereitet hat, aber
wer einmal
von ihr weiß, oder annimmt, daß sie bestehe, und
dann eine Willensrichtung einschlägt, die ihm die
Hilfe
vermeiden läßt, die ihm werden könnte, der
darf sich nicht wundern, wenn er in all seiner trü‐
gerischen Selbstsicherheit niemals finden wird,
was er sucht, mag er auch die scheinbar besten
Gründe für sein törichtes Tun in Anschlag brin‐
gen. ‒
.Es wäre gewiß ein seltsamer Glaube, wollte etwa
ein Mensch, der von jener Gemeinschaft des Gei‐
stes hörte, in aller Einfalt annehmen, diese
«Weiße Loge» sei eine Korporation mit menschli‐
cher Satzung, benannt mit irgend einem Namen,
‒ und ihre Glieder führten den Titel «Meister». ‒
.Meister nennt man auf dieser Erde einen jeden,
der in irgend einem Können Vollendung er‐
reichte. Das Wort schließt nach altem Hand‐
werksbrauch in sich, daß der also Bezeichnete die
Prüfung seiner Kräfte
bestanden hat, und in sol‐
chem Sinne mag es auch berechtigt erscheinen,
die Glieder jener geistigen Gemeinschaft «Mei‐
ster» zu nennen, obwohl sich keines ihrer Glieder
selbst so nennen wird.
.Aber zu gleicher Zeit drückt das Wort «Meister»
eine Art Anerkennung pesönlicher Verdienste
aus, und von
diesem Gesichtspunkt her betrachtet,
ist es geboten, stets dessen eingedenk zu sein, daß
dieses Wort nur als Notbehelf erscheint, denn
jeder, den man so in Kürze als «Meister» be‐
zeichnen mag, ist das, was er ist,
ohne eigenes Ver‐
dienst. ‒
.Man kann nicht ein Glied der Gemeinschaft im
Geiste auf dieser Erde
werden, indem man gewisse
Stufen ersteigt, um schließlich zur «Meisterschaft»
zu gelangen.
.Der «Meister», sofern mit diesem Worte einer
dieser Gemeinschaft, einer der «Leuchtenden des
Urlichts», bezeichnet werden soll, wird als solcher
geboren, und alle okkulte Schulung, die er unter
der Leitung Vollendeter zu durchleben hat, alle
Prüfung seiner Kräfte, dient lediglich nur dazu,
ihn fähig zu machen, sein eingeborenes Erbe ge‐
brauchen zu lernen. ‒
.Er hat niemals
erstrebt, zu werden, was man mit
dem Worte «Meister» bezeichnet, wenn man da‐
mit ein Glied der Gemeinschaft des Geistes be‐
nennen will.
.Als er bewußt zur Fähigkeit gereift war, das, was
der Geist von ihm verlangte, tun zu
können, gab es
für ihn keine Wahl. ‒ Er
mußte die Bürde überneh‐
men, die ihm zu tragen gegeben war. ‒ ‒ ‒
.Man möge nicht zu sehr an Worten kleben blei‐
ben und nicht willkürlich gewählten Benennun‐
gen einen ungebührlich großen Wert verleihen!
.Es kommt auf eine Erfassung
der realen Gegeben‐
heit an und nicht auf die Namen, mit denen die
Sprache, mehr oder minder dürftig, das Gege‐
bene benennt. ‒
.Man mag immerhin die eingebürgerten Worte
gebrauchen und von einer «Weißen Loge» und
ihren Meistern reden, wie ich ja auch in meine
Schriften unbedenklich diese Worte übernom‐
men habe, aber man sei dabei stets bewußt, daß es
sich hier nur
um frei gewählte Benennungen handelt,
und daß die hohe Gemeinschaft und Alleinheit im
Geiste, die sich hier auf dieser Erde in wenigen
Menschen eines jeden Zeitalters darstellt,
keinerlei
Namen und
keinerlei Titel gebraucht, um ihrer
Lenkung gemäß die Brücke zu bilden, über die
für den Menschen dieser Erde der Weg zu den
ewigen Hierarchien des Geistes und durch sie
hindurch, zum wesenhaften Urlicht führt. ‒ ‒ ‒
WENN ich hier von neuem wieder zu den Le‐
sern dieser von mir stets hochgeschätzten,
vornehmen theosophischen Zeitschrift spreche,
so geschieht dies auf den
Wunsch sehr vieler dieser
Leser hin, den mir der verdienstvolle Heraus‐
geber zu übermitteln die Güte hatte.
.Ich komme heute gerne diesem Wunsche nach,
schon um gewisse Legendenbildungen aus der
Welt zu schaffen, die in mehr oder weniger gehäs‐
siger Weise einen Gegensatz zwischen mir und
dem Herausgeber der «Theosophie» zu konstru‐
ieren unternahmen, besonders da meine letzten
Veröffentlichungen ausschließlich in den «Magi‐
schen Blättern» erschienen.
.Wie falsch diese Annahme einer Gegnerschaft
ist, dürfte schon daraus erhellen, daß das «
Theoso‐
phische Verlagshaus»* die alleinige Auslieferungs‐
stelle der «Magischen Blätter» ist, und daß die
Herausgeber beider Zeitschriften, Herr Dr.
Hugo
Vollrath und Herr Dr.
Richard Hummel,
im denkbar
OO
* Anmerkung: dieser Verlag druckte 1916 'WORTE DER MEISTER'-
OO
eine Textzusammenstellung von Bô Yin Râ speziell für diesen Leser-
OO
kreis (nicht i.d. Nachlese enthalten):
->hier
besten,
freundlichen Einvernehmen stehen, ein jeder
auf seine Weise durchdrungen von den hohen
geistigen Zielen, denen er in mühevoller Geistes‐
arbeit dient. ‒
.Nach
anderer Seite hin glaube ich aber auch jetzt
deutlich genug ausgesprochen zu haben, daß ich
zwar keineswegs von der «Theosophischen Gesell‐
schaft»
herkomme, daß ich gegen manche unter ih‐
ren Mitgliedern verbreitete Lehre sehr begrün‐
dete Einwände erheben muß, daß ich aber gewiß
nicht hier als feindlicher Eindringling zu betrach‐
ten bin, sondern warmen Herzens das meinige
dazu beitragen möchte, damit jedes einzelne Mit‐
glied dieser Gesellschaft das hohe Ziel
erreiche, das
es letzten Endes doch durch den Anschluß an die
«Theosophische Gesellschaft» zu erreichen
hofft.
.So möchte ich denn als freundschaftlicher Be‐
rater vor den Leserkreis dieser weitverbreiteten
Zeitschrift treten, nicht um Meinungsverschie‐
denheiten und Dispute zu veranlassen, sondern
um die großgedachten
Einigungsbestrebungen des
Herausgebers auch meinerseits zu stützen, um
aus den Möglichkeiten
meiner geistigen Einschau
her, auf
jene Dinge hinzuweisen, die mir für ein
gedeihliches und fruchtbringendes
Leben der
«Theosophischen Gesellschaft» wichtig erschei‐
nen.
.Ich habe hier lediglich die «Theosophische Ge‐
sellschaft» im Auge,
wie sie heute besteht, als eine
Tempelvereinigung großen Stiles, eine Sammel‐
stätte zum Geiste strebender Menschen unserer
Tage, ganz so, wie sie vom «
Theosophischen Haupt‐
quartier» in Leipzig, dem Ausgangspunkt dieser
Zeitschrift, aufgefaßt und vertreten wird.
.Aller Personenkultus scheidet bei den Aufga‐
ben dieser, wie ich annehmen darf in bester Reor‐
ganisation begriffenen Gesellschaft ebenso aus,
wie jede enge Dogmenbindung, und ihr Streben
ist einzig darauf gerichtet, jedem ihrer Mitglieder
alle Wege zu zeigen, die der Seele als
Wege zum Gei‐
ste erschienen und noch erscheinen, und wenn ich
die Leitung dieser Zeitschrift richtig verstehe,
dann erwartet sie von ihren Lesern ausreichende
Fähigkeit zu
eigener Urteilsbildung und schließt
jede Bevormundung ihrer Leser grundsätzlich
aus.
.Wer wollte bezweifeln, daß auf diese Weise un‐
endlich viel Gutes gewirkt werden kann?!
Nur auf solche Art ist es nach meinem Dafür‐
halten möglich, allmählich die mir innerhalb der
«Theosophischen Gesellschaft» als bedenklich er‐
scheinenden Lehren prüfend in ihrer Unwesen‐
haftigkeit zu erkennen und ohne Schaden abzu‐
stoßen.
.Nur auf solche Art wird die verjüngte «Theoso‐
phische Gesellschaft» die
ewigen Grundlagen einer
wahren
Theo-
Sophia in ihrem Tempelkreise wie‐
der finden, einer «Theosophie» im
tiefsten Sinne des
Wortes, wie sie seit den Tagen des
Lao Tse und des
Apostels
Paulus bestand, bis hinauf zu
Eckehard,
Tauler und
Jakob Böhme, wie sie in der alten
mysti‐
schen Maurerei gepflegt wurde, und wie sie in In‐
dien zu finden war von
Patânjali bis zu
Râma‐
krishna. ‒
.Tiefste, wenn auch geheimgehaltene Erkennt‐
nis aller echten «
Theosophen» aller Zeiten war stets
vertraut mit diesen Grundlagen, und deren
we‐
sentlichste ist das hohe «Wissen» um die
einzige Art
und Weise, in der sich die Gottheit den aus ihr ge‐
zeugten Geisteswesenheiten offenbaren
kann. ‒ ‒
.Zwecklos würde die Seele suchen, wollte sie je
in unermeßlichen Räumen, wollte sie je in höch‐
sten geistigen Sphären ihrem Gotte begegnen. ‒ ‒
.Sinnlos wären die erhabenen Lehren hoher
Menschheitslehrer, würden die
Bilder Gottes, die
sie gestalten, nur einem «Gotte» gelten, der da als
«
höchstes Wesen» über
anderen Geisteswesenheiten
thront. ‒ ‒
.So wie man an keiner Stelle der Erde der
reinen
Elektrizität begegnen kann, und doch alles auf die‐
ser Erde
durchströmt wird von dieser Kraft, so auch
ist es in allen Geistes-Sphären ewig unmöglich,
Gott zu begegnen, obwohl alles, was da lebt, nur im
Dasein ist, als
Ausdruck von Gottes ewig zeugender
Darstellungs-Gewalt. ‒
.Wie aber Elektrizität gewisse Apparate braucht,
um durch diese Apparate sichtbar und erkennbar
zu werden, so auch ist Gott in Zeit und Ewigkeit
nur in jenen
Geisteswesenheiten sichtbar und er‐
kennbar, die mit der Kraft Gottes völlig
vereint,
zum lautersten Ausdruck von
Gottes Wesen wur‐
den. ‒
.Wer zur
Theo-
Sophia, zum «
Wissen» um
Gott ge‐
langen will, der muß vor allem
diese Grundtatsache
begriffen haben. ‒ ‒
.Aus ihr aber ergibt sich folgerichtig das Wissen
um die
Notwendigkeit solcher Menschengeister auf
dieser Erde, in denen die Gottheit
sich selbst leben‐
digen Ausdruck schuf, damit sie
allen Menschengei‐
stern
erkennbar werde, auf daß
alle jene Vereinung
erstreben, durch die der Menschengeist
aus Gott
verherrlicht wird...
.Nichts anderes als diese
völlig der Gottheit
geeinten Menschengeister dieser Erde sind aber
die eigentlichen «
Meister» der «
Weißen Loge», von
denen leider ein Zerrbild existiert, das ihr wah‐
res, kosmisch bedingtes Wesen gröblich ver‐
fälscht. ‒ ‒ ‒
.Wie
jeder Menschengeist, der je auf der Erde er‐
schien oder noch erscheinen wird, so sind auch sie
vor Äonen, als diese Erde noch nicht eimal «Wel‐
tenstaub» war, dem «Falle» der Geister, gleich al‐
len anderen erlegen. Gleich allen andern erwar‐
teten sie ihre Zeit, um sich mit dem Menschen‐
tiere der Erde zu irdischem Leben zu verbinden,
mit der Aufgabe, dieses Menschentieres höhere
Kräfte zu erlösen, und durch diese Erlösertat
selbst Erlösung zu finden...
.Doch,
höhere Geisteswesenheiten wußten aus
geistigem, gottgeeinten «Wissen», daß keiner der
diesem Erdentiere Verbundenen jemals zur Erlö‐
sung kommen
könne ohne ihre
Hilfe, und geistiges
«Wissen» läßt keine Wahl, wird
Verpflichtung, ver‐
langt gesetzliche
Tat, sobald eine
Möglichkeit zur
Hilfe gegeben ist. ‒
.So suchten sich jene
höheren Geisteswesenhei‐
ten aus der Fülle harrender Geister, die sich auf
Erden dem Menschentiere verbinden mußten,
jene aus, die sich aus freiem Willen
bereit finden
ließen, das Hilfswerk dieser
höheren Geisteswesen‐
heiten zu fördern, da
diese selbst, ihrer Artung nach,
mit dem im Tiere gebundenen Menschengeiste
keine
direkte Berührung schaffen konnten. ‒
.Die Bereitschaft, diesen
höheren Geisteswesen‐
heiten als Vermittlungswerkzeug zu dienen,
schloß die Bereitschaft in sich, eine
Jahrtausende
dauernde
geistige Vorbereitung durchzuleben und
so
erst Jahrtausende später zur Inkarnation zu ge‐
langen. ‒ ‒ ‒
.Darum läßt sich mit Fug und Recht von den
wirklichen «Meistern» der «Weißen Loge» als von
den
älteren Brüdern der heute lebenden Mensch‐
heit reden. ‒ ‒ ‒
.Es ist aber ebenso irrig, sie für eine Art über‐
menschlicher Wesen zu halten, wie es irrig ist, sie
mit Fakiren und Dschungelheiligen zu verwech‐
seln. ‒
.Sie betreiben auch keinerlei Mantik und entsa‐
gen allen okkulten Künsten. ‒
.Sie wissen auf
weitaus bedeutendere Art in der
Menschheit zum Guten zu wirken, ohne jemals als
Urheber dieses Wirkens
offenbar zu werden. ‒
.Ihr Wirken ist lediglich
geistiger Art, und Irdi‐
sches wird von ihnen nur bewegt,
von jenen gött‐
lich-
geistigen Welten her, in denen ihr Wirken aus
Gott allein erfolgt. ‒ ‒ ‒
.Eine Theo-Sophia
außerhalb der Einflußwir‐
kungen dieser gottgeeinten Menschengeister, die
hier im Erdenkörper die Last des Erdenlebens
tragen wie jeder andere Menschengeist, ist
ein Un‐
ding! ‒
.Absurd und jeder Logik bar ist jedes «theoso‐
phische» Streben, das jene Wenigen auf dieser
Erde
zu umgehen sucht, die
allein ihm helfen
kön‐
nen.
.Kindlich ist aber hinwieder auch die Annahme,
man könne jemals zu einem «Meister» der «Wei‐
ßen Loge»
werden. ‒
.Man kann wohl die gleiche, göttlich-geistige
Ei‐
nigung erlangen, aber
niemals wird man jene
Kräfte
zu eigen erhalten, die erst den «Meister» der
«Weißen Loge»
zu dem machen, was er potentiell
vor
seiner Inkarnation schon
war. ‒ ‒ ‒
.Man darf freilich auch nicht glauben, daß
jene
Gestalten, die um die
Wiege der «Theosophischen
Gesellschaft» herum gespensterten, etwa wirkliche
«Meister» der «Weißen Loge» gewesen wären ‒ ‒
aber an dieser Stelle meiner Rede fürchte ich
doch noch, daß so mancher Leser dieser Zeit‐
schrift es nur schwer ertragen könnte, wollte ich
so, wie es berechtigt wäre, unsanft das Spinnen‐
netz seines Glaubenswahns zerstören, und darum
möge hier nur auf gewisse Kapitel eines dem‐
nächst erscheinenden Buches* verwiesen werden,
die im Vorabdruck bereits in den «Magischen
Blättern», von denen ich oben sprach, zu lesen
waren...
.Auf dieser Erde kann jegliches Geschehen sich
oft Jahrzehnte lang in Verdunkelung verbergen,
aber die Wahrheit kommt
dennoch eines Tages
schrill und klirrend an unser Ohr, und was sich
noch so lange im Dämmerdunkel verbarg, muß
eines Tages helles Sonnenlicht ertragen, mag
auch so manches Wundermärchen auf solche
Weise seinen Untergang finden. ‒ ‒ ‒
.Es wäre mir Anlaß zu tiefem, schmerzlichem
Bedauern, sollte einst solche Klärung der Ge‐
schehnisse, die sich in den Säuglingszeiten der
«Theosophischen Gesellschaft» abspielten, dieser
Gesellschaft,
so wie sie heute ist, und wie sie speziell
vom «
Hauptquartier» in Leipzig aufgefaßt und ver‐
* Mehr Licht (1921; erweiterte endgültige Ausgabe 1936, 1968 und 1989)
treten wird,
Schaden zufügen, und darum halte
ich es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß
die Dinge damals nicht ganz so lagen, wie sie die
Gründerin der Gesellschaft zu sehen und darzu‐
stellen beliebte. ‒ ‒ ‒
.Töricht und ungerecht wäre es aber, der «theo‐
sophischen Gesellschaft» unserer Tage daraus ir‐
gendeinen Vorwurf konstruieren zu wollen, oder
die heutigen Mitglieder verantwortlich zu ma‐
chen für Irrtümer und Fehler der einstigen
Gründerin.
.Es unterliegt bei mir keinem Zweifel, daß eine
wahrhaft «theosophische» Gesellschaft heute
tiefste
Lebensberechtigung hat und es ist heute völlig
gleichgültig,
welche Anlässe vor Jahrzehnten zur
Gründung einer solchen Gesellschaft führten,
wenn nur das
heutige Wirken der Gesellschaft
als
einwandfrei und
vorbildlich betrachtet werden
darf. ‒
.Die Grundlagen wahrer
Theo-
Sophia bleiben für
alle Zeiten die
gleichen.
.Auch die heutige «Theosophische Gesellschaft»
vermag es, auf
ihnen das
innerste Sanktuarium ihres
weiträumigen Tempels zu errichten.
.Die Erkenntnis der Auswirkung Gottes, das
«Wissen» daß Gott
nur in den ihm
völlig geeinten,
geistesmenschlichen Wesenheiten offenbarend
wirkt, das «Wissen», daß ein
jeglicher Mensch die‐
ser Erde imstande ist, sich seinem ewigen Urbild,
seinem «Vater im Himmel», seinem «lebendigen
Gotte»
anzugleichen und sich ihm mit seinem Be‐
wußtsein zu
vereinen, das «Wissen», daß
ohne die
stetige geistige Hilfe
höherer geistiger Wesenhei‐
ten, vermittelt durch die «
Meister» der «
Weißen
Loge», diese
Vereinigung des menschlichen mit
dem göttlichen Bewußtsein
unmöglich wäre ‒
dies
sind die hauptsächlichsten
Fundamentsteine, auf
denen sich das unantastbare
Tempelkultbild erhe‐
ben muß, um das sich die
Mitglieder der «
Theosophi‐
schen Gesellschaft» erhobenen Herzens stets scha‐
ren können,
ohne jemals befürchten zu müssen,
daß die Gottheit solchen Ort der Weihe nicht als
ihrer würdig betrachten möge! ‒ ‒ ‒
.Theoretische Erörterungen über hellseheri‐
sche «Forschungen» auf «höheren» Ebenen sind
völlig überflüssig, einmal, weil
kein Hellseher
je‐
mals zu «
höheren» Ebenen emporzudringen
im‐
stande ist, und dann: weil alles Wissen
über geistige
Zustände nichts nützt, nur eitle Befriedigung kin‐
discher Neugier bleibt, solange man nicht, mit
dem Bewußtsein des lebendigen Gottes in sich
selbst vereint,
selbst fähig wurde, die Wunder gei‐
stiger Welten geistig zu erleben.
.Auf das
geistige Erlebnis hin muß die «
Theosophi‐
sche Gesellschaft» ihre Mitglieder erziehen, damit
ihr Tempel nicht zur Stätte wüstester Spekulation
entarte, damit er
ein Heiligtum geistigen Lebens
bilde, inmitten der ausgetrockneten Wüste dür‐
ren Gedankenflugsandes, der auch die erhaben‐
sten Tempelbauten
früherer Zeiten allmählich zu
verschütten droht. ‒ ‒ ‒
.Möchten meine Worte
offene Herzen fin‐
den! ‒ ‒ ‒
W I E kürzlich zu lesen war, beschäftigt man
sich zurzeit im Pariser Psychologischen Institut
mit einem weiblichen «Medium», in dessen An‐
wesenheit sich ein Tisch frei in die Luft erhebt,
ohne auch nur von dem Medium
berührt zu wer‐
den. Eine solche Art der Mediumschaft ist aller‐
dings schon ziemlich selten, und es lohnt sich
zweifellos, die Manifestationen zu beobachten.
Prof.
Bertrard, der die junge Dame einem gelehr‐
ten Kreise vorführte, ist nun ein vorurteilsfreier
Forscher, der doch erst wissenschaftlich
prüfen
möchte, wo andere ‒ man vergleiche nur
Eduard
von Hartmann ‒ frisch drauflos urteilen und dabei
selbst gestehen,
niemals bei ähnlichen Manifesta‐
tionen zugegen gewesen zu sein. ‒
.In der Pressenotiz, die über die Experimente
mit dem Pariser Medium berichtet, heißt es zum
Schluß: «Verwunderlich scheint dem Laien aller‐
dings, daß das Mädchen nur bei gedämpftem, ro‐
safarbenen Lichte operieren kann, während weis‐
ses und blaues Licht seine Kraft lähmt und das
Aufblitzen von Magnesiumlicht ihm sogar einen
Nervenschock verursachte. Sollte es am Ende
doch Grund haben, hellere Lichtgattungen zu
scheuen?»
.Das erinnert mich lebhaft an die schöne Ge‐
schichte von dem Mandarinen, dem zur Zeit des
ersten Aufkommens der Photographie ein euro‐
päischer Gelehrter begreiflich machen wollte, daß
lediglich die
Lichtstrahlen solche Bilder malten.
Der chinesische Würdenträger aber ließ sich dar‐
aufhin also vernehmen: «Ja, wenn du das, was du
da in der
Dunkelkammer treibst, mir bei
hellem Son‐
nenlicht zeigen willst, dann werde ich dir gerne
glauben, vorher aber nicht!»
.Gewiß hat das Medium «hellere Lichtgattungen
zu scheuen», aber wenn es ein
echtes Medium ist,
wenn also kein Schwindelmanöver vorliegt, was
bei den gelehrten Untersuchungen des Prof.
Ber‐
trard doch wohl als ausgeschlossen gelten dürfte,
dann hat es helleres Licht in keiner anderen
Weise «zu scheuen», wie der Photograph, der sich
auch außerstande sehen würde, ein gutes Licht‐
bild zu fertigen, wollte man ihm die Bedingung
stellen, die Entwicklung der Platte bei hellem Ta‐
geslicht vorzunehmen. ‒
.Dennoch aber werden diese neuen Pariser Ex‐
perimente, wie so viele andere vorher, nur sehr
fragmentarische Lösungen des Rätsels bringen,
aber das liegt nicht etwa an der Fragwürdigkeit
der Phänomene, sondern daran, daß man hier
mit einer Wesenreihe experimentiert, von deren
Vorhandensein man keine Ahnung hat; und wäh‐
rend man mit Recht die läppische Hypothese, es
handle sich da um Äußerungen «unserer lieben
Verstorbenen», von vornherein fallen läßt, be‐
geht man nach der anderen Seite hin doch den
gleichen Fehler, indem man als gesichert annimmt,
daß es keinerlei außermenschliche, unsichtbare
Wesen geben könne. ‒ ‒
.Nun muß, wie auch bei den Experimenten von
Ochorowitz, das «Mädchen für alles», der soge‐
nannte «
Animismus» herhalten, obwohl es da gar
keine präzise Kontrolle geben kann, durch die
festzustellen wäre,
wo «animistische» Wirkungen
aufhören und
wo «spiritistische» beginnen; denn
die Kräfte der «Anima», der «Seele» des Mediums,
sind ja im sogenannten Trancezustand, mag er
nun
vollendet oder nur
teilweise vorliegen, völlig je‐
ner unsichtbaren Wesenreihe ausgeliefert, deren
Existenz man von vornherein leugnen zu dürfen
glaubt. ‒ ‒
.Wie man vielleicht aus gewissen früheren Ab‐
handlungen wissen wird, warne ich stets entschie‐
den vor sogenannten «spiritistischen» Experi‐
menten. Ich rate auch hier wieder jedem meiner
Mitmenschen, der etwa «mediale» Fähigkeiten an
sich bemerkt und sich dadurch vielleicht gar noch
besonders «begnadet» glaubt, sich so schnell als
nur möglich dem Spinnengewebe, das ihn zu
umschnüren droht, zu entwinden. Das ist jeder‐
zeit möglich durch entschiedene Aktivität, durch
ein Aufsuchen gesunder Lebensbedingungen
in freier Natur und durch ein grundsätzliches
Vermeiden jeder geistigen Atmosphäre, in der
die «mediale» Veranlagung gefördert werden
könnte. Man vergesse nicht, daß jedes echte «Me‐
dium» ein unglückliches Opfer sehr bedenklicher
und niemals von ihm zu erkennender Wesen ist,
Wesen, die zur physischen Welt gehören, auch
wenn sie für uns unsichtbar bleiben, und die für
das Leben der Seele Parasiten darstellen, wie Ba‐
zillen und Mikroben für das Leben des physi‐
schen Körpers! ‒ Diese Parasiten saugen ihr Op‐
fer aus bis zum letzten Rest seiner feineren physi‐
schen Kräfte, die dem Willen und dem Seelenleben
dienen sollten, bis sie es schließlich zerbrochen
am Wege liegen lassen, so hochmoralisch auch die
«Bekundungen der Geisterwelt» vielleicht vorher
waren. ‒
Das
Ende fast aller sogenannten «Medien» ist
entweder ein
Versinken in willenlose moralische Ver‐
worfenheit,
oder ‒
in die Nacht des Wahnsinns!
.Es ist wahrlich notwendig, vor einer solchen
Seuche, die gerade jetzt wieder besonders stark
grassiert, eindringlichst zu warnen, auch wenn
die von dieser psychischen Pest Ergriffenen ent‐
rüstet sein mögen, da sie sich ja doch für «er‐
wählte Werkzeuge höherer Mächte», für die
«Mittler zwischen Diesseits und Jenseits», ja für
die eigentlichen «Sprachrohre Gottes» halten und
mit hirnverbrannter Kritiklosigkeit immer wie‐
der den erhabenen Meister von Nazareth als «das
größte Medium» proklamieren. ‒
.Wenn ich aber, aus einer Kenntnis der Dinge
heraus, wie sie nur wenigen Lebenden möglich
wurde, so entschieden vor jeder «spiritistischen»
Betätigung, vor jedem Glauben an «spiritistische»
Orakelei warnen muß, so darf man gewiß
schon
daraus ersehen, daß die mir in jeder ihrer Auswir‐
kungsarten bis ins kleinste bekannten «spiritisti‐
schen« Phänomene als solche
durchaus realen Gege‐
benheiten entsprechen.
Nur Ignoranz kann das Dasein
dieser Phänomene deshalb leugnen, weil es zu al‐
ler Zeit gerissene Schwindler gab, die aus der
Neugierde ihrer Mitmenschen auf ihre Art Vor‐
teil zogen, indem sie die möglichen
echten Phäno‐
mene auf mehr oder weniger geschickte Art
vorzu‐
gaukeln suchten und so ihre Gläubigen oft lange
Zeit hindurch um deren «schnöden Mammon»
erleichterten, bis eines Tages die «Entlarvung»
dem Treiben ein Ende setzte.
.Das Vorhandensein der echten Phänomene d. Spiri‐
tismus steht, trotzdem auch oft
echte Medien sich zu
gelegentlichen Schwindeleien hinreißen lassen,
und je mehr ihre Kräfte ausgesaugt sind, desto
häufiger ‒ so außer allem Zweifel,
wie das Dasein der
Röntgenstrahlen, nur werden sie sich
niemals wie
diese erforschen lassen, eben weil es sich nicht
le‐
diglich um physikalische Kräfte handelt,
sondern weil
hier uns zum Teil unbekannte physikalische
Kräfte durch eine Art von
Wesen in Aktion gesetzt
werden, die
ihren eigenen Willensimpulsen folgen
und keineswegs gesonnen sind, unsern Wissens‐
trieb wirklich zu befriedigen.
.Diese Zwischenwesen, auf deren Dasein wohl so
manche Gestalt aus der Vorstellungswelt des Mär‐
chens und früherer Sagen zurückgehen mag,
sind durchaus
amoralisch, weder gut noch böse,
folgen allein einem Triebe, den man bei Men‐
schen etwa «Laune» nennen würde ‒ kennen kei‐
nerlei «Gewissen» und sind einzig darauf bedacht,
sich mit Hilfe solcher Menschen, deren psycho‐
physischer Organismus krankhaft gelockert ist,
auf dem Gebiet der physischen Erscheinungswelt
zu manifestieren. ‒ Was aus ihren Manifestatio‐
nen erwächst, ist ihnen durchaus gleichgültig,
und es kümmert sie wenig, daß ihre Opfer
schließlich zugrunde gehen müssen. ‒
.Im Orient, wo die Kenntnis der okkulten Er‐
scheinungen bis ins graueste Altertum zurück‐
reicht, gab es stets und gibt es auch heute noch
Menschen, die nicht nur, wie unsere Medien,
wil‐
lenlose Sklaven dieser Wesen sind, sondern sich ih‐
rer Hilfe
bewußt zu bedienen wissen, sie durch ihre
ungemein trainierte Willenskraft
beherrschen.
.Es sind jene «
Fakire», über deren staunenerre‐
gende «Wunder» die bestbeglaubigtsten Berichte
vorliegen, die aber durchaus nicht mit jenen
«Büßern» zu verwechseln sind, von denen der
eine sich langsam zwischen vier Feuern rösten
läßt, während ein anderer es vermag, viele Jahre
lang kopfabwärts an einem Baume zu hängen
und dergleichen mehr.
.Auch mit den bekannten «indischen» Zirkus‐
künstlern und Taschenspielern haben natürlich
diese
echten «Fakire» nicht das mindeste zu tun.
.Ich leugne durchaus nicht, daß es
sehr seltene
Fälle gibt, in denen auch von Seiten
entkörperter,
also nicht mehr auf der Erde lebender Menschen,
diese hier besprochenen Wesen zur Manifestation
angetrieben werden, aber man glaube ja nicht,
auf normale Weise durch die Hilfe dieser Wesen
den erwünschten «Verkehr mit dem Jenseits» an‐
bahnen zu können!
.Die wenigen, denen die Natur dieser Wesen be‐
kannt ist und die sich ihrer bedienen
könnten, weil
sie aus Gründen höherer übersinnlicher Entfal‐
tung einst diese Wesen
überwinden mußten, hüten
sich wohl, von ihrer Macht Gebrauch zu machen,
ja, sie gehen für gewöhnlich diesen Wesen aus
dem Wege wie giftigen Schlangen.
.Auch wissenschaftlicher Forscherdrang er‐
scheint ihnen keineswegs entschuldbar, wenn er
dazu führt, den gefährlichen Bereich dieser Zwi‐
schenwelt aufzusuchen.
.Sie können nur immer wieder davor warnen,
diese dunklen und dem Menschen verderblichen
Gebiete der Allnatur vorwitzig zu betreten. ‒
.Niemals wird die Menschheit aus dem Zwi‐
schenreich her, dem die spiritistischen Phäno‐
mene entstammen, irgendeine Antwort erhalten,
die ihr auf die Dauer segensreich werden könnte.
.Torheit aber wäre es, seine Augen vor gesicher‐
ten Tatsachen verschließen zu wollen, die
jederzeit
vorhanden waren, die so alt sind wie die Welt und
zu allen Zeiten, unter allen Völkern beobachtet
wurden, lange bevor Amerika, die Wiege des
neueren «Spiritismus», überhaupt entdeckt war.
.Wer hier noch zu
leugnen versucht, der ist, um
mit
Schopenhauer zu reden: ‒ «nicht
ungläubig, son‐
dern
unwissend zu nennen», ‒ aber wer gar
Offen‐
barungen des ewigen Geistes bei spiritistischen Mani‐
festationen erwartet, der gleicht einem in der Wü‐
ste Verschmachtenden, der einer Luftspiegelung
nachläuft, die ihm schattige Oasen mit köstlichen
Quellen verspricht, während er durch seinen Irr‐
tum nur desto sicherer dem Verderben anheim‐
fällt, dem er entrinnen wollte. ‒
SIE mehren sich wieder allerorten! Zwischen
hypermodernen Modedichtern und Salon‐
bolschewisten verzeichnen die Kataloge ge‐
schäftsgewandter Verleger eine Literatur, die mit
Prophetengeste sehr abgestandene Sensationen
von ehedem als «Allerneuestes» auftischt; und in
so mancher reputierlichen Familie sitzt man
halbe Nächte, um das Tischorakel zu befragen.
Männer und Frauen, die noch vor wenigen Jah‐
ren halb Verachtung, halb gelindes Grauen zeig‐
ten, wenn das Wort «Spiritismus» fiel, verharren
jetzt passiv am Schreibtisch und lassen sich von ih‐
ren «Freunden aus dem Jenseits» ehrfurchtsvoll
die Feder führen. Eine wahre Epidemie dieser Art
wütet im Lande, und sie ist um so gefährlicher,
weil fast alle, die von ihr erfaßt wurden, ihr Tun
sorglichst geheim zu halten suchen, so daß man in
Kreisen, die nicht selbst zu den Mitgerissenen ge‐
hören, auch nicht die leiseste Ahnung hat von der
erschreckenden Ausbreitung dieses Taumels.
.Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die
neue Geisterkunde von Amerika her zu uns kam,
war die Wirkung weitaus harmloser. Abgesehen
von einigen schwärmerischen Enthusiasten und
allem Aberglauben freundlich gesinnten Eigen‐
brötlern, die sich nun in spiritistischen Zirkeln
fanden, beschäftigten sich
wirklich ernsthaft mit
diesen Dingen nur wenige Männer der Wissen‐
schaft, stellten je nach Gelegenheit und Ausdauer
die Tatsächlichkeit der Phänomene oder auch
plumpen Schwindel daneben fest, kamen aber im
besten Falle ‒ wie etwa der Physiker
Crookes ‒ nur
zu dem Schlusse, daß sie wohl das Wirken un‐
sichtbarer, anscheinend oder unbestreitbar von
Intelligenz geleiteter Kräfte beobachtet hätten,
daß aber keinerlei beweiskräftige Gründe dafür
aufzubieten seien, in diesen durch Intelligenz ge‐
leiteten Kräften wirklich, nach spiritistischer Hy‐
pothese, die weiterlebende Geistigkeit gestorbe‐
ner Menschen zu bestätigen.
.Was sonst vom damals neuen «Spiritismus» in
weitere Kreise drang, war Gesellschaftsspiel. In je‐
dem Mädchenpensionat war der tanzende Tisch
bekannt. Wo immer eine ausgelassene Gesellschaft
beisammen war, gehörte es zu den beliebtesten
Scherzen, den Tisch nach allem zu befragen, was
Heiterkeit und Laune fördern konnte.
.So blieb der Spaß ungefährlich und ward als
überlebte Mode schließlich ganz vergessen.
.Die Zirkel der Schwärmer allein erhielten sich
auf dem Plan, und wenn auch die «Geistermani‐
festationen» meist über bald bekannt gewordene
physikalische und psychische Phänomene sich
nicht erhoben, wenn auch die «Offenbarungen»
der «Geister» selten über die trivialsten Phrasen
emporstiegen, so fehlte es doch bald nicht an spi‐
ritistischer Literatur, deren Berichte um so lieber
geglaubt wurden, je kritikloser sie abgefaßt wa‐
ren, und es nährten sich diese halb frömmelnden,
halb kirchenabgewandten Leutchen eben wie sie
sich heute noch nähren: ‒ durch gegenseitige
Stärkung ihrer frommen Wünsche, mehr aus Bü‐
chern als aus der Erfahrung.
.Auf über dreißigtausend «Bände» in allen Spra‐
chen beziffern die Spiritisten mehr oder minder
strenger Observanz ihre Literatur, wobei aller‐
dings die Vernünftigeren bedauernd zugeben,
daß das weitaus meiste obskures und wertloses
Zeug ist, oft nicht einmal von ehrlich Überzeug‐
ten verfaßt, nur der geschickten oder bloß
schlauen Ausnutzung der Konjunktur sein Da‐
sein dankend, geschrieben von Menschen, die ih‐
ren Beruf darin sehen, das jeweils
Sensationelle
aufzugreifen, um seine pekuniären Erfolgsmög‐
lichkeiten auszunutzen.
.Als Kaviar genießt man daneben in Behaglich‐
keit die ernsten Werke wissenschaftlicher Auto‐
ren, die über ihre Forschungsresultate berichten,
übernimmt aber jeweils
nur solche Äußerungen,
die
eigener Meinung als brauchbare Stütze er‐
scheinen, und übersieht in der großmütigen Ge‐
ste des Besserorientierten schlechthin alles, was
ein solcher Autor etwa an
kritischen und
negieren‐
den Einwänden
gegen die spiritistische Lieblings‐
theorie zu sagen hat.
.Da die Anhängerschaft opferbereit ist zugun‐
sten der «guten Sache», und zu neun Zehnteln al‐
les aufnimmt, was der Büchermarkt nach ihrer
Richtung hin bringt, so wird hier noch jahraus,
jahrein recht beträchtliches Nationalvermögen
entwertet, zugunsten geschäftstüchtiger Zeitge‐
nossen, die stets für Befriedigung der Bedürf‐
nisse und neuen Anreiz sorgen, was von ihrem
Standpunkt her gesehen gewiß das Lob der Klug‐
heit verdient, hinsichtlich der Erhaltung und För‐
derung geistiger Volksgesundheit aber sicherlich
vom Übel ist.
.So verbreitet aber auch derartiges Konventikel‐
wesen verschiedener Schattierung in halbgebil‐
deten Kreisen immer noch ist, so sind doch diese
Zirkel ehrlich genug, sich offen als «Spiritisten»
zu
bekennen. Wer mit ihnen Fühlung sucht, der ist
entweder schon, auf Grund vorher genossener li‐
terarischer Kost, mehr oder weniger spiritisti‐
scher Gläubigkeit anheimgefallen, oder er will
sich unvoreingenommen orientieren.
Bedenklicher, ‒
weit bedenklicher steht es um
jene neueren Kreise unserer Gesellschaft, die
heimlich Spiritismus treiben und es nicht wahr ha‐
ben wollen, daß dieses Tun nichts anderes ist,
auch wenn man ihm andere Namen gibt.
.Viele darunter glauben sich allen Ernstes be‐
rechtigt, sehr verächtlich auf die deklarierten
«Spiritisten» herabzusehen, wollen vom Spiritis‐
mus durchaus nichts wissen, glauben alles, was sie
erfahren, nur einer «hohen psychischen Entwick‐
lung» danken zu dürfen, und ahnen nicht, daß
das, was ihnen widerfährt, die allerverbreitetste
Abart des «Mediumismus» ist, allen Spiritisten
wohlbekannt und von den Erfahreneren nur in
ganz besonderen Ausnahmefällen den «beweis‐
kräftigen» Phänomenen zugezählt.
.Tatsächlich ist, wie selbst jeder anfängerhafte
Spiritist und wie die ernstere spiritistische Litera‐
tur seit fast einem halben Jahrhundert weiß, der
Erfolg beim sogenannten «Tischrücken», wie
beim automatischen Schreiben, an sich durchaus
kein Beweis für die Mitwirkung unsichtbarer, in‐
telligent geleiteter Kräfte.
.(Für gänzlich Fernstehende sei hier eingeschal‐
tet, daß beim «
Tischrücken» mehrere Teilnehmer
um einen Tisch herum sitzen, auf den sie die
Hände legen. Früher oder später gerät der Tisch
in Bewegung, die Tischbeine heben und senken
sich, und die Antwort auf gestellte Fragen wird
nach dem Alphabet, je nach der Anzahl der Auf‐
schläge des Tischbeins auf den Boden, buchsta‐
biert. Beim
automatischen Schreiben setzt sich das
«Medium» ‒ die Person, von der die unsichtbare
Intelligenz wirklich oder angeblich Besitz ergreift
‒ entweder allein oder mit andern an einen Tisch,
legt ein Papierstück vor sich, nimmt einen Bleistift
und erwartet in passiver Haltung die unwillkürli‐
che Bewegung seiner Hand, durch die dann nach
und nach Schriftzeichen entstehen, die ohne wei‐
teres gelesen werden können.)
.In beiden Fällen ist es möglich, sehr weitge‐
hende Resultate zu erhalten, bei deren Erlan‐
gung niemand anders beteiligt ist als das «Me‐
dium» selbst bzw. seine Beisitzer, wobei ich hier
keineswegs an
Betrug denke. Das «Medium» kann
in beiden Fällen in völligem
Wachzustand sein,
kann aber auch in sogenannten «
Trance»-
Zustand
verfallen, eine Art autohypnotischen Schlafes, der
die verschiedensten Stadien aufweist und in sei‐
nen Anfangsstadien noch kaum als solcher er‐
kennbar ist.
.Gewisse fluidische Kräfte des unsichtbaren Tei‐
les der physischen Natur des «Mediums» wie der
Teilnehmer sind nun, ebenso wie die Nerven‐
bahnen, von jeder Willensfessel befreit, für
sich al‐
lein imstande, sowohl den Tisch wie noch viel
leichter die Hand zu bewegen, und automatisch
lösen sich sodann aus den im Gehirn gleichwie in
einer Grammophonplatte eingeprägten Runen
der Vorstellungsinhalte die entsprechenden Ant‐
worten auf die gehörten ‒ auch im
Trancezustand
gehörten ‒ oder auch
nur gedachten Fragen los, oft
überraschend gut angepaßt, dann aber auch wie‐
der orakelhaft dunkel, je nach der allgemeinen
und zeitlichen Disposition des «Mediums».
.Öftere Übung spielt diese automatische, durch
Verstand und Willen nicht mehr kontrollierte Tä‐
tigkeit von Gehirn, Nervenbahnen und durch
beide wirkenden Seelenkräften derart ein, daß
die Erfolge oft verblüffend sind, besonders wenn
durch die erhöhte Aufnahmefähigkeit des «Medi‐
ums» auch noch
Gedankenbilder anderer wahrge‐
nommen und in seiner Mitteilung verwertet wer‐
den: ein Vorgang, der dem «Medium» selbst nicht
zu Bewußtsein kommt.
.Unsere «
Neospiritisten» haben aber von alledem
entweder kaum gehört oder stehen gar den Er‐
fahrungen ausgesprochener «Spiritisten» und
wissenschaftlicher Forscher auf diesem Gebiete
absolut fern.
Ein dunkles Ahnen einer unsichtbaren höheren
Welt, der durch religiöse oder phantastische Lek‐
türe erregte Wunsch nach «geistiger» Führung,
deren man sich meist besonders würdig zu wissen
glaubt, oft auch, genau wie bei wissentlichen «Spi‐
ritisten», die Sehnsucht nach einem Lebenszei‐
chen eines kürzlich Gestorbenen, führen meist
spontan die ersten, mehr oder minder primitiven
Phänomene herbei, in denen der Betroffene stau‐
nend und begeisterungsvoll seine besondere Be‐
gnadung bestätigt wähnt.
.Nun vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht
mit dem «geistigen» Führer oder mit dem lieben
Dahingegangenen zu verkehren sucht, was bei
solcher Annahme allerdings sehr begreiflich ist.
Alle wichtigen Entscheidungen werden der Gei‐
sterstimme unterbreitet. Man ist selig, sein Privat‐
orakel zu besitzen, und jeder vollgekritzelte Bo‐
gen Papier aus solchen Stunden wird wie ein Hei‐
ligtum verwahrt.
.Sind es wirklich
nur die Kräfte des «Mediums»
selbst, die ihm Antwort geben (
jeder Mensch ist bis
zu gewissem Grade «mediumistisch» veranlagt,
auch wenn es bei ihm nie zu den abnormen Er‐
scheinungen der ausgesprochenen «Medien» spi‐
ritistischer Zirkel kommt), so könnte man in alle‐
dem nur ein harmloses Tun erblicken, wenn nicht
auch dabei schon schwere Schädigungen sich ein‐
stellten, Schädigungen nervöser und seelischer
Art, und vor allem eine allmähliche Paralysierung
der
Willensbildung und des
Verantwortungsbewußt‐
seins.
.Schlimmer aber wird die Sache dadurch, daß
tatsächlich jederzeit jene unsichtbaren lemuren‐
haften Wesen des unsichtbaren Teiles der physi‐
schen Welt, die in den Sitzungen der spiritisti‐
schen Zirkel eine so verhängnisvolle, täuschende
Rolle spielen, ganz oder teilweise von dem seiner
Meinung nach so hoch «Begnadeten» Besitz er‐
greifen können.
.Die Existenz dieser Wesenheiten wird trotz al‐
ler wissenschaftlichen Erforschung spiritistischer
Phänomene, wie sie gerade neuerdings von vor‐
urteilsfreien Gelehrten wieder betrieben wird,
niemals einwandfrei und experimentell nach‐
prüfbar zu erweisen sein. Trotzdem scheint dieser
unsichtbare Teil unserer
physischen Welt schon in äl‐
testen Zeiten für manche Menschen gelegentlich
seine Pforten geöffnet zu haben, und die Sagen,
Mythen und Märchen, die von «Kobolden», «Na‐
turgeistern» und ähnlichen Unsichtbaren zu be‐
richten wissen, dürften ursprünglich in recht rea‐
ler Erfahrung wurzeln.
.Auch ich vermag keinerlei «Beweise» für das
Dasein unsichtbarer, intelligenter Bewohner un‐
serer physischen Welt zu erbringen, aber ich darf
bekennen, daß es auch heute Menschen auf die‐
sem Planeten gibt, denen dieses unsichtbare
Reich der physischen Welt durch eigene geistige
Anschauung sehr genau bekannt ist, und daß ich
hier aus Erfahrung rede.
.Eben diese Erfahrung ist auch Ursache der er‐
schreckenden Einblicke in seelische Verwüstun‐
gen, die mir die Betroffenen selbst in überaus
zahlreichen Fällen ermöglichten, wobei stets das
Wirken jener unsichtbaren Lemurenwesen fest‐
zustellen war und, wahrhaftig zum Heile der also
Mißbrauchten, in genügend überzeugender
Weise bestätigt werden konnte.
.Die Wesenheiten, um die es sich hier handelt,
sind weder als «gut» noch als «böse» anzuspre‐
chen. Erfüllt von einer ungebundenen
Täu‐
schungslust, kennen sie keinen anderen Drang, als
dem Menschen sich bemerkbar zu machen, was
aber nur unter besonderen Bedingungen mög‐
lich ist, und dann ihn zu beherrschen und sich
selbst den Grad ihrer Herrschaft über ihn zu de‐
monstrieren.
.Ich mag hier nicht alles wiederholen, was ich an
anderer Stelle (in meinem «Buch vom Jenseits»
und anderen Schriften) in ausführlicher Weise
darlegte, möchte vielmehr hier nur betonen, daß
die gewollte oder ungewollte Verbindung mit die‐
sen Wesen die
verhängnisvollsten Folgen nach sich
ziehen kann und in allen Fällen dem Menschen
nur
Täuschung bringt, dort wo er
Klarheit zu erhal‐
ten hoffte.
.Es kann nicht genug vor diesen Regionen ge‐
warnt werden, vor denen die
Natur selbst ihre
Schutzwälle weise für den Menschen aufgerichtet
hat.
.Wer
wirklich die göttliche Stimme in sich ver‐
nehmen will, der muß
andere Wege gehen, und
diese Wege habe ich gezeigt. (Siehe mein «Buch
vom lebendigen Gott».)
.«Geistige» Leitung, soll sie wirklich diesen Na‐
men verdienen, kann dem Menschen
nur in seinem
Allerinnersten werden. Sie bedarf weder des klop‐
fenden Tisches noch der schreibenden Hand. Vor
allem aber wird sie stets
den Suchenden selber zum
Finden führen, wird nie ein Gängelband um ihn
schlingen, dem er gleich einem Hypnotisierten
folgen zu müssen glaubt!
.Wer aber die tief verstehbare Sehnsucht fühlt,
mit dem geistig Ewigen derer in Verbindung zu
bleiben, die ihm vorangegangen sind in jenes
stille Reich des Geistes, aus dem kein Zeuge je‐
mals wiederkehrt, der lasse sich durch Gaukel‐
spiel nicht täuschen, auch wenn die unsichtbaren
Gaukler in der
Maske jener Heimgekehrten ihm
erscheinen sollten!
.Auch ihm ist
kein anderer Weg zu jenen ihm Ent‐
rückten frei, als der Pfad in die leuchtenden
Lande seines
allerinnersten geistigen Innern.
.Nur dort allein darf er hoffen, von
denen Kunde
zu erhalten, die selbst nur noch
in ihrem allerinner‐
sten geistigen Sein von ihm wissen...
Die uns verlassen mußten,
.sind uns nicht verloren:
Sie wurden nur zu einem neuen Leben
.neu geboren.
Wir finden sie dereinst,
.so wie wir hier sie fanden;
Ihr «Tod» war nur die Lösung
.aus des Leibes Banden.
Das enge Haus der Sinne
.faßt «den Menschen» nicht:
Er ist ein König ‒
.und sein Reich ist Licht!
.Hier soll von einem Buche gesprochen werden,
das vielleicht viele Leser der «Magischen Blätter»
noch nicht kennen dürften.
.Der Untertitel des Buches lautet: «Vom gehei‐
men Leben der Seele und der Überwindung des
Todes». Sein Verfasser ist ein tiefschürfender, stil‐
ler Gelehrter, der in einer abgelegenen Ge‐
meinde Thüringens ein anstrengendes Seelsor‐
geamt verwaltet, aber hoch über jeder dogmati‐
schen Gebundenheit steht und mit dem vorur‐
teilsfreien Forschermut des unvoreingenomme‐
nen Wahrheitssuchers an die Aufgaben heran‐
trat, die ihm die Abfassung dieses überaus gründ‐
lichen und bedeutenden Buches stellte.
.Jahrzehntelanges Forschen und sorgfältigstes
Beobachten fanden in seinem Werke ihren Nie‐
derschlag. Nichts was jemals alle Zeiten und Völ‐
ker zur Lösung des Unsterblichkeitsproblems bei‐
zutragen hatten, blieb dem Verfasser fremd, aber
darüber hinaus scheute er auch keine Mühe,
nicht weite Reisen und umfangreiche Korrespon‐
denzen, um
dem persönlich näher zu gelangen,
was er mit Recht für die einwandfreieste Basis je‐
der wissenschaftlichen Untersuchung der Un‐
sterblichkeitsfrage hielt: ‒ dem
Erlebnis. ‒
.So wurde sein Buch nicht nur zu einem auf‐
schlußreichen Handbuch für alle, die sich für
diese Frage interessieren, sondern, weit darüber
hinaus, zu einem durchaus persönlichen Werk ei‐
nes reifen Denkers.
.In leicht lesbarer, formvollendeter, oft dichte‐
risch verklärter Sprache, bleibt es trotz seiner wis‐
senschaftlichen Gründlichkeit auch dem völligen
Laien durchaus verständlich, ist auf jeder Seite in‐
teressant und voll Bedeutung, zeigt große Aus‐
blicke und gibt das Resultat der Forscherarbeit
seines Autors in einer so abgeklärten und seelisch
durchfühlten Form, daß ich nicht anstehe zu sa‐
gen: ‒
dieses Buch gehört zum Besten und Schönsten,
was jemals über das gleiche Problem geschrieben wurde!
.Aber es sei gleich hier schon bemerkt, daß ich
mich nicht mit allen Resultaten, zu denen Dr.
Vogl gelangt, einverstanden erklären kann, und
die Kenner meiner Schriften werden unschwer
die Stellen in dem hier empfohlenen Buche fin‐
den, auf die sich meine Einwände beziehen, so
daß ich kaum genötigt bin, Seite für Seite darauf
einzugehen.
.Im wesentlichen richtet sich die hier angedeu‐
tete kritische Stellungnahme nur gegen eine ge‐
wisse Weitherzigkeit des Verfassers, die ihn dazu
führt ‒ quasi aus einem Übermaß an Toleranz ‒
okkulte Phänomene sehr verschiedenwertiger Art
dennoch gleichwertig zu behandeln, und überdies
scheint mir die Gefahr zu bestehen, daß hier das
Phänomen oft allzusehr in den Vordergrund tritt,
um so das eigentliche
Erlebnis als
seelische Reaktion
zurückzudrängen. ‒ ‒
.Daneben habe ich meine Bedenken, wenn Dr.
Vogl das indische Nirvana-Erlebnis, das er zwar
wunderbar klar zu vermitteln sucht, in jener, eu‐
ropäischen Gelehrten und Okkultisten geläufi‐
gen und wohl auch bei einigen indischen Sekten
findbaren Weise ausdeutet, wie es nur auf psycho‐
pathologischer Basis zustandekommt.
.‒
Ich kenne es
anders, ‒ und auch bei
Rabindra‐
nath Tagore fand ich in diesen Tagen zu meiner
Freude eine dem echten Erfassen weit mehr ent‐
sprechende Erklärung. ‒
.So wunderschön daher auch das Schlußkapitel
des Buches «Unsterblichkeit» ausklingt, so würde
ich doch wünschen, der auf das
Nirvana-Erlebnis
bezügliche Passus wäre dort fortgeblieben, zumal
er auch
inkonsequent wirkt, denn hier gelangt der
Autor, nachdem er eingangs die
Unzulänglichkeit
des
Denkens zur Lösung des Unsterblichkeitspro‐
blems so überzeugend darlegt und alles Forschen
auf das Erlebnis gegründet sehen will, unverse‐
hens zur
Philosophie, und damit zum
Denken zu‐
rück, ‒ wobei ihm freilich zur Rechtfertigung die‐
nen mag, daß er speziell die
indische Philosophie
als auf das
Erlebnis gegründet auffaßt.
.Ich glaube aber, daß diese meine Einwände, die
ich keinesfalls verschweigen durfte, keinem Ein‐
sichtigen das Buch «
Unsterblichkeit» entwerten
können.
.Die ganze
Grundtendenz des Buches ist so
wert‐
voll und
hocherfreulich, die ganze
Gesamtgestaltung
des Buches ist so
vollendet, daß es wahrhaftig in sei‐
nem inneren Werte völlig intakt bleibt, auch wenn
da und dort eine Schlußfolgerung des Verfassers
so gegeben ist, daß man sie ‒ eben aus eigenem
Erlebnis heraus ‒ und einst belehrt von den beru‐
fensten «Wissenden» auf diesem Gebiet, als irrig
ansprechen muß. ‒ ‒
.Wer dieses Buch richtig zu lesen weiß, dem
kann es eine gesegnete Fülle innerer Aufschlüsse
vermitteln, und manches Wort seines Autors läßt
sich, besonders für Fortgeschrittene, in einer
Weise deuten, die ihm eine vielleicht von dem Au‐
tor selbst noch kaum ganz erfaßte Tragweite
gibt...
.Ich bin sicher, daß dieser Gelehrte auch keines‐
wegs bei seinen ersten Ergebnissen stehen bleiben
wird, ja ich habe begründete Anzeichen dafür,
daß er wohl schon heute zu Ergebnissen gelangte,
die es ihm durchaus erwünscht erscheinen lassen,
daß ich neben aller vorbehaltslosen Würdigung
seines Werkes doch auch nicht verschwiegen
habe, was mir aus meiner eigenen Einsicht heraus
noch der Nachprüfung bedürftig erscheint.
.Wer dieses Buch schreiben konnte, hat allen
Anspruch auf die
eindringlichste Beachtung aller, die
sich mit den magischen Tatsachen des Seelenle‐
bens befassen, umsomehr als die okkultistische Li‐
teratur nur
sehr wenige Werke aufweist, die auch
nur von ferne der Bedeutung dieses Buches
gleichkommen!
Dr.
Vogl darf als ein
Pfadfinder auf
den Gebieten des Übersinnlichen bezeichnet werden,
dessen Fußspuren zu folgen, jedem ernsthaften
Suchenden empfohlen werden muß. ‒
.Außer dem fesselnden
Inhalt des Buches «
Un‐
sterblichkeit» werden auch die im «Anhang» zusam‐
mengefaßten «Anmerkungen» und «Literatur‐
nachweise» hochwillkommen sein.
.Was da mit wissenschaftlicher Gründlichkeit
zusammengetragen wurde, ist schon
für sich allein
betrachtet: wertvollstes Material, das zum Teil weit
über die eigentlichen Ergebnisse des Buches
selbst hinausweist.
.Auf diese Art betrachtet, stellt sich das wegwei‐
sende und bedeutende Werk als ein
Führer in die
Grenzlande des Übersinnlichen dar, und ich erblicke
das Wertvollste des ganzen Buches in dem, was
der Autor
selbst zu sagen hat, aus eigenem Erle‐
ben, so daß ich all seinen, auf hoher Gelehrsam‐
keit beruhenden, philosophischen und mehr nur
spekulativ gearteten Expektorationen doch nur
se‐
kundäre Bedeutung beilege, im Hinblick auf die
Bekundung des
reichen und abgeklärten Geistes, die
uns aus dem Ganzen des Werkes entgegenstrahlt.
.In unserer Zeit, in der jeder geschickte Be‐
griffsjongleur sich berufen glaubt, die Welt mit
seinen Eintagserzeugnissen zu überschwemmen,
mit wissenschaftlich übertünchten Machwerken,
die nichts anders sind, als ein Aufguß aus schon
hundertmal gehörten okkultistischen Theore‐
men, ist es besonders dankbar zu begrüßen, wenn
ein
wahrhaft Berufener erscheint.
Als solchen aber
begrüße ich den Verfasser des Buches «
Unsterblichkeit»,
und ich bin über allen Zweifel sicher, daß sein
Buch
jedem Leser, auf welcher Stufe des Erken‐
nens er auch angelangt sein mag,
reichen Gewinn
bringen wird. ‒
.Trotzdem in dem Geleitwort des einen der drei
Übersetzer meines Namens als eines Gliedes der
Hierarchie des Geistes, in außerordentlicher
Weise gedacht wird, trotzdem die Einsichten der
Übersetzer sie unschwer als Schüler der Lehren
ausweisen, die ich in meinen Tagen den Men‐
schen meiner Zeit geben durfte, sehe ich mich
verpflichtet, mit Wärme für dieses mir eben über‐
sandte Büchlein einzutreten...
.Es wäre eine
falsche «Bescheidenheit», eine Be‐
scheidenheit, die der
Lüge nur allzu nahe käme,
wollte ich nicht auch meinerseits bestätigen, daß
die Übersetzer dieser kleinen Berichte
völlig ihre
Tragweite erkannten, daß sie auch in dem, was sie
* Bei den «Meister in Indien» handelt es sich nicht um 00
Leuchtende im Sinne von Bô Yin Râ, sondern um den zu 00
jener Zeit bekannt gewordenen Ramana Mahârshi und 00
dessen Chela Sastriar.
** Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Paul 00
Behnke, Alfred Müller und Edgar Treusein.
erläuternd hinzufügen zu müssen glaubten, mit
größter Sorgfalt bemüht waren,
sichersten Boden zu
gewinnen, und daß so diese kleine Schrift eine Be‐
deutung erlangte, die sie hoch emporhebt über
gar manches dickleibige Buch, in dem nach Art
der Lederstrumpf- und Robinsongeschichten von
denen gesprochen wird, deren geistigem Kreise
ich zugehöre, nicht durch eigenes «Verdienst»,
oder als «Belohnung» meines Strebens, sondern
weil sie mich selbst zu einem der ihren, und für
die mir von ihnen gestellte schwere Aufgabe in
sorglichster Weise bereiteten, wie sie auch jene,
für einen
kleineren Wirkungskreis Verpflichteten
bereitet haben, von denen die vorliegenden Be‐
richte eines offenbar sehr einfachen Mannes in
ungekünstelter Weise erzählen.
.Schon der Umstand, daß hier, wo gewiß die
sprachliche Übersetzung an sich keine Schwierig‐
keiten bot, doch keiner der Übersetzer
allein die
Verantwortung auf sich nehmen wollte, ergibt ei‐
nen Beweis dafür, wie sehr die drei Männer, die
dieses Büchlein in deutscher Sprache vorlegen,
sich bewußt waren, welche Wichtigkeit den Be‐
richten zugesprochen werden muß, die tatsäch‐
lich von einem auch von mir in Freundschaft ver‐
ehrten Wissenden weit höher geschätzt werden,
als fast alle, sonst so schwer zugänglichen okkulti‐
stischen Werke seiner wahrlich erlesenen und rei‐
chen Bibliothek. ‒
.Mir ist vor allem maßgebend, daß in diesem
kleinen Schriftchen jedes Wort, das die eigentli‐
che
Lehre betrifft, auf
Wahrheit beruht, daß
die all‐
gemeine Charakterisierung der beiden «Meister» ‒
vielleicht abgesehen von einigen wenigen und
nicht ins Gewicht fallenden mythologisierenden
Zügen ‒ tatsächlich die menschliche Wesensart
wirklicher «Meister»
getreu widerspiegelt, und daß so
der Suchende endlich befreit wird von den myste‐
riösen, theatermäßigen Vorstellungen, denen er
in fast allen anderweitigen Berichten über angeb‐
liche Mahâtmas zu erliegen droht, wenn er sich
nicht in gesundem Ekel vor derlei Mummen‐
schanz abwendet und dabei dann allerdings auch
das
Körnchen Wahrheit, das hinter allen diesen my‐
stifizierenden Erzählungen dennoch gesucht zu
werden verdiente, völlig aus den Augen verliert. ‒
.Ich kann daher das Büchlein «
Meister in Indien»
nur jedem Suchenden
ohne Vorbehalt empfehlen
und den von heiliger Ehrfurcht vor der Wahrheit
erfüllten, bereits sehr «wissenden» Übersetzern
Dank sagen, daß sie auf ihre Weise mithelfen, an
Stelle verwirrender und phantastisch ausge‐
schmückter Sagen, einfache
Tatsachen zu setzen,
die allerdings weit weniger seltsam klingen als der
bisher meist verbreitete, auf üppig gedüngter
Erde erwachsene mediumistische «Meister»‐
Spuk, dafür aber
Wirklichkeit sprechen lassen, wo
bisher
Traumwahn orakelte. ‒ ‒
.Die Ausstattung der kleinen Schrift ist äußerst
vornehm und die beiden, in vorzüglicher Repro‐
duktion wiedergegebenen
Photographien des
«Meisters»
Sastriar und des
Mahârshi, seines höhe‐
ren «Bruders», dürften jedem natürlichen, feine‐
ren Empfinden manches zu sagen haben, beson‐
ders im Vergleich zu gewissen
angeblichen «Mei‐
sterbildern», die noch unglaublicherweise in so
manchen okkultistischen, bzw. theosophischen
Kreisen Verehrung genießen, obwohl wahrlich
nicht allzuviel Kritikfähigkeit dazu gehören
dürfte, diese letztgenannten Phantome einer
überreizten Phantasie, die noch dazu in einer
künstlerisch so unmöglichen Art gestaltet wur‐
den, als das zu erkennen, was sie wirklich sind...
.Ich hoffe und wünsche, daß die vorliegenden
Berichte manches nur
erträumte Ideal endgültig in
sein leeres Nichts zurückweisen werden, um an
dessen Stelle
würdigeren Vorstellungen in bezug
auf jene Geisteseinheit Platz zu schaffen, die tat‐
sächlich
von Menschen dieser Erde verkörpert wird,
um
Licht zu verbreiten, wo
ohne sie nur der
finster‐
ste Aberglaube herrschen würde. ‒ ‒ ‒
.Nachdem man geraume Zeit in deutschen Lan‐
den einer gewissen Scheu vor jedem Gedichtband
begegnet war, bewegt sich heute unstreitig das In‐
teresse am Gedicht als solchem wieder in aufstei‐
gender Linie. Man empfindet wieder den seelen‐
lösenden Himmelstau, der aus wirklich guter Ly‐
rik, wie aus keiner anderen Form dichterischen
Schaffens sich über die eigene Stimmung hernie‐
dersenkt, weiß wieder jene subtilen Empfindun‐
gen zu schätzen, die Reim und Rhythmus der
Sprache entlocken können, kurz: man liest wie‐
der Gedichte!
.Nun ist aber in unserer Zeit, in der jeder dritte
Mensch mit leidlichem Geschmack oder grausa‐
mem Ungeschmack sich zum Reimen berufen
fühlt, der Kunstform des Gedichtes arge Unbill
widerfahren und widerfährt ihr noch Tag für Tag.
.Die alte Gartenlaubenlyrik gräßlichen Ange‐
denkens pudert und frisiert sich dem Zeitge‐
schmack entsprechend und gilt als «neue Dich‐
tung», während auf der anderen Seite barbari‐
sche Sprachverstümmelung eine seltsame Clow‐
nerie ihre geschmacklosen Kapriolen schlagen
läßt.
.Einsam steht ferne all diesem betulich-beflisse‐
nen Gebahren der wirkliche
Dichter, und gute Ly‐
rik, die, aus klingender Seele geboren, der Mut‐
tersprache Laute in Musik zu wandeln weiß, ist
seltener geworden als je. ‒
.In solchen Tagen ist es geradezu ein Labsal, ei‐
nem Gedichtbande zu begegnen wie dem vorlie‐
genden.
.Es sind durchweg nur kleinere Gedichte. Auf
dem Titelblatt des schmalen, auch in seinem Äus‐
seren überaus vornehm, still und edel wirkenden
Bandes steht, gleichsam als Vorzeichen der Ton‐
art, das Goethewort: ‒
.«Jeden Nachklang fühlt mein Herz froh- und
trüber Zeit,
.Wandle zwischen Freud' und Schmerz in der
Einsamkeit.»
.Und so wie hier über dem Tor des Gartens die‐
ser reifen, starken Dichterin ein Wort des von ihr
ehrfurchtdurchdrungen erfühlten Größten steht,
so gibt sie auch jedem Blumenbeete ihres Gartens
eine Inschrifttafel mit Versen Goethes.
.Vielleicht kein ganz ungefährliches Unterfan‐
gen? ‒ Aber wer diese reine, quellende Lyrik in
sich trägt wie
Erika von Watzdorf-
Bachoff, der darf
schon ruhig bewußt große Vergleiche wecken, die
manchem anderen recht fatal werden könnten. ‒
.«Heimat», «Einsamkeit und Erinnerung»,
«Weimar» und «Sternenfreundschaft» sind die
vier Teile des Gedichtbandes überschrieben. Der
Titel des Ganzen: «
Nachklang», weist von selbst auf
das lange vorher schon Erschienene zurück. Wem
das Schaffen der Dichterin, die
Johannes Schlaf
wahrhaftig nicht zu Unrecht nur der
Droste-
Hüls‐
hoff an die Seite stellen zu dürfen glaubt, nicht oh‐
nehin bekannt ist, dem seien hier ihre früheren
Bände genannt: das stattliche Bändchen «
Zwi‐
schen Frühling und Herbst», das bei
Cotta erschien,
sowie «
Das Jahr und neue Gedichte», 1913 bei
Kiepen‐
heuer erschienen. Dazu kommt noch der feinsin‐
nige, im Milieu ihrer Jugend spielende Roman
«
Maria und Yvonne», der ebenfalls bei
Cotta verlegt
wurde.
.Es ist nicht die Aufgabe des Rezensenten eines
Gedichtbandes, die einzelnen Gedichte irgend‐
wie inhaltlich zu erläutern. Auch würde es mir
verfehlt scheinen, dies oder jenes Gedicht zitieren
zu wollen, denn stets bleibt hier die Wahl viel zu
subjektiv bestimmt, und es besteht die Gefahr, das
Bild der Dichterin zu verzeichnen. Lyrische
Kunst in höchster Vollendung, herbsüße Frauen‐
lyrik voll rhythmischer Schönheit, eine Sprache,
die restlos in Wohllaut und Klang aufgeht, bietet
jede Seite des Bandes! Ich sage mit Vorbedacht:
Frauenlyrik, denn nichts ist hier männlichem Füh‐
len nachempfunden, alles kündet nur von dem
reichen, starken Schwingen und Sehnen einer in
Freud und Leid gleich erlebenstiefen Frauen‐
seele. Erika von Walzdorf-Bachoff gehört zu den
wenigen Erlesenen der heutigen Menschheit, die
in weiser Selbstgestaltung ihr Leben zu formen
wissen, so daß nichts Unedles ihnen zu nahen ver‐
mag. Aus solcher Lebensformung fließt das Werk
der Dichterin. Solcher Selbstdarstellung dankt sie
die unbestreitbare Eigenform ihrer Gedichte.
Wer Vollendetes liebt und Echtes zu beurteilen
weiß, der wird ihre Kunst, die stets nur reifster
Ausdruck innersten Fühlens ist, wahrlich zu
schätzen wissen.
ES kam ein Mensch zu mir, der einer meiner
nächsten Schüler werden mußte, weil er es
lange vorher schon im Geistigen war.
.Dieser Mensch wurde mir zum intimsten
Freunde.
.Was Wunder, wenn er als Kunsthistoriker sich
berufen und bewogen fand, ein Buch über meine
Kunst zu schreiben.
.Ich kann dieses Buch nicht hinausgehen lassen,
ohne ihm ein paar Geleitworte mitzugeben.
.Freilich kann ich nur
über das Buch selber spre‐
chen, denn es stünde mir übel an,
seine Werturteile
zu begutachten.
* Bezieht sich auf «Der Maler Bô Yin Râ» von R. Schott, 00
München, Hanfstaengl. 1927. Eine zweite erweiterte 00
Ausgabe erschien 1960 in der Koberschen Verlagsbuch‐ 00
handlung, Bern.
.Was aber das Buch selber betrifft, so kann ich
nur sagen, daß es mit einer Einfühlungssicherheit
und genialen Erfassung des Wesentlichen ge‐
schrieben ist, die für mein eigenes Urteil sicher
ans Wunderbare grenzt.
.Es ist hier unendlich vieles zu Worte geworden,
was mir selbst immer unaussprechlich schien.
.Aber es ist die alte Geschichte: ‒ ohne den An‐
schlag des Stahles springt der Funke nicht aus
dem Feuerstein. ‒ ‒
.Ich sollte
Rudolf Schott, der das Buch über den
Maler Bô Yin Râ geschrieben hat, eigentlich recht
«böse» sein, denn er hat mich bis aufs Blut ge‐
quält, um alles das aus mir heraus zu holen, was er
für sein Buch zu brauchen glaubte.
.Allein, das Resultat seiner unermüdlichen Ar‐
beit zwingt mich denn doch, ihm vor aller Öffent‐
lichkeit für die Tortur zu
danken, der er mich so
manchen Achtstundentag und manche Nacht‐
stunde hindurch mit unerbittlicher Grausamkeit
unterworfen hat.
.Es war lediglich die
Kunst seiner Fragestellung,
die es mir ermöglichte, ihm tausend Dinge auf‐
zuklären, die mir jedem anderen Menschen ge‐
genüber als unsagbar erschienen wären.
.So kam ein Material zutage, dessen Fülle mich
selbst in Erstaunen versetzte.
.Aber gerade auf dieses Material hatte es
Schott
abgesehen, und mit intuitiver Sicherheit wußte er
daraus sein einzigartiges Buch zu gestalten.
.Möge es allen die Augen öffnen, die sehen ler‐
nen wollen!
.Ich habe nichts Besseres in ihre Hand zu ge‐
ben. ‒ ‒
.Daß in dem Buche nichts besprochen ist, was
nicht auch
bildhaft dargestellt wäre, dürfte zweifel‐
los als besonderer Vorzug zu betrachten sein.
.Sollte man mehr in dieser Art erwarten, so wird
der Autor auch noch mehr zu sagen und zu zeigen
haben, obwohl er bereits hier wahrlich überrei‐
chen Stoff zum Nachdenken und Nachfühlen bie‐
tet.
.Ich begrüße dieses Buch als Wegweiser für Tau‐
sende, ganz abgesehen davon, daß es ein wahrhaft
zuverläßiger «Cicerone» ist in den Gebieten geisti‐
ger Kunst!
.Dem Kunstverlag
Hanfstaengl aber weiß ich
Dank für die vorzügliche Ausstattung.
Auf eine Anfrage an Bô Yin Râ, ob es ihm unerwünscht er‐ 00
scheinen würde, wenn wir das in unserem Verlag (Richard 00
Hummel Verlag, Leipzig) seinerzeit erschienene obenge‐ 00
nannte Brevier weiter propagierten, bzw. ob es durch 00
seine Bücher unnötig sei und forthin zurückzuziehen 00
wäre, erhielten wir nachfolgend wiedergegebene Ant‐ 00
wort:
.Ihre Anfrage kommt mir durchaus nicht über‐
raschend, denn auch bei mir sind im Laufe der
Zeit zahlreiche und einander stark widerspre‐
chende Urteile eingelaufen.
.Es scheint mir aber ein allgemeiner Irrtum vor‐
zuliegen, sowohl bei den begeisterten
Freunden
des «Breviers», wie bei seinen
Kritikern, die gewiß
formal im Recht sind, wenn sie dagegen geltend
machen, daß man ‒ herkömmlicherweise ‒ soge‐
nannte «Breviere» erst dann zusammenstelle,
wenn man das Lebenswerk eines Autors als ab‐
geschlossen betrachten dürfe. Jedoch folgt aus
solchem Herkommen keinerlei Gesetz! Es ist
nicht einzusehen, weshalb man nicht aus
jedem
vorliegenden reichlichen Material an Sentenzen
ein Buch zusammenstellen dürfte, einerlei, ob der
Autor schon verstorben ist oder noch im Schaffen
steht. An sich bedeutet ein Kurzbuch mit gesam‐
melten Aussprüchen ja noch nichts Abschließen‐
des. Meines Erachtens ist ein solches Buch überall
da berechtigt, wo eine größere Reihe von Senten‐
zen jederzeit leicht zugänglich gemacht werden
soll, einerlei ob von der gleichen Stelle her noch
weiterhin Produktives ausgeht oder ob man vor
einem bereits abgeschlossenen Lebenswerke
steht.
Was aber nun das von Rudolf Schott aus meinen
Werken zusammengestellte «Brevier» angeht, so
liegt da
ein Sonderfall vor, der eigentlich vielleicht
von Anfang an einer Erläuterung bedurft hätte,
denn meines Wissens kam es dem feinsinnigen
Autor des Ludwig-Richter-Buches und der «Reise
in Italien», der das ausgezeichnete Wort von der
«
inwendigen Antike» geprägt hat, viel weniger auf
eine Sentenzensammlung an als eben um das Auf‐
zeigen dieser von ihm auch in meinen Werken er‐
fühlten «inwendigen Antike» unter Benutzung
meiner eigenen Worte, die hier gleichzeitig das
Aufgezeigte
bestätigen sollten.
.Gewiß dachte er daneben auch daran, daß die
gegebenen Zitate manchem Leser meiner Werke
zuweilen schon an sich willkommen sein könnten,
‒ so etwa auf Reisen, wo die Bücher nicht alle mit‐
geführt werden, ‒ oder auch um Neulingen einen
bequemen Überblick verschaffen zu können über
die Begriffs- und Gedankenkreise, die mein Leh‐
ren umfaßt. Er hat das ja auch in seiner, übrigens
im Hauptinhalt wirklich ganz einzigartig bedeu‐
tungsvollen «Einführung» nebenher erwähnt.
Aber weitaus wichtiger war ihm natürlich doch
das, was er in den von ihm gewählten Zusammen‐
fassungen mit meinen Worten aufzeigen wollte.
Das erklärt auch seine Wahl der einzelnen Be‐
griffe, durch die er meine Aussprüche zusam‐
menbündelt, wie «Geist», «Seele», «Körper»,
«Ich», «Du» u.s.f., wie auch die nicht immer gleich
erkundbare Motivierung für die mitunter schein‐
bar kaum gerechtfertigte Einbeziehung von ein‐
zelnen Aussprüchen, die ich vielleicht selber in ei‐
ner bloßen Sentenzen-Anthologie nicht als beson‐
derer Hervorhebung entsprechend erachtet
hätte. Als ich aber einmal während unfreiwilliger
Bettruhe die Möglichkeit fand, alles sorgfältig
kontrollierend durchzulesen, blieb kein einziges
Zitat übrig, von dem ich noch weiterhin geurteilt
hätte, daß es an seiner Stelle überflüßig sei. Es
wird auch das zuerst Befremdende sogleich deut‐
lich, wenn man sich klar macht, daß die Aussprü‐
che dazu dienen sollen, mein Verkündungswerk
von verschiedenen Seiten her in klarer Kontur fassen
zu lehren.
Gelegentlich ist mir in kritischen Äußerungen
über das vermeintlich «überflüssige» ‒ in Wahr‐
heit aber so überaus zum Nachdenken anregende
und seelisch fördernde ‒ Werkchen, das da, unter
Benutzung meiner Worte, über meine Bücher ge‐
schrieben ist, und vielleicht das Authentischste
darstellt, was von einem Anderen darüber ge‐
schrieben werden
kann, ‒ auch der Einwand be‐
gegnet, es seien doch auch Stellen gebraucht, die
in späteren Neuausgaben mehrerer Bücher end‐
gültig eine andere Fassung erhalten haben. Die‐
ser Einwand kommt aber nur zustande durch die
recht merkwürdige Annahme, als bilde
die endgül‐
tige Formung, wo sie von mir für notwendig ge‐
halten wurde, etwa gar eine
Negierung der vorher
gebrauchten Formulierung. Wer zu solcher An‐
sicht neigt, dem muß ich jedoch hier eindeutig sa‐
gen, daß ich selbstverständlich zu
jedem Wort
stehe, das ich
jemals in die Öffentlichkeit gegeben
habe, so daß die späterhin erfolgte Andersformu‐
lierung natürlich niemals das zuerst gegebene
Wort von meiner Verantwortung ablösen könnte.
Insofern stellt also Schotts «Brevier» geradezu
den Beweis dafür dar, daß die mittlerweile in
Neuausgaben einzelner meiner Bücher getroffe‐
nen Neuformulierungen natürlich nichts am Sinn
des Ganzen verändert haben.
.Aus all dem Vorstehenden werden Sie gewiß
schon ersehen, daß ich das unter Verwendung
meiner eigenen Worte seinerzeit von Rudolf
Schott gestaltete Erläuterungswerk zu meinen
Büchern, das er als «Brevier» herausgab, ganz ge‐
wiß nicht für etwas Überflüssiges halten kann. Na‐
türlich will und kann dieses Buch, auch wenn es
das, was Schott die «inwendige Antike» nennt,
an
meinen eigenen Worten aufzeigt, niemals auch nur
eines meiner Bücher «ersetzen», aber man würde
sich ja auch einer kuriosen Vorstellung hingeben,
wenn man der törichten Annahme Raum lassen
wollte, als wäre die
doch von mir gutgeheißene Ent‐
stehung des «Breviers» der Absicht zu verdanken,
einen «Ersatz» für meine Bücher zu schaffen.
.Ich bin Ihnen nur dankbar, wenn Sie dem «Bre‐
vier» auch weiterhin die Wege zu denen offenhal‐
ten wollen, die es brauchen können, was von
jedem
Leser meiner Bücher mit Bestimmtheit zu sagen
ist! Freilich sollte kein Benützer dieses «Breviers»
darin nur eine bloße Anthologie sehen, sondern
in erster Linie ein in acht Kapiteln bewußt aus
meinen Worten gestaltetes Buch über mein Ver‐
kündungswerk, das ihm für sehr vieles in meinen
Büchern die Augen öffnen kann. Auch die «Ein‐
führung» Schotts ist dabei gewiß nicht auszuneh‐
men!
BÔ YIN RÂ bittet um Veröffentlichung nachfolgender Zeilen:
.«Je mehr meine Bücher zu einem wertvollen
Besitz vieler Leser werden, desto ungeheuerli‐
cher häuft sich die Masse der Zuschriften, die mir
direkt oder durch Verlagsvermittlung zugehen,
entweder um Dank und Freude Ausdruck zu ge‐
ben, oder um persönliche Fragen zu stellen.
.Anfänglich versuchte ich, alle derartigen Briefe
gewissenhaft zu beantworten; wollte ich aber auch
weiter bei dieser Gepflogenheit bleiben, dann
müßte ich
jede andere Tätigkeit einstellen und könnte
dennoch die Stöße von Briefen nicht auf solche
Weise beantworten, wie es meinem Empfinden
und meinem Willen, Hilfe zu bringen, entspre‐
chen würde. ‒
.Es ist im übrigen bis auf den heutigen Tag noch
keine einzige Anfrage an mich ergangen, auf die
sich der Fragende mit einigem guten Willen und
etwas Nachsinnen, auf Grund logischer Folge‐
rungen aus den durch mich gegebenen Lehren,
nicht
selbst die Antwort hätte geben können...
.Jene anderen zahllosen Zuschriften aber, die
nur dem Dank und der Freude, oder der inneren
Zustimmung des Herzens Ausdruck geben sollen,
muß ich leider gleichfalls fürderhin unbeantwor‐
tet lassen, obwohl ich gewiß gern jedem einzelnen
Briefschreiber von Herzen danken möchte.
.Vielfach scheinen die Absender der an mich ge‐
richteten Briefe anzunehmen, daß die
Einsendung
des Rückportos alle der Antwort im Wege stehenden
Umstände beseitigen müsse. Gern wollte ich je‐
doch die Portospesen tragen, sähe ich überhaupt
noch
eine Möglichkeit, all diese Briefe zu beantwor‐
ten, ohne meine anderen bindenden Lebens‐
pflichten zu vernachläßigen, ja gänzlich unerfüllt
zu lassen.
.Allen, die in den letzten Monaten an mich ge‐
schrieben haben und keine Antwort mehr erhal‐
ten konnten, sage ich hiermit herzlichen Dank
und bitte zugleich, die Nichtbeantwortung nicht
als Zeichen der mangelnden Anteilnahme an dem
jeweiligen Einzelschicksal auslegen zu wollen! ‒
.Ich bin kaum mehr imstande, auch nur alles
zu
lesen, was man mir zuschickt, und ich glaube
nichts Unmögliches zu erwarten, wenn ich an‐
nehme, daß man bei einiger Überlegung begrei‐
fen wird, wie vieles durch meine Geistesarbeit ge‐
tan sein will, und daß auch ich nicht in der Lage
bin, zu gleicher Zeit den mir übertragenen Pflich‐
ten zu genügen, wenn ich von Sonnenaufgang bis
zur Mitternacht nur Zuschriften beantworten
wollte.»
BÔ YIN RÂ ersucht uns um die Verbreitung folgender Mitteilung:
.In den letzten Jahrgängen der «Säule» (bzw.
der «Magischen Blätter») waren zahlreiche Bei‐
träge von mir zu finden, so daß es manchen Le‐
sern zuletzt als ganz selbstverständlich erschien,
daß sie in jeder Nummer der Zeitschrift meinen
Abhandlungen begegnen müßten.
.Nun liegt es aber gewiß nicht in der Art meines
Lehrauftrags, die Mitarbeit an Zeitschriften zu er‐
streben, sondern es hatte sich zwanglos aus dem
freundschaftlichen und Schülerverhältnis des
Herausgebers und Verlegers der «Säule» zu mir
ergeben, daß ich dieser seiner Zeitschrift einzelne
in sich geschlossene Teile meiner für zukünftiges
Erscheinen in Buchform vorbereiteten Schriften
zum
Vorabdruck überließ.
.Gelegentlich nur kamen auch Themen zur Be‐
handlung, die der Tag nahegelegt hatte und über
die ich mich den Lesern der Zeitschrift gegenüber
äußern wollte.
.Niemals aber war es von mir beabsichtigt, mei‐
nerseits die «Magischen Blätter» oder die «Säule»
ad infinitum mit Beiträgen versehen zu wollen,
sondern ich hoffte stets darauf, daß sich ein Stab
gediegener Mitarbeiter zusammenschließen
möge um mir die Mitsorge für die als nötig und
bedeutsam erachtete Zeitschrift abzunehmen.
.Mehr und mehr fand diese Hoffnung auch ihre
Erfüllung, und gleichzeitig plante der Verlag eine
gewiße Neugestaltung der «Säule», wie sie der
laufende neunte Jahrgang bereits erfreulicher‐
weise zeigt.
.Hier war die Zeit meiner Entlastung nun ge‐
kommen und wenn ich auch wußte, daß ein künf‐
tiger Ausfall meiner Beiträge vorerst zu allerlei
Legendenbildungen Anlaß werden könne, so
durfte ich mir doch auch sagen, daß alle einsichti‐
gen Leser alsbald auf die Spur der
wahren Gründe
meines Zurücktretens als «Mitarbeiter» der Zeit‐
schrift geführt würden, die mir so nahe steht wie
je zuvor.
.Was mir aber da und dort neuerlich zu Ohren
kommt, läßt es mir nachgerade als Pflicht erschei‐
nen, den Lesern der «Säule» klar und deutlich zu
sagen, wie
ferne der Wahrheit
alle Vermutungen
sind, die aus dem Fehlen meiner Beiträge auf ir‐
gendwelche Veränderung meiner Wertschätzung
der Zeitschrift oder gar ihres Herausgebers und
Verlegers schließen möchten!
.Ich stehe der Neugestaltung der «Säule» seit
Beginn des laufenden neunten Jahrgangs sogar
mit
besonderer Sympathie gegenüber und bin si‐
cher, daß Herausgeber und Mitarbeiter auf dem
nun betretenen Wege
immer Besseres schaffen, im‐
mer mehr
segensreiche Klärung bringen werden.
.Was ich
persönlich den Lesern der «Säule» zu sa‐
gen habe, ist
allein in meinen Büchern zu finden und
soll
nur dort gesucht werden!
.Die Zeitschrift hat nicht den Zweck, mich zu
Wort kommen zu lassen, sondern soll
durch dazu
Berufene, ‒ aber auch
nur durch solche! ‒ Fragen
der Lebenspraxis, Probleme der Vorstellung und
der zeitgegebenen Mentalität im
Lichte der durch
mein Wirken verbreiteten Lehren klären helfen, ‒
soll
aufzeigen,
wie die unerschütterbare Wahrheit dieser
Lehren den nach ihnen Lebenden offenbar und bestim‐
mend wurde. ‒
.Längst gemahnt, meine physische Gesundheit
nicht ganz außer acht zu laßen, die durch eine al‐
len Nahestehenden bekannte, beispiellose Ar‐
beitsüberbürdung und stete Sorge um Andere
seit Jahren um ihre primitivsten Rechte kam, muß
ich auch die äußeren Bedingungen zu erhalten
suchen um alle Kraft
auf das Werk konzentrieren zu
können, das mir zu vollbringen geboten ist und
das wahrlich
den ganzen Menschen verlangt...
.Daß die Nötigung, einzelne Teile aus noch un‐
vollendeten Schriften in den Vorabdruck hinzu‐
geben, zur quälenden Störung der Arbeit an der
Endgestaltung einer Schrift werden kann, brau‐
che ich wohl keinem Menschen zu sagen, der die
Bedingungen geistigen Schaffens auch nur von
ferne erahnt. ‒
.Manches ist mir so in den Jahren meiner
«Mitarbeit» an der Zeitschrift verlorengegangen,
was ich bis heute noch nicht wiederbringen
konnte. ‒ ‒
.Unmöglich aber wäre es mir, außer allem ande‐
ren Tun das meine Kräfte braucht, noch beson‐
dere Abhandlungen, nur für die «
Säule» be‐
stimmt, zu formen, und wie ich oben dargelegt zu
haben glaube, ist es auch gewiß nicht mehr von‐
nöten.
.Hier sollen nun Menschen sprechen, die in sich
erlebten, was meine Schriften sie erleben
lehrten,
und die
befähigt sind in Wortgestalt zu
formen was
sie innerlich erfüllt.
.Alle Unfähigkeit zur Darstellung, ‒
alle Unzuläng‐
lichkeit der Gestaltung aber möge diesen Blättern
fernebleiben, und jeder der an ihnen mitzuarbeiten
berufen ist, sei stets sich der
Verantwortung bewußt,
die jeder übernimmt, der Anderen auf
seine Weise
Hilfe bringen will, damit auch ihnen nach der
Weise
ihrer Seele Licht und Wahrheit werde. ‒ ‒
HIER sollte der mir freundschaftlich naheste‐
hende Herausgeber der «Säule» eigentlich
weghören, denn was ich sagen will, gilt zwar ihm
und seiner Arbeit, geht aber mehr seine Freunde
und vielleicht ‒ auch Feinde ‒ an, als ihn selbst.
.Was ich ihm selbst zu sagen hatte, ob es nun An‐
erkennung war oder zuweilen auch ernste Kritik,
das hat er stets in
direkter Aussprache erfahren,
und so wird er auch heute wieder von mir hören
wie ich's meine, ohne daß ich dazu des freundli‐
chen Setzers Mithilfe in Anspruch nehmen
möchte.
.Ich will hier nur zu den Lesern dieser Zeit‐
schrift sprechen, die mit dem vorliegenden Heft
ihren zehnten Jahrgang erfolgreich vollendet.
.Mit der
Zeitschrift feiert zugleich ihr
Verlag sein
zehnjähriges Bestehen.
.Was das in so schwerer Zeit heißen will, wissen
am besten die dem Buchhandel Nahestehenden,
die während dieser zehn Jahre so viele Verlage
und Zeitschriften entstehen, aber auch alsbald
wieder verschwinden sahen. ‒ ‒
.Es ist gewiß leicht, an der allgemeinen Berufs‐
tätigkeit eines Verlegers, und noch leichter, an ei‐
ner von ihm herausgegebenen Zeitschrift
Kritik zu
üben, aber oft recht schwer, der trotz allem Anlaß
zur Kritik dennoch geleisteten
positiven Arbeit ge‐
recht zu werden.
.Auch ich konnte mich in Sachen der «Säule» ge‐
wiß nicht immer einer wohlwollenden Kritik ent‐
halten, ‒ auch mir erschien gewiß nicht jeder Bei‐
trag, dem die Zeitschrift Raum gab, der Auf‐
nahme würdig, und noch weniger konnte ich eine
allzu weitherzige Liberalität gutheißen, die in der
Aufnahme von Beilagen oder auch redaktionell
befürworteten Buchanzeigen zum Ausdruck
kam, und zu der sich der Verleger für beruflich
verpflichtet halten mochte.
.Ich muß aber nachdrücklichst dennoch beto‐
nen, daß es recht verkehrt wäre, aus solchen sicht‐
lichen Mißgriffen heraus voreilige Schlüsse zu zie‐
hen und die geistige Einstellung des Herausge‐
bers, der hier sein eigener Verleger ist, besorgt in
Frage zu stellen.
.Ich weiß, daß stets nur das Beste erstrebt
wurde, auch dann, wenn die Wohlmeinenden
schärfste Kritik üben zu müssen meinten und oft
auch mich auf ihrer Seite fanden.
.Nicht umsonst stehe ich bis auf d. heutigen Tag die‐
ser Zeitschrift mit allem Vertrauen und mit den wärm‐
sten Wünschen für ihr ferneres Gedeihen gegenüber!
.Nicht umsonst verbindet mich aufrichtigste Be‐
freundung und Hochschätzung mit ihrem Her‐
ausgeber und Verleger!
.Nur zu gut kenne ich die großen Schwierigkei‐
ten, denen sein lauterer Wille sich in diesen zehn
Jahren immer wieder gegenüber sah, und ebenso
weiß ich, daß so manches, was andere zur Kritik
nötigte, auch von ihm nicht gebilligt wurde,
mochte er es auch, der Macht äußerer Verhält‐
nisse gegenüber, nicht verhüten können.
.Es steckt eine immense Arbeit und ein ganz un‐
gewöhnliches Maß freudiger Hingebung in die‐
sen zehn Jahrgängen der Zeitschrift und der
gleichzeitigen Verlagsentwicklung, ganz abgese‐
hen von dem tiefen Bewußtsein, durch das alles
mit den eigenen Kräften der Ausbreitung geisti‐
gen Lichtes zu dienen!
.Die in solcher Weise betriebene Treue der ein‐
mal gestellten Aufgabe gegenüber, verdient um so
mehr Anerkennung, weil es sich im wesentlichen
hier stets nur um ein Wirken aus idealer Intention
handelte, die bei allem, was sie erstrebte, das ma‐
teriell Mögliche streng im Auge behalten mußte.
.Allzuwenig wird beachtet, daß es sich hier um
eine Zeitschrift handelt, die einer noch keines‐
wegs konventionell ausgemünzten Form geistiger
Erkenntnisse Ausbreitung zu schaffen sucht, so
daß es überaus schwer hält, die wirklich geeigne‐
ten und allen Einwänden überlegenen Mitarbei‐
ter zu erlangen.
.Ebensowenig aber ist man sich auch der Tatsa‐
che bewußt, daß der Bezugspreis einer Zeitschrift,
die sich nach Möglichkeit von artfremden Insera‐
ten und Beilagen freihalten soll, kaum die Druck‐
und Versandkosten deckt, so daß es der Beihilfe
vieler, die heute noch lässig, wenn auch wohlmei‐
nend und kritikbereit zur Seite stehen, bedürfte,
um das an sich auch finanziell gesunde, gegebene
Fundament zu einem seiner Tragkraft entspre‐
chenden Aus- und Aufbau zu nutzen. ‒
.Aus allen diesen Erwägungen heraus kann ich
meinem Glückwunsch zur Vollendung des zehn‐
ten Jahrgangs dieser Zeitschrift nur die Form des
Appells an alle, die es angeht, geben, sich selbst
einmal zu überlegen, ob das, was da nun bereits
ein volles Jahrzehnt überdauerte, nicht doch da‐
mit den Beweis seiner Notwendigkeit erbrachte,
und somit auch den Beweis einer Ausbaufähig‐
keit, die sich nur dann in der Tat bewirken läßt,
wenn gleichstrebende Beihilfe sich dem Heraus‐
geber und Verleger freudig zu verbinden gewillt
ist. ‒
.Geschieht, was Einsicht und Weitblick hier mit
einigem Einsatz der im irdischen Getriebe auch
dem Geistigen nötigen Mittel bewirken können,
so bin ich ganz außer Sorge über die Frage maß‐
geblicher Mitarbeiterschaft, die der «Säule» jenes
Niveau sichern wird, das die näheren Freunde
der Zeitschrift von ihr mit Fug und Recht erwar‐
ten.
.Dann dürfte nach der Vollendung eines weite‐
ren Jahrzehnts wohl kaum noch die Frage erho‐
ben werden können, ob solcher Ausbau vonnöten
war und ob sich der hierfür bereitgestellte Einsatz
lohnte. ‒
.Der Begründer und Herausgeber dieser Zeit‐
schrift wird stets das Verdienst für sich in An‐
spruch nehmen können, ihre Fundamente so tief
verankert zu haben, daß sie auch den hochra‐
gendsten Aufbau zu tragen imstande sein wür‐
den.
ES sind mir zu meinem fünfzigsten Geburtstag
fast unzählige Glückwunschbriefe und Tele‐
gramme ins Haus geflogen, so daß meine anfäng‐
liche Absicht, jedem einzelnen Gratulanten per‐
sönlich zu danken, sich leider als
unausführbar er‐
weist, und ich mich in der Zwangslage sehe, we‐
nigstens von den Lesern dieser Zeitschrift die Er‐
leichterung erbitten zu müssen, daß sie mir gütig
erlauben, ihnen auf
diese Weise von Herzen Dank
zu sagen. ‒
.Wenn auch der so überreich gefeierte, mit Blu‐
mengrüßen und Geschenken bedachte Tag für
mich nur insofern von besonderer Bedeutung
war, als noch vor kurzer Zeit nicht allzusicher
stand, daß ich ihn in dieser Sichtbarkeit erleben
würde, so waren mir doch diese unerwartet zahl‐
reichen Zeichen der Liebe und Verehrung, die
mir aus aller Welt zugesandt wurden, Anlaß ge‐
rührter Freude und Dankbarkeit genug, um ihn
in frohem Festempfinden und mit heißen Segens‐
wünschen für Alle, die mich liebend zu ehren
suchten, als rechten «Feiertag» zu begehen. ‒ ‒
.Freilich nehme ich die mir entgegengebrachte
Liebe und Ehrung auch gewiß nicht
für mich per‐
sönlich in Anspruch, sondern sehe in dem allen
nur die freudige Dankbarkeit der Seelen, die an
Hand der durch meine Bücher der Welt wieder‐
geschenkten Lehren, beglückt zu sich selber fan‐
den, und in sich selbst zu ihrem
lebendigen Gott.
.Daß ich noch weiterhin allen zum Lichte Stre‐
benden auf den Weg helfen darf, ist für mich das
schönste Geschenk des Himmels, denn ich weiß
nur zu gut, welche Aufgaben noch darauf warten,
von mir getan zu werden...
.In Zeiten hoher religiöser Kultur ist es verhält‐
nismäßig ein Leichtes, den Weg zum Lichte zu zei‐
gen, da im Vorstellungsleben Aller die grundle‐
genden Voraussetzungen gegeben sind, die zu‐
nächst einmal da sein müssen, soll einige Hoff‐
nung bestehen, daß es gelinge, die Augen der
ernstlich Suchenden zu öffnen.
.Heute aber gilt es vor allem, erst einmal diese
Voraussetzungen
wieder zu schaffen, und der Weg,
der gezeigt werden soll, ist überdies derart von
dürrem und grünem Gestrüpp überwuchert, daß
es vonnöten ist, ihn erst wieder zu
bahnen und al‐
lenthalben neue Wegmarken zu setzen, damit der
Suchende vor den verderblichsten Irrgängen be‐
wahrt werde. ‒
.So sehe ich denn bis heute
noch kaum das Allernö‐
tigste getan, wenn meine Lebensaufgabe wirklich
erfüllt werden soll, und mehr denn je bin ich mir
heute der Tatsache bewußt, daß mein Wirken
durchaus nicht außerhalb der Gesetze steht, die
jegliches menschliche Schaffen bestimmen, so
daß auch in meinem Verkündungswerke ohne
Zweifel die Linie einer allmählichen Entfaltung
einst feststellbar sein wird, sei es auch nur im Hin‐
blick auf die Fähigkeit, das oft fast Unsagbare in
Worten menschlicher Sprache zum Ausdruck zu
bringen...
.Aus innerster Gewißheit kann ich sagen, daß
ich wohl auch nach weiteren fünfzig Jahren, wenn
solches im Bereich der mir bestimmten irdischen
Lebensbahn gegeben wäre, mich noch in gleicher
Weise erst am Beginn meines Wirkens fühlen
würde, denn keine Kunst der Sprache ist jemals
vollendet genug, um dessen wahrhaft würdig zu
werden, was ich meinen Mitmenschen hier auf
Erden zu Bewußtsein bringen soll! ‒ ‒
.In solcher Erkenntnis weiterwirkend, danke
ich allen, die den «Weg» betreten haben, daß sie
nicht Anstoß nahmen an dem, was etwa Mangel
menschlichen Ausdrucksvermögens nicht zu faß‐
lichster Verständlichkeit kommen ließ, und sich
an das
unmißdeutbar Gegebene hielten, das in ih‐
rem eigenen Herzen Widerhall fand, um so zur
Gewißheit auch dessen zu gelangen, was meine
Worte noch im Dunkel lassen mußten! ‒
.Möge es mir beschieden sein, den Pfad immer
mehr erhellen zu dürfen, zum Besten derer, die
ihn bereits betreten haben, wie nicht minder aller
jener, die ihn, durch meine Worte bewegt, zu‐
künftig in sich suchen wollen! ‒
.Die frohe Hoffnung, für Gegenwart und alle
Zukunft Weg und Ziel stets lichter und klarer be‐
zeichnen zu können, und damit die Zahl der Men‐
schen zu vermehren, die schon hier auf Erden
zum untrüglichen Bewußtsein ihres
ewigen Le‐
bens gelangen, läßt mir vor allem anderen mein
weiteres Erdendasein, dem es an Mühe, Arbeit
und Sorge wahrlich noch niemals fehlte, als aller
mir so liebevoll zugedachten Wünsche wert er‐
scheinen! ‒ ‒
Im Dezember, 1926
ES ist gewiß nicht die Schuld der Schriftleitung
dieser Zeitschrift*, wenn meine Worte des
Dankes erst so spät all jenen Lesern vermittelt
werden, die mir bei Gelegenheit meines fünfzig‐
sten Geburtstages liebe Grüße und Glückwünsche
sandten.
.Äußere Umstände verschiedener Art ließen
mich nicht eher dazu kommen, das hier Gesagte
niederzuschreiben, und diese Verzögerung war
mitbedingt durch meine anfängliche Absicht, den
einzelnen Gratulanten, wenn irgend möglich,
brieflich zu danken oder danken zu lassen.
.Leider wurde das zu einem Ding der Unmög‐
lichkeit.
.So hoffe ich denn, daß mein verspäteter Dank
wohl doch auch jetzt noch entgegengenommen
werden mag, und daß man es mir nicht verübelt,
*«Magnum Opus», Freiburg i.Br.
wenn ich ihn nur auf diese Weise zum Ausdruck
bringen kann.
.Wenn ich auch selbst sehr wenig Wert auf die
Wiederkehr der Daten des Kalenders lege, so war
es mir doch wahrhaft wohltuend und beglückend,
von so vielen zum Lichte Strebenden aus aller
Welt die rührendsten Zeichen der Verehrung
und Liebe zu empfangen.
.Ich bin dabei sehr weit davon entfernt, diese
Bekundungen der Dankbarkeit etwa auf mich
persönlich zu beziehen, und es wurde mir vielmehr
Anlaß besonderer Vertiefung meiner Freude, al‐
les, was man mir zu sagen kam, geistig an der
Quelle niederlegen zu können, aus der die Lehre
entströmt, der ich den Weg zu den Herzen zu be‐
reiten suche...
.Aus den allermeisten Zuschriften war denn
auch wirklich bereits zu ersehen, daß die mich Be‐
grüßenden im Innersten erfühlt oder erahnt ha‐
ben, um was es sich in meinem Wirken handelt
und allein handeln kann, und wenn andere auch
noch erkennen ließen, daß ihnen noch nicht recht
zu Bewußtsein kam, wie weit entfernt die Offen‐
barung des Urlichtes, die
allein ich der Welt zu
vermitteln habe, aller spekulativ erdachten Er‐
denweisheit ist ‒ wenn auch einige gar mir dan‐
ken zu müssen glaubten für meine «tiefschürfen‐
den Gedanken» oder meine «lebensbejahende
Philosophie», so war doch auch das herzlich gut
gemeint, und ich zweifle kaum daran, daß auch
diesen noch mehr
außen Stehenden im Verlaufe
der Zeit ein tieferes Eindringen möglich werden
wird, wie es die Erkenntnis der ewig unwandelba‐
ren Wahrheit nun einmal fordert.
.Wenn man mir Gutes wünscht für mein weite‐
res äußeres Erdendasein, so sehe ich das mir wün‐
schenswerteste Gute vor allem darin, daß es die
hohen Geistesmächte, denen ich alles danke, also
lenken möchten, daß auch jene Suchenden, die
jetzt noch fernab stehen und im Dunkeln tasten,
dereinst zu glückbewegten Findern werden.
.Der Weg zum Lichte ist wahrlich durch meine
Lehre schon aufs deutlichste
gezeigt und all mein
Wirken kann jetzt nur noch dazu dienen, ihn im‐
mer aufs neue auch denen zu zeigen, die noch in
der Wildnis irren, oder ihn zu finden meinen, wo
er nicht zu finden ist.
.Wohl weiß ich, was noch vor mir liegt, wenn ich
im Laufe der Jahre allem noch Ausdruck schaffen
soll, was denen helfen kann, die redlichen Her‐
zens nach dem Licht der Ewigkeit verlangen ‒
wenn ich alle erreichen will, die noch befangen
sind im Wahn: als handle es sich hier um etwas,
das der Strebende erlangen könne, wenn er sich
im
Denken dazu aufzuschwingen wisse...
.Nur die wenigsten ahnen allbereits, daß die Be‐
friedigung, die uns gedankliches Erschließen
bringen kann, zwar recht erfreulich sein mag,
aber keineswegs auch nur das mindeste uns nützt,
wenn dieser Erdenleib dereinst verlassen werden
muß. ‒ ‒ ‒
.So rede ich denn vielen noch wie in einer ihnen
fremden Sprache, weil sie gewohnheitsmäßig
meine Worte
bildlich nehmen, dort wo ich vom
Geiste als von jener höchsten Wirklichkeit zu
sprechen habe, die
allem Denken
unvergleichbar ist.
.Von Schein und Scheinweisheit geblendete Au‐
gen gilt es vor allem erst zu
heilen, und leider weiß
ich, daß Jahrtausende vergehen werden, ehe wie‐
der einer kommen wird, der hier Arzt sein kann,
wenn es auch niemals an Quacksalbern und un‐
berufenen, eigenmächtigen Kurpfuschern fehlen
wird, und ebensowenig an solchen Menschen, die
das Heil stets
nur dort erwarten, wo es
niemals zu er‐
langen ist. ‒
.So danke ich denn allen, die mir segensreiches
weiteres Wirken wünschten, insonderheit auch
im Namen derer, denen mein Wirken noch gar
sehr vonnöten ist! ‒
Im Januar 1927
DIE in den Ländern des Sonnenaufgangs gel‐
tende Gepflogenheit, am Geburtstag eines
Menschen lediglich
seiner Mutter zu gedenken, da
er ja bei dem Ereignis seiner Geburt nur
passiv be‐
teiligt war, entspricht durchaus meinem eigenen
Empfinden, so daß ich nach allen in Betracht
kommenden Seiten hin eindringlich den Wunsch
geäußert hatte, man möge von der platten Tatsa‐
che, daß sich zum sechzigsten Male die jährliche
Wiederkehr des Datums meines Eintretens in die‐
ses Erdendasein ereigne, keinerlei Notiz nehmen.
.Nun ist jedoch trotzdem an diesem Tage eine
derartige Menge von Gratulationen bei mir ein‐
gelaufen, daß ich mich vor die Frage gestellt sehe,
ob meine Auffassung nicht, etwas zu einseitig, von
anderen eine Zurückhaltung erwartet habe, wo
mit Freuden die Gelegenheit erwünscht worden
war, einem vielfach empfundenen seelischen
Drängen Ausdruck geben zu dürfen.
.Ich mag auch nicht verschweigen, daß ich mich
nun dennoch mit jeder, auch der bescheidensten
Gratulation gefreut habe, wenn ich auch nur den
allergeringsten Teil von dem mir Zugedachten
am gemeinten Tage selbst einzusehen vermochte.
.Was mich aber jetzt, nachdem ich endlich alles
gelesen habe, am allermeisten freut, ist die in so
vielen kurzen und längeren Briefen zu findende,
fast wörtliche Wiederkehr des Satzes: «
Was wäre
aus mir geworden,
hätte mir e. unsichtbare Führung
nicht vor Jahren Ihre Bücher zugeleitet,
die mir nun si‐
chere Wegweiser auch in allen Angelegenheiten d. äus‐
seren Alltagslebens geworden sind,
so daß ich sie nie
mehr missen möchte!»
.Ich muß unumwunden sagen, daß mir diese,
nur auf die Werte praktischer irdischer Lebens‐
gestaltung bezogenen Dankesbekenntnisse fast
noch mehr Freude bereitet haben, als die vielen,
mir gewiß überaus erfreulichen Beweise der seeli‐
schen Einfühlung in die von mir so vielgestaltig
dargebotenen Schilderungen der inneren Struk‐
tur des ewigen Geisteslebens, das unser aller Da‐
seinsgrund ist, denn die vom Innersten der Seele
her gesicherte Aufnahme ewig unwandelbarer
Geisteswirklichkeit sollte ja jedem meiner Mit‐
menschen, der über ein gesundes Empfindungs‐
vermögen und klares Denken verfügt, ganz
selbstverständliches Ergebnis der Beschäftigung
mit meinem nun abgeschlossenen Lehrwerk sein,
während das Hereinwirken ins praktische, durch
so mancherlei äußere Umstände gemeinsam be‐
stimmte Alltagsleben mit seinen notwendigen An‐
forderungen, schon «die Probe aufs Exempel»
darstellt.
.Aber
alle Gratulanten ‒ ohne jegliche Aus‐
nahme ‒ soweit sie durch diese Zeitschrift erreich‐
bar sind, dürfen gewiß sein, daß sie mir mit ihrem
Gedenken Freude bereitet haben. Allen sei hier‐
mit von Herzen gedankt!
.Mit allen
Segenswünschen für jeden der überaus
Vielen, denen ich auf keine andere Weise im ein‐
zelnen antworten kann.
Im November 1936
DIE Menschen, denen ich das Leben danke,
waren einfache Leute, aber beider Familien
standen in ihrem Kreise in hohem Ansehen, das
durch Besitz, Tüchtigkeit und persönliche
Würde, mehr aber noch durch Rechtlichkeit und
Wohltätigkeit begründet war.
.Frömmigkeit, in den Formen der Kirche Roms,
war erblich.
.Mein Vater, ein strenger Mann, dem alles
Menschliche Sünde war, ist niemals lachend gese‐
hen worden.
.Meine Mutter, eine tiefreligiöse Frau, voll ech‐
ter Mystik, lebte in ständiger Gemeinschaft mit
den heiligen Wesen, die sie nach katholischer
Lehre verehrte, und ihre Andacht war mehr ein
Schauen als bloßer Glaube.
.Ich war etwa 7 Jahre und einige Tage alt, als zum
erstenmal ein Bote jener Gemeinschaft, deren
Bruder ich heute bin, sichtbar in mein Leben trat. ‒
.An einem strahlend schönen Sonntag-Morgen
lag ich, erfrischt durch einen gesunden Kinder‐
schlaf, bereits völlig erwacht in meinem kleinen
Bette.
.Die Sonne schien durch das geöffnete Fenster
und erfüllte den ganzen Raum mit Licht.
.Die Mutter war zur «Frühmesse» gegangen,
während wohl der Vater, wie es seine Gewohnheit
auch später war, in dem alten Predigtbuch, dem
Geschenk eines verstorbenen geistlichen Freun‐
des, die auf den Sonntag gerade bezügliche Pre‐
digt las.
.Ich hatte nur die Mutter gesehen, bevor sie zur
Kirche ging.
.Während ich nun so lag, in froher Erwartung
der Rückkehr der Mutter, ‒ plötzlich, ohne daß
eine Türe sich geöffnet hätte, stand zu Füßen mei‐
nes Bettes ein alter Mann im Sonnenschein, ange‐
tan mit seltsamen und mir recht ärmlich erschei‐
nenden dicken Wintergewändern. (Heute weiß
ich, daß es die im Innern Hochasiens übliche
Wintertracht war).
.Ich sah sein braunes durchfurchtes Gesicht und
glaubte zuerst, es sei ein alter Bettler, der öfter ins
Haus kam um ein Essen zu erhalten.
.Erschreckt schrie ich auf.
.Der Vater, seit Jahren sehr schwerhörig,
konnte mich nicht vernehmen. Die Gestalt jedoch
kehrte sich nicht an meinen Angstschrei und der
Gesichtsausdruck des alten Mannes hatte etwas so
unbeschreiblich Gütiges, daß ich sogleich darauf
mich völlig sicher fühlte.
.Ich «wußte», daß er irgend etwas Gutes für
mich hier zu tun habe, ohne mir Rechenschaft zu
geben darüber,
was das wohl wäre. ‒
.Mit einem Gefühl der Neugierde und des Ver‐
trauens zugleich betrachtete ich bald das faltige,
und so unendlich gütige Gesicht, bald den seltsa‐
men Mantel, der mir besonders merkwürdig war,
weil die Ärmel viel zu lang und weit über die
Hände herabreichten. Bilder, auf denen so etwas
dargestellt gewesen wäre, hatte ich niemals gese‐
hen.
.Da hob er langsam und bedächtig den Arm,
streifte den überlangen Ärmel zurück, und kam
zur Seite meines Bettes.
.Ich war so unerklärlich vertrauensvoll, daß ich
es diesmal, ohne zu schreien und ganz von Angst
befreit, geschehen ließ, daß er mit der rechten
Hand, einer Hand mit vornehmen feinen Fin‐
gern, langsam über meine Decke strich. Dabei
verweilte er Augenblicke über meinen Füßen,
über den Knien, dann über dem Herzen und zu‐
letzt legte er die feine zarte Hand auf meine
Stirne.
.Dabei schlief ich ein. ‒ ‒
.Ich erwachte erst, als längst die Mutter von der
Kirche zurückgekommen war.
.«Wo ist der Mann? ‒ Wer war denn der Mann? ‒
Er muß ja noch hier sein. ‒ Du weißt gewiß wer er
ist.» ‒
.So bestürmte ich meine Mutter mit Fragen, die
sie ängstlich bestürzt anhörte.
.Nachdem auch der Vater meine Worte gehört
hatte, wurde zu meinem größten Leidwesen ent‐
schieden, ich dürfe heute nicht mit zum Hoch‐
Amt, sondern müsse mich ausschlafen.
.Nach dem Frühstück wurde das Zimmer ver‐
dunkelt, alles Protestieren half nichts, und ich
mußte «schlafen».
.Ich schlief aber nicht. ‒
.Stets suchten meine Augen den alten Mann, je‐
doch er kam nicht wieder.
.Dabei hatte ich eine brennende Sehnsucht nach
ihm und versprach mir hoch und heilig, daß ich,
wenn er wiederkäme, gewiß nicht mehr schreien
würde. Er kam nicht, aber alles im Zimmer schien
mir lebendig geworden.
.Ich fühlte mich, wie wenn eine ganze Gesell‐
schaft guter Leute um mich wäre. Dabei war mir
leicht und so froh zumute, daß ich schließlich die
Betthaft nicht mehr aushielt und unversehens,
gewaschen und angezogen, neben der Mutter in
der Küche stand. Sie mochte wohl sehen, daß mir
nichts fehlte und so wurde mir erlaubt, hinab zum
Garten zu gehen, wo ich noch den ganzen Mor‐
gen hinter jedem Busch und wo es nur ein Ver‐
steck gab, nach dem alten Manne suchte.
.Alle Gärtnerburschen wurden befragt nach ihm
und kein Auslachen konnte mich irre machen.
.Ich wurde älter.
.Das religiöse Leben, in der Art wie meine Mut‐
ter es pflegte und es mir nahelegte, übte große
Anziehungskraft auf mich aus.
.Im übrigen war ich ein völlig normaler Junge,
mit allen guten und üblen Eigenschaften.
.Tollkühn und waghalsig trieb ich mich viel im
Freien, im Wald und Feld herum, und lebte des
Glaubens, daß mir nie etwas geschehen könne.
Kein Baum war zu hoch, kein Abhang zu steil zum
Erklettern, kein Mensch und kein Tier wurde ge‐
fürchtet. Im religiösen Leben aber war der ganze
Junge ein Anderer.
.Alle die Worte der Liturgie, alle Symbole des
Ritus wurden von mir mit einer tiefen klaren Be‐
deutung erfüllt und es wurden mir in dieser
Weise Dinge klar, über die ich gelegentlich von
Erwachsenen als von «unerklärlichen Rätseln»
sprechen hörte.
.Ich fürchtete mich, etwas von dem zu verraten,
was ich «wußte», denn es war so ganz anders als
die Erklärungen der Predigt, oder die des Kate‐
chismus. Nicht im geringsten aber konnten mich
diese anderen Meinungen irre machen an dem,
was ich auf diese innere klare Weise schaute. So
ging es lange Jahre, bis im halbwegs Erwachsenen
die äußeren Zweifel an Kirche und kirchliche
Lehre erwachten.
.Da fielen wohl manche Formen, aber für jede
«Form» war schon ein tieferer «Inhalt» in mir le‐
bendig. Der «alte Mann» war fast vergessen, je‐
doch an seiner Stelle stand etwas, das immer,
selbst in den tollsten Stunden, um mich war und
das mich nur deshalb an ihn denken ließ, weil es
mit demselben Gefühl der Zuversicht auf meine
Seele wirkte, wie dieser seltsame Alte mit seinem
wohltätigen Streichen der Hand, mit seinem so
unendlich gütigen Ausdruck. ‒
.Mir war oft ein innerlicher Zuspruch gewor‐
den, zu Zeiten, in denen ich gerade am wenigsten
dessen würdig schien, und jedesmal hatte ich stär‐
ker als sonst das Gefühl des Zusammenhanges mit
jenem alten Mann, und ich war in solchen Mo‐
menten fester überzeugt als je, daß ich ihn wie‐
dersehen würde. ‒
.Mittlerweile hatte ich mich einem Lebensberuf
gewidmet. In dieser Zeit kam ich mit Spiritisten in
Berührung, und deren Sache erschien mir mehr
als nur interessant.
.Ich hatte Gelegenheit, unter den denkbar si‐
chersten Bedingungen, die unglaublichsten Phä‐
nomene zu sehen, aber meine geheime Hoff‐
nung, gelegentlich auf diese Art jenes Alten wie‐
der ansichtig zu werden, wurde nicht erfüllt. Ich
fühlte im Gegenteil eine immer mehr sich aus‐
breitende Kälte und Leere in mir, je mehr ich
mich an den «Sitzungen» beteiligt hatte. Der in‐
nere Zuspruch, an den ich fast gewohnt war, hatte
nach und nach gänzlich aufgehört, und dennoch
verließ mich nicht jenes unerklärliche Gefühl, in
Sicherheit und guter Hut zu sein.
.An einem Weihnachtsfest endlich vernahm ich
wieder das Gewohnte, und diesmal war es eine so
starke Warnung vor den Experimenten, denen
ich als Zuschauer beigewohnt hatte, daß ich, zum
Erstaunen der früheren Freunde, plötzlich die
Beziehungen zu jenen Spiritisten abbrach.
.Ich empfand ein Grauen vor dieser Sache, als
ob ich verwesende Leichname liebkost hätte, und
nichts in der Welt hätte mich je wieder zu den Sit‐
zungen bewegen können.
.Immerhin waren mir in dieser Zeit einige Be‐
griffe klarer geworden, zu denen mir «Thomas a
Kempis», mein einziges mystisches Lehrbuch,
noch nicht die nötige Aufklärung gab.
.(Daß das römisch-katholische Meßbuch das
vollkommenste Einweihungs-Rituale der Welt
darstellt, wußte ich damals noch nicht, trotzdem
ich an seiner Hand in die tiefsten Mysterien nach
und nach geistig eingeführt wurde. ‒
.Wie oft mußte ich später an jenes Wort Jesu
denken: «Ihr habt die Schlüssel des Himmel‐
reichs, aber Ihr gehet nicht hinein, und denen,
die hineinwollen, wehret ihr!») ‒
.So vergingen weitere Jahre, bis ich eines Tages
unter Umständen, die auch einem mehr myste‐
riös veranlagten Gemüt, als mir, genügend «my‐
stisch» erschienen wären, aufs neue mit jenem
alten Manne meiner Kinderzeit Bekanntschaft
machte. Diesmal auf eine wesentlich andere
Art. ‒ ‒
.Briefe, die ich in jener Zeit an eine liebe Seele
richtete, erfüllten die Leser mit unsagbarer Angst,
und nur die nüchterne Erwägung, daß dieser
«Wahnsinn» denn doch
zu viel «Methode» habe,
verscheuchten den aufkeimenden Glauben, es
könne sich um eine geistige Erkrankung handeln.
.Wenig später wurden meine Beziehungen zu
dem «alten Mann», oder meinem Guru, denn das
war er, wie der etwas erfahrenere Leser leicht
längst raten konnte, völlig regelmäßig.
.Die letzte Spirale der Chelaschaft hatte begon‐
nen. ‒
.Im ägäischen Meer, auf einer weltabgeschiede‐
nen Insel, sollte sie ihr Ziel erreichen. ‒ ‒ ‒ ‒
FAST hört es sich heute wie ein Märchen an,
daß die großen Hotels des Berner Oberlan‐
des vor dem Kriege bis zu sechzig Prozent Deut‐
sche unter ihren Besuchern zählten. Jetzt beher‐
bergen sie der Mehrzahl nach Amerikaner und
Holländer; aber der Verdienstausfall, der ihnen
durch das Fehlen des deutschen Reisepublikums
erwächst, bleibt sehr empfindlich und ist so leicht
nicht auszugleichen. Vielleicht nirgends in der
Welt ersehnt man so sehr das Steigen der deut‐
schen Valuta. Jeder vereinzelt auftauchende
deutsche Besucher wird als Vorbote einer wieder‐
kehrenden besseren Zeit begrüßt.
.Aber ganz abgesehen von den hier berührten
Interessen der Schweizer Hotelbesitzer ist es auch
vom allgemeinen deutschen Standpunkt tief be‐
dauerlich, daß die geistigen Bande zwischen
Deutschland und der Schweiz durch die Ungunst
der Zeitumstände und die daraus für den Deut‐
schen sich ergebende Unmöglichkeit, die Schweiz
als Reiseziel zu wählen, so sehr gelockert werden.
.Zwar ist entschieden die Beliebtheit des deut‐
schen Reisenden gerade durch seine Seltenheit
außerordentlich gewachsen, während anderer‐
seits mancher Schweizer, der früher im eigenen
Lande geblieben wäre, durch die für ihn so gün‐
stigen Geldverhältnisse angelockt, heute nach
Deutschland fährt und meist weit bessere Ein‐
drücke mit nach Hause nimmt, als er vorher er‐
wartet hatte. Alles das aber kann nicht die stete
nahe Berührung ersetzen, die durch den frühe‐
ren deutschen Reiseverkehr in der Schweiz gege‐
ben war.
.Und wieviel leuchtende Erinnerung lebt in un‐
seren Herzen auf, wenn die Namen der majestäti‐
schen Alpengipfel der Schweiz, der Paßüber‐
gänge und traulichen Täler im Gedächtnis vor‐
überziehen!
.Wie manchen deutschen Naturfreund mag zur
Sommerzeit die Sehnsucht packen, liebgewor‐
dene Stätten wieder aufzusuchen; aber wenn
nicht Wunder und Zeichen geschehen, dann wer‐
den die Schweizer Grenzen für die allermeisten
Menschen in deutschen Landen noch recht lange
Leidensjahre hindurch eine unübersteigbare chi‐
nesische Mauer bilden, die nur im Rückerinnern
an schönere Zeiten zu überfliegen ist.
.So werde sie auch hier nun in einem kleinen Er‐
innerungsbezirk einmal überflogen! Ich bin ge‐
wiß, daß mich mancher Leser, der die Orte und
Namen kennt, von denen hier die Rede ist, gerne
begleiten wird. ‒ ‒
.Nachdem wir wochenlang die Häupter der
Schneeriesen des
Berner Oberlandes nur vor klar‐
blauem Himmel gesehen hatten, war offenbar der
Wetterumschlag gekommen; denn immer mehr
ballten sich schwere Wolkenmassen in stein‐
grauen Klumpen um die Berge, verdeckten bald
dieses, bald jenes Eishaupt der höchsten Gipfel,
bis sie auch die
Jungfrau selbst, die noch vor einer
Stunde in all ihrer Majestät sich dem stets aufs
neue überwältigenden Blicke dargeboten hatte,
dichter und dichter umhüllten.
.Besorgt standen wir auf der breiten Terrassen‐
bastion des Regina-Hotels in Wengen und ver‐
suchten immer wieder, irgendein Anzeichen zu
entdecken, das doch auf besseres Wetter schlies‐
sen lassen könnte; denn lange schon war es ge‐
plant: ‒ morgen sollte es über die Stationen Ei‐
gergletscher, Eigerwand und Eismeer hinauf zur
derzeit höchsten Station der Jungfraubahn ge‐
hen, zum Jungfraujoch. Was hätten wir aber da‐
von, in 3457 Meter Höhe zu sein, wenn man doch
droben nur im Nebel herumstapfen könnte?!
.«Sie werden morgen einen prächtigen Tag ha‐
ben», ließ sich da der Besitzer des Hotels verneh‐
men, der eben unserer besorgten Gruppe näher‐
getreten war.
.Nun, das hörte sich fast an wie Hohn und
wurde auch zuerst fast als mitleidiger Spott von
uns aufgenommen, bis wir doch merkten, daß es
dem stets nur in liebenswürdig-persönlicher
Weise um seine Gäste besorgten Hotelier gar
nicht in den Sinn gekommen wäre, uns ein wenig
zu verspotten, daß er im Gegenteil: mitfühlte, was
in uns vorging, und uns ganz ernstlich Hoffnung
geben wollte.
.Nun bin ich schon grundsätzlich mißtrauisch
gegen jede Gutwetterprophezeiung in den Ber‐
gen; aber wenn auch dieses Mißtrauen vielleicht
in vorliegendem Fall nicht ganz gerechtfertigt ge‐
wesen wäre, so setzte ich dennoch allerlei Zweifel
in die Wetterkundigkeit unseres freundlichen
Trösters, denn er war jahrelang drunten am Nil
Direktor eines Hotels in Assuan, bevor er sein
Schweizer Hotel übernahm (eines der auch vom
künstlerischen Standpunkt her vorbildlichsten
großen Hotels, die ich kenne); und Leute, die so
lange unter dem ewig blauen Himmel des Südens
lebten, haben meist ihre Wetterinstinkte für un‐
sere Breiten ziemlich verloren.
.Wie sehr aber hatte ich am anderen Morgen in
Gedanken Abbitte zu leisten, als ich schon beim
ersten Augenaufschlag ‒ ich hatte absichtlich am
Abend die Vorhänge nicht vorgezogen ‒ das
durch all die Wochen her gewohnte Bild wieder
erblickte: den leuchtend blauen, gleichsam strah‐
lensprühenden Himmel, und davor das giganti‐
sche Jungfraumassiv, Gipfel und Silberhorn eben
gerade von dem ersten Licht der Morgensonne
zart übergossen!
.Ja, er kannte halt doch seine Berge und ihr
Wetter besser als wir; und es war kein bloßer fa‐
denscheiniger Trost gewesen, als er uns gestern
so selbstverständlich «gutes Wetter» verheißen
hatte!
.Es dauerte nicht lange, da trug uns die trotz frü‐
her Morgenstunde schon mit Fahrgästen voll‐
besetzte Wengernalpbahn hinauf zur kleinen
Scheidegg, dem Ausgangspunkt der
Jungfrau‐
bahn.
.Die Fahrt bis Scheidegg hinauf ist schon an sich
überaus lohnend durch die stetig wechselnden
Bilder, die man beim langsamen Emporklimmen
der elektrisch betriebenen Zahnradbahn fort und
fort zu beobachten Gelegenheit hat. Man genießt
dabei wie ein Fußgänger die allmähliche Erobe‐
rung der Höhe, nur völlig unbehindert durch die
Mühe eigenen Ersteigens. Vom bequemen Sitz
aus blickt man hinunter ins Lauterbrunnental mit
seinem Staubbachfall, dann geht's durch Tannen‐
wald immer höher hinauf zu Alpweiden, wo uns
Kuhglockengeläute melodisch umfängt und wo
«die guten großen Tiere» Segantinis nachdenk‐
lich an der Bahnrampe dem seltsamen Ungetüm
nachsehen, das da raupenartig auf die Höhe
kriecht und in seinem Innern so viel Menschen
herauftragen kann, ohne Stöhnen und Pusten,
und vor allem ‒ ohne Rauch, so daß man im offe‐
nen Aussichtswagen durch nichts gestört wird in
seinem Naturgenuß.
.Jetzt endlich ist, kurz vor Station Wengernalp ‒
dem weltbekannten, herrlichen Ausflugsziel ‒ die
Höhe fürs erste erklommen; und nun bietet sich
dem Auge ein Bergpanorama aus nächster Nähe!
Nun läßt sich förmlich jedes Steinchen der Glet‐
schermoränen schon greifen, und Jungfrau,
Mönch und Eiger liegen ausgebreitet in der gan‐
zen Erhabenheit und Größe ihrer urweltlichen
Formen vor uns! Hier auch erblicken wir nun
hoch oben das Jungfraujoch, den großen Glet‐
schersattel zwischen dem eigentlichen Jungfrau‐
gipfel und dem Mönch. Aber wer würde ahnen,
daß man auf diese unglaubliche Höhe mit einer
Bahn hinaufkommen kann?! Wo sieht man auch
nur die leisesten Spuren ihres Daseins??
.Doch wir haben nicht gar lange Zeit zu solchen
Betrachtungen; denn kaum konnten wir auch
nur das grandiose Bild des gewaltigen Bergmas‐
sivs so recht in uns aufnehmen, da sind wir auch
schon auf der kleinen Scheidegg angelangt, wo
die eleganten Salonwagen der Jungfraubahn be‐
reitstehen, uns aufzunehmen.
.«Einsteigen nach Station Eigergletscher, Eis‐
meer, Jungfraujoch!» ruft der sprachenkundige
«Interpret» des Platzes, der stets in liebenswür‐
digster Weise bereit ist, den Fremden aus allen
Nationen, die hier heraufströmen, Auskunft auf
alle Fragen zu geben. Wie eigentümlich berührt
doch das Aussprechen dieser Namen hier als
«Bahnstationen»! Man muß sich erst an den Ge‐
danken ordentlich gewöhnen, bevor es einem so
recht zu Bewußtsein kommt, daß man keinen Ju‐
les-Verne-Traum träumt, sondern daß das reale
Wirklichkeit ist!
.Eben hilft er einer alten Dame, die am Arm ih‐
rer Begleiterin langsam auf den Wagen zukam,
flink und behutsam beim Einsteigen, und ‒ in die‐
sem Moment erst empfinden wir völlig die Größe
der Idee Guyer-Zellers, des geistigen Urhebers
und Erbauers der Jungfraubahn, empfinden, was
er allen denen geben wollte und mit aller Zähig‐
keit seines unbeugsamen Willens schließlich er‐
kämpfte, die wohl die unendliche Majestät der
Bergwelt ahnend empfinden konnten, aber nie‐
mals imstande gewesen wären, die Höhen des
ewigen Eises selbst zu ersteigen...
.Während wir aber noch in derartigen Empfin‐
dungen versunken, dem bedeutenden Tatmen‐
schen, der diese Bahn erstehen ließ, unsern Dan‐
kesgruß über sein Grab hin senden, hat sich fast
unmerklich unser kleiner elektrischer Zug in Be‐
wegung gesetzt. Tief unter uns sehen wir schon
wieder die Wengernalpbahn, die uns heraufge‐
tragen hatte, nach Grindelwald hinunterkrie‐
chen; dann geht's bei uns durch einen kleinen
Vortunnel, und schon haben wir die Station Ei‐
gergletscher erreicht.
.Von Wengen aus zu Fuß, oder von der kleinen
Scheidegg her, waren wir schon öfters hier, haben
den Gletscher bis weithinauf durchquert, sind in
seine phantastischen Spalten hinuntergestiegen
und ließen die Kinder auf dem Schneefeld beim
Gletscher in der Julihitze auf dem großen Hör‐
nerschlitten rodeln.
.Auch die grünsmaragdene Eishöhle, die man,
da der Gletscher stets wandert, alljährlich aufs
neue in seine Flanken bohrt, haben wir natürlich
bewundert. Der Gletscher ist uns so schon richtig
lieb und vertraut geworden und hat unvergeß‐
liche Erinnerungsbilder der Seele eingeprägt.
.Wie oft sahen wir auch schon die braunpolier‐
ten, vornehmen Wagen der Jungfraubahn gleich
hinter der Station durch die dunkle Höhlung in
den Felsen des Eiger verschwinden!
.Jetzt fährt auch unser Zug, prächtig elektrisch
beleuchtet, in die Finsternis des Berginnern hin‐
ein. (Von hier aus braucht er mit allen Aufenthal‐
ten nicht mehr ganz eine Stunde, um sein höch‐
stes Ziel zu erreichen, und überwindet dabei eine
Steigung von 1127 Meter, denn auf 2330 Meter
Höhe waren wir schon beim Eigergletscher ange‐
langt.) Nach einigem Fahren gewahren wir plötz‐
lich eindringendes Tageslicht in der Ferne des
Tunnels. Noch wenige Minuten, und der Zug
hält. «Station Eigerwand!» Ein kurzer Aufenthalt
ermöglicht es allen Reisenden auszusteigen, und
durch den Stollen, den man in die Felsen
sprengte, bis zum Aussichtspunkt zu gelangen,
von wo aus man das Tal von Grindelwald und da‐
hinter die weiten Bergketten bis fast ins Vorland
hinaus überblickt. Die Aussicht ist bestrickend,
aber dennoch trennt man sich bald von ihr, denn
noch gibt es hier keine Gletscher und ewige
Schneefirnen.
.Wieder im fahrenden Zug, wird nun mit Span‐
nung die Station Eismeer erwartet und ‒ die ver‐
wegenste Erwartung wird nicht enttäuscht, als wir
schließlich in diesem respektablen Bahnhof im
Innern des Urgesteins der Erde anlangen.
.Die Bahnstrecke hatte von Station Eigerwand
aus eine Biegung gemacht, und wir sind nun hoch
oben im Innern des Bergmassivs wieder ans Licht
gekommen, mitten in einer titanisch aufgebäum‐
ten Gletscherwelt mit haushohen Eisblöcken und
unergründlichen Spalten; und dahinter ragt wie‐
der mächtiges Felsengebirge bis zu den Gipfeln
des Schreckhorns, des Finsteraarhorns und vieler
anderer ferner Spitzen. Der Eindruck ist so uner‐
hört großartig, daß man lange braucht, seiner
Herr zu werden.
.Erst, als nach längerer staunender Bewunde‐
rung das Auge zu ermüden anfängt, empfinden
wir es doch recht angenehm, hier im Erdinnern in
einer eleganten Restauration auch unserer Leib‐
lichkeit einige Stärkung zufügen zu können;
denn hier ist Wagenwechsel, und der Aufenthalt
genügt, um Seele und Leib zu ihrem Rechte ge‐
langen zu lassen. Eines der Sprüchlein in Schwei‐
zer Mundart, die mir rings an den Wänden der
äußerst geschmackvollen Restaurationsräume
auffielen, möge hier seine Stätte finden, da es mir
eine sehr beherzigenswerte Weisheit zu enthalten
scheint. Es besagt:
.«Dä hät am meiste vo sim Gält,
.Wo öppis g'seht vo dr schöne Wält!»
.Wirklich, man kann dem Spruchdichter nur
recht geben, besonders hier, wo man so Grandio‐
ses «vo dr schöne Wält» zu sehen bekommt!
.Das gilt natürlich noch weit mehr von der bald
darauf erreichten, derzeit höchsten Station der
Jungfraubahn ‒ dem Jungfraujoch.
.Wer jedoch hier heraufkommt und nur in
Sorge ist, ob er hier oben nicht etwa «verhungern»
müsse, dem sei zum Troste gesagt, daß er hier al‐
les vorfindet, was Küche und Keller einer ganz
erstklassigen großstädtischen Hotelrestauration
zu bieten haben. Und das in einer Höhe von 3457
Metern über dem Meer! Der tüchtige Wirt gehört
zu jenen Originalen, denen man schließlich auch
eine gewisse Rauhbeinigkeit verzeiht, weil man so
gut bei ihnen aufgehoben ist.
.Ich sprach hier zuerst von den leiblichen Ge‐
nüssen, weil der Weg von der Station im Innern
des Berges zum Tageslicht und zum eigentlichen
Joch, durch das heimelige und wieder überaus
geschmackvolle Restaurant führt.
.Schon auf der Terrasse des Restaurants ist man
mitten in einer wahren Wunderwelt. Unter uns
der riesenhafte Aletschgletscher, auf dem alljähr‐
lich im Juli das berühmte «Jungfrau-Ski-Rennen»
stattfindet, gegenüber aber, in erhabener Maje‐
stät, der eigentliche Gipfel der «Königin der Al‐
pen»!
.Das Auge ist zuerst so geblendet von der fast un‐
wirklichen Weiße des Schnees, von all der strah‐
lenden Helligkeit, daß man gerne die Schnee‐
brille anlegt, oder wenn man noch keine besitzt,
sich eine hier oben noch kauft.
.Der ganz unbeschreibliche Eindruck steigert
sich noch ins völlig Märchenhafte, wenn man
dann heraustritt und mit wenig Schritten über
den Schnee, droben am Joch selbst mit seiner un‐
vergleichlichen Aussicht, angelangt ist! Weder
Wort noch Bild können hier das Wesentliche der
Empfindung zum Ausdruck bringen, die jeden
fühlenden Menschen ergreift, der, so fast un‐
vermittelt auf dieses ragende Gletscherplateau
emporgehoben, nun mit allen Sinnen aufzuneh‐
men sucht, was ihn umgibt...
.Tausende bringt die Jungfraubahn alljährlich
hier herauf, aber es dürfte nicht einen geben, der
hier nicht in stiller Ergriffenheit verstummen
müßte, der nicht auf dieser Empore des Tempels
der Allnatur von Andacht ergriffen würde und
Höheres auch in sich selbst erwachen fühlte, als
ihm jemals im Leben des Alltags, drunten in der
Ebene, zu Bewußtsein gekommen war.
.Wer solches seinen Mitmenschen zu verschaf‐
fen wußte, der hat wahrlich den Dank der Nach‐
welt reichlich verdient! Sein schönstes Denkmal
aber bleibt sein Werk, dieses Meisterwerk, das un‐
zählige Gehirne in seinen Dienst spannte, die alle
nur durch die Kraft der Idee eines einzelnen an‐
geregt wurden, dem Werke ihr Bestes zu geben.
.Der Mann aber, aus dessen Geist heraus die
Idee einer Jungfraubahn Gestalt gewann, der
Schweizer Guyer-Zeller, hat niemals selbst diese
Firnenhöhen betreten. Er starb, als er gerade
noch kurz vorher durch den Draht die Nachricht
erhalten hatte, daß der Durchbruch bei Station
Eigerwand geglückt war.
Anm.: 1925 kam Bô Yin Râ nach Massagno bei Lugano. Die
00
beiden Fotos von Lugano (aufgenommen um !1914! in einer
00
unglaublichen Qualität von Prokudin-Gorsky und bearbei‐
00
tet von Jan Bielawski) sollen einen Eindruck der ge‐
00
priesenen Landschaft vermitteln und sind im Buch nicht
00
enthalten:
Lugano1/
Lugano2
GESEGNET ist dieses südliche Bergland mit
seinen Seen, im Verbande der helvetischen
Republik, gesegnet sind seine Rebengelände und
Kastanienhaine, gesegnet seine malerischen
Bergdörfer und heiteren kleinen Städte, gesegnet
vor allem seine Menschen!
.Diese Nachkommen der alten Etrusker haben
bis auf den heutigen Tag noch Eigenschaften be‐
wahrt, die man weiter südlich nicht in diesem
Maße findet: sie wirken heute noch so, wie wir die
Menschen der Antike uns vorstellen, man findet
bei ihnen eine Tatkraft und Energie, eine kluge,
würdevolle Besonnenheit, eine Ehrlichkeit und
Rechtlichkeit, die dieses italische Schweizervolk
uns bald von Herzen lieb gewinnen lassen. Auch
innerhalb des Schweizer Staatsverbandes hat der
Kanton Tessin es verstanden, sich immer mehr
hohe Achtung und Sympathie zu erwerben, und
was die tüchtige Art des Tessiners zu leisten ver‐
mag, das zeigten und zeigen noch zur Stunde so
manche Männer in hohen Ämtern der Zentral‐
regierung der Schweiz, Männer, deren Namen
weit über ihr engeres und weiteres Heimatland
hinaus allüberall guten Klang haben.
.Es ist ein beglückendes Gefühl der Geborgen‐
heit hier um den Fremden, mag er auch durch die
einsamsten Täler und Schluchten wandern. Er
weiß, daß er nur guten Menschen begegnen
kann, und in dem entlegensten Albergo, das ihm
des Abends Rast gewährt, braucht er seine Türe
nicht zu verschließen.
.In solchem Lande, das alle Reize des Südens
mit aller Schönheit der Bergnatur vereint, wo
Licht und Wärme selbst noch des Winters rauhe
Kraft zu bändigen vermögen, da läßt es sich gut
sein, besonders für den, der auch andere Art und
Sitte ehrt und schätzt, der ein Land und seine Be‐
wohner als organische Einheit empfindet, der
diese Einheit mit zu erleben versucht und das
herzliche Gastrecht vollauf zu würdigen weiß, das
man ihm, dem Fremden, allerorten zugesteht.
.Ein Paradies ist dieses Land! Südlich genug, um
der belebenden Kraft der südlichen Sonne reich‐
lich teilhaftig zu werden, und doch nicht ihrem
sengenden Brande ausgesetzt, ‒ erfrischt stets
durch die Nähe der Berge mit ihrer ewigen Fir‐
nenwelt, und doch nie von ihren rauhen Stürmen
umtost.
.Während nördlich vom St. Gotthard bereits die
feuchten Nebel über den Tälern nördlicher Nie‐
derung lagern, während der Herbstwind die letz‐
ten vergilbten Blätter von den kahlen Bäumen
schüttelt, prangt hier im Süden der Alpen Busch‐
werk und Baum noch in vollem Grün, und die im‐
mergrünen Pflanzen, die im Norden nur in Kü‐
beln und Töpfen gezogen werden, überwintern
hier im Freien und erreichen dabei eine Größe,
die sie eben nur in ihrer Heimat haben können.
.Überall zwischen dem Laubwerk und den Blu‐
men leuchten heitere südliche Villen hervor und
aus jedem Bergdorf grüßt uns der schlanke Cam‐
panile als Zeuge alter hoher Kultur.
.Wir stehen oben auf dem Monte San Salvatore
bei Lugano und genießen in heller Freude den
wundersamen Ausblick über dieses wahrhaft ge‐
segnete Land. Tief unter uns breiten sich die ural‐
ten Wasser des Ceresio, des Lago di Lugano, in ih‐
ren mannigfach geschlungenen Buchten, und am
Fuße des Berges lagert an der smaragdenen Flut
die ausgedehnte Stadt, deren Namen der See in
heutigen Tagen trägt, in der heiteren Vornehm‐
heit ihrer leuchtenden Paläste, Villen und moder‐
nen Hotelbauten aus dem Grün der Palmen und
dem Dunkel der Zypressen, wie die kostbare Fas‐
sung eines Edelsteins.
.Drüben am anderen Ende der Stadt erhebt
sich, wie ihr zweiter Beschützer, der Monte Bré
aus den Fluten, von Rebenhängen bedeckt, aus
denen die hellen Villen strahlen. Dort liegt der
prächtige Villenort Castagnola mit seinen Kasta‐
nienhainen, die ihm den Namen gaben, mit sei‐
nem alten Kirchlein und seinem unvergleichlich
schön gelegenen Friedhof; weiter entfernt liegt
Gandria, malerisch aus dem See heraufgebaut,
und in noch weiterer Ferne erblickt man die
Grenzorte Italiens, dem der See sich in langge‐
streckter Bucht verbindet.
.Am gegenüberliegenden Ufer aber erhebt sich
das mächtige Bergmassiv des Monte Generoso,
von dessen Gipfel aus man die ganze lombardi‐
sche Ebene bis nach Mailand hin überblicken
kann.
.Wir wenden den Blick, und über den Gefilden
des Lago Maggiore gewahren wir nun ein Alpen‐
panorama von unbeschreiblichem Reiz. Vom
Monte Rosa bis zu den Aletschfirnen drängt sich
Gipfel an Gipfel und noch weiter im Norden setzt
sich der Kranz der Schneehäupter fort, wie eine
weiße Zinnenmauer, die den immergrünen Kan‐
ton Tessin umschließt. Es ist fast zuviel des Schö‐
nen für das Auge, und immer wieder mühen wir
uns, den ausgebreiteten Reichtum zu fassen.
.Hier oben stand, nach manchen Funden zu
urteilen, einst ein altes Druidenheiligtum, und
mancher andere Mysterienkult mag hier seine
heilige Stätte gefunden haben, bevor ein christ‐
liches Sanktuarium sich auf dem Bergesgipfel er‐
hob.
.Die Alten wußten wahrlich ihre geweihten Stät‐
ten stets an Punkte zu legen, die schon von der
Natur dafür bestimmt zu sein schienen, und ob
wir nun auf den Hängen von Delphi stehen, oder
hier auf dem San Salvatore; ‒ wir empfinden in
gleicher Weise ein geheimnisvolles fluidisches Et‐
was an allen Orten, die dem Altertum heilig wa‐
ren, oft ohne vorher zu wissen, daß da ein Heilig‐
tum stand. ‒ ‒ ‒
.Noch lange saß ich am Abend im südlich tag‐
klaren Mondlicht auf meinem Balkon im Hotel
Villa Castagnola und blickte über die Silhouetten
des Parkes zu meinen Füßen hinüber über den
See, stets magnetisch angezogen von den Formen
des heiligen Berges, der, jetzt dem auferstande‐
nen Erlöser geweiht, einst den Namen des Son‐
nengottes Belenius trug.
.Unzählige Geschlechter sind seitdem in die
Erde versunken, die Namen der Gottheit haben
sich gewandelt, die Herzen haben dem Göttlichen
in mannigfacher Art andere Empfindungen ge‐
weiht, aber noch immer trägt der Berg sein Hei‐
ligtum, und vielleicht ist es kein Zufall, daß es
heute das Heiligtum dessen ist, von dem die heili‐
gen Bücher künden: «Sein Angesicht leuchtete
wie die Sonne und sein Gewand war weiß wie
Schnee» ‒ ‒ ‒?
.Vielleicht gibt es in unserem tiefsten Innern
doch eine Wahrheit, die kosmisch verankert ist, so
daß sie nur im Laufe der Zeiten sich stets andere
Gewänder formt, um das Urewige, im Symbol
verhüllt, der Verehrung darzustellen.
.Reiner als an anderen Orten empfindet man in
dieser heiteren Natur des Südens das Ewige, und
es wird schwer, sich an den Gedanken zu gewöh‐
nen, daß man wieder diese heiteren Gefilde ver‐
lassen soll.
.Wer aber einmal hier seelisch heimisch wurde,
auch wenn seine Wiege im kälteren Nordland
stand, den zieht es mit unwiderstehlicher Gewalt
stets wieder zurück in den Bereich der südlichen
Berge, an diese Seegestade, mit ihren lauen Lüf‐
ten, ihren Sonnentagen, die alles im strahlenden
Lichte baden, ihren Mondscheinnächten voll von
flimmerndem Silberglanz, ‒ und mit dankerfüll‐
tem Herzen sendet er auch aus der Ferne seine
Grüße in dieses gesegnete Land.
ICH weiß von einer lieben alten Schweizerfrau,
die ihr ganzes Leben hoch über einem welt‐
bekannten Tal in einem kleinen Almengütli bei
harter Arbeit verbracht hatte, und mit der man
doch die anregendsten Gespräche über viele Bü‐
cher führen konnte. Ein einziges Mal war sie in
der nächst erreichbaren Stadt gewesen. Niemals
hat sie einen Eisenbahnwagen betreten. Wie ich
vor Jahren hörte, ist die Gute hochbetagt gestor‐
ben. Zu ihren Lebzeiten aber konnte man bei ihr
nicht nur die Bibel und gute Goethe- und Schil‐
ler-Gesamtausgaben finden, sondern auch alles
von ihrem geliebten Jeremias Gotthelf, von Gott‐
fried Keller und Conrad Ferdinand Meyer. Die
ganze Bibliothek war versorgt in einem großen al‐
tertümlichen Schrank, den sie wie ihr Heiligtum
gehütet hat. Ich glaube getrost sagen zu dürfen,
daß alle Schweizer Schriftsteller sich Leser wün‐
schen würden von Art und Gehalt dieser alten
einfachen Bauersfrau, die beinahe von allen Sei‐
ten ihrer Bücher wußte, was dort zu finden war,
weil sie alles auch im Herzen trug!
ENDE
WARUM
ICH MEINEN
NAMEN FÜHRE
FLUGSCHRIFT DER
KOBERSCHEN VERLAGSBUCHHANDLUNG 1927
Anmerkung: Diese Flugschrift ist auch im Sammel‐ 00
band „NACHLESE” (1.Auflage 1953, erweiterte Auf‐ 00
lage 1990) enthalten, der vom Verlag NACH dem Tod 00
des Meisters herausgegeben wurde mit der Absicht, 00
VERSCHIEDENSTE Schriftzeugnisse des Meisters vor 00
dem Vergessen zu bewahren.
ICH entstamme einer gänzlich unliterarischen
Familie.
.Bauern, Förster und ländliche Handwerker
waren die Vorahnen meines Blutes. Ich habe nie
von einem vernommen, zu dessen Beruf das
Bücherlesen gehört hätte.
.Von meinem Vater kann ich allerdings be‐
richten, daß er sehr gerne las, obwohl er nur nach
schwerer körperlicher Arbeit die Zeit dazu fand.
.Es war aber eine genau umgrenzte Literatur,
der er seine Aufmerksamkeit schenkte. Er fragte
nicht nach dem Autor (außer bei den Schriften
seines geliebten Alban Stolz, dessen «Weck‐
stimmen» für das katholische Volk er mit Freuden
immer wieder las), sondern sein erster Blick in
ein Buch galt immer dem bischöflichen «Impri‐
matur», das Sicherheit gab, daß der Katholik den
Inhalt vertragen könne ohne Schaden an seinem
Glauben zu nehmen.
.So wurde auch ich über zwanzig Jahre alt und
hatte, außer meinen Schulbüchern und Werken
über Anatomie, Perspektive, Maltechnik oder der‐
gleichen, noch kein Buch ohne kirchliche Zensur
gelesen. Auch dann noch holte ich mir, in pein‐
lichster Befolgung kirchlicher Vorschrift, erst beim
erzbischöflichen Ordinariat in München
Dis‐
pens, um nun mit gutem Gewissen etwas mehr
von deutscher Literatur erfahren zu dürfen, als
was im Schullesebuch stand. ‒
.Von dem allen muß ich hier reden, wenn ich
verständlich machen will, was später in mir vor‐
ging, als ich ‒ meinem geistigen Lehrer verpflich‐
tet und innerlich dazu gedrängt ‒ endlich den
Versuch wagte, mit dem, was ich meinen Mitmen‐
schen bringen konnte, in die Öffentlichkeit zu
gehen. ‒ Das wurde mir keineswegs leicht! Erheb‐
liche Widerstände waren in mir zu bekämpfen, ehe
ich mich schließlich bereitfinden mußte, die Ver‐
antwortung auf mich zu nehmen, die meines Er‐
achtens jeder trägt, der einen von ihm geformten
Satz der Mitwelt durch den Buchdruck über‐
mittelt.
.Nur der
Autorenname, unter dem ich von dem
geistig Erlebten Kunde geben könne, war mir
nie zur Frage geworden. Von allem Anfang
an stand es fest, daß ich von meinen geistigen Er‐
fahrungen unmöglich unter dem Namen sprechen
durfte, der mir stets nur wie das Alleräußerlichste
meines äußeren Lebens erschien: ‒ wie eine zwar
praktisch notwendige «Etikette» für das Einwoh‐
nermeldeamt, aber nichts besagend in Bezug auf
die Charakterisierung des Trägers. ‒
.Meine geistige Schulung hatte mir ganz andere
Begriffe vom Wesen eines wahren «Namens»
beigebracht. Ich hatte erfahren, daß man von
einem «Namen» zum anderen fortschreiten
könne, daß gewisse Buchstaben in einem wirk‐
lichen «Namen» wie geistige Antennen wirken
können, und anderes mehr. Ich hatte selbst als
geistiger Schüler «Namen» getragen, die ich erst
«überwinden» mußte, um meines Namens wür‐
dig zu sein, und ich kannte mich selbst nun nur
in diesem, «meinem» Namen, so daß ich mich
zuweilen, wenn auch nur in Bruchteilen einer
Minute, erst besinnen mußte, wie ich denn
nach dem Adreßbuch genannt werde, und
den äußeren Ruf- und Familiennamen: Joseph
Schneiderfranken, seit dieser Zeit stets nur ohne
jedes innere Verbindungsgefühl niederschreiben
konnte...
.Andererseits aber hing es mir gleichzeitig auch
noch an, daß mir die ganze Jugendzeit hindurch
der Inhalt eines Buches allein wichtig war,
so daß ich den Namen seines Autors meistens
kaum beachtet hatte. Ich kam mir daher als Autor
keineswegs besonders wichtig vor, und solange es
ging, suchte ich mit allen Mitteln zu vermeiden,
daß man mir, über meine Schriften hinaus, per‐
sönliches Interesse zuwende. Nicht anders
suche ich noch heute, solches Interesse abzu‐
lenken.
.Meinen allerersten Äußerungen, die jetzt im
«BUCHE DER KÖNIGLICHEN KUNST»
vereinigt sind, damals aber als kleine Versuche
herauskamen, gab ich nur die Anfangsbuchstaben
B. Y. R. mit, bis ich, beim «BUCH VOM
LEBENDIGEN GOTT», das vor neun Jahren
in seiner ersten Gestalt erschien, mich auf buch‐
händlerischen Rat hin entschloß, statt der Anfangs‐
buchstaben, mit dem ganzen Namen zu zeich‐
nen ‒ trotz seinem orientalischen Klang ‒.
.Ich wußte sehr wohl, daß mir hierdurch manche
Schwierigkeiten erwachsen mußten, und daß ich
‒ gerade bei den Menschen, die in erster
Linie Leser meiner Bücher werden sollten ‒
durch den asiatisch klingenden Namen, der ja nur
als gesuchtes «Pseudonym» aufgefaßt werden
konnte, dem größten Mißtrauen begegnen dürfte.
Auch sah ich die Neugier zu sehr aufgestachelt,
als daß sie mich mit ihren Fragen nach der «Bedeu‐
tung» meines vermeintlichen «Pseudonyms» ver‐
schonen würde.
.Da aber mein buchhändlerischer Berater keines‐
wegs diese Bedenken teilte und auch mit Recht
darauf hinweisen konnte, daß ein Kapitel des
Buches «vom lebendigen Gott» ausführliche
Angaben über die Art geistiger «Namen» bringt,
so faßte ich schließlich genügend Vertrauen in die
Urteilskraft meiner Leser und sagte mir, daß sie
doch wohl aus dem ganzen Buchinhalt
ersehen müßten, wen sie vor sich haben: ‒ daß
sie mir also gewiß nicht zutrauen könnten, ich
fände es für nötig, mich durch ein fremdländisch
scheinendes Pseudonym erst in erwünschte «ben‐
galische» Selbstillumination zu bringen...
.Erfreulicherweise kann ich bestätigen, daß die‐
ses Vertrauen gegenüber den meisten Lesern
meiner Bücher gerechtfertigt war.
.Daneben aber höre ich doch auch zuweilen
von Leuten, die mit begreiflicher Voreingenom‐
menheit an dem «exotischen» Namen Anstoß neh‐
men, und somit Grund zu haben glauben, die
Lektüre meiner Schriften abzulehnen, ohne
auch nur den Inhalt einer Seite zu kennen.
.Andere wieder möchten gar zu gern eine deutsche
und deutliche «Übersetzung» des Namens.
.Ich kann aber hier nicht anders helfen, als daß
ich dem einen sage: «Wenn du Anstoß daran
nimmst, daß ich in dem Namen schreibe, in dem
allein ich mich lauthaft erkenne, und wenn
dir dieser Name zu 'exotisch' klingt, dann nenne
mich meinetwegen wie du willst, aber lies, was
ich auch für dich geschrieben habe!» ‒ und
zu dem andern: «Wenn du dir unbedingt bei
meinem Namen 'etwas denken' mußt, dann übe
einstweilen Geduld, bis du Lautwerte inner‐
lich so erfassen kannst, wie der Musiker
Klangwerte erfaßt, die in Noten dargestellt
sind!»
.Im übrigen könnte wohl auch verstanden wer‐
den, daß ich mich aus reiner Anhänglichkeit
an den geistigen Lehrer, der mir den Namen gab,
BÔ YIN RÂ nennen würde, auch wenn mir
diese drei Silben ebenso «fremd» wären, wie sie
andern vielleicht erscheinen.
.Es sei nur ein für allemal gesagt, daß es sich hier
nicht um drei Worte handelt, aus deren «Sinn»
man irgend etwas herausgeheimnissen könnte,
auch wenn die drei Silben zu Sprachwurzeln einer
alten Sprache gehören, sondern daß sie nur des‐
halb meinen, mir geistmenschlich zugehörigen
«Namen» bilden, weil ihre Lautwerte meiner
Wesensart entsprechen, so wie eine bestimmte
Notengruppe einem bestimmten Akkord ent‐
spricht.
.Mir selbst erscheint das alles so kristallklar
sichtbar, so einfach und selbstverständlich, daß
ich meine, jedes Kind müsse hier begreifen können,
was vorliegt...
.Allerdings weiß ich auch, daß uns das instink‐
tiv-sichere Erfühlen der Lautwerte menschlicher
Sprache als geistig bedingter Werte, so gut wie
ganz verloren gegangen ist, und daß man nicht
fehlgeht, wenn man hier den Grund sucht, wes‐
halb mein geistiger Lehrer meinen «Namen» aus
drei Wurzelsilben einer alten orientalischen
Sprache bildete, obwohl er ihn auch aus Silben
oder Worten meiner Muttersprache hätte fügen
können, was mir auf alle Fälle meine Aufgabe sehr
erleichtert haben würde.
.Man wird mir doch die Einsicht zugestehen, die
nötig ist, um zu wissen, daß nur ein weltfremder
Tor ungeschickt genug sein könnte, sich heute
mit einem fremdländisch klingenden Pseudonym
zu drapieren, aber man sollte auch aus dem In‐
halt meiner Bücher ersehen, daß man mir die
Unehrlichkeit nicht imputieren darf, die in
der Wahl eines «Pseudonyms» gegeben wäre, das
den Anschein erwecken könnte, ich sei ein Mensch
fernen, fremden Stammes.
.Abschließend aber muß ich sagen, daß mir die
Art, in der ich selbst in meiner Jugendzeit gewohnt
war, Bücher zu lesen, indem ich kaum nach dem
Autor, desto mehr aber nach dem Inhalt fragte,
gar nicht so übel gewesen zu sein scheint.
.Ich kann meinen Büchern solche Leser nur von
Herzen wünschen!
.Zuletzt ist sicher der Inhalt eines Buches,
und dieses Inhalts Einwirkung auf die Seele des
Lesers, auch die sicherste Grundlage für das Urteil
über den Verfasser. ‒
ENDE
Einige Texte
(nicht überprüfbar)
Hr. Werner Erni, früher auch für den "Kober Verlag" tätig, zeigt auf seiner
Homepage einige Texte des Meisters, die heute
vielleicht unauffindbar wären. Mit seiner freundlichen Genehmigung finden sie sich auch hier wieder.
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Geistige Baukunst (die ewige Seele als Baustein am ewigen Tempel der Menschheit)
aus der Zeitschrift „Die Säule”, Januar 1927
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Wahrheit (Bô Yin Râ`s Beitrag zur E.B.D.A.R.)
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Vor alten Zeiten stand es einmal so schlecht in der Welt, dass alle
Menschen stöhnten und voll Wehklage waren.
Alles war grau und trüb, und die Freude kannte man nur noch vom
Hörensagen.
Da beteten die Menschen zu ihrem großen Gotte
Re‐Nai‐Schu, dass er sich ihrer unerträglichen Leiden erbarmen möge.
Aber Re‐Nai‐Schu hörte sie wohl nicht.
So beteten sie denn weiter, vierzig Monate und drei Tage …
Als es aber an jenem Tage Abend geworden war und alle wieder voll
Trauer ihren Schlaf suchen wollten, siehe, da erhob sich am Rande des
Himmels ein kleines Wölkchen von der Farbe einer Zitrone.
Es stieg höher und höher und nahm zu an Grösse, so dass es den ganzen
Himmel überdeckte.
Zugleich kam eine geheimnisvolle Freude über alle Menschen und sie
glaubten, dass Re‐Nai‐Schu jetzt wohl erscheinen würde.
Re‐Nai‐Schu erschien nicht, sondern die Wolke löste sich auf in
winzige Tröpflein, die wie ein Licht- und Feuerregen zur Erde fielen.
Wo aber dieser Regen fiel, da ward alles leuchtend.
Die Bäume des Waldes wurden golden und die Felder und Wiesen glänzten
und flimmerten von Gold.
Die Bettler in ihren Lumpen erstrahlten wie Könige im goldbrokatenen
reichen Krönungsgewand.
Das Wunderbarste aber war, dass von allen Menschen alles Leid zur
Stunde floh, so dass Jauchzen und frohes Leben fortan die Erde
erfüllte.
Dies währte nun an die dreihundert und neunzig Jahre. Damals jedoch
standen einige auf und sagten:
„Uns genügt nicht, zu besitzen und glücklich zu sein.
Wir sehen wohl, dass dieses heilige Gold nicht nur Schönheit allen
gibt, sondern auch alles auf geheimnisvolle Weise nährt und am Leben
erhält, ‒ allein wir wollen wissen,
weshalb alles so
ist.”
Eines Tages sprachen diese Grübler untereinander und einer machte den
Vorschlag und sagte:
„Wir wollen von dem Golde nehmen, es in den Schmelztiegel tun und es
peinigen im Feuer, bis uns seine Wesenheit kund werden wird.” Und sie
taten also …
‒ Da entstand am Himmel alsobald eine große, undurchdringliche
Finsternis und die Erde bebte, dass die Grundmauern der Tempel
zerrissen wurden.
Als aber das Beben vorüber war,
da lag die Welt grau und trübe und die Menschen fühlten sich elend,
wie nie zuvor.
Alle Schönheit war von der Erde geflohen.
Jammer und Not herrschten wieder
und werden weiter herrschen, wenn nicht Re‐Nai‐Schu einen neuen
Goldregen schickt.
Vorher aber werden die Menschen wohl wieder vierzig Monate darum
bitten müssen…
Wer weiss aber, ob Re‐Nai‐Schu einen neuen Goldregen schicken wird,
bevor nicht jene gestorben sind, die keine Ruhe finden im Glück,
solange sie nicht wissen,
warum das Glück die Menschen
glücklich macht. ‒
An diesem Artikel wurden
einige kleine, redaktionelle Änderungen und kleine Kürzungen
vorgenommen, damit der in der damaligen Zeit und für die damalige Zeit
geschriebene Text besser in die heutige Zeit passt. (Änderungen sind
kursiv gesetzt) WE
Unter den Lesern dieser Zeitschrift sind meines Wissens nicht wenige,
denen mein Autorenname bereits durch meine Bücher bekannt geworden
ist.
Wenn mir nun der verdienstvolle Herausgeber die
Möglichkeit bietet, auch von dieser Stelle her an der Erneuerung und
Vertiefung seelischen Lebens mitzuwirken, so bedeutet das für mich
eine nicht geringe Freude.
Schon lange war es meine Absicht, vor einem
religiös ernst gestimmten und verstehenden Kreise, wie ich ihn gerade
unter den Lesern dieser Blätter zu finden glaube, die Frage zu
erörtern, die ich dieser kleinen Abhandlung als Überschrift gab; und
ihre Erörterung dürfte denn auch denen nicht ganz unwichtig sein, für
die eine solche Frage, aus tiefstem inneren Fühlen heraus, von
vorneherein beantwortet ist.
Ich sehe Bestrebungen in dieser Zeit am Werke,
die zwar von den edelsten Motiven her geleitet sein mögen, deren
Auswirkung mir aber gerade für
die Deutschen verhängnisvoll
zu sein scheint; und es wird mir die Pflicht, von meiner durch
keinerlei konfessionelle Bindung bedingten seelischen Einschau her vor
einer Gefahr zu warnen, die viele bedroht.
Die Welle geistiger Erneuerung, die schon lange
vor dem Kriege einzelne Schichten
der Deutschen ergriffen
hatte, wächst zusehends zu einer mächtigen Woge an, von der sich nun
auch gar manche tragen lassen, die vorher in den stagnierenden Wassern
religiöser Gleichgültigkeit ihr Behagen fanden.
Die aufrüttelnden Erlebnisse des Krieges
(Anm.: 1914/18),
das unsägliche Leid und die äußerste Not der
Kriegsjahre, die ja im Grunde trotz aller „Friedens”-Verträge noch
nicht beendet sind, mögen immerhin das Ihrige dazu beigetragen haben,
dass die Seelen sich mehr und mehr auf Inneres und Allerinnerstes
besinnen; aber es wäre doch eine arge Täuschung, wollte man alles
Streben nach religiöser Vertiefung lediglich aus diesen Momenten
heraus erklärbar finden und somit allem Suchen nach geistigen Gütern
in dieser Zeit nur eine vorübergehende Bedeutung zuerkennen.
Ich sehe weitaus Tieferes hier am Werke, und es
dürfte weit eher erlaubt sein, das schwere Erleben, das der Krieg so
vielen brachte, als ein zwar schmerzendes, aber letztlich doch zur
Gesundung führendes Heilverfahren ewiger, leitender Mächte anzusehen
….
Vielleicht war man doch, bevor diese harten Tage
kamen, oft allzusehr geneigt, zu übersehen, dass die
weltgeschichtliche Aufgabe eines Volkes nur dann zu lösen ist, wenn
jeder einzelne, der ein Glied dieses Volkes bildet, durch eigene
seelische Vertiefung so gefestigt wurde, dass der ganze Volkskörper
aus seinen tiefsten Wurzeln heraus jene überschüssige Gesundheit
erlangen kann, die der Welt einst Heilung bringen können.
Das dunkle innere Ahnen, dass dem so sei, lässt
heute die neue Sehnsucht nach religiöser Vertiefung in vielen keimen
und wachsen.
Wird diese Sehnsucht
zur Tat und tritt sie
gestaltend
ins Leben des Alltags ein, nicht nur für Sonn- und
Feiertage reserviert, ‒ so kann sie wahrhaftig
die Deutschen zu
jenem Aufstieg führen, den seine erleuchtendsten Geister ihm wieder
und wieder prophetisch zeigen zu müssen glaubten, und nach dem es
heute mehr als je verlangt.
Sie werden dann einem Aufstieg entgegengehen, den
keine Erniedrigung mehr bedroht. ‒
Noch aber besteht die Gefahr, dass diese
Sehnsucht sich verwirren lässt und auf irre Wege führt..
Man fühlt die Notwendigkeit neuer, vertiefter
Religiosität und lässt sich nun gar vielfach verleiten, statt
dessen nach einer neuen
Religion zu suchen.
Selbst bis in tiefgläubige Kreise christlicher Frömmigkeit hinein trägt moderne
Zweifelsucht ihre Unheilsaat und möchte Seelen beirren in ihrem
Vertrauen an die ewige Lebenskraft dessen, dem gerade deutsche Art ihr
bestes dankt.
Historische und philologische Kritik wurden, als
die ungeeignetsten Instrumente, angesetzt, um einen Boden zu
unterwühlen, der nur mit den subtilen, seismographisch empfindsamen
Organen
der Seele untersucht werden darf, will man seine
überzeitlichen Quelladern finden, die wahrlich tiefer liegen als die
lose Krume, die oft gutgläubiger wissenschaftlicher Forschungseifer zu
untersuchen vermag.
Nun steht man verwirrt auf dem an manchen Stellen
arg verwüsteten Lande, das einst der Seele blühender Garten war, und
wagt es fast nicht mehr, daran zu glauben, dass neues Leben ihm
entsprießen könne.
Zugleich aber finden sich eilfertig gar manche
Karrenführer ein, die Erdreich aus fremden Zonen bringen mit der oft
durchaus ehrlich gemeinten Versicherung, dass erst diese fremde
Erdkrume, die sie von fernher holten, an ihrem Ursprungsort nur
deshalb fruchtbar war, weil sie aus den gleichen tiefen Quelladern
ihre Kraft empfing, aus der auch die Blumen der Seele ihre Nahrung
zogen, die aus dem Boden sprossten, den sie jetzt verschütten
möchten.
Diese
allem seelischen Leben gemeinsame
Quelladern gilt es aufzusuchen, wenn man wahrhaft zu einer
Verwurzelung mit dem ewigen Seinsgrund gelangen will, und sie sind
dort aufzusuchen, wo sie seit Jahrhunderten sich für die deutsche
Seele wirksam zeigten, die deutsche Seele, deren schönstes Vorrecht
ihrer Eigenart darin besteht, dass sie nichts eigentlich „Fremdes” auf
dieser Erde kennt, dass sie zu jeder anderen seelischen Eigenart
Zugänge findet, die aber nur allzu leicht bereit sind, völlig zu
vergessen, dass sie alles fremde Saatgut nur auf
eigenem Boden
zu eigener Ernte heranreifen sehen kann.
Mit anderen Worten: Es bedarf durchaus keiner
anderen Religion, um den tiefsten Quellgrund allen Seins der Seele
zu erschließen, sondern es braucht nur die
glühende Inbrunst der
Seele selbst, und sie wird von der Stelle aus, an der sie
eingewurzelt ist, ihre Wurzelfasern immer tiefer in das ewige Herz des
Seins zu versenken vermögen, weit sicherer, als wenn sie sich selbst
erst in anderen Boden verpflanzen wollte, mag dieser Boden ihr auch
erfüllter erscheinen von geheimer Kraft, als der, aus dem sie selbst
ihres einstigen Keimens Nahrung zog.
Deutscher Seelenart ward das
Christentum zum eigenen Blütengarten, und
christliche
Glaubensglut ward zur
deutschen Frömmigkeit.
Noch haben zu allen Zeiten nur einzelne
Deutsche den Mut gehabt, bis zu den
innersten Mysterien
vorzudringen, die sich in dieser deutschen Frömmigkeit, diesem
deutschen Christusglauben, dieser deutschen Christusliebe bergen. Es
ist hier mehr Mysterium verborgen, als die meisten ahnen mögen!
Kein echter Mysterienkult der alten Zeiten, so
ehrwürdig er auch sein mag, reicht völlig an dieses Mysterium
deutscher Frömmigkeit heran, und selbst die weiseste Erkenntnis alten
indischen Denkens führt kaum zu den Vorhallen dieses Heiligtums, ja
das meiste all solch erdachter Weisheit schuf nur Wolkenträumen
phantastische Brücken aus luftigem Gespinst, Brücken, die niemals in
Wirklichkeit eines Menschen Fuß betreten könnte.
Alle letzte Erkenntnis aber gilt
einer
Wirklichkeit, vor der alles Denken und Träumen jeglichen Wert
verliert und ihn nur wiedergewinnen kann, nachdem es diese
Wirklichkeit zu seinem Ausgangspunkt zu machen vermag.
Das Mysterium deutscher Frömmigkeit ist nichts
anderes, als die für die deutsche Seeleneigenart deutbarste
Darstellung dieser
kosmischen Wirklicheit auf unserer Erde, und
in der Sage vom heiligen
Gral ist sie am deutsamsten geworden.
Kein Symbol, sondern ein
Abbild irdisch
verankerter geistiger Wirklichkeit ist hier gegeben.
„Suchet, und ihr werdet finden!” Suchet und ihr
werdet
gefunden werden.
Aber suchet nicht etwa in alten und neuen fremden
Kulten, sondern lasst erst alles, was ihr in anderen Zeiten und Völker
heiliger Lehre findet, nur zu Erhellung
des eigenen Weges
dienen!
Euer Christenglaube ist das gegebene Feld des
Suchens und Findens für euch!
Euer Christenglaube ist kein Ideengebilde und
kein Märchenwahn.
Euer Christenglaube entspricht einer
Wirklichkeit, die man wohl auch mit
anderen Namen nennen
kann, als die euch vertraut geworden sind, zu der ihr aber am ehesten
ohne Irrweg hinfinden werdet, wenn ihr auch alles, was
andere
Darstellung dieser gleichen Wirklicheit zu sagen hat, in die
euch
vertraute Sprache übersetzen lernt.
Wehe denen, die den Glauben an diese
Wirklichkeit als „Wahn” verlachen!
Wenn sie euch aber sagen: „Das Christentum hat
heute aufgehört, eine wahre Lebensmacht zu sein; wir müssen nach
anderer Offenbarung Ausschau halten!”, dann findet den Mut zu
einer Antwort, die lauten möge:
„
Nicht das Christentum ist tot, sondern
wir, die wir uns Christen nennen, standen nicht genug in seinem
Leben!”
Wahrlich, das Christentum ist noch gar jung, und
viele Jahrhunderte mögen noch vergehen, ehe es seine volle Entfaltung
dereinst erreicht!
Ich glaube, dass
deutscher Frömmigkeit bei
seiner allmählichen Entfaltung eine Weltaufgabe winkt.
Es wird das Wesen des Christentums sein, das
der Welt einst „Heilung” bringen kann. Das Christentum in
seiner seelisch geheimnisvollsten Darstellung. Es wird die
Frömmigkeit der Deutschen sein, die ihrem Wesen sein kosmisches
Gepräge gibt, die alles Tun des deutschen Menschen durchdringen und
veredeln muss, genährt aus Tiefen, die kein Forscherauge je erspäht,
die nur der
Inbrunst der Seele sich eröffnen und ihr die Kräfte
ewigen Lebens spenden.
Die Arbeit des Alltags wird dann zum Gottesdienst
werden, und den Hierarchien der Ewigkeit wird ein wahrhaft würdiges
Ebenbild in der Gliederung menschlicher Weltaufgaben erstehen.
Weder müde Weltflucht, noch raffgieriges Wühlen
nach den Schätzen, die Rost und Motten verzehren, wird der Menschheit
Gedeihen bringen.
Nicht mit Mordmaschinen wird die Freiheit der
Völker jemals zu sichern sein.
Nur aus der
Wiedergeburt der Seele kann
Heil erwachsen, und hier wird
deutsche Seeleneigenart
allen Völkern der Erde noch zum Segen werden!
Es gab eine Zeit ‒ und vielleicht mag sie noch nicht zu Ende sein ‒ da
man „Körper” und „Seele” fein säuberlich zu scheiden suchte.
Wer der
Seele dienen wollte, der glaubte beinahe, des Körpers
nicht zu bedürfen, hielt ihn bestenfalls für ein lästiges Bleigewicht,
das nur die Seele niederziehen könne, für ein vielleicht notwendiges,
aber gräuliches Übel, ein widerwärtiges Hindernis aller seelischen
Entfaltung. ‒
Man suchte den Körper nach Möglichkeit
„abzutöten” um die Seele frei zu
machen, und ahnte nicht, dass „die Seele” eine gähnende Leere, ein
inhaltloses Unendliches, bestimmungs- und grenzenlos wäre, ohne den
Reichtum, den ihr der Körper gibt.
Man wusste nicht, dass wir keinen einzigen Gedanken denken können, der
nicht im
Körper seine
analoge Beziehung, seinen
eigentlichen Inhalt, real ausgedrückt fände, dass all unsere
Vorstellungsbilder, selbst die kompliziertesten, im Körper vor-gebildet
sind. ‒
Aber auch heute sind noch die
Wenigen zu zählen, die da wissen, dass beim Denken
etwas mehr in
Tätigkeit gesetzt wird, als nur das
Gehirn …
Der Vorgang jeglichen Denkens, ‒ und was wir „
fühlen” und
„
empfinden” nennen, ist nur eine besondere
Abart des Denkens, die
zu genau der gleichen Schärfe und
Sicherheit emporentwickelt
werden kann, ‒ ist dem blitzschnellen aussenden bewusster und
unbewusster
Fragen vergleichbar, auf die meist mit der gleichen
Schnelligkeit die
Antwort erfolgt.
Bei jedem Gedanken, und sei er noch so abstrakter, noch so sublimer Art,
sendet unser Gehirn gleichsam einen Kundschafter aus in jene Teile des
Körpers, die der Art des Gedankens entsprechen, und fast im
gleichen Moment kehrt der Bote zurück und berichtet von seinen
Findungen.
Es ist nicht leicht, diesen Vorgang
im Rahmen einer kurzen Abhandlung zu erklären.
Beispiele mögen zum eigenen Forschen anleiten, aber auch da können nur
die einfachsten Fälle herangezogen werden.
Nehmen wir an, ein Mensch denke über den „
Standpunkt” nach, den
er in irgend einer Frage einzunehmen willens sei.
Er kann den Begriff „Standpunkt” unmöglich denken, ohne einen Strom vom
Gehirn bis zu den Ganglienknoten seiner
Füße zu senden, mag er
sich dessen bewusst sein oder nicht, und in den
Füßen, nicht im
Gehirn,
empfindet er, was der Begriff „Standpunkt” besagt. Das
Gehirn
empfängt nur die Botschaft und
stellt die bewusste
Empfindung fest.
Ein anderes Beispiel!
Man denkt: ich weiss etwas vom „
Hörensagen”.
Hier werden gleich
zwei Ströme
ausgesandt, einer zum
Ohr und einer zum
Mund, und beider
Botschaft bei der Rückkehr veranlasst erst das
Bewusstwerden des
eigentlichen
Wortinhalts. ‒
Ähnlich geht es bei Worten wie:
„Handreichung”, „Fortschritt”, „Niederlage”‚ etc. etc.
Je stärker die betreffende Körperstelle reagiert, je besser die
Verbindungsdrähte, die sensorischen Nerven, Frage
und
Botschaft leiten, desto
intensiver wird der
Inhalt des
Wortes
gefühlt, desto sicherer wird der Gedanke „verstanden”.
Ich habe hier absichtlich nur die allereinfachsten Beispiele gewählt und
man könnte ein ganzes Wörterbuch mit der Aufzählung ähnlicher Beispiele
füllen.
Hier enthält noch das gedachte Wort selbst schon den Hinweis auf einen
Körperteil oder eine körperliche Funktion.
Der Vorgang ist aber der gleiche, wenn wir etwa das Wort: „
Gewölbe” denken. Blitzschnell erfüllt
der ausgesandte Strom das
Innere der
Schädeldecke, während er bei dem Worte:
„
Kuppel”, das
Äußere des Schädels umfasst und seine Botschaft
zurückbringt. ‒
Je mehr sich die Begriffe dann dem
Abstrakten nähern, um schließlich scheinbar völlig abstrakt zu
werden, desto schwieriger wird zuerst das
Auffinden der
entsprechenden
Analogien des Körpers für die Ströme, die das
Gehirn aussendet, und eine
neue Begriffsbildung, die ihrem
Urheber nur deshalb gelang, weil die von
seinem Gehirn
ausgesandten Ströme im Körper Verhältniswerte vorfanden, die noch nie
von den Strömen eines
anderen Gehirnes gefunden wurden, bleibt
solange bei Anderen
unverstanden, bis auch die Ströme, die
ihre
Gehirne aussenden, die in Frage stehenden Verhältniswerte im
eigenen
Körper finden. ‒
So haben wir den ganzen Reichtum unseres Fühlen- und Denkenkönnens vom
Körper empfangen, und längst bevor der Mund des Kindes Worte
einer willkürlichen Verständigungskonvention stammeln lernt, ist das
kleine Menschenwesen voller „Sprache”.
Es gibt gewisse, uralte Lehren, die
nur Wenigen zugänglich sind, und die mit aller Sicherheit verkünden,
dass des Menschengeistes zeitweilige Verbindung mit dem Körper lediglich
erfolge, um dem Geiste zur „Individualisierung” zu verhelfen, um ihm
Vortellungsinhalt zu geben,
und ihn „zu Wort” kommen zu lassen....
Doch ich will hier nur von Dingen reden, die Allen zugänglich und sicher
erfahrbar sind, und meine Erörterungen sollen uns weiter führen zum
Verständnis der
künstlerischen Ausdrucksform, der Wirkungsmittel
des
bildenden Künstlers.
Mag auch beim Maler in erster Linie an das Auge gedacht werden,
während man im Bildhauer ein besonders ausgeprägtes
Tastempfinden vermutet,
so bildet doch für beide Kunstarten das, was
man „den Tastsinn des Auges” genannt hat, die gemeinsame
Rezeptionsbasis.
Aber innerlich „
erfasst”, künstlerisch
„
verstanden”
wird das Aufgenommene wieder nur mit Hilfe des Denkmechanismus, mit
Hilfe der Ströme die das Gehirn in die verschiedenen Teile des Körpers
sendet, um sich dort seine Antworten zu holen. ‒
Das Gleiche gilt für den
Beschauer
des vom Künstler geschaffenen
Kunstwerkes, sofern er überhaupt willens ist, es nachzuerleben.
Der Künstler
suggeriert durch die von ihm geschaffenen
Ausdrucksformen dem Beschauer, was er selbst
innerlich erlebte.
Verhält sich der Beschauer nicht
passiv, ist er in
andere
Betätigung seines körperlich-geistigen Denkvermögens verwickelt,
dann wird die Suggestion nicht bemerkt, wie stark sie auch sei.
Ergibt er sich aber der Suggestion, so wird sie um so intensiver
wirken, je besser die Ströme vom Gehirn zu den einzelnen Körperstellen
bei ihm „eingearbeitet” und, je mehr des Künstlers Schaffenserlebnis
gerade von
solchen körperlichen „Antwortpunkten” angeregt war,
die auch im Beschauer bereits gewohnheitsmäßig, oder doch leicht
gefunden werden. ‒
Alles was das Auge des Künstlers
dem Gehirn vermittelt, löst dort als Bildgedanke seine Ströme aus und
sendet sie nach
jenen körperlichen „
Antwortpunkten”, die
seiner
Art entsprechen, und erst die Antwort bringt dem Gehirn
das „Verstehen” des aufgenommenen Bildes. ‒
Nehmen wir an, es werden etwa
Tannenzweige in ihren äußersten Verästelungen wahrgenommen.
Sofort geht ein Strom vom Gehirn zur
Hand und wieder zum Gehirn
zurück, denn die fragliche Form wird uns nur verständlich im Gefühl der
ausgespreizten Hand. ‒
Die Wahrnehmung eines
Laubbaumes von beiläufiger Kugelform
wird zur Folge haben, dass der Strom, der vom Gehirn ausgeht, sofort den
ganzen
Kopf umfasst und so das Verständnis dem Gehirn
zurückbringt.
Tragendes Gebälk wird mit Hilfe unserer
Schultern, unserer
Arme verstanden, die
Pfeiler einer Brücke verstehen wir als
unsere gespreizten
Beine, die
Brücke selbst wird durch die
Empfindung des gekrümmten
Rückens verständlich.
Bei einem Kirchturm verstehen wir das
Fundament durch
unsere Füße, alles Übrige durch
Beine und Rumpf in straff
aufrechter Haltung, und den obersten Teil durch die Empfindung
des Kopfes, wobei das
Dach durch die Empfindung unserer
Schädeldecke uns zum Verständnis kommt.
Dass die
Fenster eines
Gebäudes durch unsere
Augen, die
Türen durch den
Mund verstehbar werden, haben
Karikaturisten und phantastische Zeichner schon zur Genüge ausgenützt …
Auch alle
Farbenempfindungen sind nur durch Beihilfe des
Körpers möglich, doch sind hier die körperlichen „Antwortpunkte” mit
dem Aufnahmeapparat selbst identisch.
Für jede außen wahrnehmbare oder
vorstellungsmögliche Farbe findet sich das körperliche Analogon im Auge
selbst.
Wird also eine Farbe wahrgenommen,
so gelangt die Wahrnehmung zuerst vom Auge ins Gehirn, setzt dort Ströme
in Bewegung, die in das körperliche Auge zurückfluten und sich die in
ihm enthaltenen Analogiepunkte suchen, um mit der Antwort ins Gehirn
zurückzukehren, wo dann erst die Farbe bewusst „verstanden” wird.
„Farbenblindheit” ist nichts anderes, als die partielle oder absolute
Unfähigkeit eines Auges zur verlangten Antwortfunktion.
Es würde ins Uferlose führen, wollte man die stete Rückwirkung des
Körpers auf den
Geist
in allen ihren einzelnen Phasen, von dem
Erlebnis des Schaffensanstosses beim Künstler bis zum Kunsterlebnis des
Betrachters aufzuzeigen versuchen.
Ob sich der Künstler den Formen und Farben der Natur nahe hält, oder ob
er ein Kunstwerk aus völlig naturfremden Formen und Farben schafft,
stets wird das Gehirn im Körper nach den
Analogien, nach den
Antwortpunkten suchen und ein „Verständnis” des Werkes ist nur
möglich, wenn die entsprechenden Antwortpunkte
gefunden werden.
Dass auch die Tonkunst uns nicht ohne
Hilfe des
Körpers zugänglich ist, bedarf wohl nach allem Gesagten
kaum mehr der Erwähnung. Jede Tonvibration, jedes Intervall, jeder
Rhythmus ist im Körper
vor-
gebildet und nur die
Auffindung des „Antwortpunktes” im
Körper bringt das „Verständnis”. ‒
Die vorliegenden Erörterungen wollen nichts weniger als erschöpfend
sein. Sie können kaum mehr, als kurze Hinweise geben, denn der Stoff ist
unübersehbar.
Es genügt, wenn es mir gelungen sein sollte, Künstler und
Kunstgenießende zu einem größeren Verständnis der
Funktion zu
führen, die der Körper sowohl beim Vorgang
der künstlerischen
Konzeption und des Schaffens, wie beim
Nacherleben eines Kunstwerkes ausübt.
Geistige Baukunst
(die ewige Seele als Baustein
am ewigen Tempel der Menschheit)
aus der Zeitschrift „Die Säule”, Januar 1927
Nicht von ungefähr ward dem Menschen schon in ältesten Zeiten aus der irdischen
Baukunst ein fast überreiches Symbol
geistiger
Selbstgestaltung!
Nicht von ungefähr waren die „des Bauens und der Zierde Kundigen” einst wissende
Priester der Gottheit, ‒ und wahrlich nicht von ungefähr lassen
heute noch
Tempelruinen und hohe
Dome Kundige
verborgenes Weistum ahnen! ‒ ‒
Hier geht es um
Allertiefstes, und nur wer erfaßt hat, dass alles Hohe, so es
sicher stehen soll,
in der Tiefe gründen muß, ‒ nur wer
seine
eigene Tiefe nicht fürchtet, ‒ wird hier belehrt aus
uralter Lehre, ‒ erschreckend für den, der
unreinen Herzens
kommt, ‒
trostreich Allen, die in
Lauterkeit nach
Licht verlangen. ‒ ‒ ‒
So ist es denn
auch in diesen neueren Tagen gewiss kein kindisches Unterfangen, aus
der Baukunst das
Symbol zu heben, und allgemach aus ihren alten
Werken
deuten zu lernen, was annoch
dunkel erscheint, so
dies nur
nüchternen Sinnes und frei
von Deutesucht
geschieht. ‒
Wahrlich, es war
den Alten kein müßiges Spiel, den Symbolreichtum der
Baukunst
dienstbar zu machen dem
geistigen Tempelbau,
der aus dieser
Erdenmenschheit höchsten Seelenkräften erstehen, und alles
wahrhaft
Menschgewordene dereinst auf Erden
einen soll!
‒ ‒ ‒
Denen, die in
sich selber die Tiefe erreichten, allwo ihr Dasein gründet, werden
aufs neue heute wieder durch wissende Werkmeister die so lange
verschütteten, nun gereinigten, wiedergefundenen Wege gewiesen, die zu
den Werkhütten geistiger Baukunst führen.
Nicht jeder
aber ist berufen, diese Wege zu beschreiten, und es ward auch
wahrhaftig nicht etwa von Männern,
aus der Macht des Mannes,
angeordnet, dass diese, ‒
auch nicht jedem Manne offenen Wege,
niemals von einer Frau betreten werden können, ‒ was allen
Anschein einer Geringerwertung der Frau verliert, wenn man
bedenkt, dass auf diesen Wegen Kräfte zu
geistiger Wirkung
kommen müssen, die physisch und psychisch
nur dem Manne
angeboren sind und ihn allein zum Manne
machen.
Es wäre eben so
töricht, hier von einer schicksalsmäßigen „
Bevorzugung” des
Mannes reden zu wollen, wie es töricht wäre, wollte der Mann dem Weibe
seine Mutterwürde neiden und sich im ungerechten Nachteil
wähnen, weil er ‒ auch als Vater ‒
niemals in jener
engen
Vereinung mit dem
werdenden Leben steht wie das
Weib.
‒ ‒
So aber, wie der
Mann nur
durch das Weib zum
Vater werden kann, und wie
das Kind dann
beider Art und Wesen in sich eint, ‒ so kann auch
der Frau nur durch den
berufenen Mann ihr Anteil an dem reinen
Segen geistiger Kunstausübung in den Werkhütten geistiger Baukunst
werden, und was der Mann allhier in werkgerechter Arbeit sich erwirbt,
wird gleicherweise zum Miteigentum der
Frau, die mit ihm in
wahrer geistgegründeter Ehe dieses Erdenleben teilt, ‒ obwohl er
erworbenes Kunstgeheimnis nie vor ihr offenbaren darf und kann, da
hier „Erklärung”: ‒
Geistverwirrung wäre,
könnte sie
gegeben werden.
Nur weil hier
niemals Werk in Worten
darzustellen ist, verpflichtet sich
der Mann, der solches Werk vollbringt, zum absoluten
Schweigen
über seine Kunst, ‒ und nicht nur etwa vor der
Frau allein,
sondern auch vor jedem
Manne, der nicht am gleichen Werke in
der gleichen Weise wirkt. ‒ ‒
Es würde nur
Heiligstes
entweiht, und dennoch würde kein Begriff von dem
vermittelt, was hier verborgen bleiben
muß, da es sich niemals
anders fassen läßt, als
in der eigenen Ausübung, die lange,
ernste Schulung fordert. ‒
So kann denn das,
was
wirklich hier „Geheimnis” ist, auch selbst durch den, der
sich mit untilgbarer Schuld beladen wollte, keinesfalls „
verraten”
werden, denn was ein solcher etwa sagen könnte, wären
Worte,
die nur
wirre Vorstellungen wecken würden, ohne irgend einen
Einblick aufzutun. ‒
Wer aber auch nur
seine
erste Schulung in der Werk-Kunst wirklich mit Erfolg
bestand, so dass ihm schon ein Weniges zu sicherer Erfahrung wurde, der
ist in sich schon so
gewandelt, dass es ihm unmöglich wird, nur
den
Gedanken auszudenken, dass hier einer einem Andern, der
nicht selbst die gleichen Wege wandelt, irgend etwas Wesentliches
jemals offenbaren könnte, denn er
weiß bereits,
wie hier
allein ein „Wissen” zu
erlangen ist.
Alles, was jemals
über diese Dinge an „
Enthüllungen” geboten wurde, ist
barer
Unsinn, oder aber nur Enthüllung kindlich simpler, pietätvoll
festgehaltener Gebräuche solcher Zirkel, die
längst, ‒ wie sie
auch selbst gestehen, ‒ gerade das
verloren haben, was dem
Gebrauchtum, das sie üben, einst Bedeutung gab.
Ich zweifle nicht
daran, dass einst auch sie die Wege finden werden, die nun wieder
gangbar wurden, um bei den werkvertrauten Wissenden die alte
Werk-
Kunst zu erlernen, die
allein erst ihrem
Namen
dann erneut
Berechtigung verleihen kann.
Dies alles mußte
ich vorerst erwähnen, weil es deutlichste Erwähnung
fordert,
will man nicht die üppige Phantastik weiter wuchern lassen, die aus
frivol verstreuten Samen allerorten blüht und, ungehindert,
giftigunheilvolle Früchte zeitigt.
Nun aber will ich
hier zu
Frauen und zu
Männern reden, die vielleicht in
stiller Ahnung zu ermessen wissen, was es heißen will, dass
Werkeskundige erneut in dieser Zeit erstanden sind, die jetzt auf dem
so lange schon verlassenen Werkplatz
weiterbauen, auf dem in
alten Zeiten kunstgeübte Maurer nach den Rissen hoher Wissender die
ersten Säulen setzten zu der Erdenmenschheit höchstem Weihetempel. ‒ ‒ ‒
Ich will zu
Menschen reden hier, die wohl den Bau des allgemeinen Tempels
fördern wollen, auch wenn sie
nicht sich selbst
gerufen
hören,
auf dem Werkplatz, tätig und der Kunst beflissen,
mitzubauen!
Es ist nicht
nötig, dass sich jeder, der den Tempelbau in seiner unermeßlichen
Bedeutung zu bewerten weiß, auch
selbst zur Arbeit meldet, und
jeder, der ihn fördern
will, kann ihm in bester Weise dienen,
wenn er zu seinem Teil die Arbeit
an sich selbst zu leisten
sucht, die wahrlich mancherlei von ihm verlangt, denn hier ist
gleichsam jede Menschenseele „
roher Stein”, der erst
behauen
werden muß, um einst dem Tempel eingefügt zu werden, und
auch die
Bauenden sind „
Steinmetz,
Stein und Meißel”
für sich selbst...
In jedem
einzelnen der „Steine” muß der Tempel vorgebildet werden, der nur
erstehen kann, wenn er, in strengster „Maßgerechtigkeit”, nach
Maß
und Winkel aufgerichtet wird. ‒
Die
Menschheit
ist ‒ um hier im Gleichnis zu verbleiben ‒ wie ein
großer
Steinbruch, angelegt für diesen Tempelbau, den erst in fernsten
Erdentagen einst die Kuppel überwölben wird ...
Nicht
jeder
Stein, der aus dem Steinbruch kommt, ist aber gleicher
Art
und gleicher
Form und gleicher
Größe! Doch jeder trägt
verborgen in sich selbst die Werkform, die ihm werden kann, und erst
wenn er nach dieser Werkform
zubehauen wurde, kann sich
entscheiden, wo er einzubauen ist. ‒ ‒
‒ Hier haben
Jene zu entscheiden, die vormaleinst des
Baues Risse gaben
und auch heute wieder wachen über dem von ihnen selbst erneuerten
Maurerwerk...
Die Bauenden, die
werkgerecht „des Bauens und der Zierde” hohe Kunst erlernten, sind nur
die treuen
Diener nach dem Willen
Derer, die sie bauen
lehrten und zur Werkarbeit
bestimmten.
Soll der
Tempelbau nicht in sich selbst zusammenstürzen, so muß in seinen
Mauern jeder Stein nach Schwere, Form und Größe seine baugerechte
Stätte finden, die durch des Tempels planbewusste Baumeister allein
gewiesen wird.
So darf hier
jeder „rohe Stein”, der durch die Arbeit an sich selbst die ihm gemäße
Formung sich erwirbt, wahrhaftig sicher sein, dass er zu seiner Zeit im
Tempelbau an jene Stelle kommt, die ihm allein nur: ‒ an-gemessen
ist.
Das gilt nicht
minder von den Bauenden, wie von den vielen Andern, die zwar nicht am
Bau ein zugewiesen Werk verrichten müssen, aber sich in aller Stille
aus dem „rohen Stein” hervor zu formen wussten.
Es wird sich aber
jeder bei den Bauenden stets Rat erbitten können, wie er am besten
seine Formung sich erwerben soll, denn wahrlich wissen diese
werkgerechten Maurer ihm zu helfen!
Jeder, der guten Willens
ist, und das Seinige beizutragen sucht um den Tempelbau zu fördern,
gehört im Geiste auf reingeistige Weise der Bauhütte an, auch wenn er
nicht als Kunstbeflissener mit Hammer, Kelle und Senkblei an der
Arbeit steht. ‒ ‒
Von solcher
Zugehörigkeit im Reich des wesenhaften reinen Geistes, wird auch in
gleicher Art die Frau umschlossen, sofern sie ihren Willen dem der
Bauenden bewußt vereint, auch wenn sie nicht in einer wahren Ehe hier
auf Erden eines echten Maurers Erdenleben teilen kann.
Es wird ihr dann
vom Geiste her zuteil, was sie benötigt, um sich selbst zum
werkgerechten Stein zu formen, und geistig fließen ihr die
Segenskräfte zu, die aus der Werkarbeit der Bauenden entströmen. ‒
Wenn ich einst
sagte, dass da jegliche „Gemeinde” nur den Leichenzug ihres toten
Glaubens bilde, ‒ so muß ich nun hier in erneuter Bekräftigung dieser
Worte auch aufs Deutlichste betonen, wie die Vieleinheit in
maurerischer Bruderschaft das denkbar ausgeprägteste Gegenbeispiel zu
aller „Gemeinde”-Formung bildet! ‒ ‒
Von der Welt des
wesenhaften, reinen Geistes her betrachtet ist die Anhäufung von
Menschenseelen zur „Gemeinde” nur verzeihliche Folge erdenhafter Ängste,
und bedingt durch tiertriebhafte Sicherungsinstinkte, ‒ oft nicht mehr
ganz der Würde des zum reinen Geiste Strebenden vereinbar, ja für
manchen gar ein arges Hindernis, ‒ während die Brudereinung, die einst
Urmaurer hier auf Erden zur Erscheinung brachten, und die in diesen
Tagen neu erstand, vom ewigen Geiste her gefordert wird, als ihm gemäße
Art der geistig-menschlichen Gemeinsamkeit. ‒ ‒ ‒
Entsteht „Gemeinde”
immer dort, wo atavistisch eingefleischter Herdentrieb die Einzelnen
zusammendrängt, so bildet die freie Einung werkwissend bauender, wahrer
Maurer ‒ und auch der ihnen geistgeeinten Förderer des Tempelbaues ‒
gleichsam eine geistig berechtigte Ritterschaft, ‒ den einzigen „Adel”,
der vor dem Königtum des Geistes gilt, und ewig gelten wird. ‒ ‒ ‒
Es gilt aber hier
auch die Sprichwortwahrheit, dass „Adel verpflichtet”, ‒ und wer solche
innerste Verpflichtung noch nicht in sich fühlt, der bleibe lieber der
Werkhütte fern, ‒ ja er bleibe ihr auch geistig fern, und wähne nicht,
als Förderer sei er aller Pflicht entbunden!
Es ist besser für
ihn: er wird erst nach dieser Erdenzeit zu seiner kubisch-winkelrechten
Form gestaltet, ‒ in jener Zeit, da er sich selbst nicht mehr gestalten
kann, da ihm das Werkzeug fehlt, ‒ ‒ als wenn ihn hier bereits in seinem
Erdenleben, die Baumeister des Tempels wieder aus dem Mauerwerk
entfernen müßten, als einen „toten” unbrauchbaren Stein ‒ ‒ ‒ ‒
Der Tempel duldet
nur, was leuchtend werden will, denn was hier scheinbar in der
Zeitlichkeit geschieht, ist ewigliches Werk der Ewigkeit, und was der
Mensch davon vorerst gewahrt, ist nur das Wenige, das er in
zeitlich-irdischer Beschränkung fassen kann. ‒ ‒
Will nun ein Mensch
des Tempels „Maßgerechtigkeit” erkennen, so wie der „Eckstein” sie
gebietet, der, den Kundigen bekannt, im Fundamente ruht, so wird er
jenes hehre Bauglied suchen müssen, das nach Außen Ausdruck
Allerinnerstem verleiht.
Wenn dieser Mensch
sich selbst bereits berechtigt hat zum Finden, so wird sein Suchen ihn
zur Säule führen, die, fest auf dieser Erde Boden stehend, ‒
ragend ‒ tragend ‒ sich erhebt um aufzunehmen, was von oben sich auf sie
herniedersenkt, ‒ Last und erhabene Krönung zugleich!
Das innerste
Mysterium des Tempels zeigt sich hier der Vorahnung von ferne, ‒ auch
wenn es erst dann zu erleben ist, wenn der Mensch, als „Baustein”
eingefügt, mit seinem ganzen Sein ein Teil des Tempels wurde, ‒ auf ewig
leuchtend im lebendigen Licht! ‒ ‒ ‒
‒ Älter als jede der bekannten Religionen, ‒ alt wie die ältesten
Zeichen menschlicher
Kultur, die auf diesem Erdball aufzufinden
sind, ist die ursprüngliche
Freie Maurerei:
die Priestergemeinde derer, die des
„Bauens” kundig, die der „Kunst” mächtig sind, auch wenn sie jeweils
sich unter anderem Namen verborgen hielt.
Die
Hiram‑Legende heutiger Logen könnte ein jüngeres Datum
ihrer Begründung vermuten lassen und die heutige
Bezeichnung
des Bruderbundes würde ihm gar nur ein Alter von zweihundert Jahren
zugestehen, aber in Wahrheit reicht die echte alte Maurerei in jene
Erdenzeit zurück, da die
ersten der Leuchtenden des Urlichtes
auf dieser Erde wirkten und sich ihre Helfer schufen unter
denen, die zu ihrer Zeit die Erde trug...
Nichts anderes waren die allerersten wahren „Maurer” als solche
Helfer jener
Wenigen, die den in das „Tier” gefallenen
Geistesmenschen wieder zu
retten suchten und um diese
Rettung durchzuführen sich eine Helferschar erzogen, die auf Erden
weitergab, was sie an Geistigem empfangen hatte.
Selbst „Künstler” im Sinne
reinster Erkenntnis der Gesetze, die
sich in aller „Kunst” der Erde widerspiegeln, hatten die ersten
Leuchtenden kein besseres Mittel zur Verfügung, wollten sie sich
Helfer schaffen, als die dafür tauglichen Menschen mit den
Gesetzen der
Kunst, die zugleich
faßbarste Form der
Gesetze des
Geistes sind, vertraut zu machen.
So kommt es, dass die ältesten Werke der
Kunst auf dieser Erde
dem Kundigen heute noch zeigen können, dass ihre Schöpfer auch der
Gesetze des
Geistes vollbewußt geschaffen hatten, dass sie
wahrhaft
geheimer Weisheit ergebene
priesterliche Künstler
waren. ‒ ‒
Die Tempelbauten und Paläste
Babylons, die Burgen der
minoischen Zeit, die
Pyramiden Ägyptens und seine Tempel
kündigen solche Künstlerschaft nicht minder als der
Parthenon.
Die lichten Tempel der
Griechen und
Römer, die Basiliken
der
Christenheit und später ihre hohen
Dome, ja noch die
ganze Kunst der Renaissance, bilden ihres Wirkens Zeugnis.
Da ist nichts zu finden, das nicht zum mindesten doch ihre
Spuren
noch zeigen würde, und
Vieles, das ihre geistige
Erkenntnis
in
Maß und
Rhythmus wahrhaft
herrlich heute noch
bezeugt. ‒ ‒ ‒
Erst nach der letzten Kunstperiode geriet die uralte
Priesterkunst
der Wissenden und wahrhaften
freien Maurer fast völlig in
Verfall.
Aus ihren Bauhütten rettete sich ‒ dem
Äußeren nach noch bis auf unsere Zeit ‒ was eben noch zu retten
war...
Viel war es wahrlich
nicht mehr. ‒ ‒
‐
Im Altertum waren diese
Priesterkünstler, diese freien Maurer,
vielfach noch weit in geschichtliche Zeit hinein, auch die
offiziellen Priester der jeweilig gepflegten höchsten Kulte, ja
selbst noch in christlicher Zeit verbanden viele aus ihnen ihre Kunst
dem Priestertum.
Stets aber wurden sie auch wieder von Zeit zu Zeit durch Unberufene,
die sich in ihre Reihen schlichen und das Priestertum nur als Mittel:
Macht und
Willkür auszuüben, wählten, aus dem dann
herrschenden Priesterkreis
verdrängt, schieden auch
freiwillig, angewidert von dem, was sie um sich her gewahrten, aus
der Priesterschaft aus, so dass sie für ihre Umwelt nur noch als freie
Künstler galten.
Im
Geheimen aber übten sie, die wahrlich ihrer Priesterschaft
Bewussten, nach wie vor den
Dienst am
Heiligtum
nach
ältestem Gebrauch. ‒
Dies wiederholte sich schon immer wieder innerhalb der
Kulte der
alten Welt, bis schließlich dann das erstarkende
Christentum
einen besseren Schutz zu gewähren schien.
Je mehr aber die nun zur Herrschaft gelangte Hierarchie, die ihren
ganzen
Aufbau der
freien Maurerei verdankte, der
Scheiterhaufen Flammen lodern ließ, desto mehr mußte die geheime
Künstler‑Priesterschaft der
freien Maurer nach
Symbolen
und
Formen suchen, die es ihr möglich machen konnten, ihre
heiligen
Riten auszuüben, ohne dies Tun als
priesterliche
Übung zu verraten. ‒
So kam denn allmählich alles das als Form und Gebrauchtum in die
„Logen”, was man zwar heute noch bewahrt, was aber schon
Jene
nicht mehr sachlich zu
deuten wussten, die aus den Resten der
alten
Werkmaurerei vor zweihundert Jahren das neue
symbolische Maurertum erstehen ließen.
Nur auf diese Art war man leidlich sicher, nicht sein wahres
priesterliches Wirken zu verraten.
Nur so ward
älteste geheime Weisheit mitteilbar, ohne als das
erkannt zu werden, was Unverstand und enger Zelotismus mit
Folter und Henkerbeil zu vernichten strebten.
Man barg sich in die Form der
Zünfte, die ja
Zunftlegenden
und geheime
Kennzeichen besaßen, die manche sonderliche
Seltsamkeit sich wahrten, auf die der hohen Herren herrschender
Priesterschaft sonst so listiges Auge lächelnd niederblickte, und so
war man ‒ gerettet. ‒ ‒ ‒
Urälteste
freie Maurerei war jedoch
anders geartet:
Hier soll sie nun, ohne der Wandlungen
in der Zeiten Lauf zu achten, in ihrer
echten Form ans Licht
gehoben werden.
Soweit ich mich etwa erst später entstandener
Worte bediene,
geschieht dies nur zur
Verdeutlichung.
Auch vergesse man nicht, was ich schon vordem sagte: ‒ dass die
Schöpfer der
Form der römischen Priesterhierarchie des
Christentums, sowie die Schöpfer ursprünglichen kirchlichen
Kultes
noch wirkliche
freie Maurer, Künstler der königlichen
Kunst, Priester der höchsten Weisheit waren, die sich in
jedem
Kult, den sie durchdringen kann mit ihrem
Licht, zu
verherrlichen weiß.
Man wolle aber wahrlich vergessen, was alles sich heute „freie Maurer”
nennt, ‒ und wolle ebenso der törichten Forschung hier entraten, die
nur von
außen her der Loge Geschichte zu verstehen sucht.
Nur wer auf
Allerinnerstes in diesen Dingen sich verläßt, wird
nicht verlassen sein!
Der Tempel aller
freien Maurer aller Zeiten ist zu tief im
Geistigen gegründet, als dass die
äußere Geschichte seines
Baues jemals seine
Fundamente offenbaren könnte....
Uroberste Instanz
der Loge seit ihrem Bestehen in der Welt der Sichtbarkeit: ihr
Ausgangsort, waren stets jene hohen Brüder der Lichtgemeinschaft
der „Leuchtenden”, die einst ihre Kunst jenen ersten
Helfern
lehrten und so sie zu
freien Maurern am geistigen Tempel
bereiteten.
Höchste Leitung
lag in eines
Leuchtenden Hand, der sich zu solcher Leitung
berufen fand durch seine hohen Brüder.
Eines unsichtbaren Reiches
ewiger König, ‒
Hoherpriester
in Ewigkeit, ‒ der
Kunst Kundiger, ‒ „Pontifex maximus” ‒
Brückenbauer und auch
Fährmann zugleich, ‒ war dieser
Leuchtende das
Licht der Loge.
Von ihm gingen alle hohen
Weihen aus!
Er gab
Vollmacht zur Weihe, gab
Gesetz und
Norm,
er
band und
löste!
Von ihm aus wurden
Ströme lebendigen Wassers durch die Loge
in die Welt geleitet.
Wie aber war die Loge
auferbaut?:
Hier, O Neuling und wenn du auch aller „Geschichte” Durchforscher
sein magst, wirst du „anderes” hören, als was die bisher dir
zugängliche Kunde zu berichten wusste....
Die urälteste Loge
priesterlicher Künstler, die
Ur‑Loge
aller
freien Maurer, umfaßte nicht mehr und nicht weniger als
sieben wohlgeordnete
Grade.
Wer durch
Art,
Begabung und
Tat als würdig gelten
mochte, der Loge Glied zu werden, der fand für sich den
ersten
Grad bereit: den Grad der
Neophyten oder Katechumenen. Du
kannst ihn noch erkennen in dem
Lehrlingsgrad der „Blauen”
Logen.
Hatte er sich in diesem Grade dann wohl bewährt und zuletzt eine
strenge Prüfung gut bestanden, so gab man ihm den
zweiten Grad:
den Grad eines bereits
Belehrten, eines
Gläubigen oder
Mitarbeiters. Die Benennung des Grades kommt hier nicht in Betracht,
da sie vielfach wechselt. Die heutige Zeit nennt ihn den „
Gesellengrad”.
Auch hier bewährt befunden und strenger Prüfung standhaltend, fand er
den
dritten Grad: den Grad des
Mysten. Du findest ihn
wieder in dem
Meistergrade der heutigen Maurerei. Diese drei
Grade bildeten den Konvent der
Laienbrüder.
Viele Glieder der
freien Maurerei blieben im Grade des
Laienbruders ihr Leben lang, viele wurden aber auch für reif
befunden, höher emporzusteigen zu den
Priestergraden.
Der
vierte Grad war bereits der eines
Priesters und ihm
folgten die beiden höheren: der
fünfte und
sechste Grad,
zu deren Weihe man nur nach langjähriger strenger Prüfung endlich
gelangen konnte.
Für jeden
höheren Grad wurde eine
strengere Prüfung,
eine
längere Bewährungszeit gefordert.
Die strenge Auslese bewirkte, dass die Zahl der Inhaber eines Grades
sich mit jedem höheren Grad bedeutend verringerte.
War der
Laienkonvent noch sehr zahlreich, so standen ihm
dagegen verhältnismäßig weniger
Priester gegenüber und die
höchsten Priestergrade wurden nur von sehr wenigen erlangt: am
seltensten der „sechste” Grad. ‒ ‒ ‒
Von ihm aus führte dann ein seltener Weg von Zeit zu Zeit einen
besonders würdigen Inhaber dieses Grades auch empor zum höchsten,
dem
siebenten Grad, den stets nur ein
einziger unter den
Lebenden hier auf Erden innehaben kann, ‒ dem Grad des
Patriarchen, des Vaters der „Väter”,
mit welch letzterem Namen alle
Priester‑Grade
bezeichnet wurden.
Er stand nun in steter Verbindung mit dem hohen
Leuchtenden,
der die Loge aus der Gemeinschaft der Lichtgeeinten leitete durch
ihn.
Von diesem
Leuchtenden allein konnte er seine
Weihe
empfangen und ihm nur war er geistig verpflichtet.
Dieser eine des
siebenten Grades ward stets von allen Brüdern
der Erde hoch geehrt, und von ihm aus gingen die Strahlen geistigen
Lichtes, die ihm der
Leuchtende, der Meister der „Weißen Loge”
sandte, weithin über die ganze Erde, soweit irgendwo die Loge wirkte.
Er allein konnte die Weihe für den sechsten Grad erteilen.
Der durch ihn geweihte Inhaber des
sechsten Grades aber erhielt
durch ihn die Vollmacht, die Weihe des
fünften und des
vierten Grades zu erteilen, während sodann dem
vierten Grad
die Befugnis wurde, die drei ersten oder
Laiengrade zu
verleihen.
So war das ganze Gebäude dieser Hierarchie
priesterlicher Künstler
und wahrhaft
freier Maurer am geistigen Tempelbau der
Menschheit in sich selbst gefestigt und jeder Baustein konnte sicher
auf dem anderen ruhen.
Freiwillige Unterordnung der niederen Grade war durch die Wahrnehmung
begründet, dass der höhere Grad auch
tatsächlich höhere Einsicht
in den Plan des Tempelbaues besaß und die Gesetze der Kunst
vollkommener verstand.
Jedes Höherschreiten war auf das Sicherste jeweils durch einen „Kanon”
geregelt, so dass nur der
wirklich Erprobte die Beförderung
erlangen konnte.
Für die drei unteren oder Laiengrade kannte diesen Kanon nur der
vierte Grad.
Für den
vierten und
fünften war er nur dem
sechsten
Grad bekannt.
Den Kanon für den
sechsten Grad aber kannte nur der Inhaber des
höchsten, des siebenten Grades, der wieder nur durch den
Leuchtenden des Urlichtes, der durch ihn die Loge leitete, die
hohe Weihe seines Grades empfing.
Für jeden Grad bestand ein besonderer
Tempeldienst und
besondere
Kunstverpflichtung oder Arbeitszuteilung.
Um jede irrtümliche Auffassung dieser Darstellung zu vermeiden, betone
ich nochmals, dass die von mir hier gebrauchten
Namen und
Bezeichnungen nur der
Verständlichung dienen sollen, denn
es ist die
Sache selbst, deren Aufbau gezeigt werden soll,
während die
Namen stetigem
Wechsel je nach der
Zeit
und der
Örtlichkeit des Wirkens unterlagen.
So wirkte denn die ursprüngliche freie Maurerei unter vielen Namen
segensreich von Uranfang an, bis sie in den letzten Bauhütten dann ihr
Ende fand, und die wenigen ihrer Anhänger, die noch etwas von ihrer
einstigen Würde ahnten, dazu trieb, einen „neuen” Anfang zu suchen.
Was aber dazumal begonnen wurde, hat
nicht zu einer
wahrhaftigen Erneuerung des Tempels geführt und
konnte nicht
dazu führen, da die Grundvoraussetzung fehlte, die
Wiederherstellung der Verbindung mit dem ursprünglichen Ausgangspunkt
der Maurerei.
Erst in neuerer Zeit wird diese Verbindung in aller Stille wieder
erstrebt.
Es wird gewiß keine leichte Arbeit sein, die mannigfache Überbauung
abzubrechen um zu den ersten
Fundamenten zu gelangen, und
manches eingestürztes Mauerwerk wird vorher fortzuräumen sein.
Dennoch kann sich die alte, echte, freie Maurerei, das alte
Priestertum der Künstler, der
Kundigen der Kunst des Bauens
und der Zierde, aus seinem Schlafe zu wacher
Tat
erheben, um so wie einst der Menschheit ein Segen zu sein, obwohl der
Name, den die Sache heute trägt, schon wahrlich viel von seinem
guten Klang verlor. ‒
Es kommt bei dieser Erneuerung alles auf die mannhafte
Tat, auf
die
Reinheit des
Wollens und auf die
Einsicht an,
dass nur die
ursprünglichen Fundamente noch verwendbar sind,
soll nicht aufs neue in sich selbst
zusammenstürzen, was man
nun in bester Absicht neu errichten will. ‒
Nur auf den
alten Fundamenten kann erneut der hehre
Tempel
erstehen, den Unkenntnis zerstört und in seinem eigenen Schutte
begraben hat, so dass man seit Jahrhunderten aus diesem die Steine nahm
um seltsamste Baugebilde auf den Trümmern kunstlos herzurichten, ohne
Plan und Maßgerechtigkeit. ‒ ‒ ‒
Mehr denn je könnte die Menschheit heutiger Tage in ihrer schier
grenzenlosen Verwirrung einen solchen
priesterlichen Weltbund
der
des Bauens Kundigen gebrauchen!
Viel Vorurteil
werden die Neuerer allerdings zu berichtigen haben, denn was heute
noch den
Namen der Sache trägt,
hat gar wenig mit
dem
zu tun, aus dessen Zerfall es vor zweihundert Jahren ersprießte, um
nach dem Willen seiner Neubegründer wenigstens noch jene
Tugenden
zu üben, die den alten,
echten, freien Maurern heilig
waren. ‒
Nicht als
politischer Geheimbund, wie er sich in manchen
Ländern etablierte, nicht als
humanitäre Bankettgesellschaft
mit absonderlichen Bräuchen und nicht als
theosophisch-
okkultistischer Verein wird die wahre echte
freie Maurerei aufs neue erstehen können, sondern nur durch die bewußt
geübte Einstellung aller ihrer Glieder auf das Hochziel reiner
Geisteserkenntnis und eines aus solchem Erkennen strömenden
Lebens nach höchstem
geistigen Gesetz!
Dann werden viele der alten Gebräuche
fallen können, an die man
sich jetzt noch ängstlich zu klammern müssen meint, da sie nur aus der
Not einer unduldsamen Vorzeit sich erklären, und heute weder
nötig,
noch dem
Werke förderlich sind.
Hingegen wird man aber einen
Tempeldienst aufs neue
einzurichten haben, der in erhebender Symbolik
höchste
Geistesweisheit, die in
Worten unaussprechlich bleibt, der
Seele nahe bringt, und wenn einst jene priesterlichen
Künstler
ihr
Erkennen in die
Werke ihrer Hände fließen ließen, so
wird der freie Maurer
künftiger Tage ebenso zum „
Künstler”
werden müssen, danach trachtend, dass alles, was sein Beruf von ihm
verlangt, ‒ was immer er schaffend ins Leben treten läßt oder sonstwie
bewirkt, ‒ zum offenbaren
Zeugnis seines hohen geistigen
Erkennens werden. ‒ ‒ ‒
In
seiner Volksgemeinschaft
sicher wurzelnd, wird er für den Bruder,
der aus einem anderen Volke stammt, aus eigenstem Empfinden
tiefstes
Verständnis gewinnen, und nie kann ihm die
Liebe, die ihn
seinem Stamm verbindet, zum Anlaß des Hasses gegen fremde Stämme
werden.
So
wird ein
Weltbund freier Maurer, der den
Tempel neu auf
seinen
echten Fundamenten aufzubauen unternimmt, wahrlich ein
Anderes sein als alles, was noch in diesen Tagen sich mit gleichem
Namen nennt! ‒
Hier kennt man genugsam die
Werke und weiß ja leider, dass längs
tot und
kalten Herzens ist, was noch den Namen führt, als ob es
lebe....
Töricht aber wäre es zu glauben, dass ein entehrter
Name auch für
alle Zeit das große
Werk entehren könne, das dieser Name zu
bezeichnen fähig ist.
Wenn kommende Geschlechter jene großen, echten, freien
Maurer neu
erstehen sehen werden, die mein Geist vor sich erblickt, dann wird man
meine Worte einst zu segnen wissen und mehr noch wird man
jene
segnen, die ich kommen sehe als
ritterliche Streiter wider alle
Torheit und Verblendung und als die Priester einer neuen Zeit..
Nichts liegt mir ferner als „Prophetengeste”, allein ich weiß, dass wir
im Dämmergrund eines
neuen Tages liegen, dass aller Albdruck, der
uns heute noch bedrückt, in wenig „Weltenstunden” schon der
Sonne
weicht ‒ und da ich solches weiß, heißt mich die
Liebe reden, um
denen, die gleich mir das
Dunkel dieser Zeit ertragen, den
neuen Tag zu künden. ‒
In jenes
neuen Tages
Licht wird auch der
Tempel
endlich sich erheben, den seit Jahrhunderten die echten freien Maurer zu
errichten suchten auf den
Fundamenten, die im
Felsengrund der
Ewigkeit verankert sind, und dann erst wird man die Geschichte der
Kultur des Menschen auf der Erde endlich
deuten können,
wird
Wahn und
Wahrheit dauernd wie die Spreu vom Weizen
sondern! ‒ ‒
Wahrheit
(Bô Yin Râ`s Beitrag zur E.B.D.A.R.)
Dass man sich, ‒ durch sein Schaffen und Werk in der Öffentlichkeit bekannt
geworden, ‒ auch auf allerlei Verunglimpfung gefasst machen muss, gilt
besonders dann, wenn man auf dem Gebiet seines geistigen Schaffens zum
Tempelreiniger wurde, dadurch dass man vor aller Augen aufzeigte,
wieviel Aberglaube, Selbstbetrügertum, und Spekulation auf die Börse der
Allzuleichtgläubigen sich auch in der heutigen, vermeintlich so nüchtern
abwägenden
Zeit doch noch in Bezirken festgenistet zeigt, die ihm
längst verwehrt sein sollten.
So war ich denn gewiss noch
niemals darüber erstaunt, wenn die Teilnehmer an dem „Okkultistischen
Karneval”, die ich (nebenbei auch unter diesem Titel) etwas deutlicher
beleuchtet hatte als es ihren mühelosen Geschäften dienlich sein konnte,
sich immer dadurch zu salvieren suchten, dass sie innerhalb
Deutschlands, das hier seit vielen Jahren ja nur allein in Frage kam,
alle Kreise zu denen sie direkt oder indirekt die gerade verlangte
politische Beziehung fanden, mit den abenteuerlichsten Behauptungen
hinsichtlich meiner Person infiltrierten, um nur ja des lukrativen
Arbeitsfeldes nicht verlustig zu gehen, das ihnen auch weiterhin leicht
zu behebende Gewinne bot, wenn es ihnen nur gelang, den ihnen
unbehaglichsten Kenner ihres volkswirtschaftlich so schädigenden
Treibens, an Stellen, die gerade jeweils den besten Schutz verhießen,
als suspekt erscheinen zu lassen. Neuerdings hat man nun zu besagtem
Zweck eine „Sekte” erdacht, der ich angehören solle, und zum
vorgeblichen „Beweis” jede nur mögliche Missdeutung aufgeboten.
Wahr ist jedoch, dass mir lebenslang nichts ferner lag als alles, was
nach „Sekte” oder „Geheimer Gesellschaft” aussah.
Wahr ist vielmehr, dass
ich, weit von allen solchen Dingen fern, einer Vereinigung
ausschließlich religiös eingestellter Gottsucher, die eine dogmenfreie,
nur im inneren Erkennen des Menschen wurzelnde Religiosität erstrebte,
ausdrücklich
erbetene psychophysische
Ratschläge erteilte,
die ich schließlich
in einem
Buchmanuskript unter dem
Titel „Ritualienbuch” zusammenfasste, zu dessen Gebrauch ich die kleine
Gesellschaft
allein ermächtigte, da das Manuskript ja mein
geistiges Eigentum ist und bleibt, und ich es nur von Menschen, denen
ich eine richtige Verwendung zutrauen konnte, gebraucht sehen wollte.
Ich erkläre in diesem Buche ‒ das ich bisher nur
als Manuskript
vervielfältigen ließ, weil es nun einmal nur
für Männer allein
und primär nur für den besagten engen Kreis den ich zu seinem Gebrauch
ermächtigte, bestimmt ist ‒ eine Anzahl der bereits
lange vor
meiner Kenntnis von dem
Bestehen eines in solcher Richtung
seelisch suchenden Kreises, in meinen frühesten Schriften schon unter
anderem besprochenen
alten Riten der mittelalterlichen
Dombauhütten-
Bruderschaften und vorangegangenen antiken, ebenfalls
auf einer dogmenfreien Erkenntnis fußenden Tempelbauwerkstätten, deren
letzte, wenige und teilweise schon sehr korrumpierte Reste von der 1717
in England entstandenen „Freimaurerei” zwar
für sich in Anspruch
genommen und unter Heranziehung
sehr fremder Vorstellungen,
in damals neuer Art, unter Benützung alttestamentlicher Namen etc.
symbolisch benützt worden waren, aber sonst auch
rein gar nichts
mit der nun in Deutschland verbotenen Institution der „Freimaurerei” wie
man sie dort präzise zu verstehen meint und definiert, zu tun haben.
Es wäre hingegen gewiss zulässig, von den durch mich auf Grund geistiger
Einsichten rekonstruierten alten Dombauhüttenriten, ‒ also von der
mystischen traditionellen Bauhüttenpraxis, die wahrhaftig ein Erbe aus
der
Urzeit ist, ‒ gleichsam als von einer, der „Freimaurerei”
tatsächlich
von sich aus unzugänglichen und in jeder Hinsicht
fremden „Ur”‑Maurerei zu sprechen, was ich auch in Erläuterungen und
Hinweisen den allein durch mich mit diesen alten Riten Bedachten
gegenüber absichtlich ausgesprochen habe, um damit die sachlich und
psychotechnisch durchaus gegebene entscheidende
Andersartigkeit
gegenüber der Institution die sich „Freimaurerei” nennt, auf
deutlichste Art zu betonen. Was viele nach seelischer Gewissheit allein
strebende Naturen in der Freimaurerei vergeblich zu finden
hofften,
hätten sie in dem von mir beratenen kleinen Kreise wahrscheinlich
gefunden.
Von dem
Folgenden zu sprechen, sehe ich mich leider nun verpflichtet, da es
Anlass zu irrigem Urteil wurde, wo kein Verstehen vorausgesetzt werden
konnte. Was also von mir erwähnt wird, hat keinerlei Ursache mehr,
unerwähnt zu bleiben. Es gibt hier
nichts, das nicht
der
hellsten Beleuchtung standhalten könnte!
Im Jahre 1921 (das genaue Datum ist mir entfallen, wie denn bekanntlich
und
von mir stets betont, auch späterhin diese ganze geistige
Hilfe und Aufklärung des kleinen Gottsucher-Kreises nur „
an der
alleräußersten Peripherie” meiner geistigen Interessen lag)
erreichte mich die erste Kenntnis vom
Bestehen der dann später
von mir zum Gebrauch meines „Ritualienbuches” ermächtigten, zahlenmäßig
kaum nennenswerten Vereinigung, durch einen Brief ihres, wie ich später
kontrollieren konnte, mystischer Versenkung sehr zugänglichen und dafür
auch besonders begabten Gründers und Leiters. Die kleine Gruppe seelisch
Suchender nannte sich damals ‒ auf Grund der altfranzösischen
„Graal”-Sage: „Ordre du Saint Graal”, um sich deutlich von gewissen
vulgärokkultistischen, sogenannten „Gralorden” zu unterscheiden.
Da ihr Leiter auf alle Fälle mystisch religiöses erkennendes Urteil
genug hatte, um nach allgemeiner Lektüre meiner Schriften, soweit er sie
gelesen hatte, zu wissen, dass, wenn irgend ein Mensch, so nur ich die
alten Riten der Dombauhütten eruieren und zum Gebrauch der heutigen Zeit
formen könne, war sein Anliegen lediglich, durch mich diese alten Riten
mitgeteilt zu erhalten. Man darf nicht sagen, dass ich zu schnell zur
Erfüllung dieses Wunsches bereit gewesen wäre. Volle anderthalb Jahre
ließ ich den sehr aktiv veranlagten Mann, trotz allem Drängen und
Bitten warten, um sicher zu sein, dass keinerlei andere Absichten ihn
leiteten, außer seinem Verlangen nach einer methodischen Förderung
seines eigenen seelischen Suchens und des seelischen Strebens der von
ihm gegründeten kleinen Gesellschaft. Allerdings brauchte ich auch
diese Zeit, um mir selber die nötigen geistigen Einblicke zu erwirken.
Da mir die Bezeichnung als „Orden” zu manchen vermeidbaren Irrtümern
Anlass bieten schien, schlug ich bei der Überlassung des ersten
Fragments der Riten (mehr hat er nie erhalten!) dem „Ordensgroßmeister” vor,
seine Vereinigung doch lieber eindeutig als „Bruderschaft”
zu bezeichnen, analog den
konfessionell religiösen
Bruderschaften und denen
der alten Dombauhütten. Das geschah dann
schließlich auch, aber romantische Neigungen des seiner Sache hingebend
dienenden Mannes, der zwar im bürgerlichen Leben den prosaischen Beruf
eines Zahnarztes erfolgreich ausübte, führten ihn zur Einführung vieler
pompöser barocker Titel, Anreden, Formeln und Signaturen, die mit dem
von mir Gegebenen
nicht das allergeringste zu tun hatten. Er
beschwor mich aber, ihn gewähren zu lassen, denn er war überzeugt, das
alles sei, seiner Erfahrung nach, psychologisch nötig um den Einzelnen
bei dem Bewusstsein zu erhalten, dass er sich mit
Heiligem,
Religiös-Weihevollem beschäftige. Da ich seinen Erfahrungen nichts aus
eigener Praxis entgegenzusetzen hatte, ließ ich den wunderlichen
Wünschen, denen ich nicht wehren konnte, ihren Lauf. So ist auch der
Einfügung eines natürlich in jedem Punkte bis in das letzte Wort
gesetzlich einwandfreien Aufnahme-„Eides” in das Zeremoniell, von mir
entsprochen worden, da der offenbar Erfahrene nur dadurch die Gewähr
dafür gegeben sah, dass mein geistiges Eigentum vor jeder Profanierung
gesichert bleibe. Dass dieser „Eid” praktisch nichts anderes als eine
jeweilig verwendete
Aufnahmezeremonie war, und auch nicht im
Traum etwa als „juristisch” gemeinte „Vereidigung” betrachtet wurde,
zeigte sich später deutlich genug! Ich konnte dem Wunsche um so eher
entsprechen, als ich ja wie niemand sonst
wusste, dass Antike und
Mittelalter weitaus strengere Bindungen kannten, und dass tatsächlich
kein anderes Motiv, außer vielleicht einem entschuldbaren
Prestigebedürfnis, für die Aufnahme dieser Schweigeverpflichtung
bestand. (In der Praxis hat die vermeintlich so gewisse Gewähr für das
Vermeiden der Profanierung des Meinigen bei der ersten Probe prompt
versagt!)
Die Folgezeit
zeigte den ehemaligen „Großmeister” des früheren „Ordens” der nun auf
meinen Wunsch hin: „
Ermächtigte Bruderschaft der alten Riten”
genannt worden war, (abgekürzt „E.B.D.A.R.”) so stark von romantischen
Neigungen und einem Hang zu phantastischen Deutungen beherrscht, dass
ich schon im Jahre 1925, oder gar schon eher (
? ) die Absicht
aussprach, meine Ermächtigung zum Gebrauch des Ritualienbuchfragmentes,
als meines geistigen Eigentums, zurückzuziehen, was nur unterblieb, weil
mir das gewiss ehrlich
gemeinte Versprechen gegeben wurde, alles
von mir Beanstandete aufzugeben.
Zeitweise wurde das Versprechen
auch sehr erfreulich eingehalten, aber fast Jahr um Jahr schien mir
wieder die Zurückziehung der gegebenen Ermächtigung, mein geistiges
Eigentum zu gebrauchen, fast zwingend nötig. Wenn ich trotzdem bis 1931
zuwartete, so geschah das in erster Linie deshalb, weil ich nun auch
immer mehr und immer deutlicher sah, dass manchen im Geistigen besonders
vorangekommenen Mitgliedern der „Bruderschaft” nun, nach ihrer
Auffassung, der Boden unter den Füßen fortgezogen sein würde, wenn ich
nicht doch noch, trotz allem Erfahrenen, die Ermächtigung bestehen
lassen wolle.
Kurz bevor ich dann aber dennoch mich unaufschiebbar dazu gezwungen sah,
sie dem Leiter der Bruderschaft zu entziehen, hatte ich schon meine
ehedem erbetene geistige „Protektion”, die zwar jederzeit eindeutig nur
segnendes
Wohlwollen war, als äußere, allenfalls verkennbare
Form zurückziehen müssen, nachdem ich erfahren hatte, dass der Gründer
und Leiter der meinerseits immer von mir distanzierten Bruderschaft
intern die Ansicht nährte, dass er zu einer töricht herrischen
Behandlung mancher Mitglieder, die sich bei mir darüber beklagten, quasi
‒ meine, ihn deckende Zustimmung habe.
Mein Schreiben lautete, nach einem Durchschlag wiedergegeben, wie folgt:
„Da mir unzählige Erfahrungen in einer Reihe von Jahren gezeigt haben,
dass der Irrtum, als habe ich in irgend einer Weise Anteil an der
Leitung der E.B.D.A.R. nicht aus der Welt zu schaffen ist, solange
ich nominell das „Protektorat” innehabe, lege ich hierdurch, nach
langewährender geistiger Prüfung der Angelegenheit, ebendieses
„Protektorat” in aller Form nieder, so dass ich vom heutigen Tage an in
keiner wie immer gearteten äußerlich persönlich bestimmten Beziehung
zur E.B.D.A.R. stehe, und daher auch in Briefen ihrer Mitglieder an
mich alle bisher von der Leitung angeordneten Anreden und dergleichen
fortzufallen haben.
Dieser wohlerwogene Schritt
schließt jedoch nicht aus, dass mir das weitere geistige Gedeihen der
ehrwürdigen Bruderschaft überaus am Herzen liegt.
Wohl aber schließt er
definitiv aus, dass mir von Mitgliedern der Bruderschaft irgendwelche
interne Mitteilungen gemacht, Klagen vorgebracht, oder irgendwelche
Dinge vorgelegt werden dürfen, die Angelegenheiten der E.B.D.A.R.
als selbständiger, von mir ganz unabhängiger Vereinigung sind.
Ich bitte dringend darum,
diese meine Mitteilung unverzüglich im Wortlaut allen höheren
Funktionären der Bruderschaft vorzulegen, die ihrerseits wieder gebeten
sind, jeden einzelnen Bruder von diesem Wortlaut zu verständigen.
Lugano‑Massagno, am 15. November 1931 ”
(Meine Unterschrift)
Ich gebe den streng
genauen, durch meinen Notar und jede Amtsstelle kontrollierbaren
Wortlaut dieses Briefes hier wieder, weil er besser als alles andere
beweist,
wie mein absolut freies Beziehungsverhältnis zu dem
kleinen Kreise
wirklich beschaffen war. Dass die Tonart meiner
Briefe, der Form nach, ebensowohl auch einem
größeren Kreise
entsprochen haben würde, war Folge einer Höflichkeitskonzession
meinerseits.
Es ist dem allenthalben
angesehenen Manne an den dieser Brief gerichtet war, gewiss nicht leicht
gefallen, mir das ihm seinerzeit zum Gebrauch in seiner Vereinigung
überlassene Ritenfragment zurückzuerstatten, als ich ihm, noch vor
Schluss des Jahres, wenn auch in der Form, die eine
Bitte war, so
schonend wie möglich, so doch
endgültig, die Ermächtigung, mein
geistiges Eigentum weiterhin zu benützen, entziehen musste. Während mir
sein Verhalten zuerst auch aller Bewunderung wert erschien, versuchte er
jedoch dann, mich kurze Zeit später zu einer
erneuten
Ermächtigung umzustimmen, welchen Bestrebungen es zu danken ist, dass
der hierdurch veranlasste weitere kurze Briefwechsel schließlich mit
einem Abbruch jeder Beziehung endete. Seitdem ist der betriebsame Mann
meinem Gesichtskreis notwendigerweise entschwunden.
Nachdem ich es nunmehr nur
noch mit den mir im Laufe der Zeit bekannt gewordenen zehn oder zwölf
Mitgliedern der Bruderschaft zu tun hatte, darunter auch persönliche
Freunde von mir waren, die sich, trotz meinen, ihnen bekannten Bedenken,
doch dem kleinen Kreise, im Glauben an seine Entwicklungsfähigkeit
angeschlossen hatten, wenn sie auch seinen Leiter zuweilen kritisch
betrachteten, trat erst zutage, wie sehr selbstherrliches und
geheimniskrämerndes, ihm aber offenbar angeborenes Verhalten des
Gründers und bisherigen Leiters die Entwicklung der kleinen Vereinigung
gehemmt hatte.
Es schien daher zuerst kaum
möglich, die von den wenigen mir bekannten Mitgliedern erbetene
Ermächtigung zum weiteren Gebrauch meines geistigen Eigentums, der ja
stets
unter meiner geistigen Verantwortung blieb, an einen „Nachfolger”
zu übertragen, und ein bemühend umständlicher Briefwechsel
ließ mich erkennen, dass man sich einesteils offenbar meiner, von mir
als „conditio sine qua non” erklärten Verantwortlichkeit gegenüber nicht
recht berufen fühlte, anderenteils aber auch über
Form und
Namen nicht ohne weiteres einig war, die nun fortan die Gemeinschaft
ohne den gewohnten Leiter zusammenhalten und mir den rechten Gebrauch
des Meinigen sichern sollten. Stets wieder um Rat gefragt, wusste ich
auf dem mir an sich fremden Gebiet der vielleicht möglichen
vereinsrechtlichen Formen kaum noch irgendwie Rat zu bieten, bis ich
schließlich sah, dass man auch hoffte, mich selbst als Leiter zu
gewinnen, was gänzlich ausgeschlossen war. Erstens standen solcher
Hoffnung meine eigenen geistigen Pflichten im Wege, die mir absolute
Isolation im Interesse meines „Dienstes an der seelischen Erkenntnis
meiner Mitmenschen” ungeschrieben vorschreiben, und zweitens ist es,
auch ganz von diesen unlösbar bindenden Pflichten abgesehen,
nicht
meine Aufgabe, irgend eine religiöse Gruppe, oder eine ähnliche
„Institution”, wie sie sich auch nennen möge, zu leiten, sondern meine
alleinige, jetzt seit kurzem
erfüllte Lebensaufgabe bestand
einzig darin, nach Maßgabe meiner Kräfte, mein
öffentlich
erschienenes schriftliches Lehrwerk zustande zu bringen, das nun
abgeschlossen vorliegt.
Um allen Weiterungen ein
Ende zu bereiten, sah ich nach langem Zögern, aber im Willen, der
kleinen Gemeinschaft so wie es mir möglich war zu helfen, mich
veranlasst, ihr in dem nun vorliegenden „Ritualienbuch”
die
Gesamtheit der mir auf geistige Weise erfahrbar gewordenen alten
Bruderschaftsriten der ehemaligen Dombauhütten und antiken
Tempelbauwerkstätten in solcher Form darzustellen und zu erklären, dass
weitere Ratschläge von meiner Seite her fortan definitiv unnötig wurden.
Um auch der Gefahr einer erneuten Zentralisation zu wehren, knüpfte ich
zuletzt die Ermächtigung, mein geistiges Eigentum, soweit es in meinem,
„Ritualienbuch” gegeben ist, zu gebrauchen, vorsorglich an die
Bedingung, dass jede örtliche kleine Einzelgruppe (es handelte sich um
verschwindend wenige) sich nur der Leitung eines
auch von mir für
geeignet befundenen Vorstehers anvertrauen möge, und dass alle
Mitglieder eines Landes sich durch einen eigenen jeweiligen
Landesvorsteher leiten lassen sollten. So war mir auch alle Garantie
gegeben, dass niemals irgend eine unstatthafte Beeinflussung einer
Gruppe, ‒ von
außerhalb der in betracht kommenden Landesgrenzen
her, ‒ in Erscheinung treten könne.
Meine Bezeichnung der mir tauglich erscheinenden Orts- und
Landesvorsteher erfolgte
ein einzigesmal, ‒ bei Erteilung der
Ermächtigung, ‒ wonach dann jeder dieser, mein Vertrauen besitzenden
Männer seinen Nachfolger
selbst zu bestimmen hatte und hat, und
ebenso weitere Vorsteher einsetzen kann, solange die E.B.D.A.R. irgendwo
gesetzlich besteht. Es handelte sich also lediglich um die Wahrung
wohlberechtigter Interessen an meinem geistigen Eigentum, das ich auch
der winzigsten Gruppe nicht bedingungslos zum Gebrauch überlassen
konnte.
Die vormals so zahlreichen
Formeln, Signaturen, Titel und Anreden schaltete ich nun bis auf
verschwindend wenige, anscheinend nötige Reste aus, oder ersetzte sie
durch Besseres, dem ich eine rein
geistige Verankerung gab. Eine
solche bestand schon für die Ermächtigung. Doch, da das für alle, die es
nicht selbst am eigenen Leibe und in eigener Seele erprobt haben,
lediglich und bestenfalls nur „Glaubenssache” sein kann, gehört eine
weitere Erörterung gewiss nicht hierher! Alles was man in dieser
Beziehung zu wissen wünscht, kann in meinem vor aller Öffentlichkeit von
1913 an im Buchhandel erschienenen, und 1936 abgeschlossenen, bekannten
geistigen Lehrwerk, das in aller Welt, ‒ auch
weit außerhalb
Europas und europäischer Glaubensbezirke, ‒ seine glücklichen Freunde
und Schüler hat, leicht nachgelesen werden.
Dass ich in meinem geistigen
Lehrwerke zu
allen Menschen,
‒
Männern wie
Frauen, ‒ spreche, während mein
„Ritualienbuch” (
das übrigens keineswegs in mein geistiges
offenbarendes Lehrwerk aufgenommen ist!) sich nur an
Männer
wendet, darf nicht, aus Unkenntnis psychophysisch bestimmter Dinge, zu
falschen Schlüssen verführen.
Es hat
die gleichen
Gründe, die, ‒ wenn sie auch heutigentages zwar den priesterlichen
Vertretern der hier in Frage kommenden Religionen nur in den seltensten
Fällen noch wirklich bekannt sind, ‒ dazu führten, dass dem
Manne,
von den indischen früharischen Brahmanen bis zur so viel späteren
römisch-katholischen Kirche, eine von den Heutigen kaum noch geahnte
priesterliche Stellung vorbehalten ist, die ein weiblicher Mensch, so
sehr er das auch in seiner Unkenntnis bedauern mag, aus
psychophysiologischen Gründen ebensowenig ausfüllen kann, wie ein
männlicher Mensch
gebären könnte. Auch noch in dem von Indien her
bis heute stark beeinflussten, auf den Buddhismus bezogenen Lamaismus
Tibets ist jeder „Hermaphrodit oder Transvestit” von der Aufnahme in
den Kreis der Kleriker ausgeschlossen und der zu
höchster
Ordination gelangende Mönch muss vorher erst noch feierlich bestätigen,
dass er wirklich physisch ein vollwertiger „Mann” sei. Vor dem Chor der
Mönche wird er darüber nochmals beschwörend befragt...
(Siehe neuerdings Dr. Wilhelm Filchner: „Kumbum Dschamba Ling”, Verlag Brockhaus, sowie
Univ. Prof. Dr. Robert Bleichsteiner: „Die gelbe Kirche”, Wien 1936)
Selbst in solchen
Nachklängen handelt es sich noch um Dinge, die dem an seine Tierheit
gefesselten Menschen schier unfassbar sind, denn das alles bezieht sich
ursprünglich auf wirkliche geistig Eingeweihte höchster
Mysterienkulte des ältesten Altertums.
Es wird sich aber wohl
niemand nun unter Mitgliedern der „E.B.D.A.R.” etwa wirkliche „Eingeweihte”,
also „Initiierte” im Sinne antiker Mysterien, wie sie
noch in Delphi, Eleusis und an anderen Orten begangen wurden, vorstellen
wollen, ‒ aber die von mir eruierten
alten Riten, die ich den
Mitgliedern der genannten kleinen Bruderschaft in meiner Bearbeitung
überließ, sind in Wahrheit ursprünglich das Werk
wirklicher
Eingeweihter in höchste, aller zeitlichen Meinung entrückte Mysterien
ewigen geistigen Lebens!
Ich kann an diesen
Tatsachen auch nicht das geringste ändern. Ich kann nur misstrauischen
Gemütern bestätigen, dass allen Mitgliedern der „E.B.D.A.R.” die
Einehe im hohen Sinne meines Buches „Die Ehe” eindringlichst angeraten
ist.
Jegliche sexuelle Perversität schließt natürlich
unerbittlich von jeder Teilnahme an den alten heiligen Riten der
Dombauhütten-Bruderschaften
aus! Es ist beklagenswert, dass man
so Selbstverständliches erst noch sagen muss, doch scheint es leider
nötig zu sein. Aus gleichen Gründen schließe ich diese Denkschrift
mit der ausdrücklichen Feststellung, dass
mein geistiges Lehrwerk
allein für Männer wie Frauen
maßgebend ist, ‒ die „E.B.D.A.R.” jedoch einen
daneben möglichen
Sonderfall
darstellt, den aber dieses Lehrwerk keineswegs etwa irgendwie umfasst.
Ich habe niemals auch nur entfernt daran gedacht, Menschen, die sich für
die in ihrem Wesen
urgeschichtlich alten Riten der
Dombauhüttenbruderschaften interessieren würden, zu begegnen. Noch
weniger wäre es mir in den Sinn gekommen, dass ich, als der
ewigkeitsverpflichtete Gestalter des der Welt meiner Zeit und ihrer
Zukunft gegebenen Lehrwerkes, einer kleinen Menschengruppe in meinen
Tagen die alten Riten einstens
restaurieren würde, die
längstvergangene Zeiten ihren, allen Glaubensmeinungen hoch
überlegenen, wahrhaftig im Geiste „geweihten” Laienpriestern gegeben
hatten, in deren erhabenen Kreis ehedem selbst höchste weltliche Fürsten
und geistliche Würdenträger aller Grade Zutritt zu erlangen suchten.
Schwer hält es jedoch, keine Satire zu schreiben, wenn man sieht, dass
offenbar allen Ernstes für möglich gehalten wird, ich sei der Mann dazu,
mich einer „Sekte” anzuschließen oder mir eine ergebene „Organisation” irgendwo auf dieser Welt zu schaffen.
EBDAR ist die Abkürzung für
„Ermächtigte Bruderschaft der alten Riten”. Sie ist eine internationale
Bruderschaft, die sich in geistig-menschlicher Gemeinsamkeit um die
eigene und gemeinsame seelische Entfaltung im Sinne der
antiken
Mysterienschulen und der späteren mittelalterlichen
Dombauhütten
bemüht.
Im Mittelpunkt ihrer Arbeit an
der Entfaltung des inneren Menschen steht der von Bô Yin Râ gegebene
Meditations-
Zyklus, der in sieben Graden (drei Graden des Lehrenehmens
und vier Verdienstgrade) bearbeitet wird.
Bô Yin Râ war weder Gründer
noch Mitglied der EBDAR, übernahm jedoch vorübergehend das Protektorat
der zahlenmäßig kleinen Bruderschaft, die er zum ausschließlichen
Gebrauch der von ihm gegebenen Anweisungen ermächtigt hat.
Die EBDAR ist eine, durch den
Willen und die freie Verpflichtung Einzelner gebildete geistliche
Gemeinsamkeit von Männern, die sich nach einer uralten, von Bô Yin Râ
wieder ins Leben gerufenen geistlichen
Praxis zum Selbstempfinden ihrer
eigenen ewigen Geistnatur fähig machen wollen. Diese Praxis ist eine
Schulung der speziell männlichen Form geistiger Erkenntnisorgane und
darum nur Männern möglich, entspricht aber durchaus den auch dem
weiblichen Erkenntnisorganismus zugänglichen Methoden geistiger
Selbsterkenntnis, wie sie im
Lehrwerk Bô Yin Râ's vor aller
Öffentlichkeit gelehrt werden.
Nur die bei weitem größere
Gefahr des Mißbrauchs der mystisch geistigen Anweisungen durch
Unberufene,
verbietet eine öffentliche Darstellung der in der EBDAR zur
geistlichen Schulung verwendeten Lehren, die vielmehr nur solchen
Naturen zum Segen werden können, die alle Gewähr dafür bieten, bereits
zu einem hohen Grade geistig sittlicher Festigkeit des Charakters
gelangt zu sein.
Die hier in Betracht kommende,
aus ältesten Kulturzeiten der Menschheit stammende, und von Bô Yin Râ
der Anwendungsform nach erneuerte Praxis führt nur dann zum angestrebten
Erfolg, wenn die sie übende geistliche Gemeinsamkeit als solche in
geistigem Konnex
mit den Vätern im Urlicht steht. Dieser rein geistige
Anschluß ist durch Bô Yin Râ
bewirkt worden, der deshalb auch allein die
Ermächtigung zu der Ausübung der durch ihn wieder dargebotenen
Schulungspraxis erteilen konnte.
Da die Glieder einer rein
geistlichen Gemeinsamkeit ihrer irdischen menschlichen Erscheinung nach
in verschiedenen Staaten leben können, und strengstens dazu
verpflichtet sind ihre jeweiligen Staatsgesetze zu achten und nach
Kräften zu erfüllen, so ergab sich die Notwendigkeit, die geistlichen
Schülergruppen mit ihren Lehrmeistern konform den Staatsgebilden in
denen sie leben, abzugrenzen, und zwar derart, daß die
EBDAR in jedem
Staate absolut unabhängig von den Gruppen der Schüler und Sakralmeister
anderer Staaten ist und bleibt.
Alle die vorgenannten Würden
und Funktionen sind rein geistlicher Art und beruhen allein auf der
durch Bô Yin Râ erteilten Ermächtigung und dem gegenseitigen Vertrauen
zwischen den Schülern (Mysten) und ihren Lehrmeistern (Sakralmeistern).
ENDE
OKKULTE
RÄTSEL
Kober`sche Verlagsbuchhandlung AG. Zürich
Der bürgerliche Name von
Bô Yin Râ war
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Die erste Auflage erschien im Verlag
Magische Blätter, Leipzig, 1923
©
Copyright 1962 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Switzerland by
Schellenberg-Druck Pfäffikon ZH
.Nur Eines ist not! ‒ Dieses «Eine»
suchen alle meine Schriften aufzuzeigen, und
all mein Wirken geht darauf aus, den sicheren
Weg zu weisen, der dieses «Eine»
erlangen
läßt. ‒
Wenn ich nun hier in diesem Buche jedoch
von Dingen rede, die völlig
anderen We‐
sens sind, so soll auch dies nur den Weg
er‐
hellen helfen und vor Abwegen
bewah‐
ren...
*
Der Suchende, der sich entschlossen hat, den
Steilpfad zu betreten, der zu den lichten
Höhen des Geistes führt, bedarf der
Hilfe, um nicht schon im Beginn seines Em‐
porsteigens die
Zielrichtung zu verlie‐
ren. ‒
Sein Weg beginnt mitten im
Alltag und
führt ihn erst
allmählich höher und höher,
so daß es geraume Zeit währen mag, bis er
sich endlich von dem klaren, wesenhaften
Lichte
reingeistigen Seins umflutet findet.
Vorher dringen noch mancherlei
andere
Strahlungen auf sein Auge ein, die er wohl
beachten möge und ihrer Art nach erken‐
nen lernen muß, soll er durch erdenhaftes
Licht sich nicht täuschen lassen. ‒
Nicht alles Licht, das diese Erde spendet,
ist trügerisch!
Gar manches Leuchten, das aus unsichtbaren
irdischen Regionen glüht, kann auf dem
Wege zum Geiste Hilfe bedeuten, wenn der
Suchende es recht zu nützen weiß, denn
noch ist er ja in körperhaften Banden ‒ Ge‐
setzen unterworfen, die dem gleichen Ur‐
schoß körperlichen Seins entstammen, der
auch Gesetz und Wirken jenes Leuchtens
immerdar bestimmt. ‒
«Beherrschet die Erde und machet sie
euch untertan!»
Nicht durch Mißachtung ihrer geheimen
Kräfte wird der Mensch zum Herrn der Erde,
sondern durch die Kenntnis der Ge‐
setze, denen sich alles Irdische beugen muß,
und durch das Wissen um seine Geistes‐
macht, die allem gebieten kann, was irdi‐
schen Raum erfüllt, und stets in gleichem
Grade Gehorsam finden muß, in dem sie
selbst gehorsam jenem ewigen Walten sich
erweist, das ihres individuellen Daseins
Ur‐
sprung ist. ‒
*
Hier wird nun von Dingen gehandelt werden,
deren Kenntnis an sich zwar keineswegs
nötig ist zur Erreichung des höchsten gei‐
stigen Zieles: der Vereinigung des eigenen
Bewußtseins mit dem wesenhaften
Geiste
in uns selbst ‒ der Geburt des
lebendigen
Gottes in der eigenen Seele.
Da aber die hier behandelten Dinge ebenso‐
wohl zu einem
Hemmnis geistigen Strebens
werden können, wie sie anderseits den
Auf‐
stieg zu fördern vermögen, und da mannig‐
fache Unklarheit hinsichtlich der
Ursachen
herrscht, auf denen die Erscheinungen be‐
ruhen, die hier in Betracht gezogen werden,
so dürfte es allen, die zu
geistigem Lichte
streben, nur zum Segen gereichen, wenn so
manches vor ihren Augen auf seine eigentli‐
chen
Wurzeln zurückgeführt wird, das
ihnen bisher noch
Beunruhigung schaffte,
da sie es in ihrem Weltbild nicht recht unter‐
zubringen wußten, aber anderseits im Leben
des Alltags viel zu oft von seiner Tatsächlich‐
keit überzeugt wurden, als daß sie sein Vor‐
handensein hätten in Zweifel ziehen können.
Ich werde von recht verschiedenwertigen
Erscheinungen zu sprechen haben.
Unkenntnis setzt noch immer verborgene
Wissenschaft dem Aberglauben gleich, ohne
auch nur zu ahnen, daß durch solche Ver‐
wischung aller Wertgrenzen die mehr
oder weniger harmlosen, zuweilen aber auch
äußerst giftigen Pilze des Aberglaubens
erst den Boden finden, auf dem sie üppig em‐
porschießen können, aller edleren Pflanzung
Kraft und Wachstum raubend. ‒ ‒
Solchen Nährboden des Aberglaubens gilt
es auszurotten, und das kann nicht auf
bessere Weise geschehen, als durch das Frei‐
legen jener Kräfte noch wenig erforschter
Natur, deren Wirkungsart zu abergläubi‐
scher Auslegung führte, weil man ihr
wirkliches Wesen nicht erkannte. ‒
Dabei wird sich dann zeigen, daß eine frühe
Vorzeit in so manchen Dingen doch weiser
war, als die ihres «Fortschritts» und ihrer
«Aufklärung» allzustolze
Gegenwart...
Manche Erkenntnis früherer Zeiten, die noch
vor wenigen Jahren unbedenklich zum «Aber‐
glauben» gerechnet wurde, ist bereits heute
schon als wirklich begründet erkannt, aber
weit mehr noch bleibt zu prüfen, will man
verborgene Wissenschaft dauernd von
abergläubischem Wahn befreien und
aufs neue so manches
Geheimnis der den
Körpersinnen verhüllten
Natur der Mensch‐
heit dienstbar werden sehen. ‒ ‒
Es gilt,
ohne die Fesseln der
Vor-
Urteile
die hier vor uns liegenden Gebiete zu betre‐
ten, wenn man
finden will, was sich finden
läßt, wenn man lernen will, das
Wertlose
und
Täuschende von dem
Echten und
Wertvollen zu
scheiden. ‒
Vor allem aber gilt es, hier zu
prüfen, bevor
man sich berechtigt fühlen darf, zu eigenem
Urteil zu gelangen.
Voreingenommene Ansichten und
Mei‐
nungen, auch wenn sie sich vermeint‐
lich
gegen allen Aberglauben richten, sind
noch immer
die besten Schutzwehren
für die Moderverstecke wuchernden Aber‐
glaubens gewesen! ‒
Nicht dadurch, daß man allem Dunkel
aus
dem Wege geht, beweist man seine
Furchtlosigkeit vor «Gespenstern», sondern
dadurch, daß man
ruhigen Blutes durch
das Dunkel schreitet und fest zuzugreifen
weiß, sobald Gespenster schrecken wollen. ‒
*
Es zeigte sich mir aber auch aus noch anderen
Gründen als geboten, von den in diesem
Buche behandelten Dingen einmal zu reden.
Manches der Gebiete, die wir betreten wer‐
den, findet bereits seit geraumer Zeit seine
tändelnden oder auch ernsthaft forschenden
Besucher.
Eine unübersehbare Literatur sehr ungleichen
Wertes beschäftigt sich mit den hier der Be‐
trachtung unterzogenen Erscheinungen.
So kommen nun diese Dinge auch gar man‐
chem nahe, der ehrlich und ernsthaft bestrebt
ist, den Weg zum
reinen Geiste zu finden,
und nur allzuoft glaubt dann der Suchende,
er habe es hier schon mit einer Offenbarung
geistiger Welten zu tun, so daß er unver‐
merkt in eine seinem Streben diametral
ent‐
gegengesetzte Wegrichtung gerät. ‒
Andere wieder
fürchten jede Beschäftigung
mit derlei Dingen und leben stets in törichten
Ängsten vor allem, was sie an eingebildeter
«Schädigung» von dieser Seite her erwar‐
ten. ‒
Den Irrtum in
jeder dieser beiden Formen
soll dieses Buch endlich
beseitigen helfen.
*
Wohl kann es zu einer verhängnisvollen
Umkehrung der Zielrichtung führen,
wenn der Suchende glaubt, die geheimnisvolle
Wirkung ihm verborgener
erdgebundener
Kräfte als Äußerungen
höchster Geistes‐
regionen ansprechen zu müssen, aber auf
der anderen Seite steht er nur
sich selbst
im Lichte, wenn er es aus bloßer Furcht ver‐
säumt, sich über
Art und
Herkunft solcher
verborgener Erdenkräfte
Klarheit zu ver‐
schaffen, ‒ wenn er in tausend Ängsten lebt,
es könne ihm von dieser Seite her Unheil
drohen, ‒ statt daß er selbst auch diese
Kräfte sich zu Dienern macht, damit sie
ihm das Schreiten auf dem Höhenpfad er‐
leichtern, der ihn einer Sonne zuführt, die
kein Erdenauge je erblickt, ‒ die nur mit
geistigen Organen wahrgenommen werden
kann, in jenen Reichen reinster Geistig‐
keit, die im Allerinnersten der Seele sich
erschließen lassen. ‒ ‒ ‒
So tief «geheimnisvoll» auch die Dinge er‐
scheinen mögen, die dieses Buch zu erklären
unternimmt, so führen sie doch ausnahmslos
nicht etwa in die Reiche wesenhaften Gei‐
stes, gehören vielmehr alle noch der «Außen‐
welt» an, wenn auch jenem weit ausgebrei‐
teteren Teile der Außenwelt, der schwer er‐
faßbar ist, da er sich irdischen Sinnen nicht
ergibt. ‒
Aber ebenso, wie der zum Geiste Strebende
jene anderen Dinge der Außenwelt be‐
herrschen lernen muß, die ihm in jenem
kleinen Kreis-Segment gegeben sind, das
seine Erdensinne fassen, muß er auch in der
unsichtbaren, nur dem Fühlenkönnen
noch offenen Region des äußeren Daseins
zum Herrschenden werden, wenn er nicht
will, daß Unerkanntes ihn beherrscht. ‒
Das will jedoch durchaus nicht etwa heißen,
daß jeder, der zum Geiste strebt, erst die ma‐
gischen Kräfte der Erde erforschen müßte.
Er soll nur wissen, daß diese Kräfte, sofern
ihre Auswirkung ihm irgendwie auf seinem
Wege begegnet, von ihm als Diener seines
hochgerichteten Willens benutzt werden
dürfen und daß er niemals anders an diese
Kräfte herantreten darf, als in dem Willen,
sie zwar zu gebrauchen, aber nicht sich
selbst durch sie gebrauchen zu lassen. ‒ ‒
Er gleicht einem Künstler, der höchstes
Schaffen erstrebt, der aber auch niemals ver‐
schmähen wird, sich die Umstände nutzbar
zu machen, die das Erstehen seines Werkes
fördern können. ‒ ‒ ‒ ‒
So glaube ich denn genugsam dargelegt zu
haben, was mich zu den Abhandlungen dieses
Buches bewog.
Möge es vielen
sichernde Wegmarken
zeigen, damit sie stets wieder zu ihrem
Hoch‐
pfade finden, auch wenn sich ihnen auf irdi‐
schen Straßen schon wahrlich genug des
Wunderbaren bekunden wird. ‒
Capri, im Mai 1922.
.Wahrlich, es gibt ein geheimes Wis‐
sen, ‒ nur wenigen erfahrbar, und durch
allen Fleiß nicht zu erlangen für den, dem es
nicht selbst sich geben mag.
Nur was aus dieses Wissens Grund als Fol‐
gerung erblüht, ist mitteilbar, so daß auf
diese Art wohl mancher, zwar nicht wis‐
send, aber urgewisser Ahnung sicher, sei‐
nen Weg zum Geiste finden kann.
Hier angelangt an seinem höchsten Ziele,
mag ihm dann auch wahres Wissen wer‐
den!
Nur wenige sind dieses Wissens geborene Hü‐
ter und verpflichtete Diener, aber unzählige
aller Geschlechterfolgen der Menschheit wur‐
den durch diese wenigen zur sicheren Ah‐
nung, zum Wege und endlich zu schauen‐
dem Wissen geführt. ‒ ‒ ‒ ‒
Wer möchte so töricht sein, um erst der Be‐
lehrung zu bedürfen, daß dieses Wissen
anderer Artung ist als jede Gewißheit, die
aus Forschertrieb entsprießt, aus jener Dis‐
ziplin des Denkens, angewandt auf irdische
Erfahrung, die, allgemeinem Sprachgebrauch
entsprechend, mit dem Namen «Wissen‐
schaft» bezeichnet wird?! ‒
Und dennoch gab es immer wieder wirre
Köpfe und eitle Faselhänse, die den Men‐
schen ihrer Zeit damit zu imponieren such‐
ten, sich also zu gebärden, als hätten sie ge‐
heimstes Geisteswissen selbst erlangt und
selbst zu einer «Wissenschaft» geformt,
um so es ihren Schülern, gleich den Wissen‐
schaften dieser Erde, geordnet nach System
und Regel, durch «Schulung» übertragen zu
können.
Es dürfte kaum zu hartes Urteil sein, hin‐
sichtlich solcher Mystagogen zu vermuten,
daß weder Ehrfurcht vor dem Wissen, das
der Geist der Ewigkeit allein zu geben
hat, in ihnen wohnt, noch daß sie vor der
Wissenschaft der Denker aller Zeiten
ehrerbietig lauschend zu verharren pflegen, ‒
denn wer eines dieser beiden Lichter mensch‐
lichen Erkennens jemals in die Tiefen seiner
Seele strahlen fühlte, der wird auch dem an‐
deren, selbst wenn es ihm noch fremd sein
sollte, ‒ gewißlich nur in schätzender Ver‐
ehrung nahen und niemals die Strahlenfär‐
bung des einen mit der des anderen verwech‐
seln. ‒ ‒
Gar wohl unterscheidbar ist
das Licht des
irdischen Verstandes, auch wenn es
hoher
Intuition sein Leuchten dankt, von
jenem
Lichte aus der Ewigkeit, das nicht
erschlossen, nicht ergrübelt, nicht bewiesen
werden kann und das sein Dasein
dem nur
offenbart, der es im eigenen Sein erlangt. ‒
Ein anderes ist: «
Geheimes Wissen» und
wieder ein anderes: «
Verborgene Wissen‐
schaft».
Stets wieder und wieder suche ich den Men‐
schen meiner Zeit von jenem geheimen Wis‐
sen Kunde zu vermitteln, und wenn ich nun
heute auch, ‒ mehr von ferne deutend, als
nahe betastend, ‒
verborgene Wissen‐
schaft aufzuzeigen suche, so sei von vorn‐
herein bekannt, daß ich nur
Klarheit
schaffen möchte und keineswegs hier etwa
Resultate wissenschaftlichen Erdenkens ge‐
ben will.
*
Es gibt wahrlich, außer der allen offenba‐
ren, auch eine verborgene Wissenschaft, ‒
ja, ich könnte sagen: alle Wissenschaft, die
heute als offenbar betrachtet wird, war einst
zu irgendeiner Zeit verborgen! ‒
Wer nur die Resultate menschlichen Erfor‐
schens und Erdenkens im Laufe knapper hun‐
dert Jahre vor der Gegenwart an sich vorüber‐
ziehen lassen mag, der wird gewiß ersehen,
daß dem also ist...
So aber gibt es auch Wissenschaft, die ehedem
schon bis zu hohem Grade offenbar, wieder
zurück ins Verborgene flüchten mußte, da
toller Aberglaube sich ihrer zu bemächtigen
drohte, ja sie bereits derart in seinen Banden
hielt, daß man es fast als ein Wunder betrach‐
ten könnte, wie sie doch die Kraft noch fand,
sich ihm zu entwinden.
Eine solche Wissenschaft versucht heute wie‐
der offenbar zu werden in jener Wissensdis‐
ziplin, die als «Astrologie» in diesen Tagen so
manchen, der sie näher kennen lernt, gar
sehr zu beeindrucken vermag. ‒
Ich sehe hier eine Wissenschaft im Aufer‐
stehen, die den erleuchtetsten Geistern der
Vorzeit Halt und Sicherheit in diesem Erden‐
leben gab, und obwohl ich selbst mich nicht
in der Lage sehe oder berufen fühle, diese
Wissenschaft als Jünger zu fördern, so kenne
ich dennoch ihre verborgensten Gesetze und
weiß aus
geistigem Wissen heraus mich
ihrer zu bedienen; weiß wohl zu schätzen,
was hier zu schätzen
ist...
Mancher aber, der diese Worte lesen mag,
wird hier schon mit dem Einwand kommen:
‒ man könne wohl doch nicht gut von der
«Sterndeutekunst» der Alten, die in unseren
Tagen sich neu belebt, als von einer «Wissen‐
schaft» reden.
Er wird hinweisen wollen auf die unzähligen
Charlatane, deren Anzeigen die Spalten der
Zeitungen füllen und wird es unter seiner
Würde finden, daß ich ihm hier gar von
«Wissenschaft» sprechen könne. ‒
*
‒ Ich sehe jedoch in den Spalten der Zeitun‐
gen nicht nur die Anzeigen der sogenannten
'
Astrologen', sondern weit mehr noch finde
ich da gar manche Anpreisung von sogenann‐
ten «Ärzten», von Menschen, die sich «Heil‐
kundige» nennen. ‒
Wäre es aber nicht äußerst töricht, nun des‐
halb aller ärztlichen Kunst die Wissenschaft‐
lichkeit abzusprechen?!
Hier wie dort gibt es ein mühsam erwor‐
benes, wirkliches Können auf Grund einer
wahren Wissenschaft!
Hier wie dort gibt es ein geordnetes System,
an dessen Aufstellung die erleuchtetsten Den‐
ker der Vorzeit gearbeitet haben!
Hier wie dort wird alles Verstandeswissen,
alle Erfahrung nichts vermögen, wenn nicht
eine hohe Intuition von Fall zu Fall bestimmt,
in welcher Weise die Wissenschaft der Praxis
dienen muß! ‒
Hier wie dort endlich gibt es außer den
Menschen des wissenschaftlichen Gewissens
auch gewissenlose Charlatane, die im besten
Falle glauben, selbst hoch über der Wissen‐
schaft zu stehen, meistens aber zu jener üblen
Zunft gehören, die von der Unbelehrbarkeit
gewisser Menschen lebt, ‒ besonders solcher,
denen jegliches Denken auch dort, wo es
hingehört, an sich schon «verdächtig» ist,
weil sie selbst mit dergleichen Tun leider stets
Fiasko erlitten...
Der Vergleich zwischen der Wissenschaft
der Astrologie und der Wissenschaft
der Heilkunde ist jedoch tiefer begründet,
als daß er nur des Beispiels wegen herangeholt
wäre.
Auch die Heilkunde stand nicht seit aller Zeit
so vor uns, wie wir sie heute kennen, und
selbst heute ist sie doch wahrhaftig noch im
Werden begriffen, so daß auch ihre erfah‐
rensten Vertreter, an deren Wissenschaftlich‐
keit durchaus nicht zu zweifeln ist, viel öfter,
als ihnen lieb wäre, vor «Rätseln» stehen.
Auch die Heilkunde besitzt einen erlernbaren
Fond an Wissen und Können, ‒ und doch
macht all dieses Wissen und Können noch
lange nicht den guten Arzt. ‒
Sowohl bei der Astrologie, wie bei der ärzt‐
lichen Kunst entscheidet eben letzten Endes
die persönliche Eignung dessen, der sich
einer dieser beiden Wissenschaften widmet,
und nie wird der Ungeeignete auf dem Gebiete
seiner Wissenschaft das derzeit Mögliche in
seiner ganzen Fülle erschöpfen. ‒
Ich kann es gut verstehen, wenn man heute
in bezug auf Astrologie als von einer «wer‐
denden» Wissenschaft reden will, ‒ jedoch
zwingt mich zu gleicher Zeit mein eigenes Er‐
kennen, alle jene zu einiger Vorsicht aufzuru‐
fen, die nur zu leicht und durch keinerlei
wirkliche Kenntnis der Materie, die hier be‐
handelt wird, beirrt, dem Streben echter
astrologischer Forschung kurzerhand über‐
haupt die Wissenschaftlichkeit absprechen
wollen.
Es mag zugestanden werden, daß manche der
auf diesem Gebiete Forschenden als wenig
umfassend in bezug auf die heute erreichbare
Allgemeinbildung anzusehen sind, und mehr
als sie selbst es ahnen, ihre Bildungslücken
gerade dort verraten, wo sie in naiver Weise
glauben, in ihren schriftlichen Darlegungen
sich eines sehr gelehrt klingenden Jargons
befleißigen zu müssen, statt in den Sprach‐
grenzen ihrer Sphäre zu bleiben.
Es sei weiterhin zugestanden, daß der über‐
lieferte Sprachgebrauch der Astrologie in
heutigen Tagen oft sehr antiquiert, ja mit‐
unter abgeschmackt oder recht aber‐
gläubisch anmuten kann.
Was aber haben denn in aller Welt solche
Mängel mit dem wirklichen Kern der Sache,
mit der Erforschung jener Einflüsse zu tun,
die das Spezialgebiet der Astrologie aus‐
machen?!
Der Kranke, der von einem Arzt Heilung
seiner Gebresten erwartet, wird ihn doch auch
gewiß nicht von sich weisen, weil er bemerkt
hat, daß dieser des Heilens Kundige auf ande‐
ren Gebieten anderen Geschmacksrichtungen
huldigt, als er selbst.
Wer sich über Astrologie ein gesundes Urteil
schaffen will, der sehe ruhig über alles hinweg,
was mit der Sache selbst nichts zu tun hat und
achte allein auf die durch astrologische For‐
schung tatsächlich zu erreichenden und über‐
aus häufig auch wirklich erreichten Resultate!
Er wende sich nicht an Charlatane, sondern
suche die wirklich von Natur aus zu dieser
Wissenschaft Berufenen zu erreichen, wenn
er will, daß sein «Horoskop» ihm zu einer
Richtschnur für dieses Erdenleben werden
soll! Ein solches «Horoskop» ist im Grunde
nichts anderes, als was die Wetterkarte für
den Luftschiffer darstellt.
Es zeigt mehr oder weniger getreu die Mög‐
lichkeiten auf, die für ein bestimmtes
Menschenleben zum Heil oder Unheil aus‐
schlagen können, lehrt Übles bekämpfen
und kann verhindern, daß der Mensch, dem
es gilt, seinem eigenen Glücke im Wege steht.
Es gibt eine getreue Diagnose der Kräfte, die
im Guten wie im Schlechten sich um ein
menschliches «Ich» gruppieren, und lehrt so
seinen Inhaber, den eigenen Seelenhaushalt
in Ordnung zu bringen.
Es zeigt deutlich drohende Gefahren auf,
denen der Mensch sich mit wachem Willen
noch entwinden kann, ebenso wie es ihn
die zeitlich begünstigten Stationen seines
Lebensweges erkennen lehrt.
Ein gutes «Horoskop» kann den mannig‐
fachsten Segen in ein Leben tragen, und nur
der kann allenfalls durch seine Diagnose
beunruhigt werden, der lieber im Dunkeln
tappt, statt klar seine erdgegebenen Kräfte
und deren Auswirkungsart zu
kennen.
Freilich muß richtige Aufklärung dafür sor‐
gen, daß man in seinem Horoskop nicht, fata‐
listisch gebunden, quasi ein
Verhängnis
sieht, dem
nicht zu entrinnen sei. ‒
Erst dann wird das Horoskop eine wert‐
volle
Hilfe, wenn es den
Willen anreizt,
gerade
das zu vermeiden, was seiner
Aussage nach am meisten
droht, falls nicht
durch Gegenwirkung die Kraft, die etwa
schädigen könnte, gebrochen wird. ‒
*
Ein großes Hemmnis für die Erkenntnis
astrologischer Gesetze ist bis auf den heutigen
Tag, und gerade in unserer naturwissen‐
schaftlich orientierten Zeit, die alte
Theorie,
die zur
Erklärung astrologischer Wirkun‐
gen dient.
Hier möchte ich aus meinem eigenen Erken‐
nen heraus einige Aufklärung geben, obwohl
ich mir bewußt bin, daß es einer gewißen
Beweglichkeit der Einstellung seitens astro‐
logisch Forschender bedürfen wird, wenn
meine Ausführungen wirklich Klarheit brin‐
gen sollen.
Es handelt sich, wie ich ausdrücklich bemer‐
ken muß, hier keineswegs um eine neue
«Theorie», sondern um die entsprechende
reale Naturgegebenheit! ‒
*
Alle aus alter Zeit überkommenen astrologi‐
schen Lehren schienen stets den Nachgebore‐
nen auf der Annahme zu fußen, daß die ge‐
heimnisvollen Wirkungen der «
Gestirne» auf
das Menschenschicksal hier enträtselt würden.
Nun wehrt sich aber, und das mit einigem
Recht, modernes, naturwissenschaftliches
Denken gegen eine Theorie, die solche enorm
starke Beeinflussung von unvorstellbar weit
entfernten Weltkörpern ausgehen läßt.
Man hat sich auch schon in
alter Zeit gegen
solche Annahme gewehrt und half sich so gut
es gehen wollte, indem man jene Weltkörper
nur als physische Träger ungeheurer geistiger
Potenzen ansehen lehrte, so daß gleichsam
von jeder physischen Wirkung abgesehen,
rein geistige Strahlen unsere Erde erreichen
sollten, denen man nun die Wirkung auf das
Menschenschicksal zuschrieb.
Die neuere Entwicklung der Astrologie läßt
es aber an der Zeit erscheinen, endlich die
wirklichen Ursachen der von ihr festge‐
stellten Wirkungen auch dort zu suchen, wo
sie tatsächlich zu finden sind, und den als ver‐
meintlichen Wirkungsfaktoren herangezoge‐
nen «Gestirnen» den einzigen Platz anzuwei‐
sen, der ihnen bei der astrologischen For‐
schung zukommt.
Es handelt sich um nichts Geringeres als die
Erkenntnis, daß die Stellung der Gestirne nur
deshalb für den Astrologen so wichtig ist, weil
sie die einzig mögliche Bestimmung ge‐
wisser Wirkungspunkte darstellt, die inner‐
halb der Erd-Aura zu suchen sind. ‒ ‒
Alle astrologische Forschung trägt daher,
streng genommen, einen irreführenden Na‐
men. ‒
Es handelt sich in Wahrheit gar nicht um
ein Erforschen der Natur der Gestirne, son‐
dern um Forschungen innerhalb der Aura
der Erde, und die Stellung der Gestirne
muß allein beachtet werden, weil gewisse
Ablaufszeiten aurischer Energieströme nur
eben durch die jeweilig korrespondierende
Stellung der Gestirne feststellbar werden, da
ja dem Bewohner der Erde keine sonstigen
außerirdischen Meßpunkte zur Verfügung
stehen, als jene geometrisch geordneten Pro‐
jektionsbilder der anderen Weltkörper des
Kosmos.
Die unsichtbare Aura dieser Erde liegt nicht
nur in vielen Schichten um die Ober‐
fläche unseres Weltballs, sondern durch‐
dringt ihn bis zu seinem innersten Kern. ‒
Vom Erdinnersten aus nun entquellen in
rhythmischen Intervallen gleichzeitig ge‐
wisse Energieströme, die von innen nach
außen und sodann zurück ins Innerste
kehrend, alle Schichten der Erdaura durch‐
wandern, gleich den Meeresströmen der irdi‐
schen Ozeane. ‒ ‒
Der Rhythmus des Aussendens und Ein‐
ziehens dieser Ströme ist völlig abhängig von
der Stellung der Erde zur Sonne, so daß in
Wahrheit die Sonne der einzige Himmels‐
körper ist, der wirklich auf irdisches Ge‐
schehen, auf Schicksale der Erdbewohner,
auch im Seelischen einwirkt, wenn auch der
Mond als ihr Reflektor dabei sehr bedeutsam
wird, denn die in Rede stehenden Ströme der
sonnenbestimmten Erdaura senden eben alle
jene Wirkungen auf das psychophysische
Leben der Menschen aus, mit denen sich die
Astrologie beschäftigt. ‒ ‒ ‒ ‒
Die Mannigfaltigkeit der genannten Ströme,
von parallelem Lauf bis zu schärfster Gegen‐
wirkung, sowie ihre vielfältige Art der Durch‐
dringung gleich jenen feinen Farbenfäden
Muraneser Gläser, läßt fast unzählig ver‐
schiedenartige Kombinationen zu, und jedes
Erdenwesen wird stets für Lebenszeit von je‐
ner Kombination die Grundstimmung
empfangen, die gerade tätig war zur Zeit und
am Orte seiner ersten Licht-Empfängnis,
obwohl es schon vom ersten Augenblick der
Zeugung an, auch im Mutterleibe solcher
Ströme Einfluß indirekt unterworfen war,
die schließlich mitbestimmend wirkten bei
der endgültigen Formung. ‒ ‒
Je nach der Kombination der Kräfteströme
in der Erdaura, die diese Grundform gab,
werden alle nur möglichen Kombinationen
in jeder Sekunde des Erdenlebens eines so
beeindruckten Wesens durchaus besondere
Beziehungen zeigen und dadurch eben den
Lebenslauf sehr verschieden gestalten.
Der Sprachgebrauch kann solchen Einfluß an
«Gestirne» binden und deren Namen, ‒
der oft in ursächlichem Zusammenhang
mit gleichzeitig beobachteten aurischen Strö‐
men steht, ‒ zur Bezeichnung gewisser
Einflüsse verwenden, allein die Sterne sind
es wahrlich nicht, was hier auf Erden
Schicksal schafft, so sehr auch wohl bei man‐
chen astrologisch Forschenden die konsta‐
tierte Wirkung eines Kräftestromes dieser
Erd-Aura, als eng verbunden wahrgenom‐
men mit einer Konstellation der Sterne, nun
diesen selbst nach alter Lesart zugeschrie‐
ben werden mag. ‒
Auch allerälteste Weisheit wußte wohl um
diesen wahren Zusammenhang, nur wurde
solche Erkenntnis schon in früher Vorzeit
völlig verwischt.
*
Es ist weder meine Aufgabe noch meine Ab‐
sicht, hier die letzte Begründung zu geben,
um die eherne Notwendigkeit des geschilder‐
ten Geschehens zu erweisen, aber ich ver‐
traue denen, die in der wissenschaftlichen
Erforschung astrologischer Zusammenhänge
ihre Lebensaufgabe sehen, daß sie wohl schnel‐
ler als ich es hier vermöchte, auch die äußeren
Bestätigungen geben können, durch die ihnen
besserer «Beweis» erbracht sein wird, als
durch die schönste kosmologische Beweis‐
führung. ‒
Vielleicht kann diese Erörterung bewirken,
daß sich auch endlich
andere wissenschaft‐
liche Forscher, die
nicht von Hause aus als
«Astrologen» gelten können, mit den so
augenfälligen Wirkungen jener Kräfte befas‐
sen, die Einzelne wie ganze Völker in ihren
Banden halten, solange, bis man endlich sie
erkennt und so zu
nützen weiß? ‒
Vielleicht wird auf diese Weise eine fast ver‐
borgene Wissenschaft wieder völlig offenbar,
und damit die Erkenntnis aufs neue gebo‐
ren, daß der Mensch der Erde nicht nur für
sein physisches Leben, sondern in gleicher
Weise auch für das Leben seiner Seele nur
insofern sorgen kann, als er der Erde Kräfte
meistern lernt, um in Freiheit aus den so
erreichbaren Kräften sich zu gestalten, zu
einer Formung, die seinen höchsten Zielen
wahrhaft entspricht. ‒ ‒ ‒
.Immer mehr vertieft sich in unseren Tagen
die Erkenntnis, daß das Altertum denn
doch in sehr vielen Dingen, die einem nach‐
geborenen, allzusehr auf sein exaktes Wissen
stolzen Geschlecht als «finsterer Aberglaube»
erscheinen wollten, auf recht gesicherter,
wenn auch heute noch nicht in allen Stücken
wissenschaftlich beweisbarer Grundlage
baute. ‒
Es sind hier noch viele Schätze zu heben,
aber wer sie heben will, muß außer mancher
erlernbaren Kenntnis auch den Mut be‐
sitzen, die versinterten Petrefakte der Vor‐
zeit, allem Meinungsdünkel zum Trotz, als
das aufzuzeigen, was sie wirklich einst
waren, und auch dann wird er noch bedenk‐
liche Fehlgriffe tun, es sei denn, daß er einer
hohen Intuition die Begnadung danke,
stets richtige Deutung dort zu finden, wo
erster Augenschein den Fund als Zeugnis
wüsten Wahns bestätigt sehen möchte.
Wem wirklich daran gelegen ist, in solchen
Dingen der Wahrheit auf die Spur zu kom‐
men, der kann gar nicht Vorsicht genug
gebrauchen, bei seinem Bemühen, Wert von
Unwert zu scheiden.
Schuttberge von Vor-Urteilen wird er sich
selbst aus dem Wege räumen müssen um nur
erst allmählich dahin zu gelangen, wo andere
vor ihm schon vor Jahrtausenden standen.
Wie sollte er Über-Sicht erlangen, bevor
er auf dem Punkte steht, der einst die Alten
anders und Anderes sehen lehrte, als
unsere Zeit mit ihrer völlig veränderten Ein‐
stellung zu sehen vermag?! ‒
Er muß in sich selbst quasi seine eigenen Vor‐
ahnen suchen, muß verstehen lernen, was
ihm das eigene Blut zuraunt, was dumpfes
verschollenes Sagewissen ihm noch etwa
zu sagen haben mag, und darf auch dort sich
nicht der Belehrung von vorn herein ver‐
schließen, wo neuere Wissenschaft bereits
für alle Zeiten entschieden zu haben glaubt,
um dann nach Ablauf gewisser Bindungszei‐
ten der Gehirne eben ‒ wieder anders zu
entscheiden...
So hoch wir Resultate ernster menschlicher
Denkerarbeit auch werten wollen, so zeigt
doch Erfahrung Tag für Tag, daß selbst die
scheinbar gesichertsten Erkenntnisse noch
lange nicht fest genug verankert sind, um
nicht zu Zeiten besserer Erkenntnis weichen
zu müssen. ‒ ‒
Wer wollte hier wohl zu sagen wagen: «Wir
haben alles längst erforscht, und was dar‐
über reicht, das kann nur Irrtum bergen!»
‒ ? ‒
Es gibt wahrscheinlich in dem, was wir für
«sicheres Erfahrungswissen» halten, weit
mehr Irrtum, als sich die Gegenwart er‐
träumen läßt, und wer gar heute glaubt, er
dürfe, wissenssicher, alter Zeit und ihres
«Aberglaubens» spotten, der sieht nicht, wie
gerade dort, wo wir am meisten «aufgeklärt»
uns wähnen, der allerfolgenschwerste
Aberglaube nistet: ‒ der Aberglaube, daß die
Alten, mehr als wir, nur Opfer ihres Wahns
gewesen seien, daß ihrem Denken jene sim‐
plen Gegengründe sich nicht auch ergeben hät‐
ten, die heute jeder flache Kopf zu finden weiß,
wenn er Gebräuche alter Zeiten sich durch
eigenes Wissen nicht enträtseln kann. ‒ ‒ ‒
Wir werden uns wahrlich besser nützen, wenn
wir auch ferner Vorwelt einige
Logik zuge‐
stehen, zumal auch mancher
Weise jener
Zeiten auf Dinge zu achten pflegte, die neue‐
res Wissen gerne «abergläubisch» nennt...
*
Zu dem, was neunmalkluger Wissensdünkel
heute längst als «überwunden» ansieht, ge‐
hört auch der Glaube aller Völker an gewisse,
Segen oder Unheil bringende
Edelsteine,
wie nicht minder jener Glaube, der sich
Amulette und
Talismane schuf, um Un‐
heil von dem Träger dieser Weihestücke abzu‐
halten, oder Segen auf sein Haupt herabzu‐
ziehen. ‒
Dem ersten Augenschein nach ist es wohl
verzeihlich, wenn man hier vor «törich‐
tem Aberglauben» zu stehen meint, und
gewiß ist ferner, daß der tatsächliche Aber‐
glaube aller Zonen und Zeiten auf diesem Ge‐
biete ein weites und wenig gestörtes Tummel‐
feld fand.
Die Alten waren aber nicht ganz so «leicht‐
gläubig» wie ihre fernen, übergescheiten
Enkel vorschnell anzunehmen geneigt sind...
Die Alten wußten ebensogut wie wir ‒ wenn
nicht weit besser, zwischen berechtigtem,
wohlbegründetem Glauben und dem, was
mit Recht als Aber-Glaube gebrand‐
markt wird, zu unterscheiden.
Auch die alten Weisen pflegten nicht Dinge
gedankenlos hinzunehmen, die, aller Begrün‐
dung bar, nur im Wähnen und Vermuten
ihre Stütze finden konnten, und dennoch
wußten sie von Glück oder Unglück bringen‐
den Steinen, von Amuletten und schüt‐
zenden Talismanen. ‒
Wohl mochte die Theorie, die ihr Wissen
formte, um Wirkung wie Ursache zu erklä‐
ren, durch ein Weltbild bestimmt und gebun‐
den sein, das die heutige Menschheit lange
schon berichtigt findet, ‒ allein daß hier
Ursache durch Wirkung bestätigt wird, hatte
mannigfache Erfahrung ihnen hinlänglich
gezeigt, so daß sie jeden den Ignoranten und
hoffnungslosen Toren hätten zuzählen müs‐
sen, der an dieser Stelle blind geblieben wäre,
um etwa von «Aberglaube» zu reden.
Daß sie nicht im Unrecht waren, kann jeder
ernsthafte, vorurteilsfreie Forscher bezeugen,
der sich die Mühe macht, an sich selbst und
anderen zu erproben, wie weit sich die Wir‐
kungen bewahrheiten wollen, von denen das
Altertum hinsichtlich solcher Dinge uns
Kunde hinterließ.
Wer so handelt, geht den einzig richtigen
Weg, und er wird auf diesem Wege, auch wenn
er jeglicher Theorie seinen Glauben versagt,
sehr merkwürdige und seltsame Erfahrungen
machen.
Er wird bald bekunden können, daß hier
wahrlich anderes vorliegt, als bloßer «Aber‐
glaube», ‒ und mehr als nur die Wirkung
eigener oder fremder «Suggestion».
Zwar können ähnliche Wirkungen durch Sug‐
gestion zustande kommen, und es mag ruhig
zugestanden werden, daß gar mancher Ein‐
fluß, den man Steinen, Talismanen und Amu‐
letten zuschrieb, sehr deutlich als Suggestions‐
einfluß nachweisbar ist; aber schließlich gibt
es ja auch «eingebildete» Kranke, und es
wird niemandem deshalb einfallen können,
die Möglichkeit
echter Krankheiten in Ab‐
rede zu stellen...
Das Auftreten einer
Pseudo-Wirkung
schließt die echte Wirkung nicht aus.
Es wird vielmehr festzustellen sein, inwiefern
sich die echte Wirkung von dem bloßen
Schein
unterscheidbar zeigt. ‒
Daß diese Unterscheidung sehr scharf zutage
tritt, wird jeder, der sich ein wenig mit der
Sache befaßt hat, mir bestätigen.
Auch heute sind es durchaus nicht etwa nur
phantastische Träumer, die sich mit solchen
Studien mühen.
Es gehört vielmehr sehr ernste, nüchterne
Beobachtung, zeitraubende und mühse‐
lige Arbeit sowie ein klares, kritisches Urteil
dazu, will man auf diesem der exakten Wis‐
senschaft heute noch so anrüchigen Gebiet zu
gesicherten Resultaten gelangen. Mancher
Irrtum ist zu berichtigen, aber auch manche
Wahrheit zu finden, die heute noch als Wahn
betrachtet wird.
*
Wie sind nun aber die hier in Rede stehenden
und so geheimnisvoll anmutenden Wirkun‐
gen letzten Endes zu erklären? ‒
Darüber gab es zu allen Zeiten und je nach
den in Betracht kommenden Kulturkreisen
sehr verschiedene Theorien, und doch ist alle
Wirkung nur aus rein naturgesetzlichen Zu‐
sammenhängen ableitbar, auch wenn die wir‐
kenden Gesetze noch nicht in dem gleichen
Grade beweisbar wurden, wie etwa die Ge‐
setze der Physik. ‒
Jeder, der nur einigermaßen das Alltagsleben
zu beobachten pflegt, kann stets wieder be‐
merken, daß feiner empfindende Menschen,
für die nicht nur der reine Geldwert eines
Gegenstandes alle Wertschätzung bestimmt,
bei der Auswahl ihrer Schmuckstücke, und
seien sie noch so bescheiden, gewisse Edel‐
steinarten typisch bevorzugen.
Hier wirkt bereits, wenn auch den Wählenden
völlig unbewußt und nur durch persönliches
Gefühl sich äußernd, das planetarische
Gesetz. Uralter Weisheit waren einst alle
Zusammenhänge, um die es hier sich handelt,
offenbar, und neueres Suchen bemüht sich
wieder, sie zu ergründen.
Es handelt sich um nichts anderes, als um
die tausendfältig verschiedenen Kräfte‐
ströme in der Erd-Aura, von denen be‐
reits in meiner Betrachtung über den Wert
der Astrologie die Rede war.
Dort zeigte ich, daß jedes Menschenwesen auf
diesem Erdball durch gewisse Kombina‐
tionen dieser Kräfteströme, ‒ so, wie sie
gerade zur Zeit seiner Geburt bestanden, ‒
für alles weitere Erleben gleichsam imprä‐
gniert wird, um nun in ganz bestimmter
Weise zu reagieren, so daß die fast unzähligen
Kombinationen jeder Sekunde seines Erden‐
lebens stets durch die ursprüngliche Be‐
eindruckung ihre Wirkungsform erlangen.
Zu diesen Kräfteströmen der Erdaura stehen
nun aber alle Dinge dieser Erde in Bezie‐
hung, und besonders prägnant zeigt sich
solche Beziehung in der Welt der Kristallge‐
bilde, insonderheit bei den von alter Zeit her
besonders gewürdigten ‒ Edel-Steinen...
Auch Pflanzen und Tiere sowie alle Metalle
werden in gleicher Weise durch die genannten
Kräfteströme bestimmt. ‒
Auch hier sind die «Vorlieben» nichts
anderes, als gefühlsmäßiges Erfassen ge‐
setzlicher Zusammenhänge. ‒ ‒
Es ist auch nicht nur seine Seltenheit, die seit
ältesten Zeiten und bei allen Völkern der
Erde, die es kannten, dem Golde den Rang
eines grundlegenden Wertes verlieh...
Einseitige Theoretiker haben in wohlmeinend‐
ster Absicht allerlei Theorien ersonnen, um
das Gold, in dem sie die Quelle alles Unheils
auf der Erde gefunden zu haben glaubten,
endlich macht- und wertlos zu machen.
Ich zweifle wahrlich nicht an der Menschen‐
freundlichkeit solchen Bemühens, allein ich
habe allen Grund, daran zu zweifeln, daß diese
so wohlmeinenden Reformer wissen, was
sie tun? ‒ ‒ ‒
Zum Glück sind die hier erwähnten Gesetze
besser verankert, als alle solche Theorie,
und so wird denn das Gold seinen Wert auch
dann noch behaupten, wenn längst die letz‐
ten Spuren dieser Theoretiker in neuem
Menschheitsgeschehen verlöscht sein werden.
Keine Theorie, wie «einleuchtend» sie auch
klingen mag, wird je die
Tatsache aus der
Welt zu schaffen vermögen, daß jedes Volk
seinen
wirklichen Wohlstand
verliert,
bei dem die «Goldwährung» aufhört,
de
facto zu bestehen ‒ selbst wenn es dabei
über unermeßliche Goldreichtümer in ver‐
schlossenen Kassen verfügen sollte. ‒ ‒ ‒
Es ist nötig, daß das Gold
von Hand zu
Hand geht, daß auch die weniger begüterten
Kreise es noch als Schmuck tragen und an
seinem
Umlauf teilnehmen, soll ein Volk
wirklich
gedeihen und nicht nur gerade
noch «vegetieren». ‒
Es ist notwendig, daß sich dieser Umlauf in
materiellem Golde vollzieht, denn alle «Gut‐
schein»-Wirtschaft kann diesen
materiel‐
len Umlauf nicht ersetzen, auch wenn die
«Deckung» überreichlich vorhanden wäre.
‒ ‒
Es ist ein Fehler, den Umlauf des materiellen
Goldes
aufzuheben, und dieser Fehler muß
sich
unter allen Umständen bitter
rächen, mag man auch glauben, nur auf
solche Weise noch Schlimmeres verhüten zu
können. ‒
Wohlstand und
Lebensenergie werden
in gleicher Weise schwer gefährdet durch die
aus guter Absicht erfolgte Einziehung des im
Umlauf befindlichen
Goldes, sobald diese
Auslaugung des Goldes aus dem Alltagsleben
längere Zeit währt! ‒ ‒ ‒
Das sind eherne Gesetze, an denen auch der
Stärkste nicht zu rütteln wagen darf! ‒
Wer diese ganze Abhandlung versteht, der
wird auch verstehen, weshalb ich hier, mich
scheinbar von meinem Thema entfernend,
von der naturgesetzlich gegebenen Bedeutung
des
Goldes rede...
*
Doch wir wollen hier nun weiter bei den
okkulten Wirkungen irdischer Dinge auf den
einzelnen bleiben, obwohl ein «Volk» letz‐
ten Endes nichts anderes ist, als eine Ge‐
samtheit vieler einzelner. ‒
In dem ersten der Bücher, die ich der Mensch‐
heit in meinen Erdentagen geben durfte, ist
unter manchem anderen auch von «
Talis‐
manen» die Rede.*
Dort sprach ich es deutlich aus, daß
jeder
Gegenstand zu einem Talisman zu werden ver‐
möge, sobald er nur mit jenem
Glauben, der
da Berge versetzt, einen Impuls des
Willens
erhalte, seinem Eigner
Gutes zu vermitteln.
Es ließe sich in gleichem Sinne auch von
«Talismanen des
Bösen» sprechen, denn
nicht nur der ethisch
Edle vermag es, in
solcher Weise einen Talisman zu schaffen,
und wenn ein Mensch einem andern Übles will,
so kann er mit gleicher Sicherheit und in glei‐
chem Glauben auch einen Gegenstand zum
Träger seines
Vernichtungswillens wer‐
den lassen, kann ihn mit Willensimpulsen
«laden», die seinem Eigner alles «Übel»
bringen...
Hier aber möchte ich von einer anderen Art
der Talismane reden!
* «Das Buch vom lebendigen Gott», Verlag der Weißen Bücher, OO
Kurt Wolff-Verlag A.-G., München 1918. (Seither erschienen: OO
Neue erweiterte Fassung: Kober'sche Verlagsbuchhandlung, Basel, 1927, OO
Neuauflage Zürich 1957.)
Es gibt auch Talismane, die nur ein Kun‐
diger der hier schon mehrfach angedeuteten
Gesetze allein zuwege bringt, ‒ Talismane,
zu deren Verfertigung sehr mühsame Arbeit
und mancherlei Studium nötig ist, so wie es
Amulette gibt, denen gleicherweise nicht
nur der Wille ihre schützende Kraft verleiht,
weil in ihnen selbst die Kräfteströme
der Erdenaura Äußerungsmöglichkeiten
finden, die nur nach streng bestimmten Ge‐
setzen herbeigeführt werden können.
Hier kann nur ein Kenner dieser Kräfte‐
ströme und ihrer Gezeiten als Verfertiger in
Betracht gezogen werden!
Es wird mancherlei Schwindel mit solchen
Dingen getrieben, aber das kann nicht hin‐
dern, daß aller Schwindel immer nur das
Echte für kritiklose Gemüter nachzu‐
ahmen sucht, daß folglich das Echte beste‐
hen muß, soll der Schwindel überhaupt An‐
laß finden, sich an des Echten Stelle zu
drängen...
Wer hier nicht unterscheiden kann, der
verdient, daß er betrogen werde!
Wer aber noch völlig in Unkenntnis über
derlei Dinge ist, der lasse sich belehren dar‐
über, daß die Wirkungen jener aurischen
Kräfteströme, die zu allen Zeiten die Erde
durchfluten, zu gewissen Zeitpunkten und
unter gewissen Vorsichtsmaßregeln sich an
besondere Zeichen, auf besonderen Metal‐
len oder sonstigen Dingen, magnetisch knüp‐
fen lassen, so daß der Eigner eines solchen
Gegenstandes gleichsam in ihm einen Akku‐
mulator der Kräfte besitzt, die zu gewisser
Zeit durch eben jene aurischen Ströme in
Wirksamkeit treten. ‒ ‒
Wer hier nicht verstehend zu folgen vermag,
der möge sich vergegenwärtigen, was noch
vor hundert Jahren ein Physiker gesagt haben
würde, dem man etwa von der Möglichkeit ge‐
sprochen hätte, Lichtbilder des lebenden inne‐
ren Menschenkörpers herzustellen oder Mit‐
teilungen durch Ätherwellen um die Erde zu
senden ‒ obwohl diese Möglichkeiten für
einige wenige Menschen dieses Planeten kei‐
neswegs etwas Neues gewesen wären, weil
diese wenigen aus dem Geiste leben, dem alles
irdisch Mögliche innewohnt, da es nur Spiege‐
lung seiner eigenen Möglichkeiten ist.
*
Man darf auch keineswegs glauben, daß der
Gebrauch der
Amulette,
Talismane oder
jener
Edelsteine, die zur eigenen, erden‐
aurischen Schwingungszahl in harmonischem
Verhältnis stehen, von höherem geistigem Ge‐
sichtspunkt her gesehen, verwerflich wäre.
Ebenso könnte man vermuten, es sei unstatt‐
haft, zur Winterzeit einen wärmespendenden
Ofen zu besitzen. ‒
Es handelt sich bei wirklichen
Amuletten,
Talismanen und wirklichen
Edelsteinen
stets nur um die geeigneten und Jahrtausende
hindurch erprobten
Mittel, gewisse
plane‐
tarische Hilfskräfte für unser Erdenda‐
sein
wirksam zu machen.
Wer sie für sich wirksam zu machen
vermag,
sei es infolge eigener Kenntnis oder durch
Benutzung fremden Wissens, der wird stets
ebenso im Vorteil sein wie jeder, der sich die
physikalischen Hilfsmittel dieser Erde
dienstbar macht.
Es handelt sich hier um keinerlei abenteuer‐
liche Zaubermacht und noch weniger um
rein geistige Kräfte!
Es sind lediglich unsichtbare, aber darum
keineswegs un-wahrnehmbare physische
Kräfte dieses Planeten, die sich auf solche
Weise nützen lassen.
Töricht ist nur der zu nennen, der sich sol‐
cher Hilfsmittel zur Erleichterung seines
Erdenlebens nicht bedient, ‒ sei es, daß er sie
nicht wahrhaben will, oder daß er das wenige,
was ihre Beherrschung von ihm verlangt, nicht
zu beachten vermag. ‒
Alles Irdische kann dem Geistigen, alles
Zeitliche kann dem Ewigen dienen, so‐
bald es nur in rechter Weise angewandt wird.
Wer aber in anmaßlicher Selbstgewißheit
achtlos an allem vorübergeht, was ihm Natur
an Hilfe bieten will, der darf sich wahrlich
nicht wundern, wenn ihm das Erdenleben
Hemmnis auf Hemmnis häuft, ‒ nur möge
er sich auch nicht in Klagen ergehen, da er
selbst es ist, der sich alle Erleichterung ver‐
scherzt!
Weise wußten zu allen Zeiten auch für ihr
Geistiges zu nützen, was
erdenhafter
Kräfte Wirkung ihnen gab.
Nur der
Tor verlacht in eitler Selbstgefällig‐
keit, was er nicht kennt...
*
Wir gehen einer neuen Zeit entgegen, die in
unerbittlicher Gerechtigkeit die Spreu vom
Weizen sondern muß, und gar manches alte
Wissen, das heute noch entwürdigt und ver‐
achtet ist, wird in kommenden Tagen seine
Auferstehung feiern, während vieles, das uns
längst «erwiesen» schien, seine bisher unbe‐
zweifelte Geltung verlieren wird...
Aber noch immer war die Wissenschaft der
vielen vorher nur ein Wissen
einzelner! ‒
Stets wurden «Naturgesetze» erst dann
for‐
muliert, nachdem die
Wirkungen, die
sie als gesetzlich begründet erweisen sollten,
längst anerkannt waren.
Wer warten will, bis alle Welt ihr «Ja und
Amen» sagt zu irgendeiner Sache, der wird
lange Zeit hindurch begnügsam sich beschei‐
den müssen, während andere, die
selbst zu
suchen und zu finden wußten, sich ihres Vor‐
teils freuen können...
Noch immer hatte man vorher die längste Zeit
hindurch als «Aberglaube» ausgeschrien, was
später sich gar wundersam und nach bester
wissenschaftlicher Weise begründet erwies. ‒
So liegt auch hier ein Feld vor uns gebreitet,
aus dem die mannigfachsten Ähren sprossen,
die alles Unkraut, das sich in der Zeiten Lauf
dazwischendrängte, nicht verkümmern kann.
Wer hier zu ernten weiß, den wird es zum
mindesten nicht gereuen!
Von Albrecht Dürer stammt das Wort:
«Die Kunst steckt in der Natur; wer sie
herausreißen kann, der hat sie!»
In gleicher Weise sind auch die mannigfach‐
sten subtilen Kräfte in der Natur ver‐
borgen und harren derer, die sie zu nützen
vermögen.
Der ärmste der Menschen besitzt hier auf
Erden einen Reichtum, von dem er sich nichts
träumen läßt!
Wollte jeder der auf Erden Lebenden sich
seiner verborgenen und von ihm selbst nicht
gekannten Macht bedienen, dann würde
gar vieles materielle Elend des Erdenlebens
behoben sein! ‒ ‒ ‒
Aber bevor man sich einer Macht bedienen
kann, muß man sie kennen, und kennt man
sie nicht, zum mindesten an ihr Vorhanden‐
sein zu glauben fähig sein.
So ist auch hier der Glaube des Wissens Vor‐
läufer und findet seine Bestätigung erst in
der Erfahrung. ‒
Soweit ich also hier «Glauben» zu fordern
scheine, handelt es sich nur um die Vorbe‐
dingung, durch die allein solche Erfahrung
möglich wird. ‒ ‒
.Unter den vielen Millionen Menschen die
auf dieser Erde leben, dürfte wohl nicht ein
einziger zu finden sein, der nicht zu irgend‐
einer Zeit, aus natürlichem Schlafe erwachend,
die Erinnerung an ein Erleben in sich emp‐
funden hätte, von dem er sich sagen mußte,
daß es unmöglich in seiner ihn umgebenden
Außenwelt sich abgespielt haben könne.
Zwar zeigte ihm seine Erinnerung, daß er
wachend und vollbewußt in solchem Erleben
sich betätigt hatte, daß die Welt, die ihn da‐
bei umgab, so real und greifbar sich erwies,
wie die altgewohnte Welt, die ihm eben beim
Erwachen wieder bewußt geworden war,
allein es fand sich keine Brücke, die den
Schauplatz des einen Erlebens mit dem des
andern verbunden hätte.
In der Welt seines Erwachens gewohnt, Orte
und Räumlichkeiten, die er vordem verlassen
hatte, wieder aufsuchen zu können, sah er
sich jenem, in der Erinnerung mit aller Deut‐
lichkeit vermerkten Erleben gegenüber außer‐
stande, aufs neue und willkürlich den gege‐
benen Erlebnisschauplatz zu betreten.
Handlungen, die er dort vollzogen hatte,
fanden keine Folge in der Außenwelt des Er‐
wachens, Besitz, der ihm dort wohl zuge‐
hörte, hinterließ hier keinerlei Spuren, Men‐
schen, die dort vielleicht noch eben mit ihm
gesprochen hatten, wußte er jetzt, erwachend,
längst verstorben, Gefahren, die ihn dort
etwa in furchterregender Art bedrohen woll‐
ten, sah er jetzt durch keinerlei Gegebenhei‐
ten begründet.
Nur eines hatte jene Welt der Erinnerung
mit dieser Welt des Erwachens gemein: ‒ die
gleiche greifbare Dinglichkeit ‒ ‒ nur
eine Verbindung zwischen beiden Welten
war ihm noch geblieben: ‒ sein eigenes
Selbstempfinden, sein Bewußtsein um
das eigene «Ich». ‒ ‒ ‒
Man hat dieses seltsame Erleben, das unseres
äußeren Körpers Betätigung nicht bedarf und
Spuren nur im Inneren hinterläßt, mit
einem Namen bezeichnet und nennt es
«Traum», um so das körperlich wache
Erleben von ihm zu sondern.
Schon die ältesten Zeiten aber fanden sich
durch solches Traum-Erleben derart beein‐
druckt, daß sie versuchten, hinter sein Ge‐
heimnis zu gelangen.
Mit ehrfurchtsvoller Scheu wurde das Traum‐
Erleben betrachtet, in dem man sich
wa‐
chend,
handelnd und
genießend finden
konnte wie nur jemals in der gewohnten
Außenwelt, während der
Körper dabei in
tiefem
Schlafe ruhte.
Man suchte nach
indirekten Zusammen‐
hängen mit der Außenwelt und erfand sich
so eine umfangreiche Symbolik, um die
Träume als Vorzeichen künftigen Geschehens
zu «
deuten».
Auch neuere
Wissenschaft betrat allen
Ernstes diesen Weg; nur suchte sie nicht mehr
die
Zukunft durch Träume zu erhellen, son‐
dern des Träumenden
eigenes Wollen und
Streben erschien ihr durch den Traum ent‐
rätselt, seine verhülltesten
Wünsche er‐
schienen ihr aufgedeckt und in Traumform
offenbar geworden. ‒
*
Im Grunde ist aber sowohl bei der alten, wie
der neuesten und streng wissenschaftlichen
Deutung der Träume nichts Wesentliches
über das Wunder des
Träumens selbst
gefunden worden.
Auch alle auf
physiologischer Forschung
beruhende Theorie vermag es nicht, das Ge‐
heimnis der Träume zu enthüllen, kann be‐
stenfalls nur den physischen Zustand erken‐
nen, in dem sich der äußere
Erdenkörper
des Träumenden während des Traumes findet.
Und doch ist das Träumen ein höchst beach‐
tenswertes Geschehen, ‒ weit über alle psy‐
chologische und physiologische Forschung
hinaus, ‒ so daß es sich wohl verlohnen
dürfte, dieses Geschehen im Lichte reingei‐
stigen Erkennens zu betrachten.
*
Mehr als die meisten Menschen ahnen, wird
ihr sogenanntes «waches Tagesleben» durch
ihre Träume mitbestimmt. ‒
Es ist wahrlich nicht zu viel behauptet,
wenn ich hier sage, daß das Erleben der
Träume nicht weniger Anteil an der Cha‐
raktergestaltung des Menschen hat, als sein
äußeres Erleben im Gebrauch des Erden‐
körpers. ‒ ‒
Auch wenn er seine Traumerinnerungen völlig
unbeachtet läßt, oder nur mit der vagen Er‐
innerung erwacht, irgend etwas geträumt
zu haben, ohne den Inhalt des Traumes in
den Lichtkegel seines Bewußtseins bringen
zu können, wird doch das Traumerlebnis
selbst seine Spuren im tiefsten, dunkelsten
Abgrund der Gedächtnisregionen: im Ge‐
dächtnis der Ganglien, in der Akkumulatoren‐
Batterie der Körperzellen, hinterlassen ha‐
ben, und ohne sich dessen irgendwie bewußt
zu sein, wird er in seinem Handeln des Ta‐
geslebens auf diese Weise durch Wirkungen
seiner Träume recht wesentlich beein‐
flußt...
Allerdings schließt sich hier ein Kreis, denn
wohl die meisten Träume die solche starken
Wirkungen üben, sind eben durch die Ge‐
danken, Strebungen, Neigungen, Wünsche
und Willensbetätigung des Menschen be‐
stimmt, so daß er selbst es ist, der sich im
Träumen
Verstärkungen seiner Gedan‐
ken- und Gefühlskräfte schafft, so daß ihm
der Traum gar manchen Aufschluß über sich
selber geben kann. ‒
In gleicher Weise kann jedoch auch der
Traum eine wohltätige
Entlastung schaf‐
fen, indem der Träumende Erlebnismöglich‐
keiten die durch seine Veranlagung sehr wohl
auch für das äußere Tagesleben bestehen, die
er jedoch aus ethischen Gründen zu
vermei‐
den strebt, nun im Traume aufsucht und aus‐
erlebt, so daß die Spannung in seinem Inne‐
ren aufgehoben wird. ‒ ‒
In solchen Fällen besteht dann die Rückwir‐
kung auf das Tagesleben ‒ außer der wohl‐
tätigen Entspannung ‒ meistens in einer
Empfindung, die nicht ganz unähnlich echtem
«Schuldbewußtsein» ist, und die so den Men‐
schen anspornt, nur noch entschiedener seinen
als ethisch gefordert erkannten Richtlinien
nachzustreben. Töricht aber wäre es, wollte
man sich in solchem Falle etwa moralisch
verantwortlich für seine Träume fühlen!
*
So, wie die Wirkungen der Träume auf das
Tagesleben sehr verschieden sind, so aber
auch ihre Ursachen!
Nicht alles, was wir «Träume» nennen, er‐
schöpft sich im Bereich des Traumes.
Der echte Traum, im streng begrenzten
Sinn, besteht in den Wahrnehmungen die das
tierkörperliche Bewußtsein ‒ durch den
Schlaf, als rein physiologischen Vorgang, von
der vollen Wahrnehmung der Außenwelt ab‐
geschlossen ‒ nun im Innern des Körpers
macht und die ihm eben infolge seiner Ab‐
scheidung von der Außenwelt und ihrem
Maßstab nur in Gestalt gewisser, im Gehirn
erregter Vorstellungsbilder aufnahme‐
möglich werden.
Beeindruckungen des Körpers von Seiten
der Außenwelt, durch welche der «Sinne»
sie auch erfaßlich sein mögen, werden dabei
ausnahmslos nur in Bezug auf ihre innere
Wirkung im Körper, also gleichsam «von
innen gesehen», wahrgenommen.
Der Schläfer empfindet die Kälte der Luft um
seinen bloßgelegten Fuß, und im Inneren der
Körperzellen wird die Erinnerung an einmal
durchwatetes kaltes Wasser wach, wodurch
im Gehirn das Vorstellungsbild sich gestaltet:
‒ «ich durchwate einen Bach», und wobei
dann durch dieses Bild eine große Anzahl mit
ihm assoziierter Bilder, je nach dem Grad der
Verknüpfung deutlicher oder verwischter,
miterweckt und so als Erleben mitempfunden
werden. ‒
Erkrankte Organe, mag auch die Erkrankung
im Wachsein des Tages noch nicht als Be‐
schwerde wahrgenommen worden sein, kön‐
nen so die Vorstellungsbilder einer
Ver‐
letzung an der betreffenden Körperstelle
gestalten. Druck der aufgenommenen Speise
von Magen und Darm her auf gewisse Nerven‐
bahnen, die im Tagesleben durch
Angst‐
empfindung alteriert werden, kann scheuß‐
liche Vorstellungsbilder drohender Art und
somit gräßliche
Angstträume erzeugen...
Alles dies sind «echte» und unvermischte
Träume im Sinne meiner vorhin gegebenen
Definition.
*
Nun kann aber diese Fähigkeit des Träu‐
mens, die auch das Tier besitzt, von einer Seite
her, die mit dem Traumbilden an sich gar
nichts zu tun hat, gleichsam «benutzt»
werden. ‒ ‒
Während der «echte» Traum nur innerkör‐
perliche Zellenempfindungen in ihren
Ausklängen als Vorstellungsbilder des Ge‐
hirns zu Bewußtsein bringt, können auch
Regungen der Seelenkräfte, die an sich ja
völlig außerkörperlicher Art sind, eben‐
sogut im Schlaf das Gehirn zu beeindrucken
suchen, wie sie es im Wachen zu beein‐
drucken gewohnt sind.
Die physiologische Veränderung jedoch, die
den Schlaf bewirkt, schafft gerade für jene
Kontaktstellen, von denen aus die Seelen‐
kräfte die Gehirnvorgänge zu disziplinie‐
ren vermögen, eine äußerst wirksame Isola‐
tion, so daß zwar das Gehirn zur Erzeugung
der in ihm latent ruhenden, durch die Seelen‐
kräfte gewollten Vorstellungsbilder erregt
werden kann, während die gleichen Seelen‐
kräfte völlig machtlos bleiben in Bezug auf
die dadurch wachgerufenen Assoziations‐
bilder.
Der so von einer eigentlich traumfremden
Seite erregte Traum kann ein sehr logisch
gegliedertes Erleben zu Bewußtsein bringen,
kann aber ebensowohl, kaleidoskopartig, ein
Erlebnis noch während seines Ablaufs in ein
anderes verwandeln, oder schließlich alles
im wüsten Chaos vorbringen.
Zu dieser Art, nicht mehr rein nur im kör‐
perlichen Traumbereich wurzelnder
Träume, gehört alles Traumerleben, das
neuerdings von wissenschaftlicher Seite her
erforscht wird, um dadurch tiefere Einblicke
in die Psyche des Träumers zu gewinnen als
sie jemals durch seine bewußten Aussagen im
Wachzustand des äußeren Lebens zu erlangen
wären.
Hierher gehören auch die Träume des Gelehr‐
ten, der im Traume seine Forschungsaufgabe
weiter verfolgt, des Erfinders, der an seinem
Werke arbeitet, des Künstlers, dem so oft im
Traume gelingen mag, was ihm das Schaffen
im Tagesleben versagt.
Hierher gehören aber auch die Träume, die,
beim Erwachen rückerinnernd betrachtet,
tatsächlich mitunter die Lösung schwierig‐
ster Aufgaben darstellen. ‒
Aber auch alle diese Träume bringen letzten
Endes nichts anderes zum Bewußtsein, als
was schon in irgend einer Weise
Eigentum
der Psyche war und sich mit Hilfe der ins
Gehirn eingelagerten
Vorstellungsbilder
zum «
Erlebnis» gestalten ließ. ‒
*
Es gibt jedoch noch eine, von allem was bis‐
her hier angedeutet wurde, recht verschiedene
Art des Träumens, und vielleicht hat gerade
sie dazu beigetragen, daß der Traum den
Alten stets etwas Geheimnisvolles blieb.
Genau so, wie die Kräfte der
Seele, sowohl
im Wachen, wie im Schlaf, wenn auch in recht
verschiedener Weise, die
Gehirnzellen zu
beeindrucken vermögen, können auch Vor‐
stellungsbilder
anderer Wesen, ‒ seien es
erdenkörperlich lebende
Menschen,
seien es die
Lemurenwesen des unsicht‐
baren physischen
Zwischenreiches, oder
aber hohe Geisteswesenheiten, ‒ das Ge‐
hirn des Schlafenden wie des Wachenden er‐
reichen, wobei hier jedoch die Aufnahme‐
fähigkeit des Gehirns eines Schlafenden, vor‐
ausgesetzt, daß er nicht bereits zu intensiv
durch anderweitiges Traumerleben bean‐
sprucht wird, dem Wachzustand gegenüber
erheblich gesteigert sein kann. ‒ ‒ ‒
Waren in den vorher geschilderten Fällen des
Schlafenden eigene Körperzellen oder
seine Seelenkräfte Auslöser des Traumer‐
lebens, so treten hier an diese Stelle nun
bewußte, vom Schläfer selbst individuell
verschiedene Wesen, die aus eigenem
Willen und in bewußter Absicht auf ihn
einzuwirken suchen.
Es kommt so, durch das Gehirn vermittelt,
ein Vorstellungskontakt zustande, der sehr
verschiedenen Wertes sein kann, ‒ von der
bloßen «neutralen» Übertragung gewisser
Vorstellungsinhalte bis zu fast hypnotisch
wirkendem Befehl, oder aber hohem geisti‐
gem Rat, hoher geistiger Erkenntnisver‐
mittelung. ‒ ‒
Auch die dieser Erde Gestorbenen kön‐
nen, durch die Hilfe hoher Geisteswesen‐
heiten, auf diese Weise vorübergehend das
Bewußtsein der noch im Erdenkörper Leben‐
den erreichen. ‒ ‒
Alle «Wahrträume» gehören hierher, ‒
alle Warnungsträume und hohen geistigen
Traumerlebnisse, die in irgend einer Weise als
gewährte Hilfe zu deuten sind, ‒ ‒ aber
ebenso können auch in gleicher Art sehr
üble Einflüsse sich Gehör und Beachtung
verschaffen...
Hier muß der Wachende, der sich solchen Trau‐
mes erinnert, selbst zu urteilen vermögen,
und das Urteil wird ihm nicht schwer fallen. ‒
Je mehr er gewohnt ist, nach streng ethi‐
scher Richtschnur zu handeln, desto klarer
wird er erkennen, welcher Art der Einfluß
war, der ihn im Traum erreichte.
Auch hier handelt es sich, wie aus allem, was
ich sagte, ersichtlich ist, um keinen «echten»,
d.h. nur im eigenen Körperempfinden
beschlossenen «Traum», sondern die Fähig‐
keit des Träumenkönnens wird benutzt,
um auf diese Weise fremde Vorstellungs‐
bilder dem Bewußtsein des Schläfers, durch
dessen eigenes Vermögen, sie zu reflektie‐
ren, vorzuführen. ‒
Die meisten Träume dieser Art hinterlassen
bei dem Erwachenden das Gefühl, daß es sich
hier um mehr als nur um einen «Traum»
gehandelt habe.
Man fühlt instinktiv das ordnende Be‐
wußtsein des fremden Traum-Senders. ‒
Aber auch hier kann Verwischung eintreten,
sei es, daß während der Vorstellungsübertra‐
gung die eigenen unberuhigten Seelenkräfte
sich geltend zu machen suchen, oder daß
physische Empfindungen des eigenen Körpers
einen 'echten Traum' dazwischenschieben.
Trotzdem läßt sich oft die eigentliche Mittei‐
lung noch in der Verwirrung erkennen, denn
die aus eigenem Lebensbereich dazwischen‐
geratenen Vorstellungsbilder werden stets
mehr oder weniger verändert, falls solche
Vorstellungsübertragung zur Zeit ihrer Gestal‐
tung am Werke war.
Es tritt dann eine Art «Übersetzung» der
fremden Vorstellungsinhalte in symbolische
Traumerlebnisse ein, die zwar oft sehr schwer
deutbar, aber doch meistens irgendwie als
solche erkennbar ist. ‒ ‒
Wohl das berühmteste Beispiel solcher
Traumsymbolik findet sich in jenem Traum
des Pharao, den ihm, nach der biblischen
Erzählung, der junge hebräische Sklave so gut
zu deuten wußte.
Will man diese Erzählung, wenn auch nur des
Beispiels halber, als «historisch» gelten lassen,
dann dürfte auch anzunehmen sein, daß jener
Pharao der Fähigkeit zu überlegendem Den‐
ken nicht gänzlich entriet und daß unter
seinen Weisen doch wohl einige waren, die von
der Deutung traumgeborener Symbole, wie sie
in alter Zeit sehr eifrig gepflegt wurde, einiges
verstanden! ‒
Wenn ihm trotzdem seine Zeichendeuter
keine Auskunft geben konnten, während der
hebräische Jüngling sie in so klarer Weise
fand, so geht hier denn die Lehre hervor, daß
alle Deutung der Symbolik der Träume nur
durch Intuition zu erlangen ist. ‒
‒ Der Aberglaube des Volkes hat sich seit
alter Zeit mit besonderer Neigung der Traum‐
deutung angenommen, wobei gewiß nicht be‐
stritten werden soll, daß vereinzelte Regeln
dieser vulgären Traumdeutekunst einer ge‐
wissen Beachtung typisch wiederkehrender
Traumsymbole entstammen. Es wäre gewiß
auch möglich, durch die Lebensarbeit vieler
einzelner eine gewisse Gesetzmäßigkeit
in bezug auf die Einkleidung mancher
Traumerkenntnisse in eine entsprechende
Reihe von Vorstellungsbildern aufzu‐
weisen. Vorerst aber betritt jeder, der hier Zu‐
sammenhänge erkunden möchte, sehr schwan‐
kenden Boden, so daß ich nur raten kann,
alle Träume, die sich nicht ohne Schwierigkeit
klar und eindeutig erklärbar finden, auf sich
beruhen zu lassen.
Es werden auch immer nur sehr seltene
Träume sich in die zuletzt besprochene Kate‐
gorie mit Sicherheit einfügen mögen. ‒
Immerhin kann es für den einzelnen, voraus‐
gesetzt, daß er sich genügend gefestigt weiß,
um sein Leben nicht unvermerkt unter den
Druck eines törichten Aberglaubens zu
stellen, von mancherlei Interesse sein, wenn
er seine Träume zu analysieren und gegebenen‐
falls auch die bei ihm auftretende Traum‐
symbolik zu enträtseln suchen will.
Es gibt schlichthin nichts in unserem irdi‐
schen Leben, das wir nicht in einer oder der
anderen Weise dem geistigen Leben dienst‐
bar machen könnten. ‒
Das Geheimnis der Träume ist im letzten
Sinne nur so lange Geheimnis, als uns selbst
die auch hier, wie überall im Leben, streng
gesetzmäßigen Zusammenhänge nicht
offenbar sind. ‒
Wer freilich sein Traumerleben als das «Be‐
treten geistiger Welten» auffaßt, ‒ und es
gibt selbst noch in unseren Tagen Menschen,
die gar sehr zu solcher Auffassung neigen, ‒
der tauscht den Weg zur Wahrheit mit dem
Weg zum Trug. ‒
Wohl kann der geistige Organismus eines
Menschen, während sein Erdenhaftes in
tiefem Schlafe ruht, auf geistigen Planen wei‐
len und dort Erfahrungen machen, von denen
nur ein schwacher Abglanz in der «Überset‐
zung» in Traumsymbolik sein irdisches
Bewußtsein erreicht, weil dann sein eigenes
Geistiges, das er im wachen Tageserleben
selbst noch nicht kennt, es ist, das durch
die Vorstellungsbilder seines Gehirns ihm
seine hohen geistigen Einsichten mitteilen
will.
Aber das bewußte Betreten geistiger Reiche
im geistigen Organismus, das nur den Weni‐
gen auf dieser Erde möglich ist, die schon in
diesen Reichen wirkten, ehe sie das Kleid des
Erdenleibes trugen, ist wahrlich anderer
Art, als jegliches, noch so hohes Traum‐
Erleben! ‒ ‒
Es läßt sich durch keine «Übung», keine
Anstrengung erreichen, außer von jenen We‐
nigen, die das Urlicht selbst dazu be‐
stimmte, damit sie die «Brückenbauer»
werden konnten für ihre im Dunkel erden‐
haften Erkennens gebundenen Brüder. ‒
Wohl aber kann jedem Menschen der Traum
ein Abbild, ein Gleichnis eines Erlebens
bedeuten, das des irdischen Körpers Be‐
tätigung
nicht bedarf und dennoch sich
in
realer Gestaltung innerhalb
realer Wel‐
ten findet...
Alles Irdische, und dazu gehört auch der
Traum, ist stets nur ein schattenhaftes Spie‐
gelbild
geistigen Seins. ‒
Wer
so das Geheimnis der Träume zu ergrün‐
den sucht, dem kann es zu
hoher heiliger
Lehre dienen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.Das Wort «Mantik» bezeichnet seit den
ältesten Zeiten jegliche Art der sogenannten
«Wahrsagerei», speziell der Vorhersagung
zukünftiger Dinge.
Das Altertum kannte eine Unzahl Methoden,
durch deren Anwendung man künftiges Ge‐
schehen im voraus erkennen zu können glaub‐
te, und wenn es sich dabei auch fast aus‐
nahmslos um rein abergläubische Annahmen
handelte, so wurden doch auch zuweilen in
solcher Sucht die Zukunft zu enthüllen, Ge‐
biete berührt, die über allen Aberglauben
hinaus ihre Bedeutung haben.
Gewisse mantische Künste haben sich bis auf
die heutige Zeit erhalten, ja sie werden gerade
in der Gegenwart wieder sehr gepflegt.
Vielfach ist es nicht so sehr der Wunsch nach
Enthüllung der Zukunft, der zu ihrer Aus‐
übung führt, als vielmehr das der Zeit eigene
Streben nach Analysierung des eigenen
Seelenkomplexes.
Um dies zu verdeutlichen sei es mir verstattet,
hier das Forschungsgebiet der Graphologie
heranzuziehen, obwohl Graphologie gewiß
nicht zu den «mantischen Künsten» zählt,
sondern als eine mit wissenschaftlicher Ge‐
nauigkeit arbeitende Forschungsmethode sich
sogar schon das Vertrauen unserer staatlichen
Rechtspflege in so hohem Maße erworben hat,
daß man sich ihrer Hilfe bereits mit Selbst‐
verständlichkeit bedient.
Eine graphologische Feststellung ist wahr‐
haftig alles andere als eine Zukunftsent‐
schleierung.
Die Graphologie oder Handschriftbeurtei‐
lungskunde zeigt vielmehr lediglich die Cha‐
rakterveranlagung eines Menschen aus
den unwillkürlichen Besonderheiten seiner
Handschrift auf.
Trotzdem aber ist das Interesse an der Gra‐
phologie in allen Kreisen derart groß, daß ein
auch nur halbwegs mit den Grundgesetzen
dieser psychologischen Forschungsmethode
vertrauter Mensch sich sehr hüten muß, sein
Wissen darum zu bekennen, will er nicht mit
unzähligen Bitten um Analysierung der
Handschrift überhäuft werden.
Ähnlich dürfte es auch, nach meinen eigenen
Beobachtungen und denen anderer, um das
Interesse an den heute noch betriebenen man‐
tischen Künsten stehen. ‒
Es sind meist recht naive Gemüter, die ent‐
weder selbst diese Künste üben oder zu einem
ihrer Kundigen kommen, um etwas über ihre
Zukunft zu erfahren. Dagegen interessiert
sich zuweilen, und oft weit mehr als zuge‐
standen wird, selbst hohe Intelligenz für
solche Dinge, soweit eine Art Seelen‐
oder Charakteranalyse dabei in Betracht
kommt. ‒
Daß eine solche Analyse des Charakters wie
der ganzen seelischen Eigenart eines Men‐
schen auch bei den mantischen Künsten sehr
wohl möglich ist, zeigt wohl am deutlichsten
die Chiromantie, die man, ganz abgesehen
von historischem Überkommen, schon des‐
halb zu den «mantischen Künsten» zählen
muß, weil sie den Anspruch erhebt, auch die
Zukunft, ‒ und zwar nicht etwa wie die
Astrologie durch Berechnung, ‒ sondern
durch Deutung gewisser Zeichen zu er‐
hellen.
Es läßt sich heute nicht mehr leugnen, daß die
Linien und feinen Runen der Hand eines
Menschen in sehr engem Zusammenhang mit
seiner ganzen Charakterveranlagung
stehen und es bedarf kaum einer weitläufigen
Erklärung, wieso dies möglich sein könne,
wenn man sich vor Augen hält, daß die seeli‐
schen Regungen des Menschen überhaupt nie‐
mals zum Ausdruck kommen könnten, wenn
sie nicht feinste Nerven- und Muskelfasern zu
beeindrucken vermöchten.
Gewiß ließe sich hier sagen, daß dann das
menschliche Antlitz die seelische Art eines
Menschen noch weit leichter deutbar spiegeln
müsse, und tatsächlich dürften recht viele
Menschen aus einem Gesicht weit mehr
herauszulesen fähig sein, als aus einer Hand,
aber dennoch verdient hier die Hand ent‐
schieden den Vorzug, da sie weit weniger als
der Gesichtsausdruck «gefälscht» werden
kann. ‒ ‒
Wie mancher notorische Gauner wußte sich
schon unverdientes Vertrauen durch seine
«ehrlichen Augen» zu erschleichen, während
die Linien seiner Hände ihn dem Kundigen
unfehlbar verraten hätten! ‒
Die Handlinien sind eben auch durch die
gewiegteste Verstellungskunst nicht zu ver‐
ändern, und anderseits ist wieder die Hand
unstreitig der Körperteil, der nächst dem
Antlitz am stärksten durch seelische Ein‐
drücke berührt wird.
Wie man aber jegliche Sache dilettan‐
tisch betreiben, oder aber auch ernsthaft
erforschen kann, so lassen sich denn auch
die Runen der Hand sowohl einem sehr ein‐
dringlichen Studium unterziehen, oder nur
nach oberflächlichen Regeln schematisch
und schablonenhaft betrachten.
Es gehört selbstverständlich eine jahrelange
intensive Beobachtung vieler Hände dazu,
um auf diesem Gebiete zu einiger Erfahrung
und Sicherheit der Diagnose zu kommen.
Daß dann auch gewisse Erlebnisse der Ver‐
gangenheit eines Menschen in seinen Händen
an den hinterlassenen seelischen Spuren «ab‐
gelesen» werden können, wird man leicht ver‐
stehen. Verwickelter liegen die Dinge hin‐
sichtlich der Ambitionen der Chiromantie,
auch zukünftige Geschehnisse voraussagen
zu wollen.
Gewiß werden einem wirklich geübten Hand‐
leser auch Anlagen und Neigungen sich ent‐
schleiern, die mit einiger Sicherheit, und wenn
kein Eingreifen rein geistiger Mächte es ver‐
hindert, ‒ zu bestimmten Resultaten hinsicht‐
lich zukünftigen Erlebens führen können.
Weiterhin lassen sich aus den Handlinien
auch die rein physische Veranlagung, wie die
mutmaßlichen Abläufe der durch den physi‐
schen Habitus der Person gegebenen Erleb‐
nisperioden im allgemeinen erkennen.
Beide Beobachtungen kombiniert können
also auch dazu führen, daß sich der ungefähre
Zeitpunkt gewißer Geschehnisse der Zukunft
angeben läßt.
Dieses Vorausbestimmen beschränkt sich
jedoch immer nur auf einen engumgrenzten
Bezirk psychophysisch bestimmter Möglich‐
keiten.
Der Chiromant, der darüber hinaus zu
sicheren und später bestätigten Angaben ge‐
langt, verläßt bereits bewußt oder unbewußt
das Gebiet der Chiromantie, auch wenn er
von ihm ausgegangen ist, denn seine Aus‐
sagen gründen in Wirklichkeit nur zum
Teil auf Beobachtungen der Handlinien,
während ihm das Wichtigste durch den
seelischen Kontakt vermittelt wird, der
sich während der Handuntersuchung spontan
einstellt und bei dazu geeigneten Naturen zu
einer Art «Hellfühlen» führen kann.
Bei wirklich guten Handlesern, seien es nun
ausgesprochene Forscher auf ihrem Gebiete,
oder vielleicht ihres Tuns nur halbbewußte
Natur-Begabungen, werden immer alle ge‐
nannten Faktoren zusammenwirken,
ohne daß es möglich wäre, exakte Trennungs‐
linien zu ziehen.
Kombinationsgabe und Menschenkenntnis
mögen dann das Resultat noch verbessern,
und wenn es sich um höchste Leistungen
handelt, wird man stets sicher sein können,
daß eine stark intuitiv erfassende Bega‐
bung mit allen erdenklichen Fähigkeiten zu‐
gleich gearbeitet hat, wobei zu beachten ist,
daß die Befähigung zu
solchem intuitiven
Erkennen nicht etwa gar als Beweis einer
höheren Geistigkeit gewertet werden darf und
sich sowohl bei ethisch hochstehenden, wie bei
völlig demoralisierten Naturen finden kann.
*
Hier sind wir nun bei einer wirkenden Kraft
angelangt, die bei allen mantischen Künsten
vielleicht die
bedeutendste Rolle spielt!
Ich meine die Kraft der
Intuition, die nur
eine starke Anregung verlangt, um oft dem
allereinfachsten Menschen Einsichten zu ver‐
mitteln, die bislang noch durch keine exakt
wissenschaftliche Forschungsmethode will‐
kürlich zu erhalten sind.
Aber auch der gelehrte Forscher wird auf den
hier behandelten Gebieten erst dann Befriedi‐
gendes zu erreichen vermögen, wenn er es ver‐
steht, seine in ihm schlafenden intuitiven
Kräfte zu wecken, und, trotz aller bewußt
kritischen Einstellung, auf die Stimme der
Intuition zu
hören.
‒ Die Erfahrungen unzähliger Menschen aus
allen Bildungsschichten wissen immer wieder
Gelegenheiten aufzuzeigen, bei denen durch
irgend eine mantische Kunst verblüffend
richtige Resultate erhalten wurden.
Äußerlich fühlt man sich scheinbar sehr erha‐
ben über allen «Aberglauben», aber insge‐
heim wird jede obskure Pythia in den Hin‐
terhäusern der Vorstädte aufgesucht, von der
dieser oder jener zu erzählen weiß, daß sie
ihm «alles richtig gesagt» habe.
Es geht nicht an, hier wie der Vogel Strauß
die Augen in den Sand zu bergen, um nicht
zu sehen, was man nicht sehen möchte. ‒
Es ist vielmehr nötig, in allen solchen Fällen
der wirkenden Kraft auf die Spur zu
kommen, die bald da bald dort, und oft unter
sehr albern anmutenden Nebenumständen,
doch immerhin beachtenswerte Resultate
schafft. ‒
‒ Asiatische Wahrsager bedienen sich noch
heute gewisser kleiner, mit sogenannten ma‐
gischen Zeichen versehener Tafeln oder
Stäbchen, die sie in einem halbsomnam‐
bulen Zustand durcheinanderwerfen, um aus
der so erhaltenen, scheinbar «zufälligen»
Kombination der Zeichen, dem Fragestellen‐
den Antwort zu erteilen.
In den Tempelheiligtümern tibetanischer
Klöster werden auf den Altären gleichfalls
Tafeln verwahrt, die in ihrer Gesamtheit als
«heilige Bücher» gelten, die auf alle Fragen
Antwort geben, deren Text aber nur von
Kundigen gelesen werden kann, da sie nach
bestimmten Regeln gelegt und kombiniert
werden müssen, um ihr Geheimnis zu offen‐
baren.
Im sogenannten «Tarot» der Zigeuner, dem
Urahn sämtlicher Kartenspiele, haben wir
sehr Ähnliches vor uns.
Auch hier müssen die Karten, die symbolische
Zeichen, Buchstaben und Bilder tragen, unter
bestimmten Vorbereitungen und nach be‐
stimmter Methode «gelegt» werden, um aus
der so entstandenen Kombination die Ant‐
wort auf gestellte Fragen ablesen zu können.
Die «Kartenschlägerin» oben im Dachstock
irgend einer Hinterhaus-Mietskaserne, die
dort eine Klientel empfängt, von der man
wohl sagen darf, daß sie niemals sonst solche
Stätten der Armut zu betreten pflegt ‒ hat
in den allermeisten Fällen von der erlauchten
Ahnenschaft ihres magischen Requisits, wie
ich sie oben aufzeigte, kaum eine Ahnung.
Ihr Tun aber entspricht durchaus, ‒ von
einigen begleitenden Äußerlichkeiten abge‐
sehen, ‒ dem des chinesischen Wahrsagers,
des tibetanischen Lamapriesters, oder dem des
Okkultisten vom Schlage Eliphas Lévis,
der den Tarot befragt...
Es leuchtet ein, daß hier gleiche Verursa‐
chung zu gleichen Resultaten führt, und so
schwören denn auch die Gläubigen der euro‐
päischen Großstädte genau so auf die Orakel
ihrer mehr oder minder bedenklichen Sibyl‐
len, wie das Volk des Dalai Lama auf die
Bekundungen seiner Priesterschaft...
Trotz allem Humbug aber, der sowohl in den
östlichen wie den westlichen Gefilden dieser
Erde niemals um Gläubige verlegen zu sein
braucht, treten hier wie dort auch Resultate
zutage, die nicht durch Humbug zu erlangen
sind und zuweilen selbst recht kritiklüsterne
Seelen in ihren Bann ziehen.
Es bleibt nicht verwunderlich, daß dem so
ist, denn aller Hokuspokus, der die ehrfürch‐
tige, abergläubische Scheu der Gläubigen er‐
weckt, ist für den Wahrsager aller dieser
Gattungen nur ein Mittel, sich selbst in
einen Konzentrationszustand zu ver‐
setzen, der ihm den seelischen Kontakt
mit seinem Anfrager möglich macht. ‒
Infolge dieses Kontakts erst vermag er es, je
nach dem Grad seiner Intuition, die Dinge
zu verkünden, die dann so maßloses Staunen
erregen. ‒
Man ahnt ja nicht, daß wir Menschen dieser
Erde alle voneinander viel mehr wissen
könnten, wenn wir es verstehen würden,
in seelischen Kontakt zu kommen und
dann die Stimme der Intuition zu erlau‐
schen. ‒
Wer immer aber eine der mantischen Künste
sozusagen «berufsmäßig» ausübt, erlangt da‐
bei auf ganz natürlichem Wege eine große
Sicherheit in der Herstellung solchen seeli‐
schen Kontaktes, erlangt mit wachsender
Erfahrung wachsende Einsichten bezüglich
der Herbeiführung des nötigen
Konzentra‐
tionszustandes, so daß es, in des Wortes
wörtlichster Bedeutung, wahrhaftig kein
«Wunder» ist, wenn er seinem staunenden
Gegenüber Dinge zu verkünden weiß, die der
Anfrager, gewohnt, stets in wüster Zer-streu‐
ung seiner Blickrichtung einherzustolzieren,
längst
selbst nicht mehr in sich wahrzu‐
nehmen fähig ist.
Das große Staunen ist also hier nur
insofern
am Platz, als es wahrlich
staunenswert er‐
scheint, mit welcher Gleichgültigkeit der
Mensch des Alltags seine wundersamsten
Fähigkeiten
verloren-
gehen läßt, um dann
in arger Torheit vor anscheinend dunklen
Rätseln zu stehen, wenn irgend eine frühere
Abwaschfrau oder irgend ein halbzivilisierter
Asiate noch zu benützen
weiß, was
jeder
Sterbliche benützen
könnte, wenn er nicht
völlig
stumpf für alles subtilere Fühlen ge‐
worden wäre, so viel er sich auch auf sein
«sicheres Gefühl» in dieser oder jener Hin‐
sicht, einbilden mag. ‒ ‒
*
Es wird nun oft die Frage gestellt, ob es mit
dem Streben nach höherer geistiger Entwick‐
lung vereinbar sei, sich der mantischen
Künste zu bedienen?
Ich kann darauf nur antworten, daß «denen,
die Gott lieben, alle Dinge zum Besten ge‐
reichen» müssen! ‒ ‒
Es ist lediglich eine Geschmacksfrage, die
jeder sich selbst beantworten muß, ob er seine
Lebensgestaltung durch die Orakel irgend
einer wahrsagenden Zigeunerin bestimmen
lassen will oder es mit der Achtung vor sich
selbst zu vereinbaren weiß, wenn er heimlich
«Hellseher» und Kartenschlägerinnen konsul‐
tiert, ‒ aber an sich ist solche Neugier nichts
anderes als eine törichte Schwäche, die frei‐
lich anzeigt, daß der also Handelnde noch nicht
gar weit auf dem Wege zum Geist gekommen
sein kann. ‒ Würde er diesen Weg mit einiger
Ausdauer konsequent verfolgt haben, dann
sähe er sich selbst imstande, in sich selbst
alle Antworten auf seine Fragen zu erhalten
und könnte gar nicht mehr auf den Gedanken
kommen, sich bei anderen Rat zu holen. ‒ ‒
Es ist angesichts der tausendfachen, bei allen
Völkern der Erde vorliegenden Erfahrungs‐
beweisen schlichthin lächerlich, etwa
daran zweifeln zu wollen, daß durch Aus‐
übung mantischer Künste eine sehr erheb‐
liche, spontane Steigerung der Empfin‐
dungsfähigkeit für subtile Einflüsse
erreicht wird, aber es wäre ebenso lächerlich,
wollte man den magischen Requisiten der
Wahrsager eine geheimnisvolle Bedeutung
beilegen, ‒ außer der einzigen, die ihnen zu‐
kommt: ‒ Hilfsmittel zur Erreichung
des Konzentrationszustandes, Anre‐
gungsmittel der Intuition zu sein. ‒ ‒
Zweifellos dürfte es denn doch erheblich wün‐
schenswerter und der Würde des Menschen
entsprechender sein, wenn man solche Kon‐
zentration auch ohne den Firlefanz zu er‐
reichen vermag, der von der Ausübung man‐
tischer Künste fast untrennbar ist, und wenn
man seine Intuition nicht erst durch äus‐
sere, mitunter keineswegs unbedenk‐
liche Mittel erwecken muß, ‒ abgesehen da‐
von, daß die Beschäftigung mit irgendwelchen
mantischen Künsten, auch wenn sie lediglich
als forschendes Suchen aufgefaßt wird, alle
Seelenkräfte derart in Anspruch nimmt, daß
daneben kaum noch die Möglichkeit
geisti‐
ger Entfaltung bestehen bleiben kann. ‒ ‒
Wer den Weg zum
Geiste einmal in Wahr‐
heit betreten hat, dem werden
alle mantischen
Künste, ungeachtet ihrer zuweilen sehr rich‐
tigen Resultate,
völlig entbehrlich sein,
denn ihm wird von alledem, was er durch
mantische Kunst erfahren
könnte, stets auf
geistige Weise gerade
soviel zuteil werden,
wie er braucht, um seinen Höhenweg siche‐
ren Fußes weiterschreiten zu können.
Er wird aus allem das
Beste zu gestalten
suchen, mag ihm die Zukunft dunkel bleiben
oder irgendwelche Erhellung erfahren...
Stets wird er wissen, daß alle mantische Kunst
‒ ja alle Zukunftsberechnung ernsterer Art ‒
nur den gesetzlichen Ablauf
physischen Ge‐
schehens zur Voraussetzung hat. Wer aber im
Geiste «neu geboren» ist, dem dienen auch
des
Geistes hohe Kräfte, die gar manches
irdische Geschehen umzulenken wissen! ‒ ‒
.Ich glaube es mir ersparen zu dürfen, hier
ausführlich zu erklären, was man unter
«Hypnose» versteht, und wie dieser abnorme
Zustand der Willens- und Bewußtseinsbin‐
dung herbeigeführt werden kann.
Es wird heute leider viel zu viel auf diesem
Gebiete experimentiert und die Erscheinun‐
gen der Hypnose werden sowohl in gelehrten
Werken, wie in den fragwürdigsten Traktät‐
chen, weitläufig und breit erörtert.
Meines Erachtens sollte man mit den Anwei‐
sungen zur Herbeiführung der Hypnose weit
vorsichtiger sein, und selbst die Beschrei‐
bung des hypnotischen Zustands ist nicht
ohne Gefahr. ‒
In segensreichem Sinne wirken solche Erörte‐
rungen ganz gewiß nicht, wohl aber reizen sie
die Neugierde, erwecken je nach der aktiven
oder passiven Artung des Lesers in so man‐
chem den Wunsch, entweder selbst «hypno‐
tisieren» zu können oder den hypnotischen
Zustand am eigenen Leibe zu erfahren.
Hinsichtlich des «Könnens» herrscht noch in
weiten Kreisen die Annahme, als sei der er‐
folgreiche Hypnotiseur mit einer mysteriösen
Kraft begabt, trotzdem immer wieder ver‐
sichert wird, daß «jedermann» hypnotisieren
könne, und daß nur die Willenskraft des
Hypnotiseurs die entscheidende Rolle spiele.
In Wirklichkeit verhält sich die Sache erheb‐
lich anders!
Erstens kann nicht jeder Mensch, und mag
er die Technik der Hypnose noch so genau
kennen, den hypnotischen Zustand herbei‐
führen, selbst wenn er seinen Willen in muster‐
gültiger Weise auf sein Vorhaben zu konzen‐
trieren vermag ‒ und zweitens ist es nun
einmal keineswegs der Wille des Einen, der
hier des Anderen Willen bindet. ‒ ‒
Es gibt sehr gute Hypnotiseure, die recht
«willensschwache», zur Konzentrierung ihrer
Wünsche auf einen einzigen Willens-Impuls
fast unfähige Menschen sind, während sehr
willensfeste Menschen oft leichter in Hypnose
verfallen als andere, bei denen von «Willens‐
kraft» wirklich nicht die Rede sein kann. ‒
Hier sind vielmehr Kräfte am Werke, die mit
dem Willen recht wenig zu tun haben, und
wenn ich oben von «Willensbindung» sprach,
so ist auch das nicht so zu verstehen, als sei
etwa der Wille selbst in irgend einer
Weise zu schwächen. ‒
Es handelt sich in Wahrheit nur darum, daß
die körperlichen Organe des Menschen,
die im Normalzustand fast ausschließlich auf
die Regungen des eigenen Willens reagie‐
ren, während sie «fremdem» Willen nur sehr
unvollkommen und nur bei Ablenkung des
eigenen Willens zugänglich sind, im Zustand
der Hypnose unfähig gemacht werden, den
eigenen Willen zu vernehmen, oder, in
leichteren Fällen nur noch sehr unvollkom‐
men auf ihn reagieren. ‒
Jegliches Hypnotisieren ist also nur eine suk‐
zessiv gesteigerte Ablösung des Gehirn- Appa‐
rats vom Willen des Gehirn- Eigners.
Da aber der Wille dem Gehirn nur durch
die dem unsichtbaren Teil der physischen
Welt zugehörigen, feinen, fluidischen
Kräfte des Körpers Eindrücke zu vermit‐
teln vermag, so bedeutet die Herbeiführung
des hypnotischen Zustandes nichts anderes
als eine
Betäubung dieser feinen,
flui‐
dischen Kräfte. ‒
Wohl ist es ein
Willensimpuls des Hypno‐
tiseurs, der als erste Ursache dieser Betäubung
in Betracht kommt, aber die
Stärke dieses
Impulses ist für das weitere Geschehen eben‐
so bedeutungslos wie die
Theorie, nach der
sich der Hypnotiseur die auftretenden Er‐
scheinungen zu erklären versucht. ‒
Er selbst ist es wahrlich
nicht, der jene
Zustände herbeiführt, die seinem kontinuier‐
lich beibehaltenen, aber deshalb durchaus
nicht etwa mit übernormaler Kraft erfolgtem
Willensimpuls folgen! ‒
*
Die Erscheinungen der
Hypnose beruhen
‒ so seltsam dies auch allen herrschenden
Theorien gegenüber klingen mag ‒ auf einer
Art «Ansteckung», nur daß hier nicht durch
Bazillen und Mikroben
Krankheiten über‐
tragen werden, sondern durch Energiezentren,
die auch dem besten Mikroskop unsichtbar
bleiben, eine
Lähmung der feinen flui‐
dischen Körperkräfte erfolgt, wodurch
eben diese Energiezentren direkt auf das
Gehirn einzuwirken vermögen unter Aus‐
schaltung des Willens seines Eigners.
Der Hypnotiseur aber ist ein Mensch, dessen
psychophysische Konstitution besondere
Eignung besitzt, um jene Energiezentren sei‐
nen Wünschen entsprechend anzuregen, so
daß sie automatisch in der Richtung des
erhaltenen Anstoßes weiterwirken.
Es kann deshalb auch durchaus nicht «jeder‐
mann» hypnotisieren, so wenig wie jeder
Mensch etwa als spiritistisches «Medium»
erfolgreich sein wird, obwohl in beiden Fällen
Kräfte zur Auswirkung kommen, die bis zu
gewissem Grade in jedem Menschen‐
wesen sind. ‒
Die unsichtbaren Energiezentren, um die es
sich hier handelt, sind an jedem Punkte der
unsichtbaren physischen Welt zu Myriaden
vorhanden, erfüllen als homogene Masse allen
Raum, und bedürfen nur des Anstoßes durch
einen Willensimpuls, um gleichsam mit die‐
sem Impuls «geladen», dessen auswirkende
Diener zu werden, so daß es fast den An‐
schein hat, als habe man es hier mit kleinsten
unsichtbaren halbbewußten Lebewesen zu
tun.
Sie werden auch durchaus nicht etwa nur
durch den Willensimpuls eines Hypnoti‐
seurs zur Tätigkeit gezwungen, sondern stets
und ständig durch jeden, noch so verborgenen
Wunsch bewegt, sobald solches Wünschen
den Willen einmal in Hörigkeit zu zwingen
vermochte. ‒
Während aber bei der Mehrzahl der Menschen
die feinen fluidischen Körperkräfte individuell
isoliert sind, so daß die Beeindruckung die‐
ser Energiezentren nur durch verhältnis‐
mäßig spärliche Infiltration erfolgt, findet man
auch anderseits ziemlich zahlreich eine psy‐
chophysische Konstitution, die fast ein In‐
einanderfließen der eigenen, feinen fluidi‐
schen Kräfte des Körpers mit besagten
Energiezentren aufweist, und dies sind dann,
‒ je nach ihrer mehr aktiven oder mehr
passiven Veranlagung, ‒ entweder die
geborenen spiritistischen «Medien» oder aber:
die geborenen Hypnotiseure. ‒ ‒
Auch die spiritistische «Medialität» bedarf
dieser unsichtbaren Energiezentren, ‒ nur ist
dabei der «Hypnotiseur» im unsichtbaren
Teile der physischen Welt zu suchen:
das «Medium» liefert sich passiv seinen
Wünschen aus, ohne ihn zu kennen, während
bei der durch einen Menschen vorgenom‐
menen hypnotischen Betäubung eines An‐
dern, ein Sichtbarer aktiv eingreift und
sich vorübergehend aus Menschen, die an sich
durchaus nicht im spiritistischen Sinne «me‐
dial» veranlagt sind, künstlich spiritisti‐
sche Medien schafft...
Der ganze Vorgang der Hypnose ist im
Grunde nichts anderes als das, was man
«Spiritismus» nennt, ‒ nur insofern vom
landläufigen Spiritismus unterschieden, als
bei der Hypnose Menschen untereinander
sich beeinflussen, während bei der spiritisti‐
schen Sitzung der menschliche Hypnotiseur
durch eine Wesenheit des unsichtbaren Teiles
der physischen Welt vertreten wird. ‒ ‒
Spiritistischer «Trance»-Zustand und hypno‐
tische Betäubung sind zwar ihrer Erschei‐
nung nach oft sehr verschieden, im Wesen
aber fast identisch, ‒ mit Hilfe der gleichen
Kräfte hervorgebracht, wenn auch die aus‐
lösenden Faktoren: ‒ hier der Impuls eines
Menschen, dort der quasi «tierhafte» Be‐
tätigungstrieb eines Lemurenwesens des
unsichtbaren Teiles der physischen Welt, ‒
sehr verschiedener Art sind. ‒ ‒
Wären dem menschlichen Hypnotiseur alle
verborgenen Zusammenhänge der Natur
ebenso entschleiert wie jenen Lemurenwesen,
so würde er gar manche «Wunder» des Spiri‐
tismus mit Hilfe der von ihm hypnotisierten
Person experimentell hervorzurufen fähig
sein, und nur jene spiritistischen Phänomene
würden sich ihm versagen, zu deren Hervor‐
bringung unter allen Umständen ein echtes
Medium nötig ist, das seinerseits, wie oben
gesagt, nur die passive Artung der gleichen
psychophysischen Konstitution darstellt, de‐
ren aktive Artung wir in jedem Hypnoti‐
seur vor uns haben. ‒
Nun ist aber der Mensch, der einen anderen
Menschen in den Zustand hypnotischer Be‐
täubung versetzt, lediglich auf seine durch
die Erdensinne vermittelte Erkenntnis der
Natur beschränkt und vermag es weder zu
verhindern, noch auch nur zu erkennen,
daß die unsichtbaren Wesen der physischen
Welt temporär von seiner künstlich zum
«Medium» gewordenen Versuchsperson Be‐
sitz ergreifen.
So ist es möglich geworden, daß man allen
Ernstes glaubte, in den tieferen Betäubungs‐
zuständen der Hypnose der eigentlichen
Geistigkeit des Menschen zu begegnen, ‒
daß man sich gutgläubig von einem vermeint‐
lichen «überpersönlichen Unterbewußtsein»
belehren ließ und dabei nicht ahnte, daß man
im Grunde nichts anderes als spiritistische
Seancen abhielt und ehrfürchtig sich Offen‐
barungen beugte, die aus der gleichen Sphäre
stammten wie alles, was die «lieben Geister»
irgendeiner spiritistischen Gemeinde ihren
andachtsvollen Freunden zu erzählen haben,
‒ nur geschmacksgerecht gemacht für den,
dem solche Bekundung galt, wie denn jede
Manifestation dieser Zwischenwesen stets mit
einem unerhörten Raffinement gerade
den
Ton zu treffen weiß, der in einem gegebenen
Kreise verlangt wird, soll die Botschaft Glau‐
ben finden.
*
Zuerst als «Schwindel» und «Aberglaube»
bekämpft, ist die Hypnose heute ein Requisit
der ärztlichen Wissenschaft geworden, und
man glaubt allerhand Heilerfolge ihrer An‐
wendung zuschreiben zu dürfen.
Es ist nicht meine Sache, darüber zu befinden,
inwieweit diese Heilerfolge vor strenger Kri‐
tik dauernd zu bestehen vermögen.
Ich muß jedoch unumwunden aussprechen,
daß alles Heilen mit Hilfe der Hypnose unge‐
fähr dem Austreiben des Teufels durch Beelze‐
bub gleichzusetzen ist und für den praktizie‐
renden Arzt wie für den Patienten die gleichen
Gefahren in sich bergen kann. ‒ ‒
Es fragt sich denn doch noch sehr, ob das,
was man vielleicht an
wirklichen, vielleicht
aber nur an
scheinbaren Heilerfolgen er‐
zielt, der Heraufbeschwörung dieser Gefah‐
ren wert erscheint?!?
Die Entscheidung darüber wird der Erfah‐
rung des Arztes anheimgestellt bleiben müs‐
sen, während ich hier nur die Gefahr
kon‐
statieren und ihre Art bezeichnen möchte.
*
‒ Wenn nicht aus eigener Beobachtung, so
doch aus der diesbezüglichen Literatur dürfte
jedem, der sich mit den Erscheinungen des
Spiritismus näher beschäftigte, sehr wohl be‐
kannt sein, daß ein «Medium» desto leichter
in «Trance» verfällt, je öfter es experimen‐
tiert.
Die gleiche Erfahrung macht jeder Hypnoti‐
seur bei seiner Versuchsperson hinsichtlich
des hypnotischen Betäubungszustandes.
Die Energiezentren, die hier wie dort den ab‐
normalen Zustand bewirken, sind gleichsam
permanent auf Erreichung dieses Zustandes
bei der in Frage kommenden Person «ein‐
gestellt»; sie bilden eine Art
magischer
Kette, die den
aktiven mit dem
passiven
Pol dauernd verbindet.
Die «
Ebene» der Verbindung ist der un‐
sichtbare Teil der physischen Welt, zu dem
auch jene feinen fluidischen Kräfte des Kör‐
pers gehören, durch deren Wirksamkeit reine
Willensimpulse im Gehirn zur Auslösung
kommen, ‒ durch deren Betäubung aber das
eigene «Ich» aus seiner Herrscherstellung
verdrängt wird und irgendeiner anderen
Herrschaft die Macht überlassen muß, mit
dem Gehirn zu schalten wie es ihr beliebt. ‒
Je öfter der Hypnotiseur mit seiner Versuchs‐
person, der hypnotisierende Arzt mit seinem
Patienten experimentiert, desto unzerreiß‐
barer wird die magische Kette aus unsicht‐
baren Energiezentren, die beide Pole ver‐
bindet, mag auch der eine sich vom anderen
Tausende von Meilen entfernen.
Diese magische Kette ist fast ins Unendliche
dehnbar und zerreißt um so weniger, je fester
sie durch zahlreiche vorangegangene hypno‐
tische Experimente gehärtet wurde. ‒ ‒ ‒
Es liegt ohne weiteres auf der Hand, daß so‐
wohl der Arzt bzw. der Hypnotiseur im all‐
gemeinen, wie auch der Patient oder die Ver‐
suchsperson, durch diese stete Verbindung
sehr unliebsame Einflüsse erfahren können,
denn das Verhältnis der Pole zueinander ist
keineswegs unter allen Umständen so kate‐
gorisch gegeben, daß nicht auch zu Zeiten der
aktive Pol passiv und der passive aktiv
werden könnte...
Nur die allerwenigsten solcher Fälle von un‐
gewollter gegenseitiger Beeinflussung werden
als solche erkannt werden, obwohl bereits
deutliche Beobachtungen gelegentlich ge‐
macht wurden, die nur aus solchem Einfluß
bei permanenter fluidischer Verbindung er‐
klärbar sind.
Bewußt wird diese Beeinflussungsmöglichkeit
von seiten gewisser okkultistischer «Geheim‐
schulen» benutzt, indem der betreffende
«Lehrer» durch eine «Schulung», die in
nichts anderem besteht, als in einer konti‐
nuierlich gesteigerten Reihe mehr oder weni‐
ger verschleierter, hypnotischer Betäubungen
seines Opfers, dieses allmählich so fest an sich
bindet, daß von einer eigenen Willensbe‐
tätigung bei ihm kaum mehr die Rede sein
kann.
Ein derartiger okkultistischer Abenteurer,
der sehr genau weiß, daß seine ganze
Macht
auf dem Spiele stehen würde, wollte er auch
nur für kürzeste Zeitspannen seine krampf‐
haft beibehaltene
Aktivität aufgeben, wird
allerdings auch kaum in die Gefahr kommen,
von seiten seiner so wirksam gefesselten
«Schüler» Unliebsames zu erfahren.
Der Arzt jedoch, der seine aktive Haltung
nur auf die Zeitdauer des Experimentes
beschränkt, ist niemals sicher vor unvermu‐
teten Einbrüchen des Willens seines Patienten,
‒ selbst wenn er ihn längst vergessen hat, ‒
in seinen eigenen psychophysischen Haushalt,
in sein eigenes Fühlen und Denken.
Daß dies bei den Patienten in noch weit
er‐
höhtem Maße der Fall ist, liegt in der Natur
der
gewollten gegenseitigen Beziehung.
*
Viel wichtiger jedoch als alle sozusagen «tech‐
nischen» Gefahren der Hypnose bleibt die
unumstößliche Tatsache, daß jede hypno‐
tische Betäubung, werde sie nun des Experi‐
ments oder der Heilung wegen vorgenommen,
eine
Isolation zwischen Willen und
Gehirn des Hypnotisierten schafft und daß
diese Isolation bei vielfach hypnotisierten
Personen allmählich auch ihre Nachwirkun‐
gen weit über die Zeitdauer der Hypnose
hinaus erstreckt.
Ich meine hier nicht etwa den «posthypno‐
tischen» Befehl, dessen Befolgung nur des‐
halb eintritt, weil ein Vorstellungsbild des
Hypnotiseurs, zusammen mit einer in ihm
latent vorhandenen bestimmten Zeitemp‐
findung, die fluidischen feinen Körperkräfte,
die dem Willen den Einfluß auf das Gehirn
ermöglichen, während der Hypnose seiner
Versuchsperson derart beeindruckt hat, daß
sie nach Ablauf der geforderten Zeit automa‐
tisch in Betäubung fallen und so das während
der vorangegangenen Hypnose zwar Befoh‐
lene, aber nicht Ausgeführte, auf Grund
des Willensimpulses des Hypnotiseurs nun
genau so geschieht als wäre es während
der hypnotischen Sitzung erfolgt.
Ich meine auch nicht jene etwa zu Heil‐
zwecken erfolgte Hemmung der Willensein‐
wirkung, durch die sich der vorher Hypnoti‐
sierte dann im Wachzustand noch auf ge‐
raume Zeit hin zurückgehalten findet, etwa
gewissen Neigungen nachzugeben, gewisse
Befürchtungen zu hegen oder Ähnliches mehr.
Dies alles sind noch vom Hypnotiseur ge‐
wollte Nachwirkungen, die streng genommen
zu den Phänomenen der eigentlichen Sitzung
gehören, wenn sie auch erst später in Erschei‐
nung treten.
Die weitaus bedenklicheren Nachwir‐
kungen treten bei oftmals Hypnotisierten da‐
gegen als von keiner Seite gewollte Schädi‐
gungen auf und bestehen darin, daß es der an
ein absolut passives Mit-sich-schalten‐
lassen gewöhnten Person mehr und mehr
unmöglich wird, fremdem Willen, fremden sug‐
gestiven Einflüssen, nennenswerten Wider‐
stand entgegenzusetzen. ‒ ‒
Dagegen hilft selbst der in bester Absicht
während der Hypnose ausgesprochene Be‐
fehl des Hypnotiseurs, die Versuchsperson
dürfe sich von keinem anderen Menschen als
ihm selbst beeinflussen lassen, nicht das
mindeste. ‒
Sie wird wohl dadurch nur sehr schwer von
anderer Seite her in hypnotische Betäu‐
bung zu versetzen sein, aber im Alltagsleben
wird ihr stets gehemmter Wille es nicht ver‐
mögen, das Gehirn in seiner ausschließlichen
Gewalt zu behalten.
Es wird ein Tummelplatz für alle erdenklichen
fremden Willensimpulse.
Daß ein solcher Zustand aber für die höhere
seelische Entfaltung wünschenswert wäre,
wird gewiß kein Mensch von einiger Einsicht
jemals behaupten wollen.
Überdies handelt es sich bei der Anwendung
der Hypnose zu Heilzwecken auch noch vor‐
wiegend um die Abstellung gewisser Defekte,
die eigentlich in das moralische Gebiet
gehören.
Erfolgt solche Abstellung durch den eigenen
Willen, wenn auch nach vielen Fehlschlägen
und erst in langen Zeiträumen, so ist für den
ganzen Seelenkomplex des Menschen dabei
ein hoher, positiver Gewinn zu buchen.
Der Wille erlangt auf solche Weise mehr und
mehr unumschränkte Macht über das Gehirn,
und immer weniger werden fremde, nicht
gewollte, ja selbst in der
eigenen Konsti‐
tution gegebene unerwünschte
Einflüsse
dieses zu überwältigen vermögen.
Wird aber die Beseitigung solcher mehr oder
weniger in das moralische Gebiet gehöriger
Defekte durch
hypnotische Einwirkung
erstrebt, so kann wohl die unerwünschte
Er‐
scheinung schwinden, aber keineswegs ist
auf solche Weise eine
seelische Förderung
erzielt, und die Macht des Willens über das Ge‐
hirn, ohne die keine wahrhafte seelische Voll‐
endung auf dieser Erde jemals möglich ist, wird
dabei sukzessive immer mehr vernichtet. ‒
*
Es erhellt aus allem, was ich hier vorbringen
konnte, und obwohl ich das Wesentliche stets
nur streifte, daß die Beschäftigung mit der
Hypnose in allen Fällen
ein sehr bedenk‐
liches Spiel ist und wahrlich nicht weniger
Gefahren bergend, als die Ausübung spiritisti‐
scher Mediumschaft oder die Bemühung um
die Fähigkeit zur Ausübung gewisser Fakir‐
künste. ‒
Das, was die tatsächlichen Erscheinungen der
Hypnose beweisen, genügt, um auch selbst
oberflächlichere Gemüter nachdenklich wer‐
den zu lassen, hinsichtlich der geheimnisvollen
Regionen, in denen das Innenleben des Men‐
schen sich abspielt.
Das Wissen um diese Erscheinungen kann
zu einem Hilfsfaktor bei der Gestaltung
unseres Weltbildes werden und so außer‐
ordentlich wertvoll für jeden einzelnen sein.
Niemals aber werden diese Erscheinungen
an sich der Menschheit Segen bringen und
noch weniger können sie dazu führen, dem
Erdenmenschen das Geheimnis seines
Daseins zu enthüllen! ‒
.Alt wie die Menschheit ist der Trieb des
Menschen, vor seinem inneren Auge kommen‐
des Geschehen im Voraus enthüllt zu erblicken,
aber noch keiner, den diese Erde trug, ver‐
mochte es, den dichten, dunklen Vorhang zu
zerreißen, hinter dem für ihn die Zukunft lag.
Hier erwarte ich sofort den Widerspruch,
denn ‒ hatten nicht alle Völker ihre Pro‐
pheten? ‒ Hat man nicht tausendfach
alte Kunde von Sehern, die der Zukunft
Geheimnis wußten? ‒ Sind nicht selbst in
neuester Zeit des Nostradamus Centurien
wieder hoch zu Ehren gelangt? ‒ ‒
Es ist aber nichts von alledem mir unbekannt,
und dennoch muß ich leider sagen, daß sich der
Mensch mit wenig anderen Dingen in ähnlich
unbelehrbarer Weise stets wieder selbst betro‐
gen hat, als mit dem Glauben an seine Macht,
die Zukunft restlos zu durchschauen. ‒ ‒ ‒
Es hat wohl zu jeder Zeit Menschen gegeben,
und man wird sie auch heute und in kom‐
menden Zeiten finden, denen dann und wann
Zukünftiges entschleiert wurde.
Alle Zukunft liegt ja in aller Gegenwart be‐
schlossen, wie alle Gegenwart nur Folge aller
Vergangenheit ist.
Durch mancherlei Mittel kann solche Ent‐
schleierung dem Menschen werden.
Mantische Künste können nicht minder
auf Augenblicke intuitive Zukunftserkenntnis
wecken, wie die strahlenden Kräfte aus
der Welt des reinen Geistes, aber immer
werden es nur Fragmente künftigen Gesche‐
hens sein, die so, meist in nächtig-symboli‐
schen Bildern, sich dem Schauenden zeigen. ‒
Nie wird der Seher der Zukunft Herr über
seine Gesichte sein!
Sie werden ihm zeigen, was er nicht sehen
wollte, und was er sehnlichst zu schauen be‐
gehrt, werden sie verborgen halten. ‒
Er muß nehmen, was ihm seine Gesichte brin‐
gen und kann die Form nicht ändern, in der
sie zu ihm kommen: bald in nüchterner Klar‐
heit und Eindeutigkeit, bald in phantastisch
verschlungener Arabeskenfolge...
Er ist nur Empfänger einer fernen Kunde,
nicht der Entdecker unerforschten Landes. ‒
Es dürfte ersichtlich sein, daß ich hier von
prophetischem Schauen rede, nicht aber
von gesetzlicher Errechnung kommender Ge‐
zeiten, wie sie verborgener Wissenschaft aller‐
dings möglich, ‒ wenn auch noch nicht rest‐
los möglich ist...
Es wird wenig ändern, ob man bei solcher Er‐
rechnung kommende Gezeiten durch die
Stellung der Erde im Weltenraume zu bestim‐
men suchen mag, oder ob man aus den be‐
kannten Daten irdischen Geschehens sich ein
Rechnungsnetz zu wirken weiß, um es dann
aufzuspannen und in seinen Maschen künfti‐
ges Geschehen einzuknüpfen. ‒ ‒
So unvollkommen die Methode uns heute auch
noch erscheint, so wird sie doch des Menschen
einziges, halbwegs sicheres Mittel werden, Zu‐
künftiges im Voraus zu erkennen, so wie etwa
die Wetterkundigen heutiger Tage aus der
Luftdruckmessung an verschiedenen Stellen
der Erde schon gar manches atmosphärische
Geschehen im Voraus zu bestimmen wissen,
obwohl gewiß auch hier noch Fehler unver‐
meidbar bleiben, bis Erfahrung den verschie‐
denen Verlauf gesetzmäßig bedingter Erschei‐
nungen in seiner Folgerichtigkeit erkennt.
Auch solcher Zukunfts-
Berechnung werden
zwar
Grenzen gezogen sein, aber wie eng
diese Grenzen auch bemessen sein mögen, so
wird das durch sie umhegte Gebiet doch
mit
relativer Gewißheit erforschbar blei‐
ben und so der Menschheit immer noch
mehr
Nutzen bringen, als jedes orakelmäßige und
völlig dem Willen des Sehers entzogene Zu‐
kunftsschauen, obwohl auch dieser «Nutzen»
für höhere Einsicht entbehrlich ist. ‒ ‒
*
Irrige Spekulation hat sich zu der Anschau‐
ung verstiegen, als sei
alle irdische
Zeit vor
einem ewigen Auge stete
Gegenwart.
So konnte das monströse Gedanken-Gebilde
entstehen, das alle Zeit wie einen aufgerollten
Film betrachten lehrte, den man nur abzu‐
kurbeln brauche, um jeweils den gewünschten
Zukunftsbildern zu begegnen.
Hochweiser Wissensdünkel hat in selbstge‐
fälliger Breite solche Pseudoerkenntnis aus‐
gesponnen und das Heer der Eintagsfliegen
vor der Nachtlampe intellektuellen Wahns
verfing sich so in diesem Spinnennetz, daß
jeder, der es verschmäht an ihm seinen Halt
zu suchen, voll hochmütigen Mitleids ver‐
achtet wird.
Aber die unerbittliche Wirklichkeit fragt eben‐
sowenig nach den Resultaten gedanklicher
Spekulation, wie nach den wüsten Phanta‐
stereien des Aberglaubens.
Sie ist in sich selbst begründet und spottet
jeglicher Theoreme, die sie erklärbar machen
möchten.
Wer sich von dem Blendwerk eitler Lehrsätze
täuschen läßt und nicht den Mut gewinnt,
der Wirklichkeit selbst ins Auge zu
blicken, wird stets mit seinen Gedanken am
Gängelbande des Irrtums hängen.
*
Wohl ist auch die fernste Zukunft in der Ge‐
genwart
enthalten, aber auch ewigem
Auge noch
nicht gegenwärtig, sondern
nur erschaute
Folge gegenwärtigen Ge‐
schehens. ‒ ‒
Da alle Erscheinung nur
Ausdruck wirken‐
der Kräfte ist, so kann auch
zukünf‐
tiges Kräftewirken stets nur als
Erschei‐
nung dem Bewußtsein nahekommen, woher
es sich erklärt, daß Zukunftsschau die
Bilder
künftigen Geschehens sieht, als wären sie be‐
reits in irgend einer Region
vorhanden. ‒
Dadurch konnte dann der Irrtum entstehen
als sei alle Zukunft «ewige Gegenwart», und
blutleeres Denken suchte solchem Irrtum
Fundament zu unterbauen...
*
Es ist schwer für menschliche Gehirne, sich
anthropomorphem Denken zu entwinden,
und so fand die Meinung Raum, als müsse es
irgend eine Weltlenkung geben, der jegliches
Geschehen bis zu den fernsten Ewigkeiten
in jedem Augenblick entschleiert sei.
Man konnte sich nicht zu den freien Firnen‐
höhen der
Wirklichkeit erheben, um von
dort aus zu erspähen, was
Wahn und was
Wahrheit ist. ‒ ‒
Die Weltlenkung, die man gedanklich er‐
schlossen hatte, ist wahrlich gegebene Wirk‐
lichkeit, aber sehr wesentlich von dem Wahn‐
bild verschieden, das in sich selbst leerlaufen‐
des Denken sich entwarf. ‒
Das,
was man «
Allbewußtsein» nennen
könnte, ist stets nur ein
bewußtes Sein des
Augenblicks, der
Folge aller Myriaden
Augenblicke
vorher, ‒ der
Zeugender für
alle Myriaden Augenblicke
nachher ist. ‒ ‒
«Der Geist aber ergründet alles; auch die Tie‐
fen der Gottheit», und so ist es dem Geiste
zwar
möglich, durch
Errechnung, durch
Erschließung und in tiefster
Selbstver‐
senkung durch das Innewerden seines eige‐
nen Gesetzes sich das künftige Geschehen vor‐
her zu entschleiern, allein die Sehnsucht sol‐
chen Wissensdranges ist nur gottes-
fernem
Geiste vorbehalten, und jene
höchste Wirk‐
lichkeit, die sich als
Urlicht in sich selbst
erkennt, als Ursprung alles Seins und alles
Daseins Krone, ‒ erfaßt sich selbst von Ewig‐
keit zu Ewigkeit nur stets als vollbewußtes
Sein des
Augenblicks, ‒ kennt keinen
Drang, in sich
Vergangenes zu suchen,
noch durch das Wissen um
Zukünftiges
die absolute
Harmonie des All-Erfassens,
die der
Augenblick ihr bietet, zu zerstö‐
ren. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Hier merke auf,
wer zu hören ver‐
steht! Es sind viele falsche Folgerungen aus
den irrigen Grundprämissen über «Gott» und
«Göttliches» gezogen worden, weil man vor
die
Wirklichkeit ein
Gedankenbild
schob, um es als Götze zu verehren, und dann
hinwieder, wenn es sich als machtlos zeigte,
mit ihm zu hadern oder gar es seiner Götzen‐
herrlichkeit verlustig zu erklären.
Erst wenn dieses
Bild, das man sich schuf,
es anzubeten, für alle Zeit
vernichtet ist,
kann wieder «
Gott» in seiner
Wirklichkeit
zur Menschheit reden! ‒ ‒ ‒
Dann aber wird auch der Mensch zu lernen
wissen, dem Augenblick in voller Kraft zu
leben und jeder Drang nach Erforschung der
Zukunft wird ihn verlassen.
*
Die Nützung des
Augenblicks erhebt den
Menschen in
Göttliche Lebensform!
Die Myriaden Augenblicke, die schon sein
irdisches Leben bilden, werden sich dann,
einer Schnur kostbarer Perlen gleich, anein‐
anderreihen, bis er dereinst im Leben der
Ewigkeit sich in dem steten
gleichen Au‐
genblick findet, der
ewiges Erleben in sich
schließt, ‒ dem
Kleinod in der tausend‐
blättrigen Lotosblüte. ‒ ‒ ‒
«OM MANI PADME HUM!»
ENDE
DAS REICH
DER KUNST
Ein Vademekum für Kunstfreunde
und bildende Künstler
Kober'sche Verlagsbuchhandlung
Basel-Leipzig 1933
BÔ YIN RÂ
IST DER DICHTER, PHILOSOPH UND MALER
JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASLE 1933
KARL WERNER, BUCHDRUCKEREI IN BASEL
.Im Jahre 1921 ist dieses Buch zum ersten‐
male erschienen.
.Hier liegt nun ein
Neudruck vor, der zwar
einige Änderungen bedingte, aber im Ganzen
als eine durchgesehene Wiedergabe des ursprüng‐
lichen Textes gelten darf. Gewisse Wiederholun‐
gen habe ich auch in dieser Neubearbeitung nicht
gestrichen, da es sich ja um eine Sammlung ein‐
zelner, ehedem getrennt erschienener Darlegungen
handelt, so daß jedes Kapitel des Buches als für
sich abgeschlossen betrachtet werden will.
.Beim
ersten Erscheinen der vorliegenden
gesammelten Abhandlungen sagte ich in einem
kurzen Vorwort:
.„Die Tendenz dieses Buches ergibt sich aus
seinem Inhaltsverzeichnis. Es will nicht für oder
gegen irgend eine Kunstrichtung kämpfen, son‐
dern aufzuzeigen suchen, was die wertgebenden
Elemente sind, die das Werk des bildenden
Künstlers erst zum Range eines
Kunstwerkes
erheben, einerlei welcher Kunstauffassung dieses
Werk seine Formung dankt.”
.Ich hatte sodann die durch gewichtige Zu‐
stimmungserklärungen aus den Kreisen hervor‐
ragender Künstler und Kunstfreunde geförderte
Hoffnung ausgesprochen, daß das Buch einem
wirklichen Bedürfnis entsprechen und in der Flut
moderner Kunstliteratur nicht untergehen möge.
.Aber ich ahnte dazumal nicht, daß die große
Auflage schon nach kurzer Zeit vergriffen sein
würde. Dennoch konnte ich mich, aus Gründen
rein persönlicher Art, nun schon seit Jahren
nicht entschließen, einen Neudruck veranstalten
zu lassen, bis ich doch durch das mir überall
begegnende ungeminderte Interesse an diesem
Buche mich bestimmen ließ, meinen vormaligen
Widerstand gegen sein Wiedererscheinen aufzu‐
geben.
.Nach eigenem Ermessen glaubte ich bei der
ersten Veröffentlichung der einzelnen Abhand‐
lungen auf meine Art eine gewisse Klärung in
zeitlich arg verwirrte künstlerische Anschauungen
gebracht zu haben, und vielleicht war auch zu
erwarten, daß durch meine Darlegungen bei man‐
chen vorerst noch „kunstscheuen” Menschen doch
die Erkenntnis geweckt werden könne: ‒ auch
sie seien berufen, das Reich der bildenden Kunst
allmählich kennenzulernen um allda eine ihnen
noch unbekannte Bereicherung seelischen Lebens
zu erlangen.
.Der Erfolg des danach erschienenen Buches
hat meine Erwartungen erheblich übertroffen.
.Künstler, Kunstgelehrte, Kunstfreunde, sowie
auch solche seiner Leser, die durch mein Buch
erst den Weg zur Kunst
gefunden haben, ver‐
langen heute dringlich sein Wiedererscheinen,
damit es auch Kreisen zugänglich werden könne,
die erst durch die bisherigen Leser von seiner
Existenz vernommen haben.
.So bleibt mir nichts anderes übrig, als meine
Zustimmung zum Neudruck zu geben, wobei ich
es nur bedauern muß, daß die ganze Anlage des
Buches keine kürzere Zusammenfassung zuläßt,
wenn nicht verzichtet werden soll auf Vieles,
was bei der raschen Folge neuerer Kunstbeur‐
teilungsweisen dem Wohlorientierten zwar nicht
mehr als erörterungsbedürftig erscheinen mag, ‒
was aber der noch kunstferne „Laie”, der gerne
das ihm vorerst unerschlossene Gebiet betreten
möchte, keinesfalls missen darf.
.Schließlich beabsichtige ich ja auch nicht,
hier in formvollendeter und streng gebundener
Weise etwa Aufgaben lösen zu wollen, die unter
allen Umständen einer heute hochentwickelten
und als Lebensberuf anerkannten
Fachwissen‐
schaft vorbehalten bleiben müssen, obwohl mir
Methode und kritische Hilfsmittel solcher Wis‐
senschaft wahrhaftig nicht fremd sind.
.Ich will nur, was an mir liegt, dazu beitragen,
daß das Reich der bildenden Kunst auch solche
Menschen anziehe, die es bisher fast ängstlich
für ein ihnen
verschlossenes, ja
verbotenes
Land halten, und ich glaube auch werdenden
Künstlern da und dort weiterhelfen zu können,
sofern sie sich selbst verstehen lernen wollen,
um nicht erst ein halbes Erdenleben lang, ver‐
anlaßt durch Ergüsse einer verhängnisvollen Li‐
teratur, in den Fesseln irgend einer, ihnen viel‐
leicht ganz ungemäßen „Richtung” Fronarbeit
zu leisten, bevor sie zu ihrem eigenen freien
Schaffen den Mut finden.
.Was hier nun gesagt werden wird, soll zu‐
gleich zur Erkenntnis führen, daß die Werke der
bildenden Kunst, ‒ wenn es sich wirklich um
geistgezeugte Werke und nicht um bloße, mehr
oder weniger routinierte „Mache” handelt, ‒
keineswegs nur dazu da sind, dekorative Schmuck‐
elemente für die Wände und Räume des äußeren
Lebens abzugeben, sondern daß die Einwirkung
wirklicher Kunstwerke
auf die Seele auch zu
unerahnter Förderung werden kann für alle, die
den Weg zum
wesenhaften Geiste suchen.
.Die Priester der Kulte des Altertums kannten
sehr genau die „
Magie der Zeichen” und
wußten sie zur Erhebung der Seele aus Alltags‐
wirrwarr in die geklärten Regionen der wesen‐
haften Welten des reinen Geistes zu nützen.
.Überkommenes Weisheitsgut solcher Art war
noch in den großen Meistern bildender Kunst
des Mittelalters und der Renaissance lebendig
und ging in ihre hohen Werke ein, so daß ge‐
heimnisvolle Kraft aus ihnen noch heute den
Betrachter überströmt. Ich erinnere hier nur an
die großen Baumeister dieser Zeiten, an den Maler
des Isenheimer Altars, und die Plastik im Dom
zu Naumburg! ‒
.Nach der Barockzeit aber, die ein letztes ju‐
belndes Aufleuchten solcher „Magie der Zeichen”
brachte, verliert sich, geradezu plötzlich, in Künst‐
lern und Kunstliebenden das Wissen um die gei‐
stige Macht, die dem darstellenden Künstler ge‐
geben ist.
.Was von da an künstlerisch gestaltet wurde
bis auf den heutigen Tag, bringt zwar die Lösung
vieler Probleme, die den Alten recht wenig be‐
deutsam erschienen waren, endet aber jetzt in
einem unruhigen verkrampften Suchen nach
Neuem und immer wieder Neuerem, denn die
Seele des Künstlers selbst, wie die des Beschauers,
bleibt bei jedem neuen Versuch, Sichtbares künst‐
lerisch zu deuten, nach wie vor unbefriedigt, bis
das Eine wieder erlangt wird, das sich in
jeder
persönlichen Darstellungsart zum Ausdruck ge‐
stalten läßt, wenn es der künstlerisch Schaffende
wirklich in sich trägt.
.Ich habe anderenortes wahrlich in aller Deut‐
lichkeit von diesem „Einen” gesprochen, das
allein not tut, das aber vor allem
der schaffende
Künstler in sich lebendig fühlen muß, wenn er
durch sein Werk der Seele des nacherlebenden
Betrachtenden die Erhebung und Förderung brin‐
gen will, die von der bildenden Kunst her ‒
und nur durch sie ‒ erlangbar sind.
.Dieses Unerläßliche zeigt sich nicht etwa in
der Wahl der künstlerisch dargestellten Gegen‐
stände!
.In jeglicher Form wird es erkennbar, wenn es
der Schöpfer dieser Form in sich selber trägt.
.Die formende Hand des Künstlers bringt dieses
Allerinnerste unweigerlich zur Offenbarung, wenn
es wirklich in ihm lebendig ist, aber keine Bra‐
vour des formalen Könnens wird es dem kun‐
digen Betrachter eines Bildwerkes jemals vortäu‐
schen können.
.Der bildende Künstler, wie weit er auch im
schöpferischen Gestalten seiner Zeit vorauseilen
mag, bleibt doch immer ein „Kind seiner Zeit”.
.So war es vor Jahrtausenden, ‒ so ist es
heute, ‒ und nicht anders wird es auch in Zu‐
kunft sein.
.Was die Zeit, in der ein Künstler lebt, bereits
an künstlerischer Form begriffen hat, das gibt
sie ihm mit, als erstes Verständigungsmittel: ‒
als erstes Material zur Gestaltung eigener kunst‐
gemäßer Ideen.
.Der Epigone, der sein höchstes Ziel nur im
Erreichen des bereits
vor ihm Vorhandenen
sieht, bleibt lebenslang innerhalb der Grenzen,
die ihm das künstlerische Verstehen seiner Zeit
zu Anfang absteckte.
.Von allen ihn umgebenden Zeitbedingten wird
er mühelos „verstanden”, und auf recht bequeme
Weise findet er gewöhnlich bald Anerkennung
und Ruhm, indem er nur das Edelmetall aus‐
münzt, das Andere,
Größere als er, einst aus
ihrer innersten Tiefe zutage schürften.
.Oft genug ist der solcherart Selbstzufriedene
auch zugleich „Münzfälscher” und gibt dann für
gutes Gold aus, was er im eigenen Tiegel mit
allerlei billigem Unedlen mengte.
.Anders der wirklich
Schaffende, der aus
Urtiefen des Geistes, die kein Senkblei psycho‐
logischer Forschung restlos ergründen kann, An‐
trieb und Kraft zu seiner Schöpfung empfängt!
.Auch ihm übergibt seine Zeit die ihr gewor‐
denen Darstellungsmittel als Behelf zu erster
Gestaltung.
.Bald aber treibt ihn inneres, in der Ehrlich‐
keit vor sich selbst begründetes
Müssen aus
dem engen Kreise, den er mit solchem Behelf
durchreicht, hinaus, empor, und er sieht sich ge‐
zwungen, Form und Darstellungskonvention sei‐
ner Zeit zu durchbrechen, will er sein Stärkstes
und Bestes nicht verkümmern lassen.
.Die
hemmenden Kräfte, die gerade in sei‐
ner Zeit sich auswirken, stemmen sich ihm ent‐
gegen, aber ob sein Weg nun auch durch Armut
und Not führen mag, ‒ er
muß ihn zu Ende
gehen!
.Nur die wenigen echten
Schaffenden aber
erzeugen, „bilden” mit wahrer Bildnerkraft die
bleibenden künstlerischen Werte einer Zeit!
.Mag der Schöpfer dieser Werte im Elend
seine Tage beschließen, so bleibt doch sein
Werk, in dem die Gottheit wohnt, allen kom‐
menden Zeiten gestaltet.
.Fast will es wie eine besondere Gunst des
Schicksals erscheinen, wenn ein solcher wirkli‐
cher Schaffender nach mancherlei Entbehrung
noch die Tage erlebt, da man sein Werk den
Werten der Zeit endlich einzuordnen weiß, aber
auch dann bleibt es unabhängig von zeitlich wer‐
tender Willkür, weil
Ewiges, schon
in der
Stunde, in der ein solches Werk
geschaffen
wurde, seinen bleibenden Wert bestimmte.
.Für die Mit- und Nachwelt bleibt zwar die
Erhaltung des Werkes
immer bedeutsam,
allein der
ewigkeitsgültige Wert ist
im
Schaffensvorgang selbst gegeben, und bleibt
geistig bestehen, auch wenn das sichtbare Werk
längst zerstört ist.
.Um in diesem Satz nicht eine leere Behaup‐
tung zu sehen, muß man freilich erkannt haben,
daß alle menschliche Gestaltungskraft
ewiger
Schöpferkraft einbezogen ist, und wie diese,
hoch über aller, ihr möglichen Gestaltung er‐
halten bleibt, einerlei, welche Schicksale das Ge‐
staltete erleidet.
.Zu den echten
Schaffenden muß der Blick
sich wenden, will man erkennen lernen, was bil‐
dende Kunst als Lebensfaktor bedeutet!
.Es ist aber nicht genügend, in dem Werke
der wahrhaft Schöpferischen nur die Elemente
zu entdecken, die sie
ihrer Zeit verdanken: ‒
man muß vielmehr zu erfühlen suchen, was ihr
Schaffen
aus der Ewigkeit ins Zeitliche
holte, ‒ was es so der Zeit an
Neuem, vor‐
her
noch nicht im Zeitlichen Geformten gab:
‒ ‒ wie das Werk der Schaffenden
die Zeit
erst
formte, in der es entstand. ‒
.Eine jede Zeit bleibt nur chaotische Ansamm‐
lung vieler und vielgestaltiger Einzelwillen, so‐
lange sie noch nicht ihre
Form empfing aus
der Hand der wirklichen Formbildner: ‒ ihrer
echten
Schaffenden unter den
bildenden
Künstlern!
.Niemals hätte die hohe Kultur des alten
Hel‐
las ihre göttlich-erhabene Blüte entfalten können,
ohne die Werke der großen Bildner, die dem
Empfinden ihrer Zeit den sinnenfälligen Aus‐
druck, ‒
das göttliche Symbol ‒ schufen,
durch dessen Formgewalt jeder Fühlende sich
bestimmt fand, mochten auch die Künstler
selbst
die Kraft zu solcher Formgebung
der
Zeit verdanken, aus der sie emporgewachsen
waren.
.Sie selbst wußten weit über ihre Zeit empor
zu weisen, indem sie ihren Zeitgenossen vor-bil‐
deten, was diese
zu werden fähig seien.
.Das Beste der Kultur des
Mittelalters und
der
Renaissance ist undenkbar ohne ein be‐
stimmendes, durch hohe Bildner geschaffenes
göttliches Symbol: ‒ das in allen damals
gestalteten Werken der gluterfüllten Maler, Pla‐
stiker und Architekten erkennbar wird, die noch
heute der Nachwelt Bewunderung finden.
.Genährt vom Kulturwillen ihrer Zeit, stellten
alle diese große Schaffenden das
Ideal solchen
Kulturwillens sichtbarlich und
in höchster Voll‐
endung in ihren Werken dar.
.Sie zeigten
nicht, wie ihre Zeitgenossen wirk‐
lich
waren, ‒ denn wahrlich gab es zu ihrer
Zeit auch des Niedrigen und Gemeinen gerade
genug, ‒ sondern wie sich ihre Zeitgenossen
gesehen wissen wollten, durchdrungen von
dem starken Willen zur steten
Erhöhung ihrer
eigenwüchsigen Kultur!
.Nicht ihr Fehlwertiges, nicht das, was
erkannt war als ein
zu Überwindendes, stell‐
ten sie dar, ‒ sondern das
Göttliche, dessen
Spuren sie auch unter tierischer Hülle zu ge‐
wahren wußten.
.Ihre Werke sprachen mit lauter Stimme:
.„Seht, das ist die Welt, die unsere Besten
ahnen!”
.So wirkte ihr Werk auf die Seelen gleichsam
als „
Vor-Bild” dessen, was der Mensch
aus sich
machen könne, was er zu
werden vermöge.
.So holte ihr Werk in den Seelen Kräfte aus
der Tiefe, die ohne solchen Erweckungsruf nie‐
mals schaffend und zeugend ins Leben eingewirkt
hätten, und die Mächtigen der äußeren Gewalt
wußten sehr wohl, was sie den großen Bildnern
ihrer Zeit zu danken hatten.
.Das wußte noch
jede Zeit hoher und vom
Willen zu großer Lebensformung durchströmter
Kultur!
.Wer vermag es, sich die großen Zeiten der
Vergangenheit
auf gleicher Höhe vorzustellen,
ohne ihre Schaffenden und Kundigen der Magie
der Zeichen: ‒
ohne ihre
gestaltenden
Künstler und deren bleibende Werke!? ‒
.Auch unsere Zeit, unleugbar des größten
Kraftaufwandes und hingebendster Arbeit fähig,
aber so bettelarm an selbstgeschaffenen
kultu‐
rellen Werten, kann niemals zu ihrer eigenen,
von Dichtern und Denkern vorgefühlten wirk‐
lichen Kultur gelangen, ja nicht einmal zur Voll‐
endung ihrer Zivilisation, wenn man nicht end‐
lich doch wieder einsehen lernt, daß es ein Un‐
ding ist, Kultur zu fordern oder zu erwarten,
solange bildende Kunst nur gerade noch
ge‐
duldet wird, solange selbst Menschen, die sich
zu den „Gebildeten” rechnen
dürfen, völlig in
Unsicherheit geraten, wenn sie die Mache eines
geschickten Routiniers von dem Werke eines wirk‐
lichen Schaffenden unterscheiden sollen.
.Man glaubt mit dem Erkämpfen politischer
und sozialer Forderungen, mit Höchstleistungen
auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik,
mit einer „Kunstpflege”, die sich im Wesent‐
lichen nur der Literatur, der Musik und dem
Theater widmet, die ersehnte Kultur erreichen
zu können und sieht nicht, daß alle diese Be‐
strebungen, so richtig und wichtig sie auch an
sich sind, keine
dauernden Wirkungen auf das
Leben zeitigen können, solange die Beziehungen
zu
bildender Kunst nicht mit gleicher Hin‐
gabe und Energie gepflegt werden.
.Ein Zeitalter, das noch die Werke seiner bil‐
denden Künstler unter den allenfalls leicht ent‐
behrlichen Luxus rechnet, ohne sie zu befragen
nach dem Sinn seines Kulturideals, ‒ ohne mit
Entschiedenheit Antwort auf solche Frage zu
verlangen, ‒ ein Volk, das sich nur mehr
nebenbei und wenn es gerade „anstandshalber”
nicht anders gehen will, an seine großen Schaf‐
fenden unter den bildenden Künstlern erinnert,
kann es zu keiner in der Tiefe verankerten
Kultur bringen, auch wenn es sehnlichst danach
verlangt.
.Es genügt nicht, daß man sich, wenn wieder
einmal ein bildender Künstler gestorben ist, durch
die Zeitung darüber informieren läßt, daß er
auch am Leben war, während man nichts von
ihm wußte.
.Wurden in der neueren Zeit die arkadischen
Gefilde bildender Kunst zu einem wilden Tum‐
melplatz erregter Experimentatoren, denen so
mancher bedächtig schlau nachlief, weil es ihm
anders zu langsam zu gehen schien mit dem Be‐
rühmtwerden, so liegt die Schuld weit mehr
an
der Verwahrlosung des künstlerischen
Urteilsvermögens auf seiten derer, für die
Kunst
ein Bedürfnis der Seele sein sollte,
als an der inneren Unsicherheit der herangezüch‐
teten Künstler, die sich mitten im Kampf ums
Dasein sehen und schon aus Selbsterhaltungs‐
trieb, um jeden Preis siegen möchten.
.Die Ignoranz gegenüber der bildenden Kunst
schädigt
alle: ‒ das Volk, das seine bildenden
Künstler für ausgemachte Sonderlinge hält, weil
es den Kontakt mit ihrem Streben verloren hat,
und den Künstler, der jede Beziehung zu seinem
Volke verliert, sich in abstruses Erfindenwollen
neuer Darstellungsgesten verkrampft, weil all sein
Sagenkönnen auf die ihm angeborene Weise ein‐
fach
unbeachtet bleibt.
.Keine Kunstrichtung, keine Schule kommt zu
reifer Auswirkung.
.Alles bleibt schon in den ersten Anfängen
stecken, oder entartet zu steriler Manier.
.Unruhig tasten die jüngeren Künstler nach
neuen Formgesetzen, weil sie auch ihren be‐
sten Werken gegenüber jeden Widerhall in der
eigenen Volksgemeinschaft vermissen.
.Gewiß werden auf diese Weise zuweilen auch
neue Wege gebahnt, aber nur um in kurzer Zeit
wieder verschüttet zu werden, noch bevor sie zu
Ende gegangen werden konnten.
.Noch hat ja kaum der
Impressionismus
sein Gestaltungsideal in einigen vollendeten Mei‐
stern
gezeigt, da gilt er auch schon als „über‐
wunden”, als „eine Sache von vorgestern”, mit
der man sich nicht mehr befassen darf, wenn
man nicht in den Ruf gelangen will, verständnis‐
los den seither aufgetauchten Erzeugnissen künst‐
lerischen Wollens gegenüberzustehen.
.Aber der Impressionismus hat ja noch kei‐
neswegs in seiner Form allen
Inhalt erschöpft,
der gerade
dieser Darstellungsauffassung zu‐
kommen könnte!
.Warum soll er nicht auch weiterhin von de‐
nen gepflegt werden, die durch naturhafte Ver‐
anlagung für
seine Ausdrucksart
mehr Talent
mitbringen als für jede andere?! ‒
.Wie lange wird es noch dauern, und die „neue
Sachlichkeit” ist ebenso wieder „überwunden”
wie heute schon der „Expressionismus” für die
Eilfertigen abgetan ist, lange bevor es noch dieser
Kunstauffassung gelingen konnte, sich zu einer
Kunst deutbarer Symbole zu klären, als welche
sie gewiß auch zu Schöpfungen von bleibendem
Werte hätte führen können!
.Die Künstler sehen selbst nicht mehr, daß
ihr Reich
unendlich ist, und daß in
jeder
Kunstform, welcher Auffassung des Kunstschaf‐
fens sie auch ihr Dasein danken möge,
Ewiges
gestaltbar ist, wenn der Schaffende nur selbst an
das Ewige hinanzureichen vermag. ‒ Ich rede
hier nicht von
gedanklich-
literarisch Gestalt‐
barem, sondern von der Gestaltung aus den Form‐
elementen
bildender Kunst!
.Alles Suchen nach neuer Form ist sinnlos,
wenn jede gefundene Form alsbald wieder ver‐
worfen wird, noch bevor der in ihr gestaltbare
Inhalt erschöpft ist.
.Es ist ein seichter Irrtum, daß der
Impres‐
sionismus allein einer
materialistischen
Weltanschauung entspräche, und daß man
Gei‐
stiges nur auf die Weise des
Expressionis‐
mus ausdrücken könne.
.In
beiden Kunstformen läßt sich natürlich
immer nur
das ausdrücken, was der Maler wirk‐
lich
in seiner Seele trägt, und was ihm seine
Seele
eröffnet.
.Was sich dann mit den Mitteln
impressio‐
nistischer Kunst sagen läßt, wird niemals auf
expressionistische Weise zu sagen möglich
sein, während expressionistischer Auffassung Ge‐
biete vorbehalten bleiben, denen der Impressio‐
nist weder nahen kann noch will.
.Die ganze Verwirrung heutiger Kunstbegriffe
ist eine Folge der
Hast unserer Zeit. Man drängt
zu Wirkung und Erfolg, wie die Eintagsfliegen
zum Licht der Gartenlampe.
.Letzte Ursache dieses Einbruchs nervösen
Hastens in das weihevolle Reich der bildenden
Kunst ist aber die durch Ignoranz ihrer Mit‐
menschen hervorgerufene innere Not der Künstler,
die ja gewiß nicht daran zu zweifeln vermögen,
daß die bildende Kunst zu den wichtigsten Fak‐
toren geistig-kulturellen Lebens gehört, aber
gleichzeitig sehen müssen, daß man ihrem Tun
nur dann Beachtung schenkt, wenn sie sich
durch verwegene Kapriolen oder brüske Motiv‐
wahl Beachtung
erzwingen.
.Würde das Werk des bildenden Künstlers
auch wieder als
Lebensfaktor allgemein
ge‐
wertet, dann könnten, ‒ wie in den großen
Zeiten der alten Kunst
Japans, ‒ bei uns
heute
alle neueren Kunstrichtungen fried‐
lich nebeneinander zu ihrer Auswirkung kom‐
men, und es entstünde alsdann in allen das Beste,
was sie zu geben imstande sind:
Vor-Bildung
dessen, was Bildnerkraft
im Menschen als
zukunftsmöglich erspürt.
.Nur in solcher
Freiheit vor jedem Schlag‐
wortzwang kann schließlich die große Kunst er‐
stehen, die wieder fähig ist
göttliches Symbol
zu formen und damit das Vor-Bild zukünftiger
Zeitbildung: ‒
wirklicher Kultur!
.Solange es noch den meisten Menschen näher
liegt, spottbereit und überlegen die Achseln zu
zucken, wenn sie von der unschätzbaren Berei‐
cherung hören, die aus dem Schaffen seiner bil‐
denden Künstler dem Geistesleben eines Volkes
zuströmen
kann, ‒ solange haben wir noch gar
keinen Grund, uns auf gutem Wege zu der uns
zeit- und artgemäßen Kultur zu glauben, die so
viele gar schon „erreicht” wähnen, und aller Stolz
auf die Erkenntnishöhe in den Wissenschaften,
auf die großen Leistungen der Technik und ihre
Verwertung in der Industrie, darf uns nicht über
die Tatsache hinwegtäuschen, daß es zwar unter
vielen Völkern schon Zeiten gewaltiger wirklicher
Kulturhöhe
ohne alle unsere neueren Errun‐
genschaften gab, daß aber noch
niemals eine
große Kultur erreicht wurde,
ohne die Mitwir‐
kung des Vor-
Bild setzenden Schaffens be‐
deutender Bildner, auch wenn man heute nur
von den wenigsten noch die Namen kennt.
.Wo aber ein
Wille ist, da findet sich bekannt‐
lich auch immer ein
Weg, und darum gilt es,
zuerst den schlafenden
Willen zu wecken, den
Willen
zu einem kulturvorbereitenden Le‐
benszustand, in dem das bildnerische Gestalten
wieder die ihm gebührende Würdigung erfährt,
da es als
Notwendigkeit empfunden wird.
.Schaffen und Werk des bildenden Künstlers
dürfen nicht weiter als „
Luxus” eingeschätzt
werden, auf den ein mit Lebenssorgen überbür‐
detes Volk verzichten müsse, ‒ auf den es auch
nur verzichten
könne!
.Der Wille zu einem Lebenszustand, dem bil‐
dende Kunst eine
nicht mehr entbehrliche
Bereicherung bedeutet, kann jedoch nur aus dem
Schlafe gerüttelt werden durch die Erkenntnis,
daß sich im echten Schaffen der bildenden Künst‐
ler
die Seele ihres Volkes selbst offenbart
und aus der künstlerischen Gestaltung zurück‐
wirkt auf die Lebensauffassung derer, die solche
Gestaltung empfinden lernen und mit ihr vertraut
werden. Durch die Degeneration seiner zeitlichen
Mitwelt kann freilich auch der schaffende Bildner
zum zersetzenden Zeitverderber entarten, aber
selbst an solcher Entartung läßt sich die
lebens‐
gestaltende Wirkung bildender Kunst, wenn
auch hier mit
negativen Vorzeichen, deutlichst
erweisen.
.Wer allerdings nur seine persönlichen Lieb‐
lingsgegenstände, die
Naturszenerien, die ihn
etwa auf einer Reise ergriffen haben, oder irgend‐
welche
Begebenheiten, die er für wichtig hält,
im Bilde dargestellt sehen möchte, der ist vom
Willen zur
Kunst, von einem Erfassen des
allein
Wesentlichen im Kunstwerk, noch gar
weit entfernt.
.Dergleichen war lange genug im Schwange und
trägt reichlich Schuld daran, daß so wenige heute
auch nur
ahnen, was
Kunst wirklich
ist.
.So nehmen doch noch die meisten, der Kunst
nicht sehr nahestehenden Menschen, übelste
Kunstprostitution für Kunstwerke „ersten
Ranges”, und gehen gleichgültig oder gelangweilt
an
echter Kunst vorüber, wenn sie sich nicht
gar berufen fühlen, in vorlauter Weise „Kritik”
zu üben an Werken, die ihnen noch so uner‐
faßbar sind wie ein fernes Gestirn.
.Noch immer blüht eine Industrie allerübelsten
Kunstersatzes, und von ahnungslosen Käufern
werden Produkte als vermeintliche „Kunstwerke”
erworben, die selbst die Kosten des an sie ver‐
geudeten Rohmaterials nicht mehr wert sind,
da dieses Material für alle Zeit nun völlig un‐
brauchbar wurde, obwohl man aus ihm auch
künstlerisch
Wertvolles hätte gestalten können.
.Wer aber aufnahmebereit vor ein
wirkliches
Kunstwerk hintritt, der darf
nur dann erwar‐
ten, daß es ihm seine reichsten Schätze schenke,
wenn er es vorerst ganz so betrachtet wie etwa
ein seltenes
Naturphänomen, dem er ja auch
erst bewunderungswillig naht, bevor er es nach
und nach zu ergründen versuchen wird.
.Man glaube doch ja nicht, daß alle die so
seltsam erscheinenden Werke neuerer Künstler
immer nur einer skurrilen Laune oder gar bloßer
Sensationslust ihr Entstehen verdanken, auch
wenn dies gewiß bei manchen
Nachläufern der
echten Schaffenden die auslösenden Momente
sein mögen, die sie zum Produzieren extravagan‐
ter Erzeugnisse verleiten, obwohl
kein inneres
Müssen sie zum Verlassen längstgebahnter Wege
zwingt!
.Bei den
Echten, die aus innerem
Müssen
heraus zu persönlichen Gestaltungsformen gelan‐
gen, sind wahrhaftig
tiefer verankerte Kräfte am
Werk!
.Hier offenbart sich in menschlichem Schaffen,
‒ wenn auch oft noch durch irdisch Unzuläng‐
liches gehemmt, ‒ der ewige
Geist, der ausge‐
gossen ist über allem, was Menschenantlitz trägt,
‒ der Geist des
Lebens, der aus dem Ursein
strömt, ‒ und ein neues Pfingstwunder will auf
dem Gebiete menschlicher Gestaltungsfähigkeit
vor aller Augen Wirklichkeit werden.
.Eine Erneuerung des Angesichts der Erde be‐
reitet sich allenthalben vor, und die ersten Strah‐
len geistigen Lichtes, das allein diese Erneuerung
dereinst bewirken wird, sind bereits auch recht
deutlich wahrzunehmen in dem Drange schöpfe‐
rischer Bildner, zu einer von allem Hohlen, Leer‐
gewordenen und Konventionell-Nichtssagenden
befreiten Darstellungsart.
.Mehr
Ehrfurcht vor den Inspirationen des
Geistes, wie sie der wahrhafte Künstler kennt,
mehr
Aufblick zu den Höhen, allwo der echte
Schöpferische heimisch ist, und mehr
Gläubig‐
keit an geistiges Walten im Schaffen der wirk‐
lichen Bildner sind nötig, will man in dem Werke
der Neuerer die wahren
Werte erkennen lernen,
‒ will man mit Sicherheit die Werte rein
geisti‐
ger Ausprägung von den willkürlichen, ausgeklü‐
gelten
Nachahmungsversuchen unterscheiden!
.Es ist, neben allen geschwinden Akrobaten
und Marktschreiern, unter den neueren Künst‐
lern heute auch wieder, ‒ vorerst noch in aller
Stille, ‒ ein Geschlecht am Werke, das mit einer
Inbrunst vor der Staffelei steht, wie einst
Fra An‐
gelico in seiner Zelle von San Marco zu Florenz.
.Eine echte
Frömmigkeit der Seele erfüllt
diese wenigen Gestalter, von der sich ein mo‐
derner Alltagsmensch, der dann lachend und
witzelnd vor ihren ihm so fremdartigen Werken
steht,
gar keine Vorstellung bilden kann!
.Es läßt sich solche
künstlerische Frömmig‐
keit sehr wohl mit dem rein
religiösen Ver‐
halten der Menschen vergleichen:
.So, wie sich wahrhafte
religiöse Frömmig‐
keit niemals damit begnügen kann, von Anderen
vorgeformte Gebete gefühlsleer abzuleiern, so
kann auch der in wahrer
künstlerischer Fröm‐
migkeit Empfindende nur in Formen schaffen,
die sein Innerstes
erfühlt hat und die ihn
bis
in sein Tiefstes erregen.
.Formen, die ihm „nichts mehr zu sagen” haben,
kann er auch nicht mehr gebrauchen, um zu sagen,
was er zu sagen hat.
.Und so, wie das tiefste Gebet der religiösen
Seele, die
wirklich ihren
Gott in sich fand,
zuerst immer nur ein
Stammeln sein kann, bis
dereinst aus solchem Stammeln: Hymnen und
Psalmen werden können, so ist auch das Werk
des geistdurchglühten Künstlers oft erst nur ein
stockendes und des neuen Erfühlens noch nicht
gewaltiges
Ausstoßen der Form, bis das Neue
dereinst klare Sprache wird, in der sich immer
Größeres und Erhabeneres darstellen läßt.
.Wer in solcher geistigen Erkenntnis der bil‐
denden Kunst dieser Tage gegenübertritt, dem
wird doch so manches Werk bald
Tieferes zu
offenbaren haben als er vorher in ihm gesucht
hätte, ‒ und dann wird ihm sicherlich von
diesem Tage an auch die Frage beantwortet sein:
ob die bildende Kunst als „
Luxus”, oder als
Lebensnotwendigkeit zu werten sei? ‒
.Es ist eine bemerkenswerte Erfahrung, die
jeder mit bildender Kunst Vertraute stets von
neuem machen kann, daß er von Menschen, die
erst tastend Bildnerwerk für sich deuten lernen
möchten, immer wieder gebeten wird, ihnen
Werke der Kunst zu „
erklären”.
.Nirgends spricht sich die grundfalsche Auf‐
fassung weiter Kreise vom Schaffen und Werk
des bildenden Künstlers deutlicher aus als in
solchem Verlangen!
.Alle Lektüre „kunsterzieherischer” Schriften,
alles Anhören „einführender” Vorträge, ja selbst
das von Vielen so treugläubig betriebene Lesen
der Zeitungskritik, ‒ natürlich
vor dem Besuch
der Ausstellungen! ‒ ‒ scheint den Irrtum
nicht angreifen zu können: Werke der bilden‐
den Kunst seien dem Erfassen näher zu bringen
durch eine „Erklärung” dessen, was doch nur zu
sehen und schauend zu
erfühlen ist.
.Man hat den aufrichtigen
Wunsch, das Le‐
bensgebiet der bildenden Kunst sich erschließen
zu
lassen, aber man weiß noch nicht, daß man
es sich nur
selber erschließen kann, und so
mangelt es denn am
Willen, es sich selber zu
erschließen, ja, man fühlt sich vorläufig wie ein
Eindringling, fühlt sich ohne wohlerworbene Be‐
rechtigung.
.Der Mensch dieser Tage ist so sehr an den
Gedanken gewöhnt, daß er bei gehörigem Fleiß
alles
erlernen könne, wenn es ihm nur richtig
„erklärt” werde, daß es für alles Erdenkliche,
dem er nahekommen möchte, „Kurse”, Schulen
und Lehrstunden geben müsse, so daß er auch
den inneren Zugang zu Werken der bildenden
Kunst auf solche Weise allein zu erreichen hofft.
.Daß hier die Eröffnung des noch Verschlos‐
senen erlangt werden könne durch Anwendung
eigenen Einfühlungsvermögens, ‒ durch
eine Erweckung des
eigenen Auges, ‒ kommt
nur Wenigen in den Sinn.
.Man betrachtet das Werk des bildenden Künst‐
lers als eine nur den Eingeweihten verständliche
Hieroglyphe, die etwas auszusagen habe, was
erst
erklärender Worte bedürfe, solle es von
anderen Beschauern „verstanden” werden.
.So erzeugt man in sich eine durchaus
un‐
künstlerische Einstellung, noch bevor man
sich auch nur an den Versuch heranwagt, das
was ein Kunstwerk
wirklich zu sagen hat, in
sich aufzunehmen.
.Diese
falsche Einstellung hält viele, die
sich einst innerlich angetrieben fühlten, das Reich
der bildenden Kunst ihrem eigenen Seelenleben
zu erschließen, zeitlebens von jeder echten künst‐
lerischen Empfindung fern, und läßt die seeli‐
schen Organe allmählich verkümmern, die zu
künstlerischer Einfühlung nötig sind.
.Immer wieder werden Fähigkeiten als Vor‐
spann herangezogen, die wohl auf jedem
an‐
deren Lebensgebiet gute Dienste leisten, auf dem
Wege zur Kunst aber versagen
müssen.
.Kunst ist keine Verstandessache!
.Das Wort „Kunstverständnis” hat, streng ge‐
nommen, nur den Wert einer alten Scheide‐
münze, die man weiterhin kursieren läßt, weil
man sich an sie gewöhnte, aber was wirklich mit
diesem Wort
gemeint ist, hat
gar nichts mit
dem
verstandesmäßig zu Erfassenden zu tun.
.Kunst kann man
erfühlen und
empfinden,
aber nicht mit dem Verstande erfassen!
.Das, was an einem Werke der bildenden Kunst
allenfalls dem
Verstande zugänglich ist, ‒ was
eine
Erklärung braucht, oder sich durch
Worte
näherbringen läßt, geht
niemals die
Kunst als
solche an, auch wenn das
Technische des
Werkes zur Erörterung steht!
.Nicht Form und Farbe
an sich machen ein
Werk, das aus diesen Grundelementen entstand,
zum
Kunstwerk, sondern erst das innere,
gleichsam organische
Leben, das die Formen‐
und Farbenkomplexe
erfüllt und ihre Gesamt‐
masse zu einer im Werke beschlossenen
Einheit
bindet.
.Ideen, die sich mit dem
Verstande erfassen,
oder in
Worten wiedergeben lassen, mögen see‐
lisch erheben und begeistern können, aber sie
sind niemals imstande, das innere
Leben der
zu einem Kunstwerk vereinten Formen und
Farben zu ersetzen.
.Gerade hier aber läßt sich der in Dingen der
bildenden Kunst Unerfahrene am leichtesten täu‐
schen, und so mancher „Künstlerruhm” von vor‐
gestern beruhte lediglich auf dieser Täuschung.
.Man kann ein Mann sehr geistvoller, sehr
poetischer und sehr hoher
Ideen sein, ‒ man
kann dabei auch Pinsel oder Meißel in akade‐
misch korrekter Art bis zur Bravour beherrschen,
‒ aber man braucht deshalb noch lange kein
Künstler zu sein.
.Die Machwerke eines solchen, sonst vielleicht
ganz ehrenwerten Mannes, der das auch wirkli‐
chen
Künstlern unentbehrliche
Handwerk
des Malers oder Plastikers gründlich erlernt ha‐
ben mag, können in einer kunstfremden Epoche,
wie sie ja im großen und ganzen heute noch be‐
steht, über alle Maßen bedeutungsvoll und ver‐
ehrungswert erscheinen, ‒ können bestaunt wer‐
den und große Bewunderung erregen, ‒ und
haben dennoch mit wirklicher, alle zeitliche
Modeschätzung überdauernden
Kunst nicht mehr
gemeinsam als das äußere
Material der Dar‐
stellung: ‒ Farbe und Leinwand, Bronze oder
Stein.
.Ein solcher „Hochgeschätzter” seiner Zeit be‐
glückte mich einst mit seinem Urteil über
Hans
Thoma, und meinte: „
Der Mann ist ja ganz
bedeutungslos!
Hat nicht einmal einen ge‐
bildeten Strich im Handgelenk!”
.Heute ist der Name des also Urteilenden eben‐
so
vergessen, wie das was er machte, und was
noch vor ein paar Jahrzehnten von recht vielen
Leuten als „Kunst” gewertet, und
weit höher
honoriert wurde als die Bilder Hans Thomas,
der damals noch ohne Titel und Würden war,
wenn er auch den Kundigen längst schon als
wahrhaft verehrungswürdig galt.
.Die
künstlerische „Idee” eines wahren
Kunstwerkes ist
niemals verstandesmäßig zu
fassen, oder in Worten mitteilbar, wenn vielleicht
auch unter denen, die sie fühlend zu erfassen
wissen, ein Wort genügen kann, um auf sie hin‐
zuweisen.
.Sie beruht
allein in jenem gleichsam „orga‐
nischen”
Leben, das der Künstler seinem Werke
einzusenken wußte.
.Der beste „Erklärer” wird unvermögend sein,
die rein
künstlerische „Idee” eines Werkes
aufzuzeigen, wenn das Einfühlungsvermögen des
Beschauers in bequemer Trägheit verharrt, ‒
wenn der nach „Erklärung” Verlangende der Mei‐
nung ist, Kunst „müsse” ihn „erheben”, „er‐
freuen”, dürfte aber keine Mitarbeit von ihm
verlangen.
.So sagte mir einst ein angesehener Hochschul‐
lehrer und nicht unbedeutender Spezialist seines
Faches bei Gelegenheit einer
Hodler-Ausstel‐
lung: ‒ er müsse
diese Kunst „
prinzipiell”
ablehnen, denn Kunst habe „die Aufgabe”, ‒
„
Genuß” zu vermitteln. Es
sei ihm aber kein
Genießen, wenn er, aus anstrengender Berufs‐
tätigkeit heraus, sich entschlösse, eine Ausstel‐
lung zu besuchen und dort Kunstwerken begegne,
die erst
Ansprüche an seinen
Geist stellten,
‒ womit er natürlich seinen
Intellekt: sein
ver‐
standesmäßiges Erkenntnisvermögen, meinte.
.Dabei gehörte aber dieser Gelehrte zu den
„kunstliebenden” Kreisen seiner Stadt, und wußte
allerlei holde Mittelmäßigkeit, auch als Käufer,
weit über Gebühr zu schätzen, so daß er sich
allen Ernstes für einen „Kunstfreund” hielt.
.Wer in
solcher Gesinnung an die Werke
wirklicher
Kunst herantritt, der darf ruhig alle
Hoffnung aufgeben, jemals seelisch zu erfahren,
was Kunst
ist, ‒ jemals in ein lebendiges Ver‐
hältnis zur Kunst zu kommen.
.Lebendiges Verhältnis zur bildenden Kunst
läßt sich nur durch andauernde vergleichende
Übung im Kunst-
Beschauen, im Kunst-
Be‐
trachten gewinnen, nicht aber durch stetes Be‐
lehrtseinwollen, oder durch das Verschlingen von
allerlei Kunstliteratur, die nur für bereits „Se‐
hende” geschrieben ist.
.Sehen, sehen und
wieder sehen, ‒
unbe‐
irrt durch eigene Vorurteile, eigene Vorliebe
oder Abneigung, ‒ nur geleitet durch das Be‐
streben, offenen Auges und mit allen Kräften des
Einfühlungsvermögens das innere „organische”
Leben im Kunstwerk entdecken zu wollen, ‒
das ist der einzige Rat, den man allen geben
kann, die immer wieder fragen:
warum gewisse
Werke großer Kunst, die dem Unkundigen viel‐
leicht gar, des dargestellten Gegenstandes oder
der Technik wegen, „scheußlich” erscheinen,
wirkliche Kunstwerke seien, während der
doch so viel „schönere” liebe Kitsch auf die mit
Kunst Vertrauten sichtlich wie ein Brechmittel
wirke?
.Jeder, der in ein inneres Verhältnis zur bil‐
denden Kunst gekommen ist, mußte einst auf die
gleiche Weise beginnen.
.So, wie das Kind in der Wiege, das nach dem
Mond greift, weil er ihm nahe erscheint, erst
sehen lernen muß, um Entfernungen abschätzen
zu können, so muß auch der Erwachsene erst
sehen „
lernen”, bevor er imstande ist, den un‐
geheuren Abstand zu ermessen, der zwischen
einer mit Pinsel oder Meißel hervorgebrachten
Mache und einem wirklichen
Kunstwerk
besteht.
.Es mag dabei ratsam erscheinen, immerhin
das Urteil
solcher Menschen zu
beachten,
deren entwickeltes Kunstgefühl keine Verwechs‐
lung von Kunst und Unkunst
zuläßt, und die
zugleich ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen
soweit meistern, daß sie zum Wertgebenden in
jeder Kunstrichtung vorzudringen vermögen.
.Aber auch das Urteil eines Menschen, dessen
subjektiv unbeeinflußtes Kunstgefühl ganz außer
Frage steht, kann immer nur insoweit fördern,
als es lehrt, alles
Unkünstlerische, alles Halbe
und Unechte
auszuscheiden.
.Es kann nur den Kreis des „Studienmaterials”
auf das wirklich
Wertvolle einschränken, und
dadurch
ein Abirren vermeiden lehren.
.In dem Echten und Wertvollen dann die
wirklichen Kunstwerke zu entdecken, muß
ei‐
gener Versenkung,
eigenem Empfinden,
eige‐
nem Suchen und Vergleichen anheimgestellt
bleiben.
.Nichts wäre verkehrter als das „Nachbeten”
auch des sichersten Urteils, dessen
innere Be‐
gründung man nicht
selbst empfunden hat.
.Wer aber bestrebt ist, diese innere Begrün‐
dung im eigenen Empfinden nachzuerleben, der
wird bei einiger Ausdauer entdecken, daß das
Urteil eines wirklich der bildenden Kunst kun‐
digen Menschen stets auf den gleichen Grund‐
lagen beruht, mag es sich nun um Kunst der
alten
Ägypter, der
Griechen und
Römer, um
die Kunst
Dürers oder das Werk eines als
„
ultramodern” geltenden wirklichen Künstlers
handeln.
.Nicht die gedankliche Idee, nicht die ge‐
schickte Wahl des Gegenstandes und dessen ding‐
liche Schönheit oder Häßlichkeit, nicht die Art
der Naturauffassung und nicht die Technik ent‐
scheiden über den wesentlichen Kunstwert eines
Werkes und bestimmen dessen Höhe, sondern
einzig und allein der Grad des inneren „organi‐
schen” Lebens ist hier entscheidend, als Aus‐
druck und Widerschein jenes ursprünglichen
schöpferischen Lebens, das der wesenhafte, auch
den höchsten Intellekt hoch überragende Geist,
der „über den Wassern” des Chaos schwebt um
aus ihnen immer neues Leben zu zeugen, allein
in der Seele des wahren Künstlers sich ent‐
falten läßt, damit es eingehen könne in das reife
Werk.
.Um künstlerisch „
sehen” zu lernen, muß
man wieder und wieder
beste Kunst
vor Augen
haben, bis die Seele allmählich das optische Bild
deuten, und künstlerisch Beseeltes von Unbe‐
seeltem
scheiden lernt.
.Entwickeltes Kunstgefühl ist nur eine Folge
des tiefen Eindringens in das künstlerisch
We‐
sentliche, das in
aller wirklichen Kunst zu
finden ist: ‒ in den Werken der einander fernsten
Zeiten und Völker, ‒ in allen Schöpfungen ech‐
ter Künstler, möge ihr Werk auch durch ganz
verschiedene, ältere oder neuere Kunstauffassung
bestimmt worden sein.
.Was auf Reisen, bei gelegentlichen Museums‐
und Ausstellungsbesuchen flüchtig betrachtet wird,
kann zwar dem schon
urteilssicheren Kunst‐
Vertrauten allenfalls dazu dienen, sich
einen
neuen Überblick zu verschaffen, hingegen wird
es den noch Kunst-
Fremden eher
verwirren
als belehren.
.Soll Kunstbetrachtung wirklich die
Urteils‐
fähigkeit entwickeln, dann ist vor allem
Zeit
zur Vertiefung in das Gesehene nötig.
.Der ungeübte Beschauer, dem die Fähigkeit
zu objektiv richtiger
Schätzung des Gesehenen
noch abgeht, wird niemals Gewinn von Kunst‐
besichtigungen „im Vorübergehen” haben, ‒
handle es sich um eine Galerie alter Meister
oder um eine Darbietung neuerer Kunstwerke.
.Die meisten Menschen, auch die auf
anderen
Gebieten
Gebildeten, sind immer noch gewohnt,
ein Werk der bildenden Kunst in erster Linie
um seinen
gegenständlich gegebenen Inhalt zu
befragen, mögen manche das auch nicht immer
gern wahrhaben wollen.
.Der
künstlerisch maß- und wertgebende
„
Inhalt” eines Werkes der bildenden Kunst ist
aber
niemals das gegenständlich
Dargestellte,
sondern
die Darstellung an sich, als Äuße‐
rung der künstlerischen Begabung eines kunst‐
schöpferischen Menschen!
.Wer in einem Werke der Malerei oder der
Plastik nur
das Dargestellte sieht, der sieht
zunächst lediglich den
Anlaß, der einen Künstler
zu einer Äußerung seiner schöpferischen Bega‐
bung
bestimmte.
.Nicht jedes Bildwerk, das dem Auge wohl‐
gefällt, und das wohl gar die Bewunderung des
Betrachters erregt, weil der dargestellte Gegen‐
stand „zum Greifen
natürlich” erscheint, ist
deshalb schon ein Kunstwerk.
.Um ein wirkliches Kunstwerk zu sein und
somit auch einen über den bloßen Arbeits- und
Materialwert hinausgehenden, tatsächlich gege‐
benen
Kunstwert zu besitzen, muß eine Dar‐
stellung Zeugnis ablegen von der
Intensität,
mit der ihr Darsteller die äußere Naturerschei‐
nung
in sich aufnahm, dann in seinem Inneren
verarbeitete, und sie, nachdem er sie gleich‐
sam
neu schuf, schließlich zum sinnenfälligen
Werke
formte.
.Die
individuelle Eigenart des Schaffen‐
den allein bestimmt, bis zu welchem Grade sein
Werk gleichzeitig auch noch als
Abbild des
Naturvorbildes gelten kann.
.Wäre schon jede korrekte und das Auge über‐
zeugende Darstellung der Natur
ein Kunst‐
werk, dann hätte man die
höchste Vollen‐
dung der bildenden Kunst unstreitig von der
Optik und der
Chemie her zu erwarten, denn
die endgültige Lösung des Problems der Farben‐
photographie müßte dann Werke hervorbringen
lehren, die alle mit Pinsel und Farbe manuell
geschaffenen Darstellungen weithin an Kunst‐
wert überragen würden.
.Das Gleiche gilt von der
Plastik, denn man
vermag ja bereits heute schon Plastiken auf
phototechnischem Wege herzustellen, die an „Na‐
turtreue” kaum mehr etwas zu wünschen übrig
lassen.
.Vielleicht am verständlichsten wird das hier
Gemeinte ersichtlich innerhalb der
Architektur.
.Wohl kann auch der Architekt Anregung zum
Schaffen durch ein Gebilde der Natur empfangen,
‒ doch, welches abstruse Mißgebilde würde ent‐
stehen, wollte er etwa versuchen, in seinem Werke
ein Abbild der Naturerscheinung zu geben,
die sein Schaffen
befruchtet hat!
.Aber auch nicht die handwerkliche
Geschick‐
lichkeit, mit der etwa die
Illusion des Gegen‐
ständlichen auf der Fläche oder plastisch her‐
vorgerufen wurde, erhebt eine Darstellung zum
Kunstwerk.
.Von wirklicher
Kunst, von eigentlichem
Kunstwert darf
erst dann gesprochen werden,
wenn das innerlich
verarbeitete und aus schöpfe‐
rischer Kraft
geformte Werk vorliegt, ‒ nicht
die bloße „Naturwiedergabe”, die eine vervoll‐
kommnete photochemische Technik dereinst
weit
fehlerfreier liefern wird, als sie durch manuelle
Arbeit jemals gegeben werden könnte.
.Der Schaffensvorgang im Künstler bedingt in
aller auf die sichtbare Welt bezogenen Kunst
gewiß zuerst
eine besonders intensive Auf‐
nahme der optischen Eindrücke durch das
physische Auge.
.Aber hier schon beginnt eine
Auswahl, die
allein vom
künstlerischen Empfinden be‐
stimmt wird.
.Der Künstler wird
Farben-
und Linien‐
werte,
Formen und
räumliche Beziehungen
in dem Naturvorbild gewahren, die dem Nicht‐
künstler nur nach jahrelanger Vorbereitung, nach
unermüdlicher Schulung seines Auges, zu sehen
möglich wären.
.Dann aber erfolgt erst in der Seele des Schaf‐
fenden die innere
Verarbeitung der durch phy‐
sisches Sehen aufgenommenen Eindrücke, bis
endlich der eigentliche Schöpfungsakt: ‒
das
Gestalten der künstlerischen Vorstellung,
sich ereignet.
.Dieses
im Innern geschaffene Vorstel‐
lungsbild wird
alles in sich enthalten, was
dem Schaffenden an der Naturerscheinung
künst‐
lerisch wesentlich war: ‒ was sein Tempera‐
ment erregte, ‒ was den
Anlaß zum Schaffen
bildete, ‒ und wird alles
ausschalten, was bei
dem Naturerlebnis
belanglos blieb.
.(Den hier geschilderten Prozeß wird jeder Ma‐
schinenbauer leicht verstehen, wenn er daran
denkt, daß auch er in seiner Zeichnung alle
Schrauben, Hebel und Räder besonders
hervor‐
heben wird, die ein Verständnis
der Funk‐
tion seiner Maschine vermitteln, auch wenn das
solcherart Betonte dem Laien an der fertigen
Maschine kaum besonders auffallen würde, wäh‐
rend anderes, das dem Fachmann unwichtig ist
oder die Klarheit der Zeichnung beeinträchtigen
könnte, aus der Darstellung ausgeschaltet bleibt.)
.Der dritte und
letzte Vorgang im Schaffen
des bildenden Künstlers ist dann erst
die sinnen‐
faßliche Darstellung.
.Es versteht sich von selbst, daß sie nur in
einer den
Gesetzen der Kunst entsprechenden
Verwendung der Darstellungsmittel erfolgen darf,
wenn ein wirkliches Kunstwerk entstehen soll.
.Die Darstellungsmittel selbst aber kann auch
jeder Nichtkünstler beherrschen lernen.
.Mit mehr oder weniger Begabung zum Zeichnen,
mit mehr oder weniger Farbengeschmack, wie ihn
schließlich auch der gute Schaufensterdekorateur
besitzen muß, läßt sich bei entsprechendem Fleiß
„Zeichnen” und „Malen”
erlernen, ja bis zur
Virtuosität entwickeln.
.Was dann ein solcher „geschickter” Zeichner
oder Maler hervorbringt, mag den „Laien” zu
staunender Bewunderung hinreißen, und es kann
auch am rechten Platz, ‒ etwa als Illustration,
oder dort, wo es sich darum handelt, eine Fläche
geschmackvoll zu schmücken, ‒ in seiner Art
vollkommen sein, so daß es hohe Anerkennung
verdient, aber mit wirklicher
Kunst hat es nur
die gleichen Darstellungsmittel und das
Erlern‐
bare gemeinsam.
.Der Schaffende gebraucht die Darstellungs‐
mittel, über die er, genau wie jeder andere,
nur dann frei verfügen kann, wenn er sie durch
langes Studium in sicheren Besitz brachte, um
sein inneres künstlerisches Vorstellungsbild, von
dem oben die Rede war, nach außen hin sicht‐
bar erstehen zu lassen.
.Es ist dabei
einerlei, ob er, wie
Böcklin,
nur
aus der Erinnerung schöpft, wie
Hodler,
die Zeichnung unerbittlich nach dem Modell
berichtigt, oder, wie der urdeutsche
Leibl
keinen Pinselstrich macht, ohne seine Berechti‐
gung
vorher scharfsinnig erprüft zu haben.
.In
allem künstlerischen Schaffen handelt es
sich um die Wiedergabe des innerlich bereits ge‐
stalteten
Vorstellungsbildes, nicht etwa um
ein „Abmalen” der äußeren Natur, und selbst
der scheinbar so ganz vom Naturvorbild ab‐
hängige, ausgesprochene Impressionist
Max Lie‐
bermann bestätigt das, indem er von seinem
eigenen Schaffen spricht als von einem steten
„
Komponieren aus der Phantasie”, wobei
dem Naturmodell nur die Aufgabe zufalle, diese
schöpferische Phantasie in lebendiger Erregung
zu erhalten.
.Aus den Darstellungsmitteln wählt jeder Künst‐
ler instinktiv aus, was ihm am ehesten gestattet,
das was er
zu sagen hat, in der
knappesten
und dabei
vollkommensten Form zu sagen.
.„
Zeichnen ist die Kunst
wegzulassen!” ‒
definiert der oben genannte Künstler.
.Auch Malen ist eine Kunst des „
Weglassens!”
.Jeder Pinselstrich, der zur Darstellung des
künstlerisch geformten inneren Vorstellungsbil‐
des nicht
unbedingt nötig ist, ergibt ein „Zu‐
viel”,
verringert den Wert des Werkes in der
Wertung des Kunstkundigen.
.In der
Plastik ist es nicht anders, wenn man
vom Merkmal des
Meißels am Werke sprechen
will, und daß ein Überwuchern
architektoni‐
scher Formen, die nicht durch den
Zweck und
die
künstlerische Struktur eines Bauwerks
bedingt sind, seinen Kunstwert
verringert,
wenn nicht gar
völlig in Frage stellt, weiß
heute doch schon mancher, der den Werken der
Malerei und Plastik noch
recht unsicher
gegenübersteht.
.„
Ausgeführt” oder „
fertig” ist ein Werk
der bildenden Kunst, wenn es das innere künst‐
lerische Vorstellungsbild
zum Ausdruck bringt,
sei es auch nur durch „skizzenhafte” Andeutun‐
gen, während es bei noch so detaillierter und
glatter Arbeit
unfertig bleibt, solange es nicht
der vollendete Ausdruck des innerlich Ge‐
sehenen ist.
.Hier mag an das Wort
Goethes erinnert sein:
.„
Ein jedes wirkliche Kunstwerk ist in
jedem Zustande fertig.”
.Ob
Holbein seine Köpfe glatt und minutiös
malt, oder
Frans Hals die seinen mit wuchti‐
gen, „skizzenhaften” Pinselhieben hinhackt, ist
für die Wertung beider Künstler
absolut gleich‐
gültig.
.Wichtig ist allein, ob in der Darstellung un‐
bestreitbar das innere, nach immanenten künst‐
lerischen Gesetzen „komponierte” Vorstellungs‐
bild des Künstlers erfühlbar wird, indem es mit den,
seinem Temperament entsprechenden, sicher
beherrschten Darstellungsmitteln zum Ausdruck
kam.
.Wichtig ist, ob die „Handschrift”, die das
Werk aufzeigt, wirklich
ursprünglich, dem
Künstler wesensgemäß und
sein eigen ist, oder
ob nur äußerliche Dressur und glatte Fleißarbeit
über den Mangel wirklichen künstlerischen Tem‐
peraments hinwegtäuschen sollen.
.Alles das muß man aber erst sehen
lernen,
bevor man zu einem sicheren Urteil über Werke
der bildenden Kunst kommen kann, denn solches
Urteilsvermögen ist ebensowenig „angeboren”,
wie etwa die Sicherheit, mit der ein Juwelen‐
händler wertvolle von fehlerhaften
Edelsteinen
oder gar von
Fälschungen unterscheidet.
.Die Freude am Schönen ist dem Menschen
eingeboren, trotzdem bis heute noch niemand
imstande ist, eine absolut gültige Definition des
„Schönen” zu geben.
.Was dem einen Menschen als
berückend
schön erscheint, wird von dem andern
kaum
beachtet, und ein dritter mag es gar als
un‐
schön empfinden.
.Wie verschiedenartig die Deutungen des
Begriffes „
Schönheit” ausfallen können, zeigt
in klarster Weise die Geschichte der
bildenden
Kunst.
.Gerade die
größten Meisterwerke
Rem‐
brandts fanden seine Zeitgenossen
unschön,
ja
häßlich, während sie den Kunstkundigen
unserer Tage
eine Welt der Schönheit er‐
schließen.
.Bei den Zeitgenossen fanden die süßlichen
Malereien der späten Nachahmer Raffaels höchste
Bewunderung, während jeder Urteilssichere
heute nur mehr
ein trauriges Dokument des
Niedergangs in diesen Bildern erblicken kann.
.So wechselten die Meinungen hinsichtlich
dessen, was als das
künstlerisch Schöne zu
gelten habe, nicht anders wie in Bezug auf das
gegenständlich Schöne
in der Natur.
.Am deutlichsten zeigt sich vielleicht die Viel‐
deutigkeit des Schönheitsbegriffes in der
neue‐
ren Kunst.
.Während der
eine Betrachter
berauscht ist
von der „
Schönheit” eines Werkes, findet es
der andere „ekelhaft” und „abstoßend”.
.Jeder sucht eben nur die Darstellung seines
eigenen, recht
subjektiv bestimmten Schön‐
heitsideals, ‒ aber auch dieses
persönliche
Ideal ist
keineswegs unwandelbar, sondern
wird im Laufe eines Menschenlebens gar oft
durch Modeströmungen, Zeitgeschmack und ei‐
gene Urteilsumbildung beeinflußt, so daß der
gleiche Mensch in den verschiedenen Zeitfolgen
seines Erdendaseins zu
sehr verschiedenen
Definitionen seines Schönheitsideales gelangen
kann.
.Erfreulich wird solche Wandlung sein,
wenn sie aus einer tieferen Erkenntnis
des
Wertgebenden in der Kunst hervorging.
.Während man lange Zeit hindurch nur
die
Anekdote, den dargestellten
Vorgang, oder die
möglichst täuschende
Natur-
Imitation in einem
Kunstwerk, oder einem Gebilde das als Kunst‐
werk
gelten wollte, bewunderte, fing man eines
Tages an, alles dieses unbeachtet zu lassen, um
fortan die Schönheit nur in der besonderen Qua‐
lität
des Technischen: ‒
der Virtuosität
der Mache, ‒ in der „
schönen Epidermis”
des Werkes zu suchen und zu sehen.
.Heute noch gibt es genug solche begeisterte
Bewunderer des Pinselraffinements, und
Manets
„Spargelbund”, der als Probe stupenden Kön‐
nens gewiß hervorragend bleibt, wird von vielen
nicht nur höher gewertet als seine
wirklich
kunstbedeutsamen, aus gleichem Können erwach‐
senen Meisterwerke, sondern auch für weitaus
wertvoller angesehen als, beispielsweise, die
Six‐
tinische Madonna.
.Aber die Zeit, in der solches Urteil genügte,
um sich als „Kunstkenner” zu erweisen, neigt
sich doch allmählich wieder ihrem Ende zu.
.Man fängt wieder an, im Künstler nicht nur
den kapriziösen
Könner zu sehen, ‒ ja man
hat leider bereits eine ganz ungerechtfertigte
Geringschätzung für alles technische Können
bereit, und läßt sich selbst
gewollt naiv-unbe‐
holfenstes Gebaren im Technischen gefallen,
wenn nur der gesuchte
geistige Inhalt dahinter
irgendwie zu erspüren ist.
.Hervorragende „Könner” unter den Künst‐
lern dieser Tage kennen kein heißeres Bemühen,
als die bewußte
Unterdrückung auch des lei‐
sesten Anzeichens ihres Könnens, und gefallen
sich in einer Darstellungsart, die mehr oder we‐
niger den Kunstäußerungen der Naturvölker,
oder naiven Kinderzeichnungen angeähnelt ist.
.Nichts wird ärger gefürchtet als der Anschein
des Virtuosentums, oder die Merkmale einer ho‐
hen Kultur des künstlerisch-technischen Dar‐
stellens.
.Allerdings geht dieses Streben zum scheinbar
Allereinfachsten oft so weit, daß man schon wie‐
der von einem
Virtuosentum des Naivsein‐
wollens sprechen könnte.
.Solche Erscheinungen wären aber ganz un‐
möglich, wenn man heute auch noch, wie vor
nicht gar langer Zeit, allen Kunstwert eines Wer‐
kes nur in der „geistreich” gemalten
Oberfläche
sehen würde.
.Man beginnt heute wieder, im bildenden
Künstler, gleichwie im Dichter und im Kompo‐
nisten, den
Seelendeuter, den
Künder see‐
lischer Erlebnisse,
den Schürfer in den
tiefsten Tiefen des noch Ungewußten zu
sehen, und man erwartet vom Maler wie vom
Plastiker, daß er
nur solchen Erlebnissen Aus‐
druck schaffe, die sich auf
keine andere Weise,
als nur mit den Mitteln
seiner Kunst ausspre‐
chen lassen.
.Es fragt sich also, welches die ureigenen Dar‐
stellungsmittel sind, über die der bildende Künst‐
ler verfügt?
.Da kommen wir denn, wenn wir hier in erster
Linie einmal die Kunst des
Malers in Betracht
ziehen wollen, auf folgende:
.Helle und dunkle Massen,
Farbflecken,
sowie deren Umgrenzungen, die sich als
Linien
zeigen, wenn auch
die Linie daneben ein
Ei‐
genleben als Kunstmittel führen kann.
.Auch wenn der Maler eine Anekdote zur Dar‐
stellung bringen will, hat er keine anderen Mittel
zur Verfügung.
.Aber während er bei dem Versuch, den op‐
tischen Eindruck äußerer Gegenstände aufs Auge
zu
imitieren, seine Mittel mehr oder weniger
vergewaltigen muß, gleich einem Musiker, der
die Stimmen von Tieren, oder andere Naturlaute
nachzuahmen trachtet, wird es sich bei einer
Darstellung die den künstlerischen Gesetzen ent‐
sprechen soll, stets darum handeln, daß alles was
zu sagen ist, mit den zur Verfügung stehenden
Kunstmitteln gesagt wird,
ohne ihnen Gewalt
anzutun.
.Man wird das gut an einem Beispiel verste‐
hen lernen:
.Wenn ein „Historienmaler”, in glücklich hin‐
ter uns liegenden Tagen, den tragischen Tod
einer allbekannten geschichtlichen Persönlichkeit
darstellte, dann benutzte er eine Menge seelisch
wirksamer Momente, die alle schon
vor seinem
Bilde da waren, und die auch durch eine Dar‐
stellung
in Worten, also durch den
Dichter,
hätten vermittelt werden können, ja durch bloße
Kenntnis des historischen Vorgangs schon zum
Nacherleben kommen konnten.
.Das Werk eines solchen Malers ist zumeist
nichts anderes als eine gute oder schlechte
Illu‐
stration, mag sie auch in gewaltigen Dimen‐
sionen gehalten sein.
.Die gleiche geschichtliche Begebenheit kann
aber in einem Maler, der sie erschauernd in sich
nacherlebt, auch Komplexe seelischer Empfin‐
dungen auslösen, die
nur mit den Mitteln
sei‐
ner Kunst darstellbar werden, aber niemals
durch eine gemalte Schilderung des historischen
Vorgangs allein, anderen Seelen zum Empfinden
kommen könnten.
.Entweder wird sich dann
ein Vorstellungs‐
bild des Geschehnisses in der Seele des Künst‐
lers gestalten, das die
erzählbare Begebenheit
auflöst in künstlerisch „sprechende”
Formen,
Farben und
Linien, denen die Kraft innewohnt,
das vom Künstler Erfühlte auch der Seele des
Betrachters nahezubringen, oder aber, es wird
sich das innerlich Erlebte zu einem Werke kri‐
stallisieren, das mit der
Wiedergabe des Vor‐
ganges nicht das mindeste zu tun hat.
.Solche neue künstlerische Form kann die
Wucht und tragische Größe eines Ereignisses
weit stärker zum Ausdruck bringen als die beste
Illustration, gerade
weil der Künstler sich
nicht
verleiten ließ, Wirkungen anzustreben, die den
ureigensten Mitteln seiner Kunst fremd sind.
.Das gleiche gilt von
jeder Darstellung,
hinter der ein Schaffensvorgang steht, der durch
Natureindrücke ausgelöst wurde.
.Die mit feinster Naturbeobachtung erfüllte
Wiedergabe einer Tanne am Bergabhang kann
eine vorzügliche Illustration eines botanischen
oder landschaftsgeographischen Handbuches sein,
‒ rein
künstlerisch betrachtet ist ein solches
Bild aber noch
unverarbeitetes Rohmaterial,
solange es nur
Darstellung bleibt, und nicht,
darüber hinaus, auch durch die Komposition der
Hell- und Dunkelmassen, der Farben oder Linien,
einer rein
künstlerischen Empfindung Aus‐
druck gibt.
.Es wäre geradezu möglich, daß ein Künstler
beim Anblick einer solchen, sehr „naturgetreuen”,
aber mit
vergewaltigten Kunstmitteln hervor‐
gebrachten Darstellung ein ähnliches Erleben in
sich empfinden könnte, als stünde er vor dem
Vorbild der Darstellung
in der Natur, und daß
er sich alsdann angeregt fühlen würde, das so
Empfundene nun mit den
rein und
ehrlich
benützten Mitteln seiner Kunst zum Ausdruck
zu bringen. (
Utrillo, dessen Ruhm heute vielen
seiner Bewunderer alle Namen des französischen
Impressionismus verdunkelt, soll die meisten sei‐
ner Bilder nach Anregungen gemalt haben, die
ihm irgendwelche photographischen
Ansichts‐
postkarten vermittelten.)
.Der
Kunstwert einer Naturdarstellung wird
niemals durch die exakte Formtreue dem Vor‐
bild gegenüber bestimmt, ‒ auch wenn eine
„naturgetreue” Darstellung künstlerisch sehr wert‐
voll sein
kann, ‒ sondern das allein „
Kunst‐
wert” verleihende innere
Leben eines wirkli‐
chen Kunstwerkes ist stets bedingt durch eine
Art der Aussprache, die streng den Gesetzen der
gegebenen Ausdrucksmittel folgt und diese Aus‐
drucksmittel nicht durch eine kunstfremde Ver‐
wendung um ihre innere Kraft bringt.
.Das vollkommene Kunstwerk ist
eine Welt
für sich, und in dieser,
seiner Welt, ist nur
das von Wert, was wirklich erst
durch das Werk
zur Existenz kam.
.Die besondere
Schönheit eines Kunstwerkes
besteht darin, daß es ein
in sich geschlosse‐
nes, formal und technisch
einheitliches, gleich‐
sam
organisch gewachsenes Gebilde voll in‐
nerer Harmonie ist, in dem sein Schöpfer
nur
das aussagt, was durch die eigentlichen Mittel
seiner Kunst, ‒ und
nur durch sie, ‒ ausge‐
drückt werden kann, was sich aber weder durch
das Wort der Dichtung oder Beschreibung, weder
durch eine Darstellung auf der Bühne, noch
durch ein Werk der Tonkunst ausdrücken läßt,
‒ am allerwenigsten jedoch durch die
Illustra‐
tion einer Begebenheit oder eines Zustandes.
.Nur die innere
Gesetzmäßigkeit, die hier
gemeint ist, löst in dem kunstkundigen Betrachter
das Wohlgefühl aus, das wir als Schönheitsemp‐
finden bezeichnen.
.Es handelt sich
nicht darum, einer Empfin‐
dung
irgend einen „wilden”
Ausdruck zu
geben!
.Kunst entsteht erst dann, wenn das künst‐
lerische
Erleben zur
Gestaltung einer in allen
Stücken kunstgemäßen
Form führte.
.Auch eine
neue Schönheit, als Bereicherung
unseres in so vielerlei Strebungen seiner Erfül‐
lung entgegentastenden Schönheits-Verlangens,
kann künstlerisch nicht anders erstehen.
.Nur darf man auch nicht dem Streben nach
neuer Schönheit
den Weg verlegen mit den
schon bekannten Deutungen des so vieldeuti‐
gen Schönheitsbegriffes!
.Man füllt nicht „neuen Wein in alte Schläuche”,
und so soll man auch nicht das neue Schöne in
Formen erwarten, die es doch nur zersprengen
müßte, wollte es in ihnen erscheinen.
.Aus den Zeiten des klassischen Altertums her
hat sich eine Künstleranekdote erhalten, in der
erzählt wird, wie ein Maler Früchte so täuschend
darzustellen verstand, daß Vögel herbeigeflogen
kamen, um an gemalten Beeren zu naschen.
.Diese Anekdote spiegelt auch heute noch so
recht das Verlangen wieder, das die meisten kunst‐
fernen Bilderbetrachter durch die Kunst der Ma‐
lerei befriedigt sehen möchten.
.Das Vortäuschen der
Greifbarkeit eines ge‐
malten Gegenstandes ist aber bestenfalls nur ein
scherzhaft erlaubtes „
Kunststück”, das mit
„Kunst”
nicht das mindeste zu schaffen hat,
und keinem sonderlich schwer fällt, der das Hand‐
werkliche der Malerei versteht.
.Wäre in solcher Spielerei
die Kunst des Ma‐
lers beschlossen, dann läge wahrhaftig keine Be‐
rechtigung vor, den Künstler anders einzuschätzen
als den Verfertiger künstlicher Blumen und
Früchte, oder den Modelleur der Wachsfiguren
eines Panoptikums, was aber durchaus nicht hei‐
ßen soll, daß die oft sehr mühselige Arbeit solcher
Spezialisten nicht sehr viel Können und Geschick‐
lichkeit erfordere.
.Im Reiche der bildenden Kunst wird
Anderes
erstrebt, und wenn auch zuweilen Maler ihre
Freude daran hatten, das Gegenständliche einer
Darstellung „bis zur Greifbarkeit” herauszuarbei‐
ten, so wußten sie doch auch sehr genau, daß der
Wert ihres Werkes
keineswegs in solcher Na‐
turspiegelung beschlossen war, ‒ ja, es ist wohl
anzunehmen, daß manches Werk dieser Art nur
entstand, weil Auftraggeber und Käufer die Künst‐
ler bedrängten und zu einer Darstellungsweise
nötigten, die sie aus freien Stücken kaum ge‐
wählt haben würden.
.Wer das Reich der bildenden Kunst betreten
will, der sollte den Zuruf in sich fühlen, den der
biblische Moses hörte vor dem brennenden Busch:
„Zieh' deine Schuhe von den Füßen, denn der
Ort den du betreten willst, ist heiliges Land!”
.Was auch ein wirklicher Künstler zu geben
haben mag, und sollte es dem Motiv nach noch
so nahe dem „grauen Alltag” stehen, wird immer
eine Botschaft
der Seele sein, bestünde sie auch
nur darin, daß sie sehen lehrte, wie selbst das
Häßlichste noch einen
Gottesfunken offenbaren
kann, der nur im Kunstwerk zu erlösen ist.
.Um diese
Botschaft der Seele handelt es
sich in
aller Kunst!
.Die Malerei macht hier keine Ausnahme, so
sehr es auch den Anschein haben mag, als reize
den Maler in erster Linie die „
Wiedergabe”
farbiger Erscheinungen der Außenwelt, etwa um
ihr Abbild dauernd „festzuhalten”.
.Ich habe schon dargelegt, daß
dieses Ziel:
‒ das „Festhalten” des Natureindruckes, ‒ in
vollkommenster Weise erreicht sein wird, wenn
es eines Tages gelingt,
die Photographie in
natürlichen Farben von den Mängeln zu be‐
freien, die ihr derzeit noch anhaften.
.Daß der Maler handwerklich
fähig ist, mit den
Mitteln seiner Kunst Gebilde hervorzubringen,
die durch ihre Wirkung auf das Auge ähnliche
Reizungen auslösen wie die Dinge der farbigen
Erscheinungswelt, betraut ihn nur mit der hohen
Aufgabe, das
Wort der Seele in den Außen‐
dingen zu erlauschen, um sodann im Kunstwerk
auch Anderen von dem Erlauschten Kunde zu
bringen.
.Das, was ich hier
das Wort der Seele nenne,
wird
niemals optischen Apparaten und chemi‐
schen Verfahren zugänglich sein. Auch alle ge‐
schmackvolle „Regie” der Bildwirkungsmittel kann
dem Wort der Seele, das hier gemeint ist, nicht
den ihm gemäßen Ausdruck schaffen.
.Der
Künstler nur kann es in sich aufnehmen
und dann im Werke zum Wiederklang bringen!
.Der
Wert eines Kunstwerkes wird niemals
abhängig sein von dem Grade der
Täuschung,
die es auf der Netzhaut des Auges hervorbringt,
sondern bleibt stets im genauesten Verhältnis zu
der
Intensität, oder auch der besonderen
Innig‐
keit, mit der sein Schöpfer das „Wort der Seele”
in den Naturdingen
erfaßte und dann im Werke
auszusprechen wußte.
.Der Mensch trägt in sich auf verschiedene
Weise die Elemente der gesamten Natur.
.Was nun
im Äußeren zum Künstler „
spricht”
und ihm vernehmbar werden will, wird immer
gerade
dem gleichen, was er, ‒ als einzigartige
Individualität, ‒ in
besonders vollkommener
Form in sich trägt.
.Daher hat die Natur jedem Künstler
Anderes
zu geben!
.Für jeden Schaffenden, der in Andacht und
Hingebung auf das „Wort der Seele” lauscht, wird
es sich in anderer,
neuer Weise offenbaren. ‒
.Wie weit der
Maler die ihm in seinem Hand‐
werk dargebotene
Möglichkeit benutzen will,
Dinge der Außenwelt „täuschend” und „greifbar”
darzustellen, wird stets davon abhängig sein, bis
zu welchem Grade die Erinnerung an Naturge‐
gebenes erweckt werden muß, um vor dem Kunst‐
werk empfinden zu können, was ein individuell
bestimmtes Künstlernaturell
zum Ausdruck
bringen wollte.
.Ist das, was der Künstler innerlich als „Wort
der Seele” vernahm, schon
durch knappe An‐
deutungen weiterzugeben, die ihre Ausgestaltung
in der Phantasie des Betrachters finden, dann
wäre es Sünde gegen den heiligen Geist der Kunst,
eine realistische Wiedergabe der Außendinge an‐
zustreben.
.Braucht es hingegen
den sinnlich schönen
Reiz der Oberfläche jener Dinge, aus denen
einem Künstler das „Wort der Seele” sprach,
dann bliebe sein Werk
unvollendet, wollte er
sich mit bloßen „Andeutungen” zufrieden geben.
.Die köstlichen Zeichnungen Wilhelm
Busch'
s
würden keineswegs etwa vollkommener sein, wenn
sie bis ins letzte Detail plastisch durchgebildet
wären, ‒ hingegen würde einem Stich
Chodo‐
wiecki'
s* die Vollendung fehlen, fehlte ihm die
minutiöse zeichnerische Behandlung aller darauf
dargestellten Dinge.
‒ ‒
* Maler und Kupferstecher, 1726-1801.
.Die sogenannte „Ausführung” eines Bildes
ist also immer abhängig von dem seelischen Er‐
leben des Künstlers: ‒ von
dem, was durch das
Bild von Seele zu Seele
übertragen werden soll.
.Die
Vollendung ist
erreicht, wenn alles im
Werke, ‒ sei es größten Formates oder nur eine
winzige Zeichnung, ‒ wirklich ausgesprochen
wurde, was der Künstler aussprechen
wollte.
.Nicht „
das große Wollen” allein kann dem
Werke eines Künstlers Bedeutung verleihen!
.Erst dann verdient solches Wollen Beachtung,
wenn das Werk
alles zum Ausdruck bringt,
was „gewollt” worden war! ‒
.Es gibt viele Menschen die künstlerisch zu
empfinden fähig sind, und viele, die gar Großes
„wollen”, ‒ den schaffenden
Künstler macht
aber erst die Fähigkeit, Empfundenes und Ge‐
wolltes auch
ausdrücken zu
können, und zwar
in der Sprache seiner Kunst, ohne Anleihen in
kunstfremden Bezirken.
.Die Sprache der Kunst hat eherne
Gesetze!
.Nicht anders als in der
Musik, wo jede Ton‐
folge
gesetzmäßig begründet sein muß, wenn
überhaupt von „
Kunst” die Rede sein soll, wird
auch in der
Malerei eine strenge
Gesetzmäßig‐
keit verlangt, deren Erfüllung jeder Betrachter
am Werke festzustellen vermag, sofern er selbst
die Gesetze der Darstellung in der Kunst des
Malens
kennt, ‒ welches „Kennen” hier ein
Erfahrenhaben bedeutet.
.Entspricht ein Werk der Malerei diesen Ge‐
setzen
nicht, dann ist es in keinem Falle ein
Kunstwerk, ‒ mag es auch eine sehr tüchtige
Arbeitsleistung sein, ‒ mag auch die Darstellung
im Beschauer tiefstes seelisches, aber nicht durch
Kunst bedingtes Erleben auslösen.
.Nur das gesetzmäßig vollendete
Kunstwerk
kann das reine
Kunsterlebnis vermitteln.
.Ein Beispiel aus der Lyrik möge das verdeut‐
lichen.
.Es gibt selbst in der reichen Fülle der Ge‐
dichte
Goethes nichts Vollendeteres als die acht
Zeilen:
„Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.”
.Jeder Zeitungsreporter kann mit Leichtigkeit
die Situation beschreiben, die in diesem Gedicht
geschildert wird.
.Keineswegs aber wäre durch solchen Bericht
etwa der
Inhalt dieses reifsten Werkes der Poesie
wiederzugeben.
.Sein
wesentlicher und den
Kunstwert des
Gedichtes bedingender „Inhalt” ist vielmehr be‐
schlossen in der vollendeten
Komposition der
Worte, die nur in
dieser, immanenten Sprach‐
gesetzen entsprechenden Folge
die seelischen
Schwingungen auslösen, die jeder Empfindende
beim Lesen des Gedichtes erlebt.
.Nichts ist hier nur „Form”, ‒ nichts nur
„Inhalt!”
.Form und Inhalt sind
untrennbar zu vor‐
her nie gewesener
Einheit verschmolzen!
.So nur ist reines
Kunsterlebnis zu vermit‐
teln.
.In der
Malerei lassen sich von dem Geübten
und der Kunst Kundigen ähnliche Beispiele in
Menge finden.
.Whistlers feingespielte Farben-„Adagios” wür‐
den auch in der besten farbenphotographischen
Wiedergabe
ihrer Naturvorbilder niemals zu
finden sein, und die beste photographische Auf‐
nahme einer Ballettprobe enthält
nichts von den
sublimen künstlerischen Erlebnissen die
Degas
in seinen fast nüchternen Pastellen vermittelt,
auf denen eine Bühnenecke, ein Stück Coulisse
und ein paar recht wenig „schöne” Ballerinen zu
sehen sind, alles aufgelöst in eine Symphonie so‐
norer Farbenmassen und distinkter Linien.
.Was ein wirkliches Kunstwerk an
Seelischem
zu geben hat, wird ja nicht durch seinen beschreib‐
baren Schaffens-
Anlaß bestimmt.
.Man muß ein Werk der Malerei
als solches
sehen lernen, ohne sich durch das gegenständlich
Dargestellte und
dessen Lebenswerte beirren
zu lassen.
.Den
wahren „Inhalt” eines Kunstwerkes muß
man
aus seiner inneren Gesetzmäßigkeit
erfühlen, und darf nicht glauben, die dargestell‐
ten Dinge allein machten den Inhalt aus.
.Auch die in den letzten Jahrzehnten so sehr
überschätzte „getreue Naturbeobachtung” gibt
einer Bildtafel noch keineswegs den Rang eines
Kunstwerkes.
.Wo Form und Inhalt nicht
Eines wurden,
liegt noch kein
Kunstwerk vor, ‒ und der
„
Inhalt” eines Werkes der
Kunst kann immer
nur aus
künstlerischen Werten bestehen!
.Erst dort, wo ein seelisches Erleben das sich
nur mit den Mitteln des Malers übertragen läßt,
seinen kunstgemäßen Ausdruck fand, darf von
einem Kunstwerk der Malerei gesprochen wer‐
den, mag der optische Eindruck eines solchen
Bildes zugleich Natur-Erinnerungen wachrufen
oder nicht.
.Wenn auch das Verständnis der
Kunst des
Malens, selbst bei vielen unserer Gebildeten,
noch manches zu wünschen übrig läßt, weil die
„Bildung” in diesen Tagen vornehmlich eine Bil‐
dung des
Denkens, des intelligiblen Vorstellens
ist, und sich noch nicht wieder bis zu einer Bil‐
dung des
Anschauens zu erheben vermochte,
so wird man doch noch weit eher der bewußten
und begründeten Freude an den Werken der
Malerei begegnen, als dem verstehenden und
genußfreudigen Einfühlungsvermögen vor den
Gebilden der
Plastik.
.Es fehlt zwar unseren Großstädten nicht an
plastischen Denkmalen, und in den Wohnungen
findet sich mehr „Kleinplastik” als wünschbar
wäre, aber leider fehlt es in beiden Fällen gar
sehr am sicheren Instinkt für
Qualität, am Sinn
für das wirklich
Künstlerische und im Reiche
der Kunst
Bedeutende.
.Ahnungslos füllt man seine Wohnung an mit
den übelsten Erzeugnissen fabrikmäßig herge‐
stellter, sogenannter „Kleinkunst”, und findet
kaum einen Unterschied zwischen diesen künst‐
lerisch unmöglichen Bazarwaren und den voll‐
endeten Kleinplastiken unserer bedeutendsten
Bildhauer.
.Auf öffentlichen Plätzen stellt man erbärm‐
liche Gliederpuppen gigantischen Formates auf,
und meint damit der Nachwelt Werke zu hinter‐
lassen, die gewiß doch neben allem bestehen
könnten, was Griechen und Römer in ihren
besten Kunstzeiten geschaffen haben.
.Unsummen werden so im Kleinen wie im
Großen vergeudet, und gewaltige Mengen kost‐
baren Materials werden unbrauchbar gemacht, um
plastische Dinge hervorzubringen, die der
Kunst
des plastischen Formens so fern sind wie der Zinn‐
soldat auf dem Pferdchen, den man in den Spiel‐
zeugschachteln der Buben finden kann.
.Ursache aller dieser irrenden Geschäftigkeit,
die Gutes zu schaffen glaubt und dabei nur das
Miserabelste zu Tage fördert, ist
ein absolutes
Mißverstehen der Kunst des Plastikers.
.Der plastische Sinn des Auges ist
ohne
jede Ausbildung und es fehlt jegliche
Sicher‐
heit des Urteils.
.Was die meisten Nichtkünstler sich unter
einer „guten Plastik” vorstellen, ist, ‒ mit einem
Wort gesagt: ‒
Panoptikumskunst.
.Wenn der neueste Raubmörder durch den
Modelleur des Panoptikums „verewigt” werden
soll, dann schwebt dem Darsteller kein anderes
Ziel vor Augen, als die
möglichst naturge‐
treue Wiedergabe des Verbrechers, in recht er‐
schreckender Vortäuschung des Lebens.
.Sind die gläsernen Augen eingesetzt, Augen‐
brauen, Bart und Haar „recht natürlich” ein‐
geklebt, und ist die Bemalung der Hautflächen
gut gelungen, dann kann der wackere Nachbildner
des menschlichen Scheusals befriedigt auf das
Werk blicken, denn es ist kaum mehr von „der
Natur” zu unterscheiden.
.Der
Künstler aber, der ein plastisches
Kunst‐
werk schaffen will, steht
himmelhoch über dem
Bestreben, derartige plastische „Naturähnlichkeit”
erzielen zu wollen.
.Er spricht die Sprache
dreidimensionaler
Formen, und sein ganzes Wirken zielt einzig
daraufhin, in solchen Formen ein Werk zu ge‐
stalten, das als
eine Symphonie im Reiche
plastischer Formschönheit gelten kann.
.Das Werk des Plastikers, der ein wirklicher
Künstler ist, stellt
eine in sich geschlos‐
sene Welt dar, von der Welt
naturgegebener
plastischer Formen streng
gesondert durch den
künstlerischen Impuls, der hier zu einer Schöp‐
fung reiner
Kunstformen führte.
.Jede Kunst, die von den Formen der äußeren
Welt ihre Anregungen empfängt und sodann
zu Werken gelangt, die als
Kunstwerke ange‐
sprochen zu werden verdienen, kann als eine
Art „
Übersetzung” der Naturformen betrachtet
werden: ‒ eine Übersetzung in
die persön‐
liche Sprache des Künstlers, die wieder be‐
dingt ist durch das
Material, aus dem der
Künstler schafft.
.Es ist
unmöglich, Naturformen sklavisch
kopieren zu wollen und dennoch ein
Kunst‐
werk zu schaffen.
.Kunst ist die Ausdruck gewordene
innere
Welt eines
Künstlers, und steht
als eine
Welt für sich, ‒ nicht mehr den Naturfor‐
men eingegliedert, innerhalb
eigener Form‐
grenzen vor dem Auge des Beschauers.
.Sucht der Beschauer in einem Kunstwerk
lediglich die schöne
Naturform, so fehlt ihm
eben noch der entwickelte Sinn für
Kunst als
solche.
.Er würde besser tun, das, was er sucht, gleich
in der Natur zu suchen, wo es wahrlich zu
finden ist!
.Mehr noch als beim Werke des Malers, fühlt
sich der „Laie” versucht, im
plastischen Kunst‐
werk nach der
Naturform, statt nach der
Kunst‐
form zu suchen, denn während die Malerei auf
der Fläche nur die
Anregung zu dreidimensio‐
naler Raumvorstellung geben kann, ist im
pla‐
stischen Kunstwerk alles nach Höhe, Breite
und
Tiefe gestaltet, und in
dieser Hinsicht
der Naturform analog gebildet.
.Wenn man das Empfindungsvermögen für
plastische
Kunst entwickeln will, muß man da‐
her vor allem von der Suggestion loszukommen
suchen, als habe man es mit einem Gebilde aus
Naturformen zu tun, nur weil plastische
Kunst
ebenso wie jede plastische Form der
Natur sich
im Raume auswirkt.
.Die Formensprache des
Plastikers muß in
der gleichen Weise erkannt und gleichsam zu
„lesen” versucht werden, wie die Sprache der
Farben und Linien in der Malerei, unbeirrt
durch den kunstfremden Anreiz zu Vergleichen
mit den entsprechenden Naturformen.
.Zu solchem Eingehen auf das
Wesentliche
der plastischen Kunst ist die Entwicklung eines
„Sinnes” vonnöten, den ich als „
Tastsinn des
Auges” bezeichnen möchte.
.Das Auge muß lernen, alle die
Flächen,
Wölbungen und Einbuchtungen: ‒ die
„
Buckeln und Höhlungen” des plastischen
Kunstwerkes empfindend abzutasten, das Gefühl
für die Gegensätze und ihren Rhythmus zu ent‐
wickeln, die Harmonie der
in die Tiefe gestal‐
teten Formflächen zu erspüren, um so allmäh‐
lich die persönliche künstlerische Sprache zu ver‐
stehen, die dem Bildhauer allein zur Verfügung
steht, will er seine innere plastische Welt nach
außenhin darstellen.
.„
Plastik ist die Kunst der Buckeln und
Höhlungen”, ‒ sagt
Rodin, und dieses Wort
eines in der Neuzeit, dem künstlerischen Tempe‐
rament nach, jeden Vergleich ausschließenden
plastischen Bildners könnte schon
allein genü‐
gen, auch den kunstfremden „Laien” zum Ver‐
ständnis und zum einfühlenden
Erleben plasti‐
scher Kunst hinzuleiten...
.Er braucht ja nur ein plastisches Werk darauf
hin zu sondieren, ob diese „Buckeln und Höh‐
lungen”
eine kraftvolle,
eindringliche und
innerhalb des Werkes
einheitliche Formen‐
sprache ergeben, ‒ ob sie
seelischem Empfin‐
den Ausdruck schaffen, oder ob sie, leer und
glatt, nur eine konventionelle Scheinwiedergabe
der Natur erstreben, statt eine in sich geschlossene
Welt zu gestalten, der
Natur nur
Schaffens‐
anregung war.
.Während aber
Rodin sich eine fast wie un‐
gebändigt erscheinende, nur
seinem Bildner‐
willen
allein gemäße, persönlich eigene, leben‐
dige Sprache der Formen geschaffen hatte, um
seiner seelischen Bewegung Ausdruck zu geben,
‒ eine Sprache die allen zum leeren Pathos
wurde, die sie zu Lebzeiten oder nach dem Tode
des großen Meisters
nachzuahmen suchten, ‒
erstand in Deutschland eine Bildhauerschule,
angeregt durch Erkenntnisse, die der wohl be‐
deutendste unter den deutschen Plastikern des
neunzehnten Jahrhunderts:
Adolf von Hilde‐
brand, auf seine Schüler übertrug, und auch
in einem kleinen Werkchen: „
Das Problem
der Form” ausführlich darlegte.
.Die Erkenntnisse Hildebrands waren Früchte
eines intensiven und von hohem Kunstverstand
geleiteten Studiums der Alten: ‒ der plastischen
Werke der
Antike und der
Renaissance.
.Die kleine Schrift: „
Das Problem der
Form” versucht darzulegen, daß die Schöpfer
der bedeutendsten Werke plastischer Kunst, deren
sich die Welt zu erfreuen hatte, stets ihre For‐
mensprache zu bändigen strebten durch einen
Willen zu höherer Einheitsform, indem sie ihren
Werken eine ideale, nur zu ahnende
stereo‐
metrische Form zu Grunde legten.
.„Malerisch” gedachte Plastik lehnte Hilde‐
brand ab, und vor allem bekämpfte er die „Rund‐
plastik” ‒ das plastische Gebilde
das von allen
Seiten eine gleich gute Ansicht bilden solle,
‒ und erbrachte auf seine Art den Beweis der
künstlerischen Unerfüllbarkeit solcher Forderung.
.Seiner Auffassung nach soll ein gutes pla‐
stisches Kunstwerk von
einer Ansicht aus sich
entwickeln, und er machte das deutlich durch
den schon von
Michelangelo gebrauchten Ver‐
gleich, daß das Werk in ähnlicher Weise aus dem
Steinblock erstehen müsse, wie eine Figur, die
man in einen gefüllten Wassertrog legt, beim
langsamen Abfließenlassen des Wassers mehr
und mehr zum Vorschein kommt, wobei hier
das allmählich verschwindende Wasser dem fort‐
gemeißelten Stein zu vergleichen wäre.
.Das fertige plastische Kunstwerk soll dann,
nach Hildebrands Forderung, in den plastischen
„Ausladungen”: seinen äußersten, in den Raum
hinausstrebenden Punkten, gleichsam wieder einen
ideellen Block darstellen. Es soll keine Form
des Werkes dem Beschauer
entgegenspringen,
sondern der Blick soll stets von den erhöhtesten,
äußersten Punkten
in die Tiefen der Gesamt‐
form geführt werden.
.Daß dieser Auffassung der künstlerischen,
plastischen Form eine hohe Weisheit innewohnt,
ergibt sich schon daraus, daß auch Plastik
eine
Kunst fürs Auge ist, und daß das Auge
nur
dort eine wohltuende Befriedigung erfährt, wo
die ihm dargebotene Form sich
mit einem
Blick im ganzen erfassen läßt, bevor die Glie‐
derung der einzelnen Teile zur Empfindung
kommt.
.Alles Doktrinäre aber ist im Reiche der bil‐
denden Kunst vom Übel, und so darf man denn
auch gewiß nicht glauben, seit Hildebrand sei
das Problem der künstlerischen plastischen Form
nun ein- für allemal gelöst.
.Es liegt hier, trotz allen Hinweisen Hilde‐
brands auf die große plastische Kunst der Alten,
doch nur eine
individuell gültige Lösung vor,
und ihre blinde Übernahme durch ganz anders
geartete Naturen hat leider Bildwerk genug ent‐
stehen lassen, das hinter formaler „
Geschlos‐
senheit” die ureigene Begabung des jeweiligen
Schöpfers in trister Bindung hält. Es führt lei‐
der nicht immer zu künstlerischer Entfaltung,
wenn die Schüler eines Meisters mit dessen ur‐
eigenen Kunstmitteln auszukommen trachten.
.Der
Suchende auf dem Wege in das Reich
der bildenden Kunst, der erst
sehen lernen
will, wird sich aber
noch mehr wie der Künst‐
ler davor zu hüten haben, irgend einer Kunst‐
Theorie zu verfallen, sei sie auch verstandes‐
mäßig überaus einleuchtend und aufs beste be‐
gründet.
.Die Selbsterziehung zum plastischen Sehen
im künstlerischen Sinne ist leichter als mancher
ahnen mag, der jetzt noch mit einer gewissen
Scheu einen Blick auf plastische Kunstwerke
wirft, im Gefühl der inneren Unsicherheit seines
Urteils, und dem Plastik ‒ wie er meint ‒
„nichts zu sagen” hat, weil er das Werk des
Plastikers noch nicht für sich zum klingenden
„Sprechen” bringen kann, wie allenfalls ein Werk
der
Malerei, für dessen Farben- und Formen‐
sprache auf der ebenen Fläche ihn vielleicht
schon eine gewisse „Gewöhnung” des Auges eini‐
germaßen erzogen hat.
.Aber auch das Erschließen des kunstwertbe‐
stimmenden Inhalts von Werken der
Plastik
verlangt vorerst reichliche Seh-Übungen und hin‐
gebendes Versenken im Betrachten guter plasti‐
scher Kunst.
.Man wird sich entschließen müssen, auch den
Museen
plastischer Bildwerke das gleiche In‐
teresse entgegenzubringen, wie den
Bildergale‐
rien, und man wird dort wie hier gut daran
tun, wenn man endlich die Betrachtung des
Dargestellten ablöst durch Vertiefung in
die
künstlerische Art der Darstellung.
.In der Gebrauchssprache des Alltags gibt es
Worte und Wortverbindungen, die allgemeines
Übereinkommen ruhig gelten läßt, auch wenn
vielleicht zu fragen wäre, ob sie zu Recht be‐
stehen.
.Ein solches Wortklischee soll absichtlich den
Titel dieser kleinen Betrachtung bilden, weil hier
gut sein wird, einmal zu untersuchen, ob die Be‐
zeichnung aller Nichtkünstler als „Laien” sich
unter allen Umständen rechtfertigen läßt, oder
ob es auch künstlerisch begabte Menschen gibt,
die
nicht ausübende Künstler und dennoch
keine „Laien” sind.
.Den etymologisch bekannten Ursprung des
Wortes „Laie”, allwo es
einen Menschen aus
dem Volke meint, nur nebenher streifend, will
ich dieses Wort hier vielmehr in seiner
heutigen,
landläufigen Bedeutung betrachtet wissen.
.Da bezeichnet man denn kurzweg jeden Men‐
schen, der in irgend einem, gewisse Kenntnisse ver‐
langenden Bereich menschlicher Tätigkeit
nicht
fachkundig ist, als einen „Laien” auf diesem
Gebiet, ‒ so, wie nach alter kirchlicher Übung,
jeder Gläubige als „Laie” gilt, gegenüber seinen,
der Gottesgelahrtheit kundigen Glaubenslehrern.
.Sofern es sich demnach im Reich der bilden‐
den Kunst um
die schöpferische Kraft zur
Zeugung künstlerischer Gestaltungen han‐
delt, ‒ ja selbst dort, wo es sich nur um das
dem Künstler geläufige
Handwerk dreht, ‒ läßt
sich die Unterscheidung zwischen Künstlern und
Laien gewiß mit guten Gründen rechtfertigen.
.Anders aber steht es, wenn wir vom
künst‐
lerischen Fühlen sprechen, für das zwar der
Künstler von Natur aus mehr Eignung in sich
trägt als andere Menschen, und dem er allein nur,
kraft seiner Begabung,
Ausdruck zu schaffen
vermag, ‒ das aber durchaus nicht etwa
nur ihm
allein vorbehalten ist.
.Wäre nur dem Künstler
allein die Möglich‐
keit erschlossen,
künstlerisch fühlen zu kön‐
nen, dann würde er sich vergeblich unter Nicht‐
künstlern nach Menschen umsehen, die imstande
wären, sein Werk empfindend in sich aufzunehmen.
.Es gäbe dann wirklich nur eine
Kunst für
Künstler, und alle künstlerische Schöpfung wäre
nur für die künstlerisch Schöpferischen
der Mit- und Nachwelt da.
.Tatsächlich liegt die Zeit ja noch nicht lange
hinter uns, in der man resigniert auf das Kunst‐
interesse der „Laien” verzichten zu müssen meinte,
weil
nur der Künstler Kunst erfassen könne.
.War solche Auffassung auch töricht, so lag
ihr doch die Erkenntnis einer
Wahrheit zu‐
grunde: ‒ der Wahrheit, daß Kunst nur dem
künstlerisch empfindenden Menschen faßbar
werden kann.
.In der Welt der
Musik ist man sich längst
über diese Wahrheit klar.
.Man spricht da von „musikalischen” und „un‐
musikalischen” Menschen, und man weiß sehr
genau, was auch den Hochbegabten unter den Mu‐
sikalischen immer noch vom berufenen
Schöpfe‐
rischen: ‒ vom
Komponisten, ebenso aber
auch vom nur
reproduzierenden, zur
konge‐
nialen Einfühlung in Schöpferisches berufenen
Künstler scheidet.
.Ja, man darf sagen: ‒ je begabter der mu‐
sikalische Mensch ist, desto weniger wird er in
Gefahr kommen, sich selbst für einen „Künstler”
zu halten, wenn er es nicht ist.
.Er wird kaum in Versuchung geraten, selbst
komponieren zu wollen, und wenn er wirklich
zu den Ausnahmen gehört, die auch da einmal
einen Versuch wagen zu dürfen glauben, dann
wird es ihm doch gewiß nicht im Traume ein‐
fallen, zu erwarten, daß seine Kompositionsver‐
suche nun in den großen Konzerten aufgeführt
werden müßten. Ebensowenig wird er Klavier‐
konzerte geben wollen, auch wenn er imstande
ist, recht Schwieriges vorzüglich vom Blatt zu
spielen.
.Ein „musikalischer” Mensch ist innerhalb des
Bereiches der Musik keineswegs „Laie”, und
empfindet sich auch gewiß nicht als solchen.
.Der „Musikalische” ist der ideale
Verstehende
für das schöpferische Werk des Komponisten, ‒
ist befähigt und genügend künstlerisch gebildet,
alle Werte und Schönheiten des Werkes empfin‐
dend in sich aufzunehmen.
.Auch die
bildende Kunst hat solche ideale
Verstehende sehr nötig.
.Auch hier braucht der Schaffende die
Lie‐
benden: ‒ Einfühlungsfreudige, Einfühlungs‐
fähige, die keineswegs „Laien” sind, sich aber
ebensowenig für „Künstler” halten.
.Es handelt sich nur um durch und durch künst‐
lerisch gebildete, feinempfindende Menschen, ‒
und wie die „Musikalischen” Begabte des
Gehörs
sind, so braucht die bildende Kunst Begabte des
Auges!
.Leider haben wir im Sprachschatz der
bilden‐
den Kunst kein so sicher definierendes
Wort,
wie es der Tonkunst zu Gebote steht, die ihre
begabten und künstlerisch gebildeten Empfinden‐
den „
musikalisch” nennt.
.Der Mangel eines gleichwertigen Wortes im
Bereich der
bildenden Kunst trägt sehr viel
Schuld daran, daß hier die entsprechende breite
Schicht künstlerisch erzogener Verstehender
fehlt.
.Aber es fehlen nirgends die Menschen, die
einen solchen Kreis Kunstkundiger auch für die
bildende Kunst ergeben könnten, nur ‒
ver‐
stehen sie sich und ihre Begabung falsch!
.Sie mißverstehen ihre Begabung zu künst‐
lerischem
Empfinden kurzerhand dahin, daß sie
wohl zum künstlerischen
Schaffen berufen seien,
und geben diesem fatalen Mißverständnis gerne
nach, bis sie jeden Maßstab sich selbst gegenüber
verlieren und ihr belangloses Tun dann eitelfroh
dem Wirken wirklich schöpferisch Begnadeter
gleicherachten.
.Die Skala dieser „Künstlerischen” die sich
dem Irrtum ergeben, Berufene des
Schaffens
zu sein, reicht sehr hoch hinauf.
.Aus dem Mißverstehen ihrer selbst heraus
haben viele sich verleiten lassen, Akademien und
Kunstschulen zu besuchen, haben dort mancher‐
lei gelernt, und halten sich nun allen Ernstes für
schaffende „Künstler”, ‒ werden auch wohl zu‐
weilen von
wirklichen Künstlern, ohne sonder‐
liche Neigung zu kritischer Wertung, gutmütig
als „Kollegen” betrachtet, und fühlen sich dann
sehr ungerecht beurteilt, wenn ein Kunstkundiger
in ihren Werken
den Mangel an schöpferi‐
scher Kraft erkennt, auch wenn das Erlernbare
gut bewältigt ist.
.Nun ist es freilich sehr schwer für die solcherart
Selbstbetörten geworden, noch zu einer erbar‐
mungslosen
Klarheit über sich selbst zu kommen,
denn aus dem anfänglichen Mißverstehen einer
Begabung resultierte ein Alltagsberuf, der auf‐
gegeben werden müßte, würde erkannt, daß er
nur einer Selbsttäuschung zu verdanken ist, daß
die eigentliche
Berufung zum künstlerischen
Schaffen
fehlt.
.Zu Anfang nur läßt sich hier das Verderben
einer Erdenlaufbahn noch
verhüten, wenn der
künstlerisch Empfindende rechtzeitig erkennt, daß
ein kunstgebildeter, begabter
Aufnehmender
für die Kunst
wahrhaft bedeutsam werden
kann, während das Dasein eines unschöpferischen
Malers oder Bildhauers weder ihn selbst beglücken
noch der Kunst in irgend einer Weise Förderung
bringen wird.
.Das Musikverständnis hätte nie die relative
Höhe erreicht, auf der wir es heute innerhalb
weiter Gesellschaftskreise antreffen, ohne die klare
Einsicht der „Musikalischen” in ihre Befähigung
und deren Grenzen.
.Bescheiden, aber dennoch seiner Begabung
wohlbewußt und froh, erfreut sich der „Musika‐
lische” seines Einfühlungsvermögens an den Wer‐
ken der wirklich zum Schaffen Berufenen, und
er wendet sein technisches Können lediglich an,
um solche Werke
zu studieren und seinem Emp‐
finden näher bringen zu können.
.Vergleicht man die „Musikalischen”, wie es
hier geschieht, mit den zur Empfindung bildender
Kunst Begabten, so läßt sich wohl sagen, daß
unter den für
Musik Empfindungsfähigen, weit
mehr
Selbstkritik, weit mehr
Ehrfurcht vor
der Kunst zu finden ist.
.Tausende von Konzerten würden nicht aus‐
reichen im Jahr, wenn alle „Musikalischen” die
auf ihrem Instrument gleichviel, wenn nicht mehr
leisten, wie die Überzahl der Füller moderner
Kunstausstellungen als Maler oder Plastiker, sich
ebenso vor dem Publikum produzieren wollten. . .
.Es ist wahrlich an der Zeit, daß auch die für
das Empfinden der bildenden Kunst Begabten,
aber nicht zu schöpferischem Künstlertum Be‐
rufenen, sich ihres Eigenwertes als Kunst-Lie‐
bende bewußt werden, die ganz gewiß nicht mehr
als „Laien” zu bezeichnen sind.
.Der Besucher periodischer Ausstellungen,
wie sie von den verschiedenen Künstlerkorpo‐
rationen von Zeit zu Zeit veranstaltet werden,
sieht mit mehr oder weniger Freude alle die zur
Beschauung dargebotenen Werke, er bewundert,
oder äußert sein Mißvergnügen, aber er denkt
kaum an die vielen Enttäuschten, die ihre Werke
zur gleichen Schau eingesandt hatten, deren Ar‐
beiten aber von der ihres undankbaren Amtes
waltenden Jury
abgelehnt werden mußten. (Wie
bitter dem auswählenden Juror die Ablehnung
des notorisch Bedeutungslosen zuweilen werden
kann, da er doch die Enttäuschung voraussieht,
die er damit schaffen muß, weiß ich aus genü‐
gender eigener Erfahrung in dieser verantwort‐
lichen Tätigkeit.)
.Noch weniger kommt dem nicht mit dem
Werden einer Kunstausstellung Vertrauten zu
Bewußtsein, mit welchem Unbehagen so man‐
cher der Künstler, deren Werke an den Wän‐
den hängen, die von der Jury getroffene
Aus‐
wahl konstatiert, indem er zwar eine oder die
andere seiner Arbeiten ausgestellt findet, aber
gerade
das Werk
vermißt, dessen Annahme ihm
besonders erwünscht gewesen wäre.
.Die Verbitterung über solche gänzliche oder
teilweise Ablehnung ist nur zu begreiflich.
.Die Künstler selbst hielten ja doch ihre ein‐
gesandten Werke sicherlich für wertvoll genug,
um sie mit Ehren öffentlich zeigen zu können,
und mancher hatte vielleicht hohe Hoffnungen
gehegt, seines Erfolges in der Öffentlichkeit zum
voraus schon allzusicher.
.Man darf es den Zurückgewiesenen kaum ver‐
argen, wenn sie sich außerstande sehen, die von
der Jury getroffene Auswahl auf
objektive
Gründe zurückzuführen, ‒ wenn sie statt dessen
persönliche Motive, oder
Gegnerschaft ge‐
genüber ihrer eigenen Kunstrichtung als wahre
Ursache der Ablehnung zu erkennen glauben.
.Begreiflicher Ärger über die vermeintliche un‐
gerechtfertigte Kränkung tobt sich so gegen die
Jury aus und sieht in ihr nur ein böses Hemm‐
nis auf dem Wege zum Erfolg.
.Nun gibt es zwar gewiß Kunstausstellungen,
bei denen jeweils
im voraus feststeht, wessen
Werke ausgestellt werden sollen, so daß auch das
beste Bild, die beste Plastik eines
nicht zum
Kreise der vorbestimmten Aussteller gehörigen
Künstlers schonungslos refüsiert wird.
.Aber von derartiger Ausstellungsmache darf
man wohl im allgemeinen absehen, und in dieser
Abhandlung hier soll uns nur die ebenso ver‐
antwortungsvolle wie undankbare Aufgabe einer
gewissenhaften und
nicht durch kunstferne Ver‐
pflichtungen gebundenen Jury beschäftigen.
.Ein solches Kollegium kunstkundiger Beur‐
teiler wird nie ein anderes Ziel seiner Tätigkeit
kennen, als
die Förderung wirklicher Kunst,
und bei Verfolgung dieses Zieles ergibt sich na‐
türlich die
Pflicht, alle Scheinkunst, alles nur
halbgekonnte oder sonstwie Wertlose von den
Ausstellungen fernzuhalten.
.Soll die Einrichtung einer Jury bei Kunst‐
ausstellungen überhaupt
Daseinsberechti‐
gung haben, dann müssen die Juroren
kunst‐
erzieherisch wirken wollen.
.Um so zu wirken, müssen sie alles ablehnen,
was sich als „Kunst aus zweiter Hand” heraus‐
stellt, was die
Ursprünglichkeit vermissen
läßt, die das Werk eines echten Künstlers unter
allen Umständen von der Mache unschöpferischer
„geschickter Maler” oder „virtuoser Modelleure”
unterscheidet.
.Eine solche Unterscheidung ist aber für das
geübte Auge so
sicher zu treffen, wie Schwarz
von Weiß zu unterscheiden ist!
.Die
Scheinkünstler werden jedoch immer
die im Reiche der Kunst noch
Unkundigen
auf ihrer Seite haben.
.Beide Kategorien glauben in ihrer Ahnungs‐
losigkeit, daß eine gewisse angelernte Fertigkeit
im Technischen und ein leidlicher Farbenge‐
schmack ausreichend seien, um ein gutes Bild zu
malen, oder daß ein anatomisch richtig model‐
lierter Akt schon ein Kunstwerk der Plastik sein
müsse, ‒ von dem Heer der Reißbrett-„Archi‐
tekten” nicht zu reden, die jedes originale Werk
wirklicher Baukünstler für vogelfrei halten, nur
dazu entstanden, um schwachen Nachempfindern
als Formenvorlage zu dienen.
.Bilder, die übermalten Photographien zum
Verwechseln ähnlich sehen, oder aller künstle‐
rischen Formgedanken bare Plastik im Stil der
Zuckerbäckerfiguren werden für „Kunst” gehal‐
ten, aber man steht vor Rätseln, wenn sich irgend‐
wo wirkliche
Ursprünglichkeit, wirkliches
schöpferisches Künstlertum offenbart.
.Nur diese echte
Ursprünglichkeit aber,
nur
das künstlerische Bekenntnis der Seele,
gehört in eine Kunstausstellung, die mehr sein
will als ein Verkaufsbazar.
.Erzieherisch kann eine Ausstellung von Wer‐
ken der bildenden Kunst nur dann wirken, wenn
den im Reiche der Kunst noch Unkundigen Ge‐
legenheit geboten wird, Auge und Empfindungs‐
vermögen an Schöpfungen zu schulen, die sichere
Beweise dafür sind, daß die Urheber
keine an‐
deren Beweggründe zum Schaffen kannten, als
den Gehorsam gegenüber dem „
Daimonion” in
ihrer Seele.
.Wer das nicht in sich trägt, der weiß natürlich
auch nicht, von was da gesprochen wird. Oder: er
hält gar seine Freude an seiner Geschicklichkeit
beim Hantieren mit Pinsel und Farbe, mit Ra‐
diernadel und Ätzwasser, mit Modellierholz und
Tonerde, für den „Gott” in seiner Brust.
.Wer aber nur malt, zeichnet, radiert oder
modelliert, weil er es nun einmal leidlich zu‐
stande zu bringen versteht, dessen Arbeiten ge‐
hören gewiß nicht in eine ernst zu nehmende
Kunstausstellung.
.Derartige Leute sind zahlreich wie Butter‐
blumen, aber man braucht in einer Ausstellung
die Wände viel zu nötig um wirkliche
Kunst,
um das
Erlesene und
Seltene, oder doch das
zu respektierende
Ringen nach höchsten Werten
vor Augen zu stellen, als daß man verantworten
könnte, bloße
Geschicklichkeitsproben dort
zu zeigen.
.Es mag im Einzelfalle recht traurig sein, wenn
ein Mensch, der nicht
den Beruf zum Künstler
empfing, sich mit dem
Material und
Werkzeug
des Künstlers
sein Brot verdienen muß, und
dann die herbe Enttäuschung der Ablehnung
seiner Arbeiten in den Kunstausstellungen er‐
fährt, in denen er die Anerkennung als „Künst‐
ler” zu erlangen hoffte.
.Aber es ist nicht gleichgültig,
womit man
sein Brot verdient, und wenn man es durch
Täuschung seiner Mitmenschen zu erwerben
sucht, so ist das ethisch
unbedingt verwerflich.
.Jeder, der ein Bild an seine Wand hängt
oder eine Kleinplastik in seiner Wohnung auf‐
stellt, möchte in diesem Besitz ein
Kunstwerk
sein eigen nennen, auch wenn er
nichts von
der Sache versteht, und irgend eine kunstleere
Fleißarbeit für „Kunst”
hält.
.Dem Publikum zu zeigen, was
wirkliche
Künstler-Tat
ist, dem Unkundigen im Reiche
der Kunst
die Augen zu öffnen, damit er
Kunst von Mache
unterscheiden lerne, ‒ dazu
sind Kunstausstellungen berufen, und wenn sie
daneben den
Verkauf der ausgestellten Werke
vermitteln, so schaffen sie zugleich die
mate‐
rielle Basis für die Erhaltung echten künstle‐
rischen Schaffens.
.Eine
Jury wird ihr Amt nur dann gerecht
verwalten, wenn sie in unerbittlich strenger Sie‐
bung von der ihrer Sorge anvertrauten Ausstel‐
lung alles fernhält, was nicht die Weihe echter
Künstlerschaft sichtbarlich dokumentiert.
.Es soll gewiß nicht bestritten werden, daß
einem Künstler auch von einer nach gerechter
Wägung strebenden Jury aus menschlich versteh‐
baren Gründen irgendwelches
Unrecht angetan
werden kann, aber solches Unrecht geschieht viel
seltener als die Halb- und Scheinkünstler meinen,
und ist es wirklich einmal geschehen, so läßt die
Korrektur des Fehlurteils gewöhnlich kaum lange
auf sich warten.
.Weit bedenklicher wirkt sich
die allzuweit‐
herzige Liberalität einer Jury aus, was so
manche Kunstausstellung mit drastischer Deut‐
lichkeit zeigt, ‒ besonders dort, wo die
Masse
der Darbietungen schon den erzieherischen Wert
der Veranstaltung in Frage stellt.
.So unabweisbar auch die Pflicht einer verant‐
wortungsbewußten Jury besteht,
jede Kunst‐
richtung und
jede persönliche Eigenart zu för‐
dern, sobald das zu beurteilende Werk
schöpfe‐
rische Qualitäten aufweist, so sehr müssen die
für eine Kunstausstellung Verantwortlichen sich
davor hüten, aus Gründen, die mit der Kunst
nichts zu tun haben, Arbeiten mit aufzunehmen,
wie sie auch jede „juryfreie” Ausstellung in
Masse, und
neben dem in ihr zu findenden
Echten, zeigt, weil sie da, wohl oder übel, ge‐
zeigt werden
müssen.
.Wie der
Künstler nur im Vertrauen auf die
Urteilssicherheit einer Jury ihr sein Werk
vorlegen kann, so muß auch das Publikum sicher
sein, daß Werke, die eine Künstler-Jury passierten,
wahrhafte
Kunstwerke sind, und wert, erwor‐
ben zu werden.
.Ich weiß sehr wohl, weshalb ich einer weit‐
aus ernsteren Auffassung des Jurorenamtes bei
der Vorbereitung von Kunstausstellungen das
Wort rede, umsomehr, als ich ja ausschließlich
für Andere spreche.
.Ohne hier irgend einer Künstlerkorporation
oder Ausstellungsleitung zu nahe zu treten, und
ohne damit ein Geheimnis preiszugeben, glaube ich
doch an die vielen schwächlichen Ausstellungs‐
stücke erinnern zu müssen, von denen jeder mit
den Verhältnissen Vertraute weiß, daß diese Bil‐
der und Plastiken nur darum in eine jurierte
Kunstausstellung gelangten, weil der Verfertiger
ein Schützling oder Freund eines der amtierenden
Juroren war, der wieder seinerseits die Stimmen
seiner Mitjuroren nur erlangte, weil die seine
bei der Beurteilung eingesandter Werke der
Freunde und Schützlinge
anderer Juroren ge‐
braucht wurde.
.Mit
solchen Gepflogenheiten sollte, wo im‐
mer sie noch bestehen, im Reich der Kunst
end‐
gültig aufgeräumt werden, wenn jurierte Aus‐
stellungen noch daseinsberechtigt bleiben wollen.
.Unter den Besuchern einer modernen Kunst‐
Ausstellung kann man jeweilen eine ganz beson‐
dere Kategorie herausfinden, die meist schon zu
einem gewissen künstlerischen Empfinden gelangt
ist aber nun dunkel zu fühlen glaubt, daß ein
völliges Erfassen eines Kunstwerkes auch ein
genaues Wissen um seinen
Werdeprozeß in sich
schließen müsse. Man fängt dann an, Belehrung
über das
Technische zu suchen, liest Bücher
über die Technik der Malerei und der graphischen
Künste, ist schließlich beglückt, wenn man her‐
ausfinden kann, ob ein Bild in Öl- oder Tempera‐
farben gemalt ist, ob es sich bei einer Radierung
um eine Kaltnadelarbeit oder ein Aquatinta-Blatt
handelt, und bleibt zuletzt dennoch wieder un‐
befriedigt, weil man fühlt: ‒ es fehlt da
immer
noch etwas, das man
nicht aus Büchern lernen
kann und das einem auch die Künstler, wenn
man sie fragt, niemals so richtig erklären können.
„Man müßte halt öfters Gelegenheit haben, dabei
zuzusehen, wie so ein Werk entsteht!”
.Aber auch dieses
Zusehen würde den Un‐
befriedigten nicht weiter bringen, denn was er
eigentlich
sucht, ist gar nicht das handwerklich
Technische an sich, sondern etwas, das
hinter
diesem Handwerk steht, und das sich seiner nur
bedient, um sich Ausdruck zu verschaffen. Er
sucht den
Geist der Technik im Werke und
meint ihn zu finden, wenn er über das Hand‐
werkliche Bescheid wüßte.
.In der bildenden Kunst ist aber Form
und Inhalt völlig identisch, und jeder etwa
vom Beschauer festzustellende,
nicht in der Form
beschlossene „Inhalt” eines Kunstwerkes ist nur
Zugabe, hat mit dem eigentlichen
Kunst-
Inhalt
nichts zu tun! Die
Form des Werkes bedingt
seine
Technik, denn alles Technische an einem
Kunstwerk ist nichts weiter, als
Gestaltung
seiner Form, mithin: Aussprache seines Inhalts.
.Es kann den Beschauer auf keinen Fall zu
einem tieferen Erfassen führen, wenn er auch
noch so genau Bescheid weiß über die handwerk‐
lich technischen Bedingungen, die der Künstler
bei Gestaltung der Form zu beachten hatte, da‐
gegen wird jeder Beschauer
erst dann zu einem
eigentlichen
Kunstgenuß kommen, wenn er von
allem
gegenständlich faßbaren „Inhalt”
ab‐
sieht und den
Aufbau der Form, wie ihr
in‐
neres Leben, zu ergründen sucht.
.Das ist es, was jene vorhin geschilderten Aus‐
stellungsbesucher dunkel fühlen, wenn sie meinen,
ein Verständnis der „
Technik” könne ihnen das
Kunstwerk näher bringen! Sie können nur noch
von dem
begrifflich faßbaren „Inhalt” der
Kunstwerke nicht los und wissen nicht, daß sie
mit ihrer Frage nach technischem Wissen ‒ eigent‐
lich nur nach dem einzig wertgebenden
Kunst‐
Inhalt suchen. Es äußert sich in ihnen ein
ele‐
mentares Kunstgefühl, das auch durch den
schönsten
gegenständlichen Nebeninhalt eines
Kunstwerkes niemals befriedigt werden kann. So
sehr auch dieser äußerlich erfaßbare
Nebenin‐
halt die Seele, ‒ wie etwa bei den großen Mei‐
sterwerken der Alten, ‒ zu
ergreifen, zu
erheben vermag, so wird doch der Beschauer,
solange er noch nicht bis zum
Geheimnis der
Form vorgedrungen ist, das Gefühl nicht los
werden, daß ihm zur
völligen Ergründung des
Werkes doch noch
etwas fehle, und dieses Ge‐
fühl täuscht ihn nicht, nur täuscht er sich selbst,
wenn er glaubt, das, was ihm fehlt, sei das Ver‐
ständnis für die „Technik”.
.Ihm fehlt nichts weiter, als die Übung:
For‐
men „lesen” zu können, und das will genau so
gelernt werden, wie man als Musiker
Noten lesen
lernen muß, wenn es auch nicht ganz so schwer
ist, denn Noten sind willkürliche Zeichen, deren
klangliche Erfassung vieles voraussetzt, wäh‐
rend die Formen eines Kunstwerkes
durch das
menschliche Selbstempfinden bedingt sind
und durch
bloße Einfühlung schon erfaßbar
werden.
.Sehr klar wird das, was Formen zu sagen
haben, wenn man nur an
lineare Formen denkt.
.Aufrecht emporstrebende Linien lösen in uns
ohne weiteres die Empfindung stolzen Aufrecht‐
stehens aus, horizontale Linien geben uns das
Gefühl des Hingelagertseins, und so löst
jedes
Lineament
Bewegungsimpulse in unserem Kör‐
per aus, die eine offene Seele in ihre Empfindungs‐
Sprache überträgt.
.Aber auch Hell und Dunkel sprechen in dieser
Sprache, und wenn hier von dem Geheimnis der
Form die Rede ist, so darf man nicht etwa glau‐
ben, daß die
Farben eines Bildes in diesem Sinne
nicht zur Form gehören würden!
.Wir reden hier nicht von
gegenständlichen
Formen, sondern von der
Kunstform, in der
allein die Intuition des Künstlers ihren Ausdruck
findet.
.Da steht bei einem Gemälde die
Farbe in
allererster Linie, und
jede Farbe, ganz gleich
auf welchen Gegenstand der Darstellung sie sich
beziehen mag, ist in einem guten Kunstwerk
gleichsam eine gespielte „Note” der ganzen Sym‐
phonie und kann nur verstanden: also
richtig
empfunden werden, wenn man imstande ist, ihre
Beziehungen zu sämtlichen
anderen Farben des
Bildes zu entdecken und,
losgelöst vom Ge‐
genstande, in sich nachzuerleben.
.Welches Bindemittel der Künstler für seine
Farben wählt, ob er sie dick oder dünn aufstreicht,
welche handwerklichen Bedingungen er beherr‐
schen muß, um dieses ganze Gebilde hervor‐
bringen zu können: das sind alles Dinge, die
sozusagen „hinter den Kulissen” vorgehen, wäh‐
rend es für den Beschauer einzig darauf ankommt,
‒ wenn wir hier den Vergleich beibehalten wollen,
‒ das eigentliche „Bühnenbild”, so wie es der
Künstler vor uns hinstellte,
einfühlend zu er‐
leben, wobei ich allerdings gewiß nicht nur an
eine, dem Bühnenbild des Theaters ähnliche, oder
vergleichbare Bildgestaltung denke.
.Wer sich einmal klar darüber wird, daß es
beim „Kunstgenuß”, oder sagen wir doch lieber:
bei dem
Erleben dessen, was Kunst ist, lediglich
auf das
Erleben der Form des Kunstwerkes,
auf das Erfassen des inneren Lebens der Form‐
teile untereinander und in ihrer Beziehung zum
Ganzen ankommt, und daß
hier allein aller
eigentliche Kunstinhalt zu finden ist, ob es sich
nun um die Sixtinische Madonna, oder um die
Hille Bobbe von Frans Hals, um den Parthenon‐
fries, oder die Bürger von Calais von Rodin han‐
delt, der wird auch bald den richtigen Weg
finden, der ihn zum Erfassen neuerer Kunst‐
werke, zum Verstehen der noch fremdartig
wirkenden Bestrebungen in der bildenden Kunst
führt. Wenn er ein Mensch ist, der sich selbst
seine Irrtümer einzugestehen pflegt, dann wird
er vielleicht mit einer gewissen Beschämung
im Herzen nun wieder vor Werken stehen, die
er noch vor kurzem ahnungslos zu verlachen
wagte, und wird kaum begreifen können, daß
hier, wo ihn jetzt tiefstes Miterleben erfaßt, für
ihn früher nichts anderes zu sehen war, als ein
„unverständliches” Chaos, das ihm „wie das Werk
eines Irrsinnigen” erschien, nur weil er selbst
mit seinen Sinnen in der Irre war und die
Formsprache der Kunst auch dort noch kei‐
neswegs zu lesen verstand, wo er bedingungslos
Beifall spendete und die Kunstwerke längst zu
verstehen glaubte.
.In den Auslagefenstern der Buchhändler fin‐
det der Vorübergehende neben all den Romanen
des Tages, neben aktuellen und klassischen Bü‐
chern, eine neuartige Literatur, die sich immer
mehr einzubürgern scheint. Sie handelt in man‐
cherlei Abwandlungen: von marktschreierischer
Geschäftigkeit bis zu stillem, ernsten Ethos,
von der weltbewegenden Kraft des
Willens.
.Vielleicht ist es gut, daß solche Bücher ge‐
lesen werden, denn
von tausend Menschen wissen
neunhundertneunundneunzig ihren Willen noch
nicht zu gebrauchen und halten sich für „wil‐
lensstark”, weil sie hypnotisierte Sklaven ihrer
Affekte sind.
.Wer möchte bezweifeln, daß ein
geschulter
Wille das Leben
besser zu leben lehrt, als
willenlose Schwäche, die weder befehlen noch
gehorchen kann?
.Und dennoch gibt es einen Bezirk des Le‐
bens, in dem der Wille die edelsten Blüten ver‐
nichtet, in dem er als Zerstörer auftritt, sobald
er gerufen wird.
.Ich weiß, daß ich mich mit vielen in Wider‐
spruch setzen werde, aber jeder wahre Künstler
wird mich ohne weiteres verstehen, wenn ich
sage, daß
das Reich des künstlerischen Schaf‐
fens
dem Willen entrückt bleiben muß, soll
seelisch Tiefstes in der Sprache der Kunst zu‐
tage treten.
.Man spricht zwar vom „Kunstwillen” eines
Zeitalters, von dem, was einzelne Künstler „wol‐
len”, aber man sollte hier richtiger vom Kunst‐
Trieb sprechen, vom inneren Zwang des
Müs‐
sens, unter dem ein jeder wahrhafte Künstler
steht, denn alles „Gewollte” bedeutet in der
Kunst
Verfälschung, läßt bloßes Handwerk
übrig, wo das Werk mit heiliger Glut erfülltes
Priestertum fordert.
.Gewiß muß der Künstler das Handwerkliche,
das ihn erst zur Darstellung befähigt, von Grund
auf verstehen, allein, das ist allererste
Vorbe‐
dingung und würde ihn, für sich allein be‐
trachtet, niemals zum
Künstler machen.
.Als
Künstler muß er seiner tiefsten
see‐
lischen Erregung folgen und
nicht den Im‐
pulsen seines Willens, wo immer sie ihre Aus‐
lösung gefunden haben mögen.
.Je rücksichtsloser er sich seinem inneren,
kunstgemäße Formgestaltung heischenden „Müs‐
sen” ohne Widerstand ergibt, desto reiner wird
das Werk der Kunst sein, das er schafft.
.Deshalb kann auch ein wahrer Künstler nie‐
mals ein „Programm” aufstellen, nach dem er
zu schaffen gedenkt, ohne dadurch sein Werk
auf das Empfindlichste zu schädigen, ohne es in
seinem Besten zu verfälschen.
.Der
Wille des Schaffenden muß stets be‐
schränkt bleiben auf das Gebiet des rein
Hand‐
werklichen, in dem sein künstlerisches Müssen
Ausdruck finden soll. Er kann nur die
Mittel
wählen, die seinem seelischen Gestaltungstrieb
am besten
dienen werden.
.Sobald er das
Mittel zum
Zweck werden
läßt, sobald ihm
Technisches mehr gilt als
Seelisches oder von ihm auch nur auf gleiche
Stufe erhoben wird, bringt er
Attrappen statt
wahren
Lebens, gibt er Steine statt Brot.
.Ich sehe die Kunst unserer Tage mehr denn
je in dieser Gefahr...
.Man spricht mehr denn je vom „Geiste” und
von „geistigem Ausdruck” in der Kunst, aber
man meint diesen Geist zu besitzen im
Affekt
und seinem Ausdruck: der
Geste. Man weiß
nichts mehr vom
Geiste, der
lebensschwanger
über dem Chaos schwebt und der
allein in
der zum Leben drängenden Form das Leben
ins
Dasein rufen kann.
.Der
Wille der Künstler hat die Grenze über‐
schritten, die ihm gezogen ist, und drängt sich
überlaut in das geheimnisvolle Flüstern der gött‐
lichen Stimme, die allein den Schaffenden leiten
kann, soll eine
Schöpfung und nicht eine
Mache entstehen.
.Die Künstler selbst sehen ihren Irrtum nicht.
.Befangen im Affekt, nennen sie den Über‐
griff des Willens in ein Gebiet, das ihm ewig
verschlossen bleiben sollte, ihren
Willen zu
einem neuen Stil.
.Ja, ihre Wortführer gehen so weit, diesen Stil
bereits zu definieren, und erklären aller Kunst den
Krieg, die nicht „die Zerrissenheit unserer Zeit
zum Ausdruck bringt”. (Das ist wörtliches Zitat!)
.Weiter läßt sich die Verwirrung kaum mehr
treiben, und so sehen wir denn Tag für Tag mehr
Hände und Gehirne am Werk, ein künstlerisches
Chaos zu gestalten, Hände und Gehirne, die,
zum Teil, vielleicht die Weihe in sich tragen, um
aus Chaotischem einen Kosmos schaffen zu kön‐
nen, vorausgesetzt, daß sie sich selbst ihrer der‐
zeitigen Versklavung an das Chaos bewußt wür‐
den und ihr zu entfliehen trachteten.
.All dies Unheil aber entsteht aus einem fol‐
genschweren Mißverständnis des Stil-Begriffes.
.Stil,
als ein Lebendiges, entsteht
ungewollt,
sobald die Triebkräfte eines Lebens in Harmonie
zusammenwirken.
.Was man aber in unseren Tagen als „Stil”
bezeichnet, ist nur versteinerte
Geste, ist uni‐
forme
Konvention und nichts mehr.
.„
Gewollter Stil” ist ein Widerspruch in
sich selbst.
.Entweder, ein Mensch
hat Stil infolge der
Harmonie seiner lebendigen Kräfte, und dann
wird sich dieser Stil auch seinen
Werken mit‐
teilen, falls er ein Künstler ist, oder er hat ihn
nicht, er ist selbst „stillos”, dann wird all sein
„Wille zum Stil” auch seinem Werke nicht zum
Stil verhelfen, sondern bestenfalls eine leere
Form zu Tage fördern, eine Attrappe, die un‐
mündige Seelen täuscht durch ihre große Geste,
der das Leben fehlt.
.Sein Werk gleicht dann der Vogelscheuche,
die erst den Spatzen imponiert, bis sie schließ‐
lich doch merken, daß ‒ „nichts dahinter ist”.
.So ist denn auch alles große Getue, das
sich als Fundamentlegung zu einem neuen Zeit‐
stil gebärdet, eitel Torheit und aufgeblasenes
Gernegroßtum, denn was vom Einzelnen gilt, das
gilt hier auch von den
vielen Einzelnen, die
eine Zeitgemeinschaft bilden.
.Wollen wir die Sehnsucht nach einem „Stil
unserer Zeit” befriedigt sehen, dann muß der
„
Wille zum Stil” verschwinden.
.Dann muß der Wille zurückverwiesen wer‐
den in seine ihm zukommenden Grenzen, muß
dienen lernen, dienen
wollen, wo er jetzt den
Herrn spielen möchte. Und
wäre es nur immer
noch
wirklicher „
Wille”, der sich so gebärdet!
Es ist ja doch allermeistens nichts anderes als
ungezügelter
Affekt, der seine Zeit gekommen
wähnt, sich auszutoben.
.Zu wahrhaftem
Stil in der Kunst gelangen
wir nur, wenn jeder Künstler wieder
in Ehr‐
furcht vor dem Gott in seiner Brust zu seinem
Handwerkszeug greift; auf nichts bedacht, als
seiner Seele Schöpfungsdrang zu folgen, und
seine Mittel zu treuem Dienste am Werk der
lebendigen Gestaltung zu erziehen.
.Mag dieser Stil dann „groß” genannt werden
oder nicht, er wird
unser Stil sein, er wird der
Nachwelt zeigen, daß auch in uns etwas wirklich
Echtes lebte, nicht nur der Talmi-Firlefanz, auf
den allein sie schließen müßte, blieben aus un‐
serer Zeit keine
anderen Werke der Kunst er‐
halten, als die verkrampften hohlen Ausdrucks‐
gesten und Kunst-Grimassen derer, die sich als
Pioniere einer neuen „stilvollen Kultur” gebär‐
den und selbst nicht fühlen, daß ihre ganze
Mache den Kapriolen der Clowns im Zirkus
zum Verwechseln ähnlich ist, ‒ nur leider
nicht
so ernst zu nehmen bleibt, wie diese Arbeit
ehrlicher Artisten.
.Ich will hier nicht von Werken sprechen, zu
denen der Maler, wie etwa ehedem Gabriel von
Max, durch
spiritistische Séancen angeregt
wurde, oder gar von den fragwürdigen Erzeugnis‐
sen „begnadeter” Mal-Medien und solcher Maler,
die sich gerne dafür halten lassen. Es wird viel‐
mehr die Rede sein vom Übersinnlichen im
Schaffensvorgang bei einem
jeden wahrhaf‐
tigen
Künstler, ‒ von dem geheimnisvollen
Etwas, das die treibende
Ursache des Schaffens
bildet: von den in sinnlichen Formen Darstellung
suchenden
Seelenkräften, die in manchen Men‐
schen, ‒ den echten „
Künstlern”, ‒ in einer
nach Ausdruck drängenden Tendenz gegeben sind,
um dann durch die künstlerische Tat zu Tage zu
treten.
.Der Laie macht sich im großen und ganzen
meistens eine sehr irrige Vorstellung zurecht, wenn
er sich das Schaffen, das Schaffen-
müssen eines
wirklichen Künstlers erklären will.
.Die fast allgemeine Annahme ist, daß ein sol‐
cher Mensch eben sein Métier „gelernt” hat und
nun bestrebt ist, es anzuwenden. Man verwechselt
das Künstlertum mit dem erlernbaren
Beruf,
der ihm zur Schaffens-Äußerung
verhilft, wäh‐
rend es eine psycho-physisch begründete, ange‐
borene Eignung eines Menschen ausmacht, der
Vermittler sinnlich faßbaren Ausdrucks für sonst
unfaßbare Seelenregungen zu sein.
.Was sich für einen geborenen Künstler
er‐
lernen läßt, ist nur
die technische Handha‐
bung der Ausdrucksmittel seiner Kunst, was
sich
üben läßt, ist
die Beobachtung der in
seiner Kunst zu brauchenden Wirkungs‐
mittel im Schaffen der Natur.
.Hier, im Schaffen der Natur, findet der Künst‐
ler auch die ewigen kosmischen
Gesetze ausge‐
sprochen, denen er selbst in seinem Schaffen sich
unterordnen muß, will er nicht seine Ausdrucks‐
kraft ins Chaotische strömen lassen und will er
wirklich den „tanzenden Stern” aus dem Chaos
gebären, von dem die Macht ausgeht, seine eigenen
Welten in ihren geordneten Bahnen zu erhalten.
.„Schaffen”
im künstlerischen Sinne ist nicht
das Erscheinenlassen einer Form aus dem
Nichts.
Künstlerisches Schaffen ist:
Organisieren.
.„Formlose Kunst” ist ein Unding. Etwas, wie
das Lichtenbergsche „Messer ohne Heft und
Klinge”.
.Alle Kunst ist seelische Bewegung,
die
zur Form gestaltet wurde.
.Wo also
der durchgereifte Kristallisa‐
tionsprozeß fehlt, wo seelische Bewegung nicht
zur
Gestaltung, zur
Form geworden ist, dort
darf man füglich nicht von „
Kunst” reden, dort
handelt es sich lediglich um unvermögende Ver‐
suche, seelische Bewegung zu gestalten, oder um
die Bemäntelung dieses Unvermögens durch ein
neues oder altes Schlagwort.
.Unsere Zeit ist reich an solchen Erscheinungen,
und es fehlt ihnen allen nicht an begeisterten
Harfnern, die ihren fragwürdigen Göttern in allen
Tonarten, aus der eigenen Ekstase heraus, Lobes‐
hymnen zu singen wissen.
.Um Schlagworte ist man niemals verlegen.
Auch das berühmte: „Sprengen der Form”, durch
das man hilfloses Unvermögen als eine Überfülle
der Kraft zu deuten beliebt, ist ein schönes Schlag‐
wort.
.Wo ein wirklicher „Künstler von Gottes Gna‐
den” eine hergebrachte Form zu „sprengen” unter‐
nimmt, da ist längst
seine eigenschöpferische
Form vorhanden, und der Edelguß seelischer,
klingender Glockenmetalle strömt nicht formlos
dahin, sondern wird umgegossen in eine erweiterte,
längst die alte umfassende neue Form.
.In der Kunst ist das „Gottesgnadentum” auch
heute noch nicht abgeschafft und wird auch
trotz aller bolschewistischen Agitationskunst sich
nicht abschaffen lassen. „Ersatz” dafür ist zwar
reichlich vorhanden, aber das Hochland der Kunst
liegt unerreichbar für seine Usurpatorengelüste.
.Wer nicht von der Urnatur zum Künstler
gebildet, zum Schaffen
gezwungen wurde, der
bleibe fern von ihrem Allerheiligsten!
.„Nimm deine Schuhe von den Füßen, denn
der Ort, da du stehst, ist heiliges Land” ‒ so
spricht Natur zu jedem, den sie zum Künstler
schuf, und wehe ihm, wenn er die Göttergabe
die ihm wurde, jemals profaniert. Er wird niemals
zurückfinden in das Reich des ursprünglichen
Schaffens, das ihm vorbehalten war.
.Die aber
nicht berufen sind und
dennoch
die Toga des Künstlers um ihre Schultern dra‐
pieren, betrügen nur
sich selbst, indem sie
an‐
dere betrügen.
.Gras bleibt Gras, so sehr es sich auch recken
mag, um zum Baume zu werden!
.Eine kleine Zeit hin mag es wohl gelingen,
alle Geister vor den Siegeswagen eines überschätz‐
ten Epigonen zu spannen, aber die ihn heute
zie‐
hen, werden
selbst ihn schon morgen
stürzen.
.Die seelischen Kräfte, die im wahrhaften
„Künstler” sich offenbaren wollen, sind ‒ latent
und ohne Äußerungsdrang ‒ in jedem Menschen.
.Würde sie jeder in sich
erkennen, dann würde
die Menschheit im Künstler ihren berufenen Zei‐
chendeuter: den Seher ihrer geheimsten Regungen
verehren, und es wäre nicht möglich, daß sich
Abertausende durch allerlei Scheinwerk täuschen
ließen, das von wahrhafter „
Kunst”: vom Werke
der geborenen „
Künstler”, nur den
Namen
stiehlt.
.Das Werk des Künstlers entsteht
nicht durch
den
Nachahmungstrieb der Natur gegenüber.
Der Künstler, auch wenn er sich selbst so wenig
kennt, daß er es etwa
meint, will
niemals die
Natur „
wiedergeben”.
.Die Natur bringt ihm nur die
Auslösung
einer seelischen Bewegung, und um dieser seeli‐
schen Bewegung nun
Ausdruck in sinnenfälliger
Weise zu schaffen,
kann er mehr oder weniger,
je nach der Sonderart seiner Begabung, die For‐
men oder Farben der Natur, ihre Erscheinung im
allgemeinen oder im einzelnen
benutzen, er
kann in hohem Grade
von dieser äußeren Er‐
scheinung der Natur abhängig bleiben,
kann
aber, wenn er dazu fähig ist, auch
in ihr Inneres
dringen und
das Wirken ihrer Kräfte in
seinem Werke entschleiern.
.Der wahrhafte Künstler schafft
immer eine
neue Welt aus seinem Innern, indem er die Be‐
wegungen seiner Seelenkräfte zu Formen sinnen‐
fälligen Ausdrucks gestaltet, auch wenn diese neue
Welt der äußeren Erscheinungswelt auf das Ge‐
naueste zu gleichen scheint.
.Inwieweit sich diese neue, durch Eigenschöp‐
fung entstandene Welt mit den Formen der äuße‐
ren Natur deckt, das ist Sache der Begabungsart,
und keineswegs ist, wie ich schon sagte, „Natur‐
treue”, in diesem
äußeren Sinn, ein Gradmesser
für die Höhe oder den Umfang einer Begabung.
.Diesen Gradmesser finden wir nur, wenn wir
in jedem Kunstwerk, das diesen hohen Namen
verdient, nach der
Intensität des Erlebens
einer seelischen Bewegung forschen, und diese
gibt sich zu erkennen in der Intensität der daraus
entstandenen sinnenfälligen
Ausdrucksform.
.Ich glaube klar genug gesagt zu haben, daß
diese Ausdrucksform wohl den äußeren Formen
und Farben der Natur entsprechen
kann, aber
keineswegs ihnen etwa in jedem Falle entsprechen
muß.
.Ein Werk der Malerei oder Plastik kann ein
Kunstwerk höchsten Ranges sein, auch wenn seine
Formen und Farben nirgendwo in der Natur ihre
Entsprechungen haben, aber was immer es an
Formen zeigt, muß
gestaltet, und innerhalb die‐
ser Formenwelt
rhythmisch geordnet erschei‐
nen, oder es hört auf, ein „
Kunstwerk” zu sein.
.Welcher „
Richtung” man einen „Künstler”
zuzählen will oder welcher er sich selber zuzählt,
ist für seine Wertung völlig gleichgültig. Die Frage
muß immer lauten: „ist seine 'Richtung'
echt,
ist es wirklich
seine 'Richtung' oder '
richtet'
er sich selbst”, ‒ das Wort hier im andern Sinne
verstanden, ‒ indem er zeigt, daß er selbst kein
eigenes „
Müssen” in sich trägt, sondern sich
nach einem
Anderen richtet?
.All diese „Richtungen” in der Kunstbeflissen‐
heit unseres an wirklicher „Kunst” so armen Zeit‐
alters sind ja nur
möglich dadurch, daß stets ein
ganzer Klüngel solcher, die
keine eigene Rich‐
tung haben, im Hinterhalt liegt und sich, sobald
einer kommt, der mit seiner
eigenen Richtung
erfolgreiche Bahnen zieht, an sein Schlepptau
hängt.
.Und wer von denen, die heute
über Kunst
zu
schreiben wagen, fühlt denn die großen Zu‐
sammenhänge mit dem Ursprung aller Kunst aller
Zeiten und Völker so tief im Blute strömen, daß
ihm ein
Recht daraus würde, über dieses Myste‐
rium schreiben zu
dürfen??!
.An den Fingern einer Hand sind sie aufzu‐
zählen, die heute „
berufen” wurden, das hohe
Amt des Sprechers für die Kunst zu verwalten.
.So kommt es denn, daß diese Hinterhältler,
die sich ans Schlepptau eines „Echten” hängen,
massenweise beflissene und für alles mit Worten
gewappnete Anreißer auffischen, die dann dem
staunenden Publikum mit überlegener Geste den
endlichen Triumph der „Kunst” in der „neuen
Richtung” verkünden.
.Wäre Kunst, wie es heiß zu wünschen ist,
eine Angelegenheit der allgemeinen Bildung, dann
wüßte auch der gebildete Laie, daß jede große
Kunsterneuerung nur von
Einzelnen ausging
und daß deren Mitläufer bald in wohlverdiente
Vergessenheit gerieten. Würde Kunst als
Lebens‐
äußerung verstehen gelehrt, dann wüßte jeder,
daß echte Künstlerschaft
stets und zu allen
Zeiten nur auf den Schultern Einzelner ruhen
kann und daß jedes „Programm” in der Kunst
den Tod alles ehrlich-wahren Schaffens bedeutet.
.Der wirkliche „Künstler” muß malen, muß
meißeln,
wie es ihm der Gott in seinem In‐
nern befiehlt, einerlei welchen Namen man
seiner Ausdrucksart geben mag.
.„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Amen!”
.Die aber sich zu „Richtungen” zusammentun,
zeichnen sich zumeist dadurch aus, daß sie auch
einmal
anders konnten, bis sie aus suggestib‐
ler Schwäche sich umnebeln ließen von dem
Weihrauch, den man einem oder dem andern
sonderlinghaften, aber
echten Künstler,
nicht
wegen seines
Künstlertums, sondern
wegen
seiner bizarren Darstellungsallüren dar‐
brachte, wenn sie nicht gar zu denen gehören,
die
allerdings nicht „
anders können”, weil
ihnen
alles tatsächliche „
Können”
fehlt.
.Wer den ganzen Kunstbetrieb ‒ Verzeihung,
aber man kann es nicht anders nennen, ‒ an
den heutigen Kunststätten auch nur einigermaßen
kennt, der weiß auch, daß noch ganz
andere,
wenig erfreuliche Motive viele dazu bringen, ihre
eigene Richtung aufzugeben und sich einer „neuen
Richtung” zu verkaufen, die Erfolg verspricht.
.Es sind durchaus nicht immer unlautere Ele‐
mente, die so handeln. Aber wenn ein Maler
jahrelang sein Bestes zu geben sucht, und er muß
die Erfahrung machen, daß ihm die geschäftlich
erfolgreichsten Kunsthändler die Türen verschlie‐
ßen, während die „neue Richtung” mit ihrem
durchsichtig oberflächlichen Rezept auf allen
Wänden prangt, dann gehört schon eine seltene
Festigkeit und Charakterstärke dazu, weiter zu
darben, während sich die Herren der „neuen Rich‐
tung” mit dem leichtverdienten Gelde reicher
Kunst-Snobs gute Tage bereiten.
.Man sagt, daß Wohlleben das Schaffen so
manchen Künstlers untergraben habe. Es mag
das in vereinzelten Fällen wahr sein, aber ich
glaube behaupten zu dürfen, daß die gemeine
materielle Not
viel mehr Unheil im Bereiche
der Künstlerschaft angerichtet hat!
.Nicht alle von der Natur zur Künstlerschaft
Berufenen haben die nötige
Ehrfurcht vor ihrem
eigenen Priestertum, die sie befähigen könnte,
jeder Not die Stirne zu bieten.
.Soll der wüste Indianertanz, der als modernes
„Kunstleben” auch vielversprechende junge Kräfte
in Massen für alles wahrhafte Künstlertum ver‐
dirbt und zu Grunde richtet, nicht noch weiter
ansteckend stets neue Reihen in seine Delirien
ziehen, soll nicht weiterhin eine Wertvernichtung
großen Stils am Nationalvermögen aller Länder
zehren, dann muß sich das kaufende Publikum
endlich einmal daran erinnern, daß wahrhafte
„Kunst” nur gedeihen kann, wenn das
Volks‐
empfinden hinter ihr steht.
.Erst aber, wenn man sich erinnert, daß der
„Künstler” kein Dekorateur der leeren Wand‐
flächen unsrer Wohnräume, sondern ein Künder
und Deuter der
Seele ist, wird auch das Volks‐
empfinden dem Schaffen seiner Künstler den er‐
forderlichen Rückhalt geben
können.
.Ein jeder berufene echte Künstler ist ein
Brückenbauer, der das Reich der äußeren Sinnen‐
welt mit den Gestaden des Übersinnlichen ver‐
bindet.
.Man muß nur über diese Brücke zu gehen
wissen, das heißt: man muß das stete Bewußtsein
in sich wach erhalten, daß in jedem Werke echter
Kunst
eine seelische Bewegung,
ein seeli‐
sches Erlebnis nach
Ausdruck ringt, und muß
eben dieses „
Erlebnis” in sich
nachzuerleben
suchen.
.Eine solche Stellungnahme des Publikums
würde auch gar bald der leidigen Großmannssucht
der Mäßigbegabten, die sich so gerne „Künstler”
nennen hören, ein Ende bereiten.
.Es gibt ja so viele Gebiete, auf denen eine
erträgliche Begabung Ersprießliches leisten kann.
Nicht jede gute Veranlagung zum Malen oder
Modellieren, selbst nicht ein hervorragender Ge‐
schmack in den Bereichen der Farbe und Form,
ja nicht einmal die beste Beobachtungsgabe und
Treffsicherheit in der Darstellung, berechtigen
ohne weiteres einen solchen
Könner, sich unter
die „
Künstler” zu zählen.
.Hier tut eine Entwirrung der Begriffe bitter
not, wenn sich etwas zum Guten ändern soll.
.Es hat Künstler gegeben, Künstler
aller‐
ersten Ranges, die bei jedem Werke mühevoll
mit den einfachsten Problemen der Darstellung
ringen mußten.
.Von einem überaus feinkultivierten hollän‐
dischen Maler erzählt man, daß er oft lieber
eine Situation, die ihn künstlerisch anregte, in
Worten in sein Notizbuch schrieb, da ihm
das Zeichnen eine Qual war, das Zeichnenkönnen
nicht immer hinreichend zu Gebote stand. Seine
Werke aber sind
echteste und
tiefste „Kunst”.
Aus jedem seiner Bilder spricht eine im Inner‐
sten bewegte Seele.
.Man behauptet: „Das Publikum in seiner All‐
gemeinheit wird niemals fähig sein, große Kunst
aus sich heraus zu würdigen. Es sucht
die Anek‐
dote, klebt nur
am Gegenstand und
ahnt
nichts von wirklichen künstlerischen Werten.”
.Wenn man damit das Publikum treffen will,
so wie es
jetzt ist, irregeleitet durch das alle paar
Jahre in anderen Dissonanzen ertönende Feldge‐
schrei der „Richtungen”, irregeleitet durch eine
von mehr oder weniger Unberufenen geschriebene
oberflächliche Kunstliteratur, dann mag man Recht
haben.
.Aber die Kräfte der Seele, in denen alle Kunst‐
schöpfung ihre letzte Ursache hat, lassen sich
nicht
auf die Dauer verschütten. Man muß nur
den Unrat lockern, der sich seit Generationen
angesammelt hat, und die Kräfte der Seele wer‐
den zeigen, daß sie noch am Leben sind.
.Den weitaus meisten Menschen sind die Werke
der bildenden Kunst, wenn nicht reine
Schmuck‐
Objekte, so doch nur
Abbildungen, Schilde‐
rungen, Darstellungen irgendeines Geschehnisses,
einer landschaftlichen Szenerie, einer Gestalt,
eines Menschen oder auch anderer Lebewesen,
‒ mitunter, wie bei Stilleben, auch der „leb‐
losen Dinge”.
.Spricht man daher von Kunst und Weltan‐
schauung, so setzt man sich leicht dem Mißver‐
ständnis aus, als rede man von dem möglichen
Darstellungs-Inhalt eines Kunstwerkes.
.Nun kann gewiß auch der dargestellte
Gegen‐
stand, im weitesten Sinne, einer Weltanschauung
Ausdruck geben, wobei man nur an die religiöse
Kunst aller Zeiten zu erinnern braucht, ‒ allein,
nicht
dieser, durch den
Darstellungsgegen‐
stand erkennbare Ausdruck einer Weltanschau‐
ung ist hier gemeint, sondern die Weltanschau‐
ung, die sich in der Auffassungs- und Darstel‐
lungs-Art eines jeden Künstlers verrät, ganz
gleich,
welchen Gegenstand der Außenwelt oder
seiner Phantasie er durch sein Bildwerk vor
Augen stellt.
.Ich gehe sogar noch weiter, indem ich aus‐
drücklich betone, daß ein Bildwerk selbst auf
jede, noch so vage Anlehnung an Gegenständ‐
liches
verzichten, daß es eine reine Symphonie
der
Farben oder der
Formen sein kann, und
dennoch ‒
dann erst recht, ‒ eine ausge‐
prägte
Weltanschauung zum Ausdruck bringt.
.Wer die majestätisch feierlichen Grabmale
und die wie aus Schöpfungskräften kristallisierten
Brunnen des viel zu früh verstorbenen Schweizer
Bildhauers Hermann Obrist kennt, wird mich
ohne weiteres verstehen.
.Aber auch wenn ein Künstler in der Wahl
seiner Motive sich als Diener einer bestimmten
Weltanschauung zeigt, ist es noch lange nicht
ausgemacht, daß diese Weltanschauung auch wirk‐
lich die
seine ist, und über alles Gegenständ‐
liche hinaus verrät er sich dem Kundigen
durch
sein Werk als solches!
.Gar viele Maler haben, seit
Giotto seine
Fresken in der Arena zu Padua schuf, die Mo‐
tive der christlichen Heilsgeschichte und mancher
Heiligenlegende behandelt, obwohl ihre
wahre
Weltanschauung
recht wenig mit dem Darge‐
stellten harmonierte. Ihre
Darstellungs-
Ob‐
jekte sind „christlich”, ihre Linie und Farbe
ist Heidentum und Freigeisterei. Bei Giotto
aber ist
jede Linie Ausdruck reinster Religiosi‐
tät, jeder
Pinselstrich ein Gebet eines gläu‐
bigen Herzens.
.Es sind
Imponderabilien, die so zu Ver‐
rätern der wahren Geistesart eines Künstlers
werden, die uns sagen, ob er ein seichter, hohler,
äußerlicher
Könner, oder ein wirklicher
Be‐
gabter des Herzens ist, ob er nur darstellt, was
seine Zeit ihm als Motiv übergibt, oder ob er
wahrhaft
innerlich Erfühltes aus den Tiefen
seiner Seele holt und sichtbar macht.
.In heutiger Zeit ist es sehr beliebt geworden,
wieder die Episoden des Alten und Neuen Testa‐
mentes als Vorwurf zu künstlerischen Werken
zu wählen, aber die Künstler, die hier nun bald
eine „Verkündigung”, bald „Isaaks Opferung”
malen, ahnen es kaum, wie sehr man ihren Wer‐
ken jene müde Skepsis anmerkt, die im Grunde
längst den Glauben
an sich selbst verloren hat.
Sie sehen nicht, was
Rembrandts inbrünstig
erfühlte Geisteswelt von der ihren
trennt, und,
ewig unzufrieden, suchen sie ein unbestimmtes
Ziel, erwarten Schöpfungs-Schauer, wie sie alle
Großen kannten, ohne sich bewußt zu sein, daß,
allen „
Könnens” spottend, Großes nur aus einem
großen
Geiste keimen kann.
.Jeder will
mehr sein als er
ist und verläßt
so, vom Ehrgeiz gejagt, den sicheren Platz, den
ihm die Natur vorbehielt, um dann wie ein
Heimatloser durch die Gefilde der Kunst zu
hetzen, ohne
sich und seine Stätte je zu
finden.
.Es gibt viel mehr solcher geplagter Künstler‐
Existenzen als man glaubt, und mancher recht
berühmte Name wird aus diesen Gründen nie‐
mals seines Ruhmes froh!
.Die
wirklich religiösen Bilder unserer Zeit
werden
selten unter denen zu finden sein, die
durch den
religiösen Vorwurf sich als Werke
hoher Geistigkeit erweisen möchten. Ein
Still‐
leben oder eine
Landschaft können höchste
Geisteswerte in sich tragen, können erfüllt sein
von tiefster Religiosität und so zu wahren
An‐
dachtsbildern werden, während daneben Bil‐
der aus der heiligen Geschichte, trotz aller großen
Geste nichts als matte Anempfindung zu verraten
brauchen. Es bleibt dabei völlig gleich, ob eine
Begabung
älteren Ausdrucksformen folgen zu
müssen glaubt, oder ob sie in neuen und neuesten
Formen den ihr gemäßen Ausdruck findet, ja
sich selbst erst neue Formen schaffen mag, da
alle, die sie um sich findet, ihrem Ausdrucks‐
drang sich nicht bequemen können.
.Es gibt ein Wort von
Goethe, in dem er
Stellung nimmt zu der Frage: wer als „der
Größere” zu betrachten sei, ‒ er oder
Schiller
‒ und in dem er zu dem Schlusse kommt, die
Menschen sollten
froh sein, daß sie „zwei solche
Kerle” hätten. ‒ Dieses Wort ließe leicht sich
variieren und auf die verschiedenen großen Strö‐
mungen anwenden, denen unsere heutigen Künst‐
ler folgen.
.Der ganze Streit über die „Berechtigung”
dieser oder jener Auffassung der Kunst ist ebenso
töricht wie
überflüssig. Ja selbst die
Bezeich‐
nungen verwirren nur, statt zu klären, denn
bald geht ein „Expressionist” notorisch von reiner
Impression aus, bald werden einem „Impressio‐
nisten” seine Darstellungsmittel nur zu Zeug‐
nissen seines reinen Ausdruckswillens:
Expres‐
sion! Nicht anders geht es zu in der „neuen
Sachlichkeit”, im „Surrealismus”, oder der „Neu‐
romantik”. Auch wenn die Künstler sich mit
einem wahren Eigensinn ihren „Richtungen” ver‐
schrieben haben, begehen sie ungewollt bei der
Gestaltung jedes neuen Werkes neue Grenzver‐
letzungen.
.Gewiß wurde die Kunstrichtung, die man mit
dem Namen „Impressionismus” bezeichnet, zu
einer Zeit geboren, die in einer steril-materia‐
listischen Weltauffassung fast erstickte, und
wurde darum auch zum
Spiegelbild jener ma‐
terialistisch orientierten Zeit, allein darin liegt
keine unabänderliche Naturnotwendigkeit, und es
wird stets darauf ankommen, ob der jeweilige
„impressionistische”
Künstler Geistiges zu sagen
hat oder
nicht.
.So überzeugt auch die Freunde „expressio‐
nistischer” Kunst dieser Auffassungsart künstle‐
rischen Schaffens den Ausdruck des
Geistigen
in Erbpacht gegeben haben, so sehr auch unsere
Zeit wieder nach Geistigem
verlangt, so dürfte
es dennoch nicht schwer fallen, auch unter „ex‐
pressionistischen” Werken gerade genug Zeug‐
nisse
banalster Ungeistigkeit zu finden.
.Es ist eben immer und immer wieder die
innerste
Weltanschauung eines Künstlers, die
seinen Schöpfungen das unverwischbare Siegel
aufprägt, und im Grunde lassen sich Kunst und
Weltanschauung
niemals trennen.
.Ein Kunstwerk ist nicht nur ein
Schmuck
der Wand, nicht nur eine
Darstellung irgend‐
welcher Art, sondern stets das ‒ oft unfreiwil‐
lige ‒ tiefste
Seelenbekenntnis seines Schöp‐
fers, weit über alle „
Richtungs”-Angehörigkeit
hinaus.
.Statt sich über die Erscheinungen, die sie be‐
trachten, in eingehender Weise Rechenschaft ab‐
zufordern, sind die meisten Menschen schon zu‐
frieden, wenn sie dafür ein mehr oder weniger
treffendes
Schlagwort finden, und glauben einen
geistigen Besitz errungen zu haben, während sie
nur dessen halbwegs zureichende
leere Hülle
nach Hause tragen.
.Eine solche leere Hülle ist auch das Wort
von der
modernen Kunst.
.Soll damit nur eine
Zeitbestimmung ge‐
troffen werden, soll das Kunstschaffen
heute
Lebender als „moderne Kunst” sein Rubrum
finden, dann ist gegen die Bezeichnung nichts
zu sagen, aber das Schlagwort will
anderes
ausdrücken, will eine
Wertung sein.
.Als Wertung wurde es auch stets gebraucht,
von jeder der einander ablösenden neueren
Kunstrichtungen, die seit fünfzig Jahren als
Symptom neuen ernsten Kunstwillens auftauch‐
ten, und
jede dieser Richtungen machte An‐
spruch darauf,
die „moderne” Kunst zu sein
oder ‒ wie man jetzt lieber sagt ‒ „
die neue
Kunst”.
.Es gibt aber in der
wahrhaftigen Kunst
zwar ein
Früher oder Später, aber
niemals
ein
Alt und
Neu, denn
echte Kunst ist
zeit‐
los, entströmt
ewigen Forderungen der Psyche
und kann, auch wenn Jahrtausende seit ihrem
Erstehen im Werk dahingegangen sind,
niemals
unmodern werden.
.Insofern ist also die Bezeichnung „moderne
Kunst” entweder auf
alle echte Kunst aller
Zeiten anzuwenden, oder man hat es hier nicht
nur mit einem
Schlagwort, sondern mit einer
bedenklichen
Phrase zu tun.
.Gewiß gibt es auch
Modeströmungen in
der Kunstübung einer Zeit, und selbst die Werke
der
Eigenartigsten und
Besten unter den
Schaffenden können von solchen Modeströmun‐
gen berührt sein, aber ihre Symptome sind für
den echten Kunstfreund, der seinem Fühlen
ver‐
trauen kann, entweder eine stärkere, mitunter
auch nur leise irritierende
Beeinträchtigung
seines Kunstgenusses, oder sie werden von ihm
als ein sublimer
Reiz empfunden, der ihn das
Wesen der
Entstehungszeit des Werkes mit‐
empfinden läßt, der aber
außerhalb aller ei‐
gentlichen
Wertung des Kunstwerkes liegt.
.Wenn man also mit dem Schlagwort: „mod‐
derne” oder „neue” Kunst nur das bezeichnen will,
was an einem Werke etwa der neuesten
Zeit‐
mode entspricht, so berührt man damit in keiner
Weise das Werk als ein Werk der
Kunst.
.Echte Kunst entsteht aus dem innersten,
quellenden Grunde der Seele! Die tiefen
Brunnen, aus denen der wahrhafte Künstler
schöpft, reichen hinab,
weit unter das Reich
des im Alltag
Bewußten,
weit unter die tief‐
sten Tiefen des „Stromes der Zeit”, empfangen
ihre stets sich erneuernde Fülle durch tief ver‐
borgene Quelladern ewig sich selbst gleichenden
Lebens.
.Nur das
Gefäß: der Eimer, mit dem der
Künstler schöpft, kann
modische Form tragen,
und wie Wasser, stets die Formen des Gefäßes
ausfüllend, in dem es gefaßt wird, gleichsam
auf diese Weise die Form des Gefäßes
darstellt,
und dennoch in
jeder Form immer
Wasser
bleibt, so nimmt auch echte Kunst zwar äußer‐
liche
Formen an, die ihr die
Zeit ihres Ent‐
stehens zur Sichtbarkeit gibt, und bleibt doch
zu
jeder Zeit die gleiche
ewige Kunst.
.Sofern es sich nur um wirkliche
Kunst han‐
delt, nicht um einen Versuch,
die Natur zu
imitieren, im Sinne des Panoramas oder des
Panoptikums, ist die Kunst
aller Zeiten stets
„modern”, weil das
Ewige aller Zeit Gegen‐
wart ist und niemals „unmodern” werden
kann.
.Es wird nun begreiflich erscheinen, wenn ich
sage, daß dem Glauben jeder neuen Kunstrich‐
tung,
ihre Werke seien nun
allein berechtigt,
sich als moderne oder als
die neue Kunst zu
bezeichnen, eine
tiefe Sehnsucht zugrunde
liegt, zugleich ein unruhig gewordenes
Ahnen
von der ewigen Moderne
aller echten Kunst.
.Man will sagen, daß man wieder
echte
Kunst zu schaffen willens sei, und man um‐
schreibt das, indem man von moderner oder
neuer Kunst redet.
.Nach den großen Kunstperioden des Mittel‐
alters und der Renaissance waren allmählich die
Brunnen echter Kunst immer mehr überwuchert
worden von dem üppig emporschießenden Un‐
kraut bloßen
Imitationswillens, und nur ver‐
einzelt fanden einige Wenige ihre Zugänge,
schöpften daraus und wurden von ihren Zeitge‐
nossen gering gewertet, weil ihre Zeit nichts
mehr von den
Quellen der Tiefe ahnte, und
es bequemer fand, ihren Durst an den säfterei‐
chen Stengeln und Früchten des Unkrautes über
den Brunnenrändern zu stillen.
.Am Anfang des
neunzehnten Jahrhun‐
derts erst begann wieder ein reges Suchen nach
den
Quellen der Kunst. Junge, begeisterte
deutsche Künstler glaubten diesen Quellen wie‐
der näher zu kommen, indem sie sich
in der
äußeren Form den Künstlern des Mittelalters
und der Renaissance anschlossen. Sie
erstrebten
das Höchste, aber zu den
Quellen fanden sie
nicht zurück. In der Geschichte der Kunst
sind sie unter dem Namen der „
Nazarener”,
einer ursprünglich als Spottname gebrauchten Be‐
zeichnung, bekannt.
.Näher den Quellen kamen schon die „
Ro‐
mantiker”, die durch Wackenroders „
Ergießun‐
gen eines kunstliebenden Klosterbruders”
mächtig angeregt, beinahe als seelische Vorläufer
des Expressionismus betrachtet werden können,
so fern sie auch
in formaler Hinsicht der
expressionistischen
Methode stehen.
.Wirklich zu den Quellen zurück fanden
erst gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhun‐
derts einige französische Künstler, in deren Lande
die Tradition nie ganz abgerissen war, vor allem
Manet und
Cézanne, und so ist die Bewegung,
die alle zur künstlerischen Vollendung streben‐
den Künstler aller Nationen einmal nach Frank‐
reich führte, keineswegs als eine „üble Auslän‐
derei”, als ein Vergessen eigenen Wertes aufzu‐
fassen, sondern entsprang einer
Naturnotwen‐
digkeit, die vor keinen nationalen Grenzen
Halt machen
durfte.
.Tatsächlich zeigten auch die beiden genann‐
ten Künstler dem Kunstschaffen
der ganzen
Welt wieder den Weg zu den Quellen, so sehr
auch dann die Künstler verschiedener Nationen,
oder starke eigenschöpferische Begabungen, wie
etwa Hodler, oder Edvard Munch, in ihren Wer‐
ken voneinander abweichen mögen. Sind doch
selbst Künstler, wie der bewußt aus tiefster Seele
deutsche
Hans Thoma, oder der an mittelalter‐
liche deutsche Frühkunst erinnernde
Leibl, ohne
ihre Pariser Zeit überhaupt nicht zu denken.
.Einmal auf
die ewig strömenden Quellen
hingewiesen, glaubte aber die
neuere Generation
der Künstler mit allem Recht in den Werken
Manets und
Cézannes noch keineswegs die
tief‐
sten dieser Quellen wirksam, und so entstand das
bohrende Suchen nach
neuen,
tieferen Quellen.
.Es ist in nicht wenigen Fällen
eine heilige
Sehnsucht, die diese jüngeren Künstler erfüllt,
die lieber am Wege ermattet umkommen wollen,
als daß sie je das
Ziel ihrer Sehnsucht preis‐
geben möchten.
.Daß allerhand
Mitläufer ohne inneren Be‐
ruf ihnen „abgucken, wie sie sich räuspern und
spucken” nimmt den wenigen
Echten nichts
von ihrem Wert.
.Verderben bringt nur das beflissene
Kunst‐
schreibertum unserer Tage, das im Jargon der
Jahrmarktsausrufer hinter
jeder derartigen Er‐
scheinung her ist, mag sie echt oder unecht sein,
und ihr „Räuspern und Spucken” unter totaler
Verkennung der
wirklichen Wertmaße mit Em‐
phase anpreist, als ‒
die „neue” Kunst.
.Statt dem Laien überzeugend darzulegen, daß
es sich hier um ein verzweifelt ernstes
Ringen
um das Höchste und zugleich im Allertiefsten
Begründete handelt, daß aber alles, was
bis
jetzt vorliegt, nur aus glühender Sehnsucht ge‐
borene
Versuche sind, zu tieferen Quellen vor‐
zudringen,
Versuche, auch wenn sie schon in
manchen Fällen den Sieg
versprechen, wird
ihm alles, was irgend eine neue Richtung her‐
vorbringt, mag es das Werk eines Echten, oder
durchsichtige Charlatanerie sein, in Bausch und
Bogen aufgeredet, oder aufzureden versucht, als
die einzige Kunst, die fürderhin noch in Be‐
tracht kommen könne.
.Kein Wunder, wenn da viele, die noch ge‐
sunde Instinkte in sich spüren, aber doch auf
dem Gebiet der Kunst nicht erfahren genug
sind, das Kind mit dem Bade ausschütten, und
das, was sie als ernsthafte
Versuche allenfalls
verstehen könnten, als aufgedrungenes letztes
Ziel der Kunst rundweg ablehnen.
.Die Zeit wird zeigen, daß die
Ernsten und
Echten unter den neueren Künstlern eines Ta‐
ges ihr
Ziel, den unmittelbarsten Ausdruck ihres
geistigen, künstlerischen Fühlens zu geben,
er‐
reichen werden, wenn auch das
Endresultat
ganz
anders aussehen mag, als man das jetzt
noch, nach den vorliegenden Versuchen, erwarten
oder gar fürchten möchte.
.Was so zutage gefördert werden wird, ist
dann keineswegs moderner als die Werke
Giot‐
to'
s,
Dürers,
Holbeins,
Rembrandts oder des
Frans Hals.
.Es wird, wenn es das letzte Ziel
erreicht
hat,
ewige Kunst sein, wie die Kunst des
Mittelalters, die Kunst der alten
Chinesen
und ihrer Schüler, der
Japaner, die
altgrie‐
chische oder die beste
ägyptische Kunst:
es wird, wie
jedes echte Kunstwerk, von
Lio‐
nardo und
Michelangelo bis zu allem Echten
unserer Tage, niemals unmodern werden
kön‐
nen, und so ist es nur freudig zu begrüßen,
daß auch unsere ‒ nicht immer den
Jahren
nach ‒ „Jüngsten” einer
echten,
modernen
Kunst entgegen
streben, wenn sie ihr Ziel auch
heute noch keineswegs
erreicht haben, was ja
die Besten unter ihnen willig zugeben.
.„
Expressionismus” ist, ‒ fast muß man
schon sagen: „war”, ‒
eine der vielen modernen
Künstlerbestrebungen und wird von den Laien
meistens mit
Kubismus,
Futurismus,
Sphä‐
rismus und wie die schönen Worte alle heißen,
in einen Topf geworfen.
.Das Wort „Expressionismus” will aber als
künstlerische Bestrebungs-Bezeichnung nichts
weiter besagen, als daß die Anhänger dieser Be‐
strebung zum unmittelbarsten
Ausdruck, zur
„
Expression” ihres seelischen Empfindens drän‐
gen, im Gegensatz zum „Impressionismus” der den
intensiven
Eindruck wiedergestalten will, den
ihm die
Außendinge vermitteln. „Expressionis‐
mus”
will also zu einer
vergeistigten Kunst,
und einerlei, ob die zur Zeit unter diesem Namen
gepflegten Bestrebungen in der Malerei, der Pla‐
stik, Literatur und Musik jemals ihr
Ziel durch
ihre heute schon zur Mode und Manier gewordenen
Methoden erreichen
werden oder auch nur
erreichen
können, so hat doch solches Ringen
um den heiligen Geist, solches Streben um die
Weihe des heiligen Gral, wahrhaft Anspruch auf
ernsteste Beachtung.
.Daß die
Nachläufer zur Negerkunst, zum
kulturlosen Lallen des Urzeit-Menschentieres ent‐
arten, darf nicht davon abhalten, in den wenigen
echten Künstlern dieser Art das Ringen um
höchste Ziele anzuerkennen.
.Etwas ganz anderes ist es, ob man die
Me‐
thode für tauglich halten wird, zu dem erstrebten
hohen Ziele zu gelangen, und hier fehlt es meines
Erachtens auch den
besten Künstlern, die auf
diesen Wegen wandeln, an
philosophischer
Durchdringung des Wesens
aller Kunst. Sie
möchten eine neue Kunst
erschaffen, auf We‐
gen, die sie niemals konsequent
zu Ende zu
denken willig sind.
.Sie fanden einen
Anfang, der eine gangbare
Straße verspricht, und sind davon derart begei‐
stert, daß ihnen die Ruhe fehlt, das
Ende zu
erschließen in logischer Folge, zu dem diese Straße
schließlich führen
muß.
.Beliebt ist es heute, für jede neue „Kunst‐
richtung” sich unter den großen Meistern der
Vergangenheit die
Ahnen zu suchen.
.Aber die hier ihre Ahnen zu finden meinen,
verkleinern sich selbst, gleichen Parvenus, die
sich mit ihrem Gelde Schlösser bauen im Stil
der Großen der Vergangenheit.
.Wenn
für die expressionistische Malerei
im Ganzen „Ahnen” gemacht werden sollen aus
allen großen Künstlern, die einem stark bewegten
seelischen
Ausdruck in ihrer Kunst zustrebten,
und wenn sich beflissene Kunst-Snobs finden, die
für alles, in dem sie Hautgout wittern, begeistert
sind und die den auf expressionistischer Bahn
wandelnden Künstlern in suggestiv übersteigerter
Sprache diese Ahnen einzureden, aufzuschwatzen
suchen, so ist das, gelinde gesagt: ‒ „Grober
Unfug”.
.Auch die Künstler
selbst, die auf diese, nur
durch ihre unbewußte Komik etwas versöhnende
Ahnenmacherei hineinfallen, sind sich leider
nicht bewußt, welche
Blößen sie sich damit
geben, denn hätten sie jemals einen dieser Großen
wirklich gründlich studiert, nicht eingeengt
in ihrem Gesichtsfeld durch das Sehrohr ihrer
eigenen Wünsche, dann hätten sie finden müssen,
daß zwar in den Werken eines jeden nach beweg‐
tem Ausdruck strebenden Künstlers
Elemente
der expressionistischen Methode zu finden sind,
aber
niemals losgelöst und
für sich bestehend,
sondern
eingegangen in das Werk, darin ver‐
borgen, wie das Knochengerüst im Körper.
.Wie im Werke eines jeden guten Künstlers
auf die eine oder die andere Art „
Ornament”
verborgen sein muß, ja wie sein Werk erst da‐
durch Halt und Ausdruck findet, so war auch zu
allen Zeiten in jedem Werke, nach starkem be‐
wegtem Ausdruck strebender Künstler, die
ex‐
pressionistische Methode latent enthalten,
und es wird auch in den Werken, die erst nach
Jahrtausenden entstehen, nicht anders sein.
.Das, was die expressionistische Methode jetzt
isoliert und
nackt zutage schafft, ist wie ein
Mensch ohne Haut, ein anatomisches Präparat,
aber ‒ kein
Leben, so sehr sich auch die Ver‐
treter dieser Methode zugute halten, daß erst
sie
dazu gekommen seien,
das Leben selbst auf‐
zuzeigen.
.Expressionistische Methode muß in einem
auf seelisch bewegten Ausdruck angelegten Kunst‐
werk sein, wie
Perspektive oder
Anatomie in
jeder Landschaft, jedem guten europäischen Fi‐
gurenbilde der letzten Jahrhunderte stecken: ‒
latent darin enthalten, aber nicht losgelöst,
gleichsam herauspräpariert aus der lebendigen
Neuschöpfung einer inneren, der äußeren zwar
mehr oder weniger ähnlichen, doch stets
für sich
bestehenden Welt, die das Werk eines jeden ech‐
ten Künstlers darstellt, mag es ein Werk der Ma‐
lerei, eine Plastik, ein Werk der Literatur oder
eine musikalische Schöpfung sein, bei welch letz‐
terer allerdings der Fall insofern etwas anders
liegt, als die „Außenwelt”, der sie entspricht,
das
Reich der rhythmischen Intervalle, der
kosmischen Bewegung kleinster
Energie‐
zentren ist, die dem Nichtmusiker erst in ihren
Wirkungen, innerhalb der uns umgebenden
Erscheinungswelt, bewußt werden.
.Es ist darum
scharf zu unterscheiden
zwischen „Expressionismus” als
Willens-
Im‐
puls, und expressionistischer
Methode.
.Der expressionistische
Willens-
Impuls stellt
eine Reaktion dar, auf die vorausgegangenen
künstlerischen Aspirationen, deren letzte Ziele
ein Ersticken im
Ungeistigen, im
Nur-
mate‐
riellen bedeuteten.
.Insofern ist er
in hohem Maße begrüßens‐
wert.
.Aber
Geist läßt sich nicht von
Materie
scheiden, und das
wirklich vergeistigte Kunst‐
werk kann
nur entstehen, wenn es in der inneren
Welt eines Künstlers
Gestalt findet, ‒ auch
da aus subtilster Materie geschaffen! ‒ aber den
ewigen kosmischen Gesetzen
aller Gestaltung,
sowohl in der sinnlich wahrnehmbaren Außen‐
welt, als auch in allen metaphysisch ergründ‐
baren Welten, entsprechend.
.Als
Durchgangs-Station für einen innerlich
bewegten, echten Künstler mag der expressioni‐
stischen
Methode der gleiche Wert beigemessen
werden, wie dem Studium anderer künstlerischer
Hilfsmethoden, und in diesem Sinne sollte sie
nebenbei, zum Nutzen der Studierenden, auf
unsern Akademien betrieben werden, aber
im
Werke des Künstlers kommt ihr nur
dienende
Bedeutung zu.
.Schlagworte haben in der Welt schon den
übelsten Schaden angerichtet. Wer das nicht
weiß, der sehe sich nur im Leben des Alltags
um. Er wird da genug Beispiele finden!
.Verhängnisvoll wird aber auch die Herrschaft
der Schlagworte auf den Gebieten des mensch‐
lichen
Geisteslebens, und besonders dort, wo
sie das
Empfinden einer Erscheinung verfäl‐
schen, weil sie die Seele des Empfindenden in
irriger Weise „einstellen”.
.Zu der Kategorie solcher verderblicher Schlag‐
worte gehören die Bezeichnungen, die von ein‐
zelnen
Künstlergruppen aufgegriffen wurden,
um ihrer Art der Auffassung des künstlerischen
Schaffens zu einem Namen zu verhelfen.
.Der Laie, ohnehin schon konfus gemacht und
verärgert durch dieses unruhige, ihm ganz un‐
begreifliche Drängen der Künstler nach „neuen”,
immer wieder
überneuerten Zielen, weiß sich
schließlich keinen andern Rat, als je nach Nei‐
gung und Kunstgefühl die Kunstauffassung, die
ihm unter einem solchen Schlagwort entgegentritt,
und die ihm stets wieder und wieder als das
Alpha und Omega aller wahren Kunst aufgeredet
wird, für das
endgültig aus diesem Wirrwarr
Erlösende zu halten, und verschreibt sich so seinem
Schlagwort, wütend, und außer sich geratend,
wenn es eines Tages wieder gestürzt werden soll.
.Längst ist der „Impressionismus” noch nicht
auf allen Linien Sieger geworden, aber lange
schon treten immer neue, ihn verwerfende an‐
dere „Richtungen” zutage, Richtungen, die zwar
zum Teil weiter nichts als eine entsprechend
„
modernisierte” Auflage des seligen „Jugend‐
stils” unglückseligen Angedenkens darstellen,
zum anderen Teil aber
wirklich auf ihre Art
zu hohen, neuen Zielen weisen, wenn man auch
noch auf den Wegen zu diesen Zielen bald da‐
hin, bald dorthin abirren mag.
.Nun soll der Laie, der eben erst kaum dabei
war, halbwegs zu begreifen, um was es sich ei‐
gentlich beim „Impressionismus”
handelt, schon
wieder umlernen, weil ‒ der „Impressionismus”
angeblich „überwunden” sei.
.Kein Wunder, wenn man sich sträubt, und
was sich
nicht sträubt, und mit wildem Gesti‐
kulieren schleunigst dabei ist, mitzulaufen, weil
es „etwas Neues, noch nie Dagewesenes” gibt,
das hat den „Impressionismus”
ganz sicher
noch nicht überwunden”, weil ‒ es ihn ebenso‐
wenig verstand, wie es das einzig
Wesentliche
dessen begreift, was ihm unter dem Namen „Ex‐
pressionismus” in einem Sammelsurium der ver‐
schiedensten Strebungen entgegentritt.
.Die Wahrheit ist: daß
weder das Wort „Im‐
pressionismus”,
noch die Bezeichnungen „Expres‐
sionismus”, „Surrealismus”, „Kubismus”, „Neue
Sachlichkeit”, oder wie immer die Etikette einer
neuen Kunstrichtung lauten mag, sei es der
reinen Wortbedeutung nach, sei es in bezug auf
die darunter verstandenen praktischen Bestre‐
bungen, irgendwie gerade
das bezeichnen, auf
was es den ernst zu nehmenden Künstlern aller
Zeiten
allein ankam, und auf was es auch
allen wirklich Wertvollen in
heutiger Zeit an‐
kommt: den
Bekenntnistrieb ihrer Seelen‐
kräfte im Schaffen auszuleben!
.Dazu aber gibt es die
verschiedensten Mög‐
lichkeiten, und das ist gut so, sonst würde die
Kunst das langweiligste Gebiet menschlichen
Geisteslebens.
.Es gibt allenfalls
gute und
schlechte Kunst,
‒ streng genommen überhaupt nur
Kunst,
denn ein
wirkliches „Kunstwerk” ist niemals
schlecht.
.Was man so landläufig als „schlechte” Kunst
bezeichnen mag, ist die Talmiware, die sich für
Kunst
ausgibt und dem Publikum Sand in
die Augen bläst, damit es ihre Erbärmlichkeit
nicht sehe.
.Gewiß tauchen in jeder Zeitperiode neue
Ziele aus kosmischen Urtiefen auf, die dann die
Kräfte der Besten magnetisch an sich fesseln:
die
erreicht sein wollen, ob auch der einzelne
Künstler auf seinem Wallfahrtswege zu Grunde
geht, oder mit Spott und Hohn übergossen wird.
Aber immer wieder handelt es sich um die gleiche
Frage: „Zeige mir, ob Du zu Deinem Streben
auch
berechtigt bist, ‒ ob man Dich innerlich
berufen hat, oder ob Du nur ein
Nachläufer
bist auf den Wegen, die
nie und nimmer von
Dir betreten werden wollen, weil Du sie ent‐
weihst!?!”
.Der wahrhaft von seinem Gott getriebene
echte Künstler kann nie im Zweifel sein über
seinen Weg, sobald er einmal die ersten Anhöhen
im Lande der Kunst erklommen hat, die ihm
das ausgebreitete Gefilde weithin zeigen.
.Er wird still seine Straße ziehen, und nur,
wenn ihm
sein Gott eines Tages befiehlt, ur‐
plötzlich seine Wegrichtung zu ändern, wird er
ihm gehorsam folgen, auch wenn Ruf und Namen
durch den neuen Weg gefährdet werden, den der
Künstler dann erst mühevoll sich selber bahnen
muß.
.Niemals aber kann er zum „Nachläufer”
entarten!
.Ein wahrer Künstler hebt die Hand nicht
zum Werke ohne
inneren,
verpflichtenden
Befehl, und es wird ihm stets völlig gleich‐
gültig sein, ob man sein Werk
dieser oder
jener Kategorie künstlerischen Schaffens zu‐
zählen mag.
.Ob er nun auf den Grundlagen aufbaut, die
man speziell dem „
Impressionismus” verdankt,
oder ob er eine Form der Aussprache pflegt, die
irgendwo in den Sammelnamen „
Expressionis‐
mus” miteinbezogen werden kann, das ist ja
auch
so unsäglich nebensächlich, ‒ viel
nebensächlicher noch, als ob er diese oder jene
Farben bevorzugt, ob er überhaupt die Farbe
braucht, oder aus Schwarz und Weiß die Skala
der Töne bildet, die ihm zur Aussprache dienen
müssen, ‒ ob er große oder kleinste Formate
für sein Schaffen wählt.
.Stets wird es darauf ankommen, ob das, was
er schafft,
echte Kunst,
ursprünglichstes
Seelenbekenntnis ist, und aller
Wert, auch
in
materieller Hinsicht, wird allein nur von
dieser Voraussetzung her bestimmt, alle
Dauer
dieses Wertes ruht nur in der
überzeugen‐
den Kraft, die dem Bekenntnis seiner Seele
innewohnt.
.Man hat allzulange den „Laien” betrogen,
indem man ihn glauben machte, das Wesentliche
der echten Kunst sei Dokumentierung der Ge‐
schicklichkeit. „Kunst kommt doch von Kön‐
nen”, lautet das läppische und so triviale Wort,
das man heute noch im Munde besonders Klu‐
ger findet!
.Gewiß, ‒ aber hier handelt es sich um ein
„Können”, das aus der
Seele strömt, ein
Ver‐
mögen des schöpferischen Entfaltens, ‒
und
nicht um eine durch „Erlernen” zu erwer‐
bende
Geschicklichkeit!
.Ein Künstler „
kann” etwas, weil er
schaf‐
fen kann, weil er nicht nur „produziert” und
Gelerntes auf mehr oder weniger geschickte Art
zur Anwendung bringt.
.Nicht die „stupende Technik”, die „korrekte
Zeichnung”, die „fabelhafte Differenzierung der
Valeurs”, und wie die schönen Lobestitel alle
heißen, durch die man geschickte
Mache als
„
Kunst” vorzutäuschen sucht, geben jemals
einen Gradmesser ab zur Bewertung eines wahren
Kunstwerkes.
.Die
schöpferische Kraft und die
ursprüng‐
liche Bekenntnisfreudigkeit des Künstlers
zu dem Ausdrucksdrang seiner Seelenkräfte, ent‐
scheiden
ganz allein über den
Wert seines
Werkes, und sie
allein verleihen dem Wert des
Werkes
Dauer.
.Kein Mensch wird in hundert Jahren dar‐
nach fragen, ob es mehr dem „Ex”- oder dem
„lmpressionismus” zuzuzählen sei, wenn ein
Kunstfühlender seinen Wert bestimmt.
.Zur Zeit
Rembrandts gab es eine Menge
Maler, die herrlich und in Freuden lebten und
die Gunst des Publikums genossen. Heute greift
man sich an den Kopf und faßt es nicht, daß
diese traurigen Tröpfe ihren Markt hatten, wäh‐
rend Rembrandt stets mehr im Elend versank,
je ungehemmter er dem Gott seiner großen Seele
diente.
.Als
Kuriositäten, nicht ganz ohne Lieb‐
haberwert, betrachtet man nunmehr diese Mach‐
werke seiner Nebenbuhler, während das beschei‐
denste Bildchen von Rembrandts Hand heute
fast unbezahlbar ist.
.So war es und so wird es immer sein, mag
auch die Meute hinter allen Großen kläffen, die
anderes zu offenbaren haben, als das ihr Alt‐
bekannte.
.Stets wird die
Zeit zu richten wissen, und
niemals wird sie danach fragen, durch welches
Schlagwort man die Werke eines Künstlers ein‐
mal einzuengen suchte, oder welcher „Richtung”
er sich selbst vielleicht verschrieben glaubte.
.Was an Echtem ans Licht will, kommt aus
den
Tiefen der menschlichen Seele, aus
göttlich klaren Brunnen, wenn es auch heute
noch manche Trübung durch das Erdreich zeigt,
das erst durchbrochen werden muß.
.Wer darf es denen, die diese Quellen rauschen
hören, heute verargen, wenn sie nun
alles Heil
allein von
ihren Brunnen her erwarten?!
.Die
Echten, die
Schaffenden, werden gar
bald erkennen, daß deshalb die
vor ihnen
von
Früheren begründete Kunstrichtung noch lange
nicht „überwunden” ist, werden im
Gegenteil
sehen lernen, wie sie selbst nur fest auf dieser
Erde Boden stehen, wenn sie alles in sich sau‐
gen, wie die Wurzeln eines Baumes, was an
echten Werten in
jedem echten, künstlerischen
Streben aufzufinden ist.
.Es gibt sehr feinsinnige Kunstfreunde, die
durchaus nicht allem Neuen abhold sind, und
dennoch den neueren Bestrebungen in der Malerei
scharf ablehnend gegenüber stehen.
.Man kann das wohl begreifen, denn was bis
jetzt an Resultaten vorliegt, ist zwar reich an
einzelnen guten
Ansätzen, aber das meiste Gute
erstickt fast im üppigen Unkraut abstruser Ge‐
bilde, deren wilde Geste oder idiotenhafte, naiv
sein
wollende Grimasse wahrlich jedem geläu‐
terten Geschmack ein gelindes Grausen abnötigen
muß.
.Es geht eben hier wie überall: ‒ wer
Kultur‐
werte schaffen will, muß
selbst ein gerüttelt Maß
hoher Kultur
in sich tragen, und die, von denen
man solches behaupten darf, sind und waren zu
allen Zeiten selten.
.Wenn aber die wirklich wertvollen Stilele‐
mente, die bereits da und dort zu ersehen sind,
zu einem neuen Stil in der Malerei ausreifen
sollen, dann darf der Kunstfreund, für den doch
alle Kunst geschaffen wird, trotz aller wohlbe‐
gründeten Abneigung gegen das mitunterlaufende
Chaotische, seine
Mitarbeit nicht versagen.
.Diese Mitarbeit aber verlangt in erster Linie
eine vorurteilslose, willige Einstellung des eigenen
Einfühlungsvermögens gegenüber den neuen,
und auf den ersten Blick befremdenden Formen.
.Man darf sich, will man zu einem
sicheren
Urteil kommen, nicht selbst den Weg dazu ver‐
sperren durch theoretische Erwägungen, die von
ganz andersartigen Strebensäußerungen im
Reiche der Kunst ihre Sanktion empfangen.
.Unsagbar viel ist zu allen Zeiten darüber ge‐
schrieben worden, was die Malerei als höchste
Kunst sein „
soll”, sein „
kann” und sein „
darf”.
.Künstler stellten die Forderungen, die
ihr
eigner Genius an sie stellte, als
allgemein‐
gültige Normen auf, und gelehrte Kunstfreunde
suchten das, was
sie selbst am stärksten beein‐
druckte, mit allem psychologischen und philoso‐
phischen Apparat emporzuschrauben, damit es
den kommenden Zeiten als hohes Vorbild leuchte.
.Aber das Schaffen-„
Müssen” echter Künstler
spottet aller gutgemeinten Ermahnungen, spottet
des grimmigsten Tadels und der überschwäng‐
lichsten Lobeserhebung, weil jeder wirklich be‐
rufene, starke Künstler, allen Theorien entrückt,
stets wieder nur nach den
ihm innewohnenden
Gesetzen allein gestalten
kann.
.Sein Werk dient dann vielleicht zum Aus‐
gangspunkt für eine
neue Theorie, die ebenso‐
wenig auf
allgemeine Gültigkeit Anspruch hat,
wie die
früheren Theorien.
.Selten nur macht sich der Kunstfreund klar,
welcher Kunsttheorie seine Liebe zur Kunst und
sein Urteil unterworfen ist.
.In den meisten Fällen sind seine Kunstfor‐
derungen hergeleitet von einem Sammelbecken
aller erdenklichen Kunst-Theorien, die im
Laufe der Jahrhunderte entstanden, und deren
tatsächliche
Befolgung durch schaffende Künst‐
ler stets nur eine matte und kraftlose Epigonen‐
kunst zutage förderte.
.Er hat vielleicht viele große Museen alter
Kunst durchwandert, viele der modernen Aus‐
stellungen gesehen, und allerhand kunstgeschicht‐
liche Studien hinter sich, so daß er sich nur allzu‐
gerne ein gewisses „Kunstverständnis” zutraut,
und es auch, vielleicht, in gewissem Maße besitzt.
.Nun ist aber
Kunst etwas
Lebendiges, etwas,
das in stetem Wandel seiner Formen begriffen
ist, so daß man, auf das bekannte Wort Nietzsches
anspielend, wohl sagen könnte: „Nur wer sich
wandelt, ist mit ihr verwandt”: ‒ nur wer sich
in seinem Einfühlungsvermögen stets wandlungs‐
fähig zu erhalten weiß, tritt in ein
inneres,
lebendiges Verhältnis zur Kunst.
.Der in seine, ihm von außen her überkommene
Kunst-Theorie verrannte Eigensinnige wird es
dagegen dulden müssen, daß die Kunst lächelnd
ihre Bahn weiter schreitet, ob er sie nun erken‐
nen mag oder nicht.
.Das Gebiet der freien Kunst läßt sich nicht
mit Staketenzäunen abgrenzen, und seine Straßen
sperren keine Schlagbäume.
.Die sich vermessentlich berufen dünkten, seine
Ausdehnung
bestimmen zu dürfen, glaubten
noch zu allen Zeiten, die Kunst
überschreite
ihr eigenes Gebiet, wenn sie sich nicht an
jene Grenzlinien kehrte, die diese Neunmalklugen
ihr fürsorglich gezogen hatten.
.So spricht man denn auch jetzt noch, gelassen
und von keinem Zweifel beirrt, zuweilen den
Satz aus, das Bestreben der neueren Malerei sei
„eine Überschreitung der
Grenzen” dieser Kunst.
.Wenn man aber auch wahrlich nicht in Ver‐
legenheit gerät, sobald man ernstlich nach kriti‐
schen Waffen sucht, um die heute allerwege
aller‐
neueste Malerei zu
bekämpfen, wenn auch
Expressionismus und Kubismus keineswegs so
unangreifbar sind, wie ihre Anhänger in schöner
Begeisterung glauben, so ist doch gerade der Vor‐
wurf der „Grenzüberschreitung”
diesen Rich‐
tungen gegenüber eine recht
ungeeignete Waffe,
denn sie fliegt unfehlbar zurück wie ein Bume‐
rang, aber durchaus nicht in die
Hände dessen,
der sie geworfen hat.
.Abgesehen davon, daß man nur im Banne
einer bestimmten Ästhetik diesen Vorwurf als
Tadel auffassen kann, daß er aber ebensowohl,
‒ ich erinnere hier nur an die Entwicklung der
Musik seit Beethoven, ‒ von
anderem Stand‐
punkt her gesehen, höchstes
Lob in sich schließt,
ist ja gerade die puritanisch strengste Selbstbe‐
schränkung auf das
allerengste Gebiet maleri‐
scher Ausdrucksmittel, das
Kennzeichen der
neueren Malerei.
.Gerade weil sie in der bisherigen Auffassung
der Kunst des Malens eine Menge von Kunst‐
mitteln in Anwendung sahen, die im
allerstreng‐
sten Sinne
nicht mehr den Wirkungsmitteln
zuzurechnen sind, über die nur der Maler
allein
verfügt, sehen sich ja die Neueren veranlaßt, nach
Wegen zu suchen, auf denen sie sich, im
engsten
Gebiet ihrer Kunst bleibend, dennoch aussprechen
können.
.Sie erstreben ja nichts Geringeres, als die
„
absolute Malerei” zu schaffen: ‒ ihr Bild soll
ein Gebilde sein, frei von jeder Tendenz der
Naturnachahmung, soll
nur durch sich selbst,
durch seine freien Farben und Formen, zu der
Seele des Betrachters sprechen.
.Man kann die Grenzen der Malerei schlecht‐
hin nicht
enger ziehen, denn die Kunstmittel,
mit denen es die Malerei unter
allen Künst‐
lern
allein zu tun hat, sind
verschieden ge‐
formte Farbflecken, die, wenn das Gebilde
überhaupt zur
Kunst zu zählen sein soll, in ge‐
wisse
rhythmische Verhältnisse zueinander
gebracht werden müssen.
.Daß man diese Farbflecken auch so gestalten
kann, daß durch ihre Anordnung auf der Netz‐
haut des beschauenden Auges ähnliche Eindrücke
hervorgerufen werden, wie wir sie vom Sehen
der Dinge in der Außenwelt her gewohnt sind,
ist eine Sache für sich, und gehört in das Gebiet
der
möglichen Anwendungsarten der primä‐
ren Kunstmittel des Malers.
.Schließlich kann man ja auch Farbflecken
ohne jede Gesetzmäßigkeit nebeneinandersetzen,
oder ihre Anordnung, wie bei gewissen Batik‐
stoffen, dem
Zufall überlassen und nur durch ge‐
schmackvolle
Auswahl der
Farbtöne nachhelfen.
.Den
allerstrengsten Vertretern gewisser
neueren Richtungen in der Malerei erscheint nun
jede Anwendungsart der primären Mittel des
Malers „unrein” und kunsthemmend, bei der das
Endresultat noch etwas
anderes aussagen will,
als was sich
allein durch die rhythmische Ver‐
teilung und gegenseitige Beziehung der Farb‐
flecken und ihrer Formen aussagen läßt.
.Die weniger strengen lassen wohl Reminiszen‐
zen an die Dinge der greifbaren Welt noch zu,
jedoch nur in einer
Umformung, die aus den
Gesetzen der primären Mittel und ihrer Aus‐
drucksfähigkeiten
an sich hergeleitet wird.
.Es liegt eine zwingende
Logik in diesen Rei‐
nigungsbestrebungen, mag man die Art, wie sie
der Einzelne auffaßt, erfreulich finden oder nicht,
und dieser Logik unterliegen die meisten der
jungen Maler unserer Tage, so daß sie sich scharen‐
weise den neuen Richtungen zuwenden.
.Diese Reformer sind es, die von ihrem
Standpunkt aus mit vollem Recht fast
aller seit‐
herigen Malerei „Grenzüberschreitung” vorwerfen
können!
.Demgegenüber bleibt nun aber die Frage
offen, ob wir uns nicht eines unschätzbaren Reich‐
tums in freiwilliger Askese begeben, wenn wir
auf allen
Sinnenreiz der Außenwelt
verzich‐
ten, und, uns nur in den engen
Grenzen der
ureigensten Mittel einer
Kunst bewegend,
nichts
als lediglich abstrakt formalen Ausdruck geben
wollen?
.Sollen wir uns denn wirklich nur auf ein
Gestikulieren und auf eine Kunst, die nur
das
aussprechen kann, was ihre
Mittel an sich schon
erschöpfen, beschränken, oder wird es nicht höher
führen, wenn wir unsere Mittel dazu erziehen,
uns in
allen ihren möglichen Anwendungsarten
zu
dienen, auch wenn strengstens dabei ver‐
mieden werden muß, sie zu vergewaltigen?
.Ist es dem Maler
möglich, seine
primären
Mittel: die verschieden geformten Farbflecken,
in rhythmische Beziehung zu setzen, was das
erste
Grunderfordernis des Kunstwerkes aus‐
macht, und kann er,
ohne diese rhythmische
Gestaltung zu
gefährden, darüber hinaus auch
andere Saiten in der Seele des Beschauers durch
subtilere Verwendung seiner Mittel zum Erklin‐
gen bringen, so ruft er zweifellos eine
Verstär‐
kung des Erlebens wach, ohne den zugewiesenen
Bereich seiner Kunstmittel verlassen zu müssen,
und ohne Anleihen in fremdem Gebiet.
.Die Mitwirkung dieser,
nicht mit den
pri‐
mären Mitteln seiner Kunst erreichbaren Vor‐
stellungen darf nur nicht auf Kosten der
Kunst‐
gestaltung, durch ein Umgehen ihrer Gesetze,
erschlichen werden, darf nicht etwa nur dazu
dienen, das mangelhafte Beherrschen der primä‐
ren Mittel zu verschleiern.
.Jedes wahre Kunstwerk entsteht in einem
seelischen Zentrum, in dem durchaus keine scharfe
Scheidung der einzelnen Kunstarten getroffen ist.
.Erst zur
Mitteilung bedarf der Künstler ge‐
sonderter Mittel in der Außenwelt.
.Der Ring aber schließt sich, indem das so
entstandene Werk vom
Genießenden wieder in
dem
gleichen seelischen Zentrum
empfunden
wird, aus dem es in der Seele des
Schaffenden
hervorging.
.So dürfte also der eigentliche bleibende
Wert,
den die neueren Bestrebungen auf dem Gebiete
der Malerei zu erlangen fähig sind,
nicht dort
liegen, wo ihn die Verfechter dieser Bestrebungen
suchen.
.Was diese Künstler, soweit es sich um be‐
rufene Schöpfer handelt, mit elementarer Gewalt
in neue Bahnen zwingt, ist nichts anderes als
jene Urgewalt der Seele, die sich uns, in dafür
eigens geschaffenen Gebilden, als
Kunst offen‐
baren will, aber die im Laufe der Jahrhunderte
erwachsenen Darstellungsformen durch allzu große
Überfeinerung
kraftlos geworden findet, und sie
nun zurückschneidet, wenn es sein muß, bis auf
den Stamm, damit neue,
kräftigere Äste,
vollere
Blüten und
reichere Früchte sich bilden können.
.Wir haben also von den neueren Richtungen
in der Malerei zwar keine
neue Kunst, wohl
aber reinere und stärkere
Ausdrucksmittel zu
erwarten, und weiterhin neue
Symbole, die man
zwar erst
deuten lernen muß, die aber weit über
den engen Bezirk der primären Mittel der Male‐
rei hinausführen werden, als
Bildzeichen der
Seele.
.Man rede uns daher nicht ein, daß ein vom
Gärtner zurückgeschnittener Obstbaum der In‐
begriff aller Schönheit sei, aber man werte diesen
Baum auch deshalb nicht etwa
gering, sondern
warte erst die
Entwicklung seiner neuen, stär‐
keren Triebe ab, warte, bis der Frühling
Blüten
bringt und der Sommer schließlich
reife Früchte
zeitigt!
.Wenn man die Anfänge bildnerischen Ge‐
staltens bei Naturvölkern und in den Malereien
der Urzeitmenschen betrachtet, lassen sich sehr
verschiedene Impulse feststellen, die solches
Schaffen bewirkten.
.Fraglos verdanken die bewegten Darstellun‐
gen der Tierwelt, die den Urzeitmenschen um‐
gab, wie auch die lebendigen Buschmann-Zeich‐
nungen, rein künstlerisch der Freude am
Wieder‐
gebenkönnen der Augeneindrücke ihr Da‐
sein, auch wenn es daneben ihr Nützlichkeits‐
zweck war, über die dargestellten Tiere einen
Jagdzauber auszusprechen, während die Malereien
an einem Fetisch-Tempel im Urwald als reinste
Ausdruckskunst anzusehen sind.
.Wie hoch sich auch die Kunstübung der
Kul‐
turvölker über die genannten
primitiven
Kunstleistungen erheben mag, so lassen sich
dennoch diese beiden Hauptimpulse künstleri‐
schen Schaffens immer wieder feststellen, bis
auf den heutigen Tag.
.Man hat die bildende Kunst gar oft auf ein
Schmuckbedürfnis zurückzuführen gesucht
und es scheint tatsächlich, als ob der Wunsch,
sich selbst oder einen Gegenstand, ein Bauwerk,
mit Schmuck zu versehen, vielfach der erste
Anlaß zu künstlerischer Betätigung gewesen
sei, aber wir gehen zweifellos fehl, wenn wir in
diesem Schmuckbedürfnis auch die
innere Ur‐
sache zu sehen vermeinen, die den Menschen
auf die Bahn des Gestaltens in Form und Farbe
führte. Zwar geht sicherlich das Schmuckbe‐
dürfnis mit den bereits genannten Impulsen
vielfach Hand in Hand, aber es ist nicht,
für
sich betrachtet, Ursache künstlerischer Ge‐
staltung, auch nicht in deren primitivster Form.
.Es Iäßt sich überdies die Frage aufwerfen,
ob der primitive Mensch jemals ein
reines
Schmuckbedürfnis
ohne symbolische Beiwerte
empfand?
.Ich glaube diese Frage verneinen zu dürfen
und möchte eher behaupten, daß
jeglicher
Schmuck des primitiven Menschen für ihn einen
symbolischen Wert besitzt. Sobald dann der
Kunsttrieb in Erscheinung tritt, um das Schmuck‐
bedürfnis auf eine höhere Stufe zu erheben, dient
er in irgend einer Weise zur Ausdeutung sym‐
bolischer Werte, wird er Ausdruckskunst: „
Ex‐
pressionismus”, ‒ oder aber, er benützt den
zu schmückenden Gegenstand lediglich als Folie,
als Unterlage, um seiner Darstellungsfreude zu
genügen: um als reiner „
Impressionismus” die
Wiedergabe des Augeneindrucks zu versuchen.
.Expressionismus tritt immer als eine Art
Geheimsprache auf.
.Wir können die seltsame Ornamentik ma‐
layischer oder afrikanischer Fetischtempel nie‐
mals recht verstehen, wenn wir nicht wissen,
welcher Gefühlswert sich für den Menschen
dieser primitiven Kulturkreise mit den einzelnen
Formen und Farben verbindet.
.Auch
unser Expressionismus, soweit er ech‐
tem Empfinden entstammt, strebt einer solchen
„Geheimsprache” zu, nur fehlt ihm die sichere
Tradition primitiver Völkerschaften, die einheit‐
liche Gebundenheit durch allgemein verbreitete
Glaubensform, so daß die
Gefahr besteht, eine
babylonische Kunstsprachen-
Verwirrung
statt einer
hieratischen Sprache zu erreichen.
.Im Gegensatz zum expressionistischen Kunst‐
Impuls liegt es dem Impuls zum
Impressio‐
nismus völlig fern, Unsagbares sagen, Urgefühle
aufregen und Geheimnisse der Seele deuten zu
wollen.
.Der Urzeitmensch, wie der afrikanische Busch‐
mann, ist bei seiner Wiedergabe bewegten Le‐
bens von keinem anderen Trieb beherrscht, wie
der
moderne Impressionist, den seine Freude
an der bewegten Erscheinung mit so viel voll‐
kommeneren Mitteln und unvergleichlich größe‐
rem
technischen Können zur Darstellung sei‐
nes Augeneindrucks führt, mag auch dem primi‐
tiven Menschen schon
jedes Darstellenkönnen
an sich wie die Ausübung einer magischen
Kunst erscheinen.
.Aus dieser kurzen Betrachtung ergibt sich,
daß wir im Grunde alle menschliche Kunstübung
auf
expressionistische und
impressioni‐
stische Impulse zurückführen können, ‒ beide
Worte freilich nicht in dem
engen Sinne ver‐
standen, der ihnen durch neuere und aller‐
neueste Künstlergruppen zuteil wurde, ‒ und
daß
beide Impulse im menschlichen Kunst‐
schaffen am Werk waren von Urzeittagen an.
.Es wird auch in Zukunft nicht anders sein,
und damit erübrigt sich der Streit,
welcher
der beiden Impulse der wertvollere sei, denn
beide entstammen der gleichen Urtiefe der
Menschenseele.
.Wohl mag Jahrhunderte lang der eine Im‐
puls im kunstbegabten Menschen stärker zur
Auswirkung kommen als der andere, wohl mö‐
gen gewisse Kulturströmungen dem
Impressio‐
nismus, andere wieder dem
Expressionis‐
mus günstig sein, doch niemals wird einer der
beiden Kunst-Impulse völlig verschwinden, und
dem aufmerksamen Beobachter zeigt sich das
Wirken
beider zu
allen Zeiten, auch wenn
es auf den ersten Blick scheinen möchte, als sei
nur der eine vorhanden gewesen.
.Eine verhängnisvolle
Verirrung aber ist es,
wenn nun moderne Künstler, in denen der
ex‐
pressionistische Impuls wieder stark nach Ge‐
staltung drängt, ihre Anregungen bei der Kunst‐
übung
primitiver Völkerschaften holen zu
müssen meinen, oder deren Werke gar als Eides‐
helfer heranziehen, um eigene abstruse Gebilde
zu rechtfertigen.
.Es gibt bekanntlich moderne Künstler, deren
höchstes Ausdrucks-Ideal in der
Negerplastik
oder in gewissen
Malereien der Südseeinsu‐
laner sich noch übertroffen fühlt.
.Wenn nun ein derartiger Künstler es glück‐
lich soweit gebracht hat, daß sein Werk, dem
äußeren Anschein nach, seinem Kunstideal an‐
nähernd entspricht, dann hat er nichts anderes
getan, als ein Geldfälscher, der eine Banknote
schlecht nachmacht. Er frage einmal einen
jener primitiven Menschen des Urwaldes und
der Koralleninseln, ob dieser sein Gebilde etwa
für
echt nimmt, ob er es
verstehen kann,
was doch der Fall sein müßte, wenn das, was
der moderne Europäer der Kunstsprache des
Primitiven willkürlich entlehnt hat, wirklich die
Elemente einer, dem
nicht durch moderne
Kunstüberfeinerung verdorbenen Menschen ei‐
genen Ausdruckssprache in sich enthielte.
.Dem primitiven Menschen ist seine Kunst‐
sprache etwas
genau Bestimmtes, und er würde
in dem Werk des Europäers nur Willkür sehen,
während ihm das schlechteste Kunstdruckbild‐
chen wenigstens
verständlich bleibt. Ich weiß
von einer Erfahrung dieser Art, die mir sehr zu
denken gab.
.Will der moderne Künstler, der von
expres‐
sionistischen Impulsen ausgeht, wirklich Wert‐
volles schaffen, dann darf er nicht die Balken‐
kontur malayischer Malereien oder die plump
dekorative Roheit afrikanischer Götzenbilder als
Vorbild seiner Kunstsprache wählen, sondern
muß sich eine Ausdrucksform schaffen, die
un‐
serer europäischen Kultur entspricht, wie
zu allen Zeiten die expressionistische Kunstbe‐
tätigung dem künstlerischen Status der Zeit ent‐
sprach.
.Archaistische Tendenzen zeigten noch immer
Zeiten des Niederganges an, besiegelten den
Ver‐
fall der Kunst.
.Man kann aber mit seinen archaisierenden
Stilübungen gewiß nicht gut weiter gehen, als
wenn man glaubt, hohe Kunstwerke zu schaffen,
indem man die primitiven Kunstäußerungen der
Urwald- und Höhlenmenschen im Stil zu imi‐
tieren versucht, wie das viele der als „Expres‐
sionisten” heute auftretenden Künstler tun, wäh‐
rend gleichzeitig allerdings auch zugleich expres‐
sionistische Werke entstehen, die erhoffen lassen,
daß ihre Urheber den Weg zur Kunst, wie sie
allezeit war und sein wird, wiederfinden werden.
.Die Verirrungen neuerer Künstler ins Archa‐
ische und Exotische sind nicht etwa, wie man
irrigerweise annehmen könnte, vom expressioni‐
stischen
Impuls, sondern nur von einem Miß‐
brauch ihrer eigenen ‒ von diesen Künstlern
selbst geschaffenen ‒ expressionistischen Dar‐
stellungs-
Methode ausgegangen!
.Es ist die
Überschätzung der expressionisti‐
schen
Methode durch die dem expressionisti‐
schen
Impuls ergebene Künstlerschaft, die den
verirrten Schaffenden in eine Art Selbsthypnose
zwingt, und ihn dann glauben läßt: das, was er
zum Ausdruck zu bringen habe,
könne nur in
der Weise primitivster Kunstausübung zur rech‐
ten Darstellung gebracht werden.
.Die
wirklichen „Primitiven” aber, die er
aus solcher Verwirrung seiner Einsicht heraus
nachahmt, würden nur
kindische Unbeholfen‐
heit in seinem Werke ausgedrückt finden.
.Als
Cimabues Madonnenbild im Triumph‐
zug aus seiner Werkstatt geholt und durch Florenz
getragen wurde, bevor es an seinen Bestimmungs‐
ort kam, konnte keinen Augenblick in dem Künst‐
ler ein Zweifel nisten, für
wen er eigentlich sein
Werk geschaffen habe.
.Wohl lag auch ihm an der Bewunderung, die
ihm seine
Berufsgenossen zollten, aber in
erster Linie wußte er, daß er sein Werk dem
Volke gab. Allen denen, die es sehen konnten,
wollte er Bewunderung entlocken.
.Die Maler späterer Tage sind weniger an‐
spruchsvoll geworden.
.Als
Böcklin einst ein Heft der damals neu‐
gegründeten Zeitschrift: „Kunst für Alle” sah,
ärgerte er sich an dem Titel, weil es eine Kunst
für alle nicht geben könne, und Cézanne sprach
es unverhohlen aus, daß Kunst nur immer eine
Angelegenheit sehr weniger Menschen sei.
.Böcklins Stellungnahme muß heute Verwun‐
derung erregen, denn
seine Kunst will uns
Heutigen so verständlich erscheinen, daß sie wirk‐
lich die Charakterisierung als eine Kunst „für
alle” vertragen könnte.
.Weniger verwunderlich ist uns die Auffassung
des französischen Malers, denn so hoch er auch
heute gefeiert werden mag, nachdem er sein
Leben in relativer Armut verbrachte, so sind es
verhältnismäßig doch nur sehr wenige, die seine
Kunst gebührend zu schätzen wissen. Gleich
ihm aber gibt es heute eine große Anzahl von
Künstlern, deren Werke nur von sehr wenigen
verstanden werden, weil ‒ sie eben
nur für
sehr wenige ihre Bilder und Statuen schaffen.
.Wie frei der Künstler auch an die Gestaltung
seines Werkes herantreten mag, immer steht ein
idealer Auftraggeber vor seinem Geiste, mag er
auch dessen irdische Personifikation nur in seiner
eigenen Persönlichkeit finden. Es ist natur‐
gemäß, daß er für
andere Augen schafft, auch
wenn nur
er selbst, als
Betrachtender, vor
seinem fertigen Werke diese „anderen Augen”
repräsentiert.
.Die Künstler
früherer Tage wollten ganz
bewußt, daß ihr Werk von
allen verstanden
würde, und sie fanden darum in sich die Auf‐
gabe gestellt, ihr inneres Müssen, den überintel‐
lektuellen Trieb zum künstlerischen Schaffen, in
Einklang zu bringen mit den Erfordernissen, die
das allgemeine
Verständnis heischte.
.Wer aber wollte behaupten, daß
Phidias der
Menge „unkünstlerische Konzessionen” gemacht
habe, oder daß
Giotto auf die von ihm er‐
kannten Kunstgesetze nicht geachtet hätte, nur
um der Masse zu gefallen, ‒ und doch sind die
Werke der alten Kunst durchweg selbst dem in
Kunstdingen Ungebildetsten
verständlich,
wenn sie auch das, was
ihre höchste Schön‐
heit ausmacht, erst einem reichentwickelten
Kunstgefühl offenbaren.
.Die Künstler
neuerer Zeit hingegen haben
sich immer mehr und mehr Sonderinteressen zu‐
gewandt: Darstellungsproblemen, die zwar im
Bereich der Werkstatt sehr „
interessant”
bleiben, die aber niemals das echte Interesse der
Allgemeinheit finden können, eben weil es
sich nur um
Experimente handelt, deren Wert
bestenfalls nur
in der eigenen Förderung
des Künstlers liegt. Ich stehe nicht an zu be‐
haupten, daß drei Viertel (wenn nicht mehr)
unserer ganzen heutigen Kunstproduktion aus
solchen Werkstatt-Experimenten besteht, denn
die Künstler haben das Interesse, das man diesen
Studienmitteln entgegenbrachte, derart zu ihrem
eigenen Schaden umgedeutet, daß sie zumeist
gar nicht mehr über das Experiment hinaus
wollen. Es genügt ihnen um den Schaffenstrieb
oberflächlich zu befriedigen, und sie verlangen
nun von ihren Zeitgenossen, daß sie mit dem
Gegebenen sich abfinden und darin die
höchste
Leistung der Künstler sehen sollen.
.Daß hier eine grenzenlose Verirrung vorliegt,
wird nur dem nicht klar, der bereits bis zum
Rausch von den Weihrauchwolken umnebelt ist,
die durch zahllose,
selbst in tiefer Hypnose
redende Wortführer dieser Experimentier-Me‐
thode, der neueren Kunst dargebracht werden.
.Die Sammelnamen für die neueren Kunst‐
bestrebungen besagen nichts Zwingendes, denn
jede „Richtung” teilt sich wieder in zahllose
Unter- und Seitenrichtungen, weil das
Experi‐
ment, auf dem alles ruht, bis ins Unendliche
variabel ist. In jedem Künstler kann es andere
Formen finden, und doch macht jeder im Grunde
das Gleiche, so daß für den Beschauer, der ein‐
mal über das erste Sensationsgefühl hinaus ge‐
langte, nichts Langweiligeres existiert, als die
Ausstellungen dieser allezeit Aller-Modernsten,
die jetzt in allen Kunstzentren haufenweise zu
sehen sind.
.In einzelnen solcher Arbeiten finden sich hie
und da noch Spuren einer fast gewaltsam be‐
haupteten Individualität Einzelner, aber bei den
meisten Werken könnte man ruhig die Namen
vertauschen, denn es handelt sich ja kaum mehr
um Schaffensprodukte bestimmter
Persönlich‐
keiten, sondern nur um Mitarbeit an den Be‐
strebungen eines Kollektivwillens zum bloßen
Experiment.
.Als
Durchgangs-
Phase könnte dieses Aus‐
toben in Experimenten den
Künstlern gewiß
von Nutzen sein, denn sie lernen dadurch die
unendlichen Möglichkeiten kennen, die ihnen
ihr Ausdrucksmaterial bietet, aber der Leid‐
tragende bei der heutigen Verhimmelung der‐
artigen Tuns wird der in die Hypnose mitgeris‐
sene
Kunstfreund, der
Käufer, bis er ent‐
weder selbst eines Tages zur Einsicht kommt,
daß er Werkstatt-Experimente teuer bezahlte, wo
er höchste Kunst zu erwerben vermeinte, oder
bis seine enttäuschten Erben einst die betrübliche
Entdeckung machen müssen, daß kein Mensch
mehr auch nur ein Zehntel der einst gezahlten
Summen für diese Kuriosa geben mag.
.Kunst ist und bleibt, trotz andersartiger Auf‐
fassung Einzelner, eine Sache der
seelischen
Gemeinsamkeit.
.Aus dem allgemeinen Fond an Kultur eines
Volkes, eines Landes, einer Stadt selbst, zieht
sie ihre Nahrung, und rückwirkend beeinflußt,
hebt und fördert sie wieder diese Kultur, oder
drückt sie hinab ins Banale und Gemeine.
.Im wünschenswerten
günstigen Falle be‐
deutet das Kunstschaffen einer Zeit eine
Wert‐
steigerung der aus der Gesamtkultur gezogenen
geistigen Kräfte, wie es zur Zeit der alten Grie‐
chen, zur Zeit der Renaissance in Italien war,
‒ im
ungünstigen Falle aber, und der liegt
im großen und ganzen
heute vor, bedeutet die
künstlerische Produktion geradezu eine Vernich‐
tung geistiger Werte.
.Wer daran zweifelt, der lese die exaltierten
Ergüsse moderner Kunst-Snobs, allwo sie vor
Negerplastik und vor Malereien, die tief unter
der Malerei der Urzeitmenschen stehen, einen
wahren Veitstanz der Begeisterung aufführen,
während sie deutlich zu verstehen geben, daß
die göttlichen Werte höchster Kunst ihrem per‐
versen Empfinden längst nicht mehr zugänglich
sind.
.Es gibt kein Mittel, gegen diese Verirrungen
anzukämpfen, als das eine, daß sich der Kunst‐
freund
wach erhält, sich ganz entschieden
wei‐
gert, der heutigen Kollektiv-Hypnose auf künst‐
lerischem Gebiet zu verfallen, trotz all der Flut
neuer Bücher und Zeitschriften, die ihn einen
„Banausen” schelten, wenn er nicht schleunigst
sich bekehre und zu den neuen Göttern bete.
.Wir
müssen wieder zu einer Kunst kommen,
die wirklich eine
Kunst für alle ist.
.Kunst muß wieder
Angelegenheit des
ganzen Volkes werden.
.Freilich nicht in dem Sinne, daß sie ihre
heiligen Gesetze verleugnet, um dem Unge‐
schmack der Menge zu gefallen, denn eine so‐
genannte „Kunst”
dieser Art, die sich ja leider
noch an allen Straßenecken breit macht, ist viel
verwerflicher als selbst die zum Ideal erhobene
Hottentottenkunst.
.Die Kunst, die wir brauchen, muß aus dem
Besten schöpfen, was in der Volksgemeinschaft
lebt, und dieses Beste dem Volke in geläuterter
künstlerischer Form darbieten, als Spiegel seiner
Seele.
.Experimente gehören in die
Werkstatt des
Künstlers, und wenn er sie schon zeigt, sollen
sie auch als
Experimente, und
nur als solche,
bezeichnet werden! Darüber hinaus aber brauchen
wir Werke, die wie in jeder großen Kunst- und
Kulturperiode
allen verständlich sind, wenn
auch immer nur die künstlerisch Gebildeten ihre
höchste Schönheit zu fassen vermögen.
.Was die marktschreierische Experimentier‐
kunst unserer Tage aber bei ihren Anhängern
finden will, ist nichts weniger als wirkliches
„Kunstverständnis”. Sie braucht nur halbzer‐
rüttete Nervenbündel, die sich widerstandslos
jeglicher Suggestion durch die brutalsten sinn‐
lichen Mittel unterwerfen.
.Ihre Anhänger gebärden sich, als ob sie allein
über das rechte Kunstverständnis verfügten, sie
schwatzen von der Befreiung des
Geistes, wäh‐
rend sie vor Idolen knien, die ebenso tief unter
den erhabenen Werken vom Geiste erfüllter
Kunstperioden stehen, wie der Fetisch eines Wil‐
den tief unter dem Kultbild steht, das einst im
Parthenon Verehrung fand.
.Das Wort „Dilettantismus” ist bei uns sehr
in Mißkredit gekommen. Man hört zum mindesten
lieber die Verdeutschung und spricht von „Lieb‐
haberkunst”. Aber „im Deutschen
lügt man, wenn
man höflich ist”, und unsere deutsche Sprache
ist immerhin kräftig genug, um ein paar Fremd‐
worte vertragen zu können, die schlechthin
Begriffe bergen, mit denen sich das deutsche
Wort
nicht deckt, wie das nun einmal bei
der Verdeutschung des Wortes „Dilettantismus”
der Fall ist.
.„
Liebhaberkunst” besagt
mehr als „Dilettan‐
tismus”, denn „Liebhaberkunst” kann wirkliche
Kunst sein, ‒ nur wird mit dem Worte gesagt,
daß ihr Schöpfer nicht zu den
Berufskünstlern
zählt, ‒ während es
völlig ausgeschlossen ist,
daß das Werk eines „Dilettanten” jemals den Rang
eines wirklichen
Kunstwerks beanspruchen darf.
.Ich habe mit Absicht diese Erörterung mit dem
Worte „Dilettantenkunst” überschrieben, nicht,
weil ich etwa hier von der „Kunst” reden will,
die in dem Erzeugnis eines „Dilettanten” stecken
könne, sondern: ‒ weil ich diesem bösen Wort
den Garaus machen möchte.
.So wenig nun aber auch durch dilettantische
Betätigung jemals „
Kunst” entstehen kann, so
sehr ist es Unrecht, allen „Dilettantismus” in
Bausch und Bogen geringschätzig anzusehen. Ver‐
werflich ist „Dilettantismus” lediglich dort, wo er
nicht hingehört, und man kann einem Berufs‐
künstler keinen schlimmeren Vorwurf machen,
als wenn man sagt, sein Werk sei „dilettantisch”.
.Man drückt damit aus, daß es als Kunstwerk
unzulänglich ist, daß es sich nur mit den glei‐
chen
Handwerksmitteln hervorgebracht er‐
weist, mit denen man auch ein wahres Werk der
Kunst hätte schaffen können, daß es aber besten‐
falls nur Geschmack und Fleiß verrät, keineswegs
jedoch die spezifisch
künstlerische Begabung.
.Das „dilettantische” Werk eines Berufskünst‐
lers wird jeder Kenner
ablehnen, wohl aber
wird er unter Umständen seine
Freude an dem
liebevollen Erzeugnis irgend eines „Dilettanten”
haben können.
.Das Erzeugnis des Dilettanten ist nur dann
schlecht, wenn es selbst unter der
mäßigen
Begabungsgrenze bleibt, die überhaupt erst zu
irgend einer dilettantischen Betätigung ein
Recht
gibt, oder aber, ‒ wenn es zeigt, daß sich der
Dilettant gern als „
Künstler” gewertet sehen
möchte, ‒ wodurch es
auch als Dilettantismus
unzulänglich wird.
.Es gibt ganz reizende Dilettantenarbeiten aus
der Zeit unsrer Groß- und Urgroßeltern, und diese
gezeichneten oder aquarellierten Blättchen bilden
heute das Entzücken eines jeden Sammlers, so
wie sie auch damals schon allenthalben Freude
bereitet haben, und sehr sorglich in Ehren ge‐
halten wurden.
.Eine ganze Reihe von illustrativ begabten
Künstlern unserer Tage hat den eigenartigen Reiz
solcher preziösen Blättchen zum Ausgangspunkt
für einen oft recht ansprechenden
Illustrations‐
Stil genommen. Wahrlich die beste Anerkennung,
die sich ein „Dilettant” nur wünschen kann!
.Ich bezweifle aber sehr, daß in hundert Jahren
kommende Illustratoren
irgend etwas unter den
Erzeugnissen
heutiger Dilettanten finden wer‐
den, das ihnen in irgend einer Hinsicht stilistische
Anregung geben könnte.
.In jenen alten, bedächtigeren Zeiten freute
man sich, wenn man etwas geschmackvoll Sinni‐
ges in zierlicher Art mit Bleistift aufzuzeichnen
wußte, und wenn es hoch kam, suchte man mit
zarten Wasserfarben eine gewisse „Stimmung”
zu erzielen. Aber es
gelang! Es wurde stets etwas
Rechtes draus, weil keiner dieser „Dilettanten”
sich heimlich für einen „Künstler” hielt, und
weil keiner etwas versuchte, was
über seine
Kräfte hinausging.
.Zum Teil lag das auch an der damaligen
Kunst.
.Man sah viel zu deutlich, daß man es mit einem
„Künstler” nicht aufnehmen könne.
.Als dann später das Handwerk des Malers ro‐
bustere Züge annahm, als schließlich die pastose
„Prima”-Malerei, das Malen Naß in Naß, und in
einer skizzenhaften, mehr andeutenden als durch‐
führenden Art, in der Künstlerwelt Einzug hielt,
da glaubte der Dilettant nicht mehr recht Grund
zu haben zu seiner früheren Bescheidenheit. Die
Sache schien ihm „gar nicht so schwer”, er sah
nur das Alleräußerlichste, und so versuchte er
nun frischweg und mit einer durch keinerlei
künstlerische Bedenken gedämpften Courage „in
Öl” draufloszumalen und verlor auf diese Weise
jeden festen Halt, verlor das Beste, ‒
den guten
Geschmack.
.Aber muß das so bleiben?
.Können wir nicht diesem Strom des Unrats
endlich
Einhalt tun und den Tätigkeitstrieb des
Dilettanten wieder in
gesunde, seiner Art gemäße
Bahnen lenken??
.Tun wir es
nicht, dann bildet die eben er‐
keimende neue Sonderkunst seelischer Ausdrucks‐
werte für den Dilettanten eine
neue Gefahr, die
nicht unterschätzt werden darf.
.Das rechte Material des Dilettanten, ‒ zumeist
dürfte ja die
weibliche Form des Wortes in
betracht kommen, ‒ wird stets nur aus „Formen
und Farben” bestehen können,
die er selbst
intensiv in seiner Umwelt erlebt.
.Alle
Reminiszenzen an vorhandene
Kunst
sind ihm
gefährlich!
.Die Weite der Landschaft an einem Aussichts‐
punkt, der Feldstrauß, den er sich von einem
Ausflug mitbringt, die Innenräume seines Hauses,
und vielleicht auch, soweit Porträtbegabung vor‐
liegt, die Züge der Menschen, die ihm nahe und
vertraut sind, ‒
das sind die Gebiete, auf denen
ein gesunder, berechtigter und
erfreulicher
Dilettantismus gedeihen kann.
.Will er sich dort, wo er selbst in der Dar‐
stellung nicht weiter weiß, einmal Rat und Hilfe
suchen, so bergen Museen und Sammlungen ge‐
nügend Material, an dem er lernen kann, wie
etwas darzustellen ist, ‒ aber nur, wenn er sich
an Meister der
allereinfachsten Darstellungs‐
arten halten will, wird er Ersprießliches nach
Hause bringen.
.Mit keinem Worte scharf genug zu brand‐
marken ist natürlich alles Malen oder Zeichnen
nach „Vorlagen”. Hier muß
zuallererst gebro‐
chen werden! Der Dilettant, der etwas auf sich
hält, muß wissen, daß ein simpler Halm, den er
empfindend wiederzugeben weiß,
hoch über der
farbenbuntesten „Vorlage” steht, die er in mühe‐
voller Arbeit nachzupinseln unternimmt.
.Das Wecken der
Empfindungsfähigkeit
des Auges ist der höchste Zweck, den er ver‐
folgen muß.
.Wer so an
Formen der Natur sein Auge
bildet, der wird auch für die Werte, die im
Kunst‐
werk ruhen, sich empfänglich machen, und seine
Ehrfurcht vor der Kunst wird ihm verbieten,
jemals noch von
Kunst zu reden, wo nur heiteres
Spiel in anmutfrohen Formen vorliegt, wenn das
Beste wurde, was der „Dilettant” zu geben hat.
.„
Raffael von Urbino, geboren am 26. März
(Karfreitag) 1483 zu Urbino, gestorben am 6.
April (Karfreitag) 1520 zu Rom.” So überschreibt
der berühmte Maler-Biograph der Renaissance,
Giorgio Vasari, in seinem „Leben der Maler”
die Lebensbeschreibung
Raffael Santis, und
er legt sichtlich Wert darauf, daß dieser, wie
eine Erscheinung aus einer Überwelt wirkende
Künstler-Genius, der nur ganze siebenunddreißig
Jahre auf dieser Erde lebte, geheimnisvollerweise
an einem
Karfreitag sein Erdendasein begann
und an einem
Karfreitag wieder von der Erde
genommen wurde.
.Für jene Zeit, in der die fortgeschrittensten
Geister die Mysterien der Astrologie zu ergrün‐
den suchten, konnte dieses seltsame Zusammen‐
treffen beider Tage kein „Zufall” sein, zumal
für ihre Anschauung alles, was am Karfreitag
geschah, von seiner geglaubten tiefen mystischen
Bedeutung im Hinblick auf das Geschick dieses,
unsres Planeten, erfüllt sein mußte.
.Die bezaubernde Wirkung der Erschei‐
nung
Raffael Santis aus Urbino auf seine
Zeitgenossen spiegelt sich in den Worten Vasa‐
ris, wenn er schreibt: „Gewiß kann man sagen:
wen so reiche Gaben schmücken, der sei nicht
nur schlechthin ein
Mensch, sondern wenn der
Ausdruck erlaubt ist, ein
sterblicher Gott zu
nennen”... „Niemals ging er zu Hofe (dem
Hofe der Päpste), ohne daß er, vom Ausgehen
aus seiner Wohnung an, ein Gefolge von fünfzig
Malern gehabt hätte, ‒ alles gute und tüchtige
Maler, ‒ die ihm das
Ehrengeleite gaben; er
lebte überhaupt nicht als
Maler, sondern als
Fürst.” Und Vasari wird nicht müde, die
hin‐
reißende Liebenswürdigkeit, wie den
Adel
dieser Seele zu betonen, die es jedem unmög‐
lich machten, in Raffaels Gegenwart auch nur
ein „ungeziemendes Wort” zu gebrauchen.
.Aber dieser bewunderungswürdige
Mensch,
dieser unvergleichliche
Künstler war zugleich
ein geborener
Organisator, der es vorzüglich
verstand, alle die reichen Kräfte seiner Zeit dem
Werke dienstbar zu machen, das er der Welt
hinterlassen sollte.
.Die prachtliebenden Päpste
Julius der Zweite
und
Leo der Zehnte schaffen, in Bewunderung
gebannt, die nötigen
Mittel und
Gelegenhei‐
ten zur Betätigung seiner großen Kunst, seine
zahlreichen
Schüler beugen sich willig seiner
Leitung, um den weit über die Kräfte eines
Einzelnen umfangreichen Plänen ihres jungen
Meisters sichtbare Gestaltung zu verleihen, und
bis nach Griechenland schickt er seine Zeichner
aus, die ihm das Studienmaterial, dessen er be‐
darf, zu verschaffen haben. Unablässig ist er
bemüht, zu
lernen und das Gelernte in seiner
Weise zu verwerten. Jede Quelle der Anregung
muß sich ihm erschließen.
.Man kannte zu jener Zeit in der Kunst noch
nicht das ängstliche Bestreben unserer Tage, das
jeden Künstler dazu zwingt, von allen, die
vor
ihm schufen und
neben ihm wirken, möglichst
weit
abzurücken, damit man nur ja seiner
Originalität gewahr werde. Man wollte nicht,
gleich den Heutigen, das Einmaleins der Kunst
stets wieder von neuem erfinden.
.Bewußt des eigenen Wertes, stand man fest
auf den Schultern seiner Vorgänger, und es
wurde einem Künstler zum höchsten
Ruhme
angerechnet, wenn er das Beste seiner Zeitge‐
nossen in sein Werk zu übernehmen verstand.
.Man kann nicht sagen, daß diese Art Gemein‐
samkeit in der Kunst ihr zum Schaden gereicht
hätte!
.Auch das Genie
Raffaels war nicht „vom
Himmel gefallen”, und sein Biograph zählt mit
Stolz die Namen aller derer auf, von denen er zu
lernen, denen er „nachzueifern” suchte, um sie
schließlich alle durch seine
eigene Anmut und
Vollkommenheit zu übertreffen.
.Nur so aber konnte auch jene
abgeklärte
Harmonie erstehen, die aus den Werken die‐
ses Künstlers strahlt, die sein eigenes Jahrhun‐
dert überstrahlte und die den Werken seines
Geistes jene göttergleiche
Heiterkeit verleiht
für alle Zeiten, jene Heiterkeit, die ein kleines
und allzu erdgebundenes Geschlecht als „Leere”
und „Mangel an seelischer Tiefe” auszulegen
suchte.
.Doch darf man nicht etwa glauben, der Künst‐
ler, der in einer solchen Welt der idealen Schön‐
heit geistig heimisch war, sei
erdenfern, der
Welt,
die ihn umgab,
entrückt gewesen! Er
stand mit beiden Füßen
fest auf dieser Erde
Boden! Seine eigenen Briefe beweisen aufs
deutlichste, wie sehr er, ‒ darin seinem an ge‐
waltiger Kraft überlegenen Zeitgenossen
Michel‐
agniolo Buonarotti nur allzu ähnlich, ‒ auch
den Wert des
Geldes zu schätzen wußte, und
wie wichtig ihm seine
glänzende Stellung,
seine äußeren
Ehren waren.
.Allerdings strömten ihm Gold und Ehrungen
in so reichlicher Fülle zu, daß es ein Wunder
gewesen wäre, hätte der Sohn eines armen klei‐
nen Malers aus der Provinz diese Anerkennung
seiner Begabung nicht mit hohem wertbewußtem
Stolz empfunden.
.Wenn man nun
heute der Kunst Raffaels
gerechten Sinnes gegenübertreten will, ‒ nicht
viele
wollen es! ‒ dann ist zuerst die üble
Wirkung jener grauenhaften Popularisierung zu
überwinden, die sein Werk im letzten Jahrhun‐
dert erfahren mußte. Vom Bierglasdeckel, der
die „Madonna della Sedia” profanierte bis hin‐
auf zu so manchem „raffaelesken” Kirchenbild
der alten Düsseldorfer Schule, war alles dazu
angetan, das Werk eines Unvergleichlichen zu
schänden, und das Auge für die
wahre Schön‐
heit seiner
originalen Bilder stumpf und un‐
empfänglich werden zu lassen.
.Es ging ihm hier mit seinen
Madonnen,
wie es manchem der romanischen Komponisten
mit
Opern-
Melodien ergeht: man kann sie in
jenen Ländern nicht mehr unbefangen hören,
weil sie in jeder Gasse eine andere Drehorgel
in stets wieder neuer Verzerrung dem Fremdling
in die Ohren kreischt.
.Für viele der heutigen Menschen hat auch
der
Zeitgeschmack ein reines und hingege‐
benes Genießen raffaelischer Werke fast unmög‐
lich gemacht.
.Rembrandt sagt ihnen
mehr, weil sie
selbst
dem Leben nicht als
souveräne Beherrscher,
sondern als
ringende Beherrschte gegenüber
stehen und darum die allerwege
mit dem Le‐
ben ringende Kunst
Rembrandts tiefer
be‐
greifen.
.Es wird einer
kommenden Zeit vorbehalten
bleiben, jene
überweltliche Region wieder
geistig zu erobern, aus der das Genie
Raffaels
seine unsterblichen Intuitionen empfing, jene
göttliche Klarheit wieder empfinden und lie‐
ben zu lernen, in der seine Gestalten ein Dasein
über aller Erdenschwere führen, jene formgewor‐
dene
Mathematik der Seele zu erfassen, die
in den Kompositionen dieses übermenschlich
klaren Geistes, dem zu ihrer Ergründung Be‐
fähigten, ihre tiefsten Geheimnisse enthüllt.
.Er strebte, wie die Antike,
absoluter Voll‐
kommenheit zu. Er gab die abgerundete
Ge‐
schlossenheit seiner innerlich geschauten Welt.
.Der Mensch der heutigen Zeit aber
haßt
beinahe das „Vollkommene”, weil es ihm „
un‐
wahr” erscheint, gegenüber der eigenen
bruch‐
stückhaft empfundenen Natur.
.Die Menschen der Renaissance waren gewiß
von Natur aus nicht anders als wir, aber ‒
sie
strebten
über diese ihre Naturgegebenheit hin‐
aus,
empor zu einer nur geahnten Höhe mensch‐
licher
Größe und
Kraft. Sie wollten
mehr
sein, als sie „von Natur aus” waren, und so
er‐
schufen sie sich selbst, wie wir sie staunend
und bewundernd in der
Kunst ihrer Zeit ge‐
wahren.
.Was die Natur ihm mitgegeben hatte, war
dem Menschen jener Zeit nur
rohes Material,
aus dem er
selbst sich erst zum
Kunstwerk
zu gestalten suchte.
.Wir aber sind genügsamer und auch ‒ be‐
quemer geworden. Wir sind schon froh, wenn
wir uns recht „natürlich” geben können, und
alle
Form ist uns stets mehr und mehr ent‐
schwunden. Jedoch die unterdrückte Fähigkeit
zu formen, was der Form bedarf, läßt sich nicht
dauernd binden.
.So mag es leicht möglich sein, daß unsere
späten Enkel eine
neue Renaissance erleben,
wie jene zu der Zeit der großen Päpste, und
daß dann die
Vollkommenheit, nach der das
Leben damals strebte, mit
neuer Kraft zum
Lebensideal erhoben wird. Dann wird aber ge‐
rade die Kunst
Raffaels den spätern Geschlech‐
tern wie ein hoher Meilenstein erscheinen, der
wie die Kunst der
Antike, den Weg in die
Unendlichkeit bezeichnet, aber
nicht den
Weg ins Chaos, ins „
Grenzenlose”, den heute
noch die meisten gehen.
.Kunst ist Manifestation einer Weltan‐
schauung.
.Wir Heutigen aber leiden alle mehr oder
weniger an einer Weltbilderklärung, die das
„
Grenzenlose” als
Axiom aufstellte und es
mit dem
Unendlichen verwechselte.
.Wir müssen erkennen lernen, daß
das Welt‐
bild der Renaissance, aus dem Raffael seinen
Formen-Kanon schuf, einem
Wellenberge der
Entwicklung menschlichen Denkens sein Dasein
dankte, während wir, von
der überragenden Ge‐
stalt
Goethes in ihrer erhabensten Selbstdarstel‐
lung abgesehen, die letzten Jahrhunderte hindurch
in einem
Wellental verharrten, so sehr wir auch
auf unseren „
Fortschritt” pochten.
.Doch, endlich werden auch
wir wieder auf
eine Wellen-
Höhe gelangen, denn
alle geistige
Entwicklung geht in stets belebten
Krümmun‐
gen voran, und
nicht in jener schnurgeraden‐
Linie, die sich die Apostel des „ewigen Fort‐
schritts” irrtümlich erträumten.
.Wer
Raffaels Kunst als Ausdruck einer
wahreren Erkenntnis, als es die
unserer Zeit
ist, betrachten mag, wer erkennt, daß sie der
wirklichen geistigen
Weltstruktur entspricht,
und wer dann von diesem
Ewigkeits-Standpunkt
aus ein
Originalwerk, wie etwa die von den
Kunst-Snobs so verächtlich gering geschätzte „
Six‐
tinische Madonna” auf sich wirken läßt, der
wird vielleicht mit einiger Ergriffenheit in sich er‐
fahren, daß diese Größe, der in Anmut und Ge‐
schlossenheit sich selbst begrenzenden Kraft einer
Kunst ‒
Urewiges enthält, das
leben bleiben
wird, wenn längst „
Titanenkraft”, wie wir sie
heute so bedenklich
höher schätzen, ‒ ‒ auf‐
gelöst in Götterdämmerung und Chaos-Nacht ver‐
sunken ist.
.Ihm wird vielleicht ein leises Ahnen eine Zeit
verkünden, die
nicht Madonnen malen wird und
dennoch wieder auf den Bahnen dieses abge‐
klärten,
harmonieerfüllten Überwelt-Be‐
reiches zu wandeln weiß, weil sie die Welt als
homogenes Ganzes faßt, wie sie in
anderer
Form das frühere Geschlecht erfaßte, dessen
schönste Blüte „
Raffael von Urbino” war.
ENDE
GEISTIGE
RELATIONEN
Nebst einem Anhang:
REGISTER
der in den Büchern des Lehrwerkes enthaltenen
EINZELSTÜCKE
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
ZÜRICH
2. Auflage
©
Copyright 1967 by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG Zürich
Alle Rechte vorbehalten
Offsetdruck: Jordi, Belp
.Es handelt sich um die rein
geistigen
Beziehungen, die
nur mich allein angehen.
Aber das einfühlende und die Erkenntnis
fördernde
Miterleben ist auch Anderen
seelisch in hohem Grade erreichbar. Um es
den dazu Berechtigten
möglich zu machen,
muß ich jedoch diese an sich verborgenen
Relationen: ‒ die realen und bewußtseins‐
gegenwärtigen „Beziehungen”, in denen ich
mitten im Irdischen zu allem Ewigen stehe,
den geistig zu ihrer Zeit „Erwachenden”,
denen
allein meine Worte gelten sollen,
immer erneut aufweisen: ‒ immer erneut
für ihre und die Erdentage Kommender
präzisieren.
.Gewiß ist das auch mehrfach schon in
den Schriften meines geistigen Lehrwerkes
geschehen ‒ zuweilen nur andeutungsweise,
zuweilen auch besonders deutlich das zu
Sagende bezeichnend ‒, aber vielen ist das
alles, wie ich immer wieder gewahre, ja
noch viel zu wenig, und wenn sie auch aner‐
kennenswerterweise ihre persönliche Frage‐
lust zur Not zurückzuhalten wissen, so tragen
sie doch sichtlich Sorge um jedes Wort, das
etwa in meinen Erdentagen über diese meine
Relationen zum Unvergänglichen von mir
noch mitgeteilt werden könnte.
.Sie sorgen sich wahrhaftig nicht um Über‐
flüssiges, denn
nichts ist überflüssig, wo die
suchende Seele noch Not leidet in ihrem
Streben, sich
selbst aus dem Geistigen her
durch sicherste Zeugenschaft
über-
zeugen
lassen zu wollen! Und wo fände sie
siche‐
rere Bezeugung! ‒
.Es handelt sich aber
nicht darum,
mir
und
meinen Worten zu „glauben”, oder
irgend etwas von mir Formuliertes, nur weil
es von mir stammt, für „wahr” zu halten!
Auch muß es mir aus geistigen Gründen
gänzlich gleichgültig bleiben, ob man
das, was mein geistiges Lehrwerk ausmacht,
im Ganzen oder in seinen Teilen für eine
vertrauenswürdige Darstellung des geistig
Wirklichen hält oder für eine Ausgeburt
meiner Phantasie!
Irrt man sich, so ist der
Irrende gewiß zu
bedauern und zudem auch
allein an seinem schnellfertigen leicht ver‐
meidbaren Irren
schuld! ‒ Für alles, was
ich jemals vor der Welt bekundet habe, trage
ich ewige Verantwortung, aber
unmöglich
kann ich auch jeglichen
Irrtum und jede
Fehldeutung verantworten, die ihre Stützen
aus meinen Worten erwachsen wähnen, oder
gar noch die so billig leichtfertige Meinung,
meine Worte seien wohl doch nur verstiegene
Ergüsse eines religiös gebundenen Lyrikers.
.Wenn ich hier wieder bezeuge, wie meine
eigenen Relationen zum Ursprung meines
urewigen geistigen Wesens, von dem mein
irdisches Lebenswerk ‒ ja, mein bloßes Da‐
sein ‒ objektiv sicherstes Zeugnis gibt, tief‐
innerlich beschaffen sind, ‒ soweit das, trotz
aller Schwierigkeit, eine Darstellung davon
in Worten zu geben, möglich ist, ‒ so ge‐
schieht das auch, um wirklich nichts ver‐
säumt zu haben, was noch dazu dienen
könnte, aller irrigen Auslegung meines Lehr‐
werkes den letzten Scheingrund abzugraben.
.Wesentlich
bestimmend für diese Nie‐
derschrift war mir jedoch die vorher er‐
wähnte Bereitschaft und Berechtigung der
für den Empfang meiner Lehrworte
wirk‐
lich Auserlesenen: ‒ möglichst nahe
mit‐
erleben zu wollen und zu können, was
mein geistiges, vom Erdenleib unabhängiges
und durch seinen Hinschied unberührbares
ewiges Leben ausmacht.
.Ich betrachte den Titel dieses Buches
jedoch keineswegs als einen selbstauferlegten
Zwang, von
nichts anderem, als von meinen
eigenen Relationen innerhalb der Struktur
des ewigen Geistes zu sprechen, sondern
werde, sowohl im Haupttext wie im Anhang,
ausdrücklich auch noch Anderes zur Sprache
bringen, was mir in Verbindung mit dem
zuvörderst zu Sagenden als erörterungs‐
bedürftig erscheint. Ich trage ja nicht Sorge,
literarischen Ehrgeiz zu befriedigen, son‐
dern: ‒ seelisch reifen Erdenmitmenschen
mitzuteilen, was ich allein mit ihnen
teilen kann, da ich es real und unum‐
schränkt als unendlichfältiges Ganzes be‐
sitze, das durch keine Weitergabe jemals
an sich vermindert wird oder für mich
gemindert werden könnte! ‒ Alles heute
im Äußeren so wichtig Erscheinende wird,
‒ viel eher als man vermuten möchte, ‒
zu Berichten aus längst überwundenen Zeiten
werden, während das, was durch meine
Schriften zu gleicher Zeit den Seelen dar‐
gebracht wurde, Unzähligen seelisch un‐
verlierbares Allgemeingut geworden sein
wird: ‒ ewige Befreiung aus Irrtum und
innerer Not! ‒ Keine Macht der Erde kann
an diesem Ablauf der Dinge auch nur das
Mindeste ändern, ‒ ja,
ich selbst vermöchte
es nicht, auch wenn ich dem kommenden
Geschehen mit allen Kräften der Ewigkeit
andere Wege weisen wollte, ‒ gesetzt im
Geiste wäre solcher destruktive Wille jemals
möglich. ‒
Joseph Schneiderfranken
Die höchste „Anrufung”
im innersten Selbstbegegnen
.„
Mein
Ur-
Sein! ‒
Meines Seins
ewiges
Sein! ‒
Ewig im tiefsten Dunkel wesen‐
de Urkunft ewigen geistigen Lichtes! ‒
Ewig in deiner polaren Spannung verharrend!
‒ Innesein aller Weltenkälte! ‒ Ewige Nah‐
rung aller geistigen Glut! ‒
Durchdringe
dieses Vergängliche, das Dir hier Ausdrucks‐
werkzeug ist, wie immer es von Dir durch‐
drungen werden
muß! Sei ihm
eisige
Kühle! ‒ Sei ihm
brennende Glut! ‒
Sei aller Überhelle heilendes Dunkel! ‒
Allem klirrenden Tage samtweiche hüllende
Nacht!”
.„
Strahlendes
Ur-
Licht! ‒ Aus dem un‐
durchdringlichen Dunkel meines
Ur-
Seins
immerdar hervorbrechend gleich Myriaden
mittäglicher Sonnen um Mitternacht! ‒ Licht
allem ewigen Geiste! ‒ Aller Seele unver‐
gängliches Leuchten! ‒ Leuchte in
dem,
was durch
Dich bestimmt, zur Lichtempfäng‐
nis in meinem Irdischen zubereitet ist! ‒
Erstrahle in mir, ‒ dem Irdischen, ‒ aus
Deinem Leuchten!”
.„
Ureinziges
Ur-
Wort, ‒ nur
Dich
selber sprechend in
allem, was in Dir
aus Licht zu Worte wird, ‒ aus der Urkraft
meines
Ur-
Seins erklingend in meinem
Ur‐
Licht: ‒
In allen geistigen „Vätern”
der
ewige „Vater”! ‒
In allen geistgeborenen
„Söhnen” ewiger „Sohn”! ‒ Urewige „Gott‐
heit”
aller Götter! ‒
In allen mir geistig
Gebrüderten, mir geistig „Bruder”! ‒ Ewiger
„
Lebendiger Gott”! ‒ Nur dort dem Irdi‐
schen offenbar, wo Du Dich selber formst
als „Wort”! ‒
Dir „Wort” geworden: ‒
spreche ich
Dich selbst in mir auf
erden‐
hafte Weise, wie Du
dich selber sprichst
in Dir! Du in mir urgesprochenes „Wort”
aus dem Licht aller geistigen Selbstoffen‐
barung!”
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
.In sich solchen Inhalt bergend, ‒ in
solchem Inhalt lebend, betet
wortelos mein
seelisches Empfinden Tag um Tag, was hier
in Worte irdischer Sprache übertragen
ist, auf daß danach
miterlebt werden kann,
was der Suchende seelisch mitzuerleben
ver‐
mag! Im großen
Alleinsein im ewigen
Geiste ist solches „Beten” dem
Irdischen
des Leuchtenden
Lebensbedingnis.
.Es ist
schwer, zu sagen, was es heißen
will:
im Ewigen allein zu sein. Allein,
nicht nur „mit sich selbst”, sondern
absolut
allein, ‒ :
All-
Ein! ‒ Alles dort
allein
lebend,
seiend, wo vordem nur erdenhaft
bedingtes
Vorstellen war!
.Alleinsein in dem hier gemeinten Sinne
geistigen Lebens kann einer nur im innersten
„Innen”, denn das, was im vergänglichen erd‐
bestimmten Dasein Alleinsein
genannt wird,
ist nur
Absonderung ohne Aufhebung der
tausendfachen Zusammenhänge alles Irdi‐
schen in seinem äußeren Bereich.
.All-
Einsein im ewigen Geiste aber
schafft eine Schranke, die
nichts aus dem,
was „Außen” ist, zu übersteigen vermag.
Nichteinmal das hochentwickeltste Denken!
.Schwer ist es dem Irdischen,
dieses
Alleinsein zu ertragen, denn es ist
zu reich,
um in irdisches Bewußtsein
eingeschlossen
werden zu können!
.Alles was
ist und was
nicht ist, ‒ alles
Sein und Nichtsein, ‒ wird von diesem
Alleinsein
umfaßt, das alle Vielheit in
sich ver-
eint, und alles, was
über Sein
und Nichtsein verharrt!
.Hier ist die „Armut im Geiste”, die so
reich ist, daß sie „das Himmelreich” be‐
sitzt! ‒
.Alle sprachliche Verständigung zwischen
Mensch und Mensch braucht auf dieser Erde
eine Übereinkunft, eine Konvention, wie
die Worte der Sprache verstanden werden
sollen, und in jeglicher Sprache kann man
verschiedenen Sonderkonventionen begeg‐
nen, die wieder nur in gesonderten Kreisen
der diese Sprache Sprechenden Gültigkeit
besitzen. Wo aber, wie in meinem geistigen
Lehrwerke von Un-Beschreiblichem zu
künden war, mußte jede Sprachkonvention
versagen. Was die wenigen mir gebrüderten
und arthaft gleichen Geistesmenschen auf
dieser Erde unter sich seit Jahrtausenden als
ihre und damit nun auch mich bestim‐
mende Konvention aufgerichtet haben, ist
keiner Erdensprache unterstellt, sondern auf
eine unveränderliche Empfindungswertung
des geistig gegenwärtigen
Wirklichen ge‐
gründet.
Diese Konvention ist
Geheimnis
für die
außerhalb Stehenden und wird über
alle Erdenzeit hin Geheimnis
bleiben, denn
sie ist
nicht mitteilbar, und somit
durch
sich selbst geschützt. Ihre Inhalte können
nur von Menschen aufgenommen und „ver‐
standen” werden, in denen der Geistesmensch
der Ewigkeit die Bewußtseinseinung mit dem
Irdischen
vollzogen hat: ‒ den „Leuchten‐
den im Urlicht”!
.Da ich aber
in meiner Muttersprache
Verständigung zu schaffen hatte, mußte ich
alles, was mir durch die Artung meiner
geistigen Wesenheit zu eigen ist, in eben‐
diese irdische Muttersprache „
übersetzen”.
.Das bedingte notgedrungen, daß ich ihre
Worte oft genug in einem
alltagsfernen
Sinne gebrauchen mußte, um durch solche
neue Sinngebung dem von mir Mitzuteilen‐
den sprachlich einigermaßen nahezukommen.
Ich mußte gleichsam eine Konvention mit
mir unbekannten Partnern: ‒ den
Lesern
meiner geistigen Lehrschriften ‒ eingehen.
Alle ursprüngliche, echte geistige Offen‐
barung ist aber zu ihrer Zeit auf solche
Weise erfolgt, sei es in
gesprochener oder
aber
geschriebener Sprache! Dennoch war
Jeder, der sich der Offenbarung des Ewigen
darbot, dabei jedesmal nur dankbar für jedes
Wort, das Zeit und zeitlich bedingtes Ver‐
stehen ihm bereits brauchbar entgegen‐
hielten, wenn er die jeweils gängigen Sprach‐
worte abfragte, ob sie ihm Diener seiner
Verkündung werden könnten, obwohl auch
die als brauchbar
vorgefundenen Worte
dann von dem Erneuerer, der sie seiner
Sprache einbezog,
mit neuer Bedeutung
erfüllt wurden. Nicht anders mußte auch
ich verfahren.
.Im ewigen Geiste besteht eine erden‐
menschlich ganz unvorstellbare
Mannig‐
faltigkeit, zu der die empirisch und ver‐
standesmäßig erkannte Vielheit irdischer und
materiell kosmischer Art nur einen sehr vagen
Vergleich bilden kann. Nur im Zustand des
All-Ein-Seins ist es möglich, die im sub‐
stantiellen Geistigen gegebene Mannigfaltig‐
keit ohne Irrtum zu erkennen. In solcher
Erkenntnis allein ist das Geheimnis enthüllt
zu gewahren, warum Unendlichfältigkeit
die ewige geistige Seinsform absoluter Ein‐
heit ist! ‒ Um aber diesen unbeschreib‐
baren Zustand während des irdischen Lebens
kontinuierlich aufrechterhalten zu können,
müssen Menschen meiner Wesensart ‒ also
auch ich ‒ in einer steten geistigen „Klau‐
sur” leben, wenn diese Sonderung auch keine
außenweltliche Einsiedelei verlangt. Die mir
Gleichgearteten leben allerdings zur Zeit die‐
ser Niederschrift nur noch in solcher außen‐
weltlichen Abschließung, aber das hebt auch
bei ihnen die strikte Notwendigkeit der gleich‐
zeitigen geistigen Klausur keineswegs auf.
Dieser geistig bestimmten Klausur kann
das weltfernste Einsiedlerleben keine För‐
derung, und das Leben mitten im Lärm der
Außenwelt keine Störung schaffen. Wo uns
Leuchtenden im Urlicht
äußere Einsamkeit
unumgänglich
nötig ist, dort ist solche Not‐
wendigkeit zwar durch triftige Gründe, aber
niemals durch Forderungen unserer geistigen
Klausur bestimmt, die auf der Fähigkeit be‐
ruht, allen uns nahenden Gedanken- und
Vorstellungskomplexen, die unser Bewußt‐
sein von dem uns eigenen geistigen Leben
ablenken könnten, wo immer das drohen mag,
auf geistige Weise den Zutritt zu sperren.
.Wenn ich jetzt von meinen geistig be‐
stehenden „Relationen” Kunde geben soll,
so ist an erster Stelle von den unzählbaren
Beziehungen zu den unendlichfältigen Selbst‐
darstellungen des ewigen Geistes zu sprechen,
die nur im
All-
Ein-
Sein auf geistige Weise
wahrgenommen werden können,
in streng‐
ster Isolierung der Seele innerhalb un‐
erbittlich distanzierender Abschlie‐
ßung von den Vorstellungswelten irdi‐
scher Gehirne.
.Die Art dieser
höchsten geistigen Rela‐
tionen für das irdische Verständnis zu charak‐
terisieren, ist fast unmöglich, da keinerlei
Beziehungen zwischen Erdenmenschen be‐
stehen, an die man hier zum Vergleich er‐
innern dürfte. Nur durch den wohl sehr
befremdlichen Hinweis auf das Gebiet der
Chemie und die dort zu findenden Affini‐
täten zwischen den einzelnen Grundstoffen
und dem was aus ihnen hervorgeht, läßt
sich ‒ zur Not ‒ wohl ein gewisses
Ahnen
der hier bestehenden geistigen Zusammen‐
hänge erwecken. Aber auch da handelt es
sich nur um ein aus weiter Ferne gesehenes
„Bild” der Sonderart geistig substantieller
Relationen, die ja Verbindungen darstellen
zwischen jeweils distinkt ihrer selbst und
ihrer Stellen im geistigen Kosmos
bewußten
Emanationen des ewigen Urwortes, in dem
diese allein sich gegenseitig erkennen.
.Die Vorstellungen von „Göttern” und
„Heiligen” zeigen noch Spuren einer ur‐
alten erdenmenschlichen Einsicht in Ewiges,
die hier nicht übersehen werden dürfen,
und noch bedeutsamer ist das Mysterium
der „Engel”, ‒ in allen ihren Stufen ‒,
als das
höchste Symbol der unendlich‐
fältigen Selbstdarstellungen des ewigen gött‐
lichen Geistes, das trotz allem frommen
Glauben an „himmlische Engelchöre”, in
diesen Tagen der Erdenmenschheit
hoch
entrückt und irdischer Erkenntnis
kaum
noch erreichbar ist. ‒
.Verstandesmäßig „erklären” läßt sich da
nichts! Wer sich aber einzuleben trachtet
in diese nur seinem
Empfinden erreich‐
baren geistigen Regionen, der wird sein Welt‐
bild eines Tages in einer ihm heute noch
unmöglich erscheinenden Weise
plastisch
vertieft gewahren!
.Mir aber ist, in meiner
ewigen Wesens‐
art, dieses Leben im Bewußtsein aller gottes‐
geistlichen Selbstdarstellung aus ewiger Er‐
fahrung
artgemäß, so, wie es dem nur
Irdischen artgemäß ist, seinen eigenen Körper
und die Dinge seiner Umwelt ‒ insbesondere
Seinesgleichen in ihrem Bereich ‒
einfüh‐
lend zu er-leben. Das wesentliche Unter‐
scheidungsmoment bei solchem Vergleich er‐
gibt sich jedoch daraus, daß der Irdische das
Leben seiner „Außenwelt”, zu der ja schon
sein ihm zeitweilig eigener Leib gehört, nur
miterlebt, während mein geistiges Leben
im Ewigen uneingeschränktes
Innesein ist.
Was das zu bedeuten hat, vermag nur der
im Irdischen verkörperte
Leuchtende des
Urlichtes zu beurteilen, in dem
beide Be‐
wußtseinsformen
vereinigt sind.
.Jedes individuelle Leben ewigen Lebens ist
an
seiner Stelle, in seiner sich in ihm darstel‐
lenden Eigenart, „vollkommen” und im völli‐
gen Bewußtsein
aller, in allen unendlichfälti‐
gen Selbstdarstellungen ewigen substantiellen
Geistes bestehenden Vollkommenheit!
.So sagte einer wahrhaftig Großes, als
er den Satz aufstellte, daß „der Geist”
Alles „erforsche”, selbst „die Tiefen der
Gottheit”! ‒
.Nun sind aber auch
jene Relationen
hier aufzuzeigen, in denen ich zu meinen
im Urlichte leuchtenden und mir geistig in
unirdischer Liebe vereinten geistgeborenen
Brüdern stehe, deren
einer mir geistiger
Meister während meiner geistigen Unter‐
weisung war,
bevor ich ihm und allen
anderen wissend zum geistig geeinten ‒
Bruder ‒ werden konnte. Diese, mir gleich‐
zeitig
erdnächsten geistigen Beziehungen
umfassen jedoch nicht nur die so wenigen
der Leuchtenden des Urlichtes, die noch
wie ich selbst
im zeitlichen sichtbaren
Körper leben, sondern auch alle, zu anderen
Tagen jemals im Erdenleben verborgen ge‐
wesenen, ‒ und ‒ darüber hinaus, ebenso
auch die äußeren Erdenleibsinnen unerkenn‐
baren ewigen Geistesmenschen, die
niemals
der Erde
körperlich verhaftet waren, ‒
auf Erden auch niemals verkörpert werden
könnten, weil sie den Drang in die Materie
in sich nicht bestimmend werden ließen.
.Obwohl ich von Anfang an immer wieder
betonte, daß es sich bei diesen, von mir viel‐
fach erwähnten Relationen um rein seelische
Gemeinsamkeit
Ewiger (in dem, was an
ihnen
unvergänglich ist, bewußter Men‐
schengeister)
im substantiellen ewigen
Geiste handelt, mußte ich es doch erleben,
daß man aus meinen Worten den Schluß
zog, es sei da von einer, „geheimen Gesell‐
schaften” ähnlichen
irdischen Institution
die Rede, und bei meinem aus ewigem Geiste
her
rein geistig bestimmten Lehrwerk
handle es sich um eine aus
irdischer Quelle
hervorgegangene, oder gespeiste Lehre. Das
war ein arger Irrtum! Wenn ich von meinen
„Brüdern” im Geiste sprach, so hatte ich wahr‐
haftig nichts anderes im Sinn, als der
Ge‐
meinsamkeit Ewiger im Ewigen ein
Bild
zu schaffen. ‒ Wo ich aber den allbekannten
rein
symbolischen Terminus: „Weiße
Loge” hinweisend gebrauchte, dort galt es
ausschließlich, bestimmte törichte Meinungen
zu berichtigen. Kategorisch strenge, un‐
übertretbare geistige Gesetze, die mich
aus
meinem Ewigen her verpflichten, hätten
allein schon
alles, was hier an Irrigem so
superklug vermutet wird, sachlich
unmög‐
lich gemacht!
.Mein sichtliches
Wissen über viele,
sym‐
bolischer irdischer Lehrweise zugehörige
Dinge aus längst vergangenen Zeiten, stammt
weder von Angehörigen heutiger geheimer
Gesellschaften, die von alledem nur gar ge‐
ringe Kenntnis haben, noch aus einer ‒
mir wahrhaftig nicht nötigen ‒ geheimen
Literatur zumeist lediglich phantastischer
Erfindung, sondern ist auf rein
geistige
Art erlangt, wie das allermeiste, was mir
im Laufe meines Erdenlebens an Ungewöhn‐
lichem und nicht durch
äußere Belehrung
zu Erfassendem bekannt worden ist. Ich
habe an vielen Stellen meiner Schriften dar‐
auf verwiesen, daß uns Leuchtenden des
Urlichtes zugänglich wird, was uns offenbar
sein
muß, und habe den zur Frage Berech‐
tigten mehr als genug davon gesagt,
wie
solches Wissen, durch „Selbstverwandlung”,
oder ‒ gesetzt, es eigne sich zu solcher Auf‐
nahme nicht, ‒ auch durch
Übertragung
erlangt werden kann. Die „babylonische”
Sprachzerspleißung, die aller Erdenmensch‐
heit zeitliche Geißel ist, wird wirkungslos,
wo
Einsichten an sich ‒ ohne Worte ‒
vermittelbar sind, so daß sie naturnotwendig
der, dem sie zuteil wurden, nachher in den
Formen
seiner Muttersprache sich und
Andern
zu Verständnis bringt. Nicht
anders sind auch viele
Namen und Be‐
zeichnungen in meinem geistigen Lehr‐
werk zu ihrer Gestaltung gekommen.
.Die Worte, auf die ich hier verweise,
finden sich hauptsächlich, wo die gebrauchs‐
geläufige Sprache mir das Wortbild nicht
gab, das ich brauchte, wollte ich auch nur
annäherungsweise in dem verständlich sein,
was zu berichten war. Wo es anging, waren
bereits vorhandene Worte für philosophische
oder religiöse Begriffe willkommene Hilfe,
wie etwa, ‒ wenn auch in anderer Bedeutungs‐
weise, ‒ in den Worten „Ursein”, „Urwort”
und „Urlicht”, während für die Wirklich‐
keit der geistigen Artung, der ich zu‐
sammen mit Denen zugehöre, die sich um
ihrer Gleichartigkeit willen als gleichen
Stammes aus dem Geiste geborene „Brüder”
empfinden, kein Wort meiner Muttersprache
gegeben war, so daß ich das, was in jedem
aus uns das Wirkliche ausmacht, wie es
von uns gemeinsam empfunden wird,
nur mit den Worten: „Leuchtender im Ur‐
licht” umschreiben konnte. Daß auch das
Wort: „Strahlender” die gemeinte Wirklich‐
keit richtig bezeichnet haben würde, und in
der holländischen Ausgabe des Buches vom
lebendigen Gott durchaus zu Recht gebraucht
ist, sei für alle gesagt, die allzusehr an Worten
hängen, ohne zur
Vorstellung dessen zu
kommen was das jeweilige Wort
bezeichnen
will, denn alles geistige „Leuchten” ist ‒
eo ipso ein „Strahlen”.
.Man ist sehr weit davon entfernt,
das
ewige geistige Urgut in meinen Schriften
aufnehmen zu können, wenn man das, was
ich in freier Wortgestaltung der Aufnahme
durch den Lesenden bereithalte, in der Art
durchforscht, wie etwa die wissenschaftliche
Darbietung eines Gelehrten oder gar eine theo‐
logische Abhandlung gelesen werden will!
.Wäre solches gewollt, so hätte man wahr‐
lich aus dem ewigen Geiste her einen
Theo‐
logen oder prominenten
Gelehrten mit
der mir gewordenen Aufgabe betraut. Ich
aber bin als Gestalter der Sprache ebenso
wie als Darsteller von Werken der Linie
und Farbe, meiner irdischen Veranlagung
nach, durchaus von meiner
künstlerischen
Begabung her bestimmt, so daß alles, was
durch mich seine Formung erhält, die Spuren
dieser Naturveranlagung aufzeigen muß. Ich
rede hier nicht von technischer Fertigkeit,
die ich mir mühsam erwerben mußte, oder
gar „genialischer” Leichtigkeit des Gestaltens,
die mir durchaus fremd ist, sondern ledig‐
lich von angestammtem Künstlertum der
ganzen menschlichen Artung, das auch bei
gänzlichem Mangeln aller Gestaltungsfähig‐
keit irgendwie zum Ausdruck kommen müß‐
te, wollte ich es auch noch so behutsam
verbergen.
.Mir ist die Sprache somit keineswegs
nur konventionelles Verständigungsmittel,
sondern nach Maßgabe ihrer rein geistig
gegebenen Formwerte, ein Gestaltungsmate‐
rial, das
künstlerische Behandlung fordert,
‒ sei es auch keineswegs im Sinne des
Poeten, ‒ wenn es dem Aufnehmenden dar‐
bieten soll, was es aus sich selber darzubieten
hat nach erfolgter Gestaltung. Das soll mit
aller Eindeutigkeit besagen, daß in allem,
was ich sprachlich gestalte, der Form die
gleiche Bedeutung zukommt, wie dem In‐
halt. Man wird
die Form erfühlen lernen
müssen, wenn man ihren
Inhalt aufnehmen
will! ‒
.Der Lesende wird also nicht damit an‐
fangen dürfen, die von mir neugebildeten
Worte oder Wortverbindungen möglichst
ein für allemal begrifflich starr definieren
zu wollen, wie das
wissenschaftlich üblich
und wahrhaftig im Bereiche der Wissenschaft
berechtigt ist, denn bei mir ist das Wort
überall in sich mit
Leben erfüllte Wieder‐
gabe einer
Wirklichkeit, ‒
lebendig
beweglich in sich selbst, ‒ kein starres,
wenn auch philologisch wertvolles
Präpa‐
rat! Will man beginnen, unter der Lupe
zu sezieren, um ein solches daraus zu
machen, dann wird man dem von mir
belebten Wort ‒
das Leben nehmen...
Ein lebloses Wort aber vermag kein Leben
in den Bereichen der Seele zu erwecken,
sondern
zerstört alles Leben durch sein ‒
„Leichengift”! Worte, die ihr Leben
verloren
haben, lassen sich freilich sehr bequem hand‐
haben, und es gibt nichts, was durch sie
nicht zu „beweisen” wäre. Ich aber will
nichts
beweisen, sondern das lebende Wort
sich selber
aussprechen lassen!
.Wem es darum zu tun ist, das, was ich
ihm geistig zu geben habe, wirklich aufzu‐
nehmen, dem wird zu raten sein, daß er sich,
‒ nachdem seine allererste Neugier befrie‐
digt wurde, ‒ in die seelische „
Stimmung”
des ihm jeweils vorliegenden Buches einzu‐
fühlen suche. Diese Einfühlung kann
öftere
Lektüre notwendig machen, als vorher ver‐
mutet worden sein dürfte, aber jedem neuen
Einfühlungsversuch wird auch eine neue Ver‐
tiefung der eigenen Aufnahmefähigkeit ant‐
worten, und zuletzt wird man gerade die
vorher allenfalls nicht „verstandenen” Worte
liebgewinnen, weil man ihr
Leben erfühlen
lernte. ‒ Dann erst mag der soweit in das
Buch Eingedrungene an die Befolgung der
ihm von mir erteilten Ratschläge gehen!
.Es ist durchaus ernsthaft gemeint, wenn
ich hier vergleichsweise dem Besitzer der
von mir geschaffenen Bücher den Rat gebe,
sich dem Einfühlen in ihre „Stimmung” in
ganz ähnlicher Weise zu widmen, wie ein
Kunstsammler sich in die von ihm erworbe‐
nen Gemälde versenkt, deren künstlerische
Werte er bis ins Tiefste erfassen möchte. ‒
Ohne den Vergleich damit etwa zu Tode zu
hetzen, darf dabei gesagt werden, daß schließ‐
lich mein ganzes geistiges Lehrwerk aus einer
Reihe von künstlerisch gestalteten sprach‐
lichen Wiedergaben meiner Einblicke in
die Lebensbereiche der Seele und die Wel‐
ten des ewigen, substantiellen Geistes besteht,
so daß gewiß nur die innere Aufnahme er‐
leichtert werden kann, wenn jedes Einzel‐
stück als „
sprachliches Gemälde” ‒ im
Sinne einer Darstellung ‒ aufgefaßt wird.
.Ich habe von Anfang an deutlich ausgespro‐
chen, daß ich keinem Wort meine Formung
gebe, ohne dabei in unbedingter Einigung mit
meinen geistigen Brüdern zu sein. Die Art
unserer Vereinigung ist leider durch keiner‐
lei irdischen Vergleich dem irdischen Vorstel‐
lungsvermögen darzustellen, denn es handelt
sich um
seelische Verbindung individuell
sehr verschiedener geistiger Wesenheiten,
mögen sie noch im sterblichen Leibe dieser
Erde leben wie ich, oder
ausschließlich in
irdisch unsichtbarer Geistesgestaltung! Ob‐
wohl jeder für sich eine von allen andern
verschiedene Individualität bleibt, ist in sei‐
nem
All-
Ein-
Sein jeder aus uns Leuchten‐
den im Urlicht mit jedem anderen, auch im
strengsten Sinne, „identisch”.
.Die gegenseitige
Mitteilungsmöglich‐
keit über die wir aber in unserer
indivi‐
duellen Geistigkeit, als hier distinkt Un‐
terschiedliche außerdem jederzeit verfügen
können, darf man sich beileibe nicht als eine
Art „Telepathie” vorstellen! Viel eher könn‐
ten die Radiowellen Vergleichsdienste leisten.
Aber auch die hier allenfalls, gesprächsweise
dilettierend, zulässigen Vergleiche können
sehr leicht auf gänzlich abwegige Vorstel‐
lungspfade führen, denn auch diese unsere, ‒
wenn man so sagen will ‒ „private” Kom‐
munikation erfolgt ja
ebenfalls in der Re‐
gion des ewigen substantiellen Geistes,
und nicht etwa durch irgendwelche mysteri‐
öse Kunststücke des leiblichen Gehirns oder
okkulte Yogipraktiken.
.Auf gleiche,
geistige Art, stehen wir
auch in bestimmten Relationen zu einzelnen
Menschen, die zwar nicht in gleicher geistiger
Situation sind wie wir ‒ also
nicht Leuch‐
tende im Urlicht! ‒ aber in einer von Land‐
schaft zu Landschaft verschiedenen, religiös
überlieferten Schulung eine geistige Wahr‐
nehmungsfähigkeit erlangten, die solche
Kommunikation ermöglicht. Diese Wenigen
leben in steter allertiefster Unzugänglichkeit
und Weltferne, aller Neugier absolut entrückt.
.Wir sind Menschen des um sich
selber wissenden ewigen substantiellen
Geistes! Keiner aus uns duldet irgend‐
welchen seiner Persönlichkeit geltenden
„Kult”, oder erstrebt für sich irdische Ehren!
.Es leben zwar zu jeder Zeit einige aus
uns auch gleichzeitig das Leben des Menschen
irdischer Bindung, aber die Natur läßt Aus‐
nahmen unserer Art jeweils nur
in ver‐
schwindender Anzahl zu. Allen
anderen
Erdgebundenen ist es während ihres Erden‐
daseins
unmöglich, zugleich in den Reichen
substantiellen, realen ewigen Geistes bewußt
zu sein. Keine Macht des Himmels und der
Erde vermag hier etwas zu ändern! Jeder
Versuch, anderes zu erreichen, schafft nur
Selbsttäuschung.
.Daß man, ‒ als substantiell geistiger,
ewig im Urlichte Leuchtender, ‒ dann glück‐
lich ins Erdenleben eingewohnt, von diesen
Dingen vorerst
gehirnlich irdisch noch
nichts
weiß, und einstweilen
nur der Erde
gehören möchte, sei immerhin nochmals er‐
wähnt, obwohl es vielen meiner Schriften
leicht schon zu entnehmen ist. Es kostet
harte Jahre, bis der Irdische dem
Ewigen
gehorsam wird!
.Das mit diesen Worten Gemeinte be‐
zieht sich auf die reingeistigen Tatsachen,
die
erfüllt sein müssen, soll ein hier auf
Erden in sein
irdisches Dasein gebunde‐
ner Leuchtender des Urlichtes seine ihm ge‐
stellte Erdenaufgabe zur Lösung bringen.
Diese „Aufgabe” wird ihm klar und deut‐
lich
im normalen Erdenleben durch seine
geistgeeinten Brüder zu Bewußtsein ge‐
bracht, nicht etwa auf
mysteriöse Weise
zuteil!
.Er ist irdisch vor allem da, um seinen
zeitlichen Mitmenschen, die
dem geistigen
Erwachen nahe sind, zu diesem Erwachen‐
können zu
verhelfen und ihnen durch seine
geistige Hilfe nahezubringen, was sie dabei
bedürfen.
.Es ist aber eine Torheit, etwa zu glauben,
ein Leuchtender des Urlichtes müsse das, was
er seinen Mitmenschen bringt, notwendiger‐
weise „
Allen” bringen! Das wäre nicht nur
unmöglich, ‒ so, wie man ja auch nicht
„Alle” wirklich „
lieben” kann, ‒ sondern
auch,
wenn es möglich
wäre, für Unzählige,
die noch
nicht dem Erwachen nahe sind,
durchaus
schädlich. Es ist aber dafür ge‐
sorgt, daß der jeweilige Weckrufer und Helfer
beim geistigen Erwachen nur
von Denen
erkannt und verstanden wird, die ihn bereits
brauchen. Allen Anderen bleibt er in all
seinem Rufen unverständlich oder sie kön‐
nen in ihm nur einen unerwünschten Störer
ihrer Tagesträume gewahren. Das ist so, seit
diese Erde den Menschen aufnahm, und wird
niemals anders sein, solange der Mensch noch
auf Erden im Tiere
sich selbst zu erleben
vermeint.
.Nur um der Relationen zu den ihn
brau‐
chenden zeitlichen und späteren Mitmen‐
schen willen, wird zu seiner ihm vorbehal‐
tenen Zeit dem Leuchtenden des Urlichtes
ein ihm zubestimmter Irdischer, als bereits
vor unfaßbaren Zeiten ihm
Verpflichteter
und
Vereinigter, geboren. Die erste und
dringlichste Notwendigkeit ist sodann, daß
der im Urlicht Leuchtende den Irdischen,
dem er sich vereinigt findet, allmählich
fähig
macht, ihn in das erdenhafte Bewußtsein
auf‐
zunehmen. Die verschiedenartigen äußeren
Lebensumstände, die dazu vorbereiten, sind
zuweilen, von außen her gesehen, scheinbar
eher Hindernisse, und gewiß nicht immer
so geartet, daß man eine geistige Leitung aus
der Ewigkeit in ihnen vermuten möchte.
Dennoch läßt sich
nichts aus dem vorberei‐
tenden Leben des dem Leuchtenden im Ur‐
licht geeinten Irdischen entfernen, wenn er
zu dem haarscharf geschliffenen universalen
Werkzeug werden soll, dessen der Leuchtende
zur Erfüllung seiner irdischen Aufgabe bedarf,
da er
Former sein muß im Dienste des hohen
geistigen „Domes”, den seine Mitbrüder im
Ewigen „bauen”, ‒ als
unvergängliches
Denkmal des zeitlichen Erdenmenschen!
.Auch während dieser Vorbereitungszeit
schon weiß der ewige Leuchtende des Ur‐
lichtes bereits sich seines irdischen „Werk
zeuges” zu bedienen, allein, die
vollendete
Brauchbarkeit erlangt es erst dann für ihn,
wenn es endlich zweckentsprechend scharf
„geschliffen” ist und keinerlei „Scharte” mehr
in seiner Schneidefläche aufweist. Wie aber
auch der härteste und aufs schärfste geschliffe‐
ne Stahl beim
Gebrauch eines Werkzeuges
mit der Zeit stumpf wird, so daß er neue
Härtung und neues
Schleifen braucht, soll
er dem Meister der Kunst bildnerischer For‐
mung weiter dienen können, so muß auch
der Irdische immer wieder von neuem als
Werkzeug, das
geistigem Wirken dienen
soll, „gehärtet” und „geschliffen” werden.
An Gelegenheiten, sich „Scharten” zu holen,
fehlt es bei diesem Wirken wahrhaftig nicht!
.Doch das Bild soll hier abgeschlossen sein
mit der trockenen Feststellung, daß es ganz
gewiß keine irdische „Bevorzugung” bedeu‐
tet, all sein Erdenmenschliches dem Leuch‐
tenden im Urlicht in sich geeint zu sehen.
Es ist dem irdischen Menschen vielmehr
harte, unabwendbar im Ewigen begründete
Pflicht, auf sich selbst
für immer zu ver‐
zichten um sich
allein im Bewußtsein des
im Urlichte Leuchtenden fortan zu erleben,
ganz gleich, welche Ambitionen der Erd‐
mensch für die Dauer seines
irdischen Le‐
bens gehegt haben mochte. ‒
.Aus selbsteigener Gesetzlichkeit im sub‐
stantiellen Geiste war vor irdisch unvorstell‐
barer Zeit geistig bestimmt, daß in diesen
heutigen Erdentagen der Leuchtende im Ur‐
licht in einem Menschen erscheinen müsse,
der mit der Mentalität des Europäers ver‐
traut sei von Jugend auf. Meine wahrhaf‐
tigen, mit mir gleichzeitig auf dieser Erde
sichtbar lebenden geistigen Brüder im ewigen
Urlicht, tragen nicht den Auftrag sich in
ihren asiatischen Muttersprachen dem Westen
mitzuteilen, ganz abgesehen davon, daß sol‐
ches Begehren an sie, ihnen als wunderliche
Anforderung erscheinen müßte, da sie eben
in der Mentalität des nichteuropäisierten
echten Asiaten leben. Es sind aber so my‐
steriöse, tolle und abgrundtief unsinnige
Meinungen über uns Leuchtende des Ur‐
lichtes, ‒ willkürlich als „Weiße Loge” be‐
zeichnet, ‒ in der Welt des Westens und
selbst unter manchen phantastischen Orien‐
talen ausgestreut worden, daß nur ein Leuch‐
tender, der als irdischer Mensch dem euro‐
päischen Kulturkreis angehört, und um alles
das weiß, was hier westlichem Wissen wichtig
zu wissen ist, die so dringend notwendige
Scheidung aller
der Wahrheit entsprechen‐
den, von notorisch
irrigen Vorstellungen
vornehmen konnte.
.Außerdem ist diese heutige Zeit wahr‐
haftig dazu reif geworden, wieder eine Stimme
zu vernehmen, die
nicht ihre gedanklichen
Spekulationen vorbringt, sondern aus ewi‐
ger Erkenntnis zu sprechen berechtigt ist.
Die Wahrheit wollte ihr
Wort, und dieses
Wortes
Sprecher war schon bestimmt, ehe
der Weltkörper wurde, auf dem es zu der
ihm angeordneten Zeit gesprochen werden
mußte. Was ihr noch nicht aus euch selber
wollt, kann auch ich euch freilich nicht
sagen, aber ich kann jedem Hilfebedürftigen
geistig helfen, der schon in sich erkannte,
daß er dessen
bedürfe, was ich ihm zu
bringen habe. Ich bin nicht der einzige, der
aus ewiger Kraft euch zu helfen vermag,
aber der einzige, heute hier auf Erden „in
der Welt” lebende Erdenmensch, der als
Verbindender zwischen zeitlich Vergäng‐
lichem und Ewigem im Dasein ist! All mein
geistiges
Tun, ‒ das nicht etwa aus irgend‐
welchen okkultistischen oder sonstigen my‐
steriösen Praktiken besteht, sondern
aus‐
schließlich im ewigen Geiste erfolgt, in
dem ich auch zu Lebzeiten meines mir ge‐
borenen
irdischen Körpers immerdar be‐
wußt und tätig bin, ‒ hat vor allem das
primäre Ziel: ‒ überall, wo das vonnöten
ist, diese in mir bestehende Verbindung
Anderen als „Brücke” darzubieten und ihnen
aus ihrem
eigenen geistigen Allerinnersten
her das Überschreiten dieser Brücke zu er‐
möglichen.
.Das geht jedoch ebenso die mit mir gleich‐
zeitig auf Erden Lebenden, wie die weiter‐
hin Kommenden und die bereits Abgeschie‐
denen an, betrifft aber Keinen, der diese,
durch mich mögliche Hilfe
nicht will, denn
Geistiges drängt sich keiner Seele auf, sondern
ist nur in gänzlicher
Freiwilligkeit auf‐
nehmbar. ‒ Ich kann und will Keinen
gegen seinen Willen in das Bewußtsein
des ewigen, substantiellen Geistes aufnehmen,
in dem Jeder, auch der seines Geistigen Un‐
bewußte, seinen letzten Lebensgrund hat.
Ganz ohne mein Zutun
scheidet sich, was
zu mir
gehört, von allem, was meine gei‐
stige Hilfe auch in Aeonen noch nicht auf‐
zunehmen vermag! Ich selber „richte” nicht,
aber mein bloßes
Dasein in dieser irdischen
Sinnenwelt hat Jedem durch die Art, wie
er sich selber mir gegenüber zu verhalten
weiß, die Möglichkeit geschaffen, sich
selbst
sein Urteil zu sprechen. ‒
.In meiner Verkündung durch das Wort
der Sprache, hebe ich jedoch keineswegs auf,
was
vor meiner Erdenzeit jemals durch Men‐
schenmund
aus dem ewigen Geiste ge‐
sprochen wurde! Ich weiß nur darum, wie
man es meistens mißverstand, und zeige in
meinen Lehrworten auf, wie es in Wahr‐
heit zu verstehen ist, ‒ als der
Einzige,
der in dieser Zeit „in der Welt” lebt und
noch dazu
westlichem Empfinden vertraut,
aus Denen, die
allein hier berichtigen
können. ‒
.Vielleicht aber könnte jetzt einer auch
noch fragen, wie denn die geistigen Rela‐
tionen beschaffen seien, in denen ich zu
meinen gleichzeitigen Mitmenschen
im äus‐
seren gesellschaftlichen Leben des ir‐
dischen Alltags stehe? ‒ Darauf aber ist
kaum viel anderes zu sagen, als daß natur‐
gemäß
auch der irdische Außenmensch
an mir immer unfraglich durch meine geistig
substantielle Wesensart bestimmt ist! Diese,
meine allerinnerst gegebene geistige Sonder‐
art ist aber so diskret und distinkt in sich
mit ihrer eigenen Sphäre wesenhaft identisch,
daß es ihr ganz unmöglich wäre, sich in den
Formen des äußeren irdischen Alltags gleich‐
sam „reproduzieren” zu wollen, ‒ gesetzt,
ein zugleich im Irdischen, wie in seinem
Ewigen bewußter Geistesmensch
könnte so
etwas erstreben. Wo ich
geistig zu helfen
vermag, dort bedarf es keiner äußeren
Geste, die mich vielmehr nur an meinem
Helfen
hindern würde! Alle äußere Geste
ist ja nur
Scheinbild geistigen Geschehens,
und vornehmlich dort im Gebrauch, wo
solches selbst nicht in Wirklichkeit
verur‐
sacht werden kann. ‒
.Der Stil meines äußeren Alltagslebens
ist darum auch durchaus verschieden von
dem Lebensstil, den würdegierige, selbst‐
betonungslüsterne Menschen sich gerne zu
schaffen trachten, um ihre Durchdrungenheit
von dem hohen Erdenwert ihres Daseins sich
selber und Anderen gegenüber stets wirksam
erhalten zu können.
.Jegliche Art der Selbstbetonung im äuße‐
ren Leben ist mir derart fremd und fern,
daß ich Alle, die bei mir feierliches Geha‐
ben voraussetzen, schwer enttäuschen müßte.
Nichts ist mir lächerlicher als betonte Würde.
Wie sollte ich gar selbst mich derart ent‐
würdigen wollen?!
.Wirkliche Würde stellt sich niemals zur
Schau, und niemals fand man einen Men‐
schen, der im ewigen Geiste lebte, aber zu‐
gleich Sorge darum trug, wie er sich wohl
wirkungsvoll in Szene zu setzen vermöchte.
.Ich bin für jeden der mit mir Lebenden,
mag er um meine Relationen zum Ewigen
wissen oder nicht, ein irdischer Mit- und
Nebenmensch, der nach keinerlei „Weih‐
rauch” für sich Verlangen trägt. Wohl aber
sehe ich mich in meinem Außenleben stets
mit Freude unbefangener, herzlicher, wahr‐
haft „
echter”, humordurchtränkter und
wirklich „freier” Natürlichkeit gegenüber,
die ja allein schon stets gute Lebens- und
Umgangsformen schafft, mögen sie sich auch
noch so einfach äußern. Es ist mir in dieser
Hinsicht noch zu allen Zeiten meines Erden‐
daseins entschieden wichtiger im Interesse
meines Nebenmenschen gewesen, daß er auf
gute Manieren und wohlangemessene Leibes‐
pflege hielt, als daß er möglicherweise wie
ein „Lexikon der Mystik und des Okkultis‐
mus” über vermeintlich „Geistiges” zu ora‐
keln wußte!
.Was aber äußere
Fragen um
wirklich
geistige Dinge angeht, so habe ich alles, was
ich an Antwort aus dem Geiste zu geben
vermag, in meinen Schriften so weitreichend
dargeboten, daß ich mich mit wahrlich gutem
Recht für immer davor bewahrt sehen will,
mich selbst zitieren zu müssen...
.„
Nimm und lies!”
.Um
euretwillen und
nur für euch ge‐
schieht es, daß ich euch immer noch neue
Aufschlüsse gebe!
.Ich brauche mein Reden und Lehren
wahrhaftig
nicht! Ich gehöre nicht zu
denen, die sich „gerne reden hören”, son‐
dern weiß mir zu
schweigen, denn nur
im Schweigen bin
ich mir
vernehmbar.
.Gibt es denn noch Törichte, die meinen
mögen, ich spräche wie ein lyrischer Dichter,
um
von mir zu erzählen?!...
.Gibt es noch Kindische, die wähnen kön‐
nen, in mir den Sprecher
Anderer zu ver‐
nehmen, so, wie sie selbst zumeist die Worte
Anderer reden, wenn sie
von sich selbst
her zu reden glauben!? ‒
.Ich könnte zwar vieles und wieder vie‐
les von mir erzählen, ‒ von mir, aus dem
ich euch
leben lehren muß, ‒ wenn
euch
es vonnöten wäre.
Unmöglich aber könnte
ich „
Anderen” zum Sprecher werden, und
wo sollten „Andere” sein, deren Wort ich
aufnehmen könnte, da
ich selbst im Ur‐
licht „Wort” aus dem Urwort bin!
.Oder sollte ich gar mich als einen füh‐
len, der meine Mitteilung noch brauchen
würde oder meiner Rede Hörer zu sein
verlangte, da ich doch selber „
bin”, was
ich zu
sagen habe!? ‒
.Allein bin ich in mir selbst, wie
jeder
derer, die meine geistigen „Brüder” sind,
allein in sich selbst ist, und in
All‐
Ein-
Sein allem, was
ist und
nicht ist,
ge-
eint!
.Wie solltet ihr das aber verstehen, ‒
ihr, die ihr kaum erst das Allerwenigste
in euch zu
einen wußtet, und immer wie‐
der ängstlich fragt, ob es denn wirklich so
dringend nötig sei,
eure Seelenkräfte
zu einen!?
.Aber es wird ja auch
nicht erwartet,
daß ihr hier „verstehen” lernen sollt, denn
was hier gemeint ist, liegt himmelhoch
über
dem Verstehen und kann nur erreicht wer‐
den im
Erleben! ‒ ‒
.Das „Reich”,
von dem der in seinem
Irdischen „größte Liebende” aus allen Leuch‐
tenden des Urlichtes sagte, es sei „nicht von
dieser Welt”, ist
auch euch erreichbar,
aber nur dort, wo ihr in euch selber
nicht
„von dieser Welt” seid, und
nicht ihrer
Scheinerkenntnis unterworfen!
.Auch ihr seid in ganz bestimmten Re‐
lationen zu allem Unendlichen, aber nur
in dem, was
in euch selbst unendlich ist,
könnt ihr
bewußt Unendliches erfahren!
.Gehirn und Herz sind aber „
Außen‐
welt”, und gewichtige Wahrheit sprach der
Anatom, der bekannte, er habe noch nie
in einem Leichnam auf dem Seziertisch ein
Organ entdeckt, das als Träger der
Seele
in betracht kommen könne...
.Nur
Aufnahmeorgan der Seele ver‐
mag euer Körper zu werden, denn eure
Seele wird allein „getragen” von ihren ei‐
genen, außensinnlich unsichtbaren Seelen‐
kräften, die niemals in ein erdenräumlich
wahrnehmbares Körperorgan
zu binden
wären.
.Doch, was man im Alltag der „Seele”
zuzuschreiben pflegt, ist allermeist noch das
bloße Funktionsergebnis erdenkörperlicher
Organe, so daß wir
diese Art Seele wahr‐
haftig auch in den Tieren wiedererkennen
können. Ich rede aber oben allein von der
ewigen, der
unendlichen Seele, die
nicht
„von
dieser Welt” ist, und die vergeblich
im Tiere gesucht werden würde, weil nur
der Mensch imstande ist, seine tierhaften
Organe zu Aufnahmeorganen
der ewigen
Seele aufzuschließen.
.Dieses „Aufschließen” und Bereithalten
ist aber Folge einer daraufhinwirkenden
ständigen
Willens-Haltung und ganz von
ihrer Kraft und Ausdauer abhängig. Ohne
eigenes Zutun des Menschen wird ihm die
Eignung seiner irdischen Körperlichkeit,
zur Aufnahmeantenne der ewigen Seele wer‐
den zu können, nie und nimmermehr er‐
schlossen. Er bleibt dann nur ein bis zu
den raffiniertesten Denkerarbeiten aufge‐
züchtetes verfeinertes höheres „Tier”, dem
die
ewige Seele ebensowenig zugänglich
wird wie irgend einem anderen bloßen
Tiere...
.Nur über die
ewige Seele, die ihren
zentralen Urlebenspunkt in sich trägt: ‒
den ewigen Geistesfunken aus dem Urlicht,
‒ ist es uns Leuchtenden des Urlichtes
möglich, unseren erdenhaften Mitmenschen
geistige Hilfe zu bringen.
.Die ergreifenden und erhaben schönen
Bekundungen der großen Mystiker sind ge‐
wiß Zeugnisse erlebter, im Tiefsten erschüt‐
ternder Gottesempfindung, aber
die Ein‐
heit, die so erlebt wurde, war im aller‐
höchst Möglichen nur die jedem Erden‐
menschen potentiell erreichbare Erlebens‐
einheit in dem ewigen Geistesfunken seiner
eigenen ewigen Seele. Das ist gewiß an sich
hoch erhobenes Erleben, aber nur das Er‐
leben der bloßen Einheit
seiner selbst
im ewigen Geiste!
.Das
All-
Ein-
Sein in dem wir Leuch‐
tende im Urlicht leben, umfaßt jedoch
alles
auf solche mystische Art geschehende Ein‐
heitserleben
zugleich mit
allen unend‐
lichfältigen
anderen Einheiten innerhalb
der Struktur des ewigen substantiellen Gei‐
stes. Es ist kein subjektives Er-leben
eines Einen, sondern das objektive Leben
des ewigen substantiellen Geistes selbst, und
aller irdischen Auffassung entzogen. Es
wird geistig gelebt, ‒ nicht er-lebt! Das
ist ein himmelweiter Unterschied, den
alle sehr beachten müssen, die sich in Be‐
kenntnisse der Mystik und Gnosis, wie sie
heute in großer Anzahl vorliegen, nacher‐
lebend zu vertiefen suchen! Die Empfin‐
dung muß da sehr distinkt zu unterschei‐
den wissen, sonst wird Inkommensurables
in bedenklich fragwürdigen Meinungen ver‐
mengt, auch wenn es sich nur darum han‐
delte, erst die „Stimmung” des betreffenden
Buches aufzunehmen. Es ist auch nicht zu
vergessen, daß nur recht selten und nur
von sehr wenigen Menschen, die der My‐
stik ergeben waren, der hohe Aufstieg zur
„Einung”: ‒ zum Sich-selbst-erleben im
ewigen Geistesfunken, ‒ bekundet wird,
während das weitaus meiste als „mystisch”
gedeutete Erleben Frommer, sehr
irdi‐
scher Art und ganz im erdenkörperlichen
Nervensystem begründet ist, dessen Er‐
regungszustände als „geistige Erlebnisse”
aufgefaßt werden, obwohl in Wahrheit nur
ein Wahrnehmen vorliegt, der Lichtempfin‐
dung des Sehnervs vergleichbar, wenn auf
das geschlossene Auge ein heftiger Druck
erfolgt.
.Aber die wahrhaftig zuweilen in ihre
geistige „Einung” gelangten
echten Mystiker
wußten genau, daß ihr Gotterleben trotz
allem ein
subjektives Erleben war, und
wenn einer ihrer Größten den Rat erteilt,
einem bittenden Armen an der Klosterpforte
erst die Suppe zu bringen, auch wenn er zur
Unzeit käme, weil der Gebetene mitten in
seiner Beschauung sei, so ist hier nicht nur
die Nächstenliebe in besonderer Weise an‐
empfohlen, sondern zugleich die
Subjek‐
tivität des mystischen Erlebens betont, das
nicht in selbstsüchtiger Weise fortgeführt
werden dürfe, während ein Mitmensch, den
der Schauende zu sättigen vermöge, Hunger
litte. Zahllos sind denn auch überall wo echtes
mystisches Erleben eingetreten war, nachher
die Klagen darüber, daß man es nicht fest‐
zuhalten vermochte und nun nach der Einung
im Innersten sich wieder im Alleräußersten
finde: ‒ dem kaum noch ertragbaren Gegen‐
satz...
.Gerade hier läßt sich irdischem Verständ‐
nis am ehesten vermitteln, was das
geistige
Leben des Leuchtenden im Urlicht so hoch
über alles
mystische Erleben erhebt! Wir,
die wir aus dem Urlichte leben und aus ihm
in seinem Strahlen leuchten, sind
nicht nur
zeitweise in diesem geistigen Leben, son‐
dern selbst im Alleräußersten sind wir
gleichzeitig ohne Unterbruch in unserem
Allerinnersten, aus dem uns auch das sinnen‐
hafte Erleben der wildesten Außenwelt nicht
zu lösen vermöchte. Und im Gegensatz zu
dem, was der große Meister der Mystik seinen
Schülern anrät, wäre es für den Irdischen,
der das Werkzeug des ewigen Leuchtenden
im Urlicht ist, ein Hohn auf alle Nächsten‐
liebe, wenn er während des ihm obliegen‐
den objektiven geistigen Wirkens für Un‐
zählige, dem einen Armen zuliebe das All‐
Ein-Sein auch nur für eine Sekunde auf‐
geben wollte, solange die geistige Notwen‐
digkeit verlangt, daß in ihm zu verharren
ist! Der arme Hungernde wird alsbald von
anderer Hand gesättigt werden, ohne zu
ahnen, daß diese andere Hand nur spendet,
was ihm der in seinem All-Ein-Sein tätige
Leuchtende des Urlichtes im Äußeren dieser
Welt zugedacht hat. Das ist kein holder Aber‐
glaube, sondern beruht auf nüchternem Ab‐
lauf eines Geschehens, das streng gesetzlich
geregelt ist und fast „automatisch” sich aus‐
wirkt, indem es stets da sich durchsetzt, wo
es den geringsten Widerstand zu über‐
winden hat. Es gibt mancherlei Möglich‐
keiten solchen Geschehens, denen allen frei‐
lich auch präzise
Grenzen zubestimmt sind,
die nicht überschritten werden können. Hier
regelt sich alles nur von der inneren
Welt
der Ursachen her, die uns Leuchtenden
im Urlicht erschlossen ist.
.Warum ich von allen diesen so verschie‐
denen Relationen in denen der irdische
Mensch zu ewigem Göttlichen stehen kann,
hier rede? ‒
.Auch wieder nur um
euretwillen!
.Ich sehe manche aus euch in ernster
Gefahr, sich
selbst Hindernisse zu bereiten
durch Versuche, Unvereinbares zu vereinen.
Und es ist wahrhaftig Gefahr für das kon‐
krete Innewerdenkönnen der Struktur des
ewigen substantiellen Geistes, wenn man um
des eigenen Verstehens willen
der Mystik
oder gar der vor- und frühchristlichen Gnosis
einordnen zu können meint, was so hoch
über höchstem mystischen Erleben innerer
Einheit,
im Urlicht selbst gelebt wird, daß
keine astronomische Zahl imstande wäre,
die hier trennende Distanz vergleichsweise
auch nur anzudeuten. Wohl können die Be‐
kundungen wahrhaft echter Mystiker das
Vorstellungsvermögen „stimmen”, so daß es
fähig wird, die reinen Akkorde aus dem
Ewigen wiederzugeben, die auf „den Harfen
des geweihten Berges” für das Ohr der Seele
zum Erklingen kommen, aber Beides ist sehr
bestimmt zu trennen, so, wie man gewiß zu
unterscheiden weiß zwischen dem bloßen
Anschlagen der Töne beim Stimmen des
Instruments, und der dann auf ihm erklingen‐
den Sonate. ‒
.So ist denn auch wahrhaftig jeder Leuch‐
tende des Urlichtes ein „Philos” der ewigen
„Sôphia”: ‒ ein
Freund der göttlichen
Weisheit, aber die Genesis der Lehren und
Aufschlüsse, die er zur Offenbarung bringt,
schließt kategorisch aus, das, was er dar‐
bietet, als „
Philosophie”, im wissenschaft‐
lichen Sinne, zu bezeichnen. Er gibt ja nicht
etwa Resultate seines
Denkens, und nicht
aus
Schlußfolgerungen besteht sein Er‐
kennen! ‒
.So schafft jeder aus uns, die wir im
ewigen Urlicht Leuchtende sind, in Wahrheit
„Religio”: ‒
Verbindung des „Außen” mit
dessen allerinnerstem Ursprung, und zeigt
die Relationen zwischen Zeit und Ewigkeit
auf, aber die Spur der
historischen Wahr‐
heit wird verwischt, sobald man einem aus
uns die persönliche Gründung eines von ihm
geschaffenen, vorher unbekannten
Reli‐
gionssystems und eines, sodann es erhalten‐
den
Kultes zuschreibt!
.Auch ist mir gewiß bewußt, daß wissen‐
schaftlich bestimmter Sprachgebrauch mit
dem Worte „
Metaphysik” recht wesentlich
Anderes bezeichnet, als was dieses Wort
bei
mir bedeutet, der ich seinen Sinn dahin
verstanden wissen will, daß es die erden‐
sinnlich unwahrnehmbaren
Dinge meint,
die
hinter der Physik des Universums
ver‐
borgen sind. ‒ Wenn ich also von meinem
„metaphysischen” Lehrwerk spreche, so will
das gewiß nicht besagen, daß seine Aufschlüsse
einen Platz im Bereich der besonderen Be‐
tätigung des
Denkens beanspruchten, die
man als „Metaphysik” von rein philosophi‐
schem Denken zu scheiden sucht. Mir ist
das Wort „Metaphysik” im
etymologi‐
schen Verstande zu einem
Notbehelf ge‐
worden.
.Kurzum: ‒ es gibt kein „Rubrum” unter
dem sich die Aufschlüsse ewiger Dinge, ‒
die Offenbarungen der Struktur ewigen sub‐
stantiellen Geistes, ‒ die ich, meiner gei‐
stigen Wesenheit nach, meinen Mitmenschen
und denen die
nach meiner Erdenzeit kom‐
men werden, zu bringen vermochte, als ein
Spezielles, in Allgemeines
einreihen ließen.
Wer daher für alles was ihm begegnet, ein
Rubrum: ‒ eine Inhaltsdeklarierung und
Einordnung in ihm schon Bekanntes, braucht,
der wird zwangsweise meinem ganzen Lehr‐
werk eine
irrige Ausdeutung geben und
gerade an dem, was in meinen Worten
wesentlich ist, achtlos vorübergehen oder
das ihnen Fremdeste in sie hineininterpre‐
tieren. Ich vermag das nicht zu ändern, aber
ich will nicht unterlassen haben, darauf
hinzuweisen, daß man so in eine dunkle,
stickichte und arg verwinkelte Sackgasse gerät,
aus der durchaus nicht Jeder später noch
wieder herauszufinden weiß! ‒
.Und immer wieder muß ich daran er‐
innern, daß ich, meiner erdbedingten Natur
nach: ‒
Künstler bin!
Nicht Gelehrter,
nicht Forscher,
nicht Angehöriger irgend
eines Glaubenskreises, und
nicht Bekenner
erdverhafteter Bekenntnisformen, auch wenn
ich manchen wohlverstehend
zugetan bin,
weil ich um den Erdensegen weiß, den sie
Irdischen heranzuziehen imstande sind. ‒ ‒
.Auch das ist nur
um euretwillen ge‐
sagt, denn als Künstler „hänge” ich nicht
‒ wie der Dilettant ‒ an dem, was ich
hervorgebracht habe, und es bleibt mir glei‐
chen Wertes, einerlei ob man es achtet oder
mißversteht. Nur
um euretwillen emp‐
finde ich Freude, wenn ich gewahre, daß
euch mein Lehrwerk fehlen würde, wäre es
nicht vorhanden! Um
euretwillen allein
bin ich besorgt, euch alle Relationen auf‐
zuzeigen, die zusammenwirken mußten, da‐
mit mein geistiges Lehrwerk für euch und
die Kommenden entstehen konnte.
.Nichts liegt mir ferner, als Menschen für
meine Worte etwa „gewinnen” zu wollen,
aber wohl ist mir daran gelegen, vor mir
selbst zu wissen, daß alles durch mich ge‐
schehen ist, was nötig war, um denen, die
sie brauchen, die Aufschlüsse der Struktur
des ewigen substantiellen Geistes, die ich in
meinem geistigen Lehrwerk gebe, in höchst‐
möglichem Grade
seelennahe zu bringen.
.Ich will jeden Derer, denen zubestimmt
ist, was ich hinterlasse, in der Lage wissen,
sich selbst von der ewigen Wirklichkeit über‐
zeugen lassen zu können, die ich ihm in
sprachlichem Bilde vor Augen stelle!
.Aber in allem, was ich durch mein
geistiges Lehrwerk bewirken „will”, bin ich
immer nur Vollbringer des
ewigen Willens,
aus dem ich lebe und dem ich mich ein‐
gefügt weiß für alle Ewigkeiten geistigen
Willensbewußtseins.
.Ich gebe nur weiter, was ich selbst geistig
besitze, will aber gewiß nicht den mir Ver‐
trauenden zur
Annahme dessen, was ich
ihm bringe,
überreden!
Er selbst wird
vielmehr entscheiden lernen müssen, was
ihm
vonnöten ist und was
nicht, denn was
ich als homogenes
Ganzes in den Schriften
des geistigen Lehrwerkes dargeboten habe,
umfaßt viel zu Vieles, als daß der Einzelne
für sich allein
Alles in sich aufzunehmen
wüßte.
.Jeder kann zwar von
Allem was ich be‐
zeuge,
Überzeugung herleiten, aber nach‐
her muß er wählen, sichten und suchen,
was
seiner Eigenart zubestimmt ist, ohne
das
für Andere Bestimmte
ebenfalls sich
zueignen zu wollen!
.Im ewigen Geiste kann keiner
eines
Andern Stelle einnehmen, und jeder bleibt
davor gesichert, daß
seine Stelle von einem
Anderen eingenommen werden könnte! ‒
.Wem es noch Schwierigkeiten bereiten
sollte, einzusehen, daß eine „allgemeine
Menschenliebe” nur das Postulat der Selbst‐
täuschung bleiben muß, ‒ so, wie auch
der Begriff der „Menschheit”, wenn er im
quantitativen Sinne gebraucht wird, keine
Wirklichkeit umfaßt, solange er den Einzel‐
menschen übersehen wissen möchte, der al‐
lein die Einheit ist, aus der erst die Ge‐
samtheit einer Erdenmenschheit ihr reales
Dasein hat, ‒ dem ist zu raten, das „Buch
der Liebe” zu befragen, damit er unter‐
scheiden lerne, zwischen der durch ach so
viele Bedingtheiten bestimmten Form der
Liebe, die ohne Gegenstand des Liebens
ganz unmöglich wäre, und jener höchsten
Form der gleichen Lebensdarstellung, von
der ich dort, als von der „Urfeuerkraft” der
Liebe spreche, die keines Gegenstandes be‐
darf, da sie
nichts im Dasein sieht, das
a
ußer ihr Bestand haben könnte.
.Ich lebe wahrhaftig in dieser höchsten
Form der Liebe „
ohne Gegenstand”, und
dennoch ist mein ganzes irdisches Dasein für
jene
erdbedingte Form, die stets eines
Gegenstandes zur Entfachung
bedarf, wie
ein Probierstein, an dem zutage tritt, was
in solcher Art
Objekt meiner Liebe sein
kann, oder was von ihr ausgeschlossen blei‐
ben muß. ‒
.So sind meine Relationen zu Irdischem,
das Gegenstand der Liebe in dieser ihrer
gegenständlich bedingten Form zu sein ver‐
mag, ‒ ob es sich nun um Menschen, Tiere,
Pflanzen, Mineralien, Landschaften als Er‐
gebnissen geologischen und meteorologischen
Zusammenwirkens, handle oder um Formen
die menschlicher Arbeit, Gestaltungskraft und
Kunst entstammen, ‒
denkbar verschie‐
dener Art.
.Anders ist es freilich in meinem rein
geistigen
All-
Ein-
Sein!
.Alle
Elenden dieser Erde trage ich in
meinem
Alleinsein im ewigen substanti‐
ellen Geiste
in mir, ob sie darum wissen oder
nicht. Ich helfe ihnen ihr Elend
tragen, Tag
und Nacht! Die meisten aus ihnen meinen,
alle Hilfe habe sie verlassen, denn sie sind
fühllos gegen alles, was sich nicht tasten läßt.
Aber es gibt auch Gesammelte in sich sel‐
ber, die sehr wohl
fühlen, daß ihnen einer,
den sie nicht sehen und nicht finden kön‐
nen, wahrhaftig tragen hilft!
.Die
Mächtigen dieser Erde trage ich
hier ebenso in mir, und sie ahnen es noch
weniger. In einigen ist wahrhaftig der in‐
dividuelle ewige Geistesfunke
gegenwärtig
und sie
fühlen ihn als ihr Gewissen. An‐
dere hat er
verlassen, weil er nicht mehr
Wohnstatt in ihnen fand, und eine schau‐
rige
Leere ist daher in ihnen entstanden.
So haben sie sich selbst ein künstliches
„Gewissen” gemacht, das wie ein Uhrwerk
täglich aufgezogen werden muß von ihnen,
und immer „JA!” sagt, wenn sie es befra‐
gen. Ich aber erleide mit ihnen die heim‐
lichen Qualen, die sie dennoch in ihrer Leere
fühlen, wo es wütet wie ein fressender Brand,
und jeder Augenblick den nicht die Außen‐
welt verschlingt, sie gewahr werden läßt, daß
sich da etwas vom Mark ihres Lebens nährt.
Ich muß die Einen wie die Anderen irren
oder rechttun sehen, und Beides muß mir
gleichen Wertes sein, denn ich bin keines
Erdenmenschen Richter. Und wenn ich auch
mit aller Macht vermöchte, Anderes zu er‐
wirken, dürfte ich doch niemals die Impulse
aufzuhalten trachten, die geschaffen wurden
ohne Geisteshilfe schon im Willen zu er‐
bitten, ehe Auswirkung erlangte, was die Ab‐
sicht aus sich selbst erstrebte. Doch gilt das
in gleicher Weise auch dort, wo jene Form
der Liebe, die des äußeren Gegenstandes
bedarf, mir durch mein eigenes Ent‐
scheiden Relationen zu dem mir
Gemä‐
ßen in den Außenwelten schuf.
.Es ist hier wie dort aber immerhin noch
möglich, selbst
ohne ausdrücklichen Willens‐
ruf nach Hilfe, bedingungsweise doch geistig
helfen zu dürfen, ‒ niemals jedoch darf gei‐
stige Hilfe auch nur
versucht werden,
gegen
den Willen eines Menschen! Doch ist keiner‐
lei Abhängigkeit von menschlichem Gegen‐
willen im Wege, wo es sich um Hilfsobjekte
handelt, deren Dasein
außerhalb der irdi‐
schen Erscheinungsform des Menschen steht.
Das soll freilich nicht etwa heißen, daß dann
dem Hilfswillen des im Urlicht Leuchtenden
keinerlei Hinderung entgegenstünde! Die
Möglichkeiten, geistige Hilfe zuzuleiten, sind
vielmehr auch hier, wo
kein erdenmensch‐
licher Gegenwille in Betracht kommt, doch
überaus vielbedingt umgrenzt. Es kann, bei‐
spielsweise, einer Landschaft meine tiefste
Liebe gehören, und es mag mir oft genug
gelungen sein, Gefahr ihres Gedeihens von
ihr abwenden zu lassen, ‒ trotzdem aber
kann es sich ereignen, daß ich ganz außer‐
stande bin, durch Zuleitung geistiger Hilfe
sie vor einer Katastrophe zu bewahren, weil
deren Veranlassungen bereits auf
irdischem
Gebiet zu suchen sind, dem substantiell
gei‐
stigen „Reich der Ursachen”
entwunden!
Ebenso könnte mir persönlich Unwieder‐
bringliches entzogen werden, obwohl wahr‐
lich liebende Sorgfalt es umgab, und ich
müßte ganz aus dem gleichen Grunde tatlos
zusehen, ohne durch geistige Hilfe etwas an
dem für mich selbst so verhängnisvollen Ge‐
schehen ändern zu können.
.Ich kann unmöglich alles schützen, was
ich geschützt wissen möchte, sondern nur
das, dessen Schicksal sich noch im geistigen
„Reiche der Ursachen” mir erreichbar und
zu Besserem wandelbar erweist! Ein einziger
Augenblick kann genügen, um ein Schicksal,
das seit Jahrzehnten ‒ oder gar seit Jahr‐
hunderten ‒ unentschieden geblieben war,
für bestimmte Erdenzeit, sei sie kurz oder
lang bemessen, oder für alle Ewigkeiten zu
entscheiden. Es ist der Augenblick, in dem
es sich den geistigen Bezirken, die ich unter
der Bezeichnung „das Reich der Ursachen”
verstanden wissen will, zu entwinden wußte,
um in der äußeren Sinnenwelt seine Auswir‐
kung zu erfahren!
.Unter vielem anderen ist mir aus dem
ewigen substantiellen Geiste her aufgetragen,
als Erdenmensch, in den Tagen meines Da‐
seins allhier, das dieser Erde entstammende
Leid zu „entwerten”. Das ist leichter
ge‐
sagt, als
getan! Wenige nur wissen, wessen
es bedarf, um auch nur die irdische
Mög‐
lichkeit dazu schaffen zu können und alle
Voraussetzungen zu erfüllen, die erst erfüllt
sein
müssen, wenn das hier geforderte
geistige Werk, als fortzeugender und bis in
fernste Zeiten weiterwirkender Dauerimpuls
gestaltet, gelingen soll...
.Man spricht auf Erden noch immer von
der „läuternden Kraft” des Leiderduldens.
Aber das Leid dieser Erde ist an sich nicht
„Klärung”, sondern
Trübung, und seine
quälende Gewalt ist nicht „Kraft”, sondern
zerfrißt wie eine ätzende Säure alle wirkens‐
trächtige Kraft, wenn sie sich nicht aus
Eigenem zu schützen weiß! Was der Erden‐
mensch an Kraft
besitzt in seinem Leibe,
ist aber nur dann zu schützen, wenn die
Gewalt alles erdentstammten Leides
erkannt
wird als fressende und Zerstörung verlangen‐
de, zeitlich befristete ‒
Lüge. ‒ So muß
ich denn in meinem eigenen Verhalten gegen‐
über irdischer Leideserfahrung im Leid
die
Lüge sehen lehren. Anders könnte ich mei‐
nen geistgegebenen Auftrag niemals erfüllen!
Die geistigen Relationen aber, die auch hier
auf Erden zwischen allen sich hier im zeit‐
lichen Dasein gewahrenden ewigen Menschen‐
seelenkräften bestehen, lassen das, was ich in
meinem Erdenleibe zur Auswirkung bringe,
unzähligen Menschen, ‒ nicht nur meiner
irdischen Tage, sondern auch unbemessener
kommender Zeiten, ‒ erfühlbar werden,
wozu durchaus nicht vonnöten ist, daß sie
um den Ausgangspunkt der in ihnen emp‐
findbar werdenden Wirkungen wissen.
.Auch
dieses Geschehen kann nur er‐
folgen, durch Aufnahme des hier im Irdi‐
schen von mir geschaffenen Dauerimpulses
in das geistige Reich der Ursachen, das ihn
benötigt, sollen die Schicksale der Menschen
auf Erden für die er erwirkt wurde, so ge‐
staltet werden können, daß nicht nur die
geistigen Relationen der Seelenkräfte unter‐
einander die Übertragung
möglich machen,
sondern auch das Übertragene
zu neuer
Auswirkung kommt.
.Der eigene
Erdenkörper jedoch ist mir
zur Schaffung dieses hier bezeichneten Dauer‐
impulses unbedingt
notwendig, und ohne
ihn hätte ich, auch aus dem Reiche der Ur‐
sachen her, die mir mitgegebene geistige
Verpflichtung niemals erfüllen können, wie
denn auch noch andere geistige Hilfeleistung
der Mitwirkung des Erdenkörpers bedarf,
aus dem her allein bestimmte Schwingungen
erweckt werden können, die nötig sind, um
Geistiges in irdisch Einwirkendes zu trans‐
ponieren. Auch bei dem geistigen Vorgang
der Übertragung eines wirklichen ‒ nicht
nur in Worten bestehenden ‒
Segens ist
die Körperlichkeit des Segnenden überaus
beteiligt.
.Alle diese Formen geistiger Hilfe, ‒ so‐
weit es sich nicht um aus meinem
All-
Ein‐
Sein zugeleitete Geisteshilfe handelt, ‒ sind
ausschließlich durch jene Form der Liebe
bestimmt, die unmöglich wäre, ohne
den
Gegenstand, dem sie sich darbringt. Sie
umfaßt alles, was ich in dieser Welt der
Erdensinne wirklich zu lieben vermag, weil
es mir
gemäß ist und weil ich es lieben
will, oder weil es auch mir seine Liebe von
sich aus übereignet.
.Fern von dieser mir aus meinen Rela‐
tionen zum irdischen Daseinsbereich erwach‐
senen Liebe die ihres
Gegenstandes bedarf,
lasse ich jedoch alles liegen, was ich irdisch
ablehnen muß als ein mir Ungemäßes oder
unwandelbar Entgegengesetztes, und ich bin
auch wahrhaftig in mir selbst davor gesichert,
Gefühle des
Erbarmens und des
verzei‐
henden Verstehens schon der
Liebe zu‐
ordnen zu wollen, gleichviel von welcher
ihrer Äußerungsweisen die Rede sein mag.
.Seid sicher, geliebte Freunde, daß
nichts
außerhalb meiner
erdbedingten geistigen
Liebe bleibt, was irgendwie dazu geeignet
und fähig ist, sie aufnehmen zu können, ‒
aber erwartet auch nicht von mir, daß ich
mich selbst zu täuschen suchen möge, als
sei ich dort etwa schon in der
Liebe, wo
ich nur aus Erkenntnis erdenmenschlicher
Unzulänglichkeit heraus zu
verstehen und
verstehend zu
verzeihen weiß!
.Ich muß, ‒ ob ich will oder nicht, ‒
sehr präzise
Trennungslinien für meine
Liebe hier im Erdendasein beachten, getreu
der Weisung, daß „das Heilige” nicht „den
Hunden” vorgeworfen werden dürfe, und
„Perlen” nicht „den Schweinen”... Womit
ja wahrhaftig kein Urteil über diese Tiere
ausgesprochen, sondern vielmehr auf die
unumgängliche Notwendigkeit hingewiesen
wird, das Untaugliche nicht zum Empfänger
Dessen werden zu lassen, womit es nichts
anzufangen weiß, sodaß nur mißbraucht
würde, was die zum Empfang Berechtigten
nicht hoch genug zu werten wissen.
.Hingegen erreicht
die strahlende Ur‐
feuerkraft der Liebe in ihrer höchsten,
himmlischen Form, die mir Daseinsbedin‐
gung auch in meinem irdischen Leben bleibt,
mit ihrer freien strömenden Wärme alles,
dem ich meine erdbedingte Liebe darbringen
kann! Handelt es sich um
Menschen, so
wird die innere Sammlung des einzelnen ent‐
scheidend dafür sein, ob er diese strahlend
wärmende geistige Strömung auch in sein
Gehirnbewußtsein aufzunehmen vermag, ja
auch darüber, ob er sie überhaupt in sich
empfindet. Selbstgefälligen aber, die „Be‐
dingungen” stellen, da sie nur etwas in sich
gesehen wissen möchten, was sie nicht sind,
und was ich darum unmöglich in ihnen zu
„lieben” vermöchte, kann auch meine sor‐
gendste Liebe nicht fühlbar werden, ‒ wäh‐
rend es sein kann, daß selbst in nicht
bewußt empfindungsfähigen Dingen, die
Gegenstand meiner Liebe wurden, dem auf‐
merksamen Beobachter von außenher
schon die Auswirkung der Förderung wahr‐
nehmbar wird, die ihnen der Zustrom meiner
Liebe bringt. ‒ Ich bin kein „Magier”, der
‒ wie allzu hemmungslose Gläubigkeit gar
gerne wahrhaben möchte ‒ die Gesetze
dieser Erde mißachten und aufheben könnte!
Ich mühe mich nur, sie auch dort zu be‐
achten, wo man um ihr Bestehen nur aus
dem ewigen Geiste her wissen kann.
.Ich rühme mich aber hier nicht etwa
besonderer „Verdienste”.
.Alles,
was nach „Verdienstlichkeit” riecht,
riecht faul!
.Wer sich im Geistigen „Verdienste” auf‐
häufen zu können glaubt, steckt noch tief
im Irdischen. Er weiß noch nicht, daß das
einzige „Verdienst” was im ewigen Geiste
zu erlangen ist, nur erreicht wird durch
Verzicht auf alle Anrechnung eigener „Ver‐
dienste”!
.Wer im Geiste Gottes bewußt ist, wurde
das
ohne alles eigene irdische „Verdienst”
und ist in sich selbst davor gesichert, sein
Tun für „verdienstlich” zu halten.
ANHANG
Nach Nummern geordnetes
REGISTER
der in den Büchern des Lehrwerkes
enthaltenen
Einzelstücke
.An „Inhaltsverzeichnissen” der meinem
geistigen Lehrwerk zugehörigen Schriften
fehlt es gewiß nicht, und wo es darum ging,
eindeutig zu bestimmen, was diesem Lehr‐
werke
zuzuzählen sei und was
nicht, dort
mochte dem Endzweck Genüge geschehen,
wenn neben den Buchtiteln auch die „In‐
haltsverzeichnisse” angeführt wurden, wie
das denn auch in dem Schlußabschnitt des
letzten, dem Lehrwerk zugehörigen Buches:
„
Hortus conclusus”, geschehen ist.
.Hier aber ist es mir nicht darum zu tun,
nochmals zu bestimmen, welcher „Inhalt”
dem einzelnen Buche
zugerechnet wer‐
den dürfe.
.Ich zeige vielmehr in diesem Register
erstmals
den Zusammenhang des ganzen
geistigen Lehrwerkes an seinen
Einzel‐
stücken auf, und
die Nummer, unter der
ich das Einzelstück einreihe, läßt zugleich
erkennen, daß sein Erscheinen in einer der
Lehrschriften
aller Willkür entrückt war,
wie ich das ja auch schon in meinen „Hin‐
weisen” auf die Bücher der Lehre kurz dar‐
gelegt habe.
.Vom ersten Wort an, das ich für meine
Mitmenschen auf Erden niederschrieb, zeigte
sich mir ja alles
gegenwärtig, was erst später
noch zu
besonderer Erörterung kommen
konnte. Dafür sollen dem geistig erwachen‐
den Leser meiner Schriften im Folgenden
die Augen geöffnet werden! ‒
Anm.: Es folgt im Buch nun die Auflistung des gesamten
Lehrwerkes samt Unterkapitel, wie im Inhaltsverzeichnis von
Buch Nr.1 bis zu Buch Nr.32. Auf eine nochmalige Darstellung
wird an dieser Stelle daher verzichtet.
.Diese Aufzählung der Titel, die ich je‐
weils den Einzelstücken des durch mich
gestalteten geistigen Lehrwerkes gegeben
habe, kann freilich nicht dazu dienen, einen
auch nur einigermaßen ausreichenden Ein‐
blick in den weiten Bereich der Themen
zu schaffen, die in den benannten Einzel‐
stücken Erhellung aus dem Lichte des ewigen
substantiellen Geistes her fanden. Nur der
mit dem Inhalt des gesamten Lehrwerkes
bereits ein wenig Vertraute, der sich beim
Wiederlesen der einzelnen Titel an den dazu‐
gehörigen Inhalt des jeweiligen Einzel‐
stückes erinnert fühlt, mag vielleicht er‐
messen können, was dieses Register um‐
faßt! Es erscheint noch dazu unter mehre‐
ren Nummern nicht weniges nur summa‐
risch bezeichnet, was wohl auch im Einzel‐
nen hätte angeführt werden dürfen. Ich habe
darauf verzichtet, um dieses Titelregister auf
den engsten Raum zu bringen.
.Mancher der hier registrierten Titel, ‒
deren bloße Zahlenfolge schon dem wirk‐
lichen Willen zum Eindringen in das Lehr‐
werk den Weg weist, ‒ wird jedoch denen,
die den
Inhalt des bezeichneten Einzel‐
stückes noch nicht in sich aufgenommen
haben, vorerst nur wenig bedeuten können.
.Dennoch durfte ich den Einzeltitel an
seiner Stelle
nicht fehlen lassen. Er steht
also im Zusammenhang da für alle, die
bereits einmal den unter ihm bezeichneten
Inhalt
kennenlernten.
.Die Wiederholungen, die sich in diesem
Titelregister natürlich ganz ebenso wie in
den Schriften selbst finden, ergaben sich
daraus, daß die Erörterung der Themen
im Umkreis eines jeden einzelnen Buches
aus einem andern Gesichtspunkt her
erfolgen mußte. Aus dem Zusammenhang
dessen, was das einzelne Buch umschließt,
läßt sich leicht die an bestimmter Stelle
gemeinte
Bedeutung des Einzeltitels er‐
kennen, auch wenn er an anderer Stelle
in veränderter Gebrauchsweise erscheinen
mag. Das Gleiche gilt für einzelne
Worte,
die innerhalb verschiedener Titelformungen
gelegentlich wiederkehren. Es liegt auf der
Hand, daß z.B. das Wort „
Mysterium” in
dem Titel „Das Mysterium von Golgatha”
naturnotwendig etwas recht wesentlich Ande‐
res meint, als dort, wo ich vom „Mysterium
Mann und Weib”, oder vom „Mysterium der
künstlerischen Ausdrucksform” spreche!
.Ebenso löst sich jede andere, etwa einem
der Titel gegenüber auftauchende Frage
mühelos durch den jeweils gegebenen Zu‐
sammenhang im Ganzen des Buches, dem
das Einzelstück entstammt.
.Auch der gänzlich ununterrichtete oder
den geistigen Aufhellungen, die ihm durch
die Schriften des Lehrwerkes zuteil werden
können, noch recht fernstehende Suchende
wird bei der Durchsicht dieses Registers
ohne jede Schwierigkeit gewahr werden,
daß es sich hier um ein
vom Anfang bis
zum Ende ineinander verflochtenes
Ganzes
handelt. Dieses in sich geschlossene Gesamt‐
werk umfaßt ebenso die
Darstellungen
der Struktur des ewigen substantiellen
Geistes wie
die Ratschläge und
Weisun‐
gen, die sich aus dieser her für
alle Gebiete
des irdischen menschlichen Lebens ergeben,
und ist vom ersten bis zum letzten Satz da‐
zu bestimmt, dem Aufnehmenden zu zeigen,
wie er in Wahrheit
in sich selbst die un‐
bestreitbare Überzeugung vom Zusammen‐
hang seines irdisch begrenzten Daseins mit
dem unvergänglichen Seinszustande der
Ewigkeit erlangen kann.
.Begreiflicherweise mußte dabei erden‐
menschlicher Irrtum
berichtigt werden,
der als Hindernis auf Wegen liegt, deren
Markierungen dem Suchenden zu Unrecht
versprechen, ihn dem ewigen Geiste zu‐
leiten zu wollen. Es war mir dabei wahr‐
haftig in keinem Falle um irgendwelche
„Polemik” zu tun,
immer aber um den
Schutz des ehrlichen Suchenden vor den
Irrwegen, die ihn nur zu leicht dazu be‐
stimmen können, seine Kräfte zu vergeuden,
im Wahn, seinem wirklich gewollten Ziele
zuzustreben.
.Gebe der Himmel, daß es mir auch ge‐
lungen sei, alle Suchenden vor Wegen zu
bewahren, die einem gütigen
Humor ver‐
wehrt sein würden! ‒
Die ewige Weisheit
kann
denen nur erschlossen werden, die
über alles Törichte noch herzhaft ‒
lachen
können!
Geschrieben in sehr ernsten Tagen,
aller Weltnöte wahrlich bewußt.
.Die Lautefolge
Bô Yin Râ ist eine Verbindung
von sieben Lauten zu drei Silben, in denen sich
der Autor um den es sich hier handelt, nach
geistigen Lautwertgesetzen, mit mathematischer
Ausschließlichkeit substantiell bezeichnet fühlt.
An ein sogenanntes „Pseudonym” ist hier schon
deshalb nicht zu denken, weil der
bürgerliche Name
des Mannes, der den geistigen Namen Bô Yin Râ
trägt: ‒
Joseph Schneiderfranken, ‒ nirgends
von ihm verborgen gehalten wird, auch wenn er
ihm als ein Akzidens gilt, während ihm die drei
Silben
Bô Yin Râ seinen wirklichen urverbun‐
denen „
Namen” ausmachen. Was wir hier nur
andeuten können, findet sich in den Schriften
selbst authentisch dokumentiert.
.Diese Schriften ‒ vom Autor selbst als „gei‐
stiges Lehrwerk” gemeint ‒ bilden
ein Schrifttum
für sich, dem man unseres Erachtens kaum ge‐
recht wird, wenn man es, wie das schon gesche‐
hen ist, einfach den „heiligen Schriften” der ver‐
schiedenen irdischen Glaubenskreise zuzählt, in
einer Reihe mit „Bibel”, „Upanishads”, „Bhaga‐
vadgita”, „Dhammapadam”, „Tao te king” und
Anderem. Wir glauben hingegen sagen zu können,
daß dieses Lehrwerk
Religion an sich ist; das
Wort in überzeitlich freier Wertung und losge‐
löst von jeder zwangsmäßigen Bekenntnisbindung
verstanden.
.„Wer einmal nur vom lebendigen Strahl dieses
Geistes getroffen wird, der sich Bô Yin Râ nennt,
dem wird ein Gewinn zuteil, dessen tragenden
Gehalt er auch in seinen kühnsten Träumen kaum
erahnen kann”. So lautet eine vor Jahren schon
ergangene öffentliche Bekundung zu Bô Yin Râs
Schriften, die wir durchaus bestätigen können.
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
ZÜRICH
ENDE
IN EIGENER SACHE
EINE RICHTIGSTELLUNG
VIELER
FEHLMEINUNGEN
KOBERSCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
2. Auflage
Unveränderter Nachdruck der Erstausgabe 1935
© 1935 und 1990 by Kobersche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
ISBN 3-85767-027-4
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
Ich habe mich zwar nur wenig zu bekla‐
gen über mangelndes Verständnis bei
denen, die meinen geistigen Lehrbüchern
lange schon zugetan sind, aber ich beklage
um so mehr die noch immer bei anderen
verbreitete Auffassung, als hätte ich tö‐
richterweise im Sinn, einer neuen Glau‐
benskonvention den Weg zu bahnen oder
etwa subjektiv gefärbten Phantasien
und Spekulationen über Dinge, die unse‐
ren irdischen, tierhaften Erkenntnis‐
organen nicht zugänglich sind, einen
wundergläubigen, in seiner Glaubens‐
bereitschaft aller kritischen Hemmun‐
gen ledigen Anhängerkreis zu sichern.
Wenn ich es denn wirklich noch aus‐
drücklich sagen muß, so sei es hier aufs
deutlichste gesagt: ‒
.Beides liegt mir unendlich fern!
.So fern, daß mir jegliches Verständnis
für die seelische Kurzsichtigkeit fehlt,
die Ursache dazu werden kann, mir noch
derlei Absichten zuzutrauen, nachdem
man auch nur
eines meiner Bücher wirk‐
lich gelesen hat.
.Ich muß mich aber auch auf das
schärfste dagegen verwahren, einer Sorte
von Bücherverfassern urteilslos zuge‐
zählt zu werden, denen der Trieb kritik‐
unfähiger Massen nach Erklärung des
ihnen Unerklärlichen nur allzusehr ge‐
legen kommt, um sich in Szene setzen zu
können, und sich auf Grund frivoler, das
wirklich Geheimnisvolle auch nicht in
leisester Ahnung erspürender Spekula‐
tionen, den Nimbus eines Sehers oder
‒ aus hintergründiger Pseudowissenschaft
orakelnd ‒ eines Kenners geheimer Welt‐
gesetze zu verschaffen.
*
.Meine Bücher lassen überall, wo sie
hingelangen, aus resignierenden, ver‐
quälten Seelen glückliche Menschen wer‐
den.
.Dieser naturnotwendige Erfolg eines
konsequenten Lebens nach den aus mei‐
nen Lehren sich ergebenden Folgerungen
ist der einzige „Beweis”, den ich für die
Wirklichkeitsentsprechung meiner Dar‐
stellungen gebe, ‒ aber auch der allein
vollgültige. Ich trachte nach keinem an‐
deren! Mir liegt es ferne, „Beweise” zu
erbringen für das, was derer Leben, die
nach meinen Worten leben, jederzeit be‐
weisen kann.
.Jeder Versuch, meine Bekundungen,
Lehren und Erklärungen in die Gedan‐
kenreihen und Empfindungsgefüge alt‐
orientalischer oder späterer, christlich
orientierter Mystik einordnen zu wollen
‒ nur weil ich das Sprach- und Begriffs‐
gut dieser Bezirke gebrauche, da es sich
mir nun einmal darbietet und zuweilen
unersetzlich ist, wenn ich mich versteh‐
bar machen soll ‒, muß unbedingt zu
einem wirren Mißdeuten meiner Bücher
führen.
.Auch der findigste und belesenste Kopf
kann dem, was ich geschrieben habe,
nicht näher kommen, solange er noch
mit Maßstäben an meine Lehrworte
herantritt, die von den ihm naheliegen‐
den Glaubensmeinungen oder philoso‐
phischen „Systemen”, das Geistige in
der Welt zu erklären, mitgebracht oder
aus ihnen hergeleitet sind. Am aller‐
wenigsten aber wird man zu dem ge‐
langen, was man finden könnte, wenn
man sich durch ein vorschnelles Urtei‐
lenwollen verleiten läßt, mich gar unter
die modernen „Theosophen” oder „Ok‐
kultisten”, und wie sich das alles nennen
mag, zu rechnen, da ich auch die in die‐
sen Kreisen gängige Terminologie durch‐
aus nicht ängstlich gemieden habe, wo
sie mir als Verständigungshilfe in den
Weg gelaufen kam.
.Wir sind in den europäisierten Teilen
der Welt durchaus nicht so reich an Be‐
griffen und Benennungen, die sich zur
Darstellung des Lebens im Bereiche
ewiger Geistsubstanz gebrauchen ließen,
als daß der Berichter auch nur auf ein
einziges vorgefundenes Wort verzichten
dürfte, wenn es ihm Verständigungs‐
möglichkeit zu schaffen scheint und sub‐
jektiver Irrdeutung einigermaßen ent‐
rückt ist. Selten genug sind solche Worte
zu finden!
.Alle altorientalische und später die
christliche Mystik war aber in der Mensch‐
heit nur darum möglich, weil das, wovon
ich zu berichten habe, seit dem ersten Er‐
wachen des ewigen geistigen Funkens in
den Seelen weniger Erdenmenschen ferner
Urzeit ununterbrochen auf Erden gegen‐
wärtig war, ‒ und ein wirkliches Ver‐
stehen des Werdens religiöser Vorstel‐
lungen setzt voraus, daß man um diese
stete Gegenwart wisse, wie man um das
Gesetz der Schwerkraft weiß.
.„Mystik” ist nichts anderes als sub‐
jektive Fehldeutung jenes inneren Er‐
fahrens, das gemäß der gegebenen
Struktur substantiellgeistigen Lebens
zuweilen einzelnen, besonders gearteten
oder vorbereiteten Menschen möglich
wird. Das gleiche Erfahren bei ausge‐
sprochener Veranlagung zu rein histo‐
risch anschauendem Erkennen und daher
ohne die Fehldeutung des Mystikers, steht
am Anfang aller geistig begründeten Reli‐
gionen, in denen ewige Wahrheiten „dra‐
matisiert” zum Ausdruck gelangen.
.Das „Dogma”: der die Anhänger ver‐
pflichtende Glaubenssatz, ist nur die
endgültige Formulierung der dem Re‐
ligionsgründer innerlich zuteil geworde‐
nen Erfahrung in äußerlich ausgespro‐
chener Behauptung. Es ist nur folge‐
richtig, daß jedes Religionssystem für
solcherlei Behauptung Zustimmung ver‐
langt.
.Nicht dadurch aber, daß man alle
diese verpflichtenden Behauptungen, wie
sie in den Dogmen der recht wenigen,
auf geistiger Erfahrung Einzelner be‐
ruhenden Religionen vorliegen, zu ver‐
einigen sucht, gelangt man zu dem, was
Ursache aller höheren Religionsbildung
war, ‒ sondern hierhin führt einzig und
allein nur das Wissen um die Struktur
des Lebens im ewigen substantiellen Geiste.
.Es ist nicht zu ändern, daß um diese
Struktur nur solche Menschen primär
aus eigener Erfahrung wissen können,
die ihrer ewigen Geistnatur nach in
diesem ewigen Leben des substantiellen
Geistes von Ewigkeit her lebendig sind,
und es daher in sich selber, in allen
seinen Schichtungen, bewußt wahrzu‐
nehmen vermögen.
.Das waren aber zu jeglichen Zeiten so
unfaßlich wenige, daß sie jeweils unter
den Millionen, die auf Erden leben,
scheinbar verschwanden, wie ein paar
Milligramm Radium im Sande des Mee‐
res für das Auge verschwinden würden,
ohne daß die von ihnen ausgehende Strah‐
lung tatsächlich verschwunden wäre...
.Allen anderen Erdenmenschen kann
aber das Wissen um die Struktur des
geistigen Lebens nur von seiten dieser
wenigen übereignet werden.
.Kriterium der Wahrheit solcher Mit‐
teilung ist nur das allmähliche Bewußt‐
werden der Seele in jenem Bereich des
geistigen Lebens, der den Fähigkeiten
und der seelischen Hingabe des Be‐
lehrten
entspricht, und die damit er‐
langte Gewißheit
der eigenen Eingliede‐
rung in unvergängliches, auf
allen seinen
Stufen
individuell bewußtes, geistigsub‐
stantielles
Leben.
*
.Das Wort „Geist” umfaßt im alltäg‐
lichen Sprachgebrauch recht Verschie‐
denartiges.
.Die Tätigkeit des menschlichen
Ge‐
hirns: das Denken, Erschließen und Be‐
griffebilden, wird als „geistiges” Arbei‐
ten bezeichnet, und man spricht in die‐
sem Sinne vom
Menschengeiste.
.Man
steigert das, was der Menschengeist
vermag, naiverweise ins Unendliche, und
gelangt so zum Begriff
göttlichen Geistes.
.Aber man spricht auch innerhalb der
christlichen Dogmatik vom „
Heiligen
Geiste” als einer „
Person”: einer Selbst‐
darstellung in Gott, wobei das Wort
„Geist” nicht mehr von einem Tun her‐
geleitet ist, sondern eine distinkte Be‐
stimmtheit innerhalb der göttlichen Sub‐
stanz bezeichnet.
.In diesem rein substantiellen Sinne
wird überall in meinen Büchern von mir
das Wort „Geist” gebraucht.
.Ich „berufe” mich aber nicht etwa auf
das christliche Trinitätsdogma, sondern
habe es hier nur um der Verständigung
willen herangezogen, weil ich nur von
ewigem Gottesgeist künde, wenn ich die
Struktur des geistigen Lebens faßbar zu
machen suche, in dem ich selber im höch‐
sten Bewußtsein lebe, das einem Erden‐
menschen erfahrbar werden kann.
.Zugleich verwahre ich mich auf das
eindringlichste gegen jede Vermutung,
als wolle ich etwa um „Glauben” an
meine Worte werben.
.Was ich zu lehren komme, wird nicht
durch gläubige Zustimmung, sondern
einzig und allein
durch eigene Erfahrung
der konsequent danach Handelnden be‐
zeugt, und ich muß
jeder Instanz hier
jegliches Urteil über die von mir ge‐
brachten Lehren
verweisen, solange der
Urteilende sich nicht dazu bequemen
kann, längere Zeit hindurch nach den
Anweisungen dieser Lehren zu
leben.
*
.Im Grunde verstanden, kann man
jedes Buch, das ich geschrieben habe,
ein Geheimbuch nennen, denn in jedem
sind geistige Wahrheiten niedergelegt,
nur den wenigen Lesern erkennbar, die
bereits dort zu
fragen begonnen haben,
wo meine Bücher die
Antwort bringen.
.In diesen Büchern finden Wahrheiten
ihren Ausdruck, die von dem ersten Er‐
klingen menschlicher Sprache an bis auf
meine Erdentage nie in solcher Offenheit
in Worten mitgeteilt werden konnten.
Was da gesagt wird, war immer Ge‐
heimnis weniger Wissenden, wie es auch
weiterhin allen geheim bleiben wird, die
nicht für solches Wissen geboren sind.
Ihnen werden diese Bücher nur Anlaß
des Widerspruchs, und die Geheimnisse,
die den Berufenen Erlösung bringen,
werden denen, für die Erlösung noch
nicht bestimmt ist, unlösbar bleiben.
.Es sind hier Bücher entstanden, die
sich selber öffnen oder sich selber ver‐
schließen, je nach dem geistigen Zu‐
stand des Menschen, der die Seiten ab‐
fragt. In keiner Felshöhle unwegsamer
Gebirge und in keinem Versteck der
Wüsten Asiens wären diese Bücher bes‐
ser verborgen als auf den Tischen der
Buchhändler und in den Händen un‐
berufener Leser!
.Geheimnisse, die man auch jenen
weitergeben
könnte, vor denen sie ge‐
heim bleiben sollen, sind gar schlecht
behütet. Was jedoch in meinen Büchern
öffentlich ausgesprochen ist,
hütet sich
selbst vor allen, denen es Geheimnis
bleiben soll.
*
.Leidig und bemühend ist es, daß ich
hier nun auch noch irrige Meinungen
erwähnen muß, denen gegenüber es mir
recht schwer fällt, anzunehmen, daß sie
ehrlichem „guten Glauben” ihre Ent‐
stehung verdanken.
.Da soll ich denn, neben anderen phan‐
tastischen Behauptungen,
einer Kolpor‐
tage nach, in meinem so dogmenfernen
Verkündungswerk die Sache „der Je‐
suiten” besorgen, während
ein anderes
Gerücht mich, allen Ernstes, „Frei‐
maurern” ‒ ja, der „Weltfreimaurerei” ‒
verpflichtet wissen will. Natürlich im‐
mer: ‒ um des Geldes willen!
.Diesem törichten Flüstern und Rau‐
nen gegenüber sei nun aber ein- für alle‐
mal ausdrücklich gesagt, daß ich zu
keinem Zeitpunkt meines Lebens der‐
artigen oder ähnlichen Korporationen
irgendwie verpflichtet war oder gar selbst
angehörte (denn auch das wird be‐
hauptet!), ebensowenig, wie ich jemals
irgendeiner politischen Partei irgend‐
eines Landes direkt oder indirekt irgend‐
welche Gefolgschaft leistete.
.Ich gehörte auch niemals einer „theo‐
sophischen” oder „okkultistischen” Ver‐
einigung an, und war niemals gar „Schü‐
ler” eines Mitgliedes oder Verbundenen
solcher Vereine und Gemeinden, noch
irgendeines Menschen, der etwa ähn‐
lichen Konventikeln nur freundschaft‐
lich nahestand. Es ist mir auch niemals
eingefallen, irgendeine derartige Ver‐
einigung zu „
gründen”, wenn ich auch
allen ehrlich nach seelischer Entfaltung
Strebenden gerne den Rat und die
Hilfe bot, die ich allein geben konnte.
Und niemals bin ich irgendwo ‒ auch
nicht in vertrautestem Kreise ‒ „
als
Redner” aufgetreten.
.Auch das muß eindeutig ausgespro‐
chen werden, da Leute, die mich in
ihrem Leben nicht zu Gesicht bekommen
haben, unverfroren von ihren „Ein‐
drücken” erzählen, die sie empfangen
haben wollen nach „Reden”, die ich
niemals hielt, bei „Tagungen” von Ge‐
sellschaften, die mir
absolut fremd sind,
in Städten, die ich bis heute
noch nicht
ein einziges Mal betreten habe. ‒
.Mich selbst kann das unverantwort‐
liche Herumbieten all der Unwahrheiten,
die sich mit mir beschäftigen, gewiß
nicht berühren oder gar bewegen, aber
es würde mir durchaus nicht erstaunlich
erscheinen, wenn dadurch Menschen,
denen mein Lebenswerk geistige Hilfe zu
bringen hat, recht unsicher werden könn‐
ten, ob sie dieser Hilfe vertrauen dürften.
.Da ich mich aber vom ersten Wort
meines öffentlichen Lehrens an zu mir
selbst bekannte und keinen Zweifel offen
ließ hinsichtlich meiner geistigen Be‐
rechtigung und Verpflichtung, zu lehren
was ich lehre, so blieben die durch un‐
wahre Berichte über mich unsicher Ge‐
wordenen nicht ohne
eigene Schuld, wenn
sie lieber irgendwelchen phantasievollen
Zuträgern glauben wollten, statt meinem
verantwortungsbewußten Bekenntnis.
*
.Daß mein Bekenntnis ‒ fast möchte
ich hier ironisch sagen:
leider! ‒ in heu‐
tigen Tagen und innerhalb westlicher
Kulturkreise etwas Befremdliches dar‐
stellt, weiß ich und kann ich nachfühlen.
.Wenn man nur auch nachfühlen
wollte, wie schwer mir von Anfang an
dieses Wissen um das Befremdende in
jedem Bekenntnis zu mir selbst und
meiner geistigen Herkunft auf der Seele
lag, wann immer bittere Notwendigkeit
solches Selbstbekennen von mir ver‐
langte!
.Was ich auch, bis auf den heutigen
Tag, über meine geistige, im Ewigen
gründende und wieder ins Ewige füh‐
rende Wesenheit zu bekennen schuldig
wurde, so ahnt doch wohl kein Mensch,
der solches Bekennen vernimmt, was
ich dennoch vorenthalten muß, weil
irdischem ‒ und zumal westlichem ‒
Denken die Begriffe mangeln, durch die
man hier zur wirklichen Verständigung
gelangen könnte.
.Wohl fand ich mich zuletzt, unter
dem Bewußtsein eindringlichster körper‐
licher Ankündigungen der physischen
Möglichkeit plötzlicher Abschiedsforde‐
rung, drastisch bewogen, das, was ich
als singuläres Bekennen zu hinterlassen
habe, noch zu vertiefen, aber auch hier
blieb die Grenze der Mitteilung fest ge‐
zogen, und es war auch keineswegs etwa
mein erdenmenschlicher Wunsch, sie
irgendwo zu überschreiten.
.Was ich von der Eigenart meines vom
Mittelpunkt absoluten ewigen Geistes
bis in die irdische menschliche Tierheit
schwingenden, webenden und mannig‐
fach verwobenen geistgeborenen Lebens
zu bekennen schuldig bin, ist bestimmt
durch die Notwendigkeit, die Menschen,
zu denen ich spreche, auf festes, unwandel‐
bares geistiges Urgestein zu führen: ‒ auf
einen Standpunkt, der niemals brüchig
werden kann, und von dem aus jeder
einzelne selbst, aus unbedrohter Sicher‐
heit her, Einblick erhält in die ewige
Struktur göttlich-geistigen All-Lebens,
das auch eines jeden irdischen Menschen
Daseinsursache ist.
*
.Wenn schon mein ganzes Verkün‐
dungswerk nur gestaltet werden konnte
im steten Kampf gegen eine beispiellose
angeborene Scheu vor jeder Offenbarung
eigenen inneren Erlebens: ‒ vor jedem
Sprechen über rein geistige Dinge ‒, so
ist mir bis zum heutigen Tage das Be‐
kennenmüssen zu dem, was meiner gei‐
stigen ewigen Natur zugehört, eine erden‐
menschlich kaum zu ertragende Tortur ge‐
blieben, der ich mich gewiß nicht unter‐
ziehen würde, wenn ich nicht vom Geiste
her dazu bedingungslos verpflichtet, ‒ fast
möchte ich sagen: ‒ verurteilt ‒ wäre.
.Und kaum einer unter tausenden, für
die meine Bücher geschrieben sind,
dürfte ahnen, welche Selbstpeinigung es
ist, den gewohnten, Ewigem allein ent‐
sprechenden Horizont, dessen Weite
irdischem Vorstellungsvermögen uner‐
reichbar ist, derart zu verengen, daß
man in Begriffen und Wortbildern sich
zu bewegen vermag, die allgemeiner
irdischer Auffassungsfähigkeit erreich‐
bar bleiben, deren Weite natürlich nicht
etwa von dem Grade der Gelehrsamkeit
des Auffassenden abhängig ist, sondern
allein durch die Stufenhöhe seiner see‐
lischen Bewußtheit bestimmt wird.
.Aber die Erörterung aller dieser Dinge
schwebt in bedenklicher Gefahr, für eine
Äußerung unglaublichen Hochmuts, ja,
womöglich gar für ein Anzeichen aus‐
gebrochenen Größenwahns gehalten zu
werden, denn keiner weiß, woran er ist,
wenn ihm selbst das Urteilsvermögen
fehlt.
.Urteilsfähig sein in Dingen, die das
ewige Leben des Geistes betreffen, heißt
jedoch: ‒ die
Struktur dieses durch und
durch substantiellen Geistes kennen, ‒
und meine Bücher haben keinen anderen
Zweck, als diese geheimnisvolle Struktur
bis in ihre tiefsten Verborgenheiten
sehen zu lehren. So ergibt sich aus dem
vorurteilsfreien Aufnehmen meiner Lehr‐
texte zugleich das sicherste Kriterium
für die Bedeutung ihres Inhaltes und für
die Berechtigung des Autors, lehren zu
dürfen, was ich lehre.
*
.Die innere und äußere Gewißheit im
ewigen substantiellen Geiste, die meine
Schriften vermitteln, ist jeder historisch
entstandenen religiösen Glaubensformu‐
lierung sachlich übergeordnet, aber
wahrhaftig unersetzbar als gesicherter
Halt für jede auf Göttliches bezogene
Lehre jeder Glaubensgemeinschaft, die
auf ein „Fürwahrhalten” der von ihr
aufgestellten Glaubenssätze den ihr aus‐
schlaggebenden Wert legt.
.Religiö
se Glaubensgemeinschaften sind
Seelenstaaten, einerlei, ob sie republika‐
nisch oder monarchisch verwaltet wer‐
den, ‒ einerlei, ob sie sich in ihrer Aus‐
dehnung mit
einem politischen Staate
decken oder den Bereich ihres Geltungs‐
willens über
alle politischen Gebilde der
Erde ausdehnen.
.Die einzelne Seele, die sich einem sol‐
chen Seelenstaat zugetan fühlt oder in
ihm gerade die erhebenden Kräfte, die
sie braucht, in einer besonders wirk‐
samen Form sich dargeboten sieht, soll
wahrhaftig zu ehren wissen, was sie emp‐
fängt, aber sie wird das kontinuierlich in
solcher Seelengemeinschaft Empfangene
nicht höher ehren, als wenn sie es im
Ewigen so zu
sichern weiß, daß weder
anderes Fürwahrhalten noch Zweifel das
Glaubensgut bedrohen kann.
.Ich rate aber weder einem Menschen,
sich der religiösen Gemeinschaft, der er
sich lebendig zugetan fühlt, zu ent‐
ziehen, noch stehe ich irgendeiner, die
Förderung seelischer Entfaltung als ihre
Aufgabe betrachtenden religiösen Or‐
ganisation als ein sie Nichtwollender
gegenüber, denn Mannigfaltigkeit ist ein
Charakteristikum göttlich-geistigen Le‐
bens, und so ist auch Mannigfaltigkeit
seelischer religiöser Formen und Auf‐
fassungen ewiger göttlicher Ordnung ge‐
mäß.
.Die Wahrheit von der einen ewigen
Wirklichkeit kann in den
verschiedensten
Glaubensformeln zum Ausdruck kom‐
men, denn diese ewige eine Wirklichkeit
ist nicht nur selbst unendlichfältig, son‐
dern läßt sich auch aus zahllosen Aspek‐
ten betrachten.
.Gerade darum aber ‒ und das muß
offenbar aufs deutlichste betont werden ‒
richten sich meine Bücher an alle Men‐
schen und nicht nur an die in verschie‐
dene Seelenstaaten Eingegliederten. Ja,
ich muß hier entschieden erneut darauf
hinweisen, daß ich mich in erster Linie
an diejenigen meiner Nebenmenschen
wende, die sich aus irgendwelchen Grün‐
den von den ihnen angestammten Glau‐
bensgemeinschaften losgelöst haben und
nur auf eigene Verantwortung gestellt,
zu dem von ihnen geahnten ruhegeben‐
den seelischen Ziele zu gelangen suchen.
.Ich glaube, daß ihnen die Aufschlüsse,
die sie durch meine Bücher erhalten, am
nötigsten sind, denn sie sind ja Suchende
aus eigenem Willen und eingeständig,
nicht selbst des zielbewußten Weges
kundig zu sein.
*
.So bin ich denn von Anfang an, dem
Sinn meiner Sendung gehorsam, an den
Türen der religiös Gebundenen und der
Meinung ihrer Lehrtradition Verhafteten
mit leisem Schritt vorbeigegangen, um
keinen vorzeitig zu wecken, dem die
Stunde seines Erwachens noch nicht
geschlagen hat.
.Es gibt ja genug der Wachen und
Überwachen, denen das, was ich brachte,
Labsal wurde und aufrichtende Er‐
quickung.
.Ich hege Ehrfurcht vor der mir wesens‐
gleichen Wahrheit ewiger geistiger Her‐
kunft, auch wenn ich sie mumienhaft
umschnürt finde mit den Byssusbändern
hieratischer Überheblichkeit.
.Ich bin aber nicht gekommen, solcher
erdenmenschlich bedingten Selbstüber‐
hebung Hilfsdienste zu leisten.
.Wohl achte ich alles, was ich nicht
verachten muß, aber meinem erden‐
menschlichen Drang, alles dulden zu
wollen, was erdenmenschlich ist, sind
geistig gegebene Grenzen gezogen.
.Ich bin in diesen Tagen der einzige,
der mir im ewigen Geiste Gleichenden,
von dem der Welt Kunde werden kann
über alle Dinge, die das Denken über‐
dauern.
.Bresthafter Erdmensch, der sich in
seinen vielverlangenden überhellen Tagen
mannigfacher körperlicher Peinigung an‐
heimgegeben sieht, ‒ gehöre ich wahr‐
haftig nicht zu denen, die ihr körperliches
Behagen verleitet, sich über die Le‐
bensbezirke anderer Irdischer erhöht zu
wähnen.
.Keine einzige geistige Erfahrung im
Ewigen gelangte in mein irdisches Be‐
wußtsein, bevor sie durch das knöcherne
Sieb erdenhaft bedingter Peinigungen
durchgestoßen war.
.Das ist nicht anders möglich, denn
ewige,
substantielle Geistigkeit kann in
der irdischen Sphäre sich nur dann zur
Erscheinung bringen, wenn der nunmehr
Irdische, der sich voreinst ‒ bevor die
Erde Lebendes erzeugte ‒ im Ewigen
dazu dargeboten hatte, auch im
irdi‐
schen Willen bereit ist, alles körperliche
Leid zu ertragen, das um seiner über‐
nommenen Bereitschaft im Geiste willen
auf ihn gelegt werden muß, auf daß er es
der Seele entwerte.
.Kein Sprichwort ist so irrtumsbela‐
den, wie jenes grobmaterielle, allem See‐
lischen so fremde, das da in seiner Ah‐
nungslosigkeit meint, nur in gesundem,
tierhaft bedingten Körper wohne eine
gesunde Seele.
.Fast könnte man sagen, das Gegenteil
entspreche der Wahrheit, und sicher ist,
daß es gesunde Körper mit kranken oder
längst „getöteten” Seelen zu Millionen
gibt, auf allenfalls einen einzigen kranken
Körper, der Ausdrucksorganismus einer
ebenfalls kranken Seele ist. Man sollte
viel eher fragen, wie es möglich sein
könne, daß in einem physisch gesunden
Körper dennoch eine gesunde Seele
wohne?
.Das hier nun gewiß unmißverständ‐
lich Ausgesprochene sei allen denen ge‐
sagt, die sich an meinem irdischen Da‐
sein stören, weil es ihren phantastischen
Vorstellungen nicht entspricht, nach de‐
nen jeder im ewigen substantiellen Geiste
lebendig Bewußte allem Erdenleid hoch
entrückt sein müßte.
.Wie aber hinter dem angeführten, so
fragwürdigen Sprichwort dennoch die
Wahrheit steht, daß das
Gehirn gesund
sein muß, wenn die Seele sich ihm an‐
vertrauen können soll, ohne in ihrem
Ausdruck verzerrt zu werden, so steht
auch eine Wahrheit hinter solchen phan‐
tastischen Vorstellungen, denn wahr‐
haftig vermag kein irdisches Leid eines
in seiner ewigen Geistigkeit Bewußten
ihn jemals im
geistigen Bewußtsein zu
erreichen, so sehr auch sein irdisches
gehirnbedingtes Bewußtsein durch see‐
lische und körperliche Qual bedrängt
sein mag.
.Es gibt zwar auch für den im ewigen
Geiste seiner selbst Bewußten eine Mög‐
lichkeit, die Hellhörigkeit des Gehirn‐
bewußtseins für jede Schmerzmeldung
der Körpernerven wesentlich abzudämp‐
fen, aber die Ausübung solcher Praktik
ablenkender Konzentration ‒ die neben‐
bei gesagt, in asiatischen Ländern von
sehr vielen und keineswegs im ewigen
Geiste bewußten Menschen bis zur Vir‐
tuosität ausgebildet wird ‒ müßte not‐
wendigerweise sofort das
gleichzeitig im
Irdischen, im Seelischen und im Geisti‐
gen sich erlebende Bewußtsein auf‐
heben, womit naturnotwendig die mir
obliegenden geistigen Pflichten im Irdi‐
schen unerfüllbar würden.
*
.Endlich muß ich hier nun noch vielem
Irrtum in bezug auf die Art meines
geistigen Erfahrens einiges aus der Wirk‐
lichkeit entgegenstellen.
.Ich denke nicht daran, solchen Irrtum
etwa zu bekämpfen, finde mich aber ver‐
pflichtet, soviel zu sagen, daß mich nicht
Schuld treffen kann, wenn Fehlmeinun‐
gen sich weitererhalten wollen.
.Obwohl ich längst genug Hinweise ge‐
geben zu haben glaube, sehe ich immer
erneut aus Äußerungen mancher Leser
meiner Bücher, daß man sich von dem
Gedanken nicht trennen kann, auch
mein Weg zur Erkenntnis müsse doch
vom irdischen Fragen und Erkennen‐
wollen ausgegangen sein, um zuletzt
zum Ewigen hinzufinden.
.Der Wahrheit entspricht aber das
Gegenteil!
.Mein geistiger Weg führte aus dem
Allerinnersten des Ewigen zum Seeli‐
schen und zuletzt ins Irdische.
.Es handelte sich auf diesem Wege
einzig und allein nur darum, seelisches
Erfühlen und irdisches, gehirnbedingtes
Erkennen allmählich aufnahmereif und
verständnisfähig für mein Geistiges zu
machen.
.Ich war niemals in meinem Irdischen
ein Suchender im Sinne gehirnlichen
Drängens nach Aufschluß eines dem
Denken Verschlossenen.
.Wohl aber war ich im Irdischen vor‐
einst sehr belehrungsbedürftig, bis mein
gehirnbedingtes äußeres Verstehen in
der Lage war zu erkennen, was von ihm
aufgenommen werden wollte.
.Noch heute habe ich nicht aufgehört
in dieser Art belehrungsbedürftig zu
sein, und wenn ich noch hundert Jahre
im Irdischen wäre, müßte mich mein
letzter Tag in gleichem Bedürfen finden.
.Freilich handelt es sich um sehr ver‐
schiedene Belehrungsbedürftigkeit, aber
gemeinsam ist ihr, daß sie nur vom ewi‐
gen substantiellen Geiste her befriedigt
werden kann und nur von meinem
ureigenen Geistigen, auch wenn mir
dabei gleichgeartete Hilfe vom Beginn
meines irdischen Verstandeserwachens
an zur Seite stehen mußte. Auch heute
würde mir jederzeit gleiche Hilfe, wenn
ich ihrer nicht entraten könnte.
.Man möchte nun wohl sagen, daß
jegliche Intuition und Erleuchtung von
dem Empfänger als aus dem Geistigen
kommend empfunden werde und see‐
lische oder gehirnliche Aufnahmemög‐
lichkeit voraussetze. Es handelt sich in
meinem Falle aber um anderes.
.Der Mensch, der einer Intuition teil‐
haftig wird, ist ebenso wie der Erleuch‐
tete, im Irdischen nur zum Teil auch des
Seelischen bewußt. Was er empfängt,
wird ihm von anderer Wesenheit her
dargeboten, wie immer auch das Dar‐
bietende empfunden und benannt wer‐
den möge.
.Ich aber war im ewigen Geiste mei‐
ner selbst bewußt, unvorstellbare Zeit
eher, bevor mir im Irdischen der Leib ge‐
boren wurde, der hier meiner auch ir‐
disch bewußt werden sollte.
.Dieses irdische Gehirn durfte nicht
das Suchen und Drängen über sich hin‐
aus kennen und mußte doch dem Ewigen
gegenüber aufnahmebereit sein, wenn
ich in ihm bewußt werden sollte, wie ich
heute meiner in ihm bewußt bin. Ich kann
in ihm allerdings nur insoweit bewußt
sein, als es mich bewußt aufzunehmen
vermag ohne seine Kräfte zu sprengen.
.Darüber hinaus bin ich meiner in mei‐
nem Seelischen und ‒ urbedingt ‒ in
meinem ewigen Geistigen allerdings ohne
alle Einschränkung bewußt.
.Die mir wahrhaftig bis ins kleinste
offenbaren irdischen Unvollkommen‐
heiten meines in Worten gestalteten
Lehrwerkes haben ihre hauptsächliche
Ursache einesteils in der Begrenzung,
der mein Bewußtsein innerhalb der Ge‐
hirnkräfte sich einordnen muß, anderen‐
teils in der Verschiedenfarbigkeit zeit‐
licher Perioden der Ausdruckskraft, und
müssen hingenommen werden, wie sie
sind, wenn man nicht kurzerhand auf
alles verzichten will, was ich aus dem
ewigen Geiste ins Irdische bringe.
.Mein Werk wäre unecht, würde es
neben den Merkmalen aus dem Ewigen
nicht auch die Spuren irdischer mensch‐
licher Unvollkommenheit zeigen!
.Was wahrhaft aus dem innersten
Mittelpunkt ewigen geistigen Lebens
in seiner überkosmischen Vollendung
stammt, hat niemals die Mängel irdi‐
schen Ausdrucksvermögens zu scheuen.
.„Gott hat es so gewollt” ‒ : gab Fra
Angelico den anderen Malern seiner Zeit
zur Antwort, wenn sie ihm vorschlugen,
etwas an seinen Bildern zu ändern, da‐
mit diese vollkommener würden. ‒
ENDE
ÜBER
MEINE
SCHRIFTEN
FLUGSCHRIFT DER
KOBERSCHEN VERLAGSBUCHHANDLUNG 1930
Anmerkung: Diese Flugschrift ist auch im Sammel‐ 00
band „NACHLESE” (1.Auflage 1953, erweiterte Auf‐ 00
lage 1990) enthalten, der vom Verlag NACH dem Tod 00
des Meisters herausgegeben wurde mit der Absicht, 00
VERSCHIEDENSTE Schriftzeugnisse des Meisters vor 00
dem Vergessen zu bewahren.
DASS es zu allen Zeiten Menschen gab, die in
geradezu bewunderungswürdigem Glauben an
sich selbst und die Unfehlbarkeit ihrer Gesichte,
vermeintliche «Wahrheit» Anderen fanatisch auf‐
zudrängen suchten, ‒ daß es niemals an macht‐
lüsternen Spekulanten auf die willige Leichtgläu‐
bigkeit frommer Seelen fehlte, ‒ weiß jeder, der
das Sehnen der Menschheit kennt, die Mauern zu
überfliegen, die physisch-sinnlichem Erkennen un‐
übersteigbar sind.
.Das darf aber nicht davon abhalten, Mitteilung
menschlicher Erfahrung in überirdischen Gebieten
stets wieder aufs neue zu prüfen, denn wenn auch
hier auf tausend Irrtümer, ‒ auf tausend Bekun‐
dungen bloßen Geltungstriebes, ‒ nur ein ein‐
ziger Einblick in übererdensinnliche
Wirklich‐
keit käme, so wäre die Aufmerksamkeit schon
reichlich belohnt.
Ich bin in der wenig beneidenswerten Lage, solche
prüfende Aufmerksamkeit für meine eigenen Be‐
kundungen fordern zu müssen.
.Es handelt sich hier nicht etwa um eine «Welt‐
anschauung», sondern um die Mitteilung meiner
Erfahrungen, die in
jeder Form religiöser
Überzeugung ihren Platz finden können, sofern
nur die
Möglichkeit übererdenhafter Erfah‐
rung nicht a priori weggeleugnet wird.
.Aufs beste vertraut mit den guten Gründen zur
Skepsis gegenüber der von mir behaupteten Mög‐
lichkeit solche Erfahrungen zu machen, bestreite
ich gewiß keinem Menschen das Recht, fürs erste
den in meinen Schriften gegebenen Berichten über
die geistige Wirklichkeit, die uns alle trägt, mit
äußerster
Vorsicht und mit mancherlei
Zwei‐
fel zu begegnen.
.Aber auch ich muß das Recht erwarten, die
Bekundungen meiner geistigen Erfahrung davor
bewahrt zu sehen, daß man sie unbedacht zu einer
Kategorie menschlicher Äußerungen zähle, die mir
zum mindesten gleich fatal und glaubensunwürdig
ist, wie dem hartgesottensten Skeptiker unter mei‐
nen Lesern.
.Ich muß ferner darauf hinweisen, daß es sich in
allen meinen Schriften immer um zwei voneinan‐
der sehr verschiedene Mitteilungskomplexe han‐
delt: ‒ um das, was mir evident wurde als
Allen
erreichbares menschliches Erfahrungsgut, auch
wenn Weite und Tiefe der möglichen Erfahrung
hier stets von individueller Eignung abhängen, ‒
und sodann um Mitteilung aus gesonderter, nur
mir selbst eröffneter Erfahrungsweise, soweit
solche Mitteilung möglich und nötig ist.
Ich rede in meinen Büchern nur von Dingen, die
mir Inhalt
eigenen Erlebens sind.
.Gerade darum aber war ich zuweilen genötigt,
auch von der
Art und
Weise dieses Erlebens
Bekenntnis abzulegen.
.Wie es sich aber, beispielsweise, in den Schrif‐
ten eines Botanikers gewiß nicht in erster Linie
um das individuelle Erleben des Forschers in der
Landschaft handelt, die ihm sein Studienmaterial
an die Hand gab, sondern um die Bereicherung
seiner Spezialwissenschaft, so will ich auch in
meinen Büchern alles, was ein nicht allen zugäng‐
liches individuelles Erleben betrifft, lediglich als
erklärende Beigabe betrachtet wissen, und ich lege
Wert darauf, daß meine Leser sich zueignen, was
ihre Fähigkeit zu
eigener Erfahrung im inner‐
sten Seinsbereich des Menschen zu fördern sucht.
.Jeder, der sich einmal eingefühlt hat in meine
Darstellungsweise und dann Wort und Silbe in
sein Inneres dringen läßt, wird aus seiner eigenen
innersten Tiefe empfangen, wessen er bedarf.
Nichts aber wäre verkehrter, als wenn man sein
Interesse mir, als dem Mitteilenden, zuwenden
wollte, statt es allein auf die
Mitteilung zu
konzentrieren!
.Mit allem Nachdruck muß ich mich hier denn
auch dagegen verwahren, etwa eine neue «geistige
Bewegung» oder eine neue Religionsform ins
Leben rufen zu wollen.
.Die Menschheit dieser Tage hat wahrlich eine
reiche Auswahl an Religionsgemeinschaften zur
Verfügung, und jedes Gemüt kann die Formen
wählen in denen seinem Verehrungsbedürfnis, dem
Göttlichen gegenüber, Genüge geschieht.
.Wir brauchen gewiß keine «neue Religion» und
noch weniger neue Sektenbildungen!
.Was hingegen bitter nottut, ist ein Erwecken der
lebendigen geistigen Kräfte, die der Erdenmensch
auch heute noch in sich selber finden kann, genau
wie sie jene früheren in sich fanden, die als erste
Gläubige sich um die heute jahrtausendealten reli‐
giösen Symbole scharten.
.Was da in unseren Tagen so vielen als «veraltet»
und nicht mehr «der Zeit gemäß» erscheint, steht
immer noch erst am
Anfang seiner realen gei‐
stigen Auswirkung, und wenn diese Zeit das Alt‐
gegebene als ihr nicht mehr «gemäß» empfindet,
so ist sie nur insofern im Recht, als ihr der Maß‐
stab fehlt für die Höhe und Tiefe der verborgenen
Wahrheit, die sie in ihren überlieferten religiösen
Symbolen finden könnte, forderten die Gläubigen
nicht einen Glauben an
Worte, wo alles «Wort»
nur als
Symbol begriffen werden kann...
Gewiß sind die Mitteilungen meiner Bücher in
erster Linie für Menschen bestimmt, die vergeb‐
lich versuchten in den überkommenen religiösen
Formen zur wahren Gottverbundenheit zu gelan‐
gen, und die dennoch das Bedürfnis in sich fühlen,
ihr Dasein im Einklang mit dem geahnten, ewigen
Lebensgrunde zu empfinden.
.Darüber hinaus aber wollen die gleichen Mit‐
teilungen aus den Erfahrungsbereichen ewiger
Wirklichkeit auch jene Menschen erreichen, die
zwar in den altehrwürdigen Formen religiöser
Überlieferung verharren, aber aus einer Gewissens‐
not in die andere geraten, weil konventionelle
Wortgebundenheit sie hindert, die ewigen Kräfte
der Seele in sich zu lösen, die ursprünglich durch
das Aufnehmen der Glaubenssymbole erweckt und
gelöst werden sollten.
.Was ich an Mitteilungen über geistiges Erfah‐
ren gebe, soll nicht etwa die alten religiösen Fas‐
sungsformen urständiger Wahrheit «überflüssig»
machen, sondern ihren kostbaren
Inhalt für das
Bewußtsein wieder erkennbar werden lassen.
.So gewiß dieser verborgene Inhalt zu finden ist,
so gewiß ist es ein verhängnisvoller Irrtum, zu
glauben, daß neue Gemeinschaftsbildung nötig sei,
um das Verborgene dem inneren Sinn zu ent‐
hüllen.
.Auf solche Weise gerät man nur in erhebliche
Gefahr, wirkliches Weisheitsgut, das man uner‐
kannt besaß, endgültig zu verlieren, um für sol‐
chen Verlust dann die fragwürdigsten Idole ein‐
zutauschen, die jemals irrende Gehirne sich er‐
schaffen haben.
.Es gab allezeit reichlich Beispiele, die das be‐
stätigten, und wenn man sie in unseren Tagen
sucht, wird man nicht weit zu gehen brauchen.
Wer in den Symbolen seiner angestammten Reli‐
gionsform die ewige Wahrheit finden will, der soll
in Vertrauen bei diesen Symbolen verharren, bis
sie sich ihm erschließen.
.Was ich in meinen Schriften niederlegte, ist
nicht in
allen Stücken für ihn bestimmt, ‒ aber
gar vieles wird er sich zu eigen machen können,
auch wenn er sich genötigt sehen mag, die Weise
meiner Mitteilung in die gewohnte Formel seiner
religiösen Lehrmeinung zu «übersetzen».
.Er wird genug der Worte finden, die seinen
Glaubenswillen neu beleben, und wo er nur im
Kampfe gegen schwere Zweifel sich noch Glauben
zu erringen suchte, dort wird er durch die Mittei‐
lungen die ich ihm zu geben habe, erst wieder zur
inneren Sicherheit kommen.
.Aber auch dort, wo man
nicht mehr gewillt
ist sich religiöser Leitung anzuvertrauen, wird
dennoch manche vordem verdunkelte Lehre aus
altem Religionsgut aufzuleuchten beginnen, so daß
sie, auch ohne Bindung an irdische Bekenntnis‐
form, in der Seele Eingang findet.
Was ich mitzuteilen habe, steht
jenseits von
Glaube und Unglaube!
.Jede Religionsform hat ihre Apologeten und
jede Apologie hat ihre Widersacher.
.Es gibt kein unfruchtbareres Zeitvergeuden, als
das Gezänk um religiöse Meinungen.
.Nichts liegt mir darum ferner, als die törichte
Absicht, irgend einem Glauben, oder irgend einer
Glaubensablehnung als Eideshelfer dienen zu
wollen.
.Der Leser meiner Bücher mag zusehen, wie sich
das, was ich ihm zu sagen habe, in seine «Welt‐
anschauung» einfügen läßt, aber er darf nicht an
meine Schriften herangehen in der irrigen Mei‐
nung, als stünde ich im Dienste irgend einer Reli‐
gionsform, oder deren Gegner.
.Obwohl ich versuche, allen Bezirken mensch‐
lichen Erlebens gerecht zu werden, kann man
doch von einem Hauptinhalt meiner Schriften
sprechen, der sich vielleicht auf folgende Formel
bringen läßt:
Ich gebe Mitteilung von der mir erfahrungsgemäß
bewußten Verwurzelung des Erdenmenschen in
einem mit physischen Sinnen unfaßbaren, aber
gleichwohl nur «sinnenhaft» durch
geistige
Sinne erfahrbaren,
substantiellen «geistigen»
Kräftebereich, in dem das individuelle Bewußt‐
sein des Menschen schon während dieses erden‐
körperlichen Lebens zum Erwachen kommen
kann, ‒ in dem es aber unweigerlich nach dem
Aufhören physisch-sinnlichen Daseins zum Er‐
wachen kommen
muß.
.Ich gebe Mitteilung von der mir erfahrungs‐
mäßig bewußten Hierarchie individueller geistiger
Helfer, die ausgeht aus dem innersten Urkern des
genannten geistigen Kräftebereiches, und herab‐
steigt bis in das Menschentum auf diesem Planeten,
allwo sie in einzelnen, vor ihrem irdischen Wer‐
den dazu vorbereiteten Menschen zur Auswirkung
kommt.
.Ich gebe Mitteilung von der mir erfahrungs‐
mäßig bewußten Möglichkeit, in geistigen Konnex
mit dieser Hierarchie zu kommen, und zeige den
Weg, wie das zu erreichen ist.
.Ich gebe endlich auch Mitteilung, wie ich selbst
zu der mir zugänglichen Erfahrung kam, und wes‐
halb ich dazu kommen
mußte.
Die
Benennungen in denen ich von dem mir
erfahrungsmäßig bewußten «geistigen Kräftebe‐
reich» und seinem innersten «Urkern», sowie von
den Gliedern der von ihm ausgehenden «geistigen
Hierarchie» zu reden pflege, entstammen keiner
sprachlichen Willkür, sondern entsprechen der
Fassungsform, die allen auf Erden ausmündenden
Gliedern dieser Hierarchie gemeinsam ist.
.Das schließt jedoch nicht aus, daß jeder Auf‐
nehmer meiner Mitteilungen diese Benennungen
in die ihm gemäße oder liebgewordene Redeweise
übertragen kann, möge er die Worte aus dem
Begriffschatz seiner angestammten Religionsform
wählen, oder sich selbst seine individuellen Be‐
zeichnungen schaffen.
.Es kommt nur darauf an, daß er das geistig
Wirkliche erfühle, auf das meine Benennun‐
gen hindeuten.
.Wenn man bei einem gewissen religiös bestimm‐
ten Sprachgebrauch verbleiben will, so darf man
wahrlich sagen, daß ich von «
Heilstatsachen»
Mitteilung gebe, ‒ allein, ich kenne «Heilstat‐
sachen» nicht nur als
einmaliges Geschehen,
sondern als
immerwährenden Vorgang.
Wohl bin ich mir des Mangels bewußt, daß ich
nicht an allen Stellen meiner Mitteilungen, und
nicht zu allen Zeiten der Niederschrift, die gleiche
Eindeutigkeit des Ausdrucks zu erreichen ver‐
mochte, aber der Leser, dem es nur um den
Wahr‐
heitsgehalt des Gesagten zu tun ist, wird gewiß
dennoch bald erkennen lernen, wie ich meine
Worte verstanden wissen will.
.Die Weise des sprachlichen Ausdrucks ist eine
Angelegenheit erdenmenschlicher Vervollkomm‐
nung, und überdies handelt es sich in meinen Mit‐
teilungen, soweit sie das nur auf innere, geistige
Art Erkennbare betreffen, um Dinge, die in Worten
kaum darstellbar sind.
Es ist mir nicht «Bedürfnis» sondern unumgäng‐
liche
Pflicht, das geistig Erfahrene meinen Mit‐
menschen mitzuteilen, und ich muß hier gestehen,
daß mir die Erfüllung dieser Pflicht von allem
Anfang an wahrlich nicht leicht geworden ist.
.Mit der erfolgten Niederschrift ist jedoch meine
Pflicht getan, so daß ich dann gerne
höherem
geistigen Wirken überlasse, den dargebotenen Sa‐
men in geeignetes Erdreich zu versenken, damit
er lebendige Frucht hervorbringe, wo immer es
möglich werden kann.
Gewiß gewahre ich mit Freude, daß so manches
Samenkorn schon aufgegangen ist, aber diese
Freude äußert sich in mir nur als ein Mitempfin‐
den geistigen Geschehens, dem ich hier auf Erden
dienen durfte.
.Peinlich aber berührt mich stets die gutgemeinte
Zusicherung mancher Leser meiner Schriften, daß
sie durch nichts mehr sich abwenden lassen wür‐
den von dem, was sie durch mich empfingen.
.Ich höre aus solchen Worten ein Treuegelöbnis,
das ich weder erwarte noch gutheißen kann, denn
wer wirklich erfaßte, was ihm meine Mitteilungen
geben wollen, der weiß, daß er nur
sich selber
die Treue zu halten braucht um fortan gesichert zu
sein vor allem Irrtum, und geborgen zu bleiben
in seinem lebendigen Gott.
Was meine Schriften übermitteln, soll nicht etwa
«geglaubt», sondern sachlich aufgenommen wer‐
den, so daß es Erweckung eigenen innersten Er‐
lebens bewirken kann.
.Ich bin kein Prophet, der «Bekenner» braucht,
‒ kein Kämpfer, der nach «Anhängern» hinter
sich blickt, ‒ sondern nur ein Vermittler geistiger
Einblicke in die ewige Heimat des Menschen.
.Wer meiner Führung sich vertrauen mag, den
führe ich nicht zu mir, sondern auf den Weg zu
seinem eigenen innersten, ewigen Lebensgrund, der
mir erfahrungsgegenwärtig ist zu jeder Zeit, weil
ich selbst in ihm bewußt geworden bin.
.Das Ungewohnte solcher Bekundung lasse der
Leser meiner Bücher getrost auf sich beruhen, bis
er durch Benützung der gegebenen Hinweise selbst
zur Einsicht in seine ewige Natur gelangte, und
damit zu eigener Urteilsgewißheit.
.Dann werden ihm meine Worte nur noch
Be‐
stätigungen seines
Selbsterlebens sein!
*
ENDE